Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946

bei uns veröffentlicht am29.11.2017

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind irakische Staatsangehörige mit kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 27.03.2017 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25.04.2017 Asylanträge.

Bei den persönlichen Anhörungen beim … (… am 25.04.2017 und 04.05.2017 gab der Kläger zu 1 im Wesentlichen an, sie hätten vor ihrer Ausreise in Kirkuk gelebt. Aus dem Irak seien sie geflohen, weil er bedroht bzw. erpresst worden sei. Von 2006 bis 2014 habe er in einer Polizeistation in Kirkuk als Chauffeur gearbeitet. Nach dem Einmarsch des IS in Mosul sei er in einem Bezirk außerhalb Kirkuks versetzt worden. Dort sei er bis zu seiner Ausreise tätig gewesen. Aufgrund ausbleibender Gehaltszahlungen und der damit verbundenen finanziellen Belastungen habe ihm ein Freund namens geraten, sich der paramilitärischen Einheit „ …- anzuschließen. Daraufhin habe er sich am 02.08.2016 dieser Einheit angeschlossen und von führenden Personen dieser Einheit Geld entgegengenommen, um polizeiinterne Informationen über hochrangige Offiziere preiszugeben. Die Übergabe der Bestechungsgelder habe insgesamt fünf Mal stattgefunden. Als der Kläger zu 1 sich geweigert habe, über einen Generalmajor der Polizei in Kirkuk mit dem Vornamen Sarhad, den er persönlich nicht gekannt habe, Informationen zu beschaffen, habe ihn der Anführer der paramilitärischen Einheit, , bedroht und erpresst, die geheimen Gespräche, welche der Kläger zu 1 mit ihm geführt habe, zu veröffentlichen. Gleichzeitig habe ihm … … versichert, dass er ihm genügend Geld geben würde, wenn er Informationen über Sarhad liefern würde. Daraufhin habe der Kläger zu 1 zugestimmt. Der Anführer der paramilitärischen Militäreinheit habe im Hinblick auf die Informationsbeschaffung vorgeschlagen, dass ein weibliches Mitglied der Militäreinheit den Kläger zu 1 wegen sexueller Belästigung bei Sarhad anzeige, damit diese Sarhad dadurch näherkomme. Da dieser Plan im November 2016 funktioniert habe, habe der Kläger zu 1 erneut Geld erhalten. Nachdem er einem guten Freund bei der Polizei von den Geschehnissen erzählt habe, sei er nach Sulaymaniya gegangen, um dort Visa für sich und seine Familie zu beschaffen. Mit einem von der Deutschen Botschaft in Erbil im März 2017 ausgestellten Visum hätten sie dann am 27.03.2017 den Irak verlassen.

Die Klägerin zu 2 gab beim an, sie sei nur wegen ihres Ehemannes geflüchtet und habe keine persönlichen Asylgründe.

Im Übrigen gaben die Kläger zu 1 und zu 2 bei ihren Anhörungen an, die Kläger zu 3 und 4 hätten keine eigenen Asylgründe. Sie seien vielmehr wegen der Probleme des Klägers zu 1 geflüchtet.

Mit Bescheid vom …, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 20.07.2017, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) und die Anträge auf Asylanerkennung (Ziffer 2) ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Ziffer 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt (Ziffer 4). Den Klägern wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die Kläger seien keine Flüchtlinge im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Sie hätten keine gegen sie persönlich gerichtete Verfolgungshandlung vorgetragen, die an eines der in § 3b genannten Merkmale anknüpfe. Im Übrigen habe sich die Klägerin zu 2 ausschließlich auf die Asylgründe ihres Mannes bezogen. Für die Kläger zu 3 und zu 4 seien ebenfalls keine eigenen Gründe geltend gemacht worden.

Die Anerkennung als Asylberechtigte gem. Art. 16a Abs. 1 GG sei ebenfalls abzulehnen, da nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegeben seien.

Den Klägern sei auch kein subsidiärer Schutzstatus zuzuerkennen. Soweit der Kläger zu 1 vorgetragen habe, er sei durch eine paramilitärische Einheit erpresst worden, würden seine Einlassungen nicht den Schluss zulassen, dass dadurch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Der Kläger zu 1 habe sich freiwillig und wissentlich auf den Austausch von vertraulichen Informationen gegen Bezahlung eingelassen. Durch seine Verbindung zur Polizei könne er bei einer ernsthaften Bedrohung durch die paramilitärische Einheit jederzeit direkt die Hilfe seiner Polizeikollegen in Anspruch nehmen. Selbst die (fingierte) Anzeige wegen sexueller Belästigung sei scheinbar ohne Folgen für den Kläger zu 1 geblieben, da dieser nach der Anzeige im November 2016 für weitere vier Monate bei der Polizei gearbeitet habe. Die paramilitärische Einheit sei in diesen vier Monaten auch nicht mehr an den Kläger zu 1 herangetreten, um Informationen zu erhalten. Folglich sei davon auszugehen, dass weder eine ernsthafte Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG seitens des Generalmajors noch seitens der paramilitärischen Einheit vorgelegen habe. Im Übrigen habe der Kläger zu 1 trotz mehrmaliger Nachfragen keine plausible und substantiierte Erklärung geliefert, inwiefern er einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Letztlich sei dem Sachvortrag eine durch den Generalmajor veranlasste staatliche Verfolgung ebenfalls nicht zu entnehmen, da die Kläger den Irak problemlos per Flugzeug verlassen haben können. Eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheide auch aus. In Kirkuk bestünde kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, da das Gebiet unter kurdischer Kontrolle stehe. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere würden die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führen, dass bei der Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Individuell gefahrerhöhende Umstände seien nicht vorgetragen worden. Trotz der schwierigen Lage im Irak sei es nicht ersichtlich, dass es dem Kläger zu 1 nicht gelingen werde, dort den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten.

Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 01.08.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen Tag und mit Beschluss vom 24.08.2017verwiesen an das Verwaltungsgericht Bayreuth, beantragte der Bevollmächtigte der Kläger:

1. Der Bescheid der Beklagten vom , Gz: … zugestellt am 20.07.2017, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, hilfsweise wird festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.

1. Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Kläger im Wesentlichen aus, bereits aufgrund ihrer sunnitischen Glaubenszugehörigkeit seien die Kläger im Irak der Verfolgung durch die schiitische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt, ohne dass staatliche Einrichtungen Schutz vor der Verfolgung gewährleisten würden und ohne dass eine inländische Fluchtalternative bestünde. Im Übrigen habe sich der Kläger zu 1 der paramilitärischen Einheit „…, angeschlossen und sei von dieser beauftragt worden, seinen ehemaligen Polizeichef zu exekutieren. Nachdem er diesen Auftrag zweimal abgelehnt habe, sei ihm in einem dritten Gespräch angedroht worden, dass er selbst getötet werden würde, falls er den Auftrag nicht erfülle. Aus Angst vor Verfolgung und in Ablehnung des Auftrags sei der Kläger zu 1 mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist um sicher leben zu können. Bei einer Rückkehr in den Irak würden der Kläger zu 1 und seine Familie verfolgt, aufgespürt und umgebracht werden. Den Klägern drohe daher eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Inländische Fluchtalternativen seien nicht gegeben.

Mit Schriftsätzen vom 07.08.2017 bzw. 07.09.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss der Kammer vom 26.10.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 20.11.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und die Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 20.11.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl-und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

a) Soweit der Kläger zu 1 eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Spitzeltätigkeit für die „ … … vorträgt, folgt hieraus kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht folgt insoweit zunächst vollumfänglich den zutreffenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

aa) Neben den zutreffenden Feststellungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid, wonach kein Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b Abs. 1 AsylG ersichtlich ist, schenkt das Gericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung auch der geschilderten „Verfolgungshandlung“ keinen Glauben. Die diesbezüglichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sind teilweise vage und detailarm sowie teils in nicht unerheblichem Maße widersprüchlich zu den Angaben des Klägers zu 1 beim .

Insbesondere sind die Angaben zur Häufigkeit der Bestechungsgelder widersprüchlich. Der Kläger zu 1 gab am 04.05.2017 beim an, er habe insgesamt fünf Briefumschläge mit Bestechungsgeld bekommen. Dem Gericht erklärte er hingegen in der mündlichen Verhandlung, er habe von der …" nur vier Mal Geld erhalten. Eine plausible Erklärung für diesen Widerspruch konnte der Kläger zu 1 trotz Vorhalt des Gerichts nicht liefern.

Im Übrigen konnte der Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung nicht einmal ungefähr zeitlich angeben, wann er sich dem Freund, der ebenfalls bei der Polizei gewesen ist, anvertraut und von seiner Spionagetätigkeit erzählt hat. Sein diesbezügliches Nichtwissen rechtfertigte er in der mündlichen Verhandlung wiederum nur mit dem pauschalen Einwand, er wisse dies nicht, da er seit sieben Monaten in Deutschland sei.

Auch die angeblich mehrfachen Wohnsitzwechsel bis zur Ausreise, um einer Bedrohung zu entgehen, wurden nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Bei der Anhörung beim wurde mit keinem Wort erwähnt, dass die Kläger unmittelbar vor der Ausreise wiederholt den Wohnsitz gewechselt haben. Angesprochen auf eine inländische Fluchtalternative erklärte der Kläger zu 1 beim Bundesamt sogar, sie seien nicht woanders hingegangen, weil man sie woanders auch gefunden hätte. Bis zur Ausreise sei er von der …" in Ruhe gelassen worden, da er dieser Gruppierung gegenüber erklärt habe, dass er momentan keine Zeit für eine Zusammenarbeit hätte. Nachdem die Beklagte im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf einging, dass den Klägern mehrere Monate bis zur Ausreise nichts passiert sei und dementsprechend nicht von einer ernsthaften Verfolgungsgefahr auszugehen sei, wurde in der mündlichen Verhandlung ein mehrfacher Wohnsitzwechsel eingeführt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zu 2 nicht einmal grob zeitlich einordnen konnte, wann diese Wohnsitzwechsel erfolgt sein sollen.

Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, dem Kläger zu 1 sei - nachdem er den Auftrag, den Polizeichef zu exekutieren, zweimal abgelehnt habe - angedroht worden, dass er selbst getötet werde, falls er den Auftrag nicht erfülle, entbehrt jeglicher Grundlage. Diesbezügliche Äußerungen machte der Kläger zu 1 weder beim Bundesamt, noch wurde dies in der mündlichen Verhandlung vom Kläger zu 1 bestätigt bzw. vorgebracht. Dem Kläger zu 1 wurde nach eigenen Angaben von der …" nur mit der Offenlegung der Zusammenarbeit gegenüber dem Generalmajor gedroht, falls er am Komplott zu Lasten des Generalmajors nicht mitwirke.

Weiterhin erscheint es völlig unglaubwürdig, dass sich sowohl die …" als auch der Generalmajor in der besagten Angelegenheit über Monate hinweg vertrösten haben lassen. Wären die Akteure tatsächlich so gefährlich wie von den Klägern beschrieben, hätten sich diese wohl kaum vom Kläger zu 1 mehrmals und über einen längeren Zeitraum mit fadenscheinigen Ausreden abspeisen lassen.

Aufgrund des Gesamteindrucks in der mündlichen Verhandlung hält das Gericht zudem den Vortrag, der Anführer der paramilitärischen Einheit … habe auch seine Familie bedroht für eine unglaubwürdige Steigerung des Sachvortrags. Weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 haben diesbezüglich bei ihren Anhörungen beim etwas erwähnt. Im Gegenteil, der Kläger zu 1 erklärte beim ausdrücklich, dass es nach der fiktiven Anzeige im November 2016 beim Generalmajor bis zur Ausreise am 27.03.2017 mit niemandem irgendwelche Schwierigkeiten gegeben habe. Erstmals in der mündlichen Verhandlung wurde vorgetragen, der Anführer der Militäreinheit habe - während der Kläger zu 1 bei der Arbeit gewesen sei - zweimal Leute zum Haus der Familie geschickt. Eine plausible Erklärung für den erstmaligen Vortrag in der mündlichen Verhandlung konnten weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 liefern. Der Kläger zu 1 flüchtete sich wiederum in allgemeine Floskeln und erklärte, er habe sich beim kurz fassen müssen und dies nicht sagen dürfen, was wiederum im Widerspruch zur Anhörungsniederschrift vom 04.05.2017 steht, wonach der Kläger zu 1 bestätigte, dass er ausreichend Gelegenheit hatte, seine Fluchtgründe zu schildern. Die Klägerin zu 2 rechtfertigte den insoweit fehlenden Sachvortrag beim mit der Aussage, man habe sie nicht danach gefragt. im Übrigen blieb dieser Themenkomplex -trotz weiterer Nachfragen des Gerichts zu den vermeintlichen Besuchen der …" -wiederum vage, detailarm und unsubstantiiert. Auch insoweit konnte die Klägerin zu 2 nicht einmal grob zeitlich einordnen, wann die … bei ihnen vorstellig geworden sei, da „sie unter Konzentrationsverlust leide“.

Im Übrigen macht das Gericht von seinem Ermessen gebrauch und weist den Vortrag, die habe zweimal Leute zum Haus der Familie geschickt, gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.

Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG hat der Kläger die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung anzugeben. Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der obigen Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist. Die Kläger wurden sowohl von der Beklagten im Bescheid vom als auch vom Gericht in der Klageeingangsmitteilung darauf hingewiesen, dass die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids anzugeben sind. Die Kläger haben diesen Aspekt weder ins behördliche Verfahren beim noch bis zur mündlichen Verhandlung in das gerichtliche Verfahren eingeführt, obwohl sie im Bescheid bzw. in der Klageeingangsmitteilung noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass nach § 74 Abs. 1 Satz 2 AsylG nicht nur Beweismittel, sondern sämtliche Tatsachen innerhalb der genannten Frist vorzutragen sind. Die Kläger haben auch in keiner Weise plausibel dargelegt, warum diese Tatsachen erstmals in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen sind, sondern lediglich Ausflüchte (keine entsprechende Fragestellung bzw. keine Gelegenheit zum diesbezüglichen Vortrag) gesucht. Daher macht das Gericht von seinem Ermessen gebrauch und weist den verspäteten Vortrag als präkludiert zurück, da zur Klärung dieser Frage weitere Aufklärungsmaßnahmen notwendig wären, die zur Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen würden.

bb) Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags und bei Berücksichtigung der verspätet vorgetragenen Bedrohung der Familie, steht den Klägern kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zu. Neben dem fehlenden Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3b Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Bedrohungen infolge der Spionagetätigkeit, stünde den Klägern zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).

Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Kläger als Kurden - sollten sie tatsächlich in flüchtlingsrelevanter Weise bedroht werden - bei einer Rückkehr in den Irak im Bedarfsfall Schutz in der Region Kurdistans suchen können. Für kurdische Volkszugehörige ist eine sichere und legale Einreise nach Kurdistan problemlos (z.B. über die Flughäfen in Erbil und Sulaimaniya) möglich. Es ist auch davon auszugehen, dass sie als Kurden in Kurdistan (wieder) aufgenommen werden Es ist nicht ersichtlich, warum sie nicht dorthin zurückkehren könnten. In Kurdistan besteht kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (vgl. hierzu ausführlich unter 2.). Der pauschale Hinweis, man würde sie überall finden und bekomme in Kurdistan Probleme mit dem Generalmajor, schließt vorliegend die innerstaatliche Fluchtalternative nicht aus. Die Kläger könnten problemlos anderweitig „untertauchen“, zumal sie offensichtlich - trotz angeblicher Gefahrenlage - sogar noch über einen längeren Zeitraum unbehelligt in Kirkuk leben konnten. Dass die … und der Polizeichef über Monate hinweg „vertröstet“ werden konnten, ist völlig unglaubwürdig (s.o.)

Der Kläger zu 1 ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist ihm zumutbar alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere auch schlichten Hilfstätigkeiten nachzugehen, um für sich und seine Familie zu sorgen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es in einer fremden Stadt schwieriger ist, Arbeit zu finden, zumal sich die wirtschaftliche Lage auch in Kurdistan-Irak verschlechtert hat (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 2.2.2017 - AN 2 K 16.31008 - juris). Überdies leben noch Verwandte und die Großfamilie der Kläger im Irak, so dass im Bedarfsfall mit Unterstützung zu rechnen ist. Die Klägerin zu 2 stammt sogar aus Sulaimanyia. Ihre Großfamilie lebt dort. Es ist schon im Ansatz nicht glaubhaft, dass sich die Klägerin zu 2 wegen der Hinwendung zum Christentum mit ihrer Familie überworfen hat (siehe hierzu sogleich unter b.).

b) Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachte Hinwendung der Kläger zum Christentum führt ebenfalls nicht zum Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

aa) Für das Gericht ist bereits nicht glaubhaft vorgetragen, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht und die Betätigung des christlichen Glaubens Teil der religiösen Identität der Kläger ist (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 - Au 5 K 16.31898 - juris, VG Bayreuth, U.v. 3.5.2017 - B 3 K 17.30947). Die Annahme einer Verfolgungsgefährdung wegen des Abfalls vom muslimischen Glaubens und der Zuwendung zum Christentum setzt im konkreten Einzelfall voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zum Christentum zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 7.11.2016 - 14 ZB 16.30380 - juris, BayVGH, B.v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris; OVG NRW, B.v. 10.2.2017 - 13 A 2648/16.A - juris; OVG Lüneburg, – B.v. 16.9.2014 - 13 LA 93/14 - juris; VGH BW, B.v. 23.4.2014 - A 3 S 269/14 - juris; VG München, U.v. 11.4.2017 - M 2 K 17.30353 - juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der Einlassungen in der mündlichen Verhandlung, zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die am 20.11.2017 erstmals vorgebrachte Hinwendung zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität der Kläger prägt, sondern vielmehr dass dieser ganz offensichtlich Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen.

Bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung offenbarte sich, dass den Klägern zu 1 und 2 selbst grundlegendste Kenntnisse über den christlichen Glauben fehlen. Der Kläger zu 1 vermochte zwar noch das „Vater unser“ auf Kurdisch aufzusagen, wusste aber nicht einmal den religiösen Hintergrund des bevorstehenden Weihnachtsfestes. Die Klägerin zu 2 wusste nur, dass „die Christen an Weihnachten feiern“. Der religiöse Hintergrund war ihr ebenfalls völlig fremd. Mit dem Begriff „Ostern“ konnte die Klägerin zu 2 überhaupt nichts anfangen.

Die Kläger zu 1 und 2 konnten dem Gericht auch nicht einmal im Ansatz darlegen, warum sie nicht mehr am sunnitischen Glauben festhalten können bzw. wollen und warum sie sich zum Christentum hingezogen fühlen. Auf Fragen des Gerichts kamen nur allgemeine und vage Floskeln, wie beispielsweise der Kläger zu 1 sei nicht glücklich mit dieser Religion gewesen, da der Koran immer falsch interpretiert worden sei. Die Klägerin zu 2 will nur deswegen kein Moslem mehr sein, weil sie „so viele schlechte Dinge im Islam gesehen habe.“ Eine plausible und nachvollziehbare Schilderung, was das Christentum für die Kläger ausmache, wurde ebenfalls nicht abgegeben. Der Kläger zu 1 beschränke sich auf völlig vage Oberbegriffe wie „Liebe“ und „Ehrlichkeit“. Die Klägerin zu 2 gab an, „Tugend und Liebe“ würden sie vom Christentum überzeugen, ohne dass eine nähere und inhaltliche Beschreibung dieser „Floskeln“ erfolgt ist.

Der Einschätzung des Gerichts, dass die Kläger lediglich aus asyltaktischen Gründen die Hinwendung zum Christentum vortragen, steht auch nicht entgegen, dass die Kläger zu 1 und 2 offensichtlich seit dem 22.09.2017 an einem Taufkurs in der Friedenskirche teilnehmen. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht zum Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung. Im Übrigen hat vorliegend noch nicht einmal eine Taufe stattgefunden. Diese soll vielmehr erst am 15.12.2017 erfolgen, wobei der Sinngehalt der unmittelbar bevorstehenden Taufe für das Gericht aufgrund der eklatanten Lücken der Kläger zu 1 und 2 in den absoluten Grundlagen des christlichen Glaubens mehr als fraglich erscheint. An dieser Einschätzung des Gerichts ändern auch die Bescheinigungen des Vereins C.A.S. e.V. (ComeAndSee - House For All Nations e.V.) vom 13.11.2017 bzw. 18.11.2017 sowie die Stellungnahme der Pfarrerin … (Friedenskirche vom 10.11.2017 nichts. Nach der Stellungnahme vom 13.11.2017 nähmen der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 seit einiger Zeit regelmäßig an der öffentlichen internationalen Bibelstunde und dem Gottesdienst für Iraner und Kurden teil. Im Übrigen nähmen sie am Taufkurs in der Friedenskirche teil, um sich und die Kinder am Ende des Kurses taufen zu lassen. Die Kläger zu 3 und 4 würden auf Wunsch der Kläger zu 1 und 2 den evangelischen Religionsunterricht in der Kirche besuchen. Nach der Bescheinigung vom 18.11.2017 bestehe an der Ernsthaftigkeit der Hinwendung der Kläger zu 1 und 2 zum christlichen Glauben kein Zweifel. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 würden seit etwa fünf Monaten die jeden Mittwochabend stattfindende internationale Bibelstunde besuchen, seien dort mit großem Eifer dabei und würden sich auch in ihrer Umgebung zum christlichen Glauben bekennen. Die Pfarrerin der Stadtkirche führte in ihrer Stellungnahme vom 10.11.2017 aus, dass die Kläger seit 22.09.2017 regelmäßig den Taufkurs besuchen und sich sehr intensiv an den Gesprächen beteiligen würden. Sie freue sich, die Kläger noch vor Weihnachten taufen zu dürfen, da sie überzeugt sei, dass diese mit dem Herzen glauben.

Diese Stellungnahmen bzw. Bescheinigungen sind jedoch nicht geeignet, das Gericht von einer ernsthaften und identitätsprägenden Entscheidung der Kläger für das Christentum zu überzeugen, zumal die Kläger - wie bereits ausgeführt - nahezu keine Ahnung vom christlichen Glauben haben und auch der Zeitpunkt der erstellten Bescheinigungen bzw. der Beginn des Taufunterrichts im unverkennbaren Zusammenhang mit der Ablehnung des Asylantrags bzw. der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren steht. Im Übrigen erscheint es nicht nachvollziehbar, warum die Kläger ihre Zuwendung zum christlichen Glauben erstmals in der mündlichen Verhandlung vortragen, obwohl nach der Stellungnahme vom 18.11.2017 bereits seit etwa fünf Monaten, also ab etwa Mitte Juni 2017, die internationale Bibelstunde besucht wird. Insoweit verweist das Gericht zudem auf die vorstehenden Ausführungen zu § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO und weist - unter Ausübung pflichtgemäßer Ermessens - den Vortrag der Hinwendung zum christlichen Glauben ebenfalls als präkludiert zurück.

Nach alledem ist bei einer Gesamtwürdigung der Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum im Fall der Kläger nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche deren religiöse Identität prägt.

bb) Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Kläger tatsächlich aus innerer Überzeugung Christen geworden sind, haben sie ihr Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft dargelegt. Bei einer Rückkehr in den von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten Gebieten bzw. in die Autonome Region Kurdistan - was den Klägern ebenfalls ohne weiteres zumutbar ist (s.o.) - droht wegen des Abfalls vom Islam und der Zuwendung zum christlichen Glauben nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG.

(1) Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine staatliche Verfolgung von Christen in Kurdistan. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion - KAR - aus: Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9 sowie Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 07.02.2017, S. 12). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ - IS - im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 15.12.2016 - M 4 K 16.31327 - juris; VG München, U.v. 13.1.2017 - M 4 K 16.31091 - juris, VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris m.w.N.).

Dass muslimische Kurden, die zum Christentum konvertieren, in Kurdistan anders behandelt werden, als gebürtige Christen, oder dass sogar ein diesbezügliches Verbot mit strafrechtlichen Konsequenzen besteht, ist für das Gericht nicht ersichtlich (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 - Au 5 K 16.31898 - juris; VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris; siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=zvg20OPlKw0 - Beitrag „Immer mehr Kurden werden Christen“; http://www.kath.net/news/52725 - Beitrag vom 04.11.2015 „Nordirak: Immer mehr kurdische Muslime werden Christen“).

(2) Eine Verfolgung der Kläger durch nichtstaatliche Akteure im Nordirak, insbesondere durch die Familie der Klägerin zu 2, ist weder glaubhaft und substantiiert vortragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich. Die Klägerin zu 2 behauptet lediglich, Angst zu haben, von ihrer Familie getötet zu werden. Selbst bei unterstellten privaten Verfolgungshandlungen durch die

(2) Familie der Klägerin zu 2 wegen einer Abkehr vom Islam, steht den Klägern jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative zu, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Auf die vorstehenden Ausführungen zur internen Fluchtalternative im Rahmen der Bedrohung durch die " bzw. durch den Generalmajor wird verwiesen. Selbst bei einer (zusätzlichen) Bedrohung durch die Familie könnten die Kläger durch eine Niederlassung außerhalb des Machtbereiches der Familie, insbesondere in größeren Städten, gefahrlos untertauchen können. Dort sind sie - selbst wenn sie tatsächlich Christen und in Lebensgefahr wären - hinreichend sicher (so auch VG München, U.v. 15.12.2016 - M 4 K 16.31327 - juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2017 - B 3 K 16.31958; vgl. auch VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris, VG Bayreuth, U.v. 3.5.2017 - B 3 K 17.30242 - juris).

c) Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene Desertion des Klägers zu 1 vom Polizeidienst führt ebenfalls nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

aa) Zum einen wurde dieser Aspekt - ohne nachvollziehbaren Grund - erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Insoweit macht das Gericht wiederum von seinem Ermessen gebrauch und weist das Vorbringen nach § 74 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 87 b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.

bb) Selbst wenn man die Desertion vom Polizeidienst als wahr unterstellt, ergibt sich für das Gericht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger zu 1 der Tod bzw. infolge einer militärischen Gerichtsverhandlung eine lange Haftstrafe mit unmenschlicher Behandlung im Gefängnis droht. Aufgrund eines Auskunftsersuchens des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14.09.2011 in der Streitsache W 4 K 09.30149, wies das Europäische Zentrum für Kurdische Studien in Berlin mit Schreiben vom 28.02.2013 darauf hin, dass sich das Strafmaß der irakischen Militärgerichtsbarkeit, vor der sich der Kläger zu 1 fürchtet, nach dem Militärstrafgesetz Nr. 19 aus dem Jahr 2007 richtet. In Art. 33 Abs. 1 heißt es: „Jeder Soldat, der 15 Tage ohne Erlaubnis von seiner Militäreinheit fernbleibt und jeder Offizier, der 10 Tage ohne Erlaubnis und Grund nicht zum Dienst erscheint, wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.“ Weiterhin wird nach Art. 35 Abs. 5 jede Peron, die ins Ausland flüchtet, zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Nach diesen Grundsätzen der irakischen Militärgerichtsbarkeit hätte der Kläger zu 1 somit allenfalls mit einer Gefängnisstrafe von 5 Jahren zu rechnen. In der obigen Auskunft vom 28.02.2013 wird aber zugleich darauf hingewiesen, dass das Militärstrafgesetz derzeit im Irak nicht umgesetzt wird. In der Praxis werden Offiziere, die 10 Tage nicht zum Dienst erschienen sind, lediglich entlassen. Hintergrund für den „Nichtvollzug“ des Strafgesetzes sind die hohen Desertionszahlen und die damit einhergehende Unmöglichkeit der Strafverfolgung (vgl. umfassend: VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 - B 3 K 16.31099).

In Anbetracht dieser Erkenntnisse spricht bereits einiges dafür, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr wegen Desertion nicht zwingend verhaftet bzw. bestraft werden würde.

Selbst wenn der Kläger zu 1 im Irak zur Rechenschaft gezogen wird, rechtfertigt die drohende Gefängnisstrafe im Heimatland für eine begangene „Fahnenflucht“ noch nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Eine Bestrafung wegen Desertion stellt an sich noch keine diskriminierende Maßnahme im Sinne des Flüchtlingsrechts dar (VG München, U.v. 16.11.2016 - M 25 K 15.31291 - juris; VG Bayreuth, U.v. 12.10.2017 - B 3 K 17.31455 - juris). Die gesetzliche Freiheitsstrafe von 5 Jahren ist an sich ebenfalls nicht unverhältnismäßig oder diskriminierend i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG (VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 - B 3 K 16.31099, VG Bayreuth, U.v. 24.4.2017 - B 3 K 17.30796; VG Bayreuth, U.v. 24.8.2017 - B 3 K 17.31275; VG Bayreuth, U.v. 12.10.2017 - B 3 K 17.30523). Zwar fällt das diesbezügliche Strafmaß höher aus als in einigen europäischen Ländern, jedoch findet sich beispielsweise auch im deutschen Wehrstrafrecht eine ähnliche Strafandrohung für den Fall der „Fahnenflucht“ (vgl. § 16 WStG).

d) Weiterhin ist - entgegen dem Vorbringen des Bevollmächtigten der Kläger - in der Rechtsprechung geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen. Für die Annahme einer entsprechenden Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 21.4.2009 -10 C 11/08 - juris). Zwar existieren im Irak schiitische Milizen, die zum Teil auch gewaltsam gegen Sunniten vorgehen. Dabei handelt es sich aber um einzelne Übergriffe. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen weder im Staat Irak in seiner Gesamtheit noch in Kirkuk die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, U.v. 09.01.2017 -13a ZB 16.30740 - juris; BayVGH, B.v. 01.02.2017 - 13a ZB 16.30990 - juris; BayVGH, B.v. 15.03.2017 - 20 ZB 17.30308 - juris; VG Augsburg, U.v. 12.12.2016 - Au 5 K 16.31959 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.07.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris; VG Bayreuth, U.v. 18.10.2016 -B 3 K 16.30613).

e) Im Ergebnis steht damit den Klägern unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.

2. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Sie können sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz -keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG durch die … bzw. durch den Generalmajor oder durch die Familie der Klägerin zu 2 droht. Auch subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt nur dann in Betracht, wenn glaubhaft und konkret individuell die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht.

b) Den Klägern steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes i.S.d. Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009, C-465.7, juris).

a) Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in der Region Kirkuk ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt - auch und erst-recht nach dem kürzlich erfolgten, widerstandslosen Rückzug der Peschmerga aus Kirkuk (vgl.: http://www.spiegel.de/politik/ ausland/kirkuk-schwarze-woche-fuer-die-kurden-des-irak-a-1173939.html) - nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Kirkuk Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (so auch VG Ansbach, U.v. 01.12.2016 - AN 2 K 16.30864 - juris; VG Bayreuth, U.v. 13.04.2017 - B 3 K 17.30673 - juris, VG Bayreuth, U.v. 5.5.2017 - B 3 K 17.30140). Es sind auch keine besonderen, in der Person der Kläger liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen.

c) Im Übrigen stünde den Klägern als Kurden jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG in die formellen Grenzen der Autonomen Region Kurdistan offen. Auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz wird verwiesen.

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten des Iraks führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld der Kläger gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es den Klägern nach einer Rückkehr in den Irak nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Der Kläger zu 1 ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist nicht ersichtlich, dass er nicht für sich und seine Familie sorgen könnte.

b) Den Klägern droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

a) c) Weiterhin sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10.08.2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 03.03.2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird.

Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris; VG München, U.v. 22.12.2016 - M 4 K 16.33226 - juris). Sonstige Gefahren i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.

Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.

4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn die Kläger sind, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtlinge anzuerkennen noch stehen ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu. Sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

5. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen - nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten - Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27/16 - juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 - OVG 11 N 163.16 - juris) sowie ungeachtet der Frage, ob - in Anbetracht der Klageanträge -eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946

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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946 zitiert 29 §§.

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(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87b


(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 74 Klagefrist, Zurückweisung verspäteten Vorbringens, Verhandlung durch den abgelehnten Richter


(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden; ist der Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Woche zu stellen (§ 34a Absatz 2 Sa

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 75 Aufgaben


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur

Wehrstrafgesetz - WStrG | § 16 Fahnenflucht


(1) Wer eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihr fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen oder die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zu erreichen,

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946 zitiert oder wird zitiert von 19 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946 zitiert 17 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2017 - 13a ZB 16.30740

bei uns veröffentlicht am 09.01.2017

Tenor I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten w

Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Dez. 2016 - M 4 K 16.31327

bei uns veröffentlicht am 15.12.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger wendet sich ge

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2017 - 13a ZB 16.30990

bei uns veröffentlicht am 01.02.2017

Tenor I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhobe

Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Jan. 2017 - M 4 K 16.31091

bei uns veröffentlicht am 13.01.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger wendet sich ge

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 09. Jan. 2017 - Au 5 K 16.31898

bei uns veröffentlicht am 09.01.2017

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2016 wird in Nrn. 1, 2, 3 insoweit aufgehoben, als die Ablehnung des Asylantrages, des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und au

Verwaltungsgericht München Urteil, 22. Dez. 2016 - M 4 K 16.33226

bei uns veröffentlicht am 22.12.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Kläger, eine Famili

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 01. Dez. 2016 - AN 2 K 16.30864

bei uns veröffentlicht am 01.12.2016

Tenor 1. Ziffer 6. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. Juli 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffas

Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Apr. 2017 - M 2 K 17.30353

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinter

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2016 - 14 ZB 16.30380

bei uns veröffentlicht am 04.11.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Gründ

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Nov. 2015 - 14 ZB 13.30207

bei uns veröffentlicht am 16.11.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die ausdrü

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 03. Mai 2017 - B 3 K 17.30947

bei uns veröffentlicht am 03.05.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger ist irakischer Staa

Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Nov. 2016 - M 25 K 15.31291

bei uns veröffentlicht am 16.11.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinte

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 12. Okt. 2017 - B 3 K 17.31455

bei uns veröffentlicht am 12.10.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger ist irakischer Staa

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 11. Juli 2016 - Au 5 K 16.30604

bei uns veröffentlicht am 11.07.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbes

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Feb. 2017 - 1 C 27/16

bei uns veröffentlicht am 22.02.2017

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Aufhebung, hilfsweise die Befristung des mit seiner Ausweisung eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf unter vier Jahre.

Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 12. Okt. 2016 - 4 K 993/14.A

bei uns veröffentlicht am 12.10.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 23. Apr. 2014 - A 3 S 269/14

bei uns veröffentlicht am 23.04.2014

Tenor Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2013 - A 5 K 122/13 - zuzulassen, wird abgelehnt.Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungszulassungsverfahrens. Gr
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2018 - 20 ZB 18.30059

bei uns veröffentlicht am 16.01.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen. II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag der Kläger auf Zula

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 23. Juli 2018 - RN 1 K 16.33338, RN 1 K 17.35569

bei uns veröffentlicht am 23.07.2018

Tenor I. Die Klagen werden abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Tatbestand

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Nichtgewährung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung, das Abschiebungsverbote in den Irak nicht vorliegen sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von 30 Monaten.

Der am ... 1994 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 17. Januar 2016 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 3. März 2016 Asylerstantrag stellte. Diesen hat der Kläger auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die Gewährung subsidiären Schutzstatuts beschränkt.

Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 25. April 2016 hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass er Araber und Sunnit sei. Bis zu seiner Ausreise aus dem Irak habe er in ... im Stadtteil ... gelebt. Dort habe er zusammen mit seiner Großmutter gelebt. Es habe sich um ein Haus gehandelt, das seiner Großmutter gehört habe. Am 2. Januar 2016 habe er sein Heimatland verlassen und sei am 17. Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er sei vom Irak aus in die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Kroatien, Slowenien, Österreich nach Deutschland gelangt. Die Ausreise habe ungefähr 3.000 Dollar gekostet. Dieses Geld habe er sich durch Arbeit erspart. Auch habe er den Schmuck seiner Mutter verkauft. Diesen habe sie ihm gegeben, bevor sie verstorben sei. Sein Bruder habe ihm bei der Organisation der Ausreise geholfen. Von seinen Verwandten lebe nur noch sein Vater und seine Großmutter im Irak. Sein Halbbruder halte sich in ... auf. Den letzten Kontakt zu seiner Familie im Heimatland habe er vor drei Monaten durch soziale Netzwerke gehabt. Das Gymnasium habe er bis zur 12. Klasse besucht. Die Schule habe er aber nicht abgeschlossen. Als Beruf habe er Kfz-Mechaniker gelernt. Er habe selbstständig gearbeitet. Eine Werkstatt habe er nicht gehabt. Sein monatlicher Verdienst sei unterschiedlich gewesen, es habe sich eher um ein Hobby gehandelt. Es habe ihm seine Großmutter gegeben. Seine Lage im Heimatland sei sehr schlecht gewesen. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Auch sei er kein Mitglied in einer politischen Organisation gewesen. Seine Brüder hätten für die US-Amerikaner gearbeitet. Deswegen sei seine gesamte Familie bedroht worden. Ein Halbbruder von ihm (...) sei zweimal entführt worden. Die Entführer hätten Lösegeld verlangt. Einmal hätte die Familie das Lösegeld auszahlen müssen, einmal sei sein Halbbruder durch die US-Amerikaner befreit worden. Sein Bruder ... habe als Dolmetscher bei den britischen Streitkräften gearbeitet. Zwei andere Halbbrüder hätten in der Kaserne der US-Armee gearbeitet, sie seien zuständig für die Heizungen gewesen. Sein Bruder sei im Jahr 2007 entführt worden. Danach hätten sie seine Geschwister im Jahr 2008 das Land verlassen. Danach sei er zu seiner Mutter geschickt worden. Im Jahr 2014 hätten Streitigkeiten begonnen. Er habe einen Streit mit einer Person namens ... gehabt und seitdem habe dieser angefangen, ihn zu bedrohen und Leute gegen ihn aufzuhetzen. Seit dieser Zeit fühle er sich bedroht. Er habe nur selten das Haus verlassen können und seine Großmutter habe Angst um ihn gehabt. Es habe sich um verbale Streitigkeiten gehandelt. Die letzte sei ungefähr im August 2015 gewesen. Er sei im Auto unterwegs gewesen, als er angehalten worden sei. Er habe behauptet, dass er bespuckt worden sei. Er habe auf sein Gesicht geschlagen und sei aus dem Wagen gestiegen. Es habe sich lediglich um verbale Streitigkeiten gehandelt. Jedoch habe ... erzählt, dass er Sunnit sei. Im Juli 2015 habe er versucht in ein anderes Gebiet umzusiedeln. Am Anfang habe er die Bedrohungen nicht ernst genommen, erst kürzlich habe er die Gefahr richtig wahrgenommen. Er habe keine Zukunft im Irak. Er könne nicht heiraten. Er könne nicht arbeiten. Er könne nirgendwo eine Unterkunft finden. Im Irak weiß man nicht, ob er ein Sunnit oder ein Schiit sei.

Für den weiteren Inhalt der Anhörung des Klägers gegenüber dem Bundesamt wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. April 2016 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Nr. 1 des Bescheids). In Ziffer 2 wurde festgestellt, dass dem Kläger auch subsidiärer Schutzstatus nicht zuerkannt werde. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) lägen nicht vor (Nr. 3). In Ziffer 4 wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung in den Irak angedroht. In Ziffer 5 des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Die Glaubhaftmachung setze entsprechend der Mitwirkungspflicht im Asylverfahren einen schlüssigen Sachvortrag voraus. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag könne dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst würden. Der Kläger habe angegeben, sich seit 2014 bedroht gefühlt zu haben. Begonnen habe dieses der Streitigkeit mit einem Mann namens ... Diese Streitigkeiten hätten den Kläger veranlasst, nur noch selten das Haus seiner Großmutter zu verlassen. Daneben hat der Kläger aber auch ausgeführt, dass er bis kurz vor seiner Ausreise gearbeitet habe. Auch habe er sich mit Freunden getroffen oder sei ins Schwimmbad gegangen. Jeden Freitag sei er mit Freunden mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Diese Ausführungen stimmten nicht mit der Angabe überein, dass sich der Kläger aufgrund der gefühlten Bedrohungen nur noch selten aus dem Haus seiner Großmutter gewagt habe. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vortrages. Die unausräumbaren Bedenken gegen eine Schilderung mit echtem Erlebnisbezug wirkten in der Gesamtschau so schwer, dass kein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit für die Wahrheit der Angaben des Klägers bestehe. Auch reiche das allgemeine Vorbringen, er sei verbal bedroht geworden, nicht für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. Die geschilderten Bedrohungen blieben unterhalb einer zu berücksichtigenden Gefährdungslage. Auch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht vor. Es seien keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dass dem Kläger bei Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden drohe. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse können nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten seien. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass der Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Der Kläger sei erwerbsfähig. Nach seinen Angaben habe er Kfz-Mechaniker gelernt. Diesen Beruf habe er bereits im Irak ausgeübt. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 28. April 2016 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen diesen, ihm mit Postzustellungsurkunde am 2. Mai 2016 zugestellten Bescheid mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016 Klage erhoben und beantragt:

Unter Aufhebung ihrer Entscheidung vom 28. April 2016 - Gz: ... - wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger gemäß § 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzung von § 4 AsylG, höchsthilfsweise, das Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Irak vorliegen.

Eine schriftsätzliche Begründung dieser Klage ist nicht erfolgt.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1. Juni 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt. Eine Antragstellung ist nicht erfolgt.

Am 11. Juli 2016 fand die mündliche Verhandlung statt. In dieser wurde der Kläger informatorisch angehört. Über den Verlauf der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2016 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Aufbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt er mündlichen Verhandlung (§ 77 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihm weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen in seiner Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen im Fall des Klägers nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3 c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3 c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3 c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e Abs. 1 AsylG).

Bei der Beurteilung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - NVwZ 2013, 936 ff.; VG München, U. v. 28.1.2015 - M 12 K 14.30579 - juris Rn. 23).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U. v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; Hess. VGH, U. v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren des Klägers nicht zum Erfolg. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise im Januar 2016 aus dem Irak landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein wird. Die teilweisen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen des Klägers sowie sein in der mündlichen Verhandlung erheblich gesteigertes Vorbringen führen im Ergebnis dazu, dass das vom Kläger geltend gemachte Verfolgungsschicksal dem Gericht insgesamt als nicht glaubhaft erscheint. Widersprüchlich ist der Vortrag des Klägers insbesondere in dem Punkt, dass der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt am 25. April 2016 angegeben hat, dass es sich bei den Vorfällen, die letztlich zu seiner Ausreise aus dem Irak geführt haben, lediglich um verbale Auseinandersetzung mit einer Person (schiitische Miliz) namens ... gehandelt habe. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2016 hat der Kläger hingegen seinen Vortrag wesentlich gesteigert und ausgeführt, dass es bei dem dritten Zusammentreffen zu einem körperlichen Angriff auf ihn gekommen sei. Die schiitische Miliz ... habe ihm dabei mit einer Pistole auf den Kopf geschlagen und ihm eine Platzwunde zugefügt. Ebenfalls unstimmig ist der Vortrag des Klägers insoweit, als er sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen hat, dass er nach dem ersten Zusammentreffend mit ... um sein Leben gefürchtet habe und für den Schulweg beispielsweise mehrere unterschiedliche Routen gewählt habe, um unentdeckt zu bleiben. Bei seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt (Seite 8 der hierüber gefertigten Niederschrift) hat der Kläger zu seinem üblichen Tagesablauf ausgeführt, dass er sich oft mit Freunden getroffen habe und ins Schwimmbad gegangen sei bzw. Autos gewaschen habe. Jeden Freitag sei er von früh bis spät mit seinen Freunden Fahrrad gefahren. Insoweit war von einer fortwährenden Bedrohungssituation durch die Person ... keine Rede. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger darüber hinaus seinen Vortrag entsprechend abgeändert, dass er nicht Fahrrad gefahren sei, sondern stets mit dem Motorrad unterwegs gewesen sei, um unerkannt zu bleiben. Gesamtbetrachtend wirkt der Vortrag des Klägers oberflächlich. Es werden lediglich drei Zwischenfälle einer Passkontrolle geschildert, bei der es jeweils wegen konfessioneller Unterschiede zu allenfalls kleineren Handgreiflichkeiten gekommen ist. Zunächst hat sich der Kläger auch dahingehend eingelassen, dass es sich insoweit lediglich um bloße verbale Auseinandersetzung gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund ist auch bereits fraglich, ob die geschilderten Vorfälle überhaupt die für eine Vorverfolgung erforderliche Intensität erreichen. Dies bedarf letztlich jedoch keiner vertiefenden Betrachtung.

Denn selbst wenn man das vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2016 geschilderte Vorbringen des Klägers als verfolgungsrelevant erachten würde, bliebe die Klage im Ergebnis ohne Erfolg. Dem Kläger nämlich steht jedenfalls ein interner Schutz im Sinne von § 3e AsylG offen. Einem Ausländer wird gemäß § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Für den Kläger als Sunniten besteht im Zentralirak bzw. im Westirak eine inländische Fluchtalternative, die für den Kläger auch zumutbar erscheint. Die Sunniten gehören zu den wichtigsten ethnischreligiösen Gruppierungen im Irak. Dies sind die Schiiten, die 60 bis 65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten bzw. Süden des Landes bewohnen, die Sunniten, die 17 bis 22% der Bevölkerung ausmachen mit ihrem Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben sowie die vor allem im Norden des Landes lebenden Kurden, die ca. 15 bis 20% der Bevölkerung ausmachen und überwiegend sunnitisch, aber auch yezidisch und in kleinen Teilen schiitisch geprägt sind (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 28. Februar 2016, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Seite 5 Ziffer I. 2). Für den volljährigen Kläger ist ein künftiger Aufenthalt im westlichen Landesteil durchaus zumutbar. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung in den Jahren 2012, 2013 und 2014 mehrfach versucht habe, im nördlichen Landesteil Kurdistan eine neue Existenz zu gründen. Mit diesem Verhalten gibt der Kläger selbst zu erkennen, dass es für ihn nicht zwingend erforderlich ist, einen erneuten Aufenthalt bei Rückkehr in den Irak im Großraum ... zu begründen. Seinem Vortrag vermag das Gericht jedenfalls keine landesweite Bedrohung entnehmen. Wenn man das Vorbringen des Klägers als wahr unterstellt, beschränkt sich eine Vorverfolgung allenfalls auf Teilbereiche der Großstadt ...

2. Zugunsten des Klägers ist auch nicht von einer Gruppenverfolgung der Sunniten im Irak auszugehen.

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass keine Gruppenverfolgung für Sunniten im Irak gegeben ist. Belastbare Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung durch schiitische Milizen oder andere nicht staatliche Akteure wegen des sunnitischen Glaubens liegen nicht vor. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen jeder im Staat Irak in seiner Gesamtheit noch im Zentralirak (...) die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, U. v. 9.1.2012 - 13a B 11.30277 - juris Rn. 15). Angesichts der Größe der Bevölkerungsgruppe der Sunniten am Anteil der Gesamtbevölkerung im Irak kann nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte angenommen werden. Gleiches gilt, wenn man für die Beurteilung des Vorliegens einer Gruppenverfolgung nicht auf die Situation im gesamten Irak, sondern die Situation in der Stadt ..., aus der der Kläger nach seinem eigenen Vortrag stammt, abstellt, deren Gesamtbevölkerung von zwischen ca. 6,5 Millionen und 7 Millionen Einwohnern sich aus ca. 70% Schiiten, ca. 29% Sunniten und ca. 1% aus anderen religiösen Minderheiten zusammensetzt.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3 c bis 3 e AsylG entsprechend.

Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.

Der Kläger hat auch keine Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt ist, wenn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht.

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - BVerwGE 131, 198). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2008 a. a. O.).

Danach rechtfertigt die derzeitige Situation im Irak bzw. in ..., woher der Kläger stammt, nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar ist die Sicherheitslage im Irak immer noch verheerend und gehört unter anderem ... zum Schwerpunkt terroristischer Anschläge. Trotz der Verschlechterung der Sicherheitslage im Jahr 2013 geht das Gericht aber davon aus, dass im Irak derzeit weder landesweit noch in der Herkunftsregion des Klägers ein regionaler innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkrieges aufweisen.

Unabhängig davon begründet ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3 e AsylG.

Eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht dem Kläger als Angehöriger der Zivilbevölkerung vorliegend aber nicht.

Zwar kann sich auch eine allgemeine Gefahr willkürlicher Gewalt, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, individuell verdichten und damit zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führen. Für die Feststellung der Gefahrendichte können dabei die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Dabei ist davon auszugehen, dass ein innerstaatlicher Konflikt üblicherweise nicht eine solche Gefahrendichte hat, dass alle Bewohner des betroffenen Gebietes ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Allgemeine Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konfliktes sind, z. B. eine durch den Konflikt bedingte Verschlechterung der Versorgungslage, können nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden.

Vorliegend kann, selbst wenn man im Irak einen innerstaatlichen oder internationalen Konflikt bejahte, nicht davon ausgegangen werden, dass der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak oder in die betroffene Region, vorliegend nach ..., woher der Kläger stammt, allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die erforderliche Gefahrendichte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist daher nicht gegeben. Im Übrigen wird insoweit auf die Ausführungen zur Gruppenverfolgung unter 2. Bezug genommen.

Es sind auch keine besonderen, in der Person des Klägers liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen.

4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.

Insoweit wird zunächst nach § 77 Abs. 1 AsylG auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und ergänzend folgendes ausgeführt.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, insbesondere asylrelevante Eingriffe in die Religionsfreiheit, sind nicht ersichtlich.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat im Erlasswege mit Rundschreiben vom 3. Juli 2008 (Az. IA-2086.10-439), welches nach wie vor Gültigkeit beansprucht, verfügt, dass irakische Staatsangehörige, die nicht Straftäter sind oder unter Sicherheitsaspekten vordringlich abzuschieben sind, nicht abgeschoben werden und Duldungen bis auf Weiteres auf der Grundlage des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bis zur Dauer von sechs Monaten erteilt bzw. verlängert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erlasslage hinsichtlich allgemeiner Gefahren derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).

Sonstige Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren erfasst werden, sind nicht ersichtlich bzw. vom Kläger nicht vorgetragen.

5. Soweit sich die Klage sinngemäß auch gegen das in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides vom 28. April 2016 gegen den Kläger verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 AufenthG richtet, bleibt die Klage ebenfalls erfolglos. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit dieses Einreise- und Aufenthaltsverbotes und dessen Dauer sind von Seiten des Klägers bzw. dessen Bevollmächtigten nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

6. Nach allem war die Klage daher vollumfänglich als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2016 wird in Nrn. 1, 2, 3 insoweit aufgehoben, als die Ablehnung des Asylantrages, des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet erfolgt ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¾, die Beklagte ¼.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich des Irak.

Der am ... 1987 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Glauben.

Seinen Angaben zu Folge reiste der Kläger am 13. Juli 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 28. September 2015 Asylerstantrag stellte.

Nach erfolgloser Durchführung eines Dublin-Verfahrens - die Republik Bulgarien lehnte die Übernahme des Klägers ab - wurde der Asylantrag des Klägers im Folgenden im nationalen Verfahren behandelt.

Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 1. März 2016 führte der Kläger aus, dass er sein bisheriges gesamtes Leben in ... verbracht habe. In ... sei er verheiratet gewesen. Er habe dort mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seinem Vater sei es dort gut gegangen, er beziehe eine Rente. Sein Bruder sei Verkehrspolizist gewesen. Er sei als Taxifahrer beschäftigt gewesen. Vor seiner Ausreise aus dem Irak habe er Probleme gehabt, weil seine Onkel ihn töten wollten, weil er eine Christin geheiratet habe. Seine Ehefrau habe er im Jahr 2013 geehelicht. Für den weiteren Inhalt der Anhörung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift des Bundesamts Bezug genommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12. September 2016 wurde der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffer 1.). In Ziffer 2. wurde auch der Antrag des Klägers auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ziffer 3. des Bescheids bestimmt, dass der Antrag des Klägers auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor (Ziffer 4.). In Ziffer 5. wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise werde er in den Irak bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben. In Ziffer 6. des Bescheids wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Kläger sei kein Flüchtling, der sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Der Vortrag des Klägers, von seinen Onkeln bedroht worden zu sein, könne nicht zur Feststellung des Flüchtlingsschutzes führen, da aus seinem Sachvortrag keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung ersichtlich sei. Auch sei es dem Kläger zuzumuten, seinen Wohnsitz in andere Teile von Kurdistan zu verlegen. Er könne sich als irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit grundsätzlich auch in anderen Regionen von Kurdistan niederlassen und sich dort eine neue Existenz aufbauen. Der Kläger habe auch bereits in Arbil gelebt und sei dort nicht weiter bedroht worden. Der Entschluss des Klägers zum Christentum zu konvertieren, gelte als Nachfluchtgrund. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Asylgesetz (AsylG) sei damit abzulehnen gewesen. Gleiches gelte für die Gewährung subsidiären Schutzes. Dem Kläger drohten bei einer Rückkehr nach Arbil in der Region Kurdistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Auch habe der Kläger keine persönlichen Umstände vorgetragen, die die Gefahr für ihn derart erhöhten, dass von individuellen konfliktbedingten Gefahren gesprochen werden könne. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei damit abzulehnen gewesen. Der Asylantrag werde zudem als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Nach eigenen Angaben des Klägers, lebten seine Eltern und Geschwister im Irak. Es sei daher nicht erkennbar, dass der Kläger bei Rückkehr einer extremen allgemeinen Gefahr ausgesetzt sei.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 12. September 2016 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 20. September 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt:

Unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 12. September 2016 (Gz.: ...) wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger gemäß § 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 4 AsylG, höchsthilfsweise, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegen;

ersatzweise werden zumindest das Offensichtlichkeitsmerkmal in Ziffern 1, 2 und 3 sowie die in Ziffer 6 der Entscheidung der Beklagten enthaltenen Fristbestimmungen aufgehoben, höchsthilfsweise - unter Aufhebung des Offensichtlichkeitsmerkmals in Ziffer 1, 2 und 3 - in Ziffer 6 eine Frist von längstens zwölf Monaten bestimmt, höchstersatzweise die Beklagte insoweit zur Neuverbescheidung verpflichtet.

Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 vorgetragen, dass der angefochtene Bescheid keine Begründung für die Ablehnung als offensichtlich unbegründet enthalte. Auf Seite 5 wiederhole die Beklagte lediglich den Gesetzeswortlaut. Eine Subsumtion sei nicht enthalten. Eine solche könne auch nicht zur Begründung einer qualifizierten Ablehnung führen. Die Beklagte stelle selbst fest, dass im Irak ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrsche, an dem sich der Kläger nicht aktiv beteiligt habe, aufgrund dessen er aber als Zivilist gefährdet sei. Auch wenn die relevante Gefährdungslage nach Ansicht der Beklagten nicht das Ausmaß erreiche, um von einer Gruppenverfolgung auszugehen, lasse sich nicht nach jeder denkbaren Sichtweise ausschließen, dass zumindest für jeden Rückkehrer die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bestehe. Die zunächst unzutreffende Darstellung seiner Fluchtgründe habe der Kläger in seiner Anhörung, mithin vor Erlass des angefochtenen Bescheides selbst korrigiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht und diese unzutreffenden Angaben nicht rechtzeitig berichtet habe, ließen sich nicht finden.

Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 wird ergänzend Bezug genommen.

Auf ein vom Kläger angestrengtes Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Az. Au 5 S 16.31899) wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. September 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Auf die Gründe dieser Entscheidung wird ergänzend verwiesen.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. Oktober 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Schreiben der Landeskirchlichen Gemeinschaft e.V. ... vom 19. November 2016 wurde ausgeführt, dass der Kläger seit Mai 2016 regelmäßig Gottesdienste und Veranstaltungen besuche. Er beteilige sich am Gemeindeleben. So engagiere er sich unter anderem durch praktische Mithilfe in der wöchentlichen Asylarbeit (Asylcafé) und sei Helfer bei den verschiedensten praktischen Aufgaben in der Vorbereitung von Veranstaltungen der Gemeinde.

Mit weiterem Gerichtsbeschluss vom 28. November 2016 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung gewährt.

Am 9. Januar 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Gründe

Der Einzelrichter konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2017 nicht vertreten war, da sie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 12. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Ablehnung seines Asylantrages und seiner Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylG erfolgt ist. Darüber hinaus hat der Kläger jedoch weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf subsidiären Schutz bzw. auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote. Seine Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

1. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16 a Grundgesetz (GG), auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, auf Feststellung von subsidiärem Schutz in Sinne von § 4 AsylG oder auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.

Maßgeblich für diese Beurteilung ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage.

1.1 Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt ist, wer wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung eine durch Tatsachen begründete Furcht vor Verfolgung hegen muss, die mit Gefahr für Leib, Leben, persönliche Freiheit oder einem die Menschenwürde verletzenden Eingriff in sonstige Rechtsgüter verbunden ist. Begründet ist die Furcht vor Verfolgung, wenn einem Ausländer bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, ihm Heimatland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.

Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter steht dem Kläger bereits aufgrund von Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a AsylG nicht zu. Danach kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist, nicht auf das Asylgrundrecht aus Art. 16 a Abs. 1 GG berufen. Sichere Drittstaaten sind unter anderem die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben auf dem Landweg zuletzt über Österreich und damit aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

1.2 Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG, nunmehr nach § 3 Abs. 1 AsylG) ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, für dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. - BVerwGE 80, 315).

Teilweise geht der Internationale Flüchtlingsschutz im Ergebnis der Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus. So begründen nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 a AsylG auch selbstgeschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 3c Nr. 3 AsylG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein Abschiebungsverbot. Ferner stellt § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG klar, dass eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn Anknüpfungspunkt allein das Geschlecht ist. Schließlich umfasst gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Schutz vor Verfolgung wegen der Religion im Ergebnis der Umsetzung von Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2011/95/EU auch die Religionsausübung im öffentlichen Bereich sowie sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen, die sich auf eine religiöse Betätigung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.

Nach § 3 c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2012 - 10 C 7/11 - juris). An dessen Stelle gilt nunmehr nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Hierdurch wird den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigemessen (vgl. EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. V 175/08 u. a., Abdulla). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich verfolgungsbegründende bzw. schadensstiftende Umständen bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Dessen ungeachtet ist es Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU. Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u. a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.

Beruft sich der Ausländer indes zur Begründung seiner Verfolgungsfurcht auch auf Vorgänge und Geschehensabläufe nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates, so gilt die das Maß der Darlegungsanforderungen bestimmende Beweiserleichterung nicht, weil nicht mehr davon auszugehen ist, dass die für Vorgänge in dem „Verfolgerstaat“ bestehenden Beweisschwierigkeiten außerhalb des Herkunftsstaates fortbestehen. Der Flüchtling hat vielmehr die Umstände, aus denen er seine begründete Furcht vor Verfolgung i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ableitet, zu beweisen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Nachfluchtgründe in einem Verhalten des Ausländers bestehen, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist, § 28 Abs. 1 a AsylG. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 28 Abs. 1 a AsylG ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Nachfluchttatbestände ohne eine entsprechende Vorprägung im Heimatland beachtlich sein können.

Zusammenfassend obliegt es dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, seine Gründe für eine ihm drohende Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen, das heißt unter genauer Angaben von Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass er bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört insbesondere, dass der Asylbewerber zu dem in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 - juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Falle des Klägers nicht vor. Es kann weder festgestellt werden, dass der Kläger aufgrund bereits erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung aus dem Irak ausgereist ist, noch, dass in der Zwischenzeit Gründe eingetreten sind, die die Annahme rechtfertigten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak und dort insbesondere in die autonome Region Irak-Kurdistan (dort Region ...) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine landesweite Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG droht und er bei einer Rückkehr in den Irak in eine ausweglose Lage geraten würde.

Einem Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft steht bereits dessen in wesentlichen Punkten widersprüchlicher und unstimmiger Sachvortrag entgegen. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2017 insbesondere ausgeführt, dass er in den Jahren 2007 bis 2010 in Schweden gelebt habe und dort seine spätere Ehefrau kennengelernt habe. Die Eheschließung ist nach dem Vortrag des Klägers jedoch erst im April 2013 erfolgt. Sämtliche vom Kläger geschilderten Ereignisse im Zusammenhang mit seiner Religionsausübung im Irak erscheinen dem Gericht bruchstückhaft und zusammenhanglos. Individuelle Umstände, die eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in dem beschriebenen Sinne begründen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Die behaupteten innerfamiliären Spannungen wegen seiner Heirat mit einer Christin aus Schweden erreichen keinesfalls die Schwelle einer nicht staatlichen Verfolgung. Über dies hat die Ehe des Klägers und ein Zusammenleben der Eheleute allenfalls für die Dauer von zwei Wochen nach der Heirat im Irak bestanden. Der Kläger lebt seit längerer Zeit nicht mehr mit seiner schwedischen Ehefrau zusammen, so dass auch bei einer Rückkehr in den Familienverbund im Irak, der nach wie vor in der Stadt ... besteht, der Auslöser für die innerfamiliären Spannungen entfallen sein dürfte.

Ebenfalls widersprüchlich waren die Angaben des Klägers zu seinen Geschwistern und deren aktuellem Aufenthalt. Auch hier hat der Kläger erst auf erneutes Nachfragen des Gerichtes klargestellt, dass er bislang falsche Angaben gemacht hat. Dieses Verhaltensmuster entspricht im Wesentlichen auch dem Verhalten des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt.

Auch die nunmehr vom Kläger vorgetragene Abkehr vom muslimischen Glauben und dessen Zuwendung zum Christentum, die in der Taufe am 28. März 2016 manifestiert wird, vermag kein anderes rechtliches Ergebnis zu begründen. Das Gericht hat bei der persönlichen Einvernahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2017 nicht den Eindruck gewonnen, dass die Betätigung des christlichen Glaubens Teil der religiösen Identität des Klägers ist. Auch diesbezüglich erscheint der Vortrag des Klägers weitgehend inhaltsleer. Zwar verfügt der Kläger mittlerweile über eine Bibel in kurdisch-badinanischer Sprache, jedoch hat das Gericht begründete Zweifel, dass der Kläger nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland sich aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat, diesen aus innerer Überzeugung praktiziert und ihm aus diesem Grund eine Rückkehr in den Irak nicht zuzumuten ist. Zwar hat der Kläger einen dreimonatigen Taufunterricht durchlaufen, jedoch hat er dem Gericht nicht glaubwürdig vermitteln können, aus welchen Gründen seine Abkehr vom muslimischen Glauben erfolgt ist und inwieweit diese Abkehr seine Persönlichkeit prägt. Das Gericht hat vielmehr den Eindruck gewonnen, dass der Kläger den vermittelten religiösen Inhalten zwar mit Interesse folgt, diese für ihn aber nicht lebensbestimmend sind. Bei dieser Sachlage und dem insgesamt widersprüchlichen Vortrag des Klägers drängt sich für das Gericht auf, dass der Übertritt zum christlichen Glauben lediglich dazu dient, dem Kläger ein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen.

Letztlich bedarf dies keiner vertiefenden Betrachtung, da für den Kläger, der aus der Stadt ... stammt jedenfalls eine Rückkehr in diese Provinz zumutbar erscheint. Ausweislich des Berichtes des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 (Stand: Dezember 2015) haben insbesondere in der Region Kurdistan-Irak und dort vorwiegend in der Provinz Dohuk viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Sie lebten derzeit zwar unter schwierigen materiellen und sozialen Bedingungen. Es gebe jedoch in der Provinz Dohuk keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Der Kläger verfügt in der Stadt ... nach wie vor über einen Familienverbund, der ihn aufnehmen kann. In der Ausprägung, in der der Kläger seinen christlichen Glauben lebt, ist ihm eine Rückkehr in die Provinz ... zumutbar.

1.3 Dem Kläger ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 AsylG subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3 c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nicht staatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Bei der Prüfung, ob dem Kläger im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland ein ernsthafter Schaden droht, gilt ebenfalls der dargelegte Prüfungsmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG droht. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wenn die tatbestandliche Voraussetzung eines landesweit bestehenden internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ist für den Irak nicht festzustellen.

1.4 Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.

Insoweit wird zunächst nach § 77 Abs. 2 AsylG auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und ergänzend folgendes ausgeführt.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, insbesondere asylrelevante Eingriffe in die Religionsfreiheit, sind nicht ersichtlich.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat im Erlasswege mit Rundschreiben vom 3. Juli 2008 (Az. IA-2086.10-439), welches nach wie vor Gültigkeit beansprucht, verfügt, dass irakische Staatsangehörige, die nicht Straftäter sind oder unter Sicherheitsaspekten vordringlich abzuschieben sind, nicht abgeschoben werden und Duldungen bis auf Weiteres auf der Grundlage des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bis zur Dauer von sechs Monaten erteilt bzw. verlängert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erlasslage hinsichtlich allgemeiner Gefahren derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).

Das Gericht vermag auch keine sonstigen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des bayerischen Staatsministeriums des Inneren erfasst werden, erkennen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach wie vor über einen intakten Familienverbund in der Stadt ... verfügt und bereits vor seiner Ausreise aus dem Irak als Taxifahrer beruflich selbstständig tätig war. Gesundheitliche Einschränkungen sind dem Gericht keine bekannt geworden.

1.5 Soweit sich die Klage gegen das in Ziffer 6 des angefochtenen Bescheides vom 12. September 2016 gegen den Kläger verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 AufenthG richtet, bleibt die Klage ebenfalls erfolglos. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit dieses Einreise- und Aufenthaltsverbotes und dessen Dauer sind nicht ersichtlich.

2. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf teilweise Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2016, soweit darin die Ablehnung seines Asylantrages, seines Antrages auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Feststellung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylG erfolgt ist. Insoweit ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Ein Vorbringen entspricht offenkundig nicht den Tatsachen, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellung und vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei diesem Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre sich die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Wird die offensichtliche Unbegründetheit mit widersprüchlichem Vorbringen begründet, dann muss das Vorbringen zur politischen Verfolgung in seinem Kern widersprüchlich sein. Nur mittelbar mit dem eigentlichen Verfolgungstatbestand zusammenhängender widersprüchlicher Vortrag rechtfertigt nicht den Schluss auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens in seinem Kern.

Anhand dieses Maßstabes ist der Asylantrag des Klägers jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet im Sinne von § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Das Berufen des Klägers im Verfahren auf dessen Übertritt zum Christentum unter Vorlage einer entsprechenden Taufurkunde lassen eine entsprechende Ablehnung des Asylantrages des Klägers als offensichtlich unbegründet nicht als vertretbar erscheinen. Gesamtbetrachtend vermag das Gericht keine dem Kläger vorwerfbare Verletzung seiner Mitwirkungspflichten, die eine auf § 30 Abs. 3 AsylG gestützte Ablehnung seines Asylantrages als offensichtlich unbegründet rechtfertigen würde, zu erkennen. Der Klage war daher in diesem Punkt stattzugeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 27.12.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 05.02.2016 einen Asylantrag.

Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 03.05.2016 gab er im Wesentlichen an, er stamme aus , einem Dorf in der Nähe von Zakho, Provinz Dohuk, Autonome Region Kurdistan. In Kurdistan habe er viel Zeit mit christlichen Freunden verbracht. Er sei auch ca. zwei Jahre mit ihnen in die Kirche gegangen, um zu beten.

Irgendwann sei die Polizei zu ihm gekommen und habe ihn gefragt, ob er konvertiert sei. Er habe geantwortet, er sei kein Christ, sondern gehe nur mit ihnen in die Kirche, weil es seine guten Freunde seien.

Einmal sei er für eine Woche verhaftet worden. Ein Nachbar habe mit ihm reden wollen und ihn zur Polizei gefahren. Dort sei er gefragt worden, ob er konvertiert sei. Nachdem er dies verneint habe, sei er für eine Woche ins Gefängnis gesteckt worden, da die Polizei ihm nicht geglaubt habe. Im Gefängnis sei er nicht geschlagen oder schlecht behandelt worden.

Ein weiteres Mal habe ihn die Polizei einen Monat lang festgehalten. Die Situation sei nicht anders gewesen als beim ersten Mal. Eine Person namens Hamid habe ihn zur Polizeistation gefahren, wo er befragt worden sei, ob er Christ geworden sei. Nachdem er dies verneint habe, seien ihm Handschellen angelegt und ein paar Ohrfeigen verpasst worden.

Die Polizei habe ihn verfolgt, gestört und nicht in Ruhe gelassen. Sie hätten ihm vorgeworfen, Christ zu sein und dies zu verheimlichen. Deswegen habe er den Irak verlassen. Seit er in Deutschland sei, gehe er regelmäßig in die Kirche. In Kurdistan sei es verboten und strafbar, wenn ein Moslem zum Christentum konvertiere. Seine christlichen Freunde in Kurdistan hätten hingegen ganz normal leben können.

Mit Bescheid vom 06.03.2017, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 08.03.2017, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Nr. 1) und der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Nr. 2). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Nr. 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt (Nr. 4). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger habe nicht hinreichend glaubhaft vorgetragen, was ihn zur Überzeugung gelangen ließe, dass seine Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruhe. Der Vortrag, er sei zweimal verhaftet worden, weil die Polizei geglaubt habe, er sei zum Christentum konvertiert, sei nicht hinreichend glaubhaft und schlüssig. Es bestünden ernstliche Zweifel daran, ob der Kläger wirklich auf diese Weise gefährdet sei.

Selbst bei Annahme einer aus tiefer, innerer Überzeugung erfolgten Hinwendung zum christlichen Glauben, bestünde gleichwohl nicht die beachtliche Gefahr einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG, da in der Region Kurdistan Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt seien.

Der Vortrag, sein Nachbar und die Person Hamid seien ihm feindlich gesinnt, sei flüchtlingsrechtlich unerheblich. Bei entsprechenden Befürchtungen hinsichtlich drohender Gefahren durch feindlich gesinnte Nachbarn sei es dem Kläger zuzumuten, seinen Wohnsitz in andere Teile Kurdistans zu verlegen.

Die Voraussetzungen der Asylanerkennung gem. Art. 16a Abs. 1 GG seien ebenfalls nicht gegeben, da nicht einmal die weitergehenden Voraussetzungen des § 3 AsylG einschlägig seien.

Unter Verweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz seien keine Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohe.

Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere würden die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Der Kläger sei erwerbsfähig und habe bis zu seiner Ausreise in einem Autoteile-Handel gearbeitet. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er nicht imstande sein werde, bei einer Rückkehr in den Irak – gegebenenfalls mit Hilfe des Familienverbandes - eine zumindest existenzsichernde Grundlage für sich zu schaffen.

Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien weder vorgetragen worden noch bestünden hierfür anderweitige Erkenntnisse.

Mit Schriftsatz vom 20.03.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,

  • 1.Der Bescheid der Beklagten vom 06.03.2017, zugestellt am 08.03.2017, Gz.:  wird mit der Maßgabe abgeändert, dass der Kläger als Asylant anerkannt wird, hilfsweise die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, hilfsweise der subsidiäre Schutzstatuts zuerkannt wird, hilfsweise festgestellt wird, dass Abschiebungsverbote vorliegen.

  • 2.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Zur Begründung führte die Bevollmächtigte des Klägers im Wesentlichen aus, der Kläger sei im Irak zum Christentum gekommen. Jahrelang sei er dort in die Kirche gegangen um zu beten. Seine Hinwendung zum christlichen Glauben beruhe auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung. Die Verleugnung seines christlichen Glaubens gegenüber der Polizei sei in Anbetracht der zu erwartenden Strafe verständlich. Bei einer Rückkehr in den Irak drohe dem Kläger Verfolgung, da ein Moslem nicht konvertieren darf. Der Kläger sei auch bereits mehrfach verhaftet worden, weil ihm vorgeworfen worden sei, er sei Christ.

Mit Schriftsatz vom 28.03.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verwies die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid.

Mit Beschluss der Kammer vom 29.03.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 03.05.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Behörden- und Gerichtsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung am 03.05.2017 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG sind ebenfalls nicht gegeben. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt diesbezüglich zunächst den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch das schriftsätzliche Vorbringen der Bevollmächtigten des Klägers im Klageverfahren führt nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

a) Für das Gericht ist bereits nicht glaubhaft vorgetragen, dass die Hinwendung des Klägers zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht und die Betätigung des christlichen Glaubens Teil der religiösen Identität des Klägers ist (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 - Au 5 K 16.31898 - juris). Sowohl bei der Asylantragstellung am 05.02.2016 als auch bei der Anhörung am 03.05.2016 hat der Kläger zunächst angegeben, er sei sunnitischer Kurde. Erst im weiteren Verlauf der Anhörung erklärte der Kläger, „erst jetzt in Deutschland sage er, dass er Christ sei. Im Irak habe er sich das nicht getraut.“ Auch die Aussage beim Bundesamt, am Christentum gefalle ihm besonders, dass es erlaubt sei Alkohol zu trinken und Tätowierungen zu haben sowie dass das Fasten bei den Christen einfacher sei, lässt den Rückschluss zu, dass die behauptete Zugehörigkeit zum Christentum nicht aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht. Der Kläger nennt bei seiner Befragung keinerlei tiefgründige Werte, die seine Verbindung zum Christentum ausmachen. Vielmehr sieht er sich offensichtlich als Christ, da sich nach seiner Auffassung der Alltag eines Christen einfacher gestaltet, als der eines Moslems. Der Kläger kann daher das Gericht mit seinem Vortrag beim Bundesamt nicht überzeugen, dass er tatsächlich Christ ist. Eine weitergehende Befragung des Klägers war nicht möglich, da er zur anberaumten mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist.

b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger tatsächlich Christ ist bzw. von der kurdischen Polizei als Christ angesehen wird, hat er sein Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft dargelegt. Bei einer Rückkehr nach Kurdistan droht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts wegen seines - unterstellten - neu gefundenen christlichen Glaubens nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG.

Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion - KAR - aus: Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9 sowie Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 07.02.2017, S. 12). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ - IS - im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 15.12.2016 - M 4 K 16.31327 - juris; VG München, U.v. 13.1.2017 - M 4 K 16.31091 - juris, VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris m.w.N.).

Dass muslimische Kurden, die zum Christentum konvertieren, in Kurdistan anders behandelt werden, als gebürtige Christen, oder dass sogar ein diesbezügliches Verbot mit strafrechtlichen Konsequenzen besteht, ist für das Gericht nicht ersichtlich (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 - Au 5 K 16.31898 - juris; VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris; siehe auch: https: …www.youtube.com/watch?v=zvg20OPlKw0

– Beitrag „Immer mehr Kurden werden Christen“; http: …www.kath.net/news/52725 - Beitrag vom 04.11.2015 „Nordirak: Immer mehr kurdische Muslime werden Christen“).

Eine Verfolgung des Klägers durch nichtstaatliche Akteure im Nordirak ist weder (glaubhaft und substantiiert) vortragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich.

c) Selbst wenn der Kläger in seinem Heimatort wegen der (angeblichen) Konversion bedroht sein sollte, so steht im jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative nach § 3e AsylG offen, da nach Überzeugung des Gerichts keine systematische Verfolgung von zum Christentum konvertierten Muslimen in (ganz) Kurdistan vorliegt (vgl. auch VG München, U.v. 15.12.2016 - M 4 K 16.31327 - juris).

Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger als Kurde bei einer Rückkehr im Bedarfsfall Schutz in einer anderen Provinz Kurdistans - außerhalb seiner Herkunftsregion - suchen kann (vgl. auch VG München, U.v. 15.12.2016 - M 4 K 16.31327 - juris). Für kurdische Volkszugehörige ist eine sichere und legale Einreise nach Kurdistan problemlos (z.B. über die Flughäfen in Erbil und Sulaimanyia) möglich. Es ist auch davon auszugehen, dass er als Kurde in Kurdistan aufgenommen wird. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist dem Kläger zumutbar alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere auch schlichten Hilfstätigkeiten nachzugehen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es für den Kläger in einer fremden Stadt schwieriger ist, Arbeit zu finden, zumal sich die wirtschaftliche Lage auch in Kurdistan-Irak verschlechtert hat (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 2.2.2017 - AN 2 K 16.31008 - juris). Darüber hinaus lebt die Großfamilie im Irak, so dass von wechselseitiger Unterstützung im Rahmen des Familienverbandes auszugehen ist.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG.

Der Kläger gibt an, auf der „Balkanoute“ nach Deutschland gekommen zu sein. Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Da alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage 1 zu § 26 a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund für die Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (vgl. VG Augsburg, U.v. 6.3.2017 - Au 5 K 16.32170 - juris). Im Übrigen fehlt es auch schon offensichtlich an den inhaltlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. § 16a GG.

3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch die Feststellung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG setzt voraus, dass der Kläger der Gefahr einer konkreten und damit individuellen Rechtsgutverletzung ausgesetzt ist.

b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 - C-465.7 - juris).

Die derzeitige Situation in der KAR und damit auch in der der Provinz Dohuk, rechtfertigt nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Der für eine Schutzgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Gefährdungsgrad ist dort bei Weitem nicht erreicht (VG München, U.v. 22.12.2016 - M 4 K 16.33226 - juris; VG München, U.v. 8.2.2017 - M 4 K 16.31581 - juris; VG München, U.v. 13.5.2016 - M 4 K 16.30558 - juris; BayVGH, U.v. 17.3.2016 - 13a B 15.30241 - juris). Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es auch in Kurdistan gekommen ist, genügen hierfür nicht. Individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht ersichtlich.

c) Im Übrigen steht dem Kläger als Kurden in der Autonomen Region Kurdistan eine innerstaatliche Fluchtalternative gem. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG offen, falls ihm ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG drohen würde. Auf die Ausführungen unter 1c) wird verwiesen.

4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).

a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären und wirtschaftlichen Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen, gesunden und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage - ggf. durch wechselseitige Unterstützung im Familienverband - im Irak zu schaffen.

b) Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die dem Kläger bei Rückkehr in den Irak drohen könnten, wurden weder vorgetragen und noch sind solche für das Gericht ersichtlich.

c) Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind im Übrigen Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. ) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris; VG München, U.v. 22.12.2016 - M 4 K 16.33226 - juris).

Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.

5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtling noch als Asylberechtigter anzuerkennen. Ihm stehen auch kein subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

6. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) sind nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.

1. Eine grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (st. Rspr., vgl. z. B. BayVGH, B. v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris Rn. 2 m. w. N.; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36 ff. m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die vom Kläger gestellte (Tatsachen)Frage,

„ob einem vom Islam zum Christentum konvertierten iranischen Staatsbürger, der sich öffentlich auch in den sozialen Medien (Facebook) zu seinem christlichen Glauben bekennt, im Falle einer Rückkehr in den Iran dort eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht, und zwar auch in dem Fall, in dem - wie vorliegend - das erkennende Gericht nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit gewinnen konnte, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung, also auf einem ernstgemeinten religiösen Einstellungswandel in einer identitätsprägenden festen Überzeugung beruht“,

hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hinreichend geklärt. Danach gibt es keine Erkenntnisse dahingehend, dass einem allein aus formalen bzw. asyltaktischen Gründen zum christlichen Glauben Übergetretenen wie dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran allein wegen des formalen Glaubenswechsels oder wegen seiner bisherigen religiösen Betätigung in Deutschland eine asylrechtlich relevante und/oder abschiebungsrelevante Verfolgung drohen könnte (vgl. BayVGH, B. v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris Rn. 5 f. m. w. N.). Diese Einschätzung wird durch den aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 9. Dezember 2015 bestätigt (S. 14 ff., 26). Erkennbar beziehen sich die dortigen Aussagen auf solche Konvertiten, die ihren neu aufgenommenen Glauben - und die damit verbundene Abkehr vom Islam - aktiv im Iran ausüben (vgl. BayVGH, B. v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris Rn. 6 zum Lagebericht vom 24.2.2015). Der Kläger hat auch keine aktuellen Erkenntnisquellen benannt, die in Abweichung von dieser Rechtsprechung eine verfolgungsrelevante Gefährdung schon bei einem rein formal durch Taufe erfolgten Übertritt zum Christentum als annähernd wahrscheinlich erscheinen lassen. Der von ihm im Zulassungsverfahren vorgelegte Bericht aus der Frankfurter Rundschau vom 25. August 2016 mit dem Titel bzw. Untertitel „Erbitterter Kulturkampf. Konservative Iraner wollen mit harschen Aktionen die Öffnung des Landes verhindern“ verhält sich zu diesem Thema nicht. Die Frage asylrelevanter Verfolgung eines lediglich formal Getauften stellt sich nach alledem auch dann nicht, wenn er sich öffentlich in sozialen Medien (Facebook) zu seinem - angeblichen - christlichen Glauben bekennt.

2. Auch der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

Der Kläger rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Verwaltungsgericht habe im Urteil ausgeführt, es sei auch den iranischen Behörden bekannt, dass iranische Staatsangehörige in Asylverfahren häufig zum christlichen Glauben konvertierten, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten. Hinzu komme, dass sich iranische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland „im Feindesland“ befänden, und dort sei es durchaus erlaubt, durch Täuschungshandlungen den Feind zu überlisten. Der rein formale Glaubensübertritt und eventuelle Facebook-Einträge würden bei einer Rückkehr in den Iran damit keine nachteiligen Folgen für den Kläger haben. Diese Bewertung des Verwaltungsgerichts finde keine Grundlage in den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen, so dass das Verwaltungsgericht Tatsachen bzw. Beweisergebnisse verwertet habe, die nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden seien und zu denen sich die Beteiligten nicht hätten äußern können.

Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Soweit ein Gericht einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten, und die Beteiligten sich dazu nicht äußern konnten, liegt eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor (BVerwG, B. v. 27.7.2015 - 9 B 33.15 - DVBl 2015, 1381 Rn. 8 m. w. N.). Im Asylverfahren dürfen bei Wahrung des rechtlichen Gehörs nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse - einschließlich Presseberichten und Behördenauskünften - verwertet werden, die von einem Verfahrensbeteiligten oder dem Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden (BVerfG, B. v. 18.6.1985 - 2 BvR 414/84 - BVerfGE 70, 180 m. w. N.). Diese Erkenntnismittel müssen ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt sein (BVerwG, U. v. 29.12.1983 - 9 C 68.83 - InfAuslR 1984, 89).

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts weisen nicht darauf hin, dass es Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Jedenfalls benennt das Verwaltungsgericht keine derartigen, nicht in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse für seine nach § 108 Abs. 1 VwGO getroffene Einschätzung. Soweit das Verwaltungsgericht auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. März 2016 - AN 1 K 16.30035 - (juris) hinweist, zieht es dieses ersichtlich nur als bestätigenden Beleg für seine eigene Würdigung heran; solche Bezugnahmen unterliegen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 Rn. 11 m. w. N.; BayVGH, B. v. 25.8.2016 - 14 ZB 16.30133 - juris Rn. 9 m. w. N.).

Soweit der Kläger meint, die Bewertung des Verwaltungsgerichts finde keine Grundlage in den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen, macht er im Ergebnis ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend, die jedoch im Asylverfahren eine Zulassung der Berufung mangels eines entsprechenden Zulassungsgrunds nicht rechtfertigen können. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den o.g. Bericht aus der Frankfurter Rundschau vom 25. August 2016, der sich zu Konvertiten nicht verhält, und darauf, dass die Vorstellung, iranische Institutionen würden bei der Ahndung von Facebook-Einträgen unterscheiden, ob diesen eine ernsthafte Überzeugung des Nutzers oder andere Motive zugrunde lägen, nicht den im Iran herrschenden realen Verhältnissen entspreche und nicht vorstellbar sei; damit setzt er nur seine eigene Wertung an die Stelle der Wertung des Verwaltungsgerichts. Im Übrigen finden sich, etwa im Lagebericht vom 9. Dezember 2015 (S. 14 ff., 26), sehr wohl Anhaltspunkte darauf, dass der iranische Staat unterscheidet, da Repressionen - wie oben ausgeführt - nur Konvertiten treffen, die die neue Religion aktiv im Iran ausüben, und nicht formal im Ausland Übergetretene, obwohl der Kläger selbst davon ausgeht, dass im Exil lebende Iraner durch den iranischen Geheimdienst überwacht werden und diesem ein Glaubensübertritt bekannt wird. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die iranischen Behörden könnten unterscheiden, ob ein ernsthafter Abfall vom Islam vorliege oder nicht, entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass den iranischen Stellen bekannt ist, dass eine große Zahl iranischer Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen unpolitischen Gründen versucht, im westlichen Ausland und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland dauernden Aufenthalt zu finden, und hierzu Asylverfahren betreibt, in deren Verlauf bestimmte Asylgründe geltend gemacht werden und deshalb auch entsprechende Betätigungen stattfinden, etwa eine oppositionelle Betätigung in Exilgruppen (vgl. BayVGH, B. v. 9.8.2012 - 14 ZB 12.30263 - juris Rn. 5 m. w. N.) oder der Beitritt zu religiösen Exilorganisationen, die häufig, wenn nicht vorwiegend dazu dienen, Nachfluchtgründe zu belegen (BayVGH, B. v. 2.3.2010 - 14 ZB 10.30050 - juris Rn. 5). Auch insoweit geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass die iranischen Behörden diese Nachfluchtaktivitäten realistisch einschätzen (BayVGH, B. v. 2.3.2010 a. a. O.; vgl. auch Lagebericht vom 9.12.2015 S. 24, 30). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf sein Recht auf Religionsfreiheit gemäß Art. 9 EMRK hinweist, ist anzumerken, dass ein formaler Übertritt nicht durch das Recht auf Religionsfreiheit geschützt ist.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

II. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil sein Antrag auf Zulassung der Berufung aus den unter Nr. I genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1, § 115 ZPO).

Einer Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens bedarf es nicht, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden und eine Kostenerstattung nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO ausgeschlossen ist.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die ausdrücklich bzw. sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) sind nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dargelegt bzw. liegen nicht vor.

I. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (st. Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - juris Rn. 2 m. w. N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36 ff. m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

1. Die vom Kläger gestellte (Tatsachen)Frage,

„ob ein iranischer Staatsangehöriger, der in Deutschland um Asyl ersucht hat und gegen seinen Willen in den Iran zurückgeführt wird, bei Bekanntwerden des Glaubensübertritts während seines Aufenthalts in Deutschland im Iran keinerlei relevanten Verfolgungsmaßnahmen unterliegt“,

hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Kläger hat bereits nicht dargelegt, dass es eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass sein formaler Glaubenswechsel durch seine in Deutschland lebenden Verwandten im Iran bekannt werden könnte. Zudem fehlt es dieser Frage an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass das Bekenntnis des Klägers zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruhe; es sei der Eindruck entstanden, der Kläger sei nur formal und aus asyltaktischen Gründen zum christlichen Glauben übergetreten. Die aufgeworfene Frage könnte in einem Berufungsverfahren daher nur dann entscheidungserheblich sein, wenn allein der formale Akt des Übertritts zum christlichen Glauben - vorliegend also die durch die Taufe des Klägers bewirkte Mitgliedschaft in der evangelischen Landeskirche Bayern - zu Repressionen seitens des iranischen Staates führen könnte, ohne dass der christliche Glaube nach einer Rückkehr in den Iran gelebt würde. Der Kläger nennt zwar mögliche Lebensbereiche, in denen es nach seiner Ansicht für ihn zu Repressionen kommen könnte, die - aufgrund der Kumulation - als Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU - Qualifikationsrichtlinie - anzusehen seien. Nachvollziehbare Belege, die die Möglichkeit derartiger Repressionen bestätigen, benennt er jedoch nicht.

Es gibt auch keine entsprechenden Erkenntnisse, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran allein wegen des formalen Glaubenswechsels oder wegen seiner bisherigen religiösen Betätigung in Deutschland eine asylrechtlich relevante und/oder abschiebungsrelevante Verfolgung drohen könnte. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat unter Auswertung zahlreicher Erkenntnisquellen zur Frage einer Verfolgungsgefahr wegen Apostasie in seinem Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A - (juris Rn. 49 ff.) festgestellt, dass der Abfall vom Islam im Iran nach wie vor nach weltlichem Recht nicht mit Strafe bedroht ist und dass trotz des im September 2008 in erster Lesung beschlossenen Apostasiestrafgesetzes jedenfalls bei Apostaten, die nicht exponiert tätig sind, Verurteilungen zu Todesstrafen nicht erfolgen. Andere staatliche oder nichtstaatliche Repressionen sind demnach auch nur für solche konvertierten Christen festzustellen, die in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben - und die damit verbundene Abkehr vom Islam - nach außen zeigen wollen. Diese Situation wird durch den aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrechtliche Lage in der Islamischen Republik Iran vom 24. Februar 2015 bestätigt (vgl. S. 16 ff.). Erkennbar beziehen sich die dortigen Aussagen auf solche Konvertiten, die die neue Religion aktiv im Iran ausüben (so im Ergebnis auch: BayVGH, B. v. 9.4.2015 - 14 ZB 13.30120 - juris Rn. 6; VGH BW, B. v. 19.2.2014 - A 3 S 2023/12 - juris Rn. 14; U. v. 15.4.2015 - A 3 S 1923/14 - n. v. UA S. 21; OVG NW, B. v. 27.8.2012 - 13 A 1703/12.A - juris Rn. 8; B. v. 27.4.2015 - 13 A 440/15.A - juris Rn. 10 f.).

2. Aus den gleichen Gründen sind auch die zweite (Tatsachen)Frage,

„ob ein zum Christentum konvertierter iranischer Staatsangehöriger, der im Falle einer Rückkehr sich weigert, den (nicht gelebten) christlichen Glauben formal abzulegen und sich wieder zum Islam zu bekennen, verfolgungsrelevante Maßnahmen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu befürchten hat, wenn der Glaubensübertritt bekannt wird“,

sowie die vierte (Tatsachen)Frage,

‚ob ein „Taufscheinchrist“, wie vorher beschrieben, der also keine innere tiefe Glaubensüberzeugung besitzt, gleichwohl aber Mitglied der Glaubensgemeinschaft sein will und im Falle der Rückkehr auch sein wird, bei einem Bekenntnis zu dieser Art von Mitgliedschaft im Iran eine Verfolgung zu befürchten hat, wenn er sich weigert, wieder Moslem zu werden‘,

nicht klärungsbedürftig.

Bei einem, ohne innere Glaubensüberzeugung lediglich formal konvertierten Christen, steht weder im Raum, dass er seine religiöse Identität nach Rückkehr in sein Heimatland unterdrücken müsste, noch dass er sich im Heimatland religiös betätigen wird. Wie zuvor ausgeführt, stellt sich somit die Frage asylrelevanter Verfolgung des lediglich formal Getauften nicht. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob es einem, ohne innere Glaubensüberzeugung lediglich formal konvertierten Christen zumutbar ist, seine (formale) Mitgliedschaft in einer christlichen Religionsgemeinschaft aufzugeben, ohne in sein durch Art. 10 Abs. 1 GR-Charta garantiertes Recht auf Religionsfreiheit einzugreifen. Ungeachtet dessen ist zweifelhaft, warum sich der Kläger als lediglich formaler Christ weigern könnte, dem Christentum abzuschwören bzw. wieder Moslem zu werden, zumal er nur vorträgt, nach „seiner inneren Überzeugung (wie sei das Gericht versteht)“ lediglich „möglicherweise“ Atheist zu sein.

3. Auch die vom Kläger gestellte Rechtsfrage,

„ob die ‚innere identitätsprägende Überzeugung‘ eines Glaubens, wie vom VG verlangt, ein ‚Verständnis der Glaubensinhalte‘ erfordert oder ob die identitätsprägende Überzeugung allein in dem Willen der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, getragen von sonstigen Motiven z. B. einer Emotionalität, dem Wunsch der kulturellen Zugehörigkeit ect. bestehen kann“

bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Zum einen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 30 im Anschluss an EuGH, U. v. 5.9.2012 - C-71/11 u. C-99/11 - NVwZ 2012, 1612; U. v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289 Rn. 19), dass der Schutzsuchende, der nicht bereits wegen seiner Religion verfolgt oder unmittelbar mit Verfolgung bedroht war und bei dem nicht bereits die Taufe als solche zu einer Verfolgung führt, die inneren Beweggründe, die ihn zur Konversion veranlasst haben, glaubhaft machen muss, wenn er sich auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung beruft, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht, und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Zum anderen kommt der Frage regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Prüfung, ob ein (identitätsprägender) Glaubenswechsel vorliegt, kann jeweils nur anhand der individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Sachverhalts erfolgen (BVerwG, B. v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - Asylmagazin 2015, 345 Rn. 11; BayVGH, B. v. 9.4.2015 - 14 ZB 13.30444 - juris Rn. 5 m. w. N.). Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist und welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein beschreiben, sondern richtet sich vorwiegend nach der Persönlichkeit des Schutzsuchenden und seiner intellektuellen Disposition (OVG NW, U. v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - juris Rn. 39). Es ist ureigene Sache des Gerichts, im Rahmen der Beweiswürdigung anhand der individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu klären, ob ein Glaubenswechsel vorliegt.

II. Soweit der Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) geltend machen wollte mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe gegen die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze verstoßen, wonach es im Hinblick auf die Gefahrenprognose auf das persönliche Glaubensverständnis des Individuums und das Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft ankomme, ist er bereits seinen diesbezüglichen Darlegungspflichten (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) nicht nachgekommen. Mit seinem Einwand, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 20. März 2013 - 10 C 23.12 - auf das „Verständnis der Glaubensinhalte“ und auf die „innere identitätsprägende Überzeugung“ abgestellt, hat er keinen abstrakten Rechtssatz dargelegt, sondern lediglich eine - seiner Ansicht nach fehlerhafte - gerichtliche Bewertung des Einzelfalls aufgezeigt. Den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sieht § 78 Abs. 3 AsylG nicht vor.

III. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 9. November 2015 vorgetragen hat, dass er seine am 6. März 2015 geborene Tochter entsprechend seiner Glaubensüberzeugung am 25. Oktober 2015 hat taufen lassen, kann dies im Zulassungsverfahren gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylG nicht mehr berücksichtigt werden.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2013 - A 5 K 122/13 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungszulassungsverfahrens.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg hat keinen Erfolg.
Die aufgeworfene Frage,
ob eine Grundsatzentscheidung des zuständigen kirchlichen Würdenträgers, des Pfarrers, der einen ernsthaften Glaubensübertritt (eines Asylbewerbers) bejaht hat, das staatliche Gericht staatskirchenrechtlich bindet,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Die Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67; Beschl. v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289) bereits ausreichend geklärt.
Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen. Die Beurteilung, ob eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne der genannten Vorschrift zu erfüllen, hängt aber außer von objektiven auch von subjektiven Gesichtspunkten ab. Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z.B. Leib und Leben. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist der Umstand anzusehen, ob für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Es reicht dafür nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten.
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, a.a.O., Rn. 30; Beschl. v. 9.12.2010, a.a.O.). Der formale, kirchenrechtlich wirksam vollzogene Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe reicht für die Gewinnung dieser Überzeugung jedenfalls im Regelfall nicht aus (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.2.2014 - A 3 S 2023/12 -; Beschl. v. 9.1.2014 - A 2 S 1812/13 -; OVG Niedersachsen, 7.3.2014 - 13 LA 118/13 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.5.2013 - 5 A 1062/12.A - juris; BayVGH, Beschl. v. 12.1.2012 - 14 ZB 11.30346 - juris). Ob ein von diesem Regelfall abweichender Sonderfall vorliegt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist deshalb einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylVfG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie verließ zusammen mit ihrer älteren Tochter am 10. Februar 2016 den Iran und reiste über die Türkei und Griechenland – dort Aufenthalt sieben Monate – am 20. September 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein (alles eigene Angaben). Am 6. Oktober 2016 stellte die Klägerin einen Asylantrag. Dabei gab sie an, sie gehöre der Religion des Islam an.

Die ältere Tochter der Klägerin reiste ebenfalls in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 10. November 2016 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) unter einem gesonderten Aktenzeichen führte. Die gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts zum Verwaltungsgericht München erhobene Klage der älteren Tochter wurde zunächst unter dem Aktenzeichen M 2 K 17.31767 und wird nunmehr unter dem Aktenzeichen M 28 K 17.31767 geführt.

Der Ehemann der Klägerin hatte sein Heimatland bereits im Juni 2015 verlassen und war zunächst in die Türkei gereist. Etwa 45 Tage später waren die Klägerin und deren jüngere, noch minderjährige Tochter zum Ehemann in die Türkei gereist. Die Klägerin war vorerst wieder in den Iran zurückgekehrt. Der Ehemann und die jüngere Tochter waren zusammen von der Türkei aus bereits Ende September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (alles eigene Angaben). Am 7. Januar 2017 hatten der Ehemann und die jüngere Tochter Asylanträge gestellt, die das Bundesamt unter einem gemeinsamen Aktenzeichen führte. Die gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts zum Verwaltungsgericht München erhobene Klage des Ehemanns und der jüngeren Tochter wird unter dem Aktenzeichen M 2 K 16.34947 geführt.

Bei der Anhörung durch das Bundesamt am 18. Oktober 2016 äußerte sich die Klägerin zur Begründung ihres Asylantrags im Wesentlichen wie folgt: Sie sei Muslima. Die Hauptprobleme hätten bei ihrem Mann gelegen, weshalb dieser den Iran verlassen habe. Sie selbst habe den Iran verlassen, da sie wieder mit ihrem Ehemann zusammen sein habe wollen. Sie selbst habe keine Probleme mit der Regierung gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Anhörung wird auf die Niederschrift (Bl. 44 ff. der Akte des Bundesamts – BA) verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2016, zugestellt am 29. Dezember 2016, entschied das Bundesamt, dass die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werde (Ziffer 1.), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt werde (Ziffer 2.), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde (Ziffer 3.), Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4.), forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls würde sie in den Iran abgeschoben (Ziffer 5.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6.). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor. Die Klägerin habe keine eigenen Asylgründe geltend gemacht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Es seien von der Klägerin keinerlei Gründe vorgebracht worden, die darauf schließen ließen, dass ihr im Iran ein ernsthafter Schaden drohe. Der Wunsch, mit ihrem Ehemann zusammenleben zu wollen, sei zwar verständlich, aber asylrechtlich unerheblich. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Bescheidsbegründung wird auf den Bescheid (Bl. 74 ff. BA) verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 4. Januar 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München.

Am 11. Januar 2017 ließe die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten nochmals Klage gegen den Bescheid erheben, die unter dem Aktenzeichen M 2 K 17.30592 geführt wurde. Nach Klagerücknahme wurde dieses Verfahren mit Beschluss vom 17. Februar 2017 eingestellt.

Am 26. Januar 2017 legte das Bundesamt seine Akten vor.

Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2017 bestellten sich die Bevollmächtigten auch für vorliegendes Verfahren und verwiesen auf den im eingestellten Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 11. Januar 2017. In diesem heißt es u.a., zwar sei die Klägerin anders als ihr Ehemann und ihre jüngere Tochter nicht zum Christentum konvertiert, jedoch wäre sie als engstes Familienmitglied bei einer Rückkehr in den Iran ebenso einer Verfolgung ausgesetzt.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Beschluss vom 4. April 2017 wurde ein Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … abgelehnt.

Am 11. April 2017 fand die mündliche Verhandlung im Verfahren der Klägerin sowie im Verfahren des Ehemanns und der jüngeren Tochter der Klägerin (M 2 K 16.34947) statt. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden informatorisch gehört. Die jüngere, noch minderjährige Tochter der Klägerin war nicht erschienen. Der Ehemann erklärte, die Klägerin sei getauft worden. Die Bevollmächtigte zeigte eine Taufbescheinigung des Evang.-Luth. Pfarramts … vor, wonach die Klägerin am 29. Januar 2017 getauft worden sei. Die Klägerin bestätigte, dass sie selbst im Iran nicht verfolgt und nicht bedroht war. Sie wurde hinsichtlich einer Konversion zum Christentum befragt, u.a. hinsichtlich ihrer Hinwendung zum Christentum, zu ihrer Taufe, zu ihrer Glaubensbetätigung und zu ihrem Glaubenswissen. Ferner kamen zur Vorlage zwei Arztbriefe, wonach sich die Klägerin am 27. Dezember 2016 und am 31. März 2017 jeweils wegen Herzrasens behandeln hat lassen.

Die Klägerin ließ beantragen,

den Bescheid vom 27. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, festzustellen, dass ein subsidiärer Schutzstatus vorliege und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a GG ist der Bescheid vom 27. Dezember 2016 bestandskräftig geworden, nachdem insoweit zuletzt kein Verpflichtungsantrag gestellt wurde). Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. des Bescheids vom 27. Dezember 2016 und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 6. dieses Bescheids sind rechtmäßig.

Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten, ferner hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wird zunächst auf den Bescheid des Bundesamts vom 27. Dezember 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist wie folgt auszuführen:

1. Die Klägerin ist nicht vorverfolgt aus dem Iran ausgereist. Dies ergibt sich aus den eigenen Angaben der Klägerin beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht: Danach habe ihr Ehemann im Iran Probleme gehabt, dieser habe deshalb den Iran verlassen. Sie selbst habe im Iran keine Probleme mit der Regierung gehabt, sie selbst sei im Iran nicht verfolgt und nicht bedroht worden. Sie haben den Iran verlassen, weil sie wieder mit ihrem Ehemann zusammen sein habe wollen. Hinzu kommt, dass die Klägerin, nachdem sie Mitte des Jahres 2015 zu ihrem Ehemann in die Türkei ausgereist war, wieder freiwillig in den Iran zurückreiste. Wäre die Klägerin im Iran asylrelevant und asylerheblich bedroht, verfolgt oder gefährdet im Sinne der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG, § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gewesen, dann wäre sie nicht aus der sicheren Türkei wieder in den Iran zurückgekehrt, um dort u.a. ihr Haus zu verkaufen und erst wieder im Februar 2016 per Flugzeug in die Türkei auszureisen. Allein der Hinweis auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Ehemann und der jüngeren, noch minderjährigen Tochter und die Stellung als „engstes Familienmitglied“ reichen schon im Ansatz nicht aus, um die Annahme einer eigenen asylrelevanten und asylerheblichen Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung rechtfertigen zu können. Familienasyl setzte voraus, dass die Anerkennung hinsichtlich des Ehemanns oder der minderjährigen Tochter unanfechtbar wäre (s. § 26 AsylG). Dies ist nicht der Fall, vielmehr wurde die Klage des Ehemanns und der minderjährigen Tochter (M 2 K 16.34947) ebenfalls abgewiesen.

2. Auch die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachte Hinwendung der Klägerin zum Christentum kann der Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Erfolg verhelfen:

a) Zwar können im Iran gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. etwa die Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10) zum Christentum konvertierte Muslime durch die aktive Glaubensausübung im konkreten Einzelfall landesweit einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgesetzt sein, jedenfalls dann, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich leben, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 ff. AsylG) oder zumindest des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) oder zumindest die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) in Betracht kommen kann (vgl. hierzu: OVG NW, U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 48 ff.; HessVGH, U. v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B. v. 30.7.2009 – 5 A 1999/07.A – juris; SächsOVG, U. v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris Rn. 34 ff.; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – juris Rn. 20 f.).

Die Annahme einer solchen Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat, selbst wenn dies öffentlich (z.B. im Internet) bekannt geworden ist. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 ff., 12, B. v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris Rn. 11 f., B. v. 27.4.2015 – 13 A 440/15.A – juris Rn. 10 ff. m.w.N., B. v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A – juris Rn. 8 ff. m.w.N.; U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff. m.w.N; OVG Lüneburg, B. v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.; VGH BW, B. v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14 – juris Rn. 6 m.w.N.).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Fall der Klägerin bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachte Hinwendung zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität der Klägerin prägte, vielmehr dass dieser ganz offensichtlich Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen:

Bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung offenbarte sich, dass der Klägerin selbst grundlegendste Kenntnisse über den von ihr angeblichen angenommen christlichen Glauben fehlen. So musste sie etwa auf Frage einräumen, kein christliches Gebet zu kennen. Die Frage nach christlichen Glaubensinhalten und zentralen Glaubensinhalten konnte die Klägerin nur mit „ich weiß nicht“ beantworten.

Hinsichtlich ihrer Glaubensbetätigung hat die Klägerin zwar vorgebracht, während ihres siebenmonatigen Aufenthalts in Griechenland ständig in die Kirche gegangen zu sein. Dieses Vorbringen ist indes schon unglaubwürdig: Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin diesen für ihren Asylantrag relevanten Umstand bei ihrer Anhörung beim Bundesamt vorbringt, was indes nicht einmal ansatzweise geschehen ist. Nicht gefolgt werden kann der Klägerin in diesem Zusammenhang, wenn sie meint, sie sei beim Bundesamt nicht nach den Kirchenbesuchen gefragt worden: Das Bundesamt hat ihr eingangs nicht nur die offene Frage gestellt, welche Tatsachen und Umstände ihren Asylantrag begründen, sondern sie z.B. am Ende nochmals gefragt, ob sie sonst noch etwas vorzubringen habe. Mithin hätte die Klägerin ausreichend Gelegenheit gehabt, die angeblichen Kirchenbesuche in Griechenland vorzubringen. Letztlich kommt es hierauf allerdings gar nicht an: Denn selbst bei Wahrunterstellung reichte allein das Vorbringen von Kirchenbesuchen nicht aus, um die Annahme einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung zu rechtfertigen, da derartigen Kirchenbesuchen auch rein asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen können. Gegen eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung spricht zudem, dass die Klägerin die Frage nach der Betätigung ihres christlichen Glaubens im Rahmen der religiösen Erziehung ihrer Tochter nicht beantworten konnte. Vielmehr stellte sie die Rückfrage, ob es eine spezielle christliche Erziehung gebe. Wer sich aufgrund einer inneren Glaubensüberzeugung dem Christentum im Sinne eines religiösen Bekenntnisses zugewandt hat, bei dem ist zu erwarten, dass er sich zumindest Gedanken darüber macht, wie er diesen für seine religiöse Identität wichtigen Glauben an seine Kinder weitergeben kann.

Dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung lässt sich auch nicht entnehmen, dass ihre Taufe am 29. Januar 2017 (siehe die Bescheinigung der Jesus-Christus-Kirche … vom 30. Januar 2017) Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung war: Das konkrete Datum ihrer Taufe konnte die Klägerin nicht nennen. Vielmehr meinte sie, sie glaube, die Taufe sei vor zwei oder drei Monaten gewesen. Wer tatsächlich aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung den christlichen Glauben annimmt, bei dem ist zu erwarten, dass er viel genauer weiß, wann das für ihn wichtige Fest der Taufe stattfand, zumal wenn sich diese erst wenige Wochen zuvor ereignet hatte. Gefragt nach ihren Gründen und Motiven für die Taufe brachte die Klägerin nur vor, es habe sie „einfach fasziniert“, immer wenn sie ein Problem gehabt habe, sei sie in die Kirche gegangen und dann sei es ihr „besser gegangen“. Dieses oberflächliche und substanzlose Vorbringen kann schon im Ansatz nicht deutlich machen, dass der Taufe der Klägerin eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung zu Grunde gelegen hätte. Die Klägerin hat auch sonst nicht dargelegt, dass und aufgrund welcher Erlebnisse oder sonstigen Umstände sie sich dem Christentum im Sinne eines religiösen Bekenntnisses zugewandt hatte. Schließlich spricht auch der frühe Zeitpunkt der Taufe bereits am 29. Januar 2017 für ein asyltaktisches Vorgehen der Klägerin: Bei ihrer Antragstellung am 6. Oktober 2016 hat die Klägerin als ihre Religion den Islam genannt, noch in der Anhörung am 18. Oktober 2016 hat sie sich ausdrücklich als „Muslima“ bezeichnet. Hingegen war von einem etwaigen Interesse für das Christentum nicht einmal ansatzweise die Rede gewesen. Gerade einmal gut drei Monate später lässt sich die Klägerin am 29. Januar 2017 taufen. Zudem hat die gerichtliche Befragung der Klägerin ergeben, dass ihr noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung selbst die grundlegendsten Kenntnisse über den christlichen Glauben fehlten (siehe oben). Es kann deshalb erst Recht nicht angenommen werden, die Klägerin habe bei ihrer Taufe substantielle Kenntnisse über den von ihr neu angenommen Glauben gehabt. Dass sich die Klägerin als erwachsene Konvertitin dennoch taufen ließ, streitet zusätzlich gegen die Annahme, ihre Taufe sei Ausdruck ihrer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung.

Nach alldem ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum im Fall der Klägerin nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche deren religiöse Identität prägte, vielmehr dass dieser Behauptung Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen.

3. Schließlich kommt in Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung übergebenen Arztbriefe, wonach sich die Klägerin am 27. Dezember 2016 und am 31. März 2017 jeweils wegen Herzrasens behandeln hat lassen, schon im Ansatz kein sog. krankheitsbedingtes, zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Sätze 1 – 4 AufenthG in Betracht (vgl. zu diesem etwa: BVerwG, U. v. 25.11.1997 – Az. 9 C 58.96 – juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris; OVG NW, U. v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris Rn. 45). Unbeschadet dessen, ob diesbezüglich überhaupt eine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt, was die Klägerin nicht nachgewiesen hat, stünde dieser eine etwaig notwendige Behandlung des Herzrasens oder anderer Herzprobleme auch im Iran grundsätzlich zur Verfügung (vgl. dazu den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 8. Dezember 2016, S. 17). Es gibt gemessen am Vorbringen der Klägerin zu ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Situation auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie etwa erforderliche finanzielle Eigenleistungen nicht aufbringen könnte. Abgesehen davon liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den von der Klägerin angegebenen Beschwerden um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) handeln könnte, die sich bei einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach Ankunft im Zielstaat der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann im Zusammenhang mit den von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden deshalb schon im Ansatz keine Rede sein.

Die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Flüchtlinge (Bundesamt) mit dem sein Asylbegehren abgelehnt wurde.

Eigenen Angaben zufolge ist der Kläger irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Über die Türkei und weitere ihm unbekannte Länder sei er mit dem Lkw und dem Zug am ... August 2015 nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag datiert vom 1. Februar 2016.

Bei seiner persönlichen Anhörung am ... Februar 2016 gab der Kläger an, im Irak zuletzt in der Stadt … in der Provinz … gelebt zu haben. Zu seinem Verfolgungsschicksal äußerte der Kläger, dass er mit ca. 15 Jahren vom Glauben abgefallen sei. Er glaube nur an einen Gott, nicht an eine Religion. Sein Vater sei schon gestorben, als er ein kleines Kind gewesen sei. Seine Mutter sei zunächst verärgert gewesen, habe sich aber damit abgefunden. Seine älteren Brüder seien gegen seinen Abfall vom Glauben gewesen, sie hätten ihn des Öfteren geschlagen. Zur Polizei sei er nicht gegangen, weil er sich geschämt habe. Auch andere Jugendliche hätten den Kläger verspottet und ihm gesagt, dass sie ihn eines Tages zurückholen würden in den Islam. Sie hätten gesagt, dass der Kläger etwas erleben werde, wenn sie dies nicht schaffen würden. Einmal habe ihn eine Person in der Gasse bei seiner Tante geschlagen. Es sei dunkel gewesen, er könne sich nicht erinnern, ob dies Jugendliche gewesen seien. Er habe auch Drohungen per SMS erhalten. Woher die Jugendlichen seine Nummer hatten, könne er nicht sagen. Die SMS lauteten ungefähr so: „Wir werden dich töten, weil du Atheist bist, du musst die Stadt verlassen“. Wann er die letzte SMS erhalten habe, wisse er nicht mehr. Im Jahr 2014 sei er von der Schule geflogen. Viele Eltern hätten sich beschwert, dass ihre Kinder mit jemand die Schule besuchten, der nicht an den Islam glaube. Der Direktor sei eines Tages in seine Klasse gekommen und habe alle Schüler befragt, wer mit dem Kläger in der Klasse bleiben wolle. Da hätten alle nein gesagt. Seine Verwandtschaft habe ihn grundsätzlich gemieden. Wenn sie seine Mutter besuchten, hätten sie ihn ignoriert. An einen anderen Ort sei er nicht gegangen, weil er jung sei und eine Familie brauche. Er brauche jemanden, der sich um ihn kümmere. Er hätte sonst niemanden, bei dem er im Irak wohnen könnte. Er könnte höchstens einfache Arbeiten verrichten, da er keinen Abschluss besitze. Er käme höchstens auf etwa 300.000,00 irakische Dinar, eine Wohnung zur Miete koste aber mind. 400.000,00. Wenn er an seinen Heimatort zurückkäme, hätte er die gleichen Probleme, die ihn dazu veranlasst hatten, den Irak zu verlassen. Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu und lehnte seinen Antrag auf Asylanerkennung ab (1. u. 2.). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ihm nicht zuerkannt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (4.). Der Kläger werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisfrist nicht einhalten, werde er in den Irak abgeschoben. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6).

Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigten nicht vorlägen. Selbst bei Wahrunterstellung des gemachten Sachvortrages hinsichtlich der Drohungen der Jugendlichen und das Traktierens der Stiefbrüder würde kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehen, da vorliegend kein Anknüpfungsmerkmal sowie keine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG ersichtlich seien. Im Übrigen sei der Sachvortrag des Klägers unglaubhaft. Der Kläger sei erst im Jahr 2015 ausgereist, obwohl die Bedrohungen bereits seit dem Jahr 2011 bestanden haben sollen. Auch wenn der Kläger vortrage, dass er laut eigener Aussage mit 16 oder 17 Jahren noch zu jung für eine Ausreise gewesen sei, könnten die Bedrohungen daher nicht so gravierend gewesen sein. Des Weiteren sei der Kläger nicht im Stande gewesen, durch einen lebensnahen, detaillierten und ausführlichen, mithin erlebnisgeprägten Sachvortrag zu überzeugen. Er habe keine fundierten Schilderungen maßgeblicher Einzelheiten nennen können. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides verwiesen.

Mit Telefax vom 9. Juni 2016 erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen; hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorlägen.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2016 legte die Beklagte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.

Mit Schreiben vom 14. November 2016 begründete die Bevollmächtigte des Klägers die Klage. Der Kläger habe bereits in seiner persönlichen Anhörung glaubhaft gemacht, dass er weder an Allah noch an einen anderen Gott glaube. Er wolle seinen Nichtglauben ausüben und zu diesem auch in der Öffentlichkeit stehen. Dies sei dem Kläger insbesondere auch deswegen besonders wichtig, da er sich von den Gräueltaten, die im Namen des Islam verübt würden, distanzieren wolle. Aufgrund seiner religiösen Einstellung drohe dem Kläger in seinem Heimatland Verfolgung. Bereits vor seiner Ausreise sei der Kläger aufgrund seiner religiösen Gesinnung diskriminiert und verfolgt worden. So sei er von Familienmitgliedern größtenteils verstoßen, von den eigenen Brüdern geschlagen und aufgrund seines Nichtglaubens von der Schule geworfen worden. Auch aufgrund der aktuellen Lage drohe dem Kläger Lebensgefahr, wenn er sich offen gegen den Islam stelle.

In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 äußerte der Kläger, dass er mittlerweile zum Christentum tendiere. Er gehe dreimal in die Woche in die Kirche; er sei nach langem Nachdenken zu der Einsicht gekommen, dass jeder eine Religion brauche. Der Kläger legte eine Bescheinigung vor, nach der er an einem Orientierungskurs „Christ werden“ teilnehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes und auf die Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2016 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

1. Die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz - GG - kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylG).

2. Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG beantragt, hat der Antrag keinen Erfolg.

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb der Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

a) Bei einer Rückkehr in den Irak droht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts wegen seines Abfalls vom Glauben bzw. seines neugefundenen christlichen Glaubens nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung.

Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion - KAR - aus. Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z. B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt - AA -, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9; Europäisches Zentrum für Kurdische Studien -EZKS-, Auskunft an VG München, Gutachten Irak (Yeziden) v. 07.09.2015, S. 8). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ -IS- im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen. Die Kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen (zum Vorstehenden AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak, Oktober 2014, S. 13.

b) Soweit der Kläger private Verfolgungshandlungen durch seine Familie bzw. Fremde vorträgt, ist für das Gericht nicht ersichtlich, wieso der Kläger nicht internen Schutz im Sinne von § 3e AsylG in einer anderen Provinz der Kurdischen Autonomiegebiete finden könnte. Wie bereits festgestellt, würde dem Kläger hier nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung drohen. Da der Kläger auch selbst vermutet, dass die Droh-Sms von seinem näheren Umfeld stammten, hätte dieses Problem mit einem Umzug in eine andere Provinz gelöst werden können, ebenso wie die Misshandlungen durch seine Familie. Der Kläger ist mittlerweile 20 Jahre alt und mithin nicht mehr in einem Alter, in dem er auf familiäre Unterstützung angewiesen ist - zumal er diese auch bei seiner langen Reise nach Deutschland nicht hatte. Zudem hat der Kläger noch nicht einmal versucht, staatlichen Schutz im Sinne von § 3d AsylG in Anspruch zu nehmen.

3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu.

a) Hinsichtlich des vom Kläger vorgetragenen persönlichen Verfolgungsschicksals ist dieser abermals zumindest auf die internen Fluchtalternativen zu verweisen.

b) Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht (vgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016; Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015). Der Kläger muss daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhält. Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.

4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.

a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.

b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).

Sonstige Gefahren i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.

5. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Asylberechtigter oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für … (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylantrag abgelehnt wurde.

Der Kläger gibt an, i. Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und am ... August 2015 in die ... eingereist zu sein. Hier stellte er am 4. November 2015 einen Asylantrag.

Bei seiner persönlichen Anhörung trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass er aus Liebe zu einer Christin zum Christentum konvertiert sei und die Absicht habe, sie zu heiraten. Auf ihren Wunsch hin und als Zeichen der Liebe habe er sich auf seinen Unterarm ein Kreuz gebrannt und heimlich an christlichen Feiern teilgenommen. Er habe sich in einer Kirche in S., Stadtteil ..., taufen lassen und eine Taufbescheinigung erhalten. Diese befände sich allerdings noch bei seinen Eltern, er könne jedoch von der Kirche in Deutschland eine Bestätigung erhalten. Dies sei noch nicht erfolgt, weil er niemanden kenne, der mit ihm zu Kirche gehen könnte. Christliche Feste kenne er nicht, weil er sich nicht so gut habe informieren können und die Beziehung mit der Frau nicht so lange gedauert habe, dass er sich mit ihr hierüber habe unterhalten können. Seine Eltern seien gegen die Konvertierung und seine Beziehung zu einer Christin gewesen; seine Angehörigen hätten ihn deshalb bedroht und geschlagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.

Mit Bescheid vom 26. April 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu und lehnte seinen Antrag auf Asylanerkennung ab (1. Und 2.). Es erkannte ihm auch den subsidiären Schutzstatus nicht zu (3.) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes -AufenthG- nicht vorliegen (4.). Der Kläger werde aufgefordert, die ... innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6.).

Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Kläger seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht habe. Der Sachvortrag zu seiner Konvertierung zum Christentum erscheine nicht glaubhaft. So habe der Kläger in Deutschland seine sunnitische Religionszugehörigkeit angegeben und nicht, dass er Christ sei. Auch könne er den Hergang der Taufe nur grob beschreiben und er sei letztlich auch nicht in der Lage gewesen, christliche Feste zu benennen. Er scheine sich überhaupt nicht mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt zu haben. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, seine Freundin genauer zu beschreiben. Der Sachvortag des Klägers erscheine insgesamt wenig substantiiert und widersprüchlich in seinen Details. Im Übrigen wird auf die Begründung im Bescheid verwiesen.

Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Telefax vom 17. Mai 2016 Klage und beantragte,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des Art. 16a Grundgesetz -GG- und des § 3 Asylgesetz -AsylG- vorliegen, hilfsweise dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 4 AsylG sowie die des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2016 begründete der Bevollmächtigte des Klägers die Klage im Wesentlichen damit, dass der ursprünglich sunnitische Kläger im Jahr 2015 zum Christentum konvertiert sei. Die Äußerungen des Klägers seien glaubhaft. Der Umstand, dass der Kläger keine Grundkenntnisse über das Christentum darlegen habe können, sei damit zu begründen, dass der Kläger aus Liebe zu einem christlichen Mädchen aus dem NordI. konvertiert sei und deshalb zunächst die Liebesbeziehung im Vordergrund gestanden habe. Die Unkenntnis von religiösen Bräuchen sei sogar bei Jugendlichen aus dem Christentum nicht unüblich. Der Kläger gelte in seiner Verwandtschaft als Konvertit und sei allein deswegen erheblich gefährdet. In seiner Heimatstadt ..., aber auch im gesamten I., sei der Muslim-Extremismus sehr stark. Für den Fall, dass der Kläger zurückkehren würde, sei davon auszugehen, dass er mit seiner Konvertierung erkannt und deswegen ohne Hemmungen umgebracht würde. Unabhängig davon herrsche im I. ein brutaler Krieg zwischen vielen Kräften. Der IS sei nach wie vor im I. sehr stark und kämpfe an vielen Fronten. Der NordI. sei für den Kläger keine sichere Fluchtalternative, da der IS bis zu 40 km entfern von der Heimatstadt des Klägers einmarschiert sei. Es sei jederzeit damit zu rechnen, dass der IS für sich die Möglichkeit finden könne, das unter seiner Herrschaft stehende Territorium auszubreiten. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten verwiesen.

Die Beklagte legte mit Schreiben vom 2. Juni 2016 die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2017 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seine Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, insbesondere liegen die Voraussetzungen des §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vor. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

1. Eine Anerkennung als Asylberechtigter scheidet schon wegen Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz -GG-, § 26a Abs. 1 Asylgesetz -AsylG- aus, da der Kläger über den Landweg und somit über einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften bzw. sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist ist.

2. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife auch keine Anspruch auf Zu-erkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG-, §§ 3 ff. AsylG. Es droht ihm bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen seiner religiösen Überzeugung.

a) Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Insbesondere erscheint der Sachvortrag des Klägers zu seiner Konvertierung zum Christentum zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung angesichts der Aussagen des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung als unsubstantiiert und unglaubhaft. So gab der Kläger bei seiner Einreise seine angeblich christliche Religionszugehörigkeit nicht an, konnte bei seiner Anhörung keinerlei christliche Feste nennen, keine genauen Aussagen zur Kirche machen, in der er getauft worden sein will, und auch den Ablauf der Taufe nur äußerst rudimentär beschreiben. Es mag sein, dass auch jugendliche deutsche Christen nur oberflächlich über ihre eigene Religion Bescheid wissen, jedoch wurden diese zumeist im Säuglingsalter getauft und sind nicht aufgrund einer bewussten Entscheidung im Jugendalter zum Christentum konvertiert. Zudem hat der Kläger bis zum heutigen Zeitpunkt weder die ursprüngliche Taufbescheinigung vorgelegt noch eine Bestätigung einer deutschen Kirche - wobei es als unglaubhaft erscheint, dass der Kläger die ursprüngliche Taufurkunde bei seiner (die Konvertierung ablehnenden) Familie gelassen haben will. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger das Gericht nicht von seiner Konvertierung überzeugen. So war er nach eigener Aussage bisher einmal in einer Kirche in Pasing, deren Namen er jedoch nicht nennen könne. Weitere Kirchenbesuche seien nicht möglich gewesen, da er zu weit weg wohne. Nach Auffassung des Gerichts hätte es dem Kläger jedoch jederzeit offen gestanden, an seinem jetzigen Wohnort eine von mehreren - für ihn wesentlich besser erreichbaren - Kirchen zu besuchen. In der Zusammenschau der Aussagen des Klägers in der Anhörung sowie der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger das Gericht nicht glaubhaft davon überzeugen, zum Christentum konvertiert zu sein.

b) Doch selbst wenn man den Sachvortrag des Klägers zu seiner Konvertierung als wahr unterstellt, droht dem Kläger in seinem Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit.

(1) Hinsichtlich einer individuellen Verfolgung des Klägers durch seine Familie stehen dem Kläger jedenfalls die anderen Provinzen und Städte der kurdischen Autonomiegebiete im NordI. als innerstaatliche Fluchtalternativen im Sinne von § 3e AsylG offen.

(2) Hinsichtlich der Situation von Christen in den Kurdischen Autonomiegebieten allgemein ist von keiner staatlichen Verfolgung auszugehen. So erkennt die Verfassung des I.s das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an und garantiert auch Religionsfreiheit inklusive der Freiheit ihrer Ausübung. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam. Eine systematische Diskriminierung der Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Zwar kam es in den Hauptsiedlungsgebieten der religiösen Minderheiten im NordI. seit Juni 2014 teilweise zu gezielten Verfolgungen von Jesiden und Christen durch den IS. In der Region K.-I. wie auch in weiteren Gebieten, die unter der Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sind Minderheiten jedoch weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Insbesondere haben seit dem Jahr 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen in der Region K.-I. Zuflucht gefunden. Es gibt dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Die kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau und die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik I. vom 18.2.2016, S. 9, 14). Somit stünde einer Rückkehr des Klägers in seine Heimat, die Region K.-I., auch insofern nichts entgegen.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 AsylG. Konkrete Anhaltspunkte für das Drohen eines ernsthaften Schadens nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG (Todesstrafe, Folter, unmenschliche Behandlung oder Bestrafung) sind nicht ersichtlich. Ebenso ist der Kläger auch nicht subsidiär schutzberechtigt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, weil ihm eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Der Kläger stammt aus der Region S., die den Kurdischen Autonomiegebieten angehört. In diesen Gebieten findet jedoch kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt statt. Im Gegenteil ist dieses Gebiet zum Zufluchtsort vieler Binnenflüchtlinge aus den übrigen Teilen des I. geworden. Das Vordringen von Kämpfern des IS ist an den Grenzen der Kurdischen Autonomiegebiete aufgehalten worden. Die Kurdischen Autonomiegebiete sind von Kämpfen oder sonstigen Ereignissen, die als „innerstaatlicher bewaffneter Konflikt“ angesehen werden könnten, nicht betroffen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik I. vom 18.2.2016, S. 4, 7, 12 ff.).

4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.

a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.

b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer dem zu Folge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebungsstopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des I. aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage, auch Gefahren durch kriminelle Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt-gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter i. Staatsangehöriger grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und der Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in Verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.07.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).

Sonstige Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des B. Staatsministerium des Inneren erfasst werden, sind nicht ersichtlich.

5. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziffer 4, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegen stünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt weder als Asylberechtigte oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Voll-streckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2016 wird in Nrn. 1, 2, 3 insoweit aufgehoben, als die Ablehnung des Asylantrages, des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet erfolgt ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¾, die Beklagte ¼.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich des Irak.

Der am ... 1987 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Glauben.

Seinen Angaben zu Folge reiste der Kläger am 13. Juli 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 28. September 2015 Asylerstantrag stellte.

Nach erfolgloser Durchführung eines Dublin-Verfahrens - die Republik Bulgarien lehnte die Übernahme des Klägers ab - wurde der Asylantrag des Klägers im Folgenden im nationalen Verfahren behandelt.

Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 1. März 2016 führte der Kläger aus, dass er sein bisheriges gesamtes Leben in ... verbracht habe. In ... sei er verheiratet gewesen. Er habe dort mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seinem Vater sei es dort gut gegangen, er beziehe eine Rente. Sein Bruder sei Verkehrspolizist gewesen. Er sei als Taxifahrer beschäftigt gewesen. Vor seiner Ausreise aus dem Irak habe er Probleme gehabt, weil seine Onkel ihn töten wollten, weil er eine Christin geheiratet habe. Seine Ehefrau habe er im Jahr 2013 geehelicht. Für den weiteren Inhalt der Anhörung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift des Bundesamts Bezug genommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12. September 2016 wurde der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffer 1.). In Ziffer 2. wurde auch der Antrag des Klägers auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ziffer 3. des Bescheids bestimmt, dass der Antrag des Klägers auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor (Ziffer 4.). In Ziffer 5. wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise werde er in den Irak bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben. In Ziffer 6. des Bescheids wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Kläger sei kein Flüchtling, der sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Der Vortrag des Klägers, von seinen Onkeln bedroht worden zu sein, könne nicht zur Feststellung des Flüchtlingsschutzes führen, da aus seinem Sachvortrag keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung ersichtlich sei. Auch sei es dem Kläger zuzumuten, seinen Wohnsitz in andere Teile von Kurdistan zu verlegen. Er könne sich als irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit grundsätzlich auch in anderen Regionen von Kurdistan niederlassen und sich dort eine neue Existenz aufbauen. Der Kläger habe auch bereits in Arbil gelebt und sei dort nicht weiter bedroht worden. Der Entschluss des Klägers zum Christentum zu konvertieren, gelte als Nachfluchtgrund. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Asylgesetz (AsylG) sei damit abzulehnen gewesen. Gleiches gelte für die Gewährung subsidiären Schutzes. Dem Kläger drohten bei einer Rückkehr nach Arbil in der Region Kurdistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Auch habe der Kläger keine persönlichen Umstände vorgetragen, die die Gefahr für ihn derart erhöhten, dass von individuellen konfliktbedingten Gefahren gesprochen werden könne. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei damit abzulehnen gewesen. Der Asylantrag werde zudem als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Nach eigenen Angaben des Klägers, lebten seine Eltern und Geschwister im Irak. Es sei daher nicht erkennbar, dass der Kläger bei Rückkehr einer extremen allgemeinen Gefahr ausgesetzt sei.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 12. September 2016 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 20. September 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt:

Unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 12. September 2016 (Gz.: ...) wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger gemäß § 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 4 AsylG, höchsthilfsweise, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegen;

ersatzweise werden zumindest das Offensichtlichkeitsmerkmal in Ziffern 1, 2 und 3 sowie die in Ziffer 6 der Entscheidung der Beklagten enthaltenen Fristbestimmungen aufgehoben, höchsthilfsweise - unter Aufhebung des Offensichtlichkeitsmerkmals in Ziffer 1, 2 und 3 - in Ziffer 6 eine Frist von längstens zwölf Monaten bestimmt, höchstersatzweise die Beklagte insoweit zur Neuverbescheidung verpflichtet.

Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 vorgetragen, dass der angefochtene Bescheid keine Begründung für die Ablehnung als offensichtlich unbegründet enthalte. Auf Seite 5 wiederhole die Beklagte lediglich den Gesetzeswortlaut. Eine Subsumtion sei nicht enthalten. Eine solche könne auch nicht zur Begründung einer qualifizierten Ablehnung führen. Die Beklagte stelle selbst fest, dass im Irak ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrsche, an dem sich der Kläger nicht aktiv beteiligt habe, aufgrund dessen er aber als Zivilist gefährdet sei. Auch wenn die relevante Gefährdungslage nach Ansicht der Beklagten nicht das Ausmaß erreiche, um von einer Gruppenverfolgung auszugehen, lasse sich nicht nach jeder denkbaren Sichtweise ausschließen, dass zumindest für jeden Rückkehrer die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bestehe. Die zunächst unzutreffende Darstellung seiner Fluchtgründe habe der Kläger in seiner Anhörung, mithin vor Erlass des angefochtenen Bescheides selbst korrigiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht und diese unzutreffenden Angaben nicht rechtzeitig berichtet habe, ließen sich nicht finden.

Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 wird ergänzend Bezug genommen.

Auf ein vom Kläger angestrengtes Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Az. Au 5 S 16.31899) wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. September 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Auf die Gründe dieser Entscheidung wird ergänzend verwiesen.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. Oktober 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Schreiben der Landeskirchlichen Gemeinschaft e.V. ... vom 19. November 2016 wurde ausgeführt, dass der Kläger seit Mai 2016 regelmäßig Gottesdienste und Veranstaltungen besuche. Er beteilige sich am Gemeindeleben. So engagiere er sich unter anderem durch praktische Mithilfe in der wöchentlichen Asylarbeit (Asylcafé) und sei Helfer bei den verschiedensten praktischen Aufgaben in der Vorbereitung von Veranstaltungen der Gemeinde.

Mit weiterem Gerichtsbeschluss vom 28. November 2016 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung gewährt.

Am 9. Januar 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Gründe

Der Einzelrichter konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2017 nicht vertreten war, da sie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 12. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Ablehnung seines Asylantrages und seiner Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylG erfolgt ist. Darüber hinaus hat der Kläger jedoch weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf subsidiären Schutz bzw. auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote. Seine Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

1. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16 a Grundgesetz (GG), auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, auf Feststellung von subsidiärem Schutz in Sinne von § 4 AsylG oder auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.

Maßgeblich für diese Beurteilung ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage.

1.1 Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt ist, wer wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung eine durch Tatsachen begründete Furcht vor Verfolgung hegen muss, die mit Gefahr für Leib, Leben, persönliche Freiheit oder einem die Menschenwürde verletzenden Eingriff in sonstige Rechtsgüter verbunden ist. Begründet ist die Furcht vor Verfolgung, wenn einem Ausländer bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, ihm Heimatland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.

Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter steht dem Kläger bereits aufgrund von Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a AsylG nicht zu. Danach kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist, nicht auf das Asylgrundrecht aus Art. 16 a Abs. 1 GG berufen. Sichere Drittstaaten sind unter anderem die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben auf dem Landweg zuletzt über Österreich und damit aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

1.2 Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG, nunmehr nach § 3 Abs. 1 AsylG) ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, für dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. - BVerwGE 80, 315).

Teilweise geht der Internationale Flüchtlingsschutz im Ergebnis der Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus. So begründen nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 a AsylG auch selbstgeschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 3c Nr. 3 AsylG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein Abschiebungsverbot. Ferner stellt § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG klar, dass eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn Anknüpfungspunkt allein das Geschlecht ist. Schließlich umfasst gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Schutz vor Verfolgung wegen der Religion im Ergebnis der Umsetzung von Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2011/95/EU auch die Religionsausübung im öffentlichen Bereich sowie sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen, die sich auf eine religiöse Betätigung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.

Nach § 3 c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2012 - 10 C 7/11 - juris). An dessen Stelle gilt nunmehr nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Hierdurch wird den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigemessen (vgl. EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. V 175/08 u. a., Abdulla). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich verfolgungsbegründende bzw. schadensstiftende Umständen bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Dessen ungeachtet ist es Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU. Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u. a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.

Beruft sich der Ausländer indes zur Begründung seiner Verfolgungsfurcht auch auf Vorgänge und Geschehensabläufe nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates, so gilt die das Maß der Darlegungsanforderungen bestimmende Beweiserleichterung nicht, weil nicht mehr davon auszugehen ist, dass die für Vorgänge in dem „Verfolgerstaat“ bestehenden Beweisschwierigkeiten außerhalb des Herkunftsstaates fortbestehen. Der Flüchtling hat vielmehr die Umstände, aus denen er seine begründete Furcht vor Verfolgung i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ableitet, zu beweisen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Nachfluchtgründe in einem Verhalten des Ausländers bestehen, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist, § 28 Abs. 1 a AsylG. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 28 Abs. 1 a AsylG ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Nachfluchttatbestände ohne eine entsprechende Vorprägung im Heimatland beachtlich sein können.

Zusammenfassend obliegt es dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, seine Gründe für eine ihm drohende Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen, das heißt unter genauer Angaben von Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass er bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört insbesondere, dass der Asylbewerber zu dem in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 - juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Falle des Klägers nicht vor. Es kann weder festgestellt werden, dass der Kläger aufgrund bereits erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung aus dem Irak ausgereist ist, noch, dass in der Zwischenzeit Gründe eingetreten sind, die die Annahme rechtfertigten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak und dort insbesondere in die autonome Region Irak-Kurdistan (dort Region ...) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine landesweite Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG droht und er bei einer Rückkehr in den Irak in eine ausweglose Lage geraten würde.

Einem Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft steht bereits dessen in wesentlichen Punkten widersprüchlicher und unstimmiger Sachvortrag entgegen. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2017 insbesondere ausgeführt, dass er in den Jahren 2007 bis 2010 in Schweden gelebt habe und dort seine spätere Ehefrau kennengelernt habe. Die Eheschließung ist nach dem Vortrag des Klägers jedoch erst im April 2013 erfolgt. Sämtliche vom Kläger geschilderten Ereignisse im Zusammenhang mit seiner Religionsausübung im Irak erscheinen dem Gericht bruchstückhaft und zusammenhanglos. Individuelle Umstände, die eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in dem beschriebenen Sinne begründen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Die behaupteten innerfamiliären Spannungen wegen seiner Heirat mit einer Christin aus Schweden erreichen keinesfalls die Schwelle einer nicht staatlichen Verfolgung. Über dies hat die Ehe des Klägers und ein Zusammenleben der Eheleute allenfalls für die Dauer von zwei Wochen nach der Heirat im Irak bestanden. Der Kläger lebt seit längerer Zeit nicht mehr mit seiner schwedischen Ehefrau zusammen, so dass auch bei einer Rückkehr in den Familienverbund im Irak, der nach wie vor in der Stadt ... besteht, der Auslöser für die innerfamiliären Spannungen entfallen sein dürfte.

Ebenfalls widersprüchlich waren die Angaben des Klägers zu seinen Geschwistern und deren aktuellem Aufenthalt. Auch hier hat der Kläger erst auf erneutes Nachfragen des Gerichtes klargestellt, dass er bislang falsche Angaben gemacht hat. Dieses Verhaltensmuster entspricht im Wesentlichen auch dem Verhalten des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt.

Auch die nunmehr vom Kläger vorgetragene Abkehr vom muslimischen Glauben und dessen Zuwendung zum Christentum, die in der Taufe am 28. März 2016 manifestiert wird, vermag kein anderes rechtliches Ergebnis zu begründen. Das Gericht hat bei der persönlichen Einvernahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2017 nicht den Eindruck gewonnen, dass die Betätigung des christlichen Glaubens Teil der religiösen Identität des Klägers ist. Auch diesbezüglich erscheint der Vortrag des Klägers weitgehend inhaltsleer. Zwar verfügt der Kläger mittlerweile über eine Bibel in kurdisch-badinanischer Sprache, jedoch hat das Gericht begründete Zweifel, dass der Kläger nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland sich aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat, diesen aus innerer Überzeugung praktiziert und ihm aus diesem Grund eine Rückkehr in den Irak nicht zuzumuten ist. Zwar hat der Kläger einen dreimonatigen Taufunterricht durchlaufen, jedoch hat er dem Gericht nicht glaubwürdig vermitteln können, aus welchen Gründen seine Abkehr vom muslimischen Glauben erfolgt ist und inwieweit diese Abkehr seine Persönlichkeit prägt. Das Gericht hat vielmehr den Eindruck gewonnen, dass der Kläger den vermittelten religiösen Inhalten zwar mit Interesse folgt, diese für ihn aber nicht lebensbestimmend sind. Bei dieser Sachlage und dem insgesamt widersprüchlichen Vortrag des Klägers drängt sich für das Gericht auf, dass der Übertritt zum christlichen Glauben lediglich dazu dient, dem Kläger ein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen.

Letztlich bedarf dies keiner vertiefenden Betrachtung, da für den Kläger, der aus der Stadt ... stammt jedenfalls eine Rückkehr in diese Provinz zumutbar erscheint. Ausweislich des Berichtes des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 (Stand: Dezember 2015) haben insbesondere in der Region Kurdistan-Irak und dort vorwiegend in der Provinz Dohuk viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Sie lebten derzeit zwar unter schwierigen materiellen und sozialen Bedingungen. Es gebe jedoch in der Provinz Dohuk keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Der Kläger verfügt in der Stadt ... nach wie vor über einen Familienverbund, der ihn aufnehmen kann. In der Ausprägung, in der der Kläger seinen christlichen Glauben lebt, ist ihm eine Rückkehr in die Provinz ... zumutbar.

1.3 Dem Kläger ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 AsylG subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3 c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nicht staatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Bei der Prüfung, ob dem Kläger im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland ein ernsthafter Schaden droht, gilt ebenfalls der dargelegte Prüfungsmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG droht. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wenn die tatbestandliche Voraussetzung eines landesweit bestehenden internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ist für den Irak nicht festzustellen.

1.4 Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.

Insoweit wird zunächst nach § 77 Abs. 2 AsylG auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und ergänzend folgendes ausgeführt.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, insbesondere asylrelevante Eingriffe in die Religionsfreiheit, sind nicht ersichtlich.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat im Erlasswege mit Rundschreiben vom 3. Juli 2008 (Az. IA-2086.10-439), welches nach wie vor Gültigkeit beansprucht, verfügt, dass irakische Staatsangehörige, die nicht Straftäter sind oder unter Sicherheitsaspekten vordringlich abzuschieben sind, nicht abgeschoben werden und Duldungen bis auf Weiteres auf der Grundlage des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bis zur Dauer von sechs Monaten erteilt bzw. verlängert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erlasslage hinsichtlich allgemeiner Gefahren derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).

Das Gericht vermag auch keine sonstigen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des bayerischen Staatsministeriums des Inneren erfasst werden, erkennen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach wie vor über einen intakten Familienverbund in der Stadt ... verfügt und bereits vor seiner Ausreise aus dem Irak als Taxifahrer beruflich selbstständig tätig war. Gesundheitliche Einschränkungen sind dem Gericht keine bekannt geworden.

1.5 Soweit sich die Klage gegen das in Ziffer 6 des angefochtenen Bescheides vom 12. September 2016 gegen den Kläger verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 AufenthG richtet, bleibt die Klage ebenfalls erfolglos. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit dieses Einreise- und Aufenthaltsverbotes und dessen Dauer sind nicht ersichtlich.

2. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf teilweise Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2016, soweit darin die Ablehnung seines Asylantrages, seines Antrages auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Feststellung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylG erfolgt ist. Insoweit ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Ein Vorbringen entspricht offenkundig nicht den Tatsachen, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellung und vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei diesem Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre sich die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Wird die offensichtliche Unbegründetheit mit widersprüchlichem Vorbringen begründet, dann muss das Vorbringen zur politischen Verfolgung in seinem Kern widersprüchlich sein. Nur mittelbar mit dem eigentlichen Verfolgungstatbestand zusammenhängender widersprüchlicher Vortrag rechtfertigt nicht den Schluss auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens in seinem Kern.

Anhand dieses Maßstabes ist der Asylantrag des Klägers jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet im Sinne von § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Das Berufen des Klägers im Verfahren auf dessen Übertritt zum Christentum unter Vorlage einer entsprechenden Taufurkunde lassen eine entsprechende Ablehnung des Asylantrages des Klägers als offensichtlich unbegründet nicht als vertretbar erscheinen. Gesamtbetrachtend vermag das Gericht keine dem Kläger vorwerfbare Verletzung seiner Mitwirkungspflichten, die eine auf § 30 Abs. 3 AsylG gestützte Ablehnung seines Asylantrages als offensichtlich unbegründet rechtfertigen würde, zu erkennen. Der Klage war daher in diesem Punkt stattzugeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Flüchtlinge (Bundesamt) mit dem sein Asylbegehren abgelehnt wurde.

Eigenen Angaben zufolge ist der Kläger irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Über die Türkei und weitere ihm unbekannte Länder sei er mit dem Lkw und dem Zug am ... August 2015 nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag datiert vom 1. Februar 2016.

Bei seiner persönlichen Anhörung am ... Februar 2016 gab der Kläger an, im Irak zuletzt in der Stadt … in der Provinz … gelebt zu haben. Zu seinem Verfolgungsschicksal äußerte der Kläger, dass er mit ca. 15 Jahren vom Glauben abgefallen sei. Er glaube nur an einen Gott, nicht an eine Religion. Sein Vater sei schon gestorben, als er ein kleines Kind gewesen sei. Seine Mutter sei zunächst verärgert gewesen, habe sich aber damit abgefunden. Seine älteren Brüder seien gegen seinen Abfall vom Glauben gewesen, sie hätten ihn des Öfteren geschlagen. Zur Polizei sei er nicht gegangen, weil er sich geschämt habe. Auch andere Jugendliche hätten den Kläger verspottet und ihm gesagt, dass sie ihn eines Tages zurückholen würden in den Islam. Sie hätten gesagt, dass der Kläger etwas erleben werde, wenn sie dies nicht schaffen würden. Einmal habe ihn eine Person in der Gasse bei seiner Tante geschlagen. Es sei dunkel gewesen, er könne sich nicht erinnern, ob dies Jugendliche gewesen seien. Er habe auch Drohungen per SMS erhalten. Woher die Jugendlichen seine Nummer hatten, könne er nicht sagen. Die SMS lauteten ungefähr so: „Wir werden dich töten, weil du Atheist bist, du musst die Stadt verlassen“. Wann er die letzte SMS erhalten habe, wisse er nicht mehr. Im Jahr 2014 sei er von der Schule geflogen. Viele Eltern hätten sich beschwert, dass ihre Kinder mit jemand die Schule besuchten, der nicht an den Islam glaube. Der Direktor sei eines Tages in seine Klasse gekommen und habe alle Schüler befragt, wer mit dem Kläger in der Klasse bleiben wolle. Da hätten alle nein gesagt. Seine Verwandtschaft habe ihn grundsätzlich gemieden. Wenn sie seine Mutter besuchten, hätten sie ihn ignoriert. An einen anderen Ort sei er nicht gegangen, weil er jung sei und eine Familie brauche. Er brauche jemanden, der sich um ihn kümmere. Er hätte sonst niemanden, bei dem er im Irak wohnen könnte. Er könnte höchstens einfache Arbeiten verrichten, da er keinen Abschluss besitze. Er käme höchstens auf etwa 300.000,00 irakische Dinar, eine Wohnung zur Miete koste aber mind. 400.000,00. Wenn er an seinen Heimatort zurückkäme, hätte er die gleichen Probleme, die ihn dazu veranlasst hatten, den Irak zu verlassen. Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu und lehnte seinen Antrag auf Asylanerkennung ab (1. u. 2.). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ihm nicht zuerkannt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (4.). Der Kläger werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisfrist nicht einhalten, werde er in den Irak abgeschoben. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6).

Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigten nicht vorlägen. Selbst bei Wahrunterstellung des gemachten Sachvortrages hinsichtlich der Drohungen der Jugendlichen und das Traktierens der Stiefbrüder würde kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehen, da vorliegend kein Anknüpfungsmerkmal sowie keine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG ersichtlich seien. Im Übrigen sei der Sachvortrag des Klägers unglaubhaft. Der Kläger sei erst im Jahr 2015 ausgereist, obwohl die Bedrohungen bereits seit dem Jahr 2011 bestanden haben sollen. Auch wenn der Kläger vortrage, dass er laut eigener Aussage mit 16 oder 17 Jahren noch zu jung für eine Ausreise gewesen sei, könnten die Bedrohungen daher nicht so gravierend gewesen sein. Des Weiteren sei der Kläger nicht im Stande gewesen, durch einen lebensnahen, detaillierten und ausführlichen, mithin erlebnisgeprägten Sachvortrag zu überzeugen. Er habe keine fundierten Schilderungen maßgeblicher Einzelheiten nennen können. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides verwiesen.

Mit Telefax vom 9. Juni 2016 erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen; hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorlägen.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2016 legte die Beklagte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.

Mit Schreiben vom 14. November 2016 begründete die Bevollmächtigte des Klägers die Klage. Der Kläger habe bereits in seiner persönlichen Anhörung glaubhaft gemacht, dass er weder an Allah noch an einen anderen Gott glaube. Er wolle seinen Nichtglauben ausüben und zu diesem auch in der Öffentlichkeit stehen. Dies sei dem Kläger insbesondere auch deswegen besonders wichtig, da er sich von den Gräueltaten, die im Namen des Islam verübt würden, distanzieren wolle. Aufgrund seiner religiösen Einstellung drohe dem Kläger in seinem Heimatland Verfolgung. Bereits vor seiner Ausreise sei der Kläger aufgrund seiner religiösen Gesinnung diskriminiert und verfolgt worden. So sei er von Familienmitgliedern größtenteils verstoßen, von den eigenen Brüdern geschlagen und aufgrund seines Nichtglaubens von der Schule geworfen worden. Auch aufgrund der aktuellen Lage drohe dem Kläger Lebensgefahr, wenn er sich offen gegen den Islam stelle.

In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 äußerte der Kläger, dass er mittlerweile zum Christentum tendiere. Er gehe dreimal in die Woche in die Kirche; er sei nach langem Nachdenken zu der Einsicht gekommen, dass jeder eine Religion brauche. Der Kläger legte eine Bescheinigung vor, nach der er an einem Orientierungskurs „Christ werden“ teilnehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes und auf die Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2016 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

1. Die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz - GG - kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylG).

2. Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG beantragt, hat der Antrag keinen Erfolg.

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb der Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

a) Bei einer Rückkehr in den Irak droht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts wegen seines Abfalls vom Glauben bzw. seines neugefundenen christlichen Glaubens nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung.

Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion - KAR - aus. Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z. B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt - AA -, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9; Europäisches Zentrum für Kurdische Studien -EZKS-, Auskunft an VG München, Gutachten Irak (Yeziden) v. 07.09.2015, S. 8). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ -IS- im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen. Die Kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen (zum Vorstehenden AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak, Oktober 2014, S. 13.

b) Soweit der Kläger private Verfolgungshandlungen durch seine Familie bzw. Fremde vorträgt, ist für das Gericht nicht ersichtlich, wieso der Kläger nicht internen Schutz im Sinne von § 3e AsylG in einer anderen Provinz der Kurdischen Autonomiegebiete finden könnte. Wie bereits festgestellt, würde dem Kläger hier nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung drohen. Da der Kläger auch selbst vermutet, dass die Droh-Sms von seinem näheren Umfeld stammten, hätte dieses Problem mit einem Umzug in eine andere Provinz gelöst werden können, ebenso wie die Misshandlungen durch seine Familie. Der Kläger ist mittlerweile 20 Jahre alt und mithin nicht mehr in einem Alter, in dem er auf familiäre Unterstützung angewiesen ist - zumal er diese auch bei seiner langen Reise nach Deutschland nicht hatte. Zudem hat der Kläger noch nicht einmal versucht, staatlichen Schutz im Sinne von § 3d AsylG in Anspruch zu nehmen.

3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu.

a) Hinsichtlich des vom Kläger vorgetragenen persönlichen Verfolgungsschicksals ist dieser abermals zumindest auf die internen Fluchtalternativen zu verweisen.

b) Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht (vgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016; Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015). Der Kläger muss daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhält. Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.

4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.

a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.

b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).

Sonstige Gefahren i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.

5. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Asylberechtigter oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika. Er beantragte am 9. Dezember 2008 Asyl in der Bundesrepublik Deutschland und wendet sich mit seiner Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 31. März 2011.

In mehreren Schriftsätzen seines Bevollmächtigten und bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 4. Februar 2009 machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er als Militärangehöriger den weiteren Militärdienst in der US-Armee verweigert habe, weil er nicht an einem völkerrechtswidrigen Krieg im Irak teilnehmen bzw. im Zusammenhang mit seinem Einsatz im Irak nicht an Kriegsverbrechen beteiligt sein wolle.

Der Kläger hatte im Dezember 2003 eine Dienstverpflichtung für zunächst 15 Monate unterzeichnet und nach der Grundausbildung von April bis August 2004 vom US-amerikanischen Militär eine Ausbildung zum Apache-Hubschraubermechaniker erhalten (Bl. 155 der Bundesamtsakte). Ab September 2004 wurde er als Hubschraubermechaniker im Irak in der Nähe von Tikrit eingesetzt, bevor er im Februar 2005 wieder zu seiner Einheit nach Deutschland zurückverlegt wurde. Bereits im Dezember 2004 hatte er seinen Militärdienst um weitere zwei Jahre verlängert; im November 2005 gab er dann eine weitere Verpflichtung über eine Gesamtdienstzeit von acht Jahren ab.

Ab Mitte 2006 war der Kläger bei der US-Armee in Deutschland (Katterbach) in der Schreibstube als Mitarbeiter des leitenden Offiziers eingesetzt. Nach seinen Angaben wurde ihm am 1. April 2007 mitgeteilt, er werde im Juli 2007 mit seiner Einheit wieder in den Irak verlegt. Daraufhin will er sich am 11. April 2007 von der Truppe entfernt haben. Eigenen Angaben zufolge versteckte er sich bis zur Asylantragstellung am 25. November 2008 bei Freunden in Südbayern.

Als Begründung für seine Desertion gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe bereits im Irak 2004/2005 erste Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Einsatzes verspürt, denen er dann nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Februar 2005 durch intensive Internetrecherchen nachgegangen sei. Er sei zwar nicht unmittelbar an Kampfeinsätzen beteiligt gewesen, wolle sich aber als verantwortlicher Hubschraubermechaniker nicht an Kriegsverbrechen beteiligen, die die US-Armee auch mit von ihm gewarteten Kampfhubschraubern der Marke Apache verübe. Eine unehrenhafte Entlassung sei für ihn nicht in Frage gekommen, auch eine Kriegsdienstverweigerung aus Gewissengründen sei für ihn ausgeschieden, da er die Anwendung von Gewalt im Krieg nicht generell ablehne, sondern sich seine ablehnende Haltung lediglich auf den Einsatz im Irak beziehe. Als ab Januar 2007 ein bevorstehender weiterer Irakeinsatz seiner Einheit bekannt geworden sei und er am 1. April 2007 einen entsprechenden Einsatzbefehl erhalten habe, habe er am 11. April 2007 die Armee verlassen und sich zu Bekannten nach Oberbayern begeben.

Mit Bescheid vom 31. März 2011 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass die Haltung des Klägers zum Irakkrieg nicht der Grund für eine möglicherweise drohende Bestrafung in den USA sei, denn etwaige Sanktionen knüpften vielmehr ausschließlich an sein tatsächliches Verhalten, nämlich den objektiven Tatbestand eines unerlaubten Fernbleibens vom Dienst an. Die für Verweigerungsfälle vorgesehenen gesetzlichen Regelungen in den Vereinigten Staaten entsprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen. Einem Disziplinar- bzw. Militärstrafverfahren und den daraus resultierenden Sanktionen komme grundsätzlich keine asylrelevante Bedeutung bei. Die US-amerikanische Verfahrenspraxis entspreche rechtsstaatlichen Prinzipien. Den Berichten über eine Steigerung der Zahl der Militärgerichtsverfahren bei Desertion könne nicht entnommen werden, dass sich amerikanische Deserteure, insbesondere auch im Zusammenhang mit einer ablehnenden Haltung zum Irakkonflikt, einer wesentlich gesteigerten oder zielgerichteten Strafverfolgung, einer rechtswidrigen oder willkürlichen Behandlung oder gar einer unverhältnismäßigen Sanktionierung ausgesetzt sehen würden. Es sei auch keine unverhältnismäßige Strafe zu erwarten. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger einer Bestrafung wegen Desertion hätte entgehen können, indem er den Dienst auf legale Weise quittiert hätte. Diese Möglichkeit habe er aber nicht genutzt, obwohl das US-amerikanische Militär verschiedene Möglichkeiten vorsehe, eine Änderung eines bestehenden Dienstverhältnisses zu erreichen. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Desertion stellten grundsätzlich noch keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung dar. Auch seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) nicht erfüllt. Im Übrigen wird auf den ausführlichen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 7. April 2011, beim Verwaltungsgericht München am 11. April 2011 eingegangen, Klage erheben und beantragen,

die beklagte Bundesrepublik Deutschland unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. März 2011 zu verpflichten, dem Kläger gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 20. August 2013 wurde das Verfahren ausgesetzt und der Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) ersucht (sog. Vergabeentscheidungsersuchen nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union – AEUV). Die genannte Richtlinie wurde ersetzt durch die insoweit wortgleiche Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: EU-Qualifikations-RL).

In seinem Urteil vom 26. Februar 2015, Az.: C-472/13, nahm der EuGH zu den vom Verwaltungsgericht München aufgeworfenen Fragen Stellung.

Der Bevollmächtigte des Klägers übermittelte dem Gericht in seinem Schriftsatz vom 1. Oktober 2016 eine umfangreiche Ergänzung zu seiner Klagebegründung; das Bundesamt hat sich nicht mehr schriftsätzlich geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die umfangreichen Schriftsätze der Klagepartei sowie auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen, insbesondere die Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 16. November 2016.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 31. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3b Abs. 1 AsylG – außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohen (BVerwG U. v. 20.2.2013 – 10 C 23.12, NVwZ 2013, 936).

Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) von nicht staatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Als Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG können u.a. gelten:

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Weiterhin können als Verfolgung gelten:

Gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG, sowie unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG. Die genannten Normen entsprechen dem Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) bzw. Buchstaben b) und c) der EU-Qualifikations-RL. Verbrechen oder Handlungen, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG bzw. des Art. 12 Abs. 2 der EU-Qualifikations-RL fallen, sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG bzw. nach Art. 12 Abs. 2 Buchstabe a) der EU-Qualifikations-RL u.a. Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Schutzsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Schutzsuchende muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (BVerfG (Kammer), B.v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Schutzsuchende im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S. des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge – Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl. 1953 II s. 559, 5560), da er sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Es liegt keine entsprechende Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 AsylG, Art. 9 Abs. 2 EU-Qualifikations-RL vor.

1. Dem Kläger droht keine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG bzw. des Art. 12 Abs. 2 der EU-Qualifikations-RL, namentlich Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, fallen, § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) EU-Qualifikations-RL.

a) Eine Anwendung der Bestimmung von Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der EU-Qualifikations-RL auf den Kläger scheidet nicht bereits deshalb aus, weil der Kläger als Angehöriger einer Versorgungseinheit nicht unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligt war, sondern sich seine Tätigkeit darauf beschränkte, die jederzeitige Einsatzbereitschaft der Apache-Kampfhubschrauber zu gewährleisten. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 26. Februar 2015 klargestellt, dass Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der Qualifikationsrichtlinie, wortgleich übernommen in der EU-Qualifikations-RL 2011/95/EU, alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen und unterstützenden Personals erfasst.

b) Ebenso hat der EuGH klargestellt, dass die oben genannte Vorschrift der Qualifikationsrichtlinie auch die Fälle betrifft, in denen der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrende Antragsteller nur mittelbar an der Begehung von Kriegsverbrechen beteiligt wäre, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass er durch Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Kriegsverbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde. Unabhängig von der Frage, ob es bei den konkreten Ein-sätzen mit den Apache-Kampfhubschraubern zu Kriegsverbrechen gekommen ist oder nicht, stellte die Tätigkeit des Klägers als Hubschraubermechaniker eine unerlässliche Unterstützung für die kämpfenden Einheiten dar. Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der EU-Qualifikations-RL ist also grundsätzlich auf den Kläger anwendbar.

c) In Bezug auf die Frage, ob die Einsatzkräfte der USA im Irak in Einzelfällen Kriegsverbrechen begangen haben oder nicht und auch unabhängig von der Tatsache, dass es zu keiner Verurteilung von Soldaten vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gekommen ist, hat der EuGH festgestellt, dass diese beiden Kriterien nicht Voraussetzung für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind. Es würde ausreichen, wenn der Asylantragsteller darzulegen vermöchte, dass solche Verbrechen mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen werden.

Allerdings stellt der EuGH auch klar, dass der Kläger mit hinreichender Plausibilität darzulegen hat, dass die Einheit, der er angehört, „die Einsätze … unter Umständen durchführt …, unter denen Handlungen der in der in dieser Bestimmung genannten Art mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen werden …“ (EuGH a.a.O. Rn. 43). Maßgeblich abzustellen ist somit auf die konkrete Einheit des Klägers (hier die B-Kompanie des 412. Aviation Support Battalion der 1. Panzerdivision) und nicht auf den militärischen Großverband (1. Panzerdivision) oder die gesamten US-Streitkräfte im Irak.

Der Kläger konnte nicht hinreichend plausibel machen, dass die Einheit, der er im April 2007 angehörte, bei einer Versetzung in den Irak mit hoher Wahrscheinlichkeit Kriegsverbrechen begehen würde.

Denn nach seinen Angaben (Protokoll vom 16.11.2016, S. 6) kam er nach der Reorganisation der 1. Infanteriedivision zum 412. Aviation Support Battalion der 1. Panzerdivision. Dieses hatte Black-Hawk-Hubschrauber (für Truppen- und Verletztentransporte) und Chinook-Transporthubschrauber, also ausdrücklich keine Apache-Kampfhubschrauber. Da es in dieser Einheit ohnehin ein Überangebot an Mechanikern für Apache-Kampfhubschrauber gegeben habe, sei dementsprechend auch geplant gewesen, dass er in Katterbach zurückbleiben dürfe. Aber auch, als er am 1. April 2007 von der Aufteilung seiner Einheit in eine A- und eine B-Kompanie nach eigenen Angaben erfahren hat, wobei die B-Kompanie für einen Irak-Einsatz vorgesehen gewesen sei, bestand keine konkrete Gefahr, an Kampfeinsätzen (mittelbar) beteiligt zu werden, denn der Kläger war zum einen nicht an Black-Hawk- bzw. Chinook-Hubschraubern ausgebildet, zum anderen handelte es sich dabei ohnehin nur um Transport- und keine Kampfhubschrauber. Zudem wäre der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Irak im Büro eingesetzt worden. Eine drohende Versetzung in die A-Kompanie war zu diesem Zeitpunkt rein hypothetisch.

d) Unabhängig von diesen Erwägungen scheidet eine Schutzgewährung für den Kläger nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der EU-Qualifikations-RL bzw. nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG weiterhin aus, weil das unerlaubte Fernbleiben von der Truppe für ihn nicht das letzte Mittel war, um der von ihm befürchteten Verwicklung in Kriegsverbrechen zu entgehen.

aa) Nach der Entscheidung des EuGH mit Urteil vom 26. Februar 2015 muss die Verweigerung des Militärdienstes das einzige Mittel darstellen, das es dem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrenden Antragsteller erlaubt, der Beteiligung an den behaupteten Kriegsverbrechen zu entgehen, mit der Folge, dass der Umstand, dass der Kläger kein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt hat, jeden Schutz nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der Qualifikationsrichtlinie (entspricht Art. 9 Abs. 2 Buchst. e) der EU-Qualifikations-RL) ausschließt, sofern der Antragsteller nicht beweist, dass ihm in seiner konkreten Situation kein derartiges Verfahren zur Verfügung stand.

Insoweit ist bei der Prüfung, die die innerstaatlichen Behörden vorzunehmen haben, nach Art. 4 Abs. 3 Buchstabe c) der Qualifikationsrichtlinie insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht nur freiwillig zum Dienst in den Streitkräften verpflichtete, als diese bereits in den Irak-Konflikt verwickelt waren, sondern dass er, nachdem er als Angehöriger der Streitkräfte einen ersten Aufenthalt in diesem Land absolviert hatte, seine Dienstzeit mehrfach verlängerte, EuGH a.a.O., Rn. 44.

Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob a) die Eröffnung des Kriegszuges gegen den Irak durch die US-Administration im Jahr 2003 gegen geltendes Völkerrecht verstoßen hat (siehe dazu BVerwG, U.v. 21.6.2005 – 2 WD 12/04 - juris), ob b) die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, ob c) entsprechende Verurteilungen durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vorliegen oder ob d) die nach dem Sieg über Saddam Hussein sich anschließende Besatzungsphase geltendem Völkerrecht entsprochen hat, insbesondere, ob die weitere Stationierung der US-Truppen im Irak von einem Mandat des Sicherheitsrats der Organisation der Vereinten Nationen oder auf der Grundlage einer bilateralen Übereinkunft mit der amtierenden Regierung des Irak sanktioniert war oder nicht. All diese Fragen sind, weil eine Gewährung des internationalen Flüchtlingsschutzes in Bezug auf den Kläger bereits wegen fehlender konkret bevorstehender Verwicklung in bevorstehende Kriegsverbrechen als auch wegen Nichtinanspruchnahme eines Kriegsdienstverweigerungsverfahrens ausscheidet, für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich.

bb) Die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus an den Kläger scheidet aus, weil sein Fernbleiben von der Truppe ab 11. April 2007 nicht das für ihn letzte Mittel, die ultima ratio, gewesen ist, um einer von ihm subjektiv befürchteten Verwicklung in Kriegsverbrechen zu entgehen. Abgesehen davon, dass eine solche Verwicklung ohnehin nicht konkret drohte (siehe oben), hätte der Kläger andere zumutbare Möglichkeiten gehabt, einem Einsatz als Hubschraubermechaniker und einer damit verbundenen zumindest mittelbaren Verstrickung in möglicherweise bevorstehende Kriegsverbrechen aus dem Weg zu gehen, hat diese sich ihm bietenden Möglichkeiten jedoch nicht genutzt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Kläger nicht nur freiwillig zum aktiven Dienst in der Truppe beworben hat, sondern seine Pflichtzeit sogar noch mehrfach (auch im aktiven Kampfeinsatz) verlängert hat, trifft den Kläger eine gesteigerte Obliegenheit, auf legalem Weg eine Änderung seines Einsatzortes zu erreichen.

Die Dienstverweigerung muss das einzige Mittel darstellen, das es dem Kläger erlaubt, der Beteiligung an den behaupteten Kriegsverbrechen zu entgehen. Bei dieser Prüfung ist die individuelle Lage und sind die persönlichen Umstände des Klägers zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, dass sich der Kläger im vorliegenden Fall freiwillig zum Dienst in den Streitkräften verpflichtete, als diese bereits in den Irakkonflikt verwickelt waren, vgl. EuGH a.a.O., Rn. 44.

Der militärische Konflikt zwischen im Wesentlichen den USA und dem Irak war spätestens im Mai 2003 mit der Eroberung des Landes und der Absetzung Saddam Husseins abgeschlossen („Mission accomplished“). Erst im Sommer 2003 hatte der Kläger nach seinen Angaben erste Kontakte mit einem Rekrutierungsbüro, bevor er sich schließlich im Dezember 2003 zunächst für 15 Monate zum Dienst verpflichtete und in den USA eine Grundausbildung erhielt. Ob die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung hierzu, wonach er sich in der Zeit zwischen dem ersten Gespräch im August 2003 und der Verpflichtung im Dezember 2003 nicht weiter über den Inhalt eines möglichen Vertrages informiert und die Vertragsbestimmungen auch bis zur Vertragsunterzeichnung nicht durchgelesen habe, glaubhaft sind, kann an dieser Stelle dahinstehen. Jedenfalls entspricht es nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht der Lebenserfahrung, eine Verpflichtung für zunächst 15 Monate Militärdienst einzugehen, ohne sich auch nur ansatzweise mit den vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere der sog. Stopp-loss-Order, also einer Verpflichtung, über einen Zeitraum von insgesamt acht Jahren zumindest als Reservist zur Verfügung zu stehen, auseinandergesetzt zu haben, und dies in dem Wissen, an einem bewaffneten Militäreinsatz teilnehmen zu müssen. Auch die Einlassung des Klägers, nach Vertragsunterzeichnung bis zum März 2004 damit gewartet zu haben, den Vertrag vollständig durchzulesen, weil er damit beschäftigt gewesen sein will, den Winter in seinem Auto zu überstehen, ist nicht glaubhaft. Jedenfalls war die persönliche Situation des Klägers im Winter 2003/2004 nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht derart verzweifelt, dass der Kläger blindlings eine Verpflichtung über insgesamt acht Jahre Militär-(Reserve)-Dienst eingehen musste. Auch sein Bestreben, seine persönlichen Probleme vor seinen Eltern verbergen zu wollen, ist wenig nachvollziehbar, da er in diesem Zusammenhang auch nichts von einem Zerwürfnis mit seinen Eltern geschildert hat. In der Gesamtschau geht das Gericht daher davon aus, dass der Kläger sowohl über Art und Verlauf des Irak-Krieges bis Mai 2003 durch die Medien informiert war als auch genau gewusst hat, auf was er sich mit seiner Dienstverpflichtung vom Dezember 2003 einlässt. Das Gericht hält den Kläger auch nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung für nicht derart naiv und unbedarft, sich ohne Gedanken über seine zukünftige Tätigkeit für insgesamt acht Jahre beim Militär zu verpflichten.

Diese Einschätzung wird untermauert durch die erste Dienstzeitverlängerung um zwei Jahre, die der Kläger im Dezember 2004, also nach einem Jahr Dienst in der Truppe (zunächst Grundausbildung von März bis August 2004, daran anschließend Ausbildung zum Hubschraubermechaniker, seit September 2004 Einsatz im Camp Speicher bei Tikrit) eingegangen ist. Auch in Bezug auf diesen Umstand geht das Gericht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon aus, dass der Kläger sich in vollem Bewusstsein der Tragweite seines Tuns freiwillig zum aktiven Einsatz bei Kampfverbänden der US-Armee zur Verfügung gestellt hat. Nach seinen eigenen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger bereits in den ersten Monaten im Irak Gespräche mit Kameraden geführt, die teils positiv, teils negativ gewesen seien. Er habe damals schon begonnen, an der Sinnhaftigkeit des Einsatzes im Irak zu zweifeln. Er habe in Gesprächen erfahren, dass es z.B. zu Hausdurchsuchungen in der Nacht und auch zu Missbrauch gekommen sei, wenngleich er konkrete Daten nicht erfahren habe. Daher habe er Internet-Recherchen angestellt und so erfahren, dass amerikanische Soldaten Zivilisten im Irak missbraucht und auch in Lager gebracht hätten. Auch habe er von Plünderungen erfahren sowie davon, dass Apache-Hubschrauber Häuser angegriffen und die Waffen eine verheerende Wirkung gehabt hätten. Seiner Meinung nach seien bei diesen Angriffen auch Zivilisten getötet worden. In der Folge schildert der Kläger auf Nachfrage, wie es im November 2004 zur „Befreiung“ von Fallujah gekommen sei. Er habe kurz nach den Angriffen im Internet von der Zerstörung Fallujahs durch die amerikanische Luftwaffe sowie von dem Angriff mit Abrams-Panzern und Apache-Hubschraubern gelesen. Zu diesem Zeitpunkt, also noch im November 2004, habe er sich auch verantwortlich für dieses Vorgehen gefühlt.

Vor diesem Hintergrund, gerade in Bezug auf die auch in deutschen Medien berichteten verheerenden Wirkungen des Angriffs auf Fallujah, auch auf die Zivilbevölkerung, erstaunt es umso mehr, dass sich der Kläger noch im Dezember 2004, also unter dem unmittelbaren Eindruck der Wirkung von Fallujah, im aktiven Kampfeinsatz im Irak für weitere zwei Jahre zum aktiven Dienst verpflichtet hat, dies umso mehr, als die ursprünglich eingegangene Dienstverpflichtung über fünfzehn Monate aktiven Dienstes erst im März 2005 beendet gewesen wäre. Die Einlassung des Klägers hierzu, er habe den Vertrag trotz seiner Informationen und seiner moralischen Bedenken verlängert, weil er befürchtet habe, dass er ohne die frühzeitige Verlängerung nach Ablauf des aktiven Dienstes im April 2005 weiter im Irak hätte bleiben müssen, überzeugt hierbei nicht. Auch seine Einlassungen, er habe befürchtet, dass während seiner achtjährigen Reservedienstzeit ein weiterer Einsatz im Irak oder anderswo bei seiner Einheit oder einer anderen Einheit möglich gewesen wäre, ist wenig nachvollziehbar.

Nach Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung (Sitzungsniederschrift S. 4) sei ihm gesagt worden, dass er im Falle der Verlängerung nicht mehr in den Irak zurück versetzt würde. Zu diesem Zeitpunkt, also im Dezember 2004, während seines Einsatzes im Irak, habe er das Risiko, als Reservist im Irak eingesetzt zu werden, als sehr hoch eingeschätzt. Er sei der Ansicht gewesen, mit der Verlängerung des Vertrages würde er einen weiteren Einsatz im Irak verhindern können. Auch diese Argumentation überzeugt nicht. Es widerspricht jeglicher Logik und auch jeglicher Lebenserfahrung zu glauben, mit einer freiwilligen weiteren Dienstverpflichtung Auslandseinsätzen, wie im Irak, gerade entgehen zu können. Im Gegenteil wird eine Armeeführung bei Kampf-einsätzen außerhalb der Heimat in der Regel auf erfahrenes, einsatzerprobtes Personal zurückgreifen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb dies im Falle des Klägers bei seiner Tätigkeit für die US-Armee anders gewesen sein sollte. In dieses Bild passt auch die Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung, in dem Flugzeug, mit dem er von den Vereinigten Staaten ins Bundesgebiet nach Katterbach (unmittelbar vor seinem Einsatz im Irak) verlegt wurde, hätten sich ausschließlich aktive Soldaten befunden. Würde man der Argumentation des Klägers folgen, wonach gerade die Langzeitverpflichteten nicht zu Auslandseinsätzen speziell in Irak herangezogen werden würden, so hätten ihn kaum aktive Soldaten, sondern vielmehr ausschließlich Reservisten auf seinem Flug nach Deutschland bzw. in den Irak begleiten müssen. Der Kläger konnte aber nicht einmal genau angeben, ob und wie viele Reservisten, also nicht langzeitverpflichtete Soldaten, in seiner Einheit gewesen sind. Dies lässt nur den Schluss zu, dass er bei seinem Einsatz gerade nicht von einer überdurchschnittlich großen Zahl von Reservisten umgeben war. Die angebliche Motivation, durch eine frühzeitige Weiterverpflichtung weiteren Irak-Einsätzen gerade zu entgehen, überzeugt nicht. Auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang herangezogene „stopp-loss-order“ überzeugt hierbei nicht. Das Gericht hält den Kläger nicht für derart naiv zu glauben, nur als Reservist, nicht jedoch als aktiver, freiwillig verpflichteter Zeitsoldat Gefahr zu laufen, in Kampfeinsätze in den Irak oder anders wohin geschickt zu werden.

Gleiches gilt für seine zweite Dienstzeitverlängerung auf insgesamt acht Jahre im November 2005. Auch hierbei will der Kläger der Meinung gewesen sein, gerade durch seine Unterschrift einem Einsatz im Irak entgehen zu können. Der Kläger erklärte hierzu ausdrücklich (Sitzungsniederschrift S. 5), er habe den Vertrag trotz seiner Kenntnisse hinsichtlich der Völkerrechtswidrigkeit des Irak-Krieges sowie der seiner Meinung nach im Irak begangenen Kriegsverbrechen verlängert, um seine acht Jahre Dienstzeit zu erfüllen. Er sei der Ansicht gewesen, dass zwar sein Verband wieder in den Irak verlegt werden könne, er persönlich aber nicht mehr in den Irak zurück müsse. Dies habe ihm sein Rekrutierungsoffizier gesagt, auf dessen Versprechungen er zu diesem Zeitpunkt vertraut habe. Seine Einheit habe keine Apache-Hubschrauber mehr gehabt, diese seien in die Vereinigten Staaten zurückverlegt worden. Die Mechaniker seien in der Folgezeit arbeitslos gewesen. Diese Ansicht sei auch von Offizieren der Kompanie sowie in Armeepublikationen vertreten worden.

Selbst unterstellt, dass sich der Kläger im November 2005 von derartigen Überlegungen hat leiten lassen, bleibt immer noch nicht nachvollziehbar, wieso er, der eine Ausbildung zum Apache-Kampfhubschrauber-Mechaniker bekommen hat, darauf hätte vertrauen können, für den Rest seiner achtjährigen Dienstzeit, also immerhin für die nächsten sechs Jahre, nicht mit einer Apache-Kampfhubschraubereinheit in ein Kriegsgebiet verlegt zu werden. Wenn es stimmt, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, nämlich dass er ab September 2005, nach dem Ende der Umstrukturierungsmaßnahmen bei seiner Einheit, gewusst hat, dass er nicht mehr in den Irak kommt, da die Einheit keine Apache-Kampfhubschrauber mehr gehabt hat, erscheint es umso unlogischer, sich auf volle acht Jahre für den aktiven Dienst zu verpflichten, da bei Stilllegung der Apache-Kampfhubschraubereinheiten in der Logik des Klägers auch als Reservist keine Einberufung in den Irak mehr gedroht hätte. Wäre es überdies in den folgenden sechs Jahren wieder zu einem Einsatz von Apache-Kampfhubschraubern im Irak oder sonstwo gekommen, so hätte die Logik und auch die Lebenserfahrung es nahe gelegt, davon auszugehen, dass dann die aktiven Soldaten vor den Reservisten eingezogen werden. Auch insoweit ist das Verhalten des Klägers in Bezug auf seine zweite Dienstzeitverlängerung nicht nachvollziehbar und seine behauptete Motivation unglaubhaft. Der Kläger konnte nicht ernsthaft eine langfristige Verpflichtung zum Dienst als aktiver Soldat eingehen im Vertrauen darauf, kurzfristig im Rahmen seiner Einheit nicht mit Apache-Kampfhubschraubern in Berührung zu kommen. Gerade die vielen, teils abrupten Umstrukturierungsmaßnahmen hätten vielmehr beim Kläger zu der Erkenntnis führen müssen, dass in einem derart großen Apparat wie der US-Armee keine Zusage „Ewigkeitswert“ hat und sich auch Einsatzpläne mitunter schnell ändern. In einer solchen Situation eine weitere sechsjährige Verpflichtung einzugehen im Vertrauen auf eine mündliche Zusage mit kurzer „Halbwertzeit“ wäre sehr naiv; für derart naiv hält das Gericht den Kläger indes nicht.

Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass der Kläger bei seiner Entscheidung, den Pflichtdienst um weitere sechs Jahre zu verlängern, maßgeblich von materiellen Erwägungen motiviert wurde. Zum einen hatte er im August 2005 geheiratet; nach seinen eigenen Aussagen vor dem Bundesamt (Anhörung S. 24) war die Tatsache, dass er nun verheiratet war, ein Motivationsgrund für die zweite Vertragsverlängerung. Weiterhin gibt er als Motive an, er habe seinem Leben eine Erfolgsgeschichte hinzufügen wollen (S. 23 der Anhörung vor dem Bundesamt). Letzteres ist verständlich vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich noch im Sommer 2005 mit einem Disziplinarverfahren konfrontiert sah und eigenen Angaben zufolge auch psychische Probleme bzw. Alkoholprobleme gehabt hat. Aus seinen Äußerungen geht klar hervor, dass er einer unwürdigen Entlassung aus dem Dienst unter allen Umständen begegnen wollte. Schließlich wurde er im November 2005, im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner zweiten Dienstzeitverlängerung, auch noch befördert.

In der Gesamtschau ist das Gericht hinsichtlich der Motivlage des Klägers in Bezug auf die Entscheidung, sich überhaupt bei der US-Armee zu verpflichten als auch in Bezug auf seine beiden Dienstzeitverlängerungen im Dezember 2004 und im November 2005 zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in vollem Bewusstsein der Bedeutung seiner Schritte den Weg des Zeitsoldaten eingeschlagen hat und sich anlässlich zweier weiterer freiwilliger Schritte ein und zwei Jahre nach seiner Erstverpflichtung in Kenntnis der Problematik eines kriegerischen Einsatzes im Irak bewusst und wiederholt für den aktiven Dienst in der Armee entschieden hat, weil er seine bürgerliche Existenz nach einer Reihe von Missschlägen nicht erneut aufs Spiel setzen wollte. Die von ihm angeführten Gründe, namentlich das Motiv, durch eine Weiterverpflichtung gerade einem Einsatz im Irak entgehen zu können, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Diese Motivlage ist nach der Rechtsprechung des EuGH (a.a.O. Rn. 44) bei der Prüfung der individuellen Lage und der persönlichen Umstände nach Art. 4 Abs. 3 Buchstabe c) der EU-Qualifikations-RL zu berücksichtigen.

cc) Schließlich ist die Anerkennung des Klägers als Flüchtling i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der EU-Qualifika-tions-RL ausgeschlossen, weil der Kläger kein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt hat, obwohl ihm in seiner konkreten Situation ein derartiges Verfahren zur Verfügung stand.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (a.a.O. Rn. 45) schließt der Umstand, dass der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrende Antragsteller kein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt hat, jeden Schutz nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der Qualifikationsrichtlinie aus, sofern er nicht beweist, dass ihm in seiner konkreten Situation kein derartiges Verfahren zur Verfügung stand.

Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt ein reguläres Kriegsdienstverweigerungsverfahren angestrengt.

Dem Kläger hätte aber ein solches Verfahren zur Verfügung gestanden und es wäre ihm auch zumutbar gewesen, ein solches zumindest einzuleiten.

In den USA wird Soldaten die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung gewährt. Dies gilt, obwohl alle Militärangehörigen als Freiwillige gelten. Ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung kann nach der Army Regulation 600-43 gestellt werden. Die Anerkennung erfolgt nur, wenn ein Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen „jede Art, Waffen zu tragen, zur Teilnahme am Krieg verweigert“ und „seine Verweigerung fest, endgültig und ernsthaft“ ist. Eine Kriegsdienstverweigerung aufgrund der Ablehnung bestimmter Kriege wird ausdrücklich ausgeschlossen. Das Verfahren sieht vor, dass sowohl der militärische Vorgesetzte, ein Militärgeistlicher und ein Militärpsychologe jeweils eine Stellungnahme zur Glaubwürdigkeit des Kriegsdienstverweigerers abgeben. Das Verfahren wird also faktisch in der Einheit selbst durchgeführt. Das bedeutet auch, dass ein Kriegsdienstverweigerer während der gesamten Zeit des Verfahrens in der Regel bei seiner Einheit stationiert bleibt. Im Falle eines Antrags zur Kriegsdienstverweigerung wird auch die Möglichkeit eingeräumt, sich vom bewaffneten Dienst befreien zu lassen. Eine Entscheidung darüber obliegt den Vorgesetzten des Antragstellers. Die Feststellung, ob ein Militärangehöriger als Kriegsdienstverweigerer anerkannt wird, muss in Übereinstimmung mit der Effektivität und Effizienz der Armee stehen. Im Fall einer negativen Entscheidung bleibt dem Verweigerer die Möglichkeit, in den USA gegen die Entscheidung des Militärs zu klagen. Dieses Verfahren findet vor zivilen Gerichten statt. Nach Information des US-Verteidigungsministeriums gibt es jährlich etwa 100 Anträge zur Kriegsdienstverweigerung. Etwa 50% werden abgelehnt (Auskunft von Connection e.V., internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus Kriegsgebieten vom 01.11.2008, Bl. 77 ff. der Behördenakte). Nach den entsprechenden Vorschriften werden die Kriegsdienstverweigerer in ihrer Einheit belassen und mit Aufgaben betraut, die ein Minimum an Konflikt mit ihrer Gewissensentscheidung heraufbeschwören, bis eine endgültige Entscheidung über ihren Verweigerungsantrag getroffen wurde (Army Regulation 600-43, Conscientious Objection, Kapitel 2-10. Buchstabe a).

Dem Kläger stand also zu jeder Zeit ein geordnetes Kriegsdienstverweigerungsverfahren zur Verfügung. Der Kläger kann sich auch nicht auf den Standpunkt zurückziehen, er habe von dieser Möglichkeit nichts gewusst, weil er sich nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung (Sitzungsprotokoll S. 7) vor April 2007, dem Zeitpunkt seiner Fahnenflucht, über die Möglichkeiten einer Kriegsdienstverweigerung überhaupt nicht erkundigt hat. Dies ist umso verwunderlicher, als er wiederum eigenen Aussagen zufolge bereits spätestens seit dem Jahr 2005 intensiv über die Kriegsführung der USA im Irak Internet-Recherchen angestellt haben will. Das Gericht bezweifelt auch aus diesem Grund, dass der Kläger sich in einer echten Gewissensnot befunden hat, denn dann wäre es nahe gelegen, nicht nur das Internet über angebliche Kriegsverbrechen der USA im Irak zu befragen, sondern auch Recherchen über die Möglichkeit anzustellen, sich diesen Konflikten auf die eine oder andere Weise zu entziehen. Der Kläger hat auch zu diesen angeblichen Internetrecherchen, die er vor seiner Desertion angestellt haben will, keinen einzigen Nachweis vorlegt, keinen Ausdruck, keine persönlichen Notizen, nichts, was auf die Auseinandersetzung mit dem Thema Kriegsverbrechen schließen lässt. Auch aus der Zeit nach der Desertion bis zur Asylantragstellung liegen dem Gericht keine Nachweise über eigene Recherchen und Gedanken vor.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Position zurückziehen, wonach ein Kriegsdienstverweigerungsantrag von vornherein aussichtslos gewesen wäre, weil er den Einsatz von Waffengewalt nicht generell ablehne, sondern nur dem Einsatz der US-Armee im Irak oder anderswo (Protokoll S. 4) ablehnend gegenüber stehe, und dies nach den einschlägigen Verweigerungsvorschriften einen Ausschlussgrund darstelle. Es wäre dem Kläger trotzdem zumutbar gewesen, alle Mittel auszuschöpfen und zumindest ein offizielles Verfahren anzustrengen. Zum einen hätte dies nämlich nach den Regularien der US-Army (siehe oben) zur Folge gehabt, dass der Kläger in jedem Fall fernab einer kämpfenden Einheit eingesetzt worden wäre. Allein durch dieses Mittel hätte es der Kläger also in der Hand gehabt, seinen vorgetragenen Gewissensnöten, zumindest für die Dauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, wirksam zu begegnen. Zum anderen ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass der Ausgang eines solchen Verfahrens, trotz der behaupteten Haltung des Klägers in Bezug auf Waffeneinsatz generell, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Denn der Kläger hatte, wiederum eigenen Angaben zufolge, im Jahr 2005 psychische Probleme und hatte gleichwohl zu keinem Zeitpunkt professionelle Hilfe in Anspruch genommen, weder von ärztlicher noch von seelsorgerischer Seite aus. Es scheint keineswegs ausgeschlossen, dass der Kläger, der im Laufe eines regulären Kriegsdienstverweigerungsverfahrens Gespräche mit dem Truppenseelsorger, mit seinen Vorgesetzen und möglicherweise auch mit Psychologen oder Psychiatern geführt hätte, im Laufe eines solchen Verfahrens sein Gewissen noch ernsthafter überprüft hätte und möglicherweise in diesem Rahmen zu einer anderen Haltung gegenüber dem Waffeneinsatz generell gelangt wäre. Schließlich hat er ja deutlich gemacht (siehe oben), dass er den Einsatz von Apache-Kampfhubschraubern nicht nur im Irak ablehnt. Dies umso mehr, als das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit den Angaben nicht den Eindruck gewinnen konnte, dass sich der Kläger in den Jahren vor seiner Fahnenflucht intensiv mit dem Gebrauch von Waffen und mit seinen angeblichen Gewissensnöten auseinandergesetzt hat. Es bleibt unverständlich, weshalb sich der Kläger nicht trotz seiner angeblichen Gewissensnöte parallel zu seinen Recherchen über den Irakeinsatz auch intensiv mit der Möglichkeit auseinandergesetzt hat, solchen Einsätzen, anders als durch Desertion zu entgehen. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass dem Kläger in seiner konkreten persönlichen Situation ein Kriegsdienstverweigerungsverfahren nicht zur Verfügung stand oder für ihn nicht zumutbar gewesen sein sollte.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (siehe oben) stellt allein dies schon einen Ausschlussgrund von der Gewährung der Flüchtlingseigenschaft dar.

Weiterhin (EuGH a.a.O. Rn. 44) muss die Dienstverweigerung das einzige Mittel darstellen, das es dem Antragsteller erlaubt, der Beteiligung an dem behaupteten Kriegsverbrechen zu entgehen.

Der Kläger konnte nicht nachweisen und auch nicht einmal glaubhaft machen, dass die Fahnenflucht am 11. April 2007 für ihn die ultima ratio gewesen sein soll, der befürchteten Begehung von Kriegsverbrechen zu entgehen.

Neben der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Einleitung und Inanspruchnahme eines Kriegsdienstverweigerungsverfahrens hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt ernsthaft versucht, ein reguläres Entlassverfahren anzustrengen, mit seinen Dienstvorgesetzten ein vertrauensvolles Gespräch zu führen oder auf anderem Weg eine Versetzung in eine Einheit ohne Kontakt zu Kampfgruppen zu erreichen. Das Gericht konnte feststellen, dass der Kläger nicht einmal ansatzweise versucht hat, mit Hilfe seiner Dienstvorgesetzten, mit denen er augenscheinlich auch sonst vertrauenswürdig zusammengearbeitet hat, eine Lösung für sein behauptetes Problem mit dem Irak-Einsatz zu finden.

In diesem Zusammenhang bleibt auch unverständlich, weshalb der Kläger trotz seiner vorgetragenen Gewissensnöte nicht bereits im Sommer 2005 eine drohende unehrenhafte Entlassung im Rahmen eines Disziplinarverfahrens als Gelegenheit angesehen hat, die US-Armee zu verlassen.

Unverständlich ist schließlich auch, weshalb der Kläger, der am 1. April 2007 erfahren haben will, im Juli 2007 in den Irak versetzt zu werden, bereits zehn Tage später, am 11. April 2007, fahnenflüchtig geworden ist, obwohl er noch ein volles Quartal zur Verfügung gehabt hätte, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um auf geordnetem Weg zumindest eine Versetzung innerhalb der US-Armee zu erreichen, die ihn nicht in Gewissensnöte gebracht hätte. Er hat dies zu keinem Zeitpunkt nicht einmal ansatzweise versucht, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt als Sekretär seines Vorgesetzten in der Schreibstube gearbeitet hatte und dieser nach seiner Einlassung mit dem Kläger sehr zufrieden gewesen ist. Es hätte also aus Sicht des Klägers nahe gelegen, sich diese guten Kontakte innerhalb der US-Armee nutzbar zu machen und wenigstens zu versuchen, eine Versetzung zu erreichen, und zwar nicht notwendigerweise im IT-Bereich. Der Kläger hätte aber auch versuchen können, an seine zumindest begonnene Ausbildung als IT-Fachmann anzuknüpfen und eine Qualifikation für den IT-Bereich zu erwerben. Auch in dieser Richtung sind keinerlei Bemühungen erkennbar. Von einem Punkt, an dem das heimliche Verlassen der Einheit das letzte dem Kläger zur Verfügung stehende Mittel zur Verhinderung einer Teilnahme an Kriegseinsätzen und drohenden Kriegsverbrechen, also die ultima ratio gewesen wäre, war der Kläger jedenfalls noch weit entfernt.

Insofern kommt es auch nicht auf die in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen zu möglichen Einsatzarten an, diese können als wahr unterstellt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger sich nicht in einer derart ausweglosen Situation befunden hat, in der die Fahnenflucht das einzige Mittel gewesen wäre, einer befürchteten Verstrickung in mögliche Kriegsverbrechen zu entgehen. Nicht einmal am Vorabend einer Versetzung in den Irak im Juli 2007 hätte sich der Kläger in einer derart ausweglosen Situation befunden, denn er hätte selbst noch im Irak die Tätigkeit als „Romeo“ einer Hubschrauber-einheit, die Kooperation voraussetzt, verweigern und andere, untergeordnete Tätigkeiten ausführen können. Wie oben ausgeführt, drohte allerdings ohnehin nicht die Versetzung in eine Kampfeinheit.

2. Dem Kläger droht auch nicht Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AsylG, Art. 9 Abs. 2 Buchstaben b) und c) der EU-Qualifikations-RL, nämlich a) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, sowie b) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung.

Die dem Kläger drohende Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe und die unehrenhafte Entlassung aus der Armee stellen keine diesbezüglichen Verfolgungshandlungen dar.

Die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b) und c) der EU-Qualifikations-RL erfassen Maßnahmen öffentlicher Stellen, deren diskriminierender oder unverhältnismäßiger Charakter einen bestimmten Schweregrad erreichen muss, um als Verletzung von Grundrechten eingestuft werden zu können, die eine Verfolgung i.S.v. Art. 1 Abschnitt A der Genfer Konvention darstellt. Die Feststellung der Unverhältnismäßigkeit der Strafverfolgung und Bestrafung, die dem Kläger in seinem Herkunftsland aufgrund seiner Verweigerung des Militärdienstes drohen würden, setzt voraus, dass geprüft wird, ob ein solches Vorgehen über das hinaus geht, was erforderlich ist, damit der betreffende Staat sein legitimes Recht auf Unterhaltung einer Streitkraft ausüben kann (EuGH a.a.O. Rn. 49 f.). Der EuGH sieht im Falle des Klägers auf der Grundlage der vollständig vorgelegten Akten keine Anhaltspunkte für eine diskriminierende Bestrafung i.S. der o.g. Normen (EuGH a.a.O., Rn. 54).

Nach den dem erkennenden Gericht vorliegenden Militärstrafvorschriften (Art. 86 Uniform Code of Military Justice – UCMJ) beträgt die Höchststrafe für beabsichtigtes dauerhaftes Fernbleiben von der Truppe in Nicht-Kriegszeiten maximal fünf Jahre Freiheitsstrafe. Dies entspricht der Regelung zur Fahnenflucht in § 16 Abs. 1 Wehrstrafgesetz (WStG): auch im deutschen Wehrstrafrecht wird das eigenmächtige Verlassen der Truppe, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauerhaft oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen, mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln hinsichtlich der Bestrafungspraxis bei Desertion in den USA lässt sich erkennen, dass in der Praxis der theoretisch mögliche Höchststrafrahmen von fünf Jahren bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Im Fall des Klägers lässt sich eine diskriminierende und unverhältnismäßige Bestrafung wegen Desertion nicht ausmachen.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volks- und sunnitischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 10.07.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 02.08.2015 einen Asylantrag.

Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) am 02.08.2016 gab er im Wesentlichen an, er stamme aus Bagdad, Stadtteil ... Im Dienstgrad eines Hauptmanns habe er seit dem Jahr 2008 als Techniker in der irakischen Militärhubschrauberstaffel gearbeitet.

Anfang 2014 sei es in der Provinz Al-Anbar zu Unruhen gekommen. Die Mehrheit der Bewohner dieser Provinz sei sunnitischen Glaubens, während die Angehörigen der Regierung den Schiiten angehören würden. Zur Unterdrückung der Proteste sei damals seine Hubschraubereinheit eingesetzt worden.

Seit Januar 2014 habe ihn zudem ständig ein Soldat verfolgt, der ungewöhnliche Fragen im Zusammenhang mit den Hubschraubern gestellt habe. Da er als Offizier auch die Ausbildung habe organisieren müssen, sei dies für ihn anfangs nichts Ungewöhnliches gewesen. Bei der Hubschraubereinheit hätten insgesamt neun technische Offiziere gearbeitet, von denen lediglich der Kläger ein Angehöriger der Sunniten gewesen sei. Eines Tages wäre ein Kollege, Angehöriger der Schiiten, zu ihm gekommen und habe mitgeteilt, dass er aufpassen solle. Besagter Soldat würde der Asaib Al-Haq, der stärksten schiitischen Miliz im Irak, angehören.

Weiterhin sei es immer wieder zu Sticheleien gegen die Andersgläubigen in der Militäreinheit gekommen, so dass er sich am Anfang indirekt und später direkt bedroht gefühlt habe.

Am 23.07.2014 habe er Urlaub genommen um seine Staatsbürgerschaftsurkunde verlängern zu lassen. Infolge der Schwierigkeiten habe er sich dann dazu entschlossen, die Hauptstadt zu verlassen. Er und seine Familie seien ins kurdische Gebiet gezogen. Dort habe er in einer Fabrik für Medizintechnik gearbeitet. Die Aufstiegschancen seien aber für ihn als Nicht-Parteimitglied gering gewesen. Nach dem Weggang aus Bagdad habe es nicht lange gedauert, bis Nachbarn angerufen und berichtet hätten, dass das Haus der Familie des Klägers in Bagdad geplündert und die Fenster und Türen zerstört worden seien. Ein Cousin habe dann in Erfahrung gebracht, dass der militärische Sicherheitsdienst mit zwei Fahrzeugen gekommen sei und nach dem Kläger gesucht habe. Obwohl er seinen Urlaub um nur um zwei Tage überzogen habe, was bei anderen Beamten ohne Bestrafung möglich sei, sei sofort nach ihm gesucht worden, als ob er Fahnenflucht begangen hätte. Daher habe er Angst, von den irakischen Behörden wegen Fahnenflucht zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach ihm werde im Irak mit rechtskräftigem Urteil gesucht. Bei einer Rückkehr in den Irak würde er sofort verhaftet werden.

Mit Bescheid vom 10.04.2017, zugestellt am 14.04.2017, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Nr. 1) und der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Nr. 2). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Nr. 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG wurden nicht festgestellt (Nr. 4). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Er habe trotz mehrerer Nachfragen kein aktuelles, konkretes und individuelles Verfolgungsschicksal darlegen könne. Die Aussage seines Kollegen, er solle aufpassen, sei nicht als Drohung oder anderweitig als flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung zu qualifizieren. Auch die Stichelei der Andersgläubigen in der Militäreinheit seien in ihrer Gesamtwirkung nicht als derart schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte anzusehen, dass sich hieraus ein relevanter Flüchtlingsschutz ergebe. Eine Verfolgungshandlung gem. § 3a Abs. 2 Ziff. 3 AsylG wegen unverhältnismäßiger oder diskriminierender Bestrafung komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger sei zwar – laut eigenen Angaben wegen der ihm unterstellten Fahnenflucht – zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Jedoch sei das Urteil in Abwesenheit des Klägers ergangen und daher nicht rechtskräftig. Nach den Urteilsgründen werde das Gericht in Anwesenheit des Klägers tagen und verhandeln, bevor das Urteil endgültig werde. Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, könne nicht von einer Verfolgung wegen unverhältnismäßiger oder diskriminierender Bestrafung ausgegangen werden. Im Übrigen wurden Sunniten im Irak keiner Gruppenverfolgung unterliegen.

Die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung gem. Art. 16 a Abs. 1 GG seien ebenfalls nicht gegeben, da nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen des § 3 AsylG einschlägig seien.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Aus seinem Vortrag sei nicht ersichtlich, dass ihm bei Rückkehr in den Irak die Todesstrafe drohe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Ebenso sei ein ernsthafter Schaden durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) nicht erkennbar. Eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheide ebenfalls aus, da in der Provinz Bagdad das für eine generelle Schutzgewährung erforderliche Ausmaß willkürlicher Gewalt nicht gegeben sei. Individuell gefahrerhöhende Umstände seien aus dem Sachvortrag des Klägers nicht erkennbar.

Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Voraussetzungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK seien nicht gegeben. Der Kläger sei erwerbsfähig. Ihm sei es auch vor seiner Ausreise gelungen, seinen Lebensunterhalt im Irak zu sichern. Zudem habe er die Schule mit dem Abitur abgeschlossen und sei deshalb als überdurchschnittlich gebildet für irakische Verhältnisse anzusehen. Letztlich könne er im Bedarfsfall auf die im Irak lebende Großfamilie zur Sicherung seines Existenzminimums zurückgreifen.

Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Klägerbevollmächtigte zu 1. Klage und beantragte,

1. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für ... vom 10.04.2017 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Eine individuelle Begründung der Klage erfolgte zu diesem Zeitpunkt nicht.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit „einfacher“ E-Mail vom 19.05.2017 schickte der Kläger dem Gericht mehrere Fotos von einer zerstörten Wohnung.

Mit undatiertem Schreiben, eingegangen am Verwaltungsgericht Bayreuth am 26.05.2017, legte der Kläger eine persönliche Stellungnahme zu seinem Verfolgungsschicksal vor.

Mit Schriftsatz vom 02.10.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, führte der Klägerbevollmächtigte zu 1. zur Begründung der Klage aus, der Kläger habe vor seiner Flucht bereits Verfolgungshandlungen aus religiösen Gründen erlitten. Weiterhin bestehe für den Kläger keine Möglichkeit, sich dem Kriegsdienst legal zu entziehen. Es drohe eine unangemessene Strafe für die Verweigerung des Kriegseinsatzes. Bei einer Rückkehr in den Irak drohe aufgrund seiner Desertion eine Gefängnisstrafe. Es bestünden zumindest gewichtige Umstände dafür, dass dem Kläger in der Haft eine unmenschliche Behandlung drohe. Es lägen daher zumindest aus diesen Gründen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor. Der vorverfolgt ausgereiste Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, in einem anderen Landesteil Iraks Schutz zu suchen. Bezüglich des Fehlens einer inländischen Fluchtalternative für Sunniten im Irak werde exemplarisch auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 19.04.2017 (Az.: 2 A 312/16) verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 29.09.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 04.10.2017, zeigte der Klägerbevollmächtigte zu 2. an, dass er den Kläger ebenfalls vertrete. Zur Begründung der Klage führte dieser aus, der Kläger habe den Kriegsdienst verweigert und gelte als Deserteur. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid würden auch im Irak nach einem gewissen Zeitablauf ohne Einlegung von Rechtsmitteln Urteile in Rechtskraft erwachsen bzw. der Kläger könne auch bei „vorläufigen Urteilen“ inhaftiert werden. Zudem sei nicht ersichtlich, dass bei einer neuerlichen Verhandlung das Urteil zum Vorteil des Klägers ausfallen würde. Weiterhin müsse davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG drohe. Art. 35 des Militärstrafgesetzes des Iraks sähe für jeden Soldanten, der zum Feind desertiere, die Todesstrafe vor. Dem Kläger drohe damit mehr als nur einfaches Ungemach. Soweit die Beklagte ausführe, eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheide aus, werde verkannt, dass der Antragsteller keine Zivilperson, sondern ein Soldat sei, der sich unerlaubt von der Truppe entfernt habe. Im Hinblick auf die Einstufung der Gefährdungslage sei davon auszugehen, dass der Irak ein „failed state“ sei. Diesbezüglich werde auch auf die Reisewarnungen des Auswertigen Amtes Bezug genommen. Letztlich würden sunnitische Bevölkerungsteile gezielt durch die Schiiten verfolgt werden.

Mit Beschluss der Kammer vom 15.08.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 11.10.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 S. 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 11.10.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

a) Der Sachvortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist in Teilen bereits unglaubwürdig.

aa) Soweit der Kläger vorträgt, er habe während seines Urlaubs erfahren, dass er in die Provinz Salah ad Din versetzt werden soll, schenkt das Gericht diesem Vorbringen keinen Glauben. Bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 02.08.2016 wurde mit keinem Wort eine geplante Versetzung, die mitursächlich für die Flucht gewesen sein soll, erwähnt. Lediglich in einer ergänzenden Stellungnahme des Klägers, die mit undatiertem Schreiben vom 26.05.2017 und damit nach Ablauf der Frist des § 74 Abs. 2 S. 1 AsylG beim Gericht eingegangen ist, wird auf Seite 4 – äußerst oberflächlich und vage – ausgeführt, dass der Kläger nach dem Urlaub in eine andere Einheit versetzt werden sollte. Wohin der Kläger versetzt werden sollte, bleibt auch bei diesen Ausführungen unerwähnt. Trotz wiederholter Nachfrage des Gerichts konnte der Kläger dem Gericht nicht plausibel erklären, warum die geplante Versetzung nicht bereits beim Bundesamt zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde, obwohl diese – nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung – offensichtlich in nicht unerheblichem Maße zum Fluchtentschluss des Klägers beigetragen hat. Der Kläger rechtfertigte die fehlende Erwähnung beim Bundesamt mit den gerichtsbekannten Ausflüchten, der Dolmetscher habe ihn seinerzeit nicht richtig verstanden. Im Übrigen habe er nur auf konkrete Fragen antworten dürfen, so dass keine Gelegenheit bestanden habe, diesen Aspekt zu erwähnen. Diese allgemeinen Floskeln überzeugen das Gericht nicht, zumal gewisse Verständnisprobleme allenfalls zu einzelnen Unstimmigkeiten im Anhörungsprotokoll führen können. Das Fehlen eines gesamten essentiellen Teils der Fluchtgeschichte ist hingegen mit „Verständnisproblemen“ nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen hat der Kläger beim Bundesamt bestätigt, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben hat und er zudem ausreichend Gelegenheit hatte, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern. Auf die ausdrückliche Frage des anhörenden Entscheiders beim Bundesamt, ob er seinen Ausführungen noch etwas hinzuzufügen habe, antwortete der Kläger zudem mit „nein“. Soweit nunmehr in der mündlichen Verhandlung die Versetzung in ein Krisengebiet als mitursächlich für die Flucht angeführt wird, geht das Gericht im Ergebnis von einer unglaubwürdigen Steigerung des klägerischen Vortrags aus.

bb) Weiterhin erweist sich der Vortrag des Klägers, er müsse im Falle einer Rückkehr in den Irak wegen Desertion eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verbüßen sowie nach dieser Strafzeit noch zusätzlich drei Monate im Gefängnis bleiben, als schlichtweg unwahr. Der Kläger hat dem Gericht bis zum Schluss vorgespiegelt, er sei von einem Militärgericht wegen „Fahnenflucht“ zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ausweislich des Urteils des Militärgerichts vom 22.09.2015 wurde der Kläger jedoch lediglich wegen unerlaubten Fernbleibens von der Truppe gem. Art. 33 Abs. 1 des irakischen Militärstrafgesetzes Nr. 19 aus dem Jahr 2007 zu einer „einfachen“ Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt. Die Desertion ins Ausland, die gem. Art. 35 Abs. 5 des Militärstrafgesetzes mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren bestraft werden kann, ist hingegen überhaupt kein Gegenstand der vom Kläger zitierten Entscheidung. Vielmehr wurde der Kläger weiterhin nach Art. 63 Abs. 2 bis 4 des irakischen Militärstrafgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie zu einem Entschädigungsbetrag in Höhe von 11.190.000,00 Dinar verurteilt. Nach den genannten Vorschriften wird derjenige der Waffen, Munition oder hierauf bezogene Ersatzteile, die im Eigentum des Militärs stehen, veruntreut oder stielt, zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren verurteilt. Die Schadensersatzforderung stütze das Gericht auf Art. 63 Abs. 3 des Militärstrafgesetzes wonach Entschädigungen in Höhe des fünffachen Wertes zu leisten ist, falls das Diebesgut nicht mehr existiert bzw. verbraucht ist. Der Kläger wurde daher mit Nichten zu einer unmenschlichen Freiheitsstrafe wegen Desertion verurteilt.

Obwohl der Kläger das Urteil sehr genau kannte und zudem in seiner persönlichen, 16-seitigen, Stellungnahme detaillierte Ausführungen zu den strafrechtlichen Konsequenzen nach dem Militärstrafgesetz bei einer Rückkehr in den Irak macht (vgl. dort S. 8), verschwieg er bis zum Schluss, dass der Großteil der Freiheitsstrafe wegen Diebstahls militärischer Ausrüstungsgegenstände verhängt worden ist. Daher glaubt das Gericht schon im Ansatz nicht, dass der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht von diesem Vorwurf erfahren haben will. Da dem Kläger die Vorschriften, auf denen der Schuldspruch gestützt ist, bekannt gewesen sind, wäre zu erwarten gewesen, dass ein entsprechender Vortag frühzeitig im Verfahren erfolgt. Dies gilt erst Recht, wenn der Kläger nunmehr behauptet, die Feststellungen im Urteil zum Diebstahl seien falsch und das Urteil beruhe nicht auf rechtlichen, sondern auf politischen Erwägungen. Die diesbezügliche Einlassung in der mündlichen Verhandlung, den zu Unrecht vorgeworfenen Diebstahl habe er beim Bundesamt nicht erwähnt, da er sich kurz fassen musste und nur auf konkrete Fragen antworten dürfte, ist abwegig. Im Übrigen ist für das Gericht ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger, der eine umfassende persönliche Stellungnahme zu mehr oder weniger relevanten Aspekten abgegeben hat, mit keinem Wort auf die (behauptete) inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils eingeht und damit einen gravierenden Vorwurf außen vor lässt.

b) Soweit das Gericht den klägerischen Ausführungen glaubt, ergeben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungshandlung im Sinne des § 3 a AsylG.

Der Kläger hat seine Heimat weder vorverfolgt verlassen noch liegen sogenannte Nachfluchtgründe vor. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nur Handlungen, die aufgrund ihrer Art der Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen oder Handlungen in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in einer ähnlichen Weise wie in der § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG beschriebenen Weise betroffen sind.

aa) Der Kläger hat sein Herkunftsland nicht vorverfolgt verlassen. Trotz wiederholter Nachfragen des Gerichts hat der Kläger keine konkrete und individuelle Verfolgungshandlung glaubhaft gemacht.

(1) Die geschilderte „Beschattung“ durch einen Unteroffizier aus seiner Militäreinheit, der Angehöriger der schiitischen Miliz Asaib Al-Haq gewesen sein soll, stellt keine Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger im obigen Sinn vor. Der Unteroffizier hat nach Angaben des Klägers diesen zwar „ständig“ bei der Arbeit beobachtet und sich nach Geräten und Ersatzteilen erkundigt. Darüber hinaus ist dem Kläger aber nichts passiert. Er wurde weder bedroht noch anderweitig unmenschlich behandelt. Der Kläger vermutet lediglich, die Beschattung sei erfolgt, weil er Sunnit sei. Selbst wenn der Unteroffizier den Kläger wegen seines sunnitischen Glaubens in der beschriebenen Art und Weise beobachtet haben soll, folgt hieraus nicht einmal im Ansatz eine Maßnahme mit flüchtlingsrechtlicher Relevanz. Die geschilderte „Beschattung“ stellt allenfalls „Mobbing“ am Arbeitsplatz dar.

(2) Flüchtlingsrechtlich völlig irrelevant ist zudem, dass der Kläger bei der Ehrung für die Verdienste der Hubschrauberstaffel nicht berücksichtigt worden ist. Selbst wenn der Kläger vermutet, er sei aufgrund seines sunnitischen Glaubens bei der Auszeichnung außen vor gelassen worden, begründet dies keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3 a AsylG. Es fehlt bereits ersichtlich an der flüchtlingsrelevanten Intensität der Maßnahme.

(3) Soweit der Kläger von der Explosion des Hauses der Familie im Jahr 2007 und der Entstellung eines Bildes seines Vaters berichtet, fehlt es schon am zeitlichen Kausalzusammenhang zwischen der Maßnahme im Jahr 2007 und der Ausreise des Klägers im Jahr 2014.

(4) Die Durchsuchung der Wohnung des Klägers in der Stadt Bagdad unmittelbar nach dem Fernbleiben des Klägers vom Dienst stellt ebenfalls keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3 a AsylG dar. Neben der Tatsache, dass die diesbezüglichen Einlassungen bereits teilweise widersprüchlich sind (beim Bundesamt gab der Kläger an, der militärische Sicherheitsdienst habe aufgrund des Fernbleibens vom Dienst die Wohnung durchsucht; in der mündlichen Verhandlung sollen hingegen schiitische Milizen die Wohnung durchsucht haben), ist für das Gericht jedenfalls keine flüchtlingsrechtliche Relevanz ersichtlich. Es ist auch in anderen Ländern unüblich, dass nach Deserteuren von entsprechenden Militäreinheiten gesucht wird. Allein die Tatsache, dass die Suche nach dem Kläger bereits nach zwei Tagen und nicht wie üblicher Weise erst nach zehn Tagen, begonnen hat, begründet keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung des Klägers.

(5) Im Übrigen hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung wiederholt nur auf das Schicksal anderer Personen bzw. auf die allgemeine Sicherheitslage im Irak verwiesen, was schon im Ansatz keine konkret individuelle Verfolgung gegenüber dem Kläger darstellt.

(6) Für das Gericht sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger – durch welche Maßnahmen auch immer – konkret und individuell wegen seines sunnitischen Glaubens verfolgt wurde. Der Kläger stellte wiederholt nur Vermutungen an, könnte jedoch keinerlei Maßnahmen mit flüchtlingsrechtlicher Relevanz im Hinblick auf seinen sunnitischen Glauben konkret und glaubhaft darlegen.

(7) Im Ergebnis kann selbst unter Berücksichtigung des Kummulationsansatzes (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG) von keiner individuellen Vorverfolgung des Klägers ausgegangen werden.

(8) Weiterhin ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen. Für die Annahme einer entsprechenden Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 21.4.2009 –10 C 11/08 – juris). Zwar existieren im Irak schiitische Milizen, die zum Teil auch gewaltsam gegen Sunniten vorgehen. Dabei handelt es sich aber um einzelne Übergriffe. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen weder im Staat Irak in seiner Gesamtheit noch in Bagdad die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, U.v. 09.01.2017 – 13a ZB 16.30740 – juris; BayVGH, B.v. 01.02.2017 – 13a ZB 16.30990 – juris; BayVGH, B.v. 15.03.2017 – 20 ZB 17.30308 – juris; VG Augsburg, U.v. 12.12.2016 – Au 5 K 16.31959 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.07.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris; VG Bayreuth, U.v. 18.10.2016 – B 3 K 16.30613).

bb) Nachfluchtgründe sind ebenfalls nicht ersichtlich.

(1) Allein die Tatsache, dass der Kläger illegal seine Einheit verlassen und sich ins Ausland abgesetzt, begründet keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger der Tod bzw. infolge des bestehenden oder eines erneuten Militärgerichtsurteils eine unverhältnismäßig lange Haftstrafe mit unmenschlicher Behandlung im Gefängnis i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG droht. Aufgrund eines Auskunftsersuchens des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14.09.2011 in der Streitsache W 4 K 09.30149, wies das Europäische Zentrum für Kurdische Studien in Berlin mit Schreiben vom 28.02.2013 darauf hin, dass sich das Strafmaß der irakischen Militärgerichtsbarkeit, vor der sich der Kläger nach eigenen Angaben fürchtet, nach dem Militärstrafgesetz Nr. 19 aus dem Jahr 2007 richtet. In Art. 33 Abs. 1 des Militärstrafgesetzes heißt es: „Jeder Soldat, der 15 Tage ohne Erlaubnis von seiner Militäreinheit fernbleibt und jeder Offizier, der 10 Tage ohne Erlaubnis und Grund nicht zum Dienst erscheint, wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.“ Weiterhin wird nach Art. 35 Abs. 5 des Militärstrafgesetzes jede Peron, die ins Ausland flüchtet, zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt (vgl. auch Accord, Abfragebeantwortung zum Irak vom 03.06.2016 und VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 – B 3 K 16.31099).

Nach diesen Grundsätzen der irakischen Militärgerichtsbarkeit hätte der Kläger somit allenfalls mit einer Gefängnisstrafe von 5 Jahren für die Desertion ins Ausland zu rechnen (vgl. auch Accord, Abfragebeantwortung zum Irak vom 03.06.2016). In der obigen Auskunft vom 28.02.2013 wird aber zugleich darauf hingewiesen, dass das Militärstrafgesetz derzeit im Irak nicht umgesetzt wird. In der Praxis werden Offiziere, die 10 Tage nicht zum Dienst erschienen sind, lediglich entlassen. Hintergrund für den „Nichtvollzug“ des Strafgesetzes sind die hohen Desertionszahlen und die damit einhergehende Unmöglichkeit der Strafverfolgung.

Diese „faktische“ Amnesie für Deserteure wird auch in einem Bericht der US-amerikanischen Tageszeitung New York Times vom 28.09.2014 bestätigt (vgl. hierzu: VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 – B 3 K 16.31099):

„The Iraqi military command has begun a campaign to re-enlist soldiers and officers who abandoned their units, a crucial step in its effort to rebuild an army that has been routed in battle after battle by Islamic State jihadists. Even as the government has continued to equip volunteers, the de facto amnesty for deserters is an acknowledgment that the army desperately needs experienced soldiers - even ones who ran - for a force that is sustaining heavy losses despite the American-led airstrike campaign against the Islamic State, also known as ISIS. Army officials at re-enlistment centers in Baghdad and in the northern Kurdistan region say they have seen some success in the effort. More than 6,000 soldiers and officers, including those who were sent home by their commanders as well as those who fled unilaterally, had registered at a military outpost here in Kurdistan, and more than 5,000 had signed up in Baghdad, officials said. […] Most of the soldiers said they had retreated on orders from superiors. Others said there were never orders: Their commanders simply vanished and, lacking leadership, the soldiers followed. […]

‘Our leaders ran away,‘ added Mr. Fawzi, a soldier who had been posted on Hamreen Mountain near Baiji in Salahuddin Province. ‘We were feeling betrayed. We were feeling that the high commanders betrayed us and betrayed our country.‘ During their retreat in June, Mr. Fawzi said, he and others in his unit shed their uniforms, and their weapons were impounded at a checkpoint by officers from the Interior Ministry, which oversees the police forces.“

(NYT, 28. September 2014).

In Anbetracht dieser Erkenntnisse spricht bereits einiges dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr wegen Desertion nicht zwingend verhaftet bzw. bestraft werden würde.

Selbst wenn der Kläger im Irak zur Rechenschaft gezogen wird, rechtfertigt die drohende Gefängnisstrafe im Heimatland für eine begangene „Fahnenflucht“ noch nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Eine Bestrafung wegen Desertion stellt an sich noch keine diskriminierende Maßnahme im Sinne des Flüchtlingsrechts dar (VG München, U.v. 16.11.2016 – M 25 K 15.31291 – juris). Die gesetzliche Freiheitsstrafe von 5 Jahren ist an sich ebenfalls nicht unverhältnismäßig oder diskriminierend i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG (VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 – B 3 K 16.31099, VG Bayreuth, U.v. 24.4.2017 – B 3 K 17.30796; VG Bayreuth, U.v. 24.8.2017 – B 3 K 17.31275; VG Bayreuth, U.v. 12.10.2017 – B 3 K 17.30523). Zwar fällt das diesbezügliche Strafmaß höher aus als in einigen europäischen Ländern, jedoch findet sich beispielsweise auch im deutschen Wehrstrafrecht eine ähnliche Strafandrohung für den Fall der „Fahnenflucht“ (vgl. § 16 WStG).

Auch die bereits verhängte Strafe nach Art. 33 Abs. 1 des Militärstrafgesetzes (Unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst länger als 10 Tage) bzw. nach Art. 63 Militärstrafgesetzes (Diebstahl von Waffen und Ausrüstung) aufgrund des Urteils vom 22.09.2015 stellt nach Auffassung des Gerichts keine menschenverachtende Strafe dar (vgl. insoweit auch § 15 WStG). Im Übrigen ist bereits fraglich, ob das Urteil in Abwesenheit des Klägers überhaupt Rechtskraft erlangt hat. Weiterhin hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, im Land zu verbleiben und zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen bzw. den Eintritt der Rechtskraft zu verhindern.

Es besteht in Anbetracht der Auskunftslage auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass Gefangene in irakischen Gefängnissen generell und systematisch menschenverachtend behandelt werden. Insoweit stellte der Kläger lediglich pauschale Behauptungen in den Raum.

(2) Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak auch keine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, in dem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfasst, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG bzw. des Art. 12 Abs. 2 der EU-Qualifikations-RL, namentlich Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, fallen, § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) EU-Qualifikations-RL.

Eine Anwendung der Bestimmung von Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e) der EU-Qualifikations-RL auf den Kläger scheidet zwar nicht bereits deshalb aus, weil der Kläger als Angehöriger einer technischen Einheit nicht unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligt war, sondern sich seine Tätigkeit darauf beschränkte, die jederzeitige Einsatzbereitschaft der Kampfhubschrauber zu gewährleisten. Die vorstehende Bestimmung umfasst nämlich alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen und unterstützenden Personals (EuGH. U.v. 26.2.2015 – C-472/13 – juris; VG München a.a.O.). Ebenso hat der EuGH in der vorgenannten Entscheidung klargestellt, dass die oben genannte Vorschrift der Qualifikationsrichtlinie auch die Fälle betrifft, in denen der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrende Antragsteller nur mittelbar an der Begehung von Kriegsverbrechen beteiligt wäre, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass er durch Ausübung seiner Funktion eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Kriegsverbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde.

Der Kläger könnte jedoch nicht mit hinreichender Plausibilität darlegen hat, dass die Einheit, der er angehört bzw. in die er versetzt werden sollte, mit hoher Wahrscheinlichkeit Kriegsverbrechen begehen würde. Maßgeblich abzustellen ist insoweit auf die konkrete Einheit des Klägers (vgl. hierzu EuGH a.a.O.; VG München a.a.O.). Es ist nicht ersichtlich, dass seine bisherige Einheit Kriegsverbrechen im obigen Sinne begangen hat. Soweit der Kläger auf eine geplante Versetzung in die Provinz Salah ad Din verweist, ist der diesbezügliche Vortrag bereits unglaubwürdig (s.o.). Im Übrigen hat er Kläger schon nicht im Ansatz glaubhaft gemacht, dass in Salah ad Din von seiner künftigen Einheit Kriegsverbrechen begangen werden. Er führte vielmehr nur aus, dass dort bei einem Massaker 1.700 Soldaten getötet wurden, weswegen er um sein Leben fürchte.

Unabhängig von diesen Erwägungen scheidet eine Schutzgewährung für den Kläger nach nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG jedenfalls deswegen aus, weil das unerlaubte Fernbleiben von der Truppe für ihn nicht das letzte Mittel war, um der von ihm befürchteten Verwicklung in Kriegsverbrechen zu entgehen. Abgesehen davon, dass eine solche Verwicklung ohnehin nicht konkret drohte bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht wurde, hätte der Kläger andere zumutbare Möglichkeiten gehabt, einem Einsatz als Hubschraubermechaniker und einer damit verbundenen zumindest mittelbaren Verstrickung in möglicherweise bevorstehende Kriegsverbrechen aus dem Weg zu gehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Irak keine Wehrpflicht besteht und sich der Kläger freiwillig zum aktiven Dienst in der Truppe – noch dazu erst ab dem Jahr 2008, also zu einer Zeit, in der schon ein massiver militärischer Konflikt herrschte - beworben hat, trifft den Kläger eine gesteigerte Obliegenheit, auf legalem Weg eine Änderung seines Einsatzortes zu erreichen oder das Verlassen der Truppe zu erreichen (vgl. VG München a.a.O.). Die Dienstverweigerung muss das einzige Mittel darstellen, das es dem Kläger erlaubt, der Beteiligung an den behaupteten Kriegsverbrechen zu entgehen. Bei dieser Prüfung sind die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Klägers zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, dass sich der Kläger im vorliegenden Fall freiwillig zum Dienst bei den Streitkräften verpflichtete, als der Konflikt bereits auf dem Höhepunkt war. Verpflichtet sich jemand freiwillig beim Militär, muss dieser jederzeit damit rechnen, dass er – zumindest mittelbar – an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt wird. Das bringt der gewählte Beruf schon per se mit sich. Der Kläger, ein Offizier, könnte auch nicht ernsthaft davon ausgehen, immer am gleichen Ort eingesetzt zu werden bzw. dass „sein Gerät“ nicht real zum Einsatz kommt. Der Kläger hat somit in vollem Bewusstsein der Bedeutung seiner Schritte den Weg des Soldaten eingeschlagen und sich in Kenntnis der Problematik eines kriegerischen Einsatzes im Irak bewusst für den aktiven Dienst in der Armee entschieden. Die von ihm angeführten Gründe, namentlich das Motiv, einen bewaffneten Einsatz in einer Krisenregion im Irak entgehen zu können, überzeugen vor diesem Hintergrund nicht (vgl. VG München a.a.O.).

Im Übrigen hat der Kläger nicht einmal versucht seinen Dienst vorzeitig legal zu beenden bzw. eine anderweitig Stationierung zu erreichen (vgl. VG München a.a.O.). Unabhängig von der Frage, ob im Irak eine Kriegsdienstverweigerung bei freiwilliger Verpflichtung möglich ist, hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt ernsthaft versucht, ein reguläres Entlassverfahren anzustrengen, mit seinen Dienstvorgesetzten ein Gespräch zu führen oder auf anderem Weg eine Versetzung in eine Einheit ohne Kontakt zu Kampfgruppen zu erreichen (vgl. VG München a.a.O.). Dies wäre ihm aber ohne weiteres möglich gewesen. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass ein solches Gesuch völlig aussichtslos gewesen wäre. Der Kläger hat selbst wiederholt ausgeführt, er sei als Sunnit in der Truppe unerwünscht gewesen und man habe ihm nicht vertraut. Daher erscheint eine vorzeitige Entlassung auf Wunsch des Klägers nicht von vorneherein ausgeschlossen.

cc) Letztlich ist dem Kläger jedenfalls deswegen kein Flüchtlingsschutz zuzuerkennen, da ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative nach § 3e AsylG offen steht.

Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr im Bedarfsfall Schutz außerhalb seiner Herkunftsregion suchen kann. Der Kläger hat vor seiner Ausreise aus dem Irak bereits mehrere Monate in der Autonomen Region Kurdistan gelebt und gearbeitet. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, warum der Kläger an diese Situation nicht mehr anknüpfen könnte. Insbesondere war es dem Kläger - trotz seiner Vorgeschichte - offenbar komplikationslos möglich, in der Autonomen Region Kurdistan aufgenommen zu werden und legale Arbeit zu finden. Nach den klägerischen Ausführungen beim Bundesamt deutet einiges darauf hin, dass der Kläger Kurdistan und seine dortige Arbeitsstelle vorwiegend deswegen verlassen hat, weil er dort als „Nicht –Parteimitglied“ nur „äußerst geringe Aufstiegschancen“ hatte. Soweit sich der Kläger zudem beim Bundesamt angab, er befürchte wegen Fahnenflucht durch die irakischen Behörden auch in Kurdistan zur Verantwortung herangezogen zu werden, schließt dies nach Auffassung des Gerichts die innerstaatliche Fluchtalternative ebenfalls nicht aus. In Kurdistan hat die irakische Gerichtsbarkeit keinen Einfluss. Fälle, in denen Deserteure in den Zentralirak ausgeliefert wurden sind nach Angaben des Europäischen Zentrums für kurdische Studien im obigen Bericht (vgl. S. 5) nicht bekannt (vgl. hierzu auch VG Bayreuth, U. v. 28.10.2016 – B 3 K 16.31099 – juris).

Der Kläger zudem ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen und hat bis zu seiner Ausreise gearbeitet. Es ist dem Kläger zumutbar alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere auch schlichten Hilfstätigkeiten nachzugehen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es für den Kläger in einer fremden Stadt schwieriger ist, Arbeit zu finden. Darüber hinaus lebt seine Familie im Irak, so dass von wechselseitiger Unterstützung im Rahmen des Familienverbandes auszugehen ist.

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG berufen, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt nur dann in Betracht, wenn glaubhaft und konkret individuell die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht.

b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger als Militärangehöriger überhaupt vom Schutz des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG umfasst ist. Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in Bagdad ein innerstaatlicher bewaffneter zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Bagdad Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (VG Augsburg, U.v. 24.4.2017 – Au 5 K 17.30922 – juris; VG Ansbach, U.v. 15.12.2016 - AN 2 K 16.30398 – juris; VG Ansbach, U.v. 13.4.2017 – AN 2 K 16.30810 – juris). Weitere individuell gefahrerhöhende Umstände wurden weder vorgetragen noch sind diese für das Gericht ersichtlich. Insbesondere reicht hierfür nicht aus, dass der Kläger nach eigenen Angaben in einen besonders gefährlichen Stadtteil wohnt bzw. dass der Kläger behauptet, es werde nach (ehemaligen) Militärangehörigen verstärkt gesucht.

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).

Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen, gesunden und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage im Irak zu schaffen. Im Übrigen lebt die Großfamilie des Klägers weiterhin im Irak. Es ist nicht ersichtlich, dass das Existenzminimum des Klägers im Rahmen der wechselseitigen Unterstützung innerhalb des Familienverbandes nicht gesichert werden kann.

4. Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Im Übrigen sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – juris; VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris).

Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.

5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

6. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen - nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten - Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 27/16 – juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 - OVG 11 N 163.16 - juris) sowie ungeachtet der Frage, ob - in Anbetracht der Klageanträge - eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Wer eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihr fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen oder die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Stellt sich der Täter innerhalb eines Monats und ist er bereit, der Verpflichtung zum Wehrdienst nachzukommen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) Die Vorschriften über den Versuch der Beteiligung nach § 30 Abs. 1 des Strafgesetzbuches gelten für Straftaten nach Absatz 1 entsprechend.

Tenor

I.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 28. September 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob er „wegen seiner Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung einer Gruppenverfolgung ausgesetzt ist.“ In zahlreichen Auskünften sei bekannt, dass sich Sunniten und Schiiten im Irak gegenseitig bekämpften. Besonders die Sunniten litten unter den Verfolgungen der Schiiten. Eine staatliche Hilfe gegen die religiös motivierten Verfolgungshandlungen sei nicht möglich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gebe es ebenfalls nicht, da er nicht einfach in ein anderes Viertel umziehen könne, da er dort keine Möglichkeiten hätte, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist jedoch geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Staat Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen (BayVGH, U. v. 23.11.2012 - 13a B 12.30083 u. a.; U. v. 14.12.2010 - 13a B 10.30084 - juris = KommunalpraxisBY 2011, 358 -LS-; s. auch B. v. 20.7.2015 - 20 ZB 15.30139 - juris). Der Umfang der Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter, die an die sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfen, rechtfertigt in der Relation zu der Größe dieser Gruppe nicht die Annahme einer alle Mitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung.

Die allgemeinen und zudem pauschalen Ausführungen des Klägers zur Verschlechterung der Sicherheitslage ohne Bezugnahme auf bestimmte Quellen bzw. Quellenangaben bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Andere Ausgangsdaten, die darauf hindeuten, dass die zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären, werden vom Kläger nicht genannt. Das von ihm vorgelegte Schreiben der „Organisation für Menschenrechte im Irak in Deutschland“ vom 24. November 2016 spricht zwar von einem „Glaubenskrieg zwischen Sunniten und Schiiten“, nennt aber keinerlei Zahlen oder Detailangaben. Die in dem Schreiben enthaltene Bestätigung, „dass alle Iraker, die Asyl beantragt haben, religiös und politisch verfolgt werden“, begegnet zudem Bedenken. Aus dem aktuellen und auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 (Lagebericht) ergibt sich ebenfalls keine Anhaltspunkt für eine zu ändernde Beurteilung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 3. November 2016 bleibt ohne Erfolg.

Auch wenn der Kläger explizit keinen Zulassungsgrund nennt, macht er mit seinem Vortrag sinngemäß eine grundsätzliche Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG geltend. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger führt aus, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass einem ... im I. keine Gruppenverfolgung drohe und eine inländische Fluchtalternative bestehe. Über diese beiden Fragen gebe es neuere Erkenntnisse. Er selbst sei bekennender Gegner des ... Militärs und des Konflikts zwischen ... und ...; den IS halte er für eine terroristische Vereinigung. Nach seiner politischen Überzeugung sei er nicht gefragt worden. Als bekennender Pazifist sei er Kriegsdienst- und Befehlsverweigerer und habe deshalb bei einer Rückkehr mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen, aber auch mit einer erniedrigenden, unmenschlichen Behandlung. Der Auffassung, dass ihm kein ernsthafter Schaden drohe, trete er mit einem Verweis auf den neuesten Bericht von Amnesty International vom 18. Oktober 2016 (Irak: Kriegsverbrechen durch Milizen und Regierungstruppen - „Punished for Daesh's crimes: Displaced Iraqis abused by militias and government forces“) entgegen. Fluchtalternativen für Sunniten gebe es nicht. Ihm müsste deshalb nicht nur subsidiärer Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden.

Soweit sich der Kläger auf eine Gruppenverfolgung von ... bezieht, ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Staat Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen (BayVGH, B.v. 9.1.2017 - 13a ZB 16.30740 - juris; U.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30083 u.a.; U.v. 14.12.2010 - 13a B 10.30084 - juris = KommunalpraxisBY 2011, 358 -LS-; s. auch B.v. 20.7.2015 - 20 ZB 15.30139 - juris). Der Umfang der Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter, die an die sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfen, rechtfertigt in der Relation zu der Größe dieser Gruppe nicht die Annahme einer alle Mitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung.

Die allgemeinen und zudem pauschalen Ausführungen des Klägers zur Menschenrechtslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Andere Ausgangsdaten, die darauf hindeuten, dass die zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären, werden vom Kläger nicht genannt. Der von ihm zitierte Bericht von Amnesty International dokumentiert Menschenrechtsverstöße und hierzu geführte Gespräche mit Augenzeugen, Hilfsorganisationen usw., ohne nähere Zahlen oder Detailangaben zu nennen. Aus dem aktuellen und auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik I. vom 18. Februar 2016 (Lagebericht) ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt für eine zu ändernde Beurteilung.

Der weiter sinngemäß aufgeworfenen Frage, ob für ... innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen, kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu. Unabhängig davon, ob das Verwaltungsgericht überhaupt tragend auf eine Fluchtalternative abgestellt hat, wäre die Frage einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich, da ihre Beantwortung wesentlich von den Umständen des Einzelfalls abhinge. Gleiches gilt für das persönliche Verfolgungsschicksal des Klägers und dessen politische Überzeugung einschließlich der Tatsache, dass er als bekennender Pazifist Kriegsdienst- und Befehlsverweigerer sei. Den außerdem von ihm angesprochenen subsidiären Schutz im Hinblick auf die Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG hat der Kläger bereits vom Bundesamt zuerkannt bekommen und er war deshalb nicht Streitgegenstand.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2016 zusätzlich die Frage aufwirft, „ob einem homosexuellen ... im I. eine Gruppenverfolgung droht“, wird dieser Zulassungsgrund nicht innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 AsylG geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Nichtgewährung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung, das Abschiebungsverbote in den Irak nicht vorliegen sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von 30 Monaten.

Der am ... 1994 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 17. Januar 2016 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 3. März 2016 Asylerstantrag stellte. Diesen hat der Kläger auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die Gewährung subsidiären Schutzstatuts beschränkt.

Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 25. April 2016 hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass er Araber und Sunnit sei. Bis zu seiner Ausreise aus dem Irak habe er in ... im Stadtteil ... gelebt. Dort habe er zusammen mit seiner Großmutter gelebt. Es habe sich um ein Haus gehandelt, das seiner Großmutter gehört habe. Am 2. Januar 2016 habe er sein Heimatland verlassen und sei am 17. Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er sei vom Irak aus in die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Kroatien, Slowenien, Österreich nach Deutschland gelangt. Die Ausreise habe ungefähr 3.000 Dollar gekostet. Dieses Geld habe er sich durch Arbeit erspart. Auch habe er den Schmuck seiner Mutter verkauft. Diesen habe sie ihm gegeben, bevor sie verstorben sei. Sein Bruder habe ihm bei der Organisation der Ausreise geholfen. Von seinen Verwandten lebe nur noch sein Vater und seine Großmutter im Irak. Sein Halbbruder halte sich in ... auf. Den letzten Kontakt zu seiner Familie im Heimatland habe er vor drei Monaten durch soziale Netzwerke gehabt. Das Gymnasium habe er bis zur 12. Klasse besucht. Die Schule habe er aber nicht abgeschlossen. Als Beruf habe er Kfz-Mechaniker gelernt. Er habe selbstständig gearbeitet. Eine Werkstatt habe er nicht gehabt. Sein monatlicher Verdienst sei unterschiedlich gewesen, es habe sich eher um ein Hobby gehandelt. Es habe ihm seine Großmutter gegeben. Seine Lage im Heimatland sei sehr schlecht gewesen. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Auch sei er kein Mitglied in einer politischen Organisation gewesen. Seine Brüder hätten für die US-Amerikaner gearbeitet. Deswegen sei seine gesamte Familie bedroht worden. Ein Halbbruder von ihm (...) sei zweimal entführt worden. Die Entführer hätten Lösegeld verlangt. Einmal hätte die Familie das Lösegeld auszahlen müssen, einmal sei sein Halbbruder durch die US-Amerikaner befreit worden. Sein Bruder ... habe als Dolmetscher bei den britischen Streitkräften gearbeitet. Zwei andere Halbbrüder hätten in der Kaserne der US-Armee gearbeitet, sie seien zuständig für die Heizungen gewesen. Sein Bruder sei im Jahr 2007 entführt worden. Danach hätten sie seine Geschwister im Jahr 2008 das Land verlassen. Danach sei er zu seiner Mutter geschickt worden. Im Jahr 2014 hätten Streitigkeiten begonnen. Er habe einen Streit mit einer Person namens ... gehabt und seitdem habe dieser angefangen, ihn zu bedrohen und Leute gegen ihn aufzuhetzen. Seit dieser Zeit fühle er sich bedroht. Er habe nur selten das Haus verlassen können und seine Großmutter habe Angst um ihn gehabt. Es habe sich um verbale Streitigkeiten gehandelt. Die letzte sei ungefähr im August 2015 gewesen. Er sei im Auto unterwegs gewesen, als er angehalten worden sei. Er habe behauptet, dass er bespuckt worden sei. Er habe auf sein Gesicht geschlagen und sei aus dem Wagen gestiegen. Es habe sich lediglich um verbale Streitigkeiten gehandelt. Jedoch habe ... erzählt, dass er Sunnit sei. Im Juli 2015 habe er versucht in ein anderes Gebiet umzusiedeln. Am Anfang habe er die Bedrohungen nicht ernst genommen, erst kürzlich habe er die Gefahr richtig wahrgenommen. Er habe keine Zukunft im Irak. Er könne nicht heiraten. Er könne nicht arbeiten. Er könne nirgendwo eine Unterkunft finden. Im Irak weiß man nicht, ob er ein Sunnit oder ein Schiit sei.

Für den weiteren Inhalt der Anhörung des Klägers gegenüber dem Bundesamt wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. April 2016 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Nr. 1 des Bescheids). In Ziffer 2 wurde festgestellt, dass dem Kläger auch subsidiärer Schutzstatus nicht zuerkannt werde. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) lägen nicht vor (Nr. 3). In Ziffer 4 wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung in den Irak angedroht. In Ziffer 5 des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Die Glaubhaftmachung setze entsprechend der Mitwirkungspflicht im Asylverfahren einen schlüssigen Sachvortrag voraus. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag könne dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst würden. Der Kläger habe angegeben, sich seit 2014 bedroht gefühlt zu haben. Begonnen habe dieses der Streitigkeit mit einem Mann namens ... Diese Streitigkeiten hätten den Kläger veranlasst, nur noch selten das Haus seiner Großmutter zu verlassen. Daneben hat der Kläger aber auch ausgeführt, dass er bis kurz vor seiner Ausreise gearbeitet habe. Auch habe er sich mit Freunden getroffen oder sei ins Schwimmbad gegangen. Jeden Freitag sei er mit Freunden mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Diese Ausführungen stimmten nicht mit der Angabe überein, dass sich der Kläger aufgrund der gefühlten Bedrohungen nur noch selten aus dem Haus seiner Großmutter gewagt habe. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vortrages. Die unausräumbaren Bedenken gegen eine Schilderung mit echtem Erlebnisbezug wirkten in der Gesamtschau so schwer, dass kein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit für die Wahrheit der Angaben des Klägers bestehe. Auch reiche das allgemeine Vorbringen, er sei verbal bedroht geworden, nicht für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. Die geschilderten Bedrohungen blieben unterhalb einer zu berücksichtigenden Gefährdungslage. Auch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht vor. Es seien keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dass dem Kläger bei Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden drohe. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse können nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten seien. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass der Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Der Kläger sei erwerbsfähig. Nach seinen Angaben habe er Kfz-Mechaniker gelernt. Diesen Beruf habe er bereits im Irak ausgeübt. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 28. April 2016 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen diesen, ihm mit Postzustellungsurkunde am 2. Mai 2016 zugestellten Bescheid mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016 Klage erhoben und beantragt:

Unter Aufhebung ihrer Entscheidung vom 28. April 2016 - Gz: ... - wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger gemäß § 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzung von § 4 AsylG, höchsthilfsweise, das Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Irak vorliegen.

Eine schriftsätzliche Begründung dieser Klage ist nicht erfolgt.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1. Juni 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt. Eine Antragstellung ist nicht erfolgt.

Am 11. Juli 2016 fand die mündliche Verhandlung statt. In dieser wurde der Kläger informatorisch angehört. Über den Verlauf der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2016 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Aufbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt er mündlichen Verhandlung (§ 77 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihm weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen in seiner Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen im Fall des Klägers nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3 c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3 c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3 c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e Abs. 1 AsylG).

Bei der Beurteilung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - NVwZ 2013, 936 ff.; VG München, U. v. 28.1.2015 - M 12 K 14.30579 - juris Rn. 23).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U. v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; Hess. VGH, U. v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren des Klägers nicht zum Erfolg. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise im Januar 2016 aus dem Irak landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein wird. Die teilweisen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen des Klägers sowie sein in der mündlichen Verhandlung erheblich gesteigertes Vorbringen führen im Ergebnis dazu, dass das vom Kläger geltend gemachte Verfolgungsschicksal dem Gericht insgesamt als nicht glaubhaft erscheint. Widersprüchlich ist der Vortrag des Klägers insbesondere in dem Punkt, dass der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt am 25. April 2016 angegeben hat, dass es sich bei den Vorfällen, die letztlich zu seiner Ausreise aus dem Irak geführt haben, lediglich um verbale Auseinandersetzung mit einer Person (schiitische Miliz) namens ... gehandelt habe. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2016 hat der Kläger hingegen seinen Vortrag wesentlich gesteigert und ausgeführt, dass es bei dem dritten Zusammentreffen zu einem körperlichen Angriff auf ihn gekommen sei. Die schiitische Miliz ... habe ihm dabei mit einer Pistole auf den Kopf geschlagen und ihm eine Platzwunde zugefügt. Ebenfalls unstimmig ist der Vortrag des Klägers insoweit, als er sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen hat, dass er nach dem ersten Zusammentreffend mit ... um sein Leben gefürchtet habe und für den Schulweg beispielsweise mehrere unterschiedliche Routen gewählt habe, um unentdeckt zu bleiben. Bei seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt (Seite 8 der hierüber gefertigten Niederschrift) hat der Kläger zu seinem üblichen Tagesablauf ausgeführt, dass er sich oft mit Freunden getroffen habe und ins Schwimmbad gegangen sei bzw. Autos gewaschen habe. Jeden Freitag sei er von früh bis spät mit seinen Freunden Fahrrad gefahren. Insoweit war von einer fortwährenden Bedrohungssituation durch die Person ... keine Rede. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger darüber hinaus seinen Vortrag entsprechend abgeändert, dass er nicht Fahrrad gefahren sei, sondern stets mit dem Motorrad unterwegs gewesen sei, um unerkannt zu bleiben. Gesamtbetrachtend wirkt der Vortrag des Klägers oberflächlich. Es werden lediglich drei Zwischenfälle einer Passkontrolle geschildert, bei der es jeweils wegen konfessioneller Unterschiede zu allenfalls kleineren Handgreiflichkeiten gekommen ist. Zunächst hat sich der Kläger auch dahingehend eingelassen, dass es sich insoweit lediglich um bloße verbale Auseinandersetzung gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund ist auch bereits fraglich, ob die geschilderten Vorfälle überhaupt die für eine Vorverfolgung erforderliche Intensität erreichen. Dies bedarf letztlich jedoch keiner vertiefenden Betrachtung.

Denn selbst wenn man das vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2016 geschilderte Vorbringen des Klägers als verfolgungsrelevant erachten würde, bliebe die Klage im Ergebnis ohne Erfolg. Dem Kläger nämlich steht jedenfalls ein interner Schutz im Sinne von § 3e AsylG offen. Einem Ausländer wird gemäß § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Für den Kläger als Sunniten besteht im Zentralirak bzw. im Westirak eine inländische Fluchtalternative, die für den Kläger auch zumutbar erscheint. Die Sunniten gehören zu den wichtigsten ethnischreligiösen Gruppierungen im Irak. Dies sind die Schiiten, die 60 bis 65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten bzw. Süden des Landes bewohnen, die Sunniten, die 17 bis 22% der Bevölkerung ausmachen mit ihrem Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben sowie die vor allem im Norden des Landes lebenden Kurden, die ca. 15 bis 20% der Bevölkerung ausmachen und überwiegend sunnitisch, aber auch yezidisch und in kleinen Teilen schiitisch geprägt sind (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 28. Februar 2016, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Seite 5 Ziffer I. 2). Für den volljährigen Kläger ist ein künftiger Aufenthalt im westlichen Landesteil durchaus zumutbar. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung in den Jahren 2012, 2013 und 2014 mehrfach versucht habe, im nördlichen Landesteil Kurdistan eine neue Existenz zu gründen. Mit diesem Verhalten gibt der Kläger selbst zu erkennen, dass es für ihn nicht zwingend erforderlich ist, einen erneuten Aufenthalt bei Rückkehr in den Irak im Großraum ... zu begründen. Seinem Vortrag vermag das Gericht jedenfalls keine landesweite Bedrohung entnehmen. Wenn man das Vorbringen des Klägers als wahr unterstellt, beschränkt sich eine Vorverfolgung allenfalls auf Teilbereiche der Großstadt ...

2. Zugunsten des Klägers ist auch nicht von einer Gruppenverfolgung der Sunniten im Irak auszugehen.

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass keine Gruppenverfolgung für Sunniten im Irak gegeben ist. Belastbare Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung durch schiitische Milizen oder andere nicht staatliche Akteure wegen des sunnitischen Glaubens liegen nicht vor. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen jeder im Staat Irak in seiner Gesamtheit noch im Zentralirak (...) die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, U. v. 9.1.2012 - 13a B 11.30277 - juris Rn. 15). Angesichts der Größe der Bevölkerungsgruppe der Sunniten am Anteil der Gesamtbevölkerung im Irak kann nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte angenommen werden. Gleiches gilt, wenn man für die Beurteilung des Vorliegens einer Gruppenverfolgung nicht auf die Situation im gesamten Irak, sondern die Situation in der Stadt ..., aus der der Kläger nach seinem eigenen Vortrag stammt, abstellt, deren Gesamtbevölkerung von zwischen ca. 6,5 Millionen und 7 Millionen Einwohnern sich aus ca. 70% Schiiten, ca. 29% Sunniten und ca. 1% aus anderen religiösen Minderheiten zusammensetzt.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3 c bis 3 e AsylG entsprechend.

Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.

Der Kläger hat auch keine Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt ist, wenn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht.

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - BVerwGE 131, 198). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2008 a. a. O.).

Danach rechtfertigt die derzeitige Situation im Irak bzw. in ..., woher der Kläger stammt, nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar ist die Sicherheitslage im Irak immer noch verheerend und gehört unter anderem ... zum Schwerpunkt terroristischer Anschläge. Trotz der Verschlechterung der Sicherheitslage im Jahr 2013 geht das Gericht aber davon aus, dass im Irak derzeit weder landesweit noch in der Herkunftsregion des Klägers ein regionaler innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkrieges aufweisen.

Unabhängig davon begründet ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3 e AsylG.

Eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht dem Kläger als Angehöriger der Zivilbevölkerung vorliegend aber nicht.

Zwar kann sich auch eine allgemeine Gefahr willkürlicher Gewalt, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, individuell verdichten und damit zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führen. Für die Feststellung der Gefahrendichte können dabei die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Dabei ist davon auszugehen, dass ein innerstaatlicher Konflikt üblicherweise nicht eine solche Gefahrendichte hat, dass alle Bewohner des betroffenen Gebietes ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Allgemeine Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konfliktes sind, z. B. eine durch den Konflikt bedingte Verschlechterung der Versorgungslage, können nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden.

Vorliegend kann, selbst wenn man im Irak einen innerstaatlichen oder internationalen Konflikt bejahte, nicht davon ausgegangen werden, dass der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak oder in die betroffene Region, vorliegend nach ..., woher der Kläger stammt, allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die erforderliche Gefahrendichte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist daher nicht gegeben. Im Übrigen wird insoweit auf die Ausführungen zur Gruppenverfolgung unter 2. Bezug genommen.

Es sind auch keine besonderen, in der Person des Klägers liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen.

4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.

Insoweit wird zunächst nach § 77 Abs. 1 AsylG auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und ergänzend folgendes ausgeführt.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, insbesondere asylrelevante Eingriffe in die Religionsfreiheit, sind nicht ersichtlich.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat im Erlasswege mit Rundschreiben vom 3. Juli 2008 (Az. IA-2086.10-439), welches nach wie vor Gültigkeit beansprucht, verfügt, dass irakische Staatsangehörige, die nicht Straftäter sind oder unter Sicherheitsaspekten vordringlich abzuschieben sind, nicht abgeschoben werden und Duldungen bis auf Weiteres auf der Grundlage des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bis zur Dauer von sechs Monaten erteilt bzw. verlängert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erlasslage hinsichtlich allgemeiner Gefahren derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).

Sonstige Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren erfasst werden, sind nicht ersichtlich bzw. vom Kläger nicht vorgetragen.

5. Soweit sich die Klage sinngemäß auch gegen das in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides vom 28. April 2016 gegen den Kläger verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 AufenthG richtet, bleibt die Klage ebenfalls erfolglos. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit dieses Einreise- und Aufenthaltsverbotes und dessen Dauer sind von Seiten des Klägers bzw. dessen Bevollmächtigten nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

6. Nach allem war die Klage daher vollumfänglich als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

1. Ziffer 6. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. Juli 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der am ... in ..., Irak, geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimisch-sunnitischen Glaubens.

Der Kläger ist bereits im Jahre 1996 erstmals aus ... in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sein Antrag auf Asyl wurde mit Bescheid vom 6. Mai 1996 abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a. F. vorliegen. Mit Bescheid vom 11. Februar 2002 nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die getroffene Feststellung zurück. Am 10. Juli 2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.

Zur Begründung seines Folgeantrags erklärte der Kläger in seiner Anhörung am 17. Dezember 2014: Er sei am 19. Januar 2013 von Deutschland nach ... geflogen, da der Mann einer in ... lebenden Schwester verstorben sei. Am 3. August 2013 sei er wieder zurück in die Bundesrepublik geflogen. Das Flugticket habe er zu Hause. In ..., als er zurückgeflogen sei, habe er eine Irakerin kennengelernt, die in der Bundesrepublik ebenfalls Asylantrag gestellt habe. Sie hätten im August in Dänemark geheiratet. Den Folgenantrag habe er gestellt, damit er eine Aufenthaltserlaubnis erhalte und in Deutschland bleiben könne. In ... sei die Lage nicht stabil und die Mehrheit seiner Familie lebe in Deutschland. Bei einer Rückkehr in den Irak werde er getötet. Das Leben dort sei auch nicht einfach, weil es keine Sicherheit, Arbeit und keine Zukunft gebe. Er habe Angst vor dem IS, vor anderen Personen, die Bombenanschläge verübten, und vor dem Zufall. Als er 2013 im Irak gewesen sei, habe es Bombenanschläge gegeben und es seien Kinder entführt worden.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 1. Juli 2016, als Einschreiben am 5. Juli 2016 zur Post gegeben, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2) sowie der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3). In dem Bescheid wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Darüber hinaus fordert das Bundesamt den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen, und drohte die Abschiebung - in erster Linie - in den Irak an (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass aufgrund der erstmaligen Prüfung des europarechtlichen subsidiären Schutzes ein weiteres Asylverfahren durchzuführen sei. Dem Vortrag des Klägers lasse sich jedoch nicht ansatzweise entnehmen, dass ihm in Anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal eine Verfolgung durch den irakischen Staat drohe. Der Kläger habe selbst angegeben, er habe den Antrag gestellt, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Zudem habe sich der Kläger zwischenzeitlich über ein halbes Jahr im Irak ohne Behelligungen aufgehalten. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus scheitere, weil kein den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG genügender Konflikt vorläge. In den kurdischen Gebieten bestehe kein innerstaatlich bewaffneter Konflikt. Da der Kläger und seine Ehefrau aus den kurdischen Gebieten stammen, könne von einer gemeinsamen Rückkehr ausgegangen werden. Abschiebungsverbote seien nicht festzustellen, da die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führten, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge. Dem Kläger drohe auch keine individuelle Gefahr.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2016, bei Gericht per Fax eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen:

Die Beklagte wird - unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 1. Juli 2016 - Az.: ... - verpflichtet den Kläger als Flüchtling nach § 3 AsylG anzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzusprechen, hilfsweise festzustellen, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 20. Juli 2019 und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten und auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber nur zu einem geringen Teil begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 1. Juli 2016 ist lediglich hinsichtlich seiner Ziffer 6) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig, da der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat.

Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.

Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016, noch ausgeführt:

Die in Ziffer 2) des angefochtenen Bescheids erfolgte Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a GG ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.

Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG ist. Gemäß § 3 AsylG ist ein Ausländer ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Der Kläger hat als Grund dafür, dass er nicht in den Irak zurückkehren könne, lediglich die allgemeine Sicherheitslage im Irak und Bombenanschläge in Kirkuk angeführt. Eine persönliche Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht nicht, da dem Kläger in seinem Herkunftsland, insbesondere in seiner Herkunftsregion, kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG droht. In der Herkunftsregion des Klägers, in Kurdistan-Irak, liegt kein innerstaatlich bewaffneter Konflikt vor. Von einem innerstaatlichen Konflikt im Sinne dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen (EuGH, U.v. 30.1.201 - C-285/12 - juris Rn. 35). Dem Ausländer droht dann ein ernsthafter Schaden aufgrund des Konflikts, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 30.1.201 - C-285/12 - juris Rn. 30). Zwar ist die Sicherheitslage im Irak stark angespannt und kommt es auch in der Herkunftsregion des Klägers zu terroristischen Anschlägen. Gleichwohl geht das erkennende Gericht davon aus, dass derzeit weder landesweit noch in der Herkunftsregion des Klägers ein innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die aber nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkriegs aufweisen. Das erkennende Gericht sieht unter Zugrundelegung der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Kläger als Zivilperson bei seiner etwaigen Rückkehr in den Irak, speziell in seine Herkunftsregion, allein durch seine Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer hier verfahrensrelevanten Bedrohung ausgesetzt zu sein. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er stamme eigentlich aus Kirkuk und nicht aus Sulaymaniyah, ist zu keinem anderen Ergebnis zu kommen. Kirkuk liegt zwar nicht innerhalb der offiziellen Grenzen von Kurdistan-Irak. Die Stadt steht aber unter Kontrolle der kurdischen Streitkräfte. Unabhängig von der konkreten Sicherheitslage in Kirkuk ist zudem anzunehmen, dass der Kläger die Möglichkeit hat, mit seiner Frau in deren Herkunftsstadt Erbil zurückzukehren, welche jedenfalls in Kurdistan-Irak liegt.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor. Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.

Die in Ziffer 5) des Bescheides vom 1. Juli 2016 ausgesprochene Abschiebungsandrohung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Die in Ziffer 6) des Bescheides festgelegte Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist jedoch aufzuheben, da der Bescheid insoweit ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig ist. Dem Kläger kommt ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG ist über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Dabei sind alle Belange, die für oder gegen den Antragsteller sprechen, sorgfältig zu ermitteln und zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - wie hier - trotz Aufforderung zur Stellungnahme keine Belange geltend macht. In diesem Fall ist nach Aktenlage zu entscheiden. Dem Bescheid des Bundesamtes vom 1. Juli 2016 sind keinerlei Ermessenserwägungen zu entnehmen. Es handelt sich damit um einen Ermessensausfall. Es wird lediglich angeführt, dass der Kläger die Gelegenheit zur Stellungnahme nicht wahrgenommen hat und keine Belange vorgetragen hat. Allerdings ergibt bereits die Aktenlage Belange, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen gewesen wären. Der Kläger lebt bereits seit 1996 in der Bundesrepublik und hat zudem in der Anhörung vorgetragen, dass zusätzlich zu zwei Schwestern von ihm auch seine Mutter seit 1995 in der Bundesrepublik lebt. Ob diese Punkte zu einer kürzeren Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots führen können, ist vom Bundesamt unter Ausübung seines Ermessens zu entscheiden.

Die Kostenfolge beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da die Beklagte nur zu einem sehr geringen Teil unterlegen ist. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie mit 1 Kind, reisten nach eigenen Angaben am ... November 2015 auf den Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 20. April 2016 einen Asylantrag.

Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am ... August 2016 gaben die Kläger zu 1) und 2) an, irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit zu sein; sie hätten vor ihrer Ausreise in Arbil gelebt. Als Gründe für ihren Asylantrag führte der Kläger zu 1 aus, seine Schwester sollte von einem Onkel zwangsverheiratet werden. Er wollte seine Schwester schützen und sie hätten deshalb das Heimatland verlassen. Seine Schwester sei jedoch von der Türkei wieder in den Irak zurückgekehrt.

Mit Bescheid vom 30. August 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1 + 2 des Bescheides) ab; ebenso wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziff. 3 des Bescheides). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziff. 4 des Bescheids), die Kläger wurden zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Ziff. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziff. 6 des Bescheids).

Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.

2. Am 28. September 2016 erhoben die Kläger gegen den Bescheid des Bundesamtes Klage mit dem Antrag

unter Aufhebung des Bescheids die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft,

hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen bzw. bei ihnen das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte legte die Akten vor, hat sich jedoch sonst im Verfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

Der Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes (Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz), weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG sowie des § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

1. Soweit die Kläger ihre Anerkennung als Flüchtlinge nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG beantragen, hat dieser Antrag keinen Erfolg.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom28.07.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (vgl. hierzu die Legaldefinition in § 3 b AsylG), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung.

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B. v. 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, U. v. 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; B. v. 21.7.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).

Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 AsylG, § 60 Abs. 1 AufenthG. Das Gericht verweist insofern auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch dem Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte für eine staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung, die ursächlich für ihre Ausreise gewesen wäre, zu entnehmen sind; eine persönliche Verfolgung ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kläger haben selbst keine asylrelevanten Verfolgungsgesichtspunkte vorgetragen. Der Schutz der Schwester ist nach deren Rückkehr in den Irak als Grund hinfällig.

Die Kurdischen Autonomiegebiete Dohuk, Erbil, Sulaymania sind von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, wenn auch die Sicherheitslage dort weiterhin angespannt ist. Die Kläger können sich daher auch nicht auf eine politische Verfolgung durch nichtstaatliche Dritte berufen.

Zwar besteht in weiten Teilen des Iraks seit Mitte 2014 eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt des IS. Jedoch sind nach den Erkenntnissen des Gerichts und des Auswärtigen Amtes (vgl. den Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016, vgl. auch Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015) die kurdischen Autonomiegebiete davon nicht betroffen. Vielmehr leben dort in großer Anzahl Flüchtlinge, die vor den Umtrieben des IS geflohen sind. Dies hat zur Folge, dass die Kläger an den von ihnen auch schon bewohnten Ort im Irak in … zurückkehren können, jedenfalls aber anderswo in den Autonomiegebieten Zuflucht finden können. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ist prognostisch auch in Zukunft mit einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure dort nicht zu rechnen. Nach der Rückeroberung der Großstadt Ramadi aus den Händen der IS-Miliz durch das irakische Militär (Spiegel-online v. 28.12.2015) und einer Verminderung der dschihadistischen Kämpfer im Irak (Spiegel-online v. 5.2.2016) besteht derzeit keine Verfolgungswahrscheinlichkeit in den Autonomiegebieten, die von der kurdischen Regionalregierung beherrscht werden.

2. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auch insoweit auf die zutreffende Begründung im Bescheid des Bundesamtes (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG liegen ersichtlich nicht vor.

Im Hinblick auf die Schutzregelung nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach einem Ausländer subsidiärer Schutz zusteht, wenn er in seinem Herkunftsland als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, verweist das Gericht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtsvom 27.04.2010 - 10 C 4/09.

Dass nicht gleichsam jede Zivilperson im Irak allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist, folgt im Übrigen bereits daraus, dass bei einer Gesamtbevölkerung mit etwa 32 bis 34 Millionen Einwohnern (vgl. www.asien-auf-einen-blick.de/irak/, www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Irak.html) die Zahl der zivilen Todesopfer im Jahr 2015 mit insgesamt 17.502 (2014: 20.169; https://www. iraqbodycount.org/database/v. 29.9.2016) angegeben ist. Auch wenn die Opferzahlen 2016 ansteigen sollten, reicht die abstrakte Gefahr, angesichts von Kampfeshandlungen in einigen Bereichen im Irak Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht aus.

Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht. Die Kläger müssen daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihnen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhalten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Prognose der derzeitigen Situation im Irak ergibt, dass in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak derzeit keine Verfolgungsgefahr für die Kläger bestehen; weder eine staatliche noch eine Verfolgungsgefahr durch nichtstaatliche Akteure.

Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 bzw. Satz 2 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.

a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.

b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01, in NVwZ 2001, 1420).

Sonstige Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.

4. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 5, wonach die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert sind, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Klägern entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn sie sind, wie oben ausgeführt, nicht als Asylberechtigte oder Flüchtlinge anzuerkennen, noch stehen ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:

1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen;
2.
a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a,
b)
deren Durchführung und
c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler;
4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung;
4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen;
5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a;
5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts;
6.
Führung des Registers nach § 91a;
7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel;
8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder;
9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen;
10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt;
11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen;
12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7;
13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung, hilfsweise die Befristung des mit seiner Ausweisung eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf unter vier Jahre.

2

Der Kläger, ein 1977 geborener marokkanischer Staatsangehöriger, reiste 1997 zu Studienzwecken nach Deutschland ein. Nach Heirat einer deutschen Staatsangehörigen erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, die nach Trennung von seiner Ehefrau als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG verlängert worden ist.

3

Mit Verfügung vom 24. August 2012 wies der Beklagte den Kläger für die Dauer von sieben Jahren aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), drohte ihm die Abschiebung an (Ziffer 3 und 4), verpflichtete ihn, sich regelmäßig bei der örtlichen Polizeiinspektion zu melden (Ziffer 5), beschränkte seinen Aufenthalt auf das Gebiet des Landkreises (Ziffer 6), drohte ihm Zwangsmittel an, wenn er den Verpflichtungen aus Ziffer 5 und 6 nicht nachkommt (Ziffer 7), und lehnte einen Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 9). Die Ausweisung wurde damit begründet, dass der Kläger durch Bezahlung von Telefonrechnungen für einen Terrorverdächtigen die Terrororganisation Al-Qaida unterstützt und in Sicherheitsgesprächen falsche oder unrichtige Angaben über seine Kontakte zu terrorverdächtigen Personen und Organisationen gemacht habe.

4

Die gegen diese Verfügung erhobene Klage hatte beim Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren wandte sich der Kläger nur noch gegen die Regelungen in Ziffer 1 (Ausweisung und Befristung), 5, 6 und 7. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht stellte der Beklagte die Ausweisung wegen eines zwischenzeitlich vom Kläger gestellten Asylantrags unter die Bedingung, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird oder dass eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Nach Aufhebung der Regelungen Ziffer 5, 6 und 7 haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

5

Mit Urteil vom 10. Mai 2016 hat das Oberverwaltungsgericht auf den Hilfsantrag des Klägers die Befristung aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung hat es damit begründet, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und an seiner Ausweisung nach § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG ein schwerwiegendes Interesse bestehe, weil er den der Unterstützung des Terrorismus verdächtigen "Ali" mehr als nur flüchtig kenne und diesen Umstand im Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 bewusst verschwiegen habe. Für die Annahme eines gegenwärtigen Sicherheitsrisikos spreche, dass er nach wie vor nicht bereit sei, dies einzuräumen und zu erklären. Das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers überwiege dessen Bleibeinteresse, auch wenn er sich seit über 18 Jahren überwiegend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, die deutsche Sprache spreche, hier unterschiedliche Erwerbstätigkeiten ausgeübt habe, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und unterstellt werde, dass er über Kontakte zu in Deutschland lebenden Personen verfüge. Er habe aber auch noch erhebliche Bindungen an seinen Heimatstaat Marokko, in dem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe, dessen Sprache er beherrsche, in dem seine Eltern, fünf Geschwister und sein 2013 geborenes Kind lebten und in dem er sich angesichts seines bisherigen Werdegangs eine Existenzgrundlage aufbauen könne. Auch dem Umstand, dass er eine deutsche Staatsangehörige heiraten wolle, komme angesichts des überwiegenden Ausweisungsinteresses keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Bezüglich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehe ein Anspruch auf Neubescheidung, da die festgesetzte Frist von sieben Jahren zu lang sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Verbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Über die Länge der Frist sei nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Dies sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die bei der Fristbestimmung einzuhaltenden unions-, verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben stellten ebenso wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine gesetzliche Ermessensgrenze dar, deren Einhaltung nach § 114 VwGO gerichtlich überprüfbar sei. Unerheblich sei, dass der Behörde bei der Ausweisung kein Ermessen zustehe. Auch der Richtlinie 2008/115/EG sei nicht zu entnehmen, dass ein Ermessensspielraum bei der Fristbemessung unionsrechtswidrig wäre. Für eine über fünf Jahre andauernde Frist fehle es aber an einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Kläger sei strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, ihm sei nur eine vereinzelte Falschangabe anzulasten, die mehrere Jahre zurückliege und der kein gesteigertes Gewicht zukomme. Bei der Neubestimmung habe sich der Beklagte deshalb im Fristrahmen von bis zu fünf Jahren zu bewegen, wobei eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falles kaum vertretbar sein dürfte. Im Übrigen seien das Gewicht des Ausweisungsinteresses und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Bei einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung bedürfe es der prognostischen Einschätzung, wie lange das der Ausweisung zugrunde liegende Verhalten das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Frist müsse sich an höherrangigem Recht messen und ggf. relativieren lassen. Dabei seien insbesondere die in § 53 Abs. 2, § 55 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange in den Blick zu nehmen. Die Abwägung sei nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen und in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren unter Kontrolle zu halten.

6

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich der Ausweisung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 10. August 2016 - 1 B 92.16 - verworfen.

7

Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hilfsweise zur Befristung auf unter vier Jahre. Das Berufungsgericht hätte nicht zur Neubescheidung verpflichten dürfen, sondern selbst eine kürzere Frist bestimmen müssen. Soweit § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Behörde einen Entscheidungsspielraum einräume, sei dies mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem Unionsrecht, nicht zu vereinbaren.

8

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

9

Der Kläger ist im Juli 2016 nach Marokko zurückgekehrt. Mit Bescheid vom 24. November 2016 hat der Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf den 25. Juli 2020 befristet.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob der Kläger hinsichtlich des mit seiner Ausweisung kraft Gesetzes eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots - über den Bescheidungsausspruch des Berufungsgerichts hinaus - einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung, hilfsweise zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren hat. Dieses Begehren hat sich nicht dadurch erledigt, dass der Beklagte - in Umsetzung der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung zur Neubescheidung - das Einreise- und Aufenthaltsverbot inzwischen auf vier Jahre seit der Ausreise festgesetzt hat.

11

Soweit der Kläger primär die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots erstrebt, ist die Revision mangels Zulassung nicht statthaft (1.). Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist sie zwar zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsurteil verstößt insoweit nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer bestimmten Frist von weniger als vier Jahren, da die Befristung im Ermessen der Ausländerbehörde liegt und die Voraussetzungen für eine Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten nicht vorliegen (2.).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der klägerischen Begehren ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 6). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155). Durch die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Gesetzesänderungen hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen in § 11 AufenthG aber nicht geändert.

13

1. Die Revision ist hinsichtlich der vom Kläger mit seinem Hauptantrag begehrten Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mangels Zulassung nicht statthaft.

14

Das Berufungsgericht hat die Revision (nur) zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Begründet hat es dies mit den in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen zum Rechtscharakter der Befristungsentscheidung (UA S. 33). Damit bezieht sich die Zulassung nur auf die vom Kläger hilfsweise begehrte Befristung und nicht (auch) auf die vorrangig angestrebte Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Zwar bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 4 AufenthG ("kann") auch bei der Aufhebung einer Ermessensentscheidung. Die Frage des Rechtscharakters war für das Berufungsgericht insoweit aber nicht entscheidungserheblich, da es schon das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG verneint hat.

15

Die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist wirksam, weil es sich bei der Aufhebung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots prozessual um unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der - wie der Kläger - ausgewiesen worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Dieses (gesetzliche) Verbot ist nach § 11 Abs. 2 AufenthG gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung von Amts wegen zu befristen und kann unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 AufenthG aufgehoben oder nachträglich verkürzt oder verlängert werden. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (AufenthBeendBlReNG) vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) eingeführten Differenzierung hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Senats aufgegriffen, wonach unter engen Voraussetzungen eine vollständige Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung ohne vorherige Ausreise geboten sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 13 m.w.N.), und hierfür in § 11 Abs. 4 AufenthG eine spezielle Rechtsgrundlage geschaffen (BT-Drs. 18/4097 S. 36 f.). Seit dieser gesetzlichen Neuordnung der Regelungen zur Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung bedarf die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots einer eigenständigen, von der Befristung zu trennenden Entscheidung, die von der Ausländerbehörde nicht nur nachträglich, sondern zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers auch schon zusammen mit der Ausweisung getroffen werden kann.

16

2. Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist die Revision zulässig, aber unbegründet.

17

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger insoweit - anstelle des im Berufungsverfahren gestellten Bescheidungsantrags - im Revisionsverfahren auf einen Verpflichtungsantrag übergegangen ist. Diese Neuformulierung des Klagebegehrens stellt keine nach § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 - 1 C 23.03 - BVerwGE 122, 193 = juris Rn. 10). Der Kläger hat - über die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verpflichtung der Behörde zur Neubescheidung hinaus - aber keinen Anspruch auf Verpflichtung zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren.

18

Nach § 11 Abs. 2 AufenthG ist das mit einer Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise und ist gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung festzusetzen. Über die Länge der Frist wird nach § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen entschieden (Satz 1). Die Frist darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Satz 2), und soll zehn Jahre nicht überschreiten (Satz 3).

19

Damit hat der Ausländer einen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisungsverfügung ("ob"). Hinsichtlich der Länge der festzusetzenden Frist ("wie") bestimmt § 11 Abs. 3 AufenthG in seiner aktuellen Fassung ausdrücklich, dass hierüber im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe nach Ermessen zu entscheiden ist, dass die Frist nur unter bestimmten Voraussetzungen fünf Jahre überschreiten darf und zehn Jahre nicht überschreiten soll. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung im Jahr 2015 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Senats reagiert, wonach die Bemessung der Frist nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde stand, es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung handelte. Dies hat der Senat vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift mit dessen unionsrechtlicher Prägung durch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - (ABl. L 348 S. 98) und der Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK begründet (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 31 ff.). Mit der Änderung in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wollte der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand wieder herstellen, indem er den bisher offenen Wortlaut der Vorschrift konkretisiert und damit klargestellt hat, dass über die Dauer der Sperrfrist im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36).

20

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese gesetzgeberische Entscheidung mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbaren ist. Die - jedenfalls in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Ausweisung - gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Urteil vom 9. Dezember 2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 = juris Rn. 25 ff.) überzeugt im Ergebnis nicht (so im Ergebnis auch VGH München, Urteil vom 28. Juni 2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 49; OVG Koblenz, Urteil vom 8. November 2016 - 7 A 11058/15 - juris Rn. 26; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2017, § 11 AufenthG Rn. 72 ff.). Die Entscheidung des Senats vom 14. Februar 2012 (BVerwG 1 C 7.11) zu § 11 AufenthG a.F. erging ausdrücklich vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass die bei der Auslegung der damaligen Gesetzesfassung herangezogenen verfassungs-, unions- und menschenrechtlichen Vorgaben der gesetzlichen Einräumung eines behördlichen Ermessensspielraums zwingend entgegenstehen.

21

Eine gebundene Entscheidung folgt zunächst nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie), und zwar ungeachtet der vom Senat bislang offengelassenen Frage, ob die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung an den Bestimmungen dieser Richtlinie zu messen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 45). Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG enthält mit Ausnahme der grundsätzlich geltenden Fünfjahresfrist keine weiteren inhaltlichen Vorgaben bezüglich der Dauer der Frist, sondern schreibt nur die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor. Hierzu bedarf es nicht zwingend einer gebundenen Entscheidung. Auch dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG ist nicht zu entnehmen, dass der Ausländerbehörde vom nationalen Gesetzgeber kein Ermessensspielraum eingeräumt werden darf. Denn die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs bezieht sich auf die umfassende gerichtliche Überprüfung der normativ vorgegebenen Grenzen behördlichen Handelns.

22

Die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen strukturellen Erwägungen stehen einer Ermessensregelung ebenfalls nicht zwingend entgegen. Der Umstand, dass es sich bei der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG inzwischen um eine gebundene Entscheidung mit einer tatbestandsbezogenen Abwägung handelt, zwingt den Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht zu einer Regelung, nach der dies auch in Bezug auf die Dauer der mit der Ausweisung verbundenen gesetzlichen Rechtsfolgen der Fall sein muss. Die Ausgestaltung der Ausweisung als gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung ist auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zurückzuführen, eine "Beschleunigung des Verfahrens und schnellere Rechtssicherheit" zu erreichen (BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.). Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber, dass über die Dauer der Sperrfrist von der zuständigen Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36). Dieser gesetzgeberischen Entscheidung stehen auch die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben nicht entgegen. Die Befristung der gesetzlichen Wirkungen einer Ausweisung wirkt sich zwar mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK auf die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 33 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR). Die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung kann aber nicht nur durch eine gebundene Befristungsentscheidung sichergestellt werden. Denn auch bei einer Ermessensentscheidung ist die Frage der Verhältnismäßigkeit (auf der Rechtsfolgenseite) zu beachten.

23

Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert auch nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG), sowie unions- und konventionsrechtlich den Vorgaben aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (BGBl. 2008 II S. 1165) und Art. 8 EMRK gemessen und ggf. relativiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42). Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der Ausländerbehörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange. Da für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung - wie oben dargelegt - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, trifft die Ausländerbehörde auch während des gerichtlichen Verfahrens - wie nach altem Recht bei der Ermessensausweisung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 20 m.w.N.) - eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen.

24

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass bei der Ermessensausübung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Behörde eine gesetzliche Ermessensgrenze darstellt, ein Verstoß dagegen zu einer Ermessensüberschreitung führt und der gerichtlichen Überprüfung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt. Nichts anderes gilt in Bezug auf unionsrechtlich zu beachtende Vorgaben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, der Ausländerbehörde bei der Bestimmung der Frist einen gewissen Spielraum einzuräumen, führt daher im Ergebnis nicht zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung des Betroffenen, da die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens von dem im Einzelfall zulässigen Höchstmaß der Frist nicht zu Lasten des Ausländers abweichen darf. Die Einhaltung dieser Obergrenze unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.

25

Bei einer Ermessensentscheidung obliegt die konkrete Festsetzung der Dauer der Frist grundsätzlich der Ausländerbehörde. Setzt sie ermessensfehlerhaft eine zu lange Frist fest, ist diese Entscheidung im gerichtlichen Verfahren aufzuheben und die Behörde zur Neubescheidung zu verpflichten. Dabei kann das Gericht in den Entscheidungsgründen eine sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebende absolute Obergrenze für die Dauer der Frist festlegen. Verpflichtet sind die Gerichte hierzu aber nicht. Allerdings dürfte bei einem hinreichend geklärten Sachverhalt eine grobe Eingrenzung des zulässigen Rahmens der Ausländerbehörde eine sachgerechte Ermessensausübung regelmäßig erheblich erleichtern.

26

Die von der Behörde bei einer Neubescheidung zu beachtenden gerichtlichen Vorgaben können auch den Kläger (materiell) beschweren, denn die in einem rechtskräftigen Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Gerichts wirkt sich auf die Rechtskraft im Sinne des § 121 VwGO aus. Folglich beschwert ein stattgebendes Bescheidungsurteil nicht allein die Behörde, sondern auch den Kläger, wenn sich die vom Gericht als verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit der des Klägers deckt und für ihn ungünstiger ist, so dass bei der erneuten Bescheidung auf ihrer Grundlage mit einem ungünstigeren Ergebnis zu rechnen ist als bei Anwendung der vom Kläger für richtig gehaltenen Rechtsansicht. Auf Grund der in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO angeordneten Bindung an die einem Bescheidungsurteil zugrunde liegende Rechtsauffassung führt ein Rechtsmittel gegen ein solches Urteil auch dann zu einer anderen Entscheidung, wenn sich die Rechtsauffassung, die bei der Neubescheidung maßgebend sein soll, als unzutreffend erweist. In diesem Fall hat das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil aufzuheben und ggf. selbst ein Bescheidungsurteil zu erlassen, in dem es seine eigene bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1995 - 8 C 8.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 = juris Rn. 13 und vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 15 f., jeweils m.w.N.).

27

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden. Da die Entscheidung über die Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Ermessen der Ausländerbehörde liegt, hat der Kläger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf die von ihm begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren nur im Falle einer entsprechenden Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten. Hierfür ist auf der Grundlage der vom Kläger nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Frist fünf Jahre überschreiten darf. Dies steht hier nicht (mehr) im Streit, nachdem das Berufungsgericht festgestellt hat, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet unter den gegebenen Umständen nicht die Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren. Auch ansonsten weisen die vom Berufungsgericht seinem Bescheidungsausspruch zugrunde gelegten Erwägungen keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers auf. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet, weil es der Auffassung war, dass die zusammen mit der Ausweisung festgesetzte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots von sieben Jahren zu lang und damit ermessensfehlerhaft ist. In diesem Zusammenhang hat es der Behörde keine über die gesetzliche Grenze des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG hinausgehende, der revisionsgerichtlichen Rechtskontrolle unterliegende Obergrenze verbindlich vorgegeben, sondern lediglich angemerkt, dass eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falls kaum vertretbar sein dürfte. Ob die vom Beklagten inzwischen - in Umsetzung der gerichtlichen Verpflichtung zur Neubescheidung - mit Bescheid vom 24. November 2016 verfügte Befristung auf vier Jahre ermessensfehlerfrei ergangen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.