Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1. Der Bescheid der Beklagten vom …, Gz: … zugestellt am 20.07.2017, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, hilfsweise wird festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
I.
II.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946 zitiert oder wird zitiert von 19 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.
(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
- 1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
- 1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und - 2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und - 3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¾, die Beklagte ¼.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
-
1.Der Bescheid der Beklagten vom 06.03.2017, zugestellt am 08.03.2017, Gz.: … wird mit der Maßgabe abgeändert, dass der Kläger als Asylant anerkannt wird, hilfsweise die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, hilfsweise der subsidiäre Schutzstatuts zuerkannt wird, hilfsweise festgestellt wird, dass Abschiebungsverbote vorliegen.
-
2.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
die Klage abzuweisen.
Gründe
I.
II.
– Beitrag „Immer mehr Kurden werden Christen“; http: …www.kath.net/news/52725 - Beitrag vom 04.11.2015 „Nordirak: Immer mehr kurdische Muslime werden Christen“).
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die ausdrücklich bzw. sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) sind nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dargelegt bzw. liegen nicht vor.
Tenor
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2013 - A 5 K 122/13 - zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungszulassungsverfahrens.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
den Bescheid vom 27. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, festzustellen, dass ein subsidiärer Schutzstatus vorliege und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Gründe
(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.
(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
- 1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
- 1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und - 2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und - 3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Flüchtlinge (Bundesamt) mit dem sein Asylbegehren abgelehnt wurde.
Eigenen Angaben zufolge ist der Kläger irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Über die Türkei und weitere ihm unbekannte Länder sei er mit dem Lkw und dem Zug am ... August 2015 nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag datiert vom 1. Februar 2016.
Bei seiner persönlichen Anhörung am ... Februar 2016 gab der Kläger an, im Irak zuletzt in der Stadt … in der Provinz … gelebt zu haben. Zu seinem Verfolgungsschicksal äußerte der Kläger, dass er mit ca. 15 Jahren vom Glauben abgefallen sei. Er glaube nur an einen Gott, nicht an eine Religion. Sein Vater sei schon gestorben, als er ein kleines Kind gewesen sei. Seine Mutter sei zunächst verärgert gewesen, habe sich aber damit abgefunden. Seine älteren Brüder seien gegen seinen Abfall vom Glauben gewesen, sie hätten ihn des Öfteren geschlagen. Zur Polizei sei er nicht gegangen, weil er sich geschämt habe. Auch andere Jugendliche hätten den Kläger verspottet und ihm gesagt, dass sie ihn eines Tages zurückholen würden in den Islam. Sie hätten gesagt, dass der Kläger etwas erleben werde, wenn sie dies nicht schaffen würden. Einmal habe ihn eine Person in der Gasse bei seiner Tante geschlagen. Es sei dunkel gewesen, er könne sich nicht erinnern, ob dies Jugendliche gewesen seien. Er habe auch Drohungen per SMS erhalten. Woher die Jugendlichen seine Nummer hatten, könne er nicht sagen. Die SMS lauteten ungefähr so: „Wir werden dich töten, weil du Atheist bist, du musst die Stadt verlassen“. Wann er die letzte SMS erhalten habe, wisse er nicht mehr. Im Jahr 2014 sei er von der Schule geflogen. Viele Eltern hätten sich beschwert, dass ihre Kinder mit jemand die Schule besuchten, der nicht an den Islam glaube. Der Direktor sei eines Tages in seine Klasse gekommen und habe alle Schüler befragt, wer mit dem Kläger in der Klasse bleiben wolle. Da hätten alle nein gesagt. Seine Verwandtschaft habe ihn grundsätzlich gemieden. Wenn sie seine Mutter besuchten, hätten sie ihn ignoriert. An einen anderen Ort sei er nicht gegangen, weil er jung sei und eine Familie brauche. Er brauche jemanden, der sich um ihn kümmere. Er hätte sonst niemanden, bei dem er im Irak wohnen könnte. Er könnte höchstens einfache Arbeiten verrichten, da er keinen Abschluss besitze. Er käme höchstens auf etwa 300.000,00 irakische Dinar, eine Wohnung zur Miete koste aber mind. 400.000,00. Wenn er an seinen Heimatort zurückkäme, hätte er die gleichen Probleme, die ihn dazu veranlasst hatten, den Irak zu verlassen. Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu und lehnte seinen Antrag auf Asylanerkennung ab (1. u. 2.). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ihm nicht zuerkannt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (4.). Der Kläger werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisfrist nicht einhalten, werde er in den Irak abgeschoben. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6).
Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigten nicht vorlägen. Selbst bei Wahrunterstellung des gemachten Sachvortrages hinsichtlich der Drohungen der Jugendlichen und das Traktierens der Stiefbrüder würde kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehen, da vorliegend kein Anknüpfungsmerkmal sowie keine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG ersichtlich seien. Im Übrigen sei der Sachvortrag des Klägers unglaubhaft. Der Kläger sei erst im Jahr 2015 ausgereist, obwohl die Bedrohungen bereits seit dem Jahr 2011 bestanden haben sollen. Auch wenn der Kläger vortrage, dass er laut eigener Aussage mit 16 oder 17 Jahren noch zu jung für eine Ausreise gewesen sei, könnten die Bedrohungen daher nicht so gravierend gewesen sein. Des Weiteren sei der Kläger nicht im Stande gewesen, durch einen lebensnahen, detaillierten und ausführlichen, mithin erlebnisgeprägten Sachvortrag zu überzeugen. Er habe keine fundierten Schilderungen maßgeblicher Einzelheiten nennen können. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides verwiesen.
Mit Telefax vom 9. Juni 2016 erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen; hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorlägen.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2016 legte die Beklagte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Mit Schreiben vom 14. November 2016 begründete die Bevollmächtigte des Klägers die Klage. Der Kläger habe bereits in seiner persönlichen Anhörung glaubhaft gemacht, dass er weder an Allah noch an einen anderen Gott glaube. Er wolle seinen Nichtglauben ausüben und zu diesem auch in der Öffentlichkeit stehen. Dies sei dem Kläger insbesondere auch deswegen besonders wichtig, da er sich von den Gräueltaten, die im Namen des Islam verübt würden, distanzieren wolle. Aufgrund seiner religiösen Einstellung drohe dem Kläger in seinem Heimatland Verfolgung. Bereits vor seiner Ausreise sei der Kläger aufgrund seiner religiösen Gesinnung diskriminiert und verfolgt worden. So sei er von Familienmitgliedern größtenteils verstoßen, von den eigenen Brüdern geschlagen und aufgrund seines Nichtglaubens von der Schule geworfen worden. Auch aufgrund der aktuellen Lage drohe dem Kläger Lebensgefahr, wenn er sich offen gegen den Islam stelle.
In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 äußerte der Kläger, dass er mittlerweile zum Christentum tendiere. Er gehe dreimal in die Woche in die Kirche; er sei nach langem Nachdenken zu der Einsicht gekommen, dass jeder eine Religion brauche. Der Kläger legte eine Bescheinigung vor, nach der er an einem Orientierungskurs „Christ werden“ teilnehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes und auf die Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2016 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
1. Die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz - GG - kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylG).
2. Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG beantragt, hat der Antrag keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb der Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
a) Bei einer Rückkehr in den Irak droht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts wegen seines Abfalls vom Glauben bzw. seines neugefundenen christlichen Glaubens nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung.
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion - KAR - aus. Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z. B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt - AA -, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9; Europäisches Zentrum für Kurdische Studien -EZKS-, Auskunft an VG München, Gutachten Irak (Yeziden) v. 07.09.2015, S. 8). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ -IS- im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen. Die Kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen (zum Vorstehenden AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak, Oktober 2014, S. 13.
b) Soweit der Kläger private Verfolgungshandlungen durch seine Familie bzw. Fremde vorträgt, ist für das Gericht nicht ersichtlich, wieso der Kläger nicht internen Schutz im Sinne von § 3e AsylG in einer anderen Provinz der Kurdischen Autonomiegebiete finden könnte. Wie bereits festgestellt, würde dem Kläger hier nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung drohen. Da der Kläger auch selbst vermutet, dass die Droh-Sms von seinem näheren Umfeld stammten, hätte dieses Problem mit einem Umzug in eine andere Provinz gelöst werden können, ebenso wie die Misshandlungen durch seine Familie. Der Kläger ist mittlerweile 20 Jahre alt und mithin nicht mehr in einem Alter, in dem er auf familiäre Unterstützung angewiesen ist - zumal er diese auch bei seiner langen Reise nach Deutschland nicht hatte. Zudem hat der Kläger noch nicht einmal versucht, staatlichen Schutz im Sinne von § 3d AsylG in Anspruch zu nehmen.
3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu.
a) Hinsichtlich des vom Kläger vorgetragenen persönlichen Verfolgungsschicksals ist dieser abermals zumindest auf die internen Fluchtalternativen zu verweisen.
b) Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht (vgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016; Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015). Der Kläger muss daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhält. Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).
Sonstige Gefahren i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
5. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Asylberechtigter oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für … (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylantrag abgelehnt wurde.
Der Kläger gibt an, i. Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und am ... August 2015 in die ... eingereist zu sein. Hier stellte er am
Bei seiner persönlichen Anhörung trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass er aus Liebe zu einer Christin zum Christentum konvertiert sei und die Absicht habe, sie zu heiraten. Auf ihren Wunsch hin und als Zeichen der Liebe habe er sich auf seinen Unterarm ein Kreuz gebrannt und heimlich an christlichen Feiern teilgenommen. Er habe sich in einer Kirche in S., Stadtteil ..., taufen lassen und eine Taufbescheinigung erhalten. Diese befände sich allerdings noch bei seinen Eltern, er könne jedoch von der Kirche in Deutschland eine Bestätigung erhalten. Dies sei noch nicht erfolgt, weil er niemanden kenne, der mit ihm zu Kirche gehen könnte. Christliche Feste kenne er nicht, weil er sich nicht so gut habe informieren können und die Beziehung mit der Frau nicht so lange gedauert habe, dass er sich mit ihr hierüber habe unterhalten können. Seine Eltern seien gegen die Konvertierung und seine Beziehung zu einer Christin gewesen; seine Angehörigen hätten ihn deshalb bedroht und geschlagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Mit Bescheid vom
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Kläger seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht habe. Der Sachvortrag zu seiner Konvertierung zum Christentum erscheine nicht glaubhaft. So habe der Kläger in Deutschland seine sunnitische Religionszugehörigkeit angegeben und nicht, dass er Christ sei. Auch könne er den Hergang der Taufe nur grob beschreiben und er sei letztlich auch nicht in der Lage gewesen, christliche Feste zu benennen. Er scheine sich überhaupt nicht mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt zu haben. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, seine Freundin genauer zu beschreiben. Der Sachvortag des Klägers erscheine insgesamt wenig substantiiert und widersprüchlich in seinen Details. Im Übrigen wird auf die Begründung im Bescheid verwiesen.
Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Telefax vom
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
Mit Schreiben vom
Die Beklagte legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Gründe
Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seine Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, insbesondere liegen die Voraussetzungen des §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vor. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
1. Eine Anerkennung als Asylberechtigter scheidet schon wegen Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz -GG-, § 26a Abs. 1 Asylgesetz -AsylG- aus, da der Kläger über den Landweg und somit über einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften bzw. sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist ist.
2. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife auch keine Anspruch auf Zu-erkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG-, §§ 3 ff. AsylG. Es droht ihm bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen seiner religiösen Überzeugung.
a) Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Insbesondere erscheint der Sachvortrag des Klägers zu seiner Konvertierung zum Christentum zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung angesichts der Aussagen des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung als unsubstantiiert und unglaubhaft. So gab der Kläger bei seiner Einreise seine angeblich christliche Religionszugehörigkeit nicht an, konnte bei seiner Anhörung keinerlei christliche Feste nennen, keine genauen Aussagen zur Kirche machen, in der er getauft worden sein will, und auch den Ablauf der Taufe nur äußerst rudimentär beschreiben. Es mag sein, dass auch jugendliche deutsche Christen nur oberflächlich über ihre eigene Religion Bescheid wissen, jedoch wurden diese zumeist im Säuglingsalter getauft und sind nicht aufgrund einer bewussten Entscheidung im Jugendalter zum Christentum konvertiert. Zudem hat der Kläger bis zum heutigen Zeitpunkt weder die ursprüngliche Taufbescheinigung vorgelegt noch eine Bestätigung einer deutschen Kirche - wobei es als unglaubhaft erscheint, dass der Kläger die ursprüngliche Taufurkunde bei seiner (die Konvertierung ablehnenden) Familie gelassen haben will. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger das Gericht nicht von seiner Konvertierung überzeugen. So war er nach eigener Aussage bisher einmal in einer Kirche in Pasing, deren Namen er jedoch nicht nennen könne. Weitere Kirchenbesuche seien nicht möglich gewesen, da er zu weit weg wohne. Nach Auffassung des Gerichts hätte es dem Kläger jedoch jederzeit offen gestanden, an seinem jetzigen Wohnort eine von mehreren - für ihn wesentlich besser erreichbaren - Kirchen zu besuchen. In der Zusammenschau der Aussagen des Klägers in der Anhörung sowie der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger das Gericht nicht glaubhaft davon überzeugen, zum Christentum konvertiert zu sein.
b) Doch selbst wenn man den Sachvortrag des Klägers zu seiner Konvertierung als wahr unterstellt, droht dem Kläger in seinem Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit.
(1) Hinsichtlich einer individuellen Verfolgung des Klägers durch seine Familie stehen dem Kläger jedenfalls die anderen Provinzen und Städte der kurdischen Autonomiegebiete im NordI. als innerstaatliche Fluchtalternativen im Sinne von § 3e AsylG offen.
(2) Hinsichtlich der Situation von Christen in den Kurdischen Autonomiegebieten allgemein ist von keiner staatlichen Verfolgung auszugehen. So erkennt die Verfassung des I.s das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an und garantiert auch Religionsfreiheit inklusive der Freiheit ihrer Ausübung. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam. Eine systematische Diskriminierung der Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Zwar kam es in den Hauptsiedlungsgebieten der religiösen Minderheiten im NordI. seit Juni 2014 teilweise zu gezielten Verfolgungen von Jesiden und Christen durch den IS. In der Region K.-I. wie auch in weiteren Gebieten, die unter der Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sind Minderheiten jedoch weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Insbesondere haben seit dem Jahr 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen in der Region K.-I. Zuflucht gefunden. Es gibt dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Die kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau und die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik I. vom 18.2.2016, S. 9, 14). Somit stünde einer Rückkehr des Klägers in seine Heimat, die Region K.-I., auch insofern nichts entgegen.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 AsylG. Konkrete Anhaltspunkte für das Drohen eines ernsthaften Schadens nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG (Todesstrafe, Folter, unmenschliche Behandlung oder Bestrafung) sind nicht ersichtlich. Ebenso ist der Kläger auch nicht subsidiär schutzberechtigt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, weil ihm eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Der Kläger stammt aus der Region S., die den Kurdischen Autonomiegebieten angehört. In diesen Gebieten findet jedoch kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt statt. Im Gegenteil ist dieses Gebiet zum Zufluchtsort vieler Binnenflüchtlinge aus den übrigen Teilen des I. geworden. Das Vordringen von Kämpfern des IS ist an den Grenzen der Kurdischen Autonomiegebiete aufgehalten worden. Die Kurdischen Autonomiegebiete sind von Kämpfen oder sonstigen Ereignissen, die als „innerstaatlicher bewaffneter Konflikt“ angesehen werden könnten, nicht betroffen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik I. vom 18.2.2016, S. 4, 7, 12 ff.).
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer dem zu Folge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebungsstopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des I. aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage, auch Gefahren durch kriminelle Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt-gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter i. Staatsangehöriger grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und der Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in Verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.07.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).
Sonstige Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des B. Staatsministerium des Inneren erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
5. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziffer 4, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegen stünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt weder als Asylberechtigte oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Voll-streckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist laut seinen Angaben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 00. G. 1981 in Mosul (Provinz Niniveh) geboren, irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und war ursprünglich islamischen Glaubens. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszugs aus dem Generalregister lauten seine Personalien auf F. L. B. , geboren am 00. N. 1991 in Mosul/Niniveh. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist er tatsächlich kurdischer Volkszugehörigkeit.
3Der Kläger reiste am 3. September 2005 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. September 2005 einen Asylantrag.
4Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt gab er im Kern an, den Irak verlassen zu haben, weil sein Vater, der unter dem Regime von Saddam Hussein mit dem irakischen Geheimdienst zusammengearbeitet habe, ca. zwei Monate nach dessen Sturz Drohungen seitens islamischer Terroristen erhalten habe. Im März 2004 sei sein Vater von Unbekannten getötet worden. Zwei Monate später habe er selbst Drohbriefe erhalten, in denen er mit dem Tod bedroht worden sei, falls er nicht 30.000 $ bezahle. Mithilfe seines Onkels sei er dann ausgereist.
5Mit Bescheid vom 30. September 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab. Die hiergegen erhobene Klage vom 5. Oktober 2005 (7 K 2138/05.A) wies das erkennende Gericht mit seit dem 7. März 2006 rechtskräftigem Urteil vom 13. Februar 2006 ab.
6Am 22. November 2013 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag, mit dem er geltend machte, inzwischen zum Christentum übergetreten zu sein.
7Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt am 13. Januar 2014 gab er an, dass er am 22. August 2013 im koptisch-orthodoxen St. B. Kloster in X. -L. getauft worden sei. Vor der Taufe habe man ihn vorbereitet. Er habe etwas auswendig lernen müssen. Er habe sich dazu entschlossen Christ zu werden, weil er schon im Irak eine Neigung gehabt habe, Kirchen zu besuchen. Als er nach Deutschland gekommen sei, sei er auch öfters in die Kirche gegangen. Der Umgang dort und die Menschlichkeit hätten ihn überzeugt. Im Irak habe er den Islam nicht praktiziert. Als Analphabet habe er den Koran nicht lesen können, er habe auch nichts auswendig gelernt und auch nicht gefastet oder gebetet. Im Irak habe er aber schon Kontakt zu Christen gehabt und auf das gehört, was diese im erklärt hätten. Auch in Deutschland habe er christliche Freunde. Ihn habe am Christentum beeindruckt, dass es dort Gerechtigkeit und Brüderlichkeit gebe. Christen seien friedlich. Er habe in Deutschland auch andere christlichen Kirchen besucht. Er sei aber mehr bei den koptischen Christen gewesen, weil er diese verstehen können, da sie Arabisch sprächen. Vor etwa einem Jahr habe er Kontakt zu einer koptischen Familie aufgenommen, er sei einsam gewesen. Jetzt gehöre er zu dieser Familie. Er habe auch Weihnachten bei ihr verbracht. Er glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn und der Erlöser sei. Jesus habe die Menschen von den Sünden, von der Schuld und den Fehlern gereinigt. Er habe ihnen auch beigebracht, dass man nicht lügen, töten oder stehlen und keine Sünden begehen solle. Auch solle man Bedürftige unterstützen. Den Unterschied zwischen koptischen und anderen Christen kenne er nicht. Soweit sei er noch nicht gekommen. Nach der Taufe sei er zweimal in dem Kloster bei Wetzlar gewesen. Es sei zu weit weg. Er sei jeweils zehn Tage dort geblieben. Zuhause gehe er auch in andere Kirchen, auch wenn er die Messe nicht verstehe. Er bete dort. Bei einer Rückkehr in den Irak werde man ihn sofort töten. Seine Eltern seien verstorben, Geschwister habe er auch keine. Er habe nur noch Onkel und Tanten im Irak, aber keinen Kontakt mehr zu ihnen. Er habe einer Cousine am Telefon erzählt, dass er Christ geworden sei. Sie habe daraufhin sofort den Hörer aufgelegt.
8Mit Bescheid vom 15. Mai 2014, zugestellt am 17. Mai 2014, stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gegeben seien, lehnte jedoch den Antrag auf Asylanerkennung ab, erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich drohte es dem Kläger für den Fall, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht binnen 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens verlassen habe, die Abschiebung in den Irak an.
9Der Kläger hat hiergegen am 27. Mai 2014 Klage erhoben. Er macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten beruhe sein Glaubensübertritt auf einem festen und nachhaltigen Entschluss, der durch die Vorgaben von Art. 4 GG geschützt sei. Als Christ werde er jedoch wegen seiner Religion im Irak verfolgt. Jedenfalls aber sei ihm subsidiärer Schutz zu gewähren. Denn in seiner Herkunftsregion herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Die Anzahl der Anschläge habe dort ein Maß erreicht, dass ein so hoher Gefahrengrad bestehe, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Darüber hinaus lägen wegen seiner christlichen Glaubenszugehörigkeit sowie seines langjährigen Aufenthalts in Europa besondere gefahrerhöhende Umstände vor, die die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben rechtfertigten. Ihm stehe auch keine inländische Fluchtalternative in der Autonomen Region Kurdistan-Irak zu. Die Niederlassung dort werde Flüchtlingen aus den sog. umstrittenen Gebieten dadurch erschwert, dass sie keine Nahrungsmittelrationen erhielten, weil diese an den Wohnsitz bzw. die Registrierung als Wähler gekoppelt seien, und dass sie für den Zuzug Bürgen beibringen müssten.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2014 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
12hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
13hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
14Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
17Die Erkenntnisse über die politische Situation im Irak, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, sind in das Verfahren eingeführt worden. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Verfolgungsschicksal persönlich angehört worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
21Der Bescheid des Bundesamtes vom 15. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
22Der Kläger kann zwar die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG beanspruchen (I.). Er hat jedoch in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (1.), noch einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG (2.), noch kann er die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG beanspruchen (3.) (II.).
23Maßgeblich für die Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
24I. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind erfüllt.
25Gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG ist vom Bundesamt auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylverfahrens gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens u.a. voraus, dass eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) und die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt wird.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 14.
27Mit Blick darauf, dass der Kläger ausweislich der Taufurkunde des koptisch-orthodoxen St. B. Klosters in X. -L. am 22. August 2013 getauft worden ist, hat sich seit dem unanfechtbaren Abschluss des Asylerstverfahrens im März 2006 sowohl die Sachlage nachträglich geändert, als auch liegen neue Beweismittel vor. Zudem erscheint aufgrund dieser neuen Umstände eine für den Kläger günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen, da nach der Erkenntnislage im Irak Konvertiten zum Christentum einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sein können.
28Der Kläger hat den Asylfolgeantrag vom 22. November 2013 auch fristgerecht binnen drei Monaten nach Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund, d.h. der Taufe gestellt (vgl. § 51 Abs. 3 VwVfG). Er war ferner ohne grobes Verschulden außer Stande, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (vgl. § 51 Abs. 2 VwVfG).
29II. Der Kläger kann auf der Grundlage der fristgerecht geltend gemachten neuen Tatsachen jedoch weder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), noch die Zuerkennung subsidiären Schutzes (2.), noch die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG (3.) beanspruchen.
301. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu.
31Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – vgl. zu den Verfolgungsgründen im Einzelnen § 3b AsylG – (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
32Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – Qualifikationsrichtlinie) Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
33Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU) zwischen den Verfolgungsgründen i.S.v. § 3 Abs. 1 und § 3b AsylVfG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
34Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen (1.) vom Staat, (2.) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung i.S.v. § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
35Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.2 -, NVwZ 2013, 936 = juris, Rn. 19.
37Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06. A -, juris, Rn. 35 ff.
39Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens des Klägers ist ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
40a) Zunächst ist nicht festzustellen, dass dem Kläger wegen seines Wechsels zum christlichen Glauben bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG droht.
41aa) Eine staatliche Verfolgung wegen seiner Konversion zum Christentum hat der Kläger nicht ernsthaft zu befürchten. Das irakische Strafgesetz stellt die Konversion vom Islam zum Christentum (oder eine andere Religion) nicht unter Strafe. Insbesondere existieren im Irak keine Scharia-Gerichte, die Konvertiten zum Tode verurteilen könnten. Auch wenn die irakische Verfassung den Islam zur offiziellen Staatsreligion und zur grundlegenden Quelle der Gesetzgebung erklärt und bestimmt, dass kein Gesetz im Widerspruch zu den Bestimmungen des Islams stehen darf, ist andererseits das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit einschließlich der Freiheit ihrer Ausübung ausdrücklich verfassungsrechtlich garantiert und kein Gesetz darf im Widerspruch zu den in den Verfassung angeführten Grundfreiheiten stehen. Dementsprechend sind alle im Irak vorhandenen christlichen Glaubensgemeinschaften gesetzlich anerkannt und staatlich registriert. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt.
42Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 9; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 5, 12 ff.; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum.
43Soweit das irakische Personenstandgesetz eine gesetzliche Anerkennung der Änderung der Religionszugehörigkeit nicht vorsieht und daraus u.a. ausweis-, ehe- und erbrechtliche Probleme für Konvertiten resultierten,
44vgl. hierzu: US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum,
45erreichen diese an die Religionszugehörigkeit anknüpfenden Benachteiligungen weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau die erforderliche Schwere für die Annahme einer Verfolgung im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) RL 2011/95/EU.
46bb) Dem Kläger droht aufgrund seines Glaubenswechsels zum Christentum auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure.
47Zwar geht die Kammer davon aus, dass religiöse Minderheiten einschließlich Christen in der Herkunftsregion des Klägers – Stadt Mosul/Niniveh – allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit einer (Gruppen-)Verfolgung durch die radikalislamische sunnitische Terrororganisation IS (auch Da'esh) ausgesetzt sind.
48Vgl. ebenso: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. September 2014 - 18a K 223/13.A -, juris Rn. 27 ff.; VG Hannover, Urteil vom 15. August 2014 - 6 A 9853/14 -, juris, Rn. 19 ff.
49So ging der IS, der nach wie vor einen Großteil der Provinz Niniveh beherrscht, nach der Einnahme der Stadt Mosul und weiter Teile der Ninive-Ebene im Juni 2014 systematisch und gezielt gegen religiöse Minderheiten sowie nicht-sunnitisch-muslimische Bevölkerungsgruppen vor. Es kam zu gezielten Verfolgungen, Zwangskonversion und Massenvertreibungen von Angehörigen religiöser Minderheiten sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Angehörige der religiösen Minderheiten, insbesondere Yeziden und Christen, aber auch schiitische Angehörige der Sicherheitskräfte wurden und werden in den vom IS beherrschten Gebieten Opfer von Gräueltaten. Aufgrund dessen hat die gesamte nicht-sunnitische Bevölkerung nach Bedrohungen, Entführungen, Tötungen und der Zerstörung ihrer religiösen Kultstätten innerhalb kürzester Zeit die Region verlassen. Schiiten und Minderheiten wie Christen und Yeziden sind geflohen.
50Vgl. nur: Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 4, 13; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. Oktober 2014, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 20 f.
51Vor dem Hintergrund, dass der IS die Errichtung eines Kalifats anstrebt, das u.a. Syrien und den Irak umfassen und in dem ausschließlich das islamische Recht der Scharia gelten soll, welches den Abfall vom islamischen Glauben (Apostasie) unter Androhung der Todesstrafe verbietet,
52vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien (EZKS), Auskunft an das VG München, Gutachten zu Irak (Kurdistan) vom 9. November 2011, S. 3,
53ist davon auszugehen, dass flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen durch den IS gerade auch Konvertiten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. So hat der IS z.B. in Mosul im September 2014 eine bekannte Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin von einem selbst ernannten "Gericht" wegen Apostasie hingerichtet.
54Vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum.
55Der irakische Staat und die irakischen Sicherheitskräfte sind auch nicht in der Lage, den Schutz der religiösen Minderheiten vor Übergriffen in den vom IS besetzten Gebieten sicherzustellen.
56Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 4, 13.
57Wie aus der Presseberichterstattung allgemein bekannt hat sich die irakische Armee Mitte 2014 aus den vom IS eingenommenen Gebieten im Norden des Iraks vollständig zurückgezogen und auf die Verteidigung der arabisch besiedelten Gebiete des Zentraliraks nördlich und westlich von Bagdad beschränkt. Auch der kurdischen Peschmerga ist es bisher nicht gelungen, den IS aus der Provinz Ninive zu vertreiben. Nach der Rückeroberung zahlreicher vom IS besetzter Gebiete im Laufe der Jahre 2015 und 2016 durch die irakischen Streitkräfte und deren Verbündete, plant die irakische Zentralregierung zwar, in einer gemeinsamen Offensive mit den kurdischen Peschmerga, den schiitische Milizen sowie der internationalen Anti-IS-Koalition den IS auch aus Mosul zu vertreiben. Die geplante Großoffensive hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch noch nicht begonnen und wird aller Voraussicht nach auch einige Zeit in Anspruch nehmen.
58Für die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung wegen des Wechsels bzw. der Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft genügt jedoch nicht allein die Tatsache, dass der Kläger formal – wie durch die kirchlich bescheinigte Taufe belegt – zum Christentum übergetreten ist.
59Nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Nach diesen Bestimmungen ist insbesondere auch das Recht des Einzelnen geschützt, sich aus religiöser Überzeugung für eine andere als die bisherige Religion zu entscheiden und sich zu der angenommenen Religion zu bekennen. Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU gelten für Konvertiten, die ihren Glauben aus religiöser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang wie für Gläubige, die ihre durch Geburt erworbene Religion beibehalten. Voraussetzung des Schutzes der Ausübung der „neuen" Religion ist allein, dass der Glaubenswechsel aufgrund religiöser Überzeugung erfolgt ist.
60Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 182 = juris, Rn. 56; allgemein zur Flüchtlingsanerkennung wegen der Gefahr religiöser Verfolgung: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 21 ff.; EuGH Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 -, NVwZ 2012, 1612 = juris, Rn. 1.
61Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er daher die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. Erst wenn der Glaubenswechsel die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise prägt, kann ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die von Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU garantierten Rechte zu verzichten, nur um Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen.
62Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. November 2013 - 13 A 2251/13.A -, juris, Rn. 5, und vom 30. Juli 2009 - 5 A 1999/07.A -, juris, Rn. 44; Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575 = juris, Rn. 37 f.; BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 ‑ 1 C 9.03 -, BVerwGE 120, 16 = juris, Rn. 22; Hess. VGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - 8 UE 3140/05. A -, NVwZ-RR 2008, 2008 = juris, Rn. 20; OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 182 = juris, Rn. 57, 71.
63Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass der Konvertit so fest im Glauben steht, dass er bereit ist, in seinem Herkunftsland für den Glauben selbst schwere Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat.
64Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. November 2013 - 13 A 2251/13.A -, juris, Rn. 7, und vom 30. Juli 2009 - 5 A 1999/07.A -, juris, Rn. 46; Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575 = juris, Rn. 39.
65Die Beurteilung der inneren Tatsache, ob der Glaubenswechsel auf einer ernsthaften inneren Überzeugung und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt, unterliegt dem Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678 = juris, Rn. 13.
67Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Kammer unter Würdigung des Akteninhalts sowie nach der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich aufgrund einer ernsthaften inneren Überzeugung dem Christentum zugewandt hat und der Glaubenswechsel nunmehr seine religiöse Identität prägt.
68Zunächst hat die Kammer bereits grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Person. Denn der Kläger hat, wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, gegenüber dem Bundesamt in der Vergangenheit wiederholt falsche Angaben zu seiner Identität, seiner Volkszugehörigkeit und zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszugs aus dem Generalregister (Geburtsregister) lautet sein Name entgegen den bisherigen Angaben tatsächlich F. L. B. und sein Geburtsdatum datiert auf den 00. N. 1981. Soweit der Kläger diese Falschangaben mit seiner Angst vor einer Abschiebung in den Irak begründet hat, vermag dies nicht zu überzeugen. Spätestens im Zeitpunkt der Folgeantragstellung im November 2013 musste ihm klar gewesen sein, dass trotz des unanfechtbar negativen Abschlusses des Asylerstverfahrens eine Abschiebung in den Irak nicht erfolgt. Andernfalls wäre der Kläger nicht seit dem Jahr 2006 durchgehend im Bundesgebiet geduldet worden. Des Weiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, tatsächlich nicht vom Stamm der B1. I. und arabischer Volkszugehörigkeit zu sein, sondern vielmehr dem Stamm der B1. N1. anzugehören und Kurde zu sein. Seine diesbezügliche Erklärung, das Bundesamt habe seine Volkszugehörigkeit bei beiden Asylanträgen fehlerhaft aufgenommen, überzeugt ebenfalls nicht. Denn der Kläger hat die Angaben in beiden Anträgen mit seiner Unterschrift als richtig bestätigt. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung offen gelegt, dass sein Vater nicht, wie im Asylerstverfahren behauptet, im Jahr 2004 verstorben, sondern bereits kurz nach seiner Geburt im Iran/Irak-Krieg gefallen sei. Diese unzutreffenden Angaben zu für die Beurteilung seines Vorbringens wesentlichen Umständen begründen nach Ansicht der Kammer jedoch durchgreifende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers insgesamt und damit auch an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens zu dem im vorliegenden Verfahren nunmehr geltend gemachten Übertritt zum christlichen Glauben.
69Ungeachtet dessen hat der Kläger schon seine inneren Beweggründe für den Glaubenswechsel nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass unter Berücksichtigung seines nur geringen Bildungsstandes – der Kläger hat nach eigenen Angaben nur wenige Jahre die Schule besucht und bezeichnet sich selbst als Analphabet – die Anforderungen an die Darlegung der Ernsthaftigkeit des religiösen Einstellungswandels entsprechend herabzustufen waren.
70So hat der Kläger zunächst seine Behauptung, er habe sich bereits im Irak dem Christentum zugewandt, nicht plausibel machen können. Die von ihm in der mündlichen Verhandlung angeführte Begründung, dass er eine Religion ablehne, die wie die Moslems in Mosul heute Frauen vergewaltige und verkaufe und anderen Menschen ihre Lehren aufzwinge, vermag ein schon damals bestehendes Interesse am Christentum nicht hinreichend zu erklären. Denn zu den vom Kläger beschriebenen Übergriffen auf Frauen und religiöse Minderheiten durch den IS ist es, wie er in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, erst nach seiner Ausreise aus dem Irak gekommen. So hat er auf Nachfrage ausdrücklich erklärt, dass christliche Glaubensangehörige vor seiner Ausreise keine Probleme im Irak gehabt hätten. Auch bietet der Hinweis des Klägers auf seine schwierige Kindheit – er sei nach dem Tod seines Vaters bei den Großeltern aufgewachsen, diese hätten sich nicht um ihn gekümmert, er habe im Gegensatz zu anderen Kindern keine gute Kleidung gehabt und nicht zur Schule gehen können – ebenso wenig eine nachvollziehbare Begründung für die geltend gemachte Hinwendung zum Christentum wie seine pauschale Behauptung, dass er im Irak christliche Freunde gehabt habe. Einer plausiblen Erklärung für das behauptete Interesse am Christentum hätte es aber insbesondere auch deswegen bedurft, weil der Kläger seinem eigenen Vortrag zufolge kein besonders religiös geprägter Mensch war. So hat er beim Bundesamt angegeben, seinen islamischen Glauben im Irak nicht praktiziert zu haben, insbesondere nicht gefastet und gebetet zu haben. In der mündlichen Verhandlung hat er dies zwar dahingehend relativiert, dass er zwar in die Moschee gegangen sei und auch gebetet und gefastet habe, dies allerdings nur wegen des Drucks seiner Familie getan habe. Dies lässt jedoch nicht erkennen, dass seine bisherige Glaubensbetätigung Ausdruck einer ernsthaften religiösen Überzeugung war. Insofern hätte die mit der Hinwendung zu einer anderen Religion zwangsläufig verbundene Ausbildung eines religiösen Bewusstseins einer schlüssigen Darlegung bedurft. Die Behauptung, dass seine Mutter Christin gewesen sei, vermag die behauptete Hinwendung zum Christentum im Irak ebenfalls nicht überzeugend zu erklären. Dies gilt schon deswegen, weil der Kläger seine Mutter gar nicht kennengelernt und damit von ihr auch keine christlichen Werte und Glaubensinhalten hat vermittelt bekommen können. Gegen einen längeren, schon im Irak begonnenen Prozess der religiösen Umorientierung spricht schließlich auch der Umstand, dass der Kläger sich erst im Jahr 2013 und damit acht Jahre nach seiner Einreise ins Bundesgebiet hat taufen lassen. Hätte er tatsächlich bereits im Irak eine auf einem ernsthaften religiösen Interesse beruhende Nähe zum christlichen Glauben verspürt, hätte es jedoch nahe gelegen, schon unmittelbar nach der Einreise im Jahr 2005 Kontakt mit christlichen Kirchengemeinden in Deutschland aufzunehmen. Hierfür lässt sich seinem Vortrag jedoch nichts entnehmen. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, erst im Jahr 2013 eine christliche Familie aus Ägypten kennengelernt und mit dieser erstmals eine christliche Kirche und einen christlichen Gottesdienst besucht zu haben.
71Der Kläger hat ferner auch nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, dass sein im Jahr 2013 gefasster Entschluss, dem christlichen Glauben beizutreten, das Ergebnis einer ernsthaften Beschäftigung mit dem christlichen Glauben in Deutschland war. Hiergegen spricht bereits der von ihm in der mündlichen Verhandlung geschilderte zeitliche Ablauf bis zur Taufe. Eigenen Angaben zufolge hat der Kläger die christliche Familie aus Ägypten, die ihn zum christlichen Glauben geführt habe, erst drei bis vier Monate vor seiner Taufe kennengelernt. Er sei vor der Taufe dann einmal zusammen mit der Familie in das St. B. Kloster bei X1. gefahren und habe dort auch den Gottesdienst besucht. Anlässlich dieses Besuchs habe er bereits seinen Wunsch geäußert, auch Christ werden zu wollen. Nach einem Gespräch mit einem Priester und einer weiteren Person sei er dann schon am nächsten Tag getauft worden. Angesichts der nur kurzen Zeitspanne von einigen wenigen Monaten zwischen dem ersten Kontakt des Klägers mit christlichen Glaubensangehörigen in Deutschland und seinem Entschluss, sich taufen zu lassen, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Glaubenswechsel auf einer intensiven und ernsthaften Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten im Allgemeinen sowie der koptisch-orthodoxen Kirchenlehre im Besonderen beruhte. Die vom Kläger erwähnte Vorbereitung auf die Taufe im Kloster erschöpfte sich in einem einmaligen Gespräch, von dem der Kläger im Übrigen nur eine – wenig religionsbezogene – Frage wiedergeben konnte, und dem Erlernen des Vaterunsers. Zudem war der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, konkret und nachvollziehbar darzustellen, welche Glaubensinhalte der christlichen Religion sowie insbesondere der koptisch-orthodoxen Lehre ihn beeindruckt und zur Abkehr von seinem bisherigen moslemischen Glauben bewogen haben. Seine diesbezüglichen Ausführungen beschränkten sich auf die wiederholte pauschale Feststellung, dass der Islam nur für Mord, Vertreibung und Vergewaltigung stehe, während das Christentum und Jesus für Frieden und Brüderlichkeit stünden. Was das Christentum im Hinblick auf seine Glaubensinhalte vom Islam unterscheidet, konnte der Kläger nicht – auch nicht in einfachen Worten – erklären. Soweit er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er wegen seiner Freundschaft zu der christlichen Familie aus Ägypten in das Kloster gefahren sei und dort am Gottesdienst teilgenommen habe, weist dies zudem darauf hin, dass der Glaubenswechsel mehr auf gesellschaftlich-sozialen Motiven als auf einem ernsthaften religiösen Einstellungswandel beruhte. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, dass der Kläger schon beim Bundesamt angegeben hat, einsam gewesen zu sein, als er die Familie kennengelernt habe, inzwischen aber Teil der Familie zu sein. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung habe sich die Beziehung zu der Familie inzwischen derart vertieft, dass er die Ehefrau sogar Mutter nennen dürfe. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Glaubenswechsel des Klägers für die Kammer eher als ein weiterer Schritt zur Verfestigung seiner sozialen Bindung mit der befreundeten christlichen Familie dar, denn als Abschluss eines Prozesses der religiösen Umorientierung.
72Des Weiteren war in der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen, dass der Kläger zumindest mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Während er beim Bundesamt jedenfalls noch rudimentäre Kenntnisse der christlichen Glaubenslehre gezeigt hat, blieben seine diesbezüglichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vollkommen oberflächlich und inhaltsleer. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Erklärung, dass Jesus Kranke geheilt und Tote wieder zum Leben erweckt habe. Das Vaterunser konnte er lediglich bruchstückhaft auf Deutsch vortragen. Abgesehen von Weihnachten konnte der Kläger keine weiteren Feiertage des Christentums benennen. Ihm war weder der Name des aktuellen Papstes noch des Gründers der koptisch-orthodoxen Kirche bekannt. Soweit der Kläger seine Wissensdefizite damit erklärt hat, dass er nicht lesen und schreiben könne, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die Beschäftigung mit einer Religion und das Erlernen von Glaubensinhalten sind auch in mündlicher Form möglich. Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger über das Christentum sagen konnte als noch kurz nach der Taufe, zeigt zudem, dass er sich seitdem offensichtlich nicht weiter mit seinem neuen Glauben befasst und auseinandergesetzt hat.
73Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass der Kläger den christlichen Glauben im Bundesgebiet praktisch lebt. Nach eigenen Angaben hat er das St. B. Kloster nach der Taufe im August 2013 nur noch viermal für jeweils mehrere Tage besucht. Ausweislich der in der Ausländerakte befindlichen Verlassenserlaubnisse fanden diese Besuche im September 2013 (11 Tage), zum Jahreswechsel 2013/14 (20 Tage) und im Mai 2014 (27 Tage) statt. Ein letzter dreitägiger Besuch erfolgte laut Kläger vor ca. acht Monaten. Die Tatsache, dass der Kläger in den letzten drei Jahren kaum Kontakt zu seiner neuen Glaubensgemeinschaft gesucht hat und der vorhandene wenige Kontakt in den letzten eineinhalb Jahren sogar nahezu abgebrochen ist, spricht jedoch dafür, dass der Besuch von Gottesdiensten und die Gemeinschaft mit anderen Glaubensangehörigen, beides zentrale Elemente des koptisch-orthodoxen Glaubens, für ihn keine grundlegende Bedeutung hat. Seine hierfür gegebene Erklärung, dass er in letzter Zeit nicht mehr zur Kirche gegangen sei, weil er so viel habe arbeiten müsse, ändert an dieser Einschätzung nichts, sondern bestätigt sie vielmehr. Abgesehen davon geht der Kläger ausweislich des in der Ausländerakte befindlichen Arbeitsvertrages erst seit April 2016 einer Vollzeitbeschäftigung nach. Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger – worauf bereits das Bundesamt hingewiesen hat – keinen Kontakt zu koptisch-orthodoxen Gemeinden in der Nähe, etwa der St. N. L1. in Düsseldorf aufgenommen hat, um in Gottesdiensten seine spirituellen Bedürfnisse zu befriedigen und die Gemeinschaft mit anderen Glaubensangehörigen zu finden. Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung pflegt der Kläger – mit Ausnahme der befreundeten Familie aus Ägypten – auch keinen Kontakt zu anderen Christen oder christlichen Organisationen und nimmt auch nicht an kirchlichen Veranstaltungen wie Bibelkreisen o.ä. teil. Unter diesen Umständen vermag jedoch allein die Behauptung, täglich für sich zu beten, nicht die Annahme zu begründen, dass der christliche Glaube die religiöse Identität des Klägers nachhaltig im Sinne einer festen religiösen Überzeugung prägt.
74b) Der Kläger kann die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit beanspruchen.
75aa) Die Behauptung des Klägers, dass in seiner Herkunftsregion Kurden allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich den IS droht, begegnet nach Einschätzung der Kammer bereits durchgreifenden Zweifeln. Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich nämlich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der IS kurdische Volkszugehörige gezielt und systematisch allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt. Die Tatsache, dass der IS im Zuge seines Vormarsches im Nordirak im Sommer 2014 auch Gebiete angegriffen und besetzt hat, die unter der Verwaltung der kurdischen Autonomieregierung stehen, ist nach der Erkenntnislage vielmehr in erster Linie dem Expansionsstreben des IS geschuldet, dessen Ziel es ist, u.a. im Irak einen eigenständigen Staat bzw. ein Kalifat zu errichten. Zur Erreichung dieses Ziels geht der IS militärisch jedoch unterschiedslos gegenüber allen Bewohnern der von ihm angestrebten Gebiete vor. Gegen eine zielgerichtete Verfolgung von Kurden durch den IS spricht ferner auch die Tatsache, dass sich in der Vergangenheit eine beträchtliche Anzahl an irakischen Kurden dem IS angeschlossen hat und nunmehr auf dessen Seite mitkämpft. Entsprechend ist etwa der Selbstmordanschlag in Erbil im November 2014 von einem kurdischen IS-Anhänger verübt worden.
76Vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015, Irak – Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region.
77Diese Frage bedarf hier allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn man eine Gruppenverfolgung von Kurden durch den IS in der Herkunftsregion des Klägers bejahte, kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedenfalls deswegen nicht Betracht, weil dem Kläger – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – ein interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG offensteht.
78Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer auch keine Veranlassung, dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise, d.h. für den Fall der Klageabweisung gestellten Antrag nachzugehen, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger in Mosul allein aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen durch den IS ausgesetzt wäre, eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen. Denn nach Ansicht der Kammer kommt es für die Entscheidung auf diese Tatsachenbehauptung nicht an (vgl. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO analog), weil der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insoweit jedenfalls § 3e AsylG entgegensteht.
79bb) Dem Kläger steht in der Autonomen Region Kurdistan-Irak ein interner Schutz offen.
80Nach § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU) wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwarten kann, dass er sich dort niederlässt.
81Die Autonome Region Kurdistan-Irak bietet für den Kläger unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse über die dortigen Gegebenheiten sowie insbesondere seiner persönlichen Umstände (vgl. § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 RL 2011/95/EU) internen Schutz im Sinne dieser Bestimmung.
82(1.) Nach der Erkenntnislage ist die Autonome Region Kurdistan-Irak gegenwärtig als sicher zu bezeichnen (vgl. § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG). In den drei zu ihr gehörenden Provinzen Dohuk, Erbil und B1. Sulaimaniyah ebenso wie in den weiteren unter der Verwaltung der kurdischen Regionalregierung stehenden Gebieten ist insbesondere auch der Schutz religiöser Minderheiten vor Gewalt und Verfolgung weitgehend sicher gestellt. Auch besteht in dieser Region derzeit kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Die Autonome Region Kurdistan-Irak ist gegenwärtig von den Kampfhandlungen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen zwischen dem IS und dem irakischen Militär sowie den kurdischen Peschmerga nicht betroffen. Aus diesem Grund sind im Zuge des Vormarsches des IS Mitte 2014 auch zahlreiche Angehörige der religiösen Minderheiten aus der Provinz Niniveh in die Autonome Region Kurdistan-Irak geflohen.
83Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 7; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 5 f., 28 ff.; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq, vom 10. August 2016; Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, www.asylumlawdatabase.eu; VG Saarland, Urteil vom 30. Mai 2016 - K 1075/13 -, juris, Rn. 32 ff.; VG München, Urteile vom 13. Mai 2016 - 4 K 16.30558 -, juris, Rn. 20 ff., und vom 30. September 2015 - 4 K 13.30821 -, juris, Rn. 30 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 8. September 2016 - AN 4 K 16.30131 -, juris, Rn. 26.
84Dem Kläger droht in der Autonomen Region Kurdistan-Irak insbesondere auch nicht wegen seines Übertritts zum christlichen Glauben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Eine insoweit allenfalls in Betracht zu ziehende Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure,
85vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Irak: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwaltenden Provinzen Sulaimaniyah, Erbil und Dohuk, vom 10. Januar 2008, S. 13 f., sowie Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Update vom 5. November 2009, S. 11; Auskunft des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien an das VG München vom 9. November 2011, S. 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 32,
86scheidet schon deswegen aus, weil die Kammer – wie oben im Einzelnen ausgeführt – nicht davon überzeugt ist, dass der Glaubenswechsel des Klägers auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruht und seine religiöse Identität nicht derart prägt, dass ihm nicht angesonnen werden kann, auf seine in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU garantierten Rechte zu verzichten, nur um einer Verfolgung zu entgehen.
87Die Kammer vermag insbesondere auch eine begründete Furcht vor Verfolgung seitens der Familie des Klägers nicht zu erkennen. Auch wenn diese von seinem –formalen – Übertritt zum christlichen Glauben Kenntnis erlangt hat, weil der Kläger ihr dies mitgeteilt hat, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, dass ihm deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch seine Angehörigen droht. Der Kläger selbst hat schon nicht geltend gemacht, dass seine Familie ihm mit dem Ausstoß aus dem Familienverband oder gar mit Übergriffen gegen Leib und Leben gedroht habe, nachdem sie von seinem Glaubenswechsel erfahren habe. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass die Ehefrau eines Onkels seinen Entschluss befürwortet habe, während der Onkel ihn zunächst beschimpft, später aber seine Entscheidung akzeptiert und für in Ordnung befunden habe. Soweit der Kläger angegeben hat, dennoch Angst vor seinem Onkel zu haben, weil dieser ihn in der Kindheit immer geschlagen habe, rechtfertigt dies allein nicht die Annahme, dass der Kläger von seiner Familie erhebliche Repressionen gerade wegen seines Glaubenswechsels zu befürchten hat. Hiergegen spricht im Übrigen auch, dass die Mutter des Klägers seinen Angaben zufolge Christin gewesen ist, während sein Vater dem sunnitischen Glauben angehört hat. Diese Tatsache belegt, dass die Familie des Klägers väterlicherseits, auch wenn er sie selbst als sehr religiös bezeichnet, in Religionsfragen offenkundig eine eher tolerante Haltung einnimmt. Diese Einschätzung wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Kläger nach dem Tod des Vaters bei seinen Großeltern aufgewachsen ist. Dass das Sorgerecht für die Kinder regelmäßig nicht der Mutter zugesprochen wird, entspricht nämlich unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Betroffenen den familienrechtlichen Gegebenheiten im Irak. Schließlich ist mit Repressalien seitens der Familie auch schon deswegen nicht zu rechnen, weil nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu erwarten ist, dass der Kläger seinen christlichen Glauben im Falle einer Rückkehr in den Irak auch tatsächlich leben wird.
88(2.) Die weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines internen Schutzes i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen im Fall des Klägers ebenfalls vor.
89Der Kläger kann die Autonome Region Kurdistan-Irak sicher und legal erreichen. Die Region wird über die dortigen Flughäfen regelmäßig von Luftfahrtgesellschaften angeflogen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen erhalten irakische Staatsangehörige, die über einen Flughafen einreisen, selbst wenn sie – wie der Kläger – nicht aus der Autonomen Region Kurdistan-Irak stammen, dort mit einem (verlängerbaren) Visum für kurzfristige Aufenthalte Zugang, und zwar laut mehreren Quellen auch ohne Bürgen (sponsor). Kurdische Volkszugehörige – wie der Kläger – begegnen bei der Einreise grundsätzlich keinen Problemen.
90Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 14 ff., 19; Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Return/Internal relocation, August 2016, S. 41 ff.
91Es ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger in der Autonomen Region Kurdistan-Irak auch (langfristig) Aufnahme finden wird. Wollen irakische Staatsangehörige nach Ablauf des Visums in der Autonome Region Kurdistan-Irak verbleiben und arbeiten, müssen sie sich bei den örtlichen Behörden registrieren und bedürfen einer Aufenthaltserlaubnis, die wiederum Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und verschiedene Dienstleistungen ist. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wird, auch wenn die Praxis je nach Provinz und im Einzelfall abweichen kann, für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich verlangt, dass der Betroffene Identitätsdokumente vorlegen, einen Wohnsitz nachweisen und einen Bürgen benennen kann. Ferner dürfen seitens der lokalen Sicherheitsbehörde (Asayish) keine Sicherheitsbedenken bestehen. Laut mehreren Quellen sind kurdische Volkszugehörige allerdings von dem Erfordernis, einen Bürgen zu benennen, generell ausgenommen.
92Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 16 f.; Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Return/Internal relocation, August 2016, S. 41 ff.; Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 15; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. Oktober 2014, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region, S. 7.
93Gemessen daran ist anzunehmen, dass dem Kläger – ebenso wie seinen übrigen bereits dorthin gezogenen Verwandten – ein langfristiger Aufenthalt in der Autonomen Region Kurdistan-Irak möglich sein wird. Er kann sich durch den Auszug aus dem Geburtsregister zur Person ausweisen. Ferner wird er bei seinen Verwandten Unterkunft finden und damit auch einen Wohnsitz benennen können. Außerdem ist davon auszugehen, dass seine Verwandten, sofern dies erforderlich sein sollte, auch für ihn als Bürgen auftreten können. Im Übrigen besteht kein Anhalt dafür, dass die kurdischen Behörden kurdische Volkszugehörige, deren Erlaubnisse abgelaufen sind, aktiv aus der autonomen Region Kurdistan-Irak entfernen.
94Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
95Schließlich kann von dem Kläger auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in der Autonomen Region Kurdistan-Irak niederlässt. Zwar ist das kurdische Autonomiegebiet aufgrund des bisherigen Zustroms von Flüchtlingen nahezu an der Grenze seiner Aufnahmefähigkeit angelangt. Seit Anfang 2014 haben dort mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sowie mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge Aufnahme gefunden. Aufgrund des drastischen Bevölkerungswachses (20-30 %) ist der Wettbewerb um Arbeit entsprechend stark gestiegen und die Löhne und damit auch das Haushaltseinkommen sind spürbar gesunken. Die Arbeitslosenquote bewegt sich nach verschiedenen Quellen zwischen 6,5 % und 35 %. Hinzu kommt die wirtschaftliche Krise infolge sinkender Ölpreise, eines Budgetstreits mit der Zentralregierung sowie des Rückgangs ausländischer Investitionen wegen der Sicherheitslage.
96Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 15; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015, Irak: Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region, S. 1 f.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 52 ff.
97Jedoch geht die Kammer mit Blick auf die persönlichen Umstände des Klägers davon aus, dass es ihm trotz der angespannten sozio-ökonomischen und wirtschaftlichen Lage in der Autonomen Region Kurdistan-Irak möglich sein wird, sich dort eine Existenzgrundlage soweit zu sichern, dass es ihm zumutbar ist, sich dort aufzuhalten. Denn es ist anzunehmen, dass es dem Kläger als 35-jährigen, erwerbsfähigen Mann mit familiären und wirtschaftlichen Beziehungen in der Region auch ohne qualifizierte Berufsausbildung in absehbarer Zeit gelingen wird, eine Arbeit – zumindest im Niedriglohnsektor – zu finden und so seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei wird er – gerade in der Übergangszeit – auch auf die Hilfe und Unterstützung seiner bereits im Autonomiegebiet lebenden Familienangehörigen zurückgreifen können. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger auf der Lebensmittelkarte seines Onkels als Familienmitglied aufgeführt ist und damit grundsätzlich auch einen Anspruch auf Zuweisung von Lebensmittelrationen geltend machen kann. Allein die Tatsache, dass er eigenen Angaben nach nicht mehr im Besitz seiner Identitätskarte ist, die grundsätzlich Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu anderen Dienstleistungen ist, gebietet keine andere Einschätzung. Denn es ist ihm möglich und zumutbar, sich unter Vorlage des Geburtsregisterauszugs und ggf. mit Hilfe seiner Familie bei der speziell für Binnenvertriebene aus Mosul eingerichteten Ersatzbehörde eine neue Identitätskarte ausstellen zu lassen.
98Vgl. hierzu: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
99Diese Einschätzung wird dadurch belegt, dass es dem Kläger auch möglich war, sich im September 2014 und damit nach der Besetzung Mosuls durch den IS beim Zivilregisteramt in Shaikhan einen Auszug aus dem Generalregister zu beschaffen.
100Aufgrund der bestehenden Erkenntnislage musste die Kammer auch dem weiteren in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag nicht nachgehen, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger auf Dauer in den de jure kurdischen Gebieten keine Existenzsicherung erreichen kann, eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen. Denn nach den vorstehenden Ausführungen liegen ausreichend sachverständige Stellungnahmen für die Beurteilung der Frage vor, ob und wann das Existenzminimum in der Autonomen Region Kurdistan-Irak gesichert werden kann (vgl. § 244 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 StPO analog). Die vom Kläger angeführte Auskunft des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 14. August 2014 gebietet ebenfalls nicht die Einholung einer weiteren Stellungnahme, da diese Auskunft gegenüber den zitierten Erkenntnissen schon in zeitlicher Hinsicht überholt ist. Im Übrigen verhält sie sich in erster Linie zur Lage von Personen aus der Region Kirkuk, während der Kläger aus Mosul stammt.
1012. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu.
102Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AsylG (vgl. auch Art. 2 Buchst. f und 15 RL 2011/95/EU) ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden: (1.) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dabei kann der ernsthafte Schaden, wie aus § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3c AsylG folgt (vgl. auch Art. 6 RL 2011/95/EU), auch von nichtstaatlichen Akteuren unter den dort genannten Voraussetzungen ausgehen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU) wird dem Ausländer subsidiärer Schutz jedoch nicht zuerkannt, wenn (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor ernsthaftem Schaden hat und (2.) er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
103Zwar spricht vorliegend Vieles dafür, dass dem Kläger im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in seiner Herkunftsregion (Stadt Mosul/Provinz Niniveh),
104vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 = juris, Rn. 13 ff., wonach für die Gefahrenprognose nach § 4 Abs. 1 AsylG auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehrt,
105ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG – sei es in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, sei es wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – droht.
106Vgl. zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Provinz Ninive auch: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
107Der Zuerkennung subsidiären Schutzes steht jedoch entgegen, dass der Kläger – wie unter 1. im Einzelnen ausgeführt – in der Autonomen Region Kurdistan-Irak internen Schutz erhalten kann (vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
1083. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG zu.
109a) Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK scheidet aus denselben Erwägungen wie die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG aus. Denn der sachliche Regelungsbereich der Vorschrift ist weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG und geht, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht über diesen hinaus.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 25; und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 =, juris, Rn. 36.
111Aufgrund der Erkenntnislage ist insbesondere auch nicht ersichtlich, dass die allgemeinen sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnissen im Irak – landesweit – so schlecht sind, dass wegen der Annahme eines außergewöhnlichen Falls nach Art. 3 EMRK ausnahmsweise von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsste.
112Vgl. hierzu: EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 8219/07, Sufi und Elmi -, NVwZ 2012, 681.
113b) Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
114Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
115Für das Vorliegen einer individuell-konkreten Gefahr in diesem Sinne bestehen aus den o.g. Gründen keine Anhaltspunkte.
116Der Kläger kann nationalen Abschiebungsschutz auch weder aus der seit dem Vormarsch des IS massiv verschlechterten allgemeinen Sicherheitslage noch aus den allgemeinen Lebensbedingungen, insbesondere den wirtschaftlichen Existenzbedingungen im Irak herleiten.
117Dem steht bereits die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG entgegensteht, wonach Gefahren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht u.a. dann nicht, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG – oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.
118Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 13 ff.
119Davon ausgehend ist für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG hier kein Raum. Denn in Nordrhein-Westfalen besteht nach den ausländerrechtlichen Erlassen des Innenministeriums vom 14. Februar 2007 (15-39.03.02-3-Irak) und vom 13. Juli 2007 (15-39.03.02-5-Irak), die auf den Beschlüssen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 und vom 31. Mai/1. Juni 2007 beruhen, für irakische Staatsangehörige mit Ausnahme von Straftätern und Gefährdern der inneren Sicherheit, die aus den Provinzen des Kurdischen Autonomiegebietes Nordirak (Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah) stammen – wozu der Kläger nicht zählt –, nach wie vor ein Abschiebestopp aus tatsächlichen Gründen.
120Unabhängig davon lässt sich aus den o.a. Gründen auch nicht feststellen, dass sich die allgemeine Sicherheits- oder Wirtschaftslage im Irak – landesweit – zu einer extremen Gefahrenlage verdichtet hätte, die bei verfassungskonformer Auslegung eine Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG begründen und ausnahmsweise zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen könnte.
121Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 Abs. 1, 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
122Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
123Rechtsmittelbelehrung:
124Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
125Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1261. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
1272. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1283. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
129Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Aachen (Adalbertsteinweg 92 im Justizzentrum, 52070 Aachen oder Postfach 10 10 51, 52010 Aachen) oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte ‑ ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
130Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für die Einleitung des Rechtsmittelverfahrens beim Verwaltungsgericht. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen sowie diesen gleichgestellte Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
131Die Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¾, die Beklagte ¼.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist laut seinen Angaben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 00. G. 1981 in Mosul (Provinz Niniveh) geboren, irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und war ursprünglich islamischen Glaubens. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszugs aus dem Generalregister lauten seine Personalien auf F. L. B. , geboren am 00. N. 1991 in Mosul/Niniveh. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist er tatsächlich kurdischer Volkszugehörigkeit.
3Der Kläger reiste am 3. September 2005 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. September 2005 einen Asylantrag.
4Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt gab er im Kern an, den Irak verlassen zu haben, weil sein Vater, der unter dem Regime von Saddam Hussein mit dem irakischen Geheimdienst zusammengearbeitet habe, ca. zwei Monate nach dessen Sturz Drohungen seitens islamischer Terroristen erhalten habe. Im März 2004 sei sein Vater von Unbekannten getötet worden. Zwei Monate später habe er selbst Drohbriefe erhalten, in denen er mit dem Tod bedroht worden sei, falls er nicht 30.000 $ bezahle. Mithilfe seines Onkels sei er dann ausgereist.
5Mit Bescheid vom 30. September 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab. Die hiergegen erhobene Klage vom 5. Oktober 2005 (7 K 2138/05.A) wies das erkennende Gericht mit seit dem 7. März 2006 rechtskräftigem Urteil vom 13. Februar 2006 ab.
6Am 22. November 2013 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag, mit dem er geltend machte, inzwischen zum Christentum übergetreten zu sein.
7Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt am 13. Januar 2014 gab er an, dass er am 22. August 2013 im koptisch-orthodoxen St. B. Kloster in X. -L. getauft worden sei. Vor der Taufe habe man ihn vorbereitet. Er habe etwas auswendig lernen müssen. Er habe sich dazu entschlossen Christ zu werden, weil er schon im Irak eine Neigung gehabt habe, Kirchen zu besuchen. Als er nach Deutschland gekommen sei, sei er auch öfters in die Kirche gegangen. Der Umgang dort und die Menschlichkeit hätten ihn überzeugt. Im Irak habe er den Islam nicht praktiziert. Als Analphabet habe er den Koran nicht lesen können, er habe auch nichts auswendig gelernt und auch nicht gefastet oder gebetet. Im Irak habe er aber schon Kontakt zu Christen gehabt und auf das gehört, was diese im erklärt hätten. Auch in Deutschland habe er christliche Freunde. Ihn habe am Christentum beeindruckt, dass es dort Gerechtigkeit und Brüderlichkeit gebe. Christen seien friedlich. Er habe in Deutschland auch andere christlichen Kirchen besucht. Er sei aber mehr bei den koptischen Christen gewesen, weil er diese verstehen können, da sie Arabisch sprächen. Vor etwa einem Jahr habe er Kontakt zu einer koptischen Familie aufgenommen, er sei einsam gewesen. Jetzt gehöre er zu dieser Familie. Er habe auch Weihnachten bei ihr verbracht. Er glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn und der Erlöser sei. Jesus habe die Menschen von den Sünden, von der Schuld und den Fehlern gereinigt. Er habe ihnen auch beigebracht, dass man nicht lügen, töten oder stehlen und keine Sünden begehen solle. Auch solle man Bedürftige unterstützen. Den Unterschied zwischen koptischen und anderen Christen kenne er nicht. Soweit sei er noch nicht gekommen. Nach der Taufe sei er zweimal in dem Kloster bei Wetzlar gewesen. Es sei zu weit weg. Er sei jeweils zehn Tage dort geblieben. Zuhause gehe er auch in andere Kirchen, auch wenn er die Messe nicht verstehe. Er bete dort. Bei einer Rückkehr in den Irak werde man ihn sofort töten. Seine Eltern seien verstorben, Geschwister habe er auch keine. Er habe nur noch Onkel und Tanten im Irak, aber keinen Kontakt mehr zu ihnen. Er habe einer Cousine am Telefon erzählt, dass er Christ geworden sei. Sie habe daraufhin sofort den Hörer aufgelegt.
8Mit Bescheid vom 15. Mai 2014, zugestellt am 17. Mai 2014, stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gegeben seien, lehnte jedoch den Antrag auf Asylanerkennung ab, erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich drohte es dem Kläger für den Fall, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht binnen 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens verlassen habe, die Abschiebung in den Irak an.
9Der Kläger hat hiergegen am 27. Mai 2014 Klage erhoben. Er macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten beruhe sein Glaubensübertritt auf einem festen und nachhaltigen Entschluss, der durch die Vorgaben von Art. 4 GG geschützt sei. Als Christ werde er jedoch wegen seiner Religion im Irak verfolgt. Jedenfalls aber sei ihm subsidiärer Schutz zu gewähren. Denn in seiner Herkunftsregion herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Die Anzahl der Anschläge habe dort ein Maß erreicht, dass ein so hoher Gefahrengrad bestehe, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Darüber hinaus lägen wegen seiner christlichen Glaubenszugehörigkeit sowie seines langjährigen Aufenthalts in Europa besondere gefahrerhöhende Umstände vor, die die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben rechtfertigten. Ihm stehe auch keine inländische Fluchtalternative in der Autonomen Region Kurdistan-Irak zu. Die Niederlassung dort werde Flüchtlingen aus den sog. umstrittenen Gebieten dadurch erschwert, dass sie keine Nahrungsmittelrationen erhielten, weil diese an den Wohnsitz bzw. die Registrierung als Wähler gekoppelt seien, und dass sie für den Zuzug Bürgen beibringen müssten.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2014 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
12hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
13hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
14Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
17Die Erkenntnisse über die politische Situation im Irak, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, sind in das Verfahren eingeführt worden. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Verfolgungsschicksal persönlich angehört worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
21Der Bescheid des Bundesamtes vom 15. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
22Der Kläger kann zwar die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG beanspruchen (I.). Er hat jedoch in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (1.), noch einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG (2.), noch kann er die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG beanspruchen (3.) (II.).
23Maßgeblich für die Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
24I. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind erfüllt.
25Gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG ist vom Bundesamt auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylverfahrens gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens u.a. voraus, dass eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) und die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt wird.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 14.
27Mit Blick darauf, dass der Kläger ausweislich der Taufurkunde des koptisch-orthodoxen St. B. Klosters in X. -L. am 22. August 2013 getauft worden ist, hat sich seit dem unanfechtbaren Abschluss des Asylerstverfahrens im März 2006 sowohl die Sachlage nachträglich geändert, als auch liegen neue Beweismittel vor. Zudem erscheint aufgrund dieser neuen Umstände eine für den Kläger günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen, da nach der Erkenntnislage im Irak Konvertiten zum Christentum einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sein können.
28Der Kläger hat den Asylfolgeantrag vom 22. November 2013 auch fristgerecht binnen drei Monaten nach Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund, d.h. der Taufe gestellt (vgl. § 51 Abs. 3 VwVfG). Er war ferner ohne grobes Verschulden außer Stande, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (vgl. § 51 Abs. 2 VwVfG).
29II. Der Kläger kann auf der Grundlage der fristgerecht geltend gemachten neuen Tatsachen jedoch weder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), noch die Zuerkennung subsidiären Schutzes (2.), noch die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG (3.) beanspruchen.
301. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu.
31Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – vgl. zu den Verfolgungsgründen im Einzelnen § 3b AsylG – (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
32Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – Qualifikationsrichtlinie) Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
33Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU) zwischen den Verfolgungsgründen i.S.v. § 3 Abs. 1 und § 3b AsylVfG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
34Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen (1.) vom Staat, (2.) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung i.S.v. § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
35Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.2 -, NVwZ 2013, 936 = juris, Rn. 19.
37Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06. A -, juris, Rn. 35 ff.
39Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens des Klägers ist ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
40a) Zunächst ist nicht festzustellen, dass dem Kläger wegen seines Wechsels zum christlichen Glauben bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG droht.
41aa) Eine staatliche Verfolgung wegen seiner Konversion zum Christentum hat der Kläger nicht ernsthaft zu befürchten. Das irakische Strafgesetz stellt die Konversion vom Islam zum Christentum (oder eine andere Religion) nicht unter Strafe. Insbesondere existieren im Irak keine Scharia-Gerichte, die Konvertiten zum Tode verurteilen könnten. Auch wenn die irakische Verfassung den Islam zur offiziellen Staatsreligion und zur grundlegenden Quelle der Gesetzgebung erklärt und bestimmt, dass kein Gesetz im Widerspruch zu den Bestimmungen des Islams stehen darf, ist andererseits das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit einschließlich der Freiheit ihrer Ausübung ausdrücklich verfassungsrechtlich garantiert und kein Gesetz darf im Widerspruch zu den in den Verfassung angeführten Grundfreiheiten stehen. Dementsprechend sind alle im Irak vorhandenen christlichen Glaubensgemeinschaften gesetzlich anerkannt und staatlich registriert. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt.
42Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 9; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 5, 12 ff.; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum.
43Soweit das irakische Personenstandgesetz eine gesetzliche Anerkennung der Änderung der Religionszugehörigkeit nicht vorsieht und daraus u.a. ausweis-, ehe- und erbrechtliche Probleme für Konvertiten resultierten,
44vgl. hierzu: US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum,
45erreichen diese an die Religionszugehörigkeit anknüpfenden Benachteiligungen weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau die erforderliche Schwere für die Annahme einer Verfolgung im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) RL 2011/95/EU.
46bb) Dem Kläger droht aufgrund seines Glaubenswechsels zum Christentum auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure.
47Zwar geht die Kammer davon aus, dass religiöse Minderheiten einschließlich Christen in der Herkunftsregion des Klägers – Stadt Mosul/Niniveh – allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit einer (Gruppen-)Verfolgung durch die radikalislamische sunnitische Terrororganisation IS (auch Da'esh) ausgesetzt sind.
48Vgl. ebenso: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. September 2014 - 18a K 223/13.A -, juris Rn. 27 ff.; VG Hannover, Urteil vom 15. August 2014 - 6 A 9853/14 -, juris, Rn. 19 ff.
49So ging der IS, der nach wie vor einen Großteil der Provinz Niniveh beherrscht, nach der Einnahme der Stadt Mosul und weiter Teile der Ninive-Ebene im Juni 2014 systematisch und gezielt gegen religiöse Minderheiten sowie nicht-sunnitisch-muslimische Bevölkerungsgruppen vor. Es kam zu gezielten Verfolgungen, Zwangskonversion und Massenvertreibungen von Angehörigen religiöser Minderheiten sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Angehörige der religiösen Minderheiten, insbesondere Yeziden und Christen, aber auch schiitische Angehörige der Sicherheitskräfte wurden und werden in den vom IS beherrschten Gebieten Opfer von Gräueltaten. Aufgrund dessen hat die gesamte nicht-sunnitische Bevölkerung nach Bedrohungen, Entführungen, Tötungen und der Zerstörung ihrer religiösen Kultstätten innerhalb kürzester Zeit die Region verlassen. Schiiten und Minderheiten wie Christen und Yeziden sind geflohen.
50Vgl. nur: Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 4, 13; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. Oktober 2014, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 20 f.
51Vor dem Hintergrund, dass der IS die Errichtung eines Kalifats anstrebt, das u.a. Syrien und den Irak umfassen und in dem ausschließlich das islamische Recht der Scharia gelten soll, welches den Abfall vom islamischen Glauben (Apostasie) unter Androhung der Todesstrafe verbietet,
52vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien (EZKS), Auskunft an das VG München, Gutachten zu Irak (Kurdistan) vom 9. November 2011, S. 3,
53ist davon auszugehen, dass flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen durch den IS gerade auch Konvertiten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. So hat der IS z.B. in Mosul im September 2014 eine bekannte Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin von einem selbst ernannten "Gericht" wegen Apostasie hingerichtet.
54Vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum.
55Der irakische Staat und die irakischen Sicherheitskräfte sind auch nicht in der Lage, den Schutz der religiösen Minderheiten vor Übergriffen in den vom IS besetzten Gebieten sicherzustellen.
56Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 4, 13.
57Wie aus der Presseberichterstattung allgemein bekannt hat sich die irakische Armee Mitte 2014 aus den vom IS eingenommenen Gebieten im Norden des Iraks vollständig zurückgezogen und auf die Verteidigung der arabisch besiedelten Gebiete des Zentraliraks nördlich und westlich von Bagdad beschränkt. Auch der kurdischen Peschmerga ist es bisher nicht gelungen, den IS aus der Provinz Ninive zu vertreiben. Nach der Rückeroberung zahlreicher vom IS besetzter Gebiete im Laufe der Jahre 2015 und 2016 durch die irakischen Streitkräfte und deren Verbündete, plant die irakische Zentralregierung zwar, in einer gemeinsamen Offensive mit den kurdischen Peschmerga, den schiitische Milizen sowie der internationalen Anti-IS-Koalition den IS auch aus Mosul zu vertreiben. Die geplante Großoffensive hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch noch nicht begonnen und wird aller Voraussicht nach auch einige Zeit in Anspruch nehmen.
58Für die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung wegen des Wechsels bzw. der Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft genügt jedoch nicht allein die Tatsache, dass der Kläger formal – wie durch die kirchlich bescheinigte Taufe belegt – zum Christentum übergetreten ist.
59Nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Nach diesen Bestimmungen ist insbesondere auch das Recht des Einzelnen geschützt, sich aus religiöser Überzeugung für eine andere als die bisherige Religion zu entscheiden und sich zu der angenommenen Religion zu bekennen. Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU gelten für Konvertiten, die ihren Glauben aus religiöser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang wie für Gläubige, die ihre durch Geburt erworbene Religion beibehalten. Voraussetzung des Schutzes der Ausübung der „neuen" Religion ist allein, dass der Glaubenswechsel aufgrund religiöser Überzeugung erfolgt ist.
60Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 182 = juris, Rn. 56; allgemein zur Flüchtlingsanerkennung wegen der Gefahr religiöser Verfolgung: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 21 ff.; EuGH Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 -, NVwZ 2012, 1612 = juris, Rn. 1.
61Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er daher die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. Erst wenn der Glaubenswechsel die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise prägt, kann ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die von Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU garantierten Rechte zu verzichten, nur um Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen.
62Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. November 2013 - 13 A 2251/13.A -, juris, Rn. 5, und vom 30. Juli 2009 - 5 A 1999/07.A -, juris, Rn. 44; Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575 = juris, Rn. 37 f.; BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 ‑ 1 C 9.03 -, BVerwGE 120, 16 = juris, Rn. 22; Hess. VGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - 8 UE 3140/05. A -, NVwZ-RR 2008, 2008 = juris, Rn. 20; OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 182 = juris, Rn. 57, 71.
63Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass der Konvertit so fest im Glauben steht, dass er bereit ist, in seinem Herkunftsland für den Glauben selbst schwere Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat.
64Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. November 2013 - 13 A 2251/13.A -, juris, Rn. 7, und vom 30. Juli 2009 - 5 A 1999/07.A -, juris, Rn. 46; Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575 = juris, Rn. 39.
65Die Beurteilung der inneren Tatsache, ob der Glaubenswechsel auf einer ernsthaften inneren Überzeugung und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt, unterliegt dem Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678 = juris, Rn. 13.
67Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Kammer unter Würdigung des Akteninhalts sowie nach der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich aufgrund einer ernsthaften inneren Überzeugung dem Christentum zugewandt hat und der Glaubenswechsel nunmehr seine religiöse Identität prägt.
68Zunächst hat die Kammer bereits grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Person. Denn der Kläger hat, wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, gegenüber dem Bundesamt in der Vergangenheit wiederholt falsche Angaben zu seiner Identität, seiner Volkszugehörigkeit und zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszugs aus dem Generalregister (Geburtsregister) lautet sein Name entgegen den bisherigen Angaben tatsächlich F. L. B. und sein Geburtsdatum datiert auf den 00. N. 1981. Soweit der Kläger diese Falschangaben mit seiner Angst vor einer Abschiebung in den Irak begründet hat, vermag dies nicht zu überzeugen. Spätestens im Zeitpunkt der Folgeantragstellung im November 2013 musste ihm klar gewesen sein, dass trotz des unanfechtbar negativen Abschlusses des Asylerstverfahrens eine Abschiebung in den Irak nicht erfolgt. Andernfalls wäre der Kläger nicht seit dem Jahr 2006 durchgehend im Bundesgebiet geduldet worden. Des Weiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, tatsächlich nicht vom Stamm der B1. I. und arabischer Volkszugehörigkeit zu sein, sondern vielmehr dem Stamm der B1. N1. anzugehören und Kurde zu sein. Seine diesbezügliche Erklärung, das Bundesamt habe seine Volkszugehörigkeit bei beiden Asylanträgen fehlerhaft aufgenommen, überzeugt ebenfalls nicht. Denn der Kläger hat die Angaben in beiden Anträgen mit seiner Unterschrift als richtig bestätigt. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung offen gelegt, dass sein Vater nicht, wie im Asylerstverfahren behauptet, im Jahr 2004 verstorben, sondern bereits kurz nach seiner Geburt im Iran/Irak-Krieg gefallen sei. Diese unzutreffenden Angaben zu für die Beurteilung seines Vorbringens wesentlichen Umständen begründen nach Ansicht der Kammer jedoch durchgreifende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers insgesamt und damit auch an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens zu dem im vorliegenden Verfahren nunmehr geltend gemachten Übertritt zum christlichen Glauben.
69Ungeachtet dessen hat der Kläger schon seine inneren Beweggründe für den Glaubenswechsel nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass unter Berücksichtigung seines nur geringen Bildungsstandes – der Kläger hat nach eigenen Angaben nur wenige Jahre die Schule besucht und bezeichnet sich selbst als Analphabet – die Anforderungen an die Darlegung der Ernsthaftigkeit des religiösen Einstellungswandels entsprechend herabzustufen waren.
70So hat der Kläger zunächst seine Behauptung, er habe sich bereits im Irak dem Christentum zugewandt, nicht plausibel machen können. Die von ihm in der mündlichen Verhandlung angeführte Begründung, dass er eine Religion ablehne, die wie die Moslems in Mosul heute Frauen vergewaltige und verkaufe und anderen Menschen ihre Lehren aufzwinge, vermag ein schon damals bestehendes Interesse am Christentum nicht hinreichend zu erklären. Denn zu den vom Kläger beschriebenen Übergriffen auf Frauen und religiöse Minderheiten durch den IS ist es, wie er in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, erst nach seiner Ausreise aus dem Irak gekommen. So hat er auf Nachfrage ausdrücklich erklärt, dass christliche Glaubensangehörige vor seiner Ausreise keine Probleme im Irak gehabt hätten. Auch bietet der Hinweis des Klägers auf seine schwierige Kindheit – er sei nach dem Tod seines Vaters bei den Großeltern aufgewachsen, diese hätten sich nicht um ihn gekümmert, er habe im Gegensatz zu anderen Kindern keine gute Kleidung gehabt und nicht zur Schule gehen können – ebenso wenig eine nachvollziehbare Begründung für die geltend gemachte Hinwendung zum Christentum wie seine pauschale Behauptung, dass er im Irak christliche Freunde gehabt habe. Einer plausiblen Erklärung für das behauptete Interesse am Christentum hätte es aber insbesondere auch deswegen bedurft, weil der Kläger seinem eigenen Vortrag zufolge kein besonders religiös geprägter Mensch war. So hat er beim Bundesamt angegeben, seinen islamischen Glauben im Irak nicht praktiziert zu haben, insbesondere nicht gefastet und gebetet zu haben. In der mündlichen Verhandlung hat er dies zwar dahingehend relativiert, dass er zwar in die Moschee gegangen sei und auch gebetet und gefastet habe, dies allerdings nur wegen des Drucks seiner Familie getan habe. Dies lässt jedoch nicht erkennen, dass seine bisherige Glaubensbetätigung Ausdruck einer ernsthaften religiösen Überzeugung war. Insofern hätte die mit der Hinwendung zu einer anderen Religion zwangsläufig verbundene Ausbildung eines religiösen Bewusstseins einer schlüssigen Darlegung bedurft. Die Behauptung, dass seine Mutter Christin gewesen sei, vermag die behauptete Hinwendung zum Christentum im Irak ebenfalls nicht überzeugend zu erklären. Dies gilt schon deswegen, weil der Kläger seine Mutter gar nicht kennengelernt und damit von ihr auch keine christlichen Werte und Glaubensinhalten hat vermittelt bekommen können. Gegen einen längeren, schon im Irak begonnenen Prozess der religiösen Umorientierung spricht schließlich auch der Umstand, dass der Kläger sich erst im Jahr 2013 und damit acht Jahre nach seiner Einreise ins Bundesgebiet hat taufen lassen. Hätte er tatsächlich bereits im Irak eine auf einem ernsthaften religiösen Interesse beruhende Nähe zum christlichen Glauben verspürt, hätte es jedoch nahe gelegen, schon unmittelbar nach der Einreise im Jahr 2005 Kontakt mit christlichen Kirchengemeinden in Deutschland aufzunehmen. Hierfür lässt sich seinem Vortrag jedoch nichts entnehmen. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, erst im Jahr 2013 eine christliche Familie aus Ägypten kennengelernt und mit dieser erstmals eine christliche Kirche und einen christlichen Gottesdienst besucht zu haben.
71Der Kläger hat ferner auch nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, dass sein im Jahr 2013 gefasster Entschluss, dem christlichen Glauben beizutreten, das Ergebnis einer ernsthaften Beschäftigung mit dem christlichen Glauben in Deutschland war. Hiergegen spricht bereits der von ihm in der mündlichen Verhandlung geschilderte zeitliche Ablauf bis zur Taufe. Eigenen Angaben zufolge hat der Kläger die christliche Familie aus Ägypten, die ihn zum christlichen Glauben geführt habe, erst drei bis vier Monate vor seiner Taufe kennengelernt. Er sei vor der Taufe dann einmal zusammen mit der Familie in das St. B. Kloster bei X1. gefahren und habe dort auch den Gottesdienst besucht. Anlässlich dieses Besuchs habe er bereits seinen Wunsch geäußert, auch Christ werden zu wollen. Nach einem Gespräch mit einem Priester und einer weiteren Person sei er dann schon am nächsten Tag getauft worden. Angesichts der nur kurzen Zeitspanne von einigen wenigen Monaten zwischen dem ersten Kontakt des Klägers mit christlichen Glaubensangehörigen in Deutschland und seinem Entschluss, sich taufen zu lassen, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Glaubenswechsel auf einer intensiven und ernsthaften Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten im Allgemeinen sowie der koptisch-orthodoxen Kirchenlehre im Besonderen beruhte. Die vom Kläger erwähnte Vorbereitung auf die Taufe im Kloster erschöpfte sich in einem einmaligen Gespräch, von dem der Kläger im Übrigen nur eine – wenig religionsbezogene – Frage wiedergeben konnte, und dem Erlernen des Vaterunsers. Zudem war der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, konkret und nachvollziehbar darzustellen, welche Glaubensinhalte der christlichen Religion sowie insbesondere der koptisch-orthodoxen Lehre ihn beeindruckt und zur Abkehr von seinem bisherigen moslemischen Glauben bewogen haben. Seine diesbezüglichen Ausführungen beschränkten sich auf die wiederholte pauschale Feststellung, dass der Islam nur für Mord, Vertreibung und Vergewaltigung stehe, während das Christentum und Jesus für Frieden und Brüderlichkeit stünden. Was das Christentum im Hinblick auf seine Glaubensinhalte vom Islam unterscheidet, konnte der Kläger nicht – auch nicht in einfachen Worten – erklären. Soweit er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er wegen seiner Freundschaft zu der christlichen Familie aus Ägypten in das Kloster gefahren sei und dort am Gottesdienst teilgenommen habe, weist dies zudem darauf hin, dass der Glaubenswechsel mehr auf gesellschaftlich-sozialen Motiven als auf einem ernsthaften religiösen Einstellungswandel beruhte. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, dass der Kläger schon beim Bundesamt angegeben hat, einsam gewesen zu sein, als er die Familie kennengelernt habe, inzwischen aber Teil der Familie zu sein. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung habe sich die Beziehung zu der Familie inzwischen derart vertieft, dass er die Ehefrau sogar Mutter nennen dürfe. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Glaubenswechsel des Klägers für die Kammer eher als ein weiterer Schritt zur Verfestigung seiner sozialen Bindung mit der befreundeten christlichen Familie dar, denn als Abschluss eines Prozesses der religiösen Umorientierung.
72Des Weiteren war in der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen, dass der Kläger zumindest mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Während er beim Bundesamt jedenfalls noch rudimentäre Kenntnisse der christlichen Glaubenslehre gezeigt hat, blieben seine diesbezüglichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vollkommen oberflächlich und inhaltsleer. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Erklärung, dass Jesus Kranke geheilt und Tote wieder zum Leben erweckt habe. Das Vaterunser konnte er lediglich bruchstückhaft auf Deutsch vortragen. Abgesehen von Weihnachten konnte der Kläger keine weiteren Feiertage des Christentums benennen. Ihm war weder der Name des aktuellen Papstes noch des Gründers der koptisch-orthodoxen Kirche bekannt. Soweit der Kläger seine Wissensdefizite damit erklärt hat, dass er nicht lesen und schreiben könne, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die Beschäftigung mit einer Religion und das Erlernen von Glaubensinhalten sind auch in mündlicher Form möglich. Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger über das Christentum sagen konnte als noch kurz nach der Taufe, zeigt zudem, dass er sich seitdem offensichtlich nicht weiter mit seinem neuen Glauben befasst und auseinandergesetzt hat.
73Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass der Kläger den christlichen Glauben im Bundesgebiet praktisch lebt. Nach eigenen Angaben hat er das St. B. Kloster nach der Taufe im August 2013 nur noch viermal für jeweils mehrere Tage besucht. Ausweislich der in der Ausländerakte befindlichen Verlassenserlaubnisse fanden diese Besuche im September 2013 (11 Tage), zum Jahreswechsel 2013/14 (20 Tage) und im Mai 2014 (27 Tage) statt. Ein letzter dreitägiger Besuch erfolgte laut Kläger vor ca. acht Monaten. Die Tatsache, dass der Kläger in den letzten drei Jahren kaum Kontakt zu seiner neuen Glaubensgemeinschaft gesucht hat und der vorhandene wenige Kontakt in den letzten eineinhalb Jahren sogar nahezu abgebrochen ist, spricht jedoch dafür, dass der Besuch von Gottesdiensten und die Gemeinschaft mit anderen Glaubensangehörigen, beides zentrale Elemente des koptisch-orthodoxen Glaubens, für ihn keine grundlegende Bedeutung hat. Seine hierfür gegebene Erklärung, dass er in letzter Zeit nicht mehr zur Kirche gegangen sei, weil er so viel habe arbeiten müsse, ändert an dieser Einschätzung nichts, sondern bestätigt sie vielmehr. Abgesehen davon geht der Kläger ausweislich des in der Ausländerakte befindlichen Arbeitsvertrages erst seit April 2016 einer Vollzeitbeschäftigung nach. Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger – worauf bereits das Bundesamt hingewiesen hat – keinen Kontakt zu koptisch-orthodoxen Gemeinden in der Nähe, etwa der St. N. L1. in Düsseldorf aufgenommen hat, um in Gottesdiensten seine spirituellen Bedürfnisse zu befriedigen und die Gemeinschaft mit anderen Glaubensangehörigen zu finden. Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung pflegt der Kläger – mit Ausnahme der befreundeten Familie aus Ägypten – auch keinen Kontakt zu anderen Christen oder christlichen Organisationen und nimmt auch nicht an kirchlichen Veranstaltungen wie Bibelkreisen o.ä. teil. Unter diesen Umständen vermag jedoch allein die Behauptung, täglich für sich zu beten, nicht die Annahme zu begründen, dass der christliche Glaube die religiöse Identität des Klägers nachhaltig im Sinne einer festen religiösen Überzeugung prägt.
74b) Der Kläger kann die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit beanspruchen.
75aa) Die Behauptung des Klägers, dass in seiner Herkunftsregion Kurden allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich den IS droht, begegnet nach Einschätzung der Kammer bereits durchgreifenden Zweifeln. Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich nämlich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der IS kurdische Volkszugehörige gezielt und systematisch allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt. Die Tatsache, dass der IS im Zuge seines Vormarsches im Nordirak im Sommer 2014 auch Gebiete angegriffen und besetzt hat, die unter der Verwaltung der kurdischen Autonomieregierung stehen, ist nach der Erkenntnislage vielmehr in erster Linie dem Expansionsstreben des IS geschuldet, dessen Ziel es ist, u.a. im Irak einen eigenständigen Staat bzw. ein Kalifat zu errichten. Zur Erreichung dieses Ziels geht der IS militärisch jedoch unterschiedslos gegenüber allen Bewohnern der von ihm angestrebten Gebiete vor. Gegen eine zielgerichtete Verfolgung von Kurden durch den IS spricht ferner auch die Tatsache, dass sich in der Vergangenheit eine beträchtliche Anzahl an irakischen Kurden dem IS angeschlossen hat und nunmehr auf dessen Seite mitkämpft. Entsprechend ist etwa der Selbstmordanschlag in Erbil im November 2014 von einem kurdischen IS-Anhänger verübt worden.
76Vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015, Irak – Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region.
77Diese Frage bedarf hier allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn man eine Gruppenverfolgung von Kurden durch den IS in der Herkunftsregion des Klägers bejahte, kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedenfalls deswegen nicht Betracht, weil dem Kläger – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – ein interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG offensteht.
78Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer auch keine Veranlassung, dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise, d.h. für den Fall der Klageabweisung gestellten Antrag nachzugehen, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger in Mosul allein aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen durch den IS ausgesetzt wäre, eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen. Denn nach Ansicht der Kammer kommt es für die Entscheidung auf diese Tatsachenbehauptung nicht an (vgl. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO analog), weil der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insoweit jedenfalls § 3e AsylG entgegensteht.
79bb) Dem Kläger steht in der Autonomen Region Kurdistan-Irak ein interner Schutz offen.
80Nach § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU) wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwarten kann, dass er sich dort niederlässt.
81Die Autonome Region Kurdistan-Irak bietet für den Kläger unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse über die dortigen Gegebenheiten sowie insbesondere seiner persönlichen Umstände (vgl. § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 RL 2011/95/EU) internen Schutz im Sinne dieser Bestimmung.
82(1.) Nach der Erkenntnislage ist die Autonome Region Kurdistan-Irak gegenwärtig als sicher zu bezeichnen (vgl. § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG). In den drei zu ihr gehörenden Provinzen Dohuk, Erbil und B1. Sulaimaniyah ebenso wie in den weiteren unter der Verwaltung der kurdischen Regionalregierung stehenden Gebieten ist insbesondere auch der Schutz religiöser Minderheiten vor Gewalt und Verfolgung weitgehend sicher gestellt. Auch besteht in dieser Region derzeit kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Die Autonome Region Kurdistan-Irak ist gegenwärtig von den Kampfhandlungen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen zwischen dem IS und dem irakischen Militär sowie den kurdischen Peschmerga nicht betroffen. Aus diesem Grund sind im Zuge des Vormarsches des IS Mitte 2014 auch zahlreiche Angehörige der religiösen Minderheiten aus der Provinz Niniveh in die Autonome Region Kurdistan-Irak geflohen.
83Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 7; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 5 f., 28 ff.; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq, vom 10. August 2016; Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, www.asylumlawdatabase.eu; VG Saarland, Urteil vom 30. Mai 2016 - K 1075/13 -, juris, Rn. 32 ff.; VG München, Urteile vom 13. Mai 2016 - 4 K 16.30558 -, juris, Rn. 20 ff., und vom 30. September 2015 - 4 K 13.30821 -, juris, Rn. 30 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 8. September 2016 - AN 4 K 16.30131 -, juris, Rn. 26.
84Dem Kläger droht in der Autonomen Region Kurdistan-Irak insbesondere auch nicht wegen seines Übertritts zum christlichen Glauben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Eine insoweit allenfalls in Betracht zu ziehende Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure,
85vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Irak: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwaltenden Provinzen Sulaimaniyah, Erbil und Dohuk, vom 10. Januar 2008, S. 13 f., sowie Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Update vom 5. November 2009, S. 11; Auskunft des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien an das VG München vom 9. November 2011, S. 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 32,
86scheidet schon deswegen aus, weil die Kammer – wie oben im Einzelnen ausgeführt – nicht davon überzeugt ist, dass der Glaubenswechsel des Klägers auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruht und seine religiöse Identität nicht derart prägt, dass ihm nicht angesonnen werden kann, auf seine in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU garantierten Rechte zu verzichten, nur um einer Verfolgung zu entgehen.
87Die Kammer vermag insbesondere auch eine begründete Furcht vor Verfolgung seitens der Familie des Klägers nicht zu erkennen. Auch wenn diese von seinem –formalen – Übertritt zum christlichen Glauben Kenntnis erlangt hat, weil der Kläger ihr dies mitgeteilt hat, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, dass ihm deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch seine Angehörigen droht. Der Kläger selbst hat schon nicht geltend gemacht, dass seine Familie ihm mit dem Ausstoß aus dem Familienverband oder gar mit Übergriffen gegen Leib und Leben gedroht habe, nachdem sie von seinem Glaubenswechsel erfahren habe. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass die Ehefrau eines Onkels seinen Entschluss befürwortet habe, während der Onkel ihn zunächst beschimpft, später aber seine Entscheidung akzeptiert und für in Ordnung befunden habe. Soweit der Kläger angegeben hat, dennoch Angst vor seinem Onkel zu haben, weil dieser ihn in der Kindheit immer geschlagen habe, rechtfertigt dies allein nicht die Annahme, dass der Kläger von seiner Familie erhebliche Repressionen gerade wegen seines Glaubenswechsels zu befürchten hat. Hiergegen spricht im Übrigen auch, dass die Mutter des Klägers seinen Angaben zufolge Christin gewesen ist, während sein Vater dem sunnitischen Glauben angehört hat. Diese Tatsache belegt, dass die Familie des Klägers väterlicherseits, auch wenn er sie selbst als sehr religiös bezeichnet, in Religionsfragen offenkundig eine eher tolerante Haltung einnimmt. Diese Einschätzung wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Kläger nach dem Tod des Vaters bei seinen Großeltern aufgewachsen ist. Dass das Sorgerecht für die Kinder regelmäßig nicht der Mutter zugesprochen wird, entspricht nämlich unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Betroffenen den familienrechtlichen Gegebenheiten im Irak. Schließlich ist mit Repressalien seitens der Familie auch schon deswegen nicht zu rechnen, weil nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu erwarten ist, dass der Kläger seinen christlichen Glauben im Falle einer Rückkehr in den Irak auch tatsächlich leben wird.
88(2.) Die weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines internen Schutzes i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen im Fall des Klägers ebenfalls vor.
89Der Kläger kann die Autonome Region Kurdistan-Irak sicher und legal erreichen. Die Region wird über die dortigen Flughäfen regelmäßig von Luftfahrtgesellschaften angeflogen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen erhalten irakische Staatsangehörige, die über einen Flughafen einreisen, selbst wenn sie – wie der Kläger – nicht aus der Autonomen Region Kurdistan-Irak stammen, dort mit einem (verlängerbaren) Visum für kurzfristige Aufenthalte Zugang, und zwar laut mehreren Quellen auch ohne Bürgen (sponsor). Kurdische Volkszugehörige – wie der Kläger – begegnen bei der Einreise grundsätzlich keinen Problemen.
90Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 14 ff., 19; Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Return/Internal relocation, August 2016, S. 41 ff.
91Es ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger in der Autonomen Region Kurdistan-Irak auch (langfristig) Aufnahme finden wird. Wollen irakische Staatsangehörige nach Ablauf des Visums in der Autonome Region Kurdistan-Irak verbleiben und arbeiten, müssen sie sich bei den örtlichen Behörden registrieren und bedürfen einer Aufenthaltserlaubnis, die wiederum Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und verschiedene Dienstleistungen ist. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wird, auch wenn die Praxis je nach Provinz und im Einzelfall abweichen kann, für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich verlangt, dass der Betroffene Identitätsdokumente vorlegen, einen Wohnsitz nachweisen und einen Bürgen benennen kann. Ferner dürfen seitens der lokalen Sicherheitsbehörde (Asayish) keine Sicherheitsbedenken bestehen. Laut mehreren Quellen sind kurdische Volkszugehörige allerdings von dem Erfordernis, einen Bürgen zu benennen, generell ausgenommen.
92Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 16 f.; Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Return/Internal relocation, August 2016, S. 41 ff.; Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 15; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. Oktober 2014, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region, S. 7.
93Gemessen daran ist anzunehmen, dass dem Kläger – ebenso wie seinen übrigen bereits dorthin gezogenen Verwandten – ein langfristiger Aufenthalt in der Autonomen Region Kurdistan-Irak möglich sein wird. Er kann sich durch den Auszug aus dem Geburtsregister zur Person ausweisen. Ferner wird er bei seinen Verwandten Unterkunft finden und damit auch einen Wohnsitz benennen können. Außerdem ist davon auszugehen, dass seine Verwandten, sofern dies erforderlich sein sollte, auch für ihn als Bürgen auftreten können. Im Übrigen besteht kein Anhalt dafür, dass die kurdischen Behörden kurdische Volkszugehörige, deren Erlaubnisse abgelaufen sind, aktiv aus der autonomen Region Kurdistan-Irak entfernen.
94Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
95Schließlich kann von dem Kläger auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in der Autonomen Region Kurdistan-Irak niederlässt. Zwar ist das kurdische Autonomiegebiet aufgrund des bisherigen Zustroms von Flüchtlingen nahezu an der Grenze seiner Aufnahmefähigkeit angelangt. Seit Anfang 2014 haben dort mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sowie mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge Aufnahme gefunden. Aufgrund des drastischen Bevölkerungswachses (20-30 %) ist der Wettbewerb um Arbeit entsprechend stark gestiegen und die Löhne und damit auch das Haushaltseinkommen sind spürbar gesunken. Die Arbeitslosenquote bewegt sich nach verschiedenen Quellen zwischen 6,5 % und 35 %. Hinzu kommt die wirtschaftliche Krise infolge sinkender Ölpreise, eines Budgetstreits mit der Zentralregierung sowie des Rückgangs ausländischer Investitionen wegen der Sicherheitslage.
96Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 15; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015, Irak: Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region, S. 1 f.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 52 ff.
97Jedoch geht die Kammer mit Blick auf die persönlichen Umstände des Klägers davon aus, dass es ihm trotz der angespannten sozio-ökonomischen und wirtschaftlichen Lage in der Autonomen Region Kurdistan-Irak möglich sein wird, sich dort eine Existenzgrundlage soweit zu sichern, dass es ihm zumutbar ist, sich dort aufzuhalten. Denn es ist anzunehmen, dass es dem Kläger als 35-jährigen, erwerbsfähigen Mann mit familiären und wirtschaftlichen Beziehungen in der Region auch ohne qualifizierte Berufsausbildung in absehbarer Zeit gelingen wird, eine Arbeit – zumindest im Niedriglohnsektor – zu finden und so seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei wird er – gerade in der Übergangszeit – auch auf die Hilfe und Unterstützung seiner bereits im Autonomiegebiet lebenden Familienangehörigen zurückgreifen können. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger auf der Lebensmittelkarte seines Onkels als Familienmitglied aufgeführt ist und damit grundsätzlich auch einen Anspruch auf Zuweisung von Lebensmittelrationen geltend machen kann. Allein die Tatsache, dass er eigenen Angaben nach nicht mehr im Besitz seiner Identitätskarte ist, die grundsätzlich Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu anderen Dienstleistungen ist, gebietet keine andere Einschätzung. Denn es ist ihm möglich und zumutbar, sich unter Vorlage des Geburtsregisterauszugs und ggf. mit Hilfe seiner Familie bei der speziell für Binnenvertriebene aus Mosul eingerichteten Ersatzbehörde eine neue Identitätskarte ausstellen zu lassen.
98Vgl. hierzu: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
99Diese Einschätzung wird dadurch belegt, dass es dem Kläger auch möglich war, sich im September 2014 und damit nach der Besetzung Mosuls durch den IS beim Zivilregisteramt in Shaikhan einen Auszug aus dem Generalregister zu beschaffen.
100Aufgrund der bestehenden Erkenntnislage musste die Kammer auch dem weiteren in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag nicht nachgehen, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger auf Dauer in den de jure kurdischen Gebieten keine Existenzsicherung erreichen kann, eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen. Denn nach den vorstehenden Ausführungen liegen ausreichend sachverständige Stellungnahmen für die Beurteilung der Frage vor, ob und wann das Existenzminimum in der Autonomen Region Kurdistan-Irak gesichert werden kann (vgl. § 244 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 StPO analog). Die vom Kläger angeführte Auskunft des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 14. August 2014 gebietet ebenfalls nicht die Einholung einer weiteren Stellungnahme, da diese Auskunft gegenüber den zitierten Erkenntnissen schon in zeitlicher Hinsicht überholt ist. Im Übrigen verhält sie sich in erster Linie zur Lage von Personen aus der Region Kirkuk, während der Kläger aus Mosul stammt.
1012. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu.
102Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AsylG (vgl. auch Art. 2 Buchst. f und 15 RL 2011/95/EU) ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden: (1.) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dabei kann der ernsthafte Schaden, wie aus § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3c AsylG folgt (vgl. auch Art. 6 RL 2011/95/EU), auch von nichtstaatlichen Akteuren unter den dort genannten Voraussetzungen ausgehen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU) wird dem Ausländer subsidiärer Schutz jedoch nicht zuerkannt, wenn (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor ernsthaftem Schaden hat und (2.) er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
103Zwar spricht vorliegend Vieles dafür, dass dem Kläger im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in seiner Herkunftsregion (Stadt Mosul/Provinz Niniveh),
104vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 = juris, Rn. 13 ff., wonach für die Gefahrenprognose nach § 4 Abs. 1 AsylG auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehrt,
105ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG – sei es in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, sei es wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – droht.
106Vgl. zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Provinz Ninive auch: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
107Der Zuerkennung subsidiären Schutzes steht jedoch entgegen, dass der Kläger – wie unter 1. im Einzelnen ausgeführt – in der Autonomen Region Kurdistan-Irak internen Schutz erhalten kann (vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
1083. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG zu.
109a) Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK scheidet aus denselben Erwägungen wie die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG aus. Denn der sachliche Regelungsbereich der Vorschrift ist weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG und geht, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht über diesen hinaus.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 25; und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 =, juris, Rn. 36.
111Aufgrund der Erkenntnislage ist insbesondere auch nicht ersichtlich, dass die allgemeinen sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnissen im Irak – landesweit – so schlecht sind, dass wegen der Annahme eines außergewöhnlichen Falls nach Art. 3 EMRK ausnahmsweise von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsste.
112Vgl. hierzu: EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 8219/07, Sufi und Elmi -, NVwZ 2012, 681.
113b) Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
114Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
115Für das Vorliegen einer individuell-konkreten Gefahr in diesem Sinne bestehen aus den o.g. Gründen keine Anhaltspunkte.
116Der Kläger kann nationalen Abschiebungsschutz auch weder aus der seit dem Vormarsch des IS massiv verschlechterten allgemeinen Sicherheitslage noch aus den allgemeinen Lebensbedingungen, insbesondere den wirtschaftlichen Existenzbedingungen im Irak herleiten.
117Dem steht bereits die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG entgegensteht, wonach Gefahren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht u.a. dann nicht, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG – oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.
118Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 13 ff.
119Davon ausgehend ist für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG hier kein Raum. Denn in Nordrhein-Westfalen besteht nach den ausländerrechtlichen Erlassen des Innenministeriums vom 14. Februar 2007 (15-39.03.02-3-Irak) und vom 13. Juli 2007 (15-39.03.02-5-Irak), die auf den Beschlüssen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 und vom 31. Mai/1. Juni 2007 beruhen, für irakische Staatsangehörige mit Ausnahme von Straftätern und Gefährdern der inneren Sicherheit, die aus den Provinzen des Kurdischen Autonomiegebietes Nordirak (Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah) stammen – wozu der Kläger nicht zählt –, nach wie vor ein Abschiebestopp aus tatsächlichen Gründen.
120Unabhängig davon lässt sich aus den o.a. Gründen auch nicht feststellen, dass sich die allgemeine Sicherheits- oder Wirtschaftslage im Irak – landesweit – zu einer extremen Gefahrenlage verdichtet hätte, die bei verfassungskonformer Auslegung eine Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG begründen und ausnahmsweise zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen könnte.
121Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 Abs. 1, 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
122Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
123Rechtsmittelbelehrung:
124Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
125Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1261. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
1272. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1283. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
129Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Aachen (Adalbertsteinweg 92 im Justizzentrum, 52070 Aachen oder Postfach 10 10 51, 52010 Aachen) oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte ‑ ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
130Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für die Einleitung des Rechtsmittelverfahrens beim Verwaltungsgericht. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen sowie diesen gleichgestellte Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
131Die Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Flüchtlinge (Bundesamt) mit dem sein Asylbegehren abgelehnt wurde.
Eigenen Angaben zufolge ist der Kläger irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Über die Türkei und weitere ihm unbekannte Länder sei er mit dem Lkw und dem Zug am ... August 2015 nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag datiert vom 1. Februar 2016.
Bei seiner persönlichen Anhörung am ... Februar 2016 gab der Kläger an, im Irak zuletzt in der Stadt … in der Provinz … gelebt zu haben. Zu seinem Verfolgungsschicksal äußerte der Kläger, dass er mit ca. 15 Jahren vom Glauben abgefallen sei. Er glaube nur an einen Gott, nicht an eine Religion. Sein Vater sei schon gestorben, als er ein kleines Kind gewesen sei. Seine Mutter sei zunächst verärgert gewesen, habe sich aber damit abgefunden. Seine älteren Brüder seien gegen seinen Abfall vom Glauben gewesen, sie hätten ihn des Öfteren geschlagen. Zur Polizei sei er nicht gegangen, weil er sich geschämt habe. Auch andere Jugendliche hätten den Kläger verspottet und ihm gesagt, dass sie ihn eines Tages zurückholen würden in den Islam. Sie hätten gesagt, dass der Kläger etwas erleben werde, wenn sie dies nicht schaffen würden. Einmal habe ihn eine Person in der Gasse bei seiner Tante geschlagen. Es sei dunkel gewesen, er könne sich nicht erinnern, ob dies Jugendliche gewesen seien. Er habe auch Drohungen per SMS erhalten. Woher die Jugendlichen seine Nummer hatten, könne er nicht sagen. Die SMS lauteten ungefähr so: „Wir werden dich töten, weil du Atheist bist, du musst die Stadt verlassen“. Wann er die letzte SMS erhalten habe, wisse er nicht mehr. Im Jahr 2014 sei er von der Schule geflogen. Viele Eltern hätten sich beschwert, dass ihre Kinder mit jemand die Schule besuchten, der nicht an den Islam glaube. Der Direktor sei eines Tages in seine Klasse gekommen und habe alle Schüler befragt, wer mit dem Kläger in der Klasse bleiben wolle. Da hätten alle nein gesagt. Seine Verwandtschaft habe ihn grundsätzlich gemieden. Wenn sie seine Mutter besuchten, hätten sie ihn ignoriert. An einen anderen Ort sei er nicht gegangen, weil er jung sei und eine Familie brauche. Er brauche jemanden, der sich um ihn kümmere. Er hätte sonst niemanden, bei dem er im Irak wohnen könnte. Er könnte höchstens einfache Arbeiten verrichten, da er keinen Abschluss besitze. Er käme höchstens auf etwa 300.000,00 irakische Dinar, eine Wohnung zur Miete koste aber mind. 400.000,00. Wenn er an seinen Heimatort zurückkäme, hätte er die gleichen Probleme, die ihn dazu veranlasst hatten, den Irak zu verlassen. Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu und lehnte seinen Antrag auf Asylanerkennung ab (1. u. 2.). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ihm nicht zuerkannt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (4.). Der Kläger werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisfrist nicht einhalten, werde er in den Irak abgeschoben. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6).
Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigten nicht vorlägen. Selbst bei Wahrunterstellung des gemachten Sachvortrages hinsichtlich der Drohungen der Jugendlichen und das Traktierens der Stiefbrüder würde kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehen, da vorliegend kein Anknüpfungsmerkmal sowie keine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG ersichtlich seien. Im Übrigen sei der Sachvortrag des Klägers unglaubhaft. Der Kläger sei erst im Jahr 2015 ausgereist, obwohl die Bedrohungen bereits seit dem Jahr 2011 bestanden haben sollen. Auch wenn der Kläger vortrage, dass er laut eigener Aussage mit 16 oder 17 Jahren noch zu jung für eine Ausreise gewesen sei, könnten die Bedrohungen daher nicht so gravierend gewesen sein. Des Weiteren sei der Kläger nicht im Stande gewesen, durch einen lebensnahen, detaillierten und ausführlichen, mithin erlebnisgeprägten Sachvortrag zu überzeugen. Er habe keine fundierten Schilderungen maßgeblicher Einzelheiten nennen können. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides verwiesen.
Mit Telefax vom 9. Juni 2016 erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen; hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorlägen.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2016 legte die Beklagte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Mit Schreiben vom 14. November 2016 begründete die Bevollmächtigte des Klägers die Klage. Der Kläger habe bereits in seiner persönlichen Anhörung glaubhaft gemacht, dass er weder an Allah noch an einen anderen Gott glaube. Er wolle seinen Nichtglauben ausüben und zu diesem auch in der Öffentlichkeit stehen. Dies sei dem Kläger insbesondere auch deswegen besonders wichtig, da er sich von den Gräueltaten, die im Namen des Islam verübt würden, distanzieren wolle. Aufgrund seiner religiösen Einstellung drohe dem Kläger in seinem Heimatland Verfolgung. Bereits vor seiner Ausreise sei der Kläger aufgrund seiner religiösen Gesinnung diskriminiert und verfolgt worden. So sei er von Familienmitgliedern größtenteils verstoßen, von den eigenen Brüdern geschlagen und aufgrund seines Nichtglaubens von der Schule geworfen worden. Auch aufgrund der aktuellen Lage drohe dem Kläger Lebensgefahr, wenn er sich offen gegen den Islam stelle.
In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016 äußerte der Kläger, dass er mittlerweile zum Christentum tendiere. Er gehe dreimal in die Woche in die Kirche; er sei nach langem Nachdenken zu der Einsicht gekommen, dass jeder eine Religion brauche. Der Kläger legte eine Bescheinigung vor, nach der er an einem Orientierungskurs „Christ werden“ teilnehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes und auf die Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2016 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
1. Die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz - GG - kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylG).
2. Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG beantragt, hat der Antrag keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb der Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
a) Bei einer Rückkehr in den Irak droht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts wegen seines Abfalls vom Glauben bzw. seines neugefundenen christlichen Glaubens nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung.
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion - KAR - aus. Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z. B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt - AA -, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9; Europäisches Zentrum für Kurdische Studien -EZKS-, Auskunft an VG München, Gutachten Irak (Yeziden) v. 07.09.2015, S. 8). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ -IS- im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen. Die Kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen (zum Vorstehenden AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak, Oktober 2014, S. 13.
b) Soweit der Kläger private Verfolgungshandlungen durch seine Familie bzw. Fremde vorträgt, ist für das Gericht nicht ersichtlich, wieso der Kläger nicht internen Schutz im Sinne von § 3e AsylG in einer anderen Provinz der Kurdischen Autonomiegebiete finden könnte. Wie bereits festgestellt, würde dem Kläger hier nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung drohen. Da der Kläger auch selbst vermutet, dass die Droh-Sms von seinem näheren Umfeld stammten, hätte dieses Problem mit einem Umzug in eine andere Provinz gelöst werden können, ebenso wie die Misshandlungen durch seine Familie. Der Kläger ist mittlerweile 20 Jahre alt und mithin nicht mehr in einem Alter, in dem er auf familiäre Unterstützung angewiesen ist - zumal er diese auch bei seiner langen Reise nach Deutschland nicht hatte. Zudem hat der Kläger noch nicht einmal versucht, staatlichen Schutz im Sinne von § 3d AsylG in Anspruch zu nehmen.
3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu.
a) Hinsichtlich des vom Kläger vorgetragenen persönlichen Verfolgungsschicksals ist dieser abermals zumindest auf die internen Fluchtalternativen zu verweisen.
b) Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht (vgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016; Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015). Der Kläger muss daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhält. Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - NVwZ 2001, 1420).
Sonstige Gefahren i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
5. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Asylberechtigter oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist laut seinen Angaben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 00. G. 1981 in Mosul (Provinz Niniveh) geboren, irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und war ursprünglich islamischen Glaubens. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszugs aus dem Generalregister lauten seine Personalien auf F. L. B. , geboren am 00. N. 1991 in Mosul/Niniveh. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist er tatsächlich kurdischer Volkszugehörigkeit.
3Der Kläger reiste am 3. September 2005 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. September 2005 einen Asylantrag.
4Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt gab er im Kern an, den Irak verlassen zu haben, weil sein Vater, der unter dem Regime von Saddam Hussein mit dem irakischen Geheimdienst zusammengearbeitet habe, ca. zwei Monate nach dessen Sturz Drohungen seitens islamischer Terroristen erhalten habe. Im März 2004 sei sein Vater von Unbekannten getötet worden. Zwei Monate später habe er selbst Drohbriefe erhalten, in denen er mit dem Tod bedroht worden sei, falls er nicht 30.000 $ bezahle. Mithilfe seines Onkels sei er dann ausgereist.
5Mit Bescheid vom 30. September 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab. Die hiergegen erhobene Klage vom 5. Oktober 2005 (7 K 2138/05.A) wies das erkennende Gericht mit seit dem 7. März 2006 rechtskräftigem Urteil vom 13. Februar 2006 ab.
6Am 22. November 2013 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag, mit dem er geltend machte, inzwischen zum Christentum übergetreten zu sein.
7Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt am 13. Januar 2014 gab er an, dass er am 22. August 2013 im koptisch-orthodoxen St. B. Kloster in X. -L. getauft worden sei. Vor der Taufe habe man ihn vorbereitet. Er habe etwas auswendig lernen müssen. Er habe sich dazu entschlossen Christ zu werden, weil er schon im Irak eine Neigung gehabt habe, Kirchen zu besuchen. Als er nach Deutschland gekommen sei, sei er auch öfters in die Kirche gegangen. Der Umgang dort und die Menschlichkeit hätten ihn überzeugt. Im Irak habe er den Islam nicht praktiziert. Als Analphabet habe er den Koran nicht lesen können, er habe auch nichts auswendig gelernt und auch nicht gefastet oder gebetet. Im Irak habe er aber schon Kontakt zu Christen gehabt und auf das gehört, was diese im erklärt hätten. Auch in Deutschland habe er christliche Freunde. Ihn habe am Christentum beeindruckt, dass es dort Gerechtigkeit und Brüderlichkeit gebe. Christen seien friedlich. Er habe in Deutschland auch andere christlichen Kirchen besucht. Er sei aber mehr bei den koptischen Christen gewesen, weil er diese verstehen können, da sie Arabisch sprächen. Vor etwa einem Jahr habe er Kontakt zu einer koptischen Familie aufgenommen, er sei einsam gewesen. Jetzt gehöre er zu dieser Familie. Er habe auch Weihnachten bei ihr verbracht. Er glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn und der Erlöser sei. Jesus habe die Menschen von den Sünden, von der Schuld und den Fehlern gereinigt. Er habe ihnen auch beigebracht, dass man nicht lügen, töten oder stehlen und keine Sünden begehen solle. Auch solle man Bedürftige unterstützen. Den Unterschied zwischen koptischen und anderen Christen kenne er nicht. Soweit sei er noch nicht gekommen. Nach der Taufe sei er zweimal in dem Kloster bei Wetzlar gewesen. Es sei zu weit weg. Er sei jeweils zehn Tage dort geblieben. Zuhause gehe er auch in andere Kirchen, auch wenn er die Messe nicht verstehe. Er bete dort. Bei einer Rückkehr in den Irak werde man ihn sofort töten. Seine Eltern seien verstorben, Geschwister habe er auch keine. Er habe nur noch Onkel und Tanten im Irak, aber keinen Kontakt mehr zu ihnen. Er habe einer Cousine am Telefon erzählt, dass er Christ geworden sei. Sie habe daraufhin sofort den Hörer aufgelegt.
8Mit Bescheid vom 15. Mai 2014, zugestellt am 17. Mai 2014, stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gegeben seien, lehnte jedoch den Antrag auf Asylanerkennung ab, erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich drohte es dem Kläger für den Fall, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht binnen 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens verlassen habe, die Abschiebung in den Irak an.
9Der Kläger hat hiergegen am 27. Mai 2014 Klage erhoben. Er macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten beruhe sein Glaubensübertritt auf einem festen und nachhaltigen Entschluss, der durch die Vorgaben von Art. 4 GG geschützt sei. Als Christ werde er jedoch wegen seiner Religion im Irak verfolgt. Jedenfalls aber sei ihm subsidiärer Schutz zu gewähren. Denn in seiner Herkunftsregion herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Die Anzahl der Anschläge habe dort ein Maß erreicht, dass ein so hoher Gefahrengrad bestehe, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Darüber hinaus lägen wegen seiner christlichen Glaubenszugehörigkeit sowie seines langjährigen Aufenthalts in Europa besondere gefahrerhöhende Umstände vor, die die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben rechtfertigten. Ihm stehe auch keine inländische Fluchtalternative in der Autonomen Region Kurdistan-Irak zu. Die Niederlassung dort werde Flüchtlingen aus den sog. umstrittenen Gebieten dadurch erschwert, dass sie keine Nahrungsmittelrationen erhielten, weil diese an den Wohnsitz bzw. die Registrierung als Wähler gekoppelt seien, und dass sie für den Zuzug Bürgen beibringen müssten.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2014 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
12hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
13hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
14Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
17Die Erkenntnisse über die politische Situation im Irak, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, sind in das Verfahren eingeführt worden. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Verfolgungsschicksal persönlich angehört worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
21Der Bescheid des Bundesamtes vom 15. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
22Der Kläger kann zwar die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG beanspruchen (I.). Er hat jedoch in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (1.), noch einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG (2.), noch kann er die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG beanspruchen (3.) (II.).
23Maßgeblich für die Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
24I. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind erfüllt.
25Gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG ist vom Bundesamt auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylverfahrens gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens u.a. voraus, dass eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) und die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt wird.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 14.
27Mit Blick darauf, dass der Kläger ausweislich der Taufurkunde des koptisch-orthodoxen St. B. Klosters in X. -L. am 22. August 2013 getauft worden ist, hat sich seit dem unanfechtbaren Abschluss des Asylerstverfahrens im März 2006 sowohl die Sachlage nachträglich geändert, als auch liegen neue Beweismittel vor. Zudem erscheint aufgrund dieser neuen Umstände eine für den Kläger günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen, da nach der Erkenntnislage im Irak Konvertiten zum Christentum einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sein können.
28Der Kläger hat den Asylfolgeantrag vom 22. November 2013 auch fristgerecht binnen drei Monaten nach Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund, d.h. der Taufe gestellt (vgl. § 51 Abs. 3 VwVfG). Er war ferner ohne grobes Verschulden außer Stande, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (vgl. § 51 Abs. 2 VwVfG).
29II. Der Kläger kann auf der Grundlage der fristgerecht geltend gemachten neuen Tatsachen jedoch weder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), noch die Zuerkennung subsidiären Schutzes (2.), noch die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG (3.) beanspruchen.
301. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu.
31Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – vgl. zu den Verfolgungsgründen im Einzelnen § 3b AsylG – (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
32Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – Qualifikationsrichtlinie) Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
33Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU) zwischen den Verfolgungsgründen i.S.v. § 3 Abs. 1 und § 3b AsylVfG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
34Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen (1.) vom Staat, (2.) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung i.S.v. § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
35Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.2 -, NVwZ 2013, 936 = juris, Rn. 19.
37Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06. A -, juris, Rn. 35 ff.
39Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens des Klägers ist ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
40a) Zunächst ist nicht festzustellen, dass dem Kläger wegen seines Wechsels zum christlichen Glauben bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG droht.
41aa) Eine staatliche Verfolgung wegen seiner Konversion zum Christentum hat der Kläger nicht ernsthaft zu befürchten. Das irakische Strafgesetz stellt die Konversion vom Islam zum Christentum (oder eine andere Religion) nicht unter Strafe. Insbesondere existieren im Irak keine Scharia-Gerichte, die Konvertiten zum Tode verurteilen könnten. Auch wenn die irakische Verfassung den Islam zur offiziellen Staatsreligion und zur grundlegenden Quelle der Gesetzgebung erklärt und bestimmt, dass kein Gesetz im Widerspruch zu den Bestimmungen des Islams stehen darf, ist andererseits das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit einschließlich der Freiheit ihrer Ausübung ausdrücklich verfassungsrechtlich garantiert und kein Gesetz darf im Widerspruch zu den in den Verfassung angeführten Grundfreiheiten stehen. Dementsprechend sind alle im Irak vorhandenen christlichen Glaubensgemeinschaften gesetzlich anerkannt und staatlich registriert. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt.
42Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 9; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 5, 12 ff.; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum.
43Soweit das irakische Personenstandgesetz eine gesetzliche Anerkennung der Änderung der Religionszugehörigkeit nicht vorsieht und daraus u.a. ausweis-, ehe- und erbrechtliche Probleme für Konvertiten resultierten,
44vgl. hierzu: US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum,
45erreichen diese an die Religionszugehörigkeit anknüpfenden Benachteiligungen weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau die erforderliche Schwere für die Annahme einer Verfolgung im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) RL 2011/95/EU.
46bb) Dem Kläger droht aufgrund seines Glaubenswechsels zum Christentum auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure.
47Zwar geht die Kammer davon aus, dass religiöse Minderheiten einschließlich Christen in der Herkunftsregion des Klägers – Stadt Mosul/Niniveh – allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit einer (Gruppen-)Verfolgung durch die radikalislamische sunnitische Terrororganisation IS (auch Da'esh) ausgesetzt sind.
48Vgl. ebenso: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. September 2014 - 18a K 223/13.A -, juris Rn. 27 ff.; VG Hannover, Urteil vom 15. August 2014 - 6 A 9853/14 -, juris, Rn. 19 ff.
49So ging der IS, der nach wie vor einen Großteil der Provinz Niniveh beherrscht, nach der Einnahme der Stadt Mosul und weiter Teile der Ninive-Ebene im Juni 2014 systematisch und gezielt gegen religiöse Minderheiten sowie nicht-sunnitisch-muslimische Bevölkerungsgruppen vor. Es kam zu gezielten Verfolgungen, Zwangskonversion und Massenvertreibungen von Angehörigen religiöser Minderheiten sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Angehörige der religiösen Minderheiten, insbesondere Yeziden und Christen, aber auch schiitische Angehörige der Sicherheitskräfte wurden und werden in den vom IS beherrschten Gebieten Opfer von Gräueltaten. Aufgrund dessen hat die gesamte nicht-sunnitische Bevölkerung nach Bedrohungen, Entführungen, Tötungen und der Zerstörung ihrer religiösen Kultstätten innerhalb kürzester Zeit die Region verlassen. Schiiten und Minderheiten wie Christen und Yeziden sind geflohen.
50Vgl. nur: Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 4, 13; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. Oktober 2014, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq vom 10. August 2016; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 20 f.
51Vor dem Hintergrund, dass der IS die Errichtung eines Kalifats anstrebt, das u.a. Syrien und den Irak umfassen und in dem ausschließlich das islamische Recht der Scharia gelten soll, welches den Abfall vom islamischen Glauben (Apostasie) unter Androhung der Todesstrafe verbietet,
52vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien (EZKS), Auskunft an das VG München, Gutachten zu Irak (Kurdistan) vom 9. November 2011, S. 3,
53ist davon auszugehen, dass flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen durch den IS gerade auch Konvertiten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. So hat der IS z.B. in Mosul im September 2014 eine bekannte Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin von einem selbst ernannten "Gericht" wegen Apostasie hingerichtet.
54Vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 12. Februar 2016: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum.
55Der irakische Staat und die irakischen Sicherheitskräfte sind auch nicht in der Lage, den Schutz der religiösen Minderheiten vor Übergriffen in den vom IS besetzten Gebieten sicherzustellen.
56Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 4, 13.
57Wie aus der Presseberichterstattung allgemein bekannt hat sich die irakische Armee Mitte 2014 aus den vom IS eingenommenen Gebieten im Norden des Iraks vollständig zurückgezogen und auf die Verteidigung der arabisch besiedelten Gebiete des Zentraliraks nördlich und westlich von Bagdad beschränkt. Auch der kurdischen Peschmerga ist es bisher nicht gelungen, den IS aus der Provinz Ninive zu vertreiben. Nach der Rückeroberung zahlreicher vom IS besetzter Gebiete im Laufe der Jahre 2015 und 2016 durch die irakischen Streitkräfte und deren Verbündete, plant die irakische Zentralregierung zwar, in einer gemeinsamen Offensive mit den kurdischen Peschmerga, den schiitische Milizen sowie der internationalen Anti-IS-Koalition den IS auch aus Mosul zu vertreiben. Die geplante Großoffensive hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch noch nicht begonnen und wird aller Voraussicht nach auch einige Zeit in Anspruch nehmen.
58Für die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung wegen des Wechsels bzw. der Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft genügt jedoch nicht allein die Tatsache, dass der Kläger formal – wie durch die kirchlich bescheinigte Taufe belegt – zum Christentum übergetreten ist.
59Nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Nach diesen Bestimmungen ist insbesondere auch das Recht des Einzelnen geschützt, sich aus religiöser Überzeugung für eine andere als die bisherige Religion zu entscheiden und sich zu der angenommenen Religion zu bekennen. Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU gelten für Konvertiten, die ihren Glauben aus religiöser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang wie für Gläubige, die ihre durch Geburt erworbene Religion beibehalten. Voraussetzung des Schutzes der Ausübung der „neuen" Religion ist allein, dass der Glaubenswechsel aufgrund religiöser Überzeugung erfolgt ist.
60Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 182 = juris, Rn. 56; allgemein zur Flüchtlingsanerkennung wegen der Gefahr religiöser Verfolgung: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 21 ff.; EuGH Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 -, NVwZ 2012, 1612 = juris, Rn. 1.
61Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er daher die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. Erst wenn der Glaubenswechsel die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise prägt, kann ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die von Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU garantierten Rechte zu verzichten, nur um Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen.
62Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. November 2013 - 13 A 2251/13.A -, juris, Rn. 5, und vom 30. Juli 2009 - 5 A 1999/07.A -, juris, Rn. 44; Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575 = juris, Rn. 37 f.; BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 ‑ 1 C 9.03 -, BVerwGE 120, 16 = juris, Rn. 22; Hess. VGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - 8 UE 3140/05. A -, NVwZ-RR 2008, 2008 = juris, Rn. 20; OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 182 = juris, Rn. 57, 71.
63Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass der Konvertit so fest im Glauben steht, dass er bereit ist, in seinem Herkunftsland für den Glauben selbst schwere Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat.
64Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. November 2013 - 13 A 2251/13.A -, juris, Rn. 7, und vom 30. Juli 2009 - 5 A 1999/07.A -, juris, Rn. 46; Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575 = juris, Rn. 39.
65Die Beurteilung der inneren Tatsache, ob der Glaubenswechsel auf einer ernsthaften inneren Überzeugung und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt, unterliegt dem Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678 = juris, Rn. 13.
67Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Kammer unter Würdigung des Akteninhalts sowie nach der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich aufgrund einer ernsthaften inneren Überzeugung dem Christentum zugewandt hat und der Glaubenswechsel nunmehr seine religiöse Identität prägt.
68Zunächst hat die Kammer bereits grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Person. Denn der Kläger hat, wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, gegenüber dem Bundesamt in der Vergangenheit wiederholt falsche Angaben zu seiner Identität, seiner Volkszugehörigkeit und zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszugs aus dem Generalregister (Geburtsregister) lautet sein Name entgegen den bisherigen Angaben tatsächlich F. L. B. und sein Geburtsdatum datiert auf den 00. N. 1981. Soweit der Kläger diese Falschangaben mit seiner Angst vor einer Abschiebung in den Irak begründet hat, vermag dies nicht zu überzeugen. Spätestens im Zeitpunkt der Folgeantragstellung im November 2013 musste ihm klar gewesen sein, dass trotz des unanfechtbar negativen Abschlusses des Asylerstverfahrens eine Abschiebung in den Irak nicht erfolgt. Andernfalls wäre der Kläger nicht seit dem Jahr 2006 durchgehend im Bundesgebiet geduldet worden. Des Weiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, tatsächlich nicht vom Stamm der B1. I. und arabischer Volkszugehörigkeit zu sein, sondern vielmehr dem Stamm der B1. N1. anzugehören und Kurde zu sein. Seine diesbezügliche Erklärung, das Bundesamt habe seine Volkszugehörigkeit bei beiden Asylanträgen fehlerhaft aufgenommen, überzeugt ebenfalls nicht. Denn der Kläger hat die Angaben in beiden Anträgen mit seiner Unterschrift als richtig bestätigt. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung offen gelegt, dass sein Vater nicht, wie im Asylerstverfahren behauptet, im Jahr 2004 verstorben, sondern bereits kurz nach seiner Geburt im Iran/Irak-Krieg gefallen sei. Diese unzutreffenden Angaben zu für die Beurteilung seines Vorbringens wesentlichen Umständen begründen nach Ansicht der Kammer jedoch durchgreifende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers insgesamt und damit auch an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens zu dem im vorliegenden Verfahren nunmehr geltend gemachten Übertritt zum christlichen Glauben.
69Ungeachtet dessen hat der Kläger schon seine inneren Beweggründe für den Glaubenswechsel nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass unter Berücksichtigung seines nur geringen Bildungsstandes – der Kläger hat nach eigenen Angaben nur wenige Jahre die Schule besucht und bezeichnet sich selbst als Analphabet – die Anforderungen an die Darlegung der Ernsthaftigkeit des religiösen Einstellungswandels entsprechend herabzustufen waren.
70So hat der Kläger zunächst seine Behauptung, er habe sich bereits im Irak dem Christentum zugewandt, nicht plausibel machen können. Die von ihm in der mündlichen Verhandlung angeführte Begründung, dass er eine Religion ablehne, die wie die Moslems in Mosul heute Frauen vergewaltige und verkaufe und anderen Menschen ihre Lehren aufzwinge, vermag ein schon damals bestehendes Interesse am Christentum nicht hinreichend zu erklären. Denn zu den vom Kläger beschriebenen Übergriffen auf Frauen und religiöse Minderheiten durch den IS ist es, wie er in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, erst nach seiner Ausreise aus dem Irak gekommen. So hat er auf Nachfrage ausdrücklich erklärt, dass christliche Glaubensangehörige vor seiner Ausreise keine Probleme im Irak gehabt hätten. Auch bietet der Hinweis des Klägers auf seine schwierige Kindheit – er sei nach dem Tod seines Vaters bei den Großeltern aufgewachsen, diese hätten sich nicht um ihn gekümmert, er habe im Gegensatz zu anderen Kindern keine gute Kleidung gehabt und nicht zur Schule gehen können – ebenso wenig eine nachvollziehbare Begründung für die geltend gemachte Hinwendung zum Christentum wie seine pauschale Behauptung, dass er im Irak christliche Freunde gehabt habe. Einer plausiblen Erklärung für das behauptete Interesse am Christentum hätte es aber insbesondere auch deswegen bedurft, weil der Kläger seinem eigenen Vortrag zufolge kein besonders religiös geprägter Mensch war. So hat er beim Bundesamt angegeben, seinen islamischen Glauben im Irak nicht praktiziert zu haben, insbesondere nicht gefastet und gebetet zu haben. In der mündlichen Verhandlung hat er dies zwar dahingehend relativiert, dass er zwar in die Moschee gegangen sei und auch gebetet und gefastet habe, dies allerdings nur wegen des Drucks seiner Familie getan habe. Dies lässt jedoch nicht erkennen, dass seine bisherige Glaubensbetätigung Ausdruck einer ernsthaften religiösen Überzeugung war. Insofern hätte die mit der Hinwendung zu einer anderen Religion zwangsläufig verbundene Ausbildung eines religiösen Bewusstseins einer schlüssigen Darlegung bedurft. Die Behauptung, dass seine Mutter Christin gewesen sei, vermag die behauptete Hinwendung zum Christentum im Irak ebenfalls nicht überzeugend zu erklären. Dies gilt schon deswegen, weil der Kläger seine Mutter gar nicht kennengelernt und damit von ihr auch keine christlichen Werte und Glaubensinhalten hat vermittelt bekommen können. Gegen einen längeren, schon im Irak begonnenen Prozess der religiösen Umorientierung spricht schließlich auch der Umstand, dass der Kläger sich erst im Jahr 2013 und damit acht Jahre nach seiner Einreise ins Bundesgebiet hat taufen lassen. Hätte er tatsächlich bereits im Irak eine auf einem ernsthaften religiösen Interesse beruhende Nähe zum christlichen Glauben verspürt, hätte es jedoch nahe gelegen, schon unmittelbar nach der Einreise im Jahr 2005 Kontakt mit christlichen Kirchengemeinden in Deutschland aufzunehmen. Hierfür lässt sich seinem Vortrag jedoch nichts entnehmen. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, erst im Jahr 2013 eine christliche Familie aus Ägypten kennengelernt und mit dieser erstmals eine christliche Kirche und einen christlichen Gottesdienst besucht zu haben.
71Der Kläger hat ferner auch nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, dass sein im Jahr 2013 gefasster Entschluss, dem christlichen Glauben beizutreten, das Ergebnis einer ernsthaften Beschäftigung mit dem christlichen Glauben in Deutschland war. Hiergegen spricht bereits der von ihm in der mündlichen Verhandlung geschilderte zeitliche Ablauf bis zur Taufe. Eigenen Angaben zufolge hat der Kläger die christliche Familie aus Ägypten, die ihn zum christlichen Glauben geführt habe, erst drei bis vier Monate vor seiner Taufe kennengelernt. Er sei vor der Taufe dann einmal zusammen mit der Familie in das St. B. Kloster bei X1. gefahren und habe dort auch den Gottesdienst besucht. Anlässlich dieses Besuchs habe er bereits seinen Wunsch geäußert, auch Christ werden zu wollen. Nach einem Gespräch mit einem Priester und einer weiteren Person sei er dann schon am nächsten Tag getauft worden. Angesichts der nur kurzen Zeitspanne von einigen wenigen Monaten zwischen dem ersten Kontakt des Klägers mit christlichen Glaubensangehörigen in Deutschland und seinem Entschluss, sich taufen zu lassen, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Glaubenswechsel auf einer intensiven und ernsthaften Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten im Allgemeinen sowie der koptisch-orthodoxen Kirchenlehre im Besonderen beruhte. Die vom Kläger erwähnte Vorbereitung auf die Taufe im Kloster erschöpfte sich in einem einmaligen Gespräch, von dem der Kläger im Übrigen nur eine – wenig religionsbezogene – Frage wiedergeben konnte, und dem Erlernen des Vaterunsers. Zudem war der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, konkret und nachvollziehbar darzustellen, welche Glaubensinhalte der christlichen Religion sowie insbesondere der koptisch-orthodoxen Lehre ihn beeindruckt und zur Abkehr von seinem bisherigen moslemischen Glauben bewogen haben. Seine diesbezüglichen Ausführungen beschränkten sich auf die wiederholte pauschale Feststellung, dass der Islam nur für Mord, Vertreibung und Vergewaltigung stehe, während das Christentum und Jesus für Frieden und Brüderlichkeit stünden. Was das Christentum im Hinblick auf seine Glaubensinhalte vom Islam unterscheidet, konnte der Kläger nicht – auch nicht in einfachen Worten – erklären. Soweit er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er wegen seiner Freundschaft zu der christlichen Familie aus Ägypten in das Kloster gefahren sei und dort am Gottesdienst teilgenommen habe, weist dies zudem darauf hin, dass der Glaubenswechsel mehr auf gesellschaftlich-sozialen Motiven als auf einem ernsthaften religiösen Einstellungswandel beruhte. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, dass der Kläger schon beim Bundesamt angegeben hat, einsam gewesen zu sein, als er die Familie kennengelernt habe, inzwischen aber Teil der Familie zu sein. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung habe sich die Beziehung zu der Familie inzwischen derart vertieft, dass er die Ehefrau sogar Mutter nennen dürfe. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Glaubenswechsel des Klägers für die Kammer eher als ein weiterer Schritt zur Verfestigung seiner sozialen Bindung mit der befreundeten christlichen Familie dar, denn als Abschluss eines Prozesses der religiösen Umorientierung.
72Des Weiteren war in der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen, dass der Kläger zumindest mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Während er beim Bundesamt jedenfalls noch rudimentäre Kenntnisse der christlichen Glaubenslehre gezeigt hat, blieben seine diesbezüglichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vollkommen oberflächlich und inhaltsleer. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Erklärung, dass Jesus Kranke geheilt und Tote wieder zum Leben erweckt habe. Das Vaterunser konnte er lediglich bruchstückhaft auf Deutsch vortragen. Abgesehen von Weihnachten konnte der Kläger keine weiteren Feiertage des Christentums benennen. Ihm war weder der Name des aktuellen Papstes noch des Gründers der koptisch-orthodoxen Kirche bekannt. Soweit der Kläger seine Wissensdefizite damit erklärt hat, dass er nicht lesen und schreiben könne, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die Beschäftigung mit einer Religion und das Erlernen von Glaubensinhalten sind auch in mündlicher Form möglich. Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger über das Christentum sagen konnte als noch kurz nach der Taufe, zeigt zudem, dass er sich seitdem offensichtlich nicht weiter mit seinem neuen Glauben befasst und auseinandergesetzt hat.
73Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass der Kläger den christlichen Glauben im Bundesgebiet praktisch lebt. Nach eigenen Angaben hat er das St. B. Kloster nach der Taufe im August 2013 nur noch viermal für jeweils mehrere Tage besucht. Ausweislich der in der Ausländerakte befindlichen Verlassenserlaubnisse fanden diese Besuche im September 2013 (11 Tage), zum Jahreswechsel 2013/14 (20 Tage) und im Mai 2014 (27 Tage) statt. Ein letzter dreitägiger Besuch erfolgte laut Kläger vor ca. acht Monaten. Die Tatsache, dass der Kläger in den letzten drei Jahren kaum Kontakt zu seiner neuen Glaubensgemeinschaft gesucht hat und der vorhandene wenige Kontakt in den letzten eineinhalb Jahren sogar nahezu abgebrochen ist, spricht jedoch dafür, dass der Besuch von Gottesdiensten und die Gemeinschaft mit anderen Glaubensangehörigen, beides zentrale Elemente des koptisch-orthodoxen Glaubens, für ihn keine grundlegende Bedeutung hat. Seine hierfür gegebene Erklärung, dass er in letzter Zeit nicht mehr zur Kirche gegangen sei, weil er so viel habe arbeiten müsse, ändert an dieser Einschätzung nichts, sondern bestätigt sie vielmehr. Abgesehen davon geht der Kläger ausweislich des in der Ausländerakte befindlichen Arbeitsvertrages erst seit April 2016 einer Vollzeitbeschäftigung nach. Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger – worauf bereits das Bundesamt hingewiesen hat – keinen Kontakt zu koptisch-orthodoxen Gemeinden in der Nähe, etwa der St. N. L1. in Düsseldorf aufgenommen hat, um in Gottesdiensten seine spirituellen Bedürfnisse zu befriedigen und die Gemeinschaft mit anderen Glaubensangehörigen zu finden. Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung pflegt der Kläger – mit Ausnahme der befreundeten Familie aus Ägypten – auch keinen Kontakt zu anderen Christen oder christlichen Organisationen und nimmt auch nicht an kirchlichen Veranstaltungen wie Bibelkreisen o.ä. teil. Unter diesen Umständen vermag jedoch allein die Behauptung, täglich für sich zu beten, nicht die Annahme zu begründen, dass der christliche Glaube die religiöse Identität des Klägers nachhaltig im Sinne einer festen religiösen Überzeugung prägt.
74b) Der Kläger kann die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit beanspruchen.
75aa) Die Behauptung des Klägers, dass in seiner Herkunftsregion Kurden allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich den IS droht, begegnet nach Einschätzung der Kammer bereits durchgreifenden Zweifeln. Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich nämlich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der IS kurdische Volkszugehörige gezielt und systematisch allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt. Die Tatsache, dass der IS im Zuge seines Vormarsches im Nordirak im Sommer 2014 auch Gebiete angegriffen und besetzt hat, die unter der Verwaltung der kurdischen Autonomieregierung stehen, ist nach der Erkenntnislage vielmehr in erster Linie dem Expansionsstreben des IS geschuldet, dessen Ziel es ist, u.a. im Irak einen eigenständigen Staat bzw. ein Kalifat zu errichten. Zur Erreichung dieses Ziels geht der IS militärisch jedoch unterschiedslos gegenüber allen Bewohnern der von ihm angestrebten Gebiete vor. Gegen eine zielgerichtete Verfolgung von Kurden durch den IS spricht ferner auch die Tatsache, dass sich in der Vergangenheit eine beträchtliche Anzahl an irakischen Kurden dem IS angeschlossen hat und nunmehr auf dessen Seite mitkämpft. Entsprechend ist etwa der Selbstmordanschlag in Erbil im November 2014 von einem kurdischen IS-Anhänger verübt worden.
76Vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015, Irak – Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region.
77Diese Frage bedarf hier allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn man eine Gruppenverfolgung von Kurden durch den IS in der Herkunftsregion des Klägers bejahte, kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedenfalls deswegen nicht Betracht, weil dem Kläger – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – ein interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG offensteht.
78Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer auch keine Veranlassung, dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise, d.h. für den Fall der Klageabweisung gestellten Antrag nachzugehen, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger in Mosul allein aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen durch den IS ausgesetzt wäre, eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen. Denn nach Ansicht der Kammer kommt es für die Entscheidung auf diese Tatsachenbehauptung nicht an (vgl. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO analog), weil der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insoweit jedenfalls § 3e AsylG entgegensteht.
79bb) Dem Kläger steht in der Autonomen Region Kurdistan-Irak ein interner Schutz offen.
80Nach § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU) wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwarten kann, dass er sich dort niederlässt.
81Die Autonome Region Kurdistan-Irak bietet für den Kläger unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse über die dortigen Gegebenheiten sowie insbesondere seiner persönlichen Umstände (vgl. § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 RL 2011/95/EU) internen Schutz im Sinne dieser Bestimmung.
82(1.) Nach der Erkenntnislage ist die Autonome Region Kurdistan-Irak gegenwärtig als sicher zu bezeichnen (vgl. § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG). In den drei zu ihr gehörenden Provinzen Dohuk, Erbil und B1. Sulaimaniyah ebenso wie in den weiteren unter der Verwaltung der kurdischen Regionalregierung stehenden Gebieten ist insbesondere auch der Schutz religiöser Minderheiten vor Gewalt und Verfolgung weitgehend sicher gestellt. Auch besteht in dieser Region derzeit kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Die Autonome Region Kurdistan-Irak ist gegenwärtig von den Kampfhandlungen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen zwischen dem IS und dem irakischen Militär sowie den kurdischen Peschmerga nicht betroffen. Aus diesem Grund sind im Zuge des Vormarsches des IS Mitte 2014 auch zahlreiche Angehörige der religiösen Minderheiten aus der Provinz Niniveh in die Autonome Region Kurdistan-Irak geflohen.
83Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 7; Home Office, Country Information and Guidance - Iraq: Religious minorities, 12. August 2016, S. 5 f., 28 ff.; US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq, vom 10. August 2016; Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, www.asylumlawdatabase.eu; VG Saarland, Urteil vom 30. Mai 2016 - K 1075/13 -, juris, Rn. 32 ff.; VG München, Urteile vom 13. Mai 2016 - 4 K 16.30558 -, juris, Rn. 20 ff., und vom 30. September 2015 - 4 K 13.30821 -, juris, Rn. 30 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 8. September 2016 - AN 4 K 16.30131 -, juris, Rn. 26.
84Dem Kläger droht in der Autonomen Region Kurdistan-Irak insbesondere auch nicht wegen seines Übertritts zum christlichen Glauben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Eine insoweit allenfalls in Betracht zu ziehende Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure,
85vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Irak: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwaltenden Provinzen Sulaimaniyah, Erbil und Dohuk, vom 10. Januar 2008, S. 13 f., sowie Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Update vom 5. November 2009, S. 11; Auskunft des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien an das VG München vom 9. November 2011, S. 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 32,
86scheidet schon deswegen aus, weil die Kammer – wie oben im Einzelnen ausgeführt – nicht davon überzeugt ist, dass der Glaubenswechsel des Klägers auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruht und seine religiöse Identität nicht derart prägt, dass ihm nicht angesonnen werden kann, auf seine in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU garantierten Rechte zu verzichten, nur um einer Verfolgung zu entgehen.
87Die Kammer vermag insbesondere auch eine begründete Furcht vor Verfolgung seitens der Familie des Klägers nicht zu erkennen. Auch wenn diese von seinem –formalen – Übertritt zum christlichen Glauben Kenntnis erlangt hat, weil der Kläger ihr dies mitgeteilt hat, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, dass ihm deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch seine Angehörigen droht. Der Kläger selbst hat schon nicht geltend gemacht, dass seine Familie ihm mit dem Ausstoß aus dem Familienverband oder gar mit Übergriffen gegen Leib und Leben gedroht habe, nachdem sie von seinem Glaubenswechsel erfahren habe. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass die Ehefrau eines Onkels seinen Entschluss befürwortet habe, während der Onkel ihn zunächst beschimpft, später aber seine Entscheidung akzeptiert und für in Ordnung befunden habe. Soweit der Kläger angegeben hat, dennoch Angst vor seinem Onkel zu haben, weil dieser ihn in der Kindheit immer geschlagen habe, rechtfertigt dies allein nicht die Annahme, dass der Kläger von seiner Familie erhebliche Repressionen gerade wegen seines Glaubenswechsels zu befürchten hat. Hiergegen spricht im Übrigen auch, dass die Mutter des Klägers seinen Angaben zufolge Christin gewesen ist, während sein Vater dem sunnitischen Glauben angehört hat. Diese Tatsache belegt, dass die Familie des Klägers väterlicherseits, auch wenn er sie selbst als sehr religiös bezeichnet, in Religionsfragen offenkundig eine eher tolerante Haltung einnimmt. Diese Einschätzung wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Kläger nach dem Tod des Vaters bei seinen Großeltern aufgewachsen ist. Dass das Sorgerecht für die Kinder regelmäßig nicht der Mutter zugesprochen wird, entspricht nämlich unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Betroffenen den familienrechtlichen Gegebenheiten im Irak. Schließlich ist mit Repressalien seitens der Familie auch schon deswegen nicht zu rechnen, weil nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu erwarten ist, dass der Kläger seinen christlichen Glauben im Falle einer Rückkehr in den Irak auch tatsächlich leben wird.
88(2.) Die weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines internen Schutzes i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen im Fall des Klägers ebenfalls vor.
89Der Kläger kann die Autonome Region Kurdistan-Irak sicher und legal erreichen. Die Region wird über die dortigen Flughäfen regelmäßig von Luftfahrtgesellschaften angeflogen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen erhalten irakische Staatsangehörige, die über einen Flughafen einreisen, selbst wenn sie – wie der Kläger – nicht aus der Autonomen Region Kurdistan-Irak stammen, dort mit einem (verlängerbaren) Visum für kurzfristige Aufenthalte Zugang, und zwar laut mehreren Quellen auch ohne Bürgen (sponsor). Kurdische Volkszugehörige – wie der Kläger – begegnen bei der Einreise grundsätzlich keinen Problemen.
90Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 14 ff., 19; Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Return/Internal relocation, August 2016, S. 41 ff.
91Es ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger in der Autonomen Region Kurdistan-Irak auch (langfristig) Aufnahme finden wird. Wollen irakische Staatsangehörige nach Ablauf des Visums in der Autonome Region Kurdistan-Irak verbleiben und arbeiten, müssen sie sich bei den örtlichen Behörden registrieren und bedürfen einer Aufenthaltserlaubnis, die wiederum Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und verschiedene Dienstleistungen ist. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wird, auch wenn die Praxis je nach Provinz und im Einzelfall abweichen kann, für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich verlangt, dass der Betroffene Identitätsdokumente vorlegen, einen Wohnsitz nachweisen und einen Bürgen benennen kann. Ferner dürfen seitens der lokalen Sicherheitsbehörde (Asayish) keine Sicherheitsbedenken bestehen. Laut mehreren Quellen sind kurdische Volkszugehörige allerdings von dem Erfordernis, einen Bürgen zu benennen, generell ausgenommen.
92Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 16 f.; Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Return/Internal relocation, August 2016, S. 41 ff.; Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 15; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. Oktober 2014, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region, S. 7.
93Gemessen daran ist anzunehmen, dass dem Kläger – ebenso wie seinen übrigen bereits dorthin gezogenen Verwandten – ein langfristiger Aufenthalt in der Autonomen Region Kurdistan-Irak möglich sein wird. Er kann sich durch den Auszug aus dem Geburtsregister zur Person ausweisen. Ferner wird er bei seinen Verwandten Unterkunft finden und damit auch einen Wohnsitz benennen können. Außerdem ist davon auszugehen, dass seine Verwandten, sofern dies erforderlich sein sollte, auch für ihn als Bürgen auftreten können. Im Übrigen besteht kein Anhalt dafür, dass die kurdischen Behörden kurdische Volkszugehörige, deren Erlaubnisse abgelaufen sind, aktiv aus der autonomen Region Kurdistan-Irak entfernen.
94Vgl. Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
95Schließlich kann von dem Kläger auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in der Autonomen Region Kurdistan-Irak niederlässt. Zwar ist das kurdische Autonomiegebiet aufgrund des bisherigen Zustroms von Flüchtlingen nahezu an der Grenze seiner Aufnahmefähigkeit angelangt. Seit Anfang 2014 haben dort mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sowie mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge Aufnahme gefunden. Aufgrund des drastischen Bevölkerungswachses (20-30 %) ist der Wettbewerb um Arbeit entsprechend stark gestiegen und die Löhne und damit auch das Haushaltseinkommen sind spürbar gesunken. Die Arbeitslosenquote bewegt sich nach verschiedenen Quellen zwischen 6,5 % und 35 %. Hinzu kommt die wirtschaftliche Krise infolge sinkender Ölpreise, eines Budgetstreits mit der Zentralregierung sowie des Rückgangs ausländischer Investitionen wegen der Sicherheitslage.
96Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 15; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015, Irak: Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region, S. 1 f.; The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 52 ff.
97Jedoch geht die Kammer mit Blick auf die persönlichen Umstände des Klägers davon aus, dass es ihm trotz der angespannten sozio-ökonomischen und wirtschaftlichen Lage in der Autonomen Region Kurdistan-Irak möglich sein wird, sich dort eine Existenzgrundlage soweit zu sichern, dass es ihm zumutbar ist, sich dort aufzuhalten. Denn es ist anzunehmen, dass es dem Kläger als 35-jährigen, erwerbsfähigen Mann mit familiären und wirtschaftlichen Beziehungen in der Region auch ohne qualifizierte Berufsausbildung in absehbarer Zeit gelingen wird, eine Arbeit – zumindest im Niedriglohnsektor – zu finden und so seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei wird er – gerade in der Übergangszeit – auch auf die Hilfe und Unterstützung seiner bereits im Autonomiegebiet lebenden Familienangehörigen zurückgreifen können. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger auf der Lebensmittelkarte seines Onkels als Familienmitglied aufgeführt ist und damit grundsätzlich auch einen Anspruch auf Zuweisung von Lebensmittelrationen geltend machen kann. Allein die Tatsache, dass er eigenen Angaben nach nicht mehr im Besitz seiner Identitätskarte ist, die grundsätzlich Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu anderen Dienstleistungen ist, gebietet keine andere Einschätzung. Denn es ist ihm möglich und zumutbar, sich unter Vorlage des Geburtsregisterauszugs und ggf. mit Hilfe seiner Familie bei der speziell für Binnenvertriebene aus Mosul eingerichteten Ersatzbehörde eine neue Identitätskarte ausstellen zu lassen.
98Vgl. hierzu: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
99Diese Einschätzung wird dadurch belegt, dass es dem Kläger auch möglich war, sich im September 2014 und damit nach der Besetzung Mosuls durch den IS beim Zivilregisteramt in Shaikhan einen Auszug aus dem Generalregister zu beschaffen.
100Aufgrund der bestehenden Erkenntnislage musste die Kammer auch dem weiteren in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag nicht nachgehen, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger auf Dauer in den de jure kurdischen Gebieten keine Existenzsicherung erreichen kann, eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen. Denn nach den vorstehenden Ausführungen liegen ausreichend sachverständige Stellungnahmen für die Beurteilung der Frage vor, ob und wann das Existenzminimum in der Autonomen Region Kurdistan-Irak gesichert werden kann (vgl. § 244 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 StPO analog). Die vom Kläger angeführte Auskunft des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 14. August 2014 gebietet ebenfalls nicht die Einholung einer weiteren Stellungnahme, da diese Auskunft gegenüber den zitierten Erkenntnissen schon in zeitlicher Hinsicht überholt ist. Im Übrigen verhält sie sich in erster Linie zur Lage von Personen aus der Region Kirkuk, während der Kläger aus Mosul stammt.
1012. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu.
102Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AsylG (vgl. auch Art. 2 Buchst. f und 15 RL 2011/95/EU) ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden: (1.) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dabei kann der ernsthafte Schaden, wie aus § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3c AsylG folgt (vgl. auch Art. 6 RL 2011/95/EU), auch von nichtstaatlichen Akteuren unter den dort genannten Voraussetzungen ausgehen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU) wird dem Ausländer subsidiärer Schutz jedoch nicht zuerkannt, wenn (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor ernsthaftem Schaden hat und (2.) er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
103Zwar spricht vorliegend Vieles dafür, dass dem Kläger im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in seiner Herkunftsregion (Stadt Mosul/Provinz Niniveh),
104vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 = juris, Rn. 13 ff., wonach für die Gefahrenprognose nach § 4 Abs. 1 AsylG auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehrt,
105ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG – sei es in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, sei es wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – droht.
106Vgl. zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Provinz Ninive auch: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
107Der Zuerkennung subsidiären Schutzes steht jedoch entgegen, dass der Kläger – wie unter 1. im Einzelnen ausgeführt – in der Autonomen Region Kurdistan-Irak internen Schutz erhalten kann (vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
1083. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG zu.
109a) Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK scheidet aus denselben Erwägungen wie die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG aus. Denn der sachliche Regelungsbereich der Vorschrift ist weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG und geht, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht über diesen hinaus.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 25; und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 =, juris, Rn. 36.
111Aufgrund der Erkenntnislage ist insbesondere auch nicht ersichtlich, dass die allgemeinen sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnissen im Irak – landesweit – so schlecht sind, dass wegen der Annahme eines außergewöhnlichen Falls nach Art. 3 EMRK ausnahmsweise von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsste.
112Vgl. hierzu: EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 8219/07, Sufi und Elmi -, NVwZ 2012, 681.
113b) Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
114Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
115Für das Vorliegen einer individuell-konkreten Gefahr in diesem Sinne bestehen aus den o.g. Gründen keine Anhaltspunkte.
116Der Kläger kann nationalen Abschiebungsschutz auch weder aus der seit dem Vormarsch des IS massiv verschlechterten allgemeinen Sicherheitslage noch aus den allgemeinen Lebensbedingungen, insbesondere den wirtschaftlichen Existenzbedingungen im Irak herleiten.
117Dem steht bereits die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG entgegensteht, wonach Gefahren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht u.a. dann nicht, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG – oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.
118Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 13 ff.
119Davon ausgehend ist für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG hier kein Raum. Denn in Nordrhein-Westfalen besteht nach den ausländerrechtlichen Erlassen des Innenministeriums vom 14. Februar 2007 (15-39.03.02-3-Irak) und vom 13. Juli 2007 (15-39.03.02-5-Irak), die auf den Beschlüssen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 und vom 31. Mai/1. Juni 2007 beruhen, für irakische Staatsangehörige mit Ausnahme von Straftätern und Gefährdern der inneren Sicherheit, die aus den Provinzen des Kurdischen Autonomiegebietes Nordirak (Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah) stammen – wozu der Kläger nicht zählt –, nach wie vor ein Abschiebestopp aus tatsächlichen Gründen.
120Unabhängig davon lässt sich aus den o.a. Gründen auch nicht feststellen, dass sich die allgemeine Sicherheits- oder Wirtschaftslage im Irak – landesweit – zu einer extremen Gefahrenlage verdichtet hätte, die bei verfassungskonformer Auslegung eine Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG begründen und ausnahmsweise zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen könnte.
121Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 Abs. 1, 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
122Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
123Rechtsmittelbelehrung:
124Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
125Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1261. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
1272. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1283. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
129Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Aachen (Adalbertsteinweg 92 im Justizzentrum, 52070 Aachen oder Postfach 10 10 51, 52010 Aachen) oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte ‑ ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
130Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für die Einleitung des Rechtsmittelverfahrens beim Verwaltungsgericht. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen sowie diesen gleichgestellte Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
131Die Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
die beklagte Bundesrepublik Deutschland unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. März 2011 zu verpflichten, dem Kläger gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Gründe
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für ... vom 10.04.2017 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;
hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
die Klage abzuweisen.
Gründe
I.
II.
„The Iraqi military command has begun a campaign to re-enlist soldiers and officers who abandoned their units, a crucial step in its effort to rebuild an army that has been routed in battle after battle by Islamic State jihadists. Even as the government has continued to equip volunteers, the de facto amnesty for deserters is an acknowledgment that the army desperately needs experienced soldiers - even ones who ran - for a force that is sustaining heavy losses despite the American-led airstrike campaign against the Islamic State, also known as ISIS. Army officials at re-enlistment centers in Baghdad and in the northern Kurdistan region say they have seen some success in the effort. More than 6,000 soldiers and officers, including those who were sent home by their commanders as well as those who fled unilaterally, had registered at a military outpost here in Kurdistan, and more than 5,000 had signed up in Baghdad, officials said. […] Most of the soldiers said they had retreated on orders from superiors. Others said there were never orders: Their commanders simply vanished and, lacking leadership, the soldiers followed. […]
‘Our leaders ran away,‘ added Mr. Fawzi, a soldier who had been posted on Hamreen Mountain near Baiji in Salahuddin Province. ‘We were feeling betrayed. We were feeling that the high commanders betrayed us and betrayed our country.‘ During their retreat in June, Mr. Fawzi said, he and others in his unit shed their uniforms, and their weapons were impounded at a checkpoint by officers from the Interior Ministry, which oversees the police forces.“
(NYT, 28. September 2014).
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Wer eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihr fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen oder die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Stellt sich der Täter innerhalb eines Monats und ist er bereit, der Verpflichtung zum Wehrdienst nachzukommen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
(4) Die Vorschriften über den Versuch der Beteiligung nach § 30 Abs. 1 des Strafgesetzbuches gelten für Straftaten nach Absatz 1 entsprechend.
Tenor
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
1. Ziffer 6. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der am ... in ..., Irak, geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimisch-sunnitischen Glaubens.
Der Kläger ist bereits im Jahre 1996 erstmals aus ... in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sein Antrag auf Asyl wurde mit Bescheid vom
Zur Begründung seines Folgeantrags erklärte der Kläger in seiner Anhörung am
Mit Bescheid des Bundesamtes vom
Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass aufgrund der erstmaligen Prüfung des europarechtlichen subsidiären Schutzes ein weiteres Asylverfahren durchzuführen sei. Dem Vortrag des Klägers lasse sich jedoch nicht ansatzweise entnehmen, dass ihm in Anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal eine Verfolgung durch den irakischen Staat drohe. Der Kläger habe selbst angegeben, er habe den Antrag gestellt, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Zudem habe sich der Kläger zwischenzeitlich über ein halbes Jahr im Irak ohne Behelligungen aufgehalten. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus scheitere, weil kein den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG genügender Konflikt vorläge. In den kurdischen Gebieten bestehe kein innerstaatlich bewaffneter Konflikt. Da der Kläger und seine Ehefrau aus den kurdischen Gebieten stammen, könne von einer gemeinsamen Rückkehr ausgegangen werden. Abschiebungsverbote seien nicht festzustellen, da die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führten, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge. Dem Kläger drohe auch keine individuelle Gefahr.
Mit Schriftsatz vom
Die Beklagte wird - unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom
Die Beklagte erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten und auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig aber nur zu einem geringen Teil begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung der mündlichen Verhandlung am
Die in Ziffer 2) des angefochtenen Bescheids erfolgte Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a GG ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.
Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG ist. Gemäß § 3 AsylG ist ein Ausländer ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom
Der Kläger hat als Grund dafür, dass er nicht in den Irak zurückkehren könne, lediglich die allgemeine Sicherheitslage im Irak und Bombenanschläge in Kirkuk angeführt. Eine persönliche Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht nicht, da dem Kläger in seinem Herkunftsland, insbesondere in seiner Herkunftsregion, kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG droht. In der Herkunftsregion des Klägers, in Kurdistan-Irak, liegt kein innerstaatlich bewaffneter Konflikt vor. Von einem innerstaatlichen Konflikt im Sinne dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen (EuGH, U.v. 30.1.201 - C-285/12 - juris Rn. 35). Dem Ausländer droht dann ein ernsthafter Schaden aufgrund des Konflikts, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 30.1.201 - C-285/12 - juris Rn. 30). Zwar ist die Sicherheitslage im Irak stark angespannt und kommt es auch in der Herkunftsregion des Klägers zu terroristischen Anschlägen. Gleichwohl geht das erkennende Gericht davon aus, dass derzeit weder landesweit noch in der Herkunftsregion des Klägers ein innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die aber nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkriegs aufweisen. Das erkennende Gericht sieht unter Zugrundelegung der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Kläger als Zivilperson bei seiner etwaigen Rückkehr in den Irak, speziell in seine Herkunftsregion, allein durch seine Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer hier verfahrensrelevanten Bedrohung ausgesetzt zu sein. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er stamme eigentlich aus Kirkuk und nicht aus Sulaymaniyah, ist zu keinem anderen Ergebnis zu kommen. Kirkuk liegt zwar nicht innerhalb der offiziellen Grenzen von Kurdistan-Irak. Die Stadt steht aber unter Kontrolle der kurdischen Streitkräfte. Unabhängig von der konkreten Sicherheitslage in Kirkuk ist zudem anzunehmen, dass der Kläger die Möglichkeit hat, mit seiner Frau in deren Herkunftsstadt Erbil zurückzukehren, welche jedenfalls in Kurdistan-Irak liegt.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor. Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die in Ziffer 5) des Bescheides vom
Die in Ziffer 6) des Bescheides festgelegte Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist jedoch aufzuheben, da der Bescheid insoweit ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig ist. Dem Kläger kommt ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG ist über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Dabei sind alle Belange, die für oder gegen den Antragsteller sprechen, sorgfältig zu ermitteln und zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - wie hier - trotz Aufforderung zur Stellungnahme keine Belange geltend macht. In diesem Fall ist nach Aktenlage zu entscheiden. Dem Bescheid des Bundesamtes vom 1. Juli 2016 sind keinerlei Ermessenserwägungen zu entnehmen. Es handelt sich damit um einen Ermessensausfall. Es wird lediglich angeführt, dass der Kläger die Gelegenheit zur Stellungnahme nicht wahrgenommen hat und keine Belange vorgetragen hat. Allerdings ergibt bereits die Aktenlage Belange, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen gewesen wären. Der Kläger lebt bereits seit 1996 in der Bundesrepublik und hat zudem in der Anhörung vorgetragen, dass zusätzlich zu zwei Schwestern von ihm auch seine Mutter seit 1995 in der Bundesrepublik lebt. Ob diese Punkte zu einer kürzeren Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots führen können, ist vom Bundesamt unter Ausübung seines Ermessens zu entscheiden.
Die Kostenfolge beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da die Beklagte nur zu einem sehr geringen Teil unterlegen ist. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger, eine Familie mit 1 Kind, reisten nach eigenen Angaben am ... November 2015 auf den Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten am
Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am ... August 2016 gaben die Kläger zu 1) und 2) an, irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit zu sein; sie hätten vor ihrer Ausreise in Arbil gelebt. Als Gründe für ihren Asylantrag führte der Kläger zu 1 aus, seine Schwester sollte von einem Onkel zwangsverheiratet werden. Er wollte seine Schwester schützen und sie hätten deshalb das Heimatland verlassen. Seine Schwester sei jedoch von der Türkei wieder in den Irak zurückgekehrt.
Mit Bescheid vom
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
2. Am
unter Aufhebung des Bescheids die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft,
hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen bzw. bei ihnen das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte legte die Akten vor, hat sich jedoch sonst im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes (Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz), weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG sowie des § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
1. Soweit die Kläger ihre Anerkennung als Flüchtlinge nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG beantragen, hat dieser Antrag keinen Erfolg.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung.
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B. v. 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, U. v. 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; B. v. 21.7.1989
Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 AsylG, § 60 Abs. 1 AufenthG. Das Gericht verweist insofern auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch dem Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte für eine staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung, die ursächlich für ihre Ausreise gewesen wäre, zu entnehmen sind; eine persönliche Verfolgung ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kläger haben selbst keine asylrelevanten Verfolgungsgesichtspunkte vorgetragen. Der Schutz der Schwester ist nach deren Rückkehr in den Irak als Grund hinfällig.
Die Kurdischen Autonomiegebiete Dohuk, Erbil, Sulaymania sind von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, wenn auch die Sicherheitslage dort weiterhin angespannt ist. Die Kläger können sich daher auch nicht auf eine politische Verfolgung durch nichtstaatliche Dritte berufen.
Zwar besteht in weiten Teilen des Iraks seit Mitte 2014 eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt des IS. Jedoch sind nach den Erkenntnissen des Gerichts und des Auswärtigen Amtes (vgl. den Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016, vgl. auch Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015) die kurdischen Autonomiegebiete davon nicht betroffen. Vielmehr leben dort in großer Anzahl Flüchtlinge, die vor den Umtrieben des IS geflohen sind. Dies hat zur Folge, dass die Kläger an den von ihnen auch schon bewohnten Ort im Irak in … zurückkehren können, jedenfalls aber anderswo in den Autonomiegebieten Zuflucht finden können. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ist prognostisch auch in Zukunft mit einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure dort nicht zu rechnen. Nach der Rückeroberung der Großstadt Ramadi aus den Händen der IS-Miliz durch das irakische Militär (Spiegel-online v. 28.12.2015) und einer Verminderung der dschihadistischen Kämpfer im Irak (Spiegel-online v. 5.2.2016) besteht derzeit keine Verfolgungswahrscheinlichkeit in den Autonomiegebieten, die von der kurdischen Regionalregierung beherrscht werden.
2. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auch insoweit auf die zutreffende Begründung im Bescheid des Bundesamtes (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG liegen ersichtlich nicht vor.
Im Hinblick auf die Schutzregelung nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach einem Ausländer subsidiärer Schutz zusteht, wenn er in seinem Herkunftsland als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, verweist das Gericht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Dass nicht gleichsam jede Zivilperson im Irak allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist, folgt im Übrigen bereits daraus, dass bei einer Gesamtbevölkerung mit etwa 32 bis 34 Millionen Einwohnern (vgl. www.asien-auf-einen-blick.de/irak/, www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Irak.html) die Zahl der zivilen Todesopfer im Jahr 2015 mit insgesamt 17.502 (2014: 20.169; https://www. iraqbodycount.org/database/v. 29.9.2016) angegeben ist. Auch wenn die Opferzahlen 2016 ansteigen sollten, reicht die abstrakte Gefahr, angesichts von Kampfeshandlungen in einigen Bereichen im Irak Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht aus.
Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht. Die Kläger müssen daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihnen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhalten.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Prognose der derzeitigen Situation im Irak ergibt, dass in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak derzeit keine Verfolgungsgefahr für die Kläger bestehen; weder eine staatliche noch eine Verfolgungsgefahr durch nichtstaatliche Akteure.
Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 bzw. Satz 2 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01, in NVwZ 2001, 1420).
Sonstige Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
4. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 5, wonach die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert sind, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Klägern entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn sie sind, wie oben ausgeführt, nicht als Asylberechtigte oder Flüchtlinge anzuerkennen, noch stehen ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:
- 1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen; - 2.
- a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a, - b)
deren Durchführung und - c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
- 3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler; - 4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung; - 4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen; - 5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a; - 5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts; - 6.
Führung des Registers nach § 91a; - 7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel; - 8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder; - 9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen; - 10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt; - 11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen; - 12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7; - 13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger begehrt die Aufhebung, hilfsweise die Befristung des mit seiner Ausweisung eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf unter vier Jahre.
- 2
-
Der Kläger, ein 1977 geborener marokkanischer Staatsangehöriger, reiste 1997 zu Studienzwecken nach Deutschland ein. Nach Heirat einer deutschen Staatsangehörigen erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, die nach Trennung von seiner Ehefrau als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG verlängert worden ist.
- 3
-
Mit Verfügung vom 24. August 2012 wies der Beklagte den Kläger für die Dauer von sieben Jahren aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), drohte ihm die Abschiebung an (Ziffer 3 und 4), verpflichtete ihn, sich regelmäßig bei der örtlichen Polizeiinspektion zu melden (Ziffer 5), beschränkte seinen Aufenthalt auf das Gebiet des Landkreises (Ziffer 6), drohte ihm Zwangsmittel an, wenn er den Verpflichtungen aus Ziffer 5 und 6 nicht nachkommt (Ziffer 7), und lehnte einen Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 9). Die Ausweisung wurde damit begründet, dass der Kläger durch Bezahlung von Telefonrechnungen für einen Terrorverdächtigen die Terrororganisation Al-Qaida unterstützt und in Sicherheitsgesprächen falsche oder unrichtige Angaben über seine Kontakte zu terrorverdächtigen Personen und Organisationen gemacht habe.
- 4
-
Die gegen diese Verfügung erhobene Klage hatte beim Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren wandte sich der Kläger nur noch gegen die Regelungen in Ziffer 1 (Ausweisung und Befristung), 5, 6 und 7. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht stellte der Beklagte die Ausweisung wegen eines zwischenzeitlich vom Kläger gestellten Asylantrags unter die Bedingung, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird oder dass eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Nach Aufhebung der Regelungen Ziffer 5, 6 und 7 haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
- 5
-
Mit Urteil vom 10. Mai 2016 hat das Oberverwaltungsgericht auf den Hilfsantrag des Klägers die Befristung aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung hat es damit begründet, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und an seiner Ausweisung nach § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG ein schwerwiegendes Interesse bestehe, weil er den der Unterstützung des Terrorismus verdächtigen "Ali" mehr als nur flüchtig kenne und diesen Umstand im Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 bewusst verschwiegen habe. Für die Annahme eines gegenwärtigen Sicherheitsrisikos spreche, dass er nach wie vor nicht bereit sei, dies einzuräumen und zu erklären. Das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers überwiege dessen Bleibeinteresse, auch wenn er sich seit über 18 Jahren überwiegend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, die deutsche Sprache spreche, hier unterschiedliche Erwerbstätigkeiten ausgeübt habe, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und unterstellt werde, dass er über Kontakte zu in Deutschland lebenden Personen verfüge. Er habe aber auch noch erhebliche Bindungen an seinen Heimatstaat Marokko, in dem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe, dessen Sprache er beherrsche, in dem seine Eltern, fünf Geschwister und sein 2013 geborenes Kind lebten und in dem er sich angesichts seines bisherigen Werdegangs eine Existenzgrundlage aufbauen könne. Auch dem Umstand, dass er eine deutsche Staatsangehörige heiraten wolle, komme angesichts des überwiegenden Ausweisungsinteresses keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Bezüglich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehe ein Anspruch auf Neubescheidung, da die festgesetzte Frist von sieben Jahren zu lang sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Verbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Über die Länge der Frist sei nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Dies sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die bei der Fristbestimmung einzuhaltenden unions-, verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben stellten ebenso wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine gesetzliche Ermessensgrenze dar, deren Einhaltung nach § 114 VwGO gerichtlich überprüfbar sei. Unerheblich sei, dass der Behörde bei der Ausweisung kein Ermessen zustehe. Auch der Richtlinie 2008/115/EG sei nicht zu entnehmen, dass ein Ermessensspielraum bei der Fristbemessung unionsrechtswidrig wäre. Für eine über fünf Jahre andauernde Frist fehle es aber an einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Kläger sei strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, ihm sei nur eine vereinzelte Falschangabe anzulasten, die mehrere Jahre zurückliege und der kein gesteigertes Gewicht zukomme. Bei der Neubestimmung habe sich der Beklagte deshalb im Fristrahmen von bis zu fünf Jahren zu bewegen, wobei eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falles kaum vertretbar sein dürfte. Im Übrigen seien das Gewicht des Ausweisungsinteresses und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Bei einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung bedürfe es der prognostischen Einschätzung, wie lange das der Ausweisung zugrunde liegende Verhalten das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Frist müsse sich an höherrangigem Recht messen und ggf. relativieren lassen. Dabei seien insbesondere die in § 53 Abs. 2, § 55 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange in den Blick zu nehmen. Die Abwägung sei nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen und in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren unter Kontrolle zu halten.
- 6
-
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich der Ausweisung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 10. August 2016 - 1 B 92.16 - verworfen.
- 7
-
Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hilfsweise zur Befristung auf unter vier Jahre. Das Berufungsgericht hätte nicht zur Neubescheidung verpflichten dürfen, sondern selbst eine kürzere Frist bestimmen müssen. Soweit § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Behörde einen Entscheidungsspielraum einräume, sei dies mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem Unionsrecht, nicht zu vereinbaren.
- 8
-
Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
- 9
-
Der Kläger ist im Juli 2016 nach Marokko zurückgekehrt. Mit Bescheid vom 24. November 2016 hat der Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf den 25. Juli 2020 befristet.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob der Kläger hinsichtlich des mit seiner Ausweisung kraft Gesetzes eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots - über den Bescheidungsausspruch des Berufungsgerichts hinaus - einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung, hilfsweise zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren hat. Dieses Begehren hat sich nicht dadurch erledigt, dass der Beklagte - in Umsetzung der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung zur Neubescheidung - das Einreise- und Aufenthaltsverbot inzwischen auf vier Jahre seit der Ausreise festgesetzt hat.
- 11
-
Soweit der Kläger primär die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots erstrebt, ist die Revision mangels Zulassung nicht statthaft (1.). Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist sie zwar zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsurteil verstößt insoweit nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer bestimmten Frist von weniger als vier Jahren, da die Befristung im Ermessen der Ausländerbehörde liegt und die Voraussetzungen für eine Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten nicht vorliegen (2.).
- 12
-
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der klägerischen Begehren ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 6). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155). Durch die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Gesetzesänderungen hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen in § 11 AufenthG aber nicht geändert.
- 13
-
1. Die Revision ist hinsichtlich der vom Kläger mit seinem Hauptantrag begehrten Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mangels Zulassung nicht statthaft.
- 14
-
Das Berufungsgericht hat die Revision (nur) zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Begründet hat es dies mit den in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen zum Rechtscharakter der Befristungsentscheidung (UA S. 33). Damit bezieht sich die Zulassung nur auf die vom Kläger hilfsweise begehrte Befristung und nicht (auch) auf die vorrangig angestrebte Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Zwar bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 4 AufenthG ("kann") auch bei der Aufhebung einer Ermessensentscheidung. Die Frage des Rechtscharakters war für das Berufungsgericht insoweit aber nicht entscheidungserheblich, da es schon das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG verneint hat.
- 15
-
Die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist wirksam, weil es sich bei der Aufhebung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots prozessual um unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der - wie der Kläger - ausgewiesen worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Dieses (gesetzliche) Verbot ist nach § 11 Abs. 2 AufenthG gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung von Amts wegen zu befristen und kann unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 AufenthG aufgehoben oder nachträglich verkürzt oder verlängert werden. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (AufenthBeendBlReNG) vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) eingeführten Differenzierung hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Senats aufgegriffen, wonach unter engen Voraussetzungen eine vollständige Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung ohne vorherige Ausreise geboten sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 13 m.w.N.), und hierfür in § 11 Abs. 4 AufenthG eine spezielle Rechtsgrundlage geschaffen (BT-Drs. 18/4097 S. 36 f.). Seit dieser gesetzlichen Neuordnung der Regelungen zur Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung bedarf die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots einer eigenständigen, von der Befristung zu trennenden Entscheidung, die von der Ausländerbehörde nicht nur nachträglich, sondern zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers auch schon zusammen mit der Ausweisung getroffen werden kann.
- 16
-
2. Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist die Revision zulässig, aber unbegründet.
- 17
-
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger insoweit - anstelle des im Berufungsverfahren gestellten Bescheidungsantrags - im Revisionsverfahren auf einen Verpflichtungsantrag übergegangen ist. Diese Neuformulierung des Klagebegehrens stellt keine nach § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 - 1 C 23.03 - BVerwGE 122, 193 = juris Rn. 10). Der Kläger hat - über die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verpflichtung der Behörde zur Neubescheidung hinaus - aber keinen Anspruch auf Verpflichtung zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren.
- 18
-
Nach § 11 Abs. 2 AufenthG ist das mit einer Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise und ist gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung festzusetzen. Über die Länge der Frist wird nach § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen entschieden (Satz 1). Die Frist darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Satz 2), und soll zehn Jahre nicht überschreiten (Satz 3).
- 19
-
Damit hat der Ausländer einen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisungsverfügung ("ob"). Hinsichtlich der Länge der festzusetzenden Frist ("wie") bestimmt § 11 Abs. 3 AufenthG in seiner aktuellen Fassung ausdrücklich, dass hierüber im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe nach Ermessen zu entscheiden ist, dass die Frist nur unter bestimmten Voraussetzungen fünf Jahre überschreiten darf und zehn Jahre nicht überschreiten soll. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung im Jahr 2015 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Senats reagiert, wonach die Bemessung der Frist nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde stand, es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung handelte. Dies hat der Senat vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift mit dessen unionsrechtlicher Prägung durch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - (ABl. L 348 S. 98) und der Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK begründet (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 31 ff.). Mit der Änderung in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wollte der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand wieder herstellen, indem er den bisher offenen Wortlaut der Vorschrift konkretisiert und damit klargestellt hat, dass über die Dauer der Sperrfrist im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36).
- 20
-
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese gesetzgeberische Entscheidung mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbaren ist. Die - jedenfalls in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Ausweisung - gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Urteil vom 9. Dezember 2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 = juris Rn. 25 ff.) überzeugt im Ergebnis nicht (so im Ergebnis auch VGH München, Urteil vom 28. Juni 2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 49; OVG Koblenz, Urteil vom 8. November 2016 - 7 A 11058/15 - juris Rn. 26; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2017, § 11 AufenthG Rn. 72 ff.). Die Entscheidung des Senats vom 14. Februar 2012 (BVerwG 1 C 7.11) zu § 11 AufenthG a.F. erging ausdrücklich vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass die bei der Auslegung der damaligen Gesetzesfassung herangezogenen verfassungs-, unions- und menschenrechtlichen Vorgaben der gesetzlichen Einräumung eines behördlichen Ermessensspielraums zwingend entgegenstehen.
- 21
-
Eine gebundene Entscheidung folgt zunächst nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie), und zwar ungeachtet der vom Senat bislang offengelassenen Frage, ob die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung an den Bestimmungen dieser Richtlinie zu messen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 45). Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG enthält mit Ausnahme der grundsätzlich geltenden Fünfjahresfrist keine weiteren inhaltlichen Vorgaben bezüglich der Dauer der Frist, sondern schreibt nur die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor. Hierzu bedarf es nicht zwingend einer gebundenen Entscheidung. Auch dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG ist nicht zu entnehmen, dass der Ausländerbehörde vom nationalen Gesetzgeber kein Ermessensspielraum eingeräumt werden darf. Denn die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs bezieht sich auf die umfassende gerichtliche Überprüfung der normativ vorgegebenen Grenzen behördlichen Handelns.
- 22
-
Die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen strukturellen Erwägungen stehen einer Ermessensregelung ebenfalls nicht zwingend entgegen. Der Umstand, dass es sich bei der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG inzwischen um eine gebundene Entscheidung mit einer tatbestandsbezogenen Abwägung handelt, zwingt den Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht zu einer Regelung, nach der dies auch in Bezug auf die Dauer der mit der Ausweisung verbundenen gesetzlichen Rechtsfolgen der Fall sein muss. Die Ausgestaltung der Ausweisung als gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung ist auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zurückzuführen, eine "Beschleunigung des Verfahrens und schnellere Rechtssicherheit" zu erreichen (BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.). Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber, dass über die Dauer der Sperrfrist von der zuständigen Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36). Dieser gesetzgeberischen Entscheidung stehen auch die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben nicht entgegen. Die Befristung der gesetzlichen Wirkungen einer Ausweisung wirkt sich zwar mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK auf die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 33 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR). Die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung kann aber nicht nur durch eine gebundene Befristungsentscheidung sichergestellt werden. Denn auch bei einer Ermessensentscheidung ist die Frage der Verhältnismäßigkeit (auf der Rechtsfolgenseite) zu beachten.
- 23
-
Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert auch nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG), sowie unions- und konventionsrechtlich den Vorgaben aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (BGBl. 2008 II S. 1165) und Art. 8 EMRK gemessen und ggf. relativiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42). Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der Ausländerbehörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange. Da für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung - wie oben dargelegt - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, trifft die Ausländerbehörde auch während des gerichtlichen Verfahrens - wie nach altem Recht bei der Ermessensausweisung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 20 m.w.N.) - eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen.
- 24
-
Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass bei der Ermessensausübung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Behörde eine gesetzliche Ermessensgrenze darstellt, ein Verstoß dagegen zu einer Ermessensüberschreitung führt und der gerichtlichen Überprüfung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt. Nichts anderes gilt in Bezug auf unionsrechtlich zu beachtende Vorgaben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, der Ausländerbehörde bei der Bestimmung der Frist einen gewissen Spielraum einzuräumen, führt daher im Ergebnis nicht zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung des Betroffenen, da die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens von dem im Einzelfall zulässigen Höchstmaß der Frist nicht zu Lasten des Ausländers abweichen darf. Die Einhaltung dieser Obergrenze unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.
- 25
-
Bei einer Ermessensentscheidung obliegt die konkrete Festsetzung der Dauer der Frist grundsätzlich der Ausländerbehörde. Setzt sie ermessensfehlerhaft eine zu lange Frist fest, ist diese Entscheidung im gerichtlichen Verfahren aufzuheben und die Behörde zur Neubescheidung zu verpflichten. Dabei kann das Gericht in den Entscheidungsgründen eine sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebende absolute Obergrenze für die Dauer der Frist festlegen. Verpflichtet sind die Gerichte hierzu aber nicht. Allerdings dürfte bei einem hinreichend geklärten Sachverhalt eine grobe Eingrenzung des zulässigen Rahmens der Ausländerbehörde eine sachgerechte Ermessensausübung regelmäßig erheblich erleichtern.
- 26
-
Die von der Behörde bei einer Neubescheidung zu beachtenden gerichtlichen Vorgaben können auch den Kläger (materiell) beschweren, denn die in einem rechtskräftigen Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Gerichts wirkt sich auf die Rechtskraft im Sinne des § 121 VwGO aus. Folglich beschwert ein stattgebendes Bescheidungsurteil nicht allein die Behörde, sondern auch den Kläger, wenn sich die vom Gericht als verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit der des Klägers deckt und für ihn ungünstiger ist, so dass bei der erneuten Bescheidung auf ihrer Grundlage mit einem ungünstigeren Ergebnis zu rechnen ist als bei Anwendung der vom Kläger für richtig gehaltenen Rechtsansicht. Auf Grund der in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO angeordneten Bindung an die einem Bescheidungsurteil zugrunde liegende Rechtsauffassung führt ein Rechtsmittel gegen ein solches Urteil auch dann zu einer anderen Entscheidung, wenn sich die Rechtsauffassung, die bei der Neubescheidung maßgebend sein soll, als unzutreffend erweist. In diesem Fall hat das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil aufzuheben und ggf. selbst ein Bescheidungsurteil zu erlassen, in dem es seine eigene bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1995 - 8 C 8.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 = juris Rn. 13 und vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 15 f., jeweils m.w.N.).
- 27
-
In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden. Da die Entscheidung über die Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Ermessen der Ausländerbehörde liegt, hat der Kläger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf die von ihm begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren nur im Falle einer entsprechenden Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten. Hierfür ist auf der Grundlage der vom Kläger nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Frist fünf Jahre überschreiten darf. Dies steht hier nicht (mehr) im Streit, nachdem das Berufungsgericht festgestellt hat, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet unter den gegebenen Umständen nicht die Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren. Auch ansonsten weisen die vom Berufungsgericht seinem Bescheidungsausspruch zugrunde gelegten Erwägungen keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers auf. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet, weil es der Auffassung war, dass die zusammen mit der Ausweisung festgesetzte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots von sieben Jahren zu lang und damit ermessensfehlerhaft ist. In diesem Zusammenhang hat es der Behörde keine über die gesetzliche Grenze des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG hinausgehende, der revisionsgerichtlichen Rechtskontrolle unterliegende Obergrenze verbindlich vorgegeben, sondern lediglich angemerkt, dass eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falls kaum vertretbar sein dürfte. Ob die vom Beklagten inzwischen - in Umsetzung der gerichtlichen Verpflichtung zur Neubescheidung - mit Bescheid vom 24. November 2016 verfügte Befristung auf vier Jahre ermessensfehlerfrei ergangen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
- 28
-
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.