Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 10. Okt. 2017 - B 5 K 15.701

bei uns veröffentlicht am10.10.2017

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 26. März 2014 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2014.

1. Die Klägerin, eine Große Kreisstadt mit 30.657 Einwohnern (Stand: 30.6.2013), gehört dem beklagten Landkreis F. an; sie hat ihre Haushaltsführung im Jahr 2010 auf das doppische System umgestellt. Das Landratsamt F. genehmigte ihre Haushaltssatzung 2013 „unter der Auflage, dass künftig der Finanzplan der letzten drei Jahre des Finanzplanungszeitraums bei Erträgen und Aufwendungen sowie bei lnvestitionsauszahlungen und ihren Deckungsmöglichkeiten ausgeglichen sein“ müsse (Schreiben vom 2.7.2014). Für das Jahr 2014 weist ihr Ergebnishaushalt einen Fehlbetrag von 2.347.617 Euro aus.

Der Beklagte hat seine Haushaltsführung im Jahr 2009 auf die doppelte Buchführung umgestellt. Abweichend von dem in der Kreisausschusssitzung vom 27. November 2013 vorliegenden Haushaltsentwurf 2014, der einen Umlagesatz von 53,6 v.H. vorsah, befürwortete das Gremium eine Reduzierung des Umlagesatzes. Der in der Ausschusssitzung vom 9. Dezember 2013 vorgelegte Entwurf des Kreishaushalts wies einen Umlagesatz von 52,5 v.H. aus. Diesem Entwurf stimmten Kreisausschuss (Sitzung vom 19.12.2013) und Kreistag (Sitzung vom 28.1.2014) mehrheitlich zu. Nachdem die Regierung von Oberfranken die Kreditaufnahme für Investitionen (9.500.000 Euro) rechtsaufsichtlich genehmigt hatte (Schreiben vom 25.2.2014), erfolgte die Veröffentlichung der Haushaltssatzung.

Mit Bescheid vom 26. März 2014 setzte das Landratsamt F. die von der Klägerin für das Jahr 2014 zu entrichtende Kreisumlage auf 14.231.537,76 Euro fest. Weiter heißt es, der Kreistag habe die Höhe des durch sonstige Einnahmen nicht gedeckten Bedarfs, der umgelegt werden solle, für das Jahr 2014 auf 47.347.129 Euro festgesetzt. Das sei im Vergleich zum Vorjahr (43.063.570 Euro) eine Mehrung um 4.283.559 (= 9,95 v.H.).

2. Mit Schriftsatz vom 25. April 2014, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am 29. April 2014, erhob die Klägerin Klage, ohne einen Klageantrag zu stellen. Sie ließ vortragen, der Bescheid vom 26. März 2014 sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem Selbstverwaltungsrecht. Die Kreisumlage weise gegenüber der des Vorjahres eine Steigerung von 8,3 v.H. auf und überbürde ihr 30 v.H. des Umlageaufkommens. Ihre Leistungsfähigkeit sei gefährdet, weil sie sich an der Schwelle der Genehmigungsfähigkeit ihres Haushalts bewege. Den Gemeinden müsse eine kraftvolle eigenverantwortliche Betätigung möglich sein. Ihr Haushalt habe in keinem der vergangenen zehn Jahre eine „freie Spitze“ - dem maßgeblichen Kriterium für die Finanzsituation einer Kommune - von mehr als 5 v.H. aufgewiesen. In diesem Zeitraum habe sich ihr Umlagebetrag trotz Senkung des Umlagesatzes um 53 v.H. erhöht, während ihre Verschuldung um 48,5 v.H. gestiegen sei. Sie habe - was sich nicht aus dem Haushalt ergebe - erhebliche Investitionen zu bewältigen, deren Kosten nicht gedeckt seien. Sie habe ihre Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft.

Der Beklagte habe weder den Finanzbedarf der Klägerin und der anderen umlagepflichtigen Gemeinden vorab ermittelt und abgewogen noch seine Entscheidung offengelegt. Dem Beklagten sei bei seiner Haushaltsaufstellung die Finanzsituation der Klägerin nicht bekannt gewesen, weil diese ihren Haushalt 2014 zu diesem Zeitpunkt noch nicht verabschiedet hatte. Weder die Mehrung des ungedeckten Bedarfs noch der Umlagebetrag seien erläutert.

Der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Einführung der Doppik durch den Beklagten rechtswidrige Doppelbelastungen für die Gemeinden verursache. Baumaßnahmen, die über das System der Kameralistik und die frühere Kreisumlage - einschließlich der Tilgung der Fremdfinanzierung - vollständig finanziert seien, würden nunmehr über Abschreibungen refinanziert und flössen in Höhe von 4.889.600 Euro in den ungedeckten Bedarf ein. Der Beklagte müsse aufzeigen, welche Kredite er für welche Vorhaben aufgenommen habe. Nach Kredittilgung dürften die Abschreibungen hierfür nicht mehr in das Umlagesoll einfließen.

Obwohl die Umlageerhebung nicht zur Erwirtschaftung von Überschüssen führen dürfe, plane der Beklagte Überschüsse zur Durchführung von Investitionen. Auch insoweit liege eine Doppelfinanzierung zu Lasten der Gemeinden vor, weil die Investitionen über Abschreibungen refinanziert würden. Das vom Beklagten beanspruchte Ermessen bei der Entscheidung über die Finanzierung der Investitionen unterliege Bindungen. Der Finanzbedarf sei um 1.159.100 Euro zu kürzen und die Umlage zu ermäßigen.

Der Beklagte verfüge über anfechtbare Liquiditätsreserven, weise in seinem Haushalt einen Finanzmittelbestand von 17.362.678 Euro aus und verstoße gegen das Rücksichtnahme- und Abwägungsgebot sowie gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Durch die Umlageerhebung generiere der Beklagte eine „freie Spitze“ von 1.418.600 Euro, während die der Klägerin nur 4.313 Euro betrage. Das Selbstverwaltungsrecht von Gemeinden und Landkreisen sei gleichgeordnet. Die Gegenüberstellung der den Beteiligten im Haushaltsjahr 2014 verbleibenden „freien Spitze“ sei ein Indikator für die Beantwortung der Frage der Ausgewogenheit des Zugriffs auf die gemeindlichen Finanzen. Die unterbliebene Rücksichtnahme verletze die Klägerin in ihren Rechten, weil sie aus ihrer „freien Spitze“ nicht einmal eine dringende Schulsanierung (5.600.000 Euro) finanzieren könne. Die gebotene Entlastung der Klägerin durch Abgleichung der beidseitigen „freien Spitzen“ betrage 580.825 Euro.

Ferner bilde der Beklagte Pensionsrückstellungen und zahle als Pflichtmitglied Umlagen an den nicht insolvenzfähigen Bayerischen Versorgungsverband (BVV); diese Umlagen flössen in den Ergebnishaushalt ein. Aufgrund der Mitgliedschaft des Beklagten im BVV sei eine Inanspruchnahme dieser Rückstellungen unrealistisch, so dass sie nicht mit Iiquiden Mitteln zu hinterlegen seien. Der Grundsatz der Vollständigkeit sowie der Klarheit und Wahrheit kommunaler Haushalte sei verletzt, so dass das Umlagesoll 2014 um 900.000 Euro zu kürzen sei. Gleiches gelte auch insoweit, als der Beklagte in seiner mittelfristigen Finanzplanung gleichbleibende Abschreibungsbeträge aufführe, obwohl sich das Anlagevermögen stetig ändere. Diese Fehler führten zu einer Kürzung des Umlagesatzes auf 44,79 v.H., d.h. um mehr als einen Prozentpunkt und damit zu einer Überschreitung der sog. Erheblichkeitsschwelle.

Mit Schriftsatz vom 28. September 2015 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen, und trug vor, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine umfassende Überprüfung der Haushaltsplanung. Beteiligungsrechte der Gemeinden bei dem Erlass der Haushaltssatzung seien gesetzlich nicht vorgesehen. Anhörungs- und Begründungsgebot bezögen sich nur auf den zu erlassenden Verwaltungsakt. Zudem könnten Anhörung und Begründung nachgeholt werden. Bei der Festsetzung der Kreisumlage komme es nicht auf die individuelle Haushaltslage einzelner Gemeinden, sondern auf eine Gesamtschau aller kreisangehörigen Gemeinden an. Der Beklagte sei seiner anlassbezogenen Ermittlungspflicht nachgekommen.

Eine Doppelfinanzierung von Gegenständen des Anlagevermögens liege nicht vor. Ein Verzicht auf Abschreibungen führe zu einem Vermögensabbau und durchbreche das Prinzip der nachhaltigen Haushaltswirtschaft. Der Wechsel zur Doppik bedeute einen Systembruch, der zwar durch die Regelung von Sonderposten hätte vermieden werden können. Das sei aber nicht geschehen, obwohl dieses Problem bekannt gewesen sei. Der Umgang mit den Mitteln aus dem Kapitalfreisetzungseffekt obliege dem weiten Ermessen der Kreisgremien, die die gemeindlichen Interessen angemessen berücksichtigten.

Die Erwirtschaftung von Überschüssen sei zulässig und könne zur Rücklagebildung bzw. Vorfinanzierung von Investitionen angezeigt sein; der Beklagte könne nicht auf die Kreditfinanzierung verwiesen werden. Die für die Finanzierung der Kreisaufgaben erforderliche Kreditaufnahme spreche gegen eine Überfinanzierung, zumal der Beklagte verpflichtet sei, die Kreditaufnahme in der derzeit guten wirtschaftlichen Lage zu begrenzen. Allein das Schulsanierungspaket des Beklagten rechtfertige die Kreditaufnahme. Eine Ausweitung der Kreditfinanzierung sei gesetzlich nicht geboten.

Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Es liege kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Finanzhoheit der Klägerin vor, weil man den Umlagesatz von 54,6 v.H. (2012) auf 46,0 v.H. (2017) reduziert habe. Eine noch weitergehende Senkung gefährde die Leistungsfähigkeit des Beklagten. Die Klägerin habe eine strukturell unzureichende Finanzausstattung nicht substantiiert dargelegt. Ihre Steuerkraft sei ständig gestiegen. Sie habe Investitionen in Höhe von 14.930.085 Euro tätigen können, setze dabei Prioritäten und begründe nicht, ob ihr auch nach einem Überdenken der Prioritäten eine Schulsanierung unmöglich gewesen sei. Der Anteil der freiwilligen Leistungen in ihrem Ergebnishaushalt 2014 an den gesamten Aufwendungen betrage 8,25 v.H. Die sog. „freie Spitze“ sei eine ungeeignete Maßzahl.

Die Bildung von Pensionsrückstellungen führe nicht zu einer Doppelfinanzierung, weil diese zwar in der Haushaltsrechnung, nicht aber im Haushaltsplan und somit nicht in der Bemessungsgrundlage der Kreisumlage enthalten seien. Zudem seien die Rückstellungen zu bilden, weil die Umlage an den BVV den Beklagten nicht von seiner Verpflichtung gegenüber den Pensionären befreie, sondern nur die jährlichen Versorgungszahlungen an diese finanziere. Sollte das Gericht ein gemeindliches Anhörungsrecht verfassungsrechtlich für geboten halten, sei das Verfahren auszusetzen und eine verfassungsgerichtliche Entscheidung einzuholen.

Die Regierung von Oberfranken hat von der Befugnis, sich als Vertreter des öffentlichen Interesses an dem Verfahren zu beteiligen, Gebrauch gemacht, ohne sich weiter zu äußern.

4. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Klägerin, den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2014 aufzuheben.

Der Beklagte nahm auf den schriftsätzlich gestellten Klageabweisungsantrag Bezug.

5. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Gleiches gilt für den am 8. November 2016 durchgeführten Erörterungstermin. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2014, mit dem der Beklagte die von der Klägerin zu entrichtende Kreisumlage für das Haushaltsjahr 2014 festgesetzt hat, ist zulässig (dazu unten Buchst. a) und hat auch in der Sache Erfolg (dazu unten Buchst. b).

a) Die als Anfechtungsklage erhobene Klage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

aa) Die Klägerin ist klagebefugt, weil sie gemäß § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geltend machen kann, durch den Kreisumlagebescheid in ihren Rechten verletzt zu sein. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Erhebung der Kreisumlage durch den angefochtenen Bescheid die Klägerin unzulässig in ihrem gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Halbsatz 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung (BV) verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrecht verletzt, welches nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verfassungsgerichte der Länder auch die Finanzhoheit mitumfasst (vgl. nur: BVerfG, B.v. 27.1.2010 - 2 BvR 2185/04 - BVerfGE 125, 141/159; BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 - Vf.15-VII-05 - VerfGH n.F. 60, 184/215; so auch: BayVGH, U.v. 21.3.2011 - 4 BV 10.108 - BayVBl 2011, 632 = VGH n.F. 64, 42/43 Rn. 37).

Die Klagebefugnis ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die finanziellen Auswirkungen der Veranlagung der Klägerin zur Kreisumlage, soweit diese mit der Klage angegriffen wird, als geringfügig anzusehen wären. Es mag zwar sein, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs ein Fehler bei der Festsetzung des Umlagesolls durch den Ansatz von Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben die Nichtigkeit der Haushaltssatzung und damit die Rechtswidrigkeit von Umlagebescheiden nur dann nach sich zieht, wenn er spürbar in die Finanzwirtschaft eingreift, nämlich sich auf den Umlagesatz mit einem Prozentpunkt oder mehr auswirkt (BayVGH, U.v. 21.3.2011 - 4 BV 10.108 - BayVBl 2011, 632/637 = VGH n.F. 64, 42/59 Rn. 76 m.w.N.). Abgesehen davon, dass die Klägerin vorliegend die vollumfängliche Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids wegen eines Verstoßes gegen Ermittlungs- und Anhörungspflichten begehrt, wäre diese Grenze selbst dann überschritten, wenn man nur die von der Klägerin gerügten Einwendungen gegen die Veranschlagung der Pensionsrückstellungen berücksichtigen sollte. Denn allein schon dann, wenn sich nur die mit 900.000 Euro in Ansatz gebrachten Pensionsrückstellungen als rechtswidrig erweisen sollten, ergäbe sich eine Ermäßigung des in § 4 Abs. 1 der Haushaltssatzung auf 47.347.129,20 Euro festgesetzten Umlagebetrags auf 46.447.129,20 Euro und damit des Umlagesatzes von 52,5 v.H. auf 51,5 v.H., d.h. um einen Prozentpunkt.

bb) Darüber hinaus ist auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Umlagebescheid gegeben. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere auch nicht deshalb, weil für das damit verfolgte Rechtsschutzziel vorrangig die Normenkontrolle gegen die Haushaltssatzung des Beklagten nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) in Betracht käme, weil dort die Festsetzung der Kreisumlage mit Umlagesoll und Umlagesätzen gerichtlich überprüft werden kann. Denn nach gefestigter Rechtsprechung sind der gegen die Haushaltssatzung gerichtete Normenkontrollantrag und die Anfechtungsklage gegen den Kreisumlagebescheid für die betroffenen Gemeinden als gleichrangige Rechtsschutzalternativen anzusehen, so dass das Rechtsschutzinteresse für das eine Verfahren nicht wegen der Möglichkeit des anderen Verfahrens verneint werden kann (BVerwG, B.v. 29.1.1992 - 4 NB 22/90 - BayVBl 1992, 503 f.; BayVGH, U.v. 21.3.2011 - 4 BV 10.108 - BayVBl 2011, 632/633 = VGH n.F. 64, 42/45 f. Rn. 44).

cc) Schließlich greift auch der Einwand des Beklagten, es liege nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin eine unzulässige Klageerweiterung vor, der man sich widersetze (vgl. Schriftsätze vom 18.4., 24.5. und 30.6.2017), nicht durch. Denn gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO „muss“ die Klageschrift zwar den Gegenstand des Klagebegehrens nennen, ohne dass es jedoch einer exakten Bezeichnung des Streitgegenstands bedarf (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014., Rn. 6 zu § 82). Demgegenüber ist das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet, wobei diesem Erfordernis mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden muss (vgl. nur: BVerwG, U.v. 5.9.2013 - 7 C 21/12 - Juris Rn. 54; so auch: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Rn. 10 zu § 82). Diese Anforderungen hat die Klägerin ohne jeden Zweifel gewahrt. Bereits in ihrer Klageschrift vom 25. April 2014 hat die Klägerin eindeutig und zweifelsfrei dargelegt, dass sich die Klage gegen den Kreisumlagebescheid des Beklagten vom 26. März 2014 richtet. Damit war der Gegenstand des Klagebegehrens hinreichend bezeichnet. Es mag zwar sein, dass die Klägerseite in der Folgezeit einerseits betont hat, dass die Anfechtung „nur den Anteil der Kreisumlage (erfasse), der sich (…) als rechtswidrig“ erweise (Klagebegründung vom 29.12.2014, S. 25). Andererseits hat die Klägerin von Beginn an unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 31.1.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/379) klargestellt, dass der Bescheid sie in ihrem verfassungsmäßig garantierten Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletze (Klagebegründung vom 29.12.2014, S. 3 ff.). Jedenfalls in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerseite durch die dann erfolgte Antragstellung unmissverständlich und in nicht zu beanstandender Weise präzisiert, dass sich ihre Anfechtungsklage - einschränkungslos - gegen den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2014 richtet.

b) Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 26. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dabei kann offenbleiben, ob der Bescheid - wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Klagebegründung ausführt - mangels Anhörung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) und wegen fehlender Begründung im Sinne von Art. 39 BayVwVfG formell rechtswidrig ist. Keiner Klärung bedarf auch die Frage, ob ein solcher Verfahrensfehler - sollte er überhaupt vorliegen - gemäß Art. 45 BayVwVfG geheilt wäre. Denn der auf § 4 der Haushaltssatzung des Beklagten gestützte Bescheid vom 26. März 2014 ist materiell rechtswidrig, weil der Bescheid nicht auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht. Die Haushaltssatzung des Beklagten für das Haushaltsjahr 2014 erweist sich zwar als formell rechtmäßig (dazu unten Buchst. aa), verstößt aber gegen höherrangiges Recht (dazu unten Buchst. bb).

aa) Die formelle Rechtmäßigkeit der Haushaltssatzung unterliegt keinen durchgreifenden Zweifeln. Die Anforderungen an das förmliche Verfahren, wie sie sich aus der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (Landkreisordnung - LKrO) und aus dem Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsgesetz - FAG) ergeben, sind unstreitig gewahrt. Verstöße gegen die Verfahrensvorschriften der Landkreisordnung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Die Regierung von Oberfranken hat mit Bescheid vom 25. Februar 2014 die Kreditaufnahme durch den Beklagten gem. Art. 65 Abs. 2 LKrO rechtsaufsichtlich genehmigt. Der Beklagte hat die Haushaltssatzung in der gem. Art. 20 Abs. 2 LKrO gebotenen Form ausgefertigt und öffentlich bekannt gemacht (Art. 59 Abs. 3 LKrO). § 4 der Haushaltssatzung enthält auch die von Art. 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LKrO geforderte Festsetzung von Umlagesoll (47.347.129,20 Euro) und -satz (52,5 v.H.).

bb) Die Haushaltssatzung ist jedoch materiellrechtlich nicht mit Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV vereinbar und verstößt somit gegen höherrangiges Recht.

(1) Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV gewährleisten den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Denn die in diesen Vorschriften festgeschriebene kommunale Selbstverwaltungsgarantie beinhaltet die kommunale Finanzhoheit und damit die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens (BVerfG, B.v. 21.5.1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353/365 ff.; BVerfG, B.v. 27.1.2010 - 2 BvR 2185/04 - BVerfGE 125, 141/159; BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 - Vf.15-VII-05 - VerfGH n.F. 60, 184/215). Die Gewährleistung der finanziellen Eigenverantwortung ist durch die ergänzende Regelung in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG materiellrechtlich verstärkt worden (BVerfG, B.v. 27.1.2010 - 2 BvR 2185/04 - BVerfGE 125, 141/160; BVerwG, U.v. 27.10.2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89/94 Rn. 18; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/379 ff. Rn. 11, 21). Die Garantie der finanziellen Mindestausstattung aus Art. 28 Abs. 2 GG gilt unmittelbar und uneingeschränkt auch im Verhältnis der Gemeinde zum Landkreis als einem öffentlich-rechtlich organisierten Gemeindeverband (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/380 ff., 391; U.v. 16.6.2015 - 10 C 13/14 - BVerwGE 152, 188/195 Rn. 28; vgl. auch: ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 48). In diesem Zusammenhang zählt u.a. die Kreisumlage - ein rechtlich zulässiges Instrument zur Finanzierung der Landkreise - zu den die Finanzausstattung einer kreisangehörigen Gemeinde negativ beeinflussenden Faktoren. Daraus folgt, dass die Kreisumlage den verfassungsrechtlichen, sich insbesondere aus Art. 28 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen entsprechen muss und nicht zu einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen finanziellen Mindestausstattung führen darf (BVerwG, U.v. 31.3.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/380 Rn. 12).

Allgemein gilt, dass bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen dem Gesetz- und sonstigen Normgeber auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zukommt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang hat (BVerwG, U.v. 31.3.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/380 Rn. 13; OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10515/13 - DVBl 2014, 589/591 = Juris Rn. 35). Dieser Grundsatz des finanziellen Gleichrangs hat vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des jeweiligen Landkreises zu den umlagepflichtigen kreisangehörigen Gemeinden. Die Verteilung der Finanzmittel zwischen dem Landkreis und den kreisangehörigen Gemeinden muss mithin gleichmäßig geschehen. Demgemäß darf der Landkreis seinen eigenen Finanzrahmen nicht beliebig enger oder weiter stecken, sondern muss die gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden berücksichtigen. Er darf insbesondere seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen. Somit ist der Landkreis gehalten, auch den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen (BVerwG, U.v. 31.3.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/381 Rn. 14; BVerwG, U.v. 16.6.2015 - 10 C 13/14 - BVerwGE 152, 188/199 Rn. 39; OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10515/13 - DVBl 2014, 589/591 = Juris Rn. 35; ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 54).

Bei der Erhebung der Kreisumlage ist ferner zu berücksichtigen, dass Art. 28 Abs. 2 GG eine absolute Grenze zieht. Demnach dürfen die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (BVerwG, U.v. 31.3.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/383 Rn. 18). Die Gemeinden müssen somit zumindest über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremdwie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (so: BVerwG, U.v. 31.3.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/383 Rn. 19; vgl. auch: BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 - Vf.15-VII-05 - VerfGH n.F. 60, 184/220 f.; ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 12; Dreier in: Dreier, Grundgesetz, Band II, 2015, Rn. 146 zu Art. 28 GG).

(2) Gemessen daran, erweist sich die Haushaltssatzung des Beklagten bereits deshalb als rechtswidrig, weil der Beklagte seinen verfassungsrechtlich gebotenen Anhörungs- und Ermittlungspflichten nicht hinreichend nachgekommen ist (dazu unten Buchst. (a)). Ob die weiteren von der Klägerin erhobenen Rügen durchgreifen, bedarf keiner abschließenden Klärung (dazu unten Buchst. (b)). Gleiches gilt für die Frage, ob die Klägerin durch die Erhebung der Kreisumlage 2014 im Kernbereich ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie verletzt ist (dazu unten Buchst. (c)).

(a) Die Haushaltssatzung ist bereits deshalb rechtswidrig, weil es der Beklagte versäumt hat, den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden - und damit auch den der Klägerin - hinreichend zu ermitteln.

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist bei der Prüfung, ob und ggfs. in welchem Umfang der Landkreis bei Erlass seiner Haushaltssatzung Anhörungs-, Ermittlungs- und Begründungspflichten unterliegt, nicht allein auf die Regelungen im einfachen Recht, d.h. insbesondere auf Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts, der Landkreisordnung oder des Finanzausgleichsgesetzes abzustellen. So ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass Grundrechtsschutz weitgehend auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken ist und dass die Grundrechte demgemäß nicht nur das gesamte materielle, sondern auch das Verfahrensrecht beeinflussen, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung ist (BVerfG, B.v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - BVerfGE 53, 30/65; B.v. 8.2.1983 - 1 BvL 20/81 - BVerfGE 63, 131/143; U.v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 - BVerfGE 65, 1/44; U.v. 22.2.1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60/95 ff.). In Bezug auf die Gewährleistung eines wirkungsvollen Schutzes des kommunalen Selbstverwaltungsrechts hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Rationalisierung des staatlichen Entscheidungsprozesses in Form eines der eigentlichen Entscheidung vorausgehenden transparenten Verfahrens als geboten erachtet, um zum einen eine über die reine Evidenzprüfung hinausgehende Kontrolle der Ergebnisse des kommunalen Finanzausgleichs zu ermöglichen und zum anderen durch ein solches Verfahren eine erhöhte Gewähr für die Verfassungsmäßigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung zu bieten (BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 - Vf.15-VII-05 - VerfGH n.F. 60, 184/219 f.). Demnach greift der bei den Grundrechten seit längerem bei Fallgestaltungen, in denen aus in der Sache liegenden Gründen ein nachträglicher verfassungsgerichtlicher Schutz nicht hinreichend gewährt werden kann, anerkannte prozedurale Schutz auch bei dem grundrechtsähnlichen Selbstverwaltungsrecht bzw. der in der Verfassung verankerten Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und Gemeindeverbände in der Ausprägung als kommunale Finanzhoheit und -garantie. Somit ist bei gesetzlichen Regelungen, die den Kernbereich gemeindlicher Selbstverwaltung erheblich tangieren, im Einzelfall neben der Anhörung der Betroffenen ebenfalls eine verlässliche und substantiierte Tatsachenermittlung und Begründung des Normgebers zu fordern (BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 - Vf.15-VII-05 - a.a.O.).

Zwar betrifft diese Rechtsprechung die Ebene der materiellen Gesetzgebung und bezieht sich ausdrücklich auf eine „Rationalisierung des staatlichen Entscheidungsprozesses“. Diese Rechtsgedanken sind aber - jedenfalls dem Grunde nach - auch auf das Normsetzungsverfahren im Hinblick auf den Erlass der Haushaltssatzung des umlageberechtigten Landkreises heranzuziehen. Das muss insbesondere dann gelten, wenn sich die Folgen des Normerlasses - hier also der Haushaltssatzung - in geschützten Grundrechtspositionen der Normadressaten - hier also den umlagepflichtigen Gemeinden - auswirken können. Diese verfassungsrechtlich gestützten, grundsätzlichen Erwägungen erhellen zugleich, dass der von der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung sinngemäß vorgetragene Einwand, die entsprechenden Ausführungen in der Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris) ließen sich wegen landesspezifischer Besonderheiten nicht auf die Verhältnisse im Freistaat Bayern übertragen, wegen des universellen Charakters der Grundrechte bzw. der grundrechtsähnlichen Rechte schon dem Grunde nach nicht durchgreifen kann.

Daraus folgt, dass der Landkreis in seiner Eigenschaft als Normgeber zum einen - wie oben dargelegt - bereits bei der Haushaltsaufstellung, d.h. vor Erlass der Haushaltssatzung verpflichtet ist, einerseits den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden konkret zu ermitteln und andererseits seine darauf basierende Entscheidung offenzulegen hat. Zum anderen muss der Landkreis in dem gebotenen, im Rahmen des zum Satzungserlass führenden Verfahrens durchzuführenden Abwägungsprozess erkennen lassen, dass er die nach seinen Möglichkeiten erkennbare Verletzung der finanziellen Mindestausstattung der Gemeinden abwägend berücksichtigt hat. Dieser Ermittlungspflicht wird der Landkreis nur dann gerecht, wenn er den kreisangehörigen Gemeinden zielgerichtet und zeitlich ausreichend Gelegenheit gibt, ihre Bedarfssituation in einer für die anzustellende landkreisweite Abwägung geeigneten Weise darzustellen (so ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 54 f.). Auf dieser Basis hat der Landkreis vor der Festlegung seines eigenen Finanzbedarfs in der Haushaltssatzung eine Querschnittsbetrachtung des Finanzbedarfs aller kreisangehörigen Gemeinden anzustellen, um im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine Obergrenze der Belastung der kreisangehörigen Gemeinden durch die Kreisumlage festzustellen und den eigenen Finanzbedarf damit in Einklang zu bringen (ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 57). Aus der Tatsache, dass es sich hierbei um einen Abwägungsprozess des Kreistags als dem hierfür zuständigen Organ des Landkreises handelt, folgt zugleich, dass im Falle einer unterbliebenen oder mit Abwägungsfehlern behafteten Entscheidung des Kreistags eine Anwendung von Art. 45 BayVwVfG - anders als der Beklagte meint - schon dem Grunde nach ausscheidet.

Wie das Verfahren im Einzelnen auszugestalten ist (zu den verschiedenen Ansätzen vgl. Thür. Ministerium für Inneres und Kommunales, Schreiben vom 9.8.2017, ZKF 2017, 208 ff.; zum Benehmenherstellungsverfahren gem. § 55 KrO NRW vgl.: Thormann, ZKF 2017, 93/94; Holler, ZKF 2017, 44 f.; siehe auch Dombert, KommJur 2017, 165 ff./167; Kalscheuer/Harding, NVwZ 2017, 1506/1507), bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls lässt sich aus den o.g. Vorgaben eine Verpflichtung der Landkreise zur umfassenden Datenermittlung, eine Pflicht zur doppelten Anhörung der umlagepflichtigen Gemeinden, d.h. vor und nach Erstellung des Entwurfs der Haushaltssatzung und die Pflicht zur Bereitstellung der erforderlichen Daten an alle Kreistagsmitglieder ableiten (so: Dieter, ZKF 2017, 97 ff.; ders., ZKF 2016, 31 ff.). Ob damit zugleich - wie ebenfalls gefordert - zusätzliche Rechte und Pflichten der Rechtsaufsichtsbehörden im Rahmen der Prüfung der Haushaltssatzungen der Landkreise einhergehen müssen (so: Dieter, ZKF 2017, 97/99; ders., ZKF 2016, 31/32), bedarf hier ebenfalls keiner abschließenden Klärung.

Diesen Anforderungen genügt das vom Beklagten praktizierte Verfahren nicht. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Beklagtenseite im Erörterungstermin vom 8. November 2016 (Niederschrift vom 8.11.2016, S. 2) wurden im November und Dezember 2013 von Seiten des Beklagten Gespräche mit den Kreistagsfraktionen geführt. Die Information der umlagepflichtigen Gemeinden über den zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Entwurf der Haushaltssatzung des Beklagten erfolgte demnach im Rahmen einer Bürgermeisterdienstbesprechung, die vor der Beschlussfassung des Kreisausschusses über den Haushaltsentwurf stattgefunden hatte. Im Übrigen hat der Beklagte darauf verwiesen, dass die Haushaltssituation der umlagepflichtigen Gemeinden der Kreisverwaltung aufgrund der Wahrnehmung der Aufgabe der Kommunalaufsicht bekannt sei; die Mitglieder des Kreistags würden „nicht ausdrücklich mit allen Zahlen versorgt (…) könnten allerdings davon ausgehen, dass der Haushaltsentwurf der Kreisverwaltung auf einem umfassenden Kenntnisstand über die Finanzsituation der umlagepflichtigen Gemeinden“ beruhe (Niederschrift vom 8.11.2016, S. 2). Ergänzend hat die Klägerseite im Erörterungstermin vom 8. November 2016 - ebenfalls unwidersprochen - vorgetragen (Niederschrift vom 8.11.2016, S. 2), dass die den Kreistagsmitgliedern bekannt gegebenen Umlagegrundlagen gemäß § 4 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Bayerische Durchführungsverordnung zum Finanzausgleichsgesetz - FAGDV) die wirtschaftliche Situation aus dem Vorvorjahr beträfen und somit insbesondere nicht die aktuelle Situation der umlagepflichtigen Gemeinden widerspiegelten. Zudem sei den Kreistagsmitgliedern nicht die Haushaltssituation einer jeden umlagepflichtigen Gemeinde bekannt. Daraus folgt zur Überzeugung des Gerichts, dass vorliegend weder eine systematische Erfassung der Bedarfssituation aller umlagepflichtigen Gemeinden stattgefunden hat, noch dass für die umlagepflichtigen Gemeinden die Möglichkeit bestand, ihre aktuelle Haushaltslage vor Erstellung des Entwurfs der Haushaltssatzung des Beklagten darzustellen. Somit fehlt auch eine Abwägungsentscheidung des Beklagten auf der Basis von umfassenden und vergleichbaren bzw. vergleichbar aufbereiteten Finanzdaten der umlagepflichtigen Gemeinden. Zudem ist die Behandlung im Kreisausschuss bzw. Kreistag des Beklagten auf der Grundlage des Entwurfs der Haushaltssatzung und somit verspätet erfolgt (ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 66), weil dieser Entwurf ohne eine Abwägung der finanziellen Bedürfnisse des Beklagten und der umlagepflichtigen Gemeinden erstellt worden war.

Soweit der Beklagte hiergegen unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts einwendet, es sei Aufgabe des Landesgesetzgebers, ein eigenständiges Anhörungsrecht der umlagepflichtigen Gemeinden beispielsweise im Finanzausgleichsgesetz vorzusehen (Schriftsatz v. 10.4.2017, S. 5), führt das zu keiner anderen Einschätzung. Der Beklagte verkennt, dass sich die von ihm angeführten Entscheidungen (BVerfG, B.v. 25.5.1976 - 2 BvL 1/75 - BVerfGE 42, 191/205 Rn. 33; BVerwG, B.v. 25.10.1979 - 2 N 1/78 - BVerwGE 59, 48/49 Rn. 10 f.) ausdrücklich und ausschließlich auf den Erlass von Rechtsverordnungen als gesetzesverlängernde Rechtsnormen beziehen. Nur insoweit und unter besonderer Berücksichtigung der Regelung in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Aussagen zu verstehen, es obliege der Gestaltungfreiheit des Gesetzgebers, für den Erlass von Verordnungen ein Anhörverfahren anzuordnen (BVerfG, B.v. 25.5.1975, a.a.O.) bzw. der Gesetzgeber müsse das Verfahren zum Erlass von Verordnungen regeln (BVerwG, B.v. 25.10.1979, a.a.O). Daraus wird deutlich, dass diese Gedanken nicht auf den Erlass von Satzungen, d.h. von Rechtsvorschriften, die - wie hier durch den beklagten Landkreis - als juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen des ihm durch Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG verliehenen Selbstverwaltungsrechts erlassen werden (Leibholz/Rinck, GG, Vor Art. 70 Rn. 236), übertragen lassen.

Darüber hinaus lässt sich aus dem Umstand, dass weder das Finanzausgleichsgesetz noch die Landkreisordnung Vorschriften zur Ausgestaltung der - wie oben dargelegt - verfassungsrechtlich begründeten Bedarfsermittlungspflicht der Landkreise enthalten, auch kein Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG bzw. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV ableiten, so dass - anders als der Beklagte meint (Schriftsatz vom 30.6.2017, S. 2) - für das erkennende Gericht auch keine Pflicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) oder an den Bayer. Verfassungsgerichtshof (Art. 92 BV) besteht. Denn die Vorschriften, insbesondere die des Finanzausgleichsgesetzes lassen sich verfassungsgemäß auslegen und anwenden (in diesem Sinne zum ThürFAG: ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 58 f.; so auch: Kalscheuer/Harding, NVwZ 2017, 1506/1508). Denn entgegen dem Vortrag des Beklagten findet die verfassungskonforme Auslegung gesetzlicher Regelungen - hier also des Finanzausgleichsgesetzes - ihre Grenze dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerwG, U.v. 2.3.2017 - 3 C 19/15 - NJW 2017, 2215/2220 f. = Juris Rn. 37; BVerfG, B.v. 19.9.2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247/274 Rn. 91/93; BVerfG, B.v. 19.1.1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341/358, Rn. 57 ff.). Das ist hier indessen nicht der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass die verfassungsrechtlich fundierte Bedarfsermittlungspflicht der Landkreise und das damit einhergehende Anhörungsrecht der Gemeinden im Rahmen der Kreisumlageerhebung bzw. im Vorfeld des Erlasses der Haushaltssatzung des Landkreises dem Willen des Gesetzgebers widersprechen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Somit ist die Haushaltssatzung des Beklagten, ohne dass es auf die Frage einer Verletzung des Rechts auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung ankäme, nicht vereinbar mit Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV. Mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage ist der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 26. März 2014 daher rechtswidrig und aufzuheben.

(b) Keiner abschließenden Klärung bedarf daher die Frage, ob die von der Klägerin vorgetragenen Rügen hinsichtlich einzelner Haushaltsansätze durchgreifen. Die Klägerin verkennt insoweit grundlegend, dass den umlagepflichtigen Gemeinden insoweit nur ein beschränkter Prüfungsanspruch zusteht (dazu unten Buchst. (aa)). Gemessen daran hat das Gericht in Bezug auf die von der Klägerin erhobenen Rügen gegen die Veranschlagung der Pensionsrückstellungen sowie der Deponierücklage ganz erhebliche Zweifel, ob die Einwendungen der Klägerin durchgreifen (dazu unten Buchst. (bb)). Aber auch im Übrigen drängt sich dem Gericht die Annahme fehlerhaft veranschlagter Haushaltsansätze nicht auf (dazu unten Buchst. (cc)).

(aa) Bei den gegen einzelne Haushaltsansätze des Beklagten gerichteten Einwänden der Klägerin ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass den Gemeinden kein Anspruch auf eine umfassende Überprüfung der Haushaltsplanung des Landkreises zusteht, weil eine solche rechtsaufsichtsähnliche Kontrolle mit der prinzipiellen Selbständigkeit und Gleichrangigkeit der verschiedenen kommunalen Ebenen (Art. 10, 11 BV) nur schwer vereinbar wäre. Die Rechtmäßigkeit der einzelnen Haushaltsansätze ist somit keine Voraussetzung für die Erhebung der Kreisumlage (BayVGH, U.v. 21.3.2011 - 4 BV 10.108 - BayVBl 2011, 632/635 = VGH n.F. 64, 42/50 f. Rn. 57 f.; ThürOVG U.v. 18.12.2008 - 2 KO 994/06 - Juris Rn. 51).

Darüber hinaus bringt auch die in Art. 56 Abs. 2 LKrO verwendete Formulierung, wonach der Landkreis die zur Erfüllung seiner Aufgaben „erforderlichen“ Einnahmen zu beschaffen hat, nur den allgemeinen Grundsatz der Kostendeckung zum Ausdruck und begründet keine subjektive Rechtsposition dergestalt, dass sich der einzelne Steuerbzw. Umlageschuldner auf eine rechtswidrige oder unwirtschaftliche Aufgabenerfüllung berufen und insoweit seinen finanziellen Beitrag „mangels Erforderlichkeit“ verweigern könnte. Bei gegenteiligem Verständnis bestünde die Gefahr, dass die Landkreise schon auf der abstrakten Ebene der Haushaltsplanung in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten mit umlagepflichtigen Gemeinden über eine möglichst korrekte und kostensparende Umsetzung einzelner Vorhaben verwickelt werden könnten, wodurch sie in ihrer kommunalpolitischen Autonomie und Gestaltungskraft nachhaltig beeinträchtigt wären (BayVGH, U.v. 21.3.2011 - 4 BV 10.108 - BayVBl 2011, 632/635 = VGH n.F. 64, 42/51 Rn. 59).

Zudem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich in den Haushaltsansätzen die politische und planerische Gestaltungsfreiheit des Selbstverwaltungsträgers ausdrückt. Damit korrespondieren die engen Grenzen, die nach der in der Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung der gerichtlichen Nachprüfbarkeit des Bedarfs „im Sinne des Art. 18 Abs. 1 FAG“ gezogen sind (VG Regensburg, U.v. 17.7.2002 - RO 3 K 01.01028 - Juris Rn. 5; vgl. NdsOVG, U.v. 25.2.1986 - 2 A 98/92 - DÖV 1986, 1020 ff.; OVG RhPf, U.v. 25.9.1985 - 10 C 48/84 - DVBl 1986, 249).

Ferner ist zu beachten, dass das Finanzausgleichsgesetz - ebenso wenig wie das Kommunalabgabengesetz (KAG) - die betriebswirtschaftlichen Bezugsgrößen definiert. So ist beispielsweise im Hinblick auf die gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG der Gebührenbemessung zugrunde zu legenden nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten anerkannt, dass das Kommunalabgabengesetz den betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff nicht definiert, sondern als gegeben voraussetzt. Zu den Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne gehören nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG insbesondere angemessene Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals. Es ist somit nach den in der betriebswirtschaftlichen Kostenlehre entwickelten, an keiner Stelle verbindlich festgeschriebenen Regeln zu verfahren, die von den Gerichten nicht auf ihre „Richtigkeit“ zu überprüfen sind. Der Kommune steht ein Beurteilungsspielraum zu; entscheidend ist allein, ob ihre Auffassung betriebswirtschaftlich (noch) vertretbar ist (BayVGH, U.v. 17.8.2017 - 4 N 15.1685 - Rn. 29). Dieser Rechtsgedanke lässt sich auch auf die Bewertung der für die Bemessung der Abschreibungen maßgeblichen Anschaffungs- und Herstellungskosten übertragen. So wird zum Beispiel aus dem Geschäftsbericht 2005 des Bayer. Kommunalen Prüfungsverbandes (BKPV) deutlich, dass zwar die Konzepte aller Bundesländer nach dem Eröffnungsbilanzstichtag im laufenden Betrieb für neu zugehende Vermögensgegenstände einheitlich die Bewertung nach den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten vorsähen. Es gebe aber für die erstmalige Bewertung der Vermögensgegenstände im Rahmen der Erstellung der Eröffnungsbilanz unterschiedliche Ansätze (BKPV, Geschäftsbericht 2005, S. 21). Daraus lässt sich ableiten, dass es keine verbindlichen, für alle Situationen feststehenden (Bewertungs-)Grundsätze gibt und dass keine umfassende gerichtliche Prüfung der Haushaltsansätze in Betracht kommt.

Schließlich hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für den Bereich des Beitragsrechts die Frage, ob der Umstand, dass getätigte Investitionen über den Ansatz kalkulatorischer Kosten - mit der Folge eines doppelten Refinanzierungseffekts - erneut refinanziert wurden, einen Rechtsverstoß darstellt, ausdrücklich offengelassen (BayVGH, U.v. 17.8.2017 - 4 N 15.1685 - Rn. 30 f.).

(bb) Gemessen daran sprechen bereits ganz erhebliche Gründe dagegen, dass die von der Klägerin erhobenen Einwände gegen die Veranschlagung der Pensionsrückstellungen sowie der Deponierücklage im Haushalt des Beklagten durchgreifen.

So hat der Beklagte in Bezug auf die Pensionsrückstellungen im Verfahren plausibel und substantiiert vorgetragen (Klageerwiderung vom 28.9.2015), dass die Pensionsrückstellungen zwar in der Haushaltsrechnung, nicht jedoch im Haushaltsplan enthalten und somit auch nicht in die Bemessungsgrundlage der Kreisumlage eingeflossen seien. Zudem räumt selbst die Klägerin ein (Schriftsatz vom 12.2.2016, S. 9 f.), dass die Pensionsrückstellungen gemäß § 10 Abs. 1 der Kommunalhaushaltsverordnung - Doppik (KommHV-Doppik) im Haushaltsplan einzuplanen und zu veranschlagen seien. Schließlich deckt sich die Vorgehensweise des Beklagten auch mit Nr. 6.6.2 der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 29. September 2008 zur Erfassung und Bewertung kommunalen Vermögens (Bewertungsrichtlinie - BewertR). Demnach sind für Pensionsverpflichtungen trotz Mitgliedschaft im Versorgungsverband Rückstellungen zu bilden (§ 74 Abs. 1 Nr. 1 KommHV-Doppik), weil die Versorgungsberechtigten keinen eigenen Anspruch gegen den Versorgungsverband haben, sondern der Dienstherr des Beamten zur Pensionsleistung verpflichtet bleibt. Demnach hat der Dienstherr - unabhängig von der ausgabe- und aufwandswirksamen Zahlung der Versorgungsverbandsumlage - Pensionsrückstellungen nach den üblichen versicherungsmathematischen Regeln (Teilwertansatz) zu bilden. Verzichtet die Kommune aus wichtigen Gründen auf die Bildung von Pensionsrückstellungen in voller Höhe, so ist der vollständige Betrag gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 2 KommHV-Doppik zu erläutern und unter der Bilanz zu vermerken. Diese Vorgabe deckt sich auch mit der Einschätzung des BKPV (vgl. die im Geschäftsbericht 2005, S. 26 f. erfolgte umfassende Darlegung der unterschiedlichen Bewertungsansätze) und Teilen der Literatur (Duschl in Schreml/Bauer/Westner, Kommunales Wirtschafts- und Haushaltsrecht in Bayern, Nr. 5.1.). Soweit gegen die Bildung von Pensionsrückstellungen in der Literatur Einwände vorgetragen werden (vgl. nur: Kalscheuer/Koops, KommJur 2016, 401 ff. m.w.N.), führt das angesichts der o.g. Bewertungsspielräume der Selbstverwaltungsträger zu keiner anderen Einschätzung.

Gleiches gilt für die Einwände der Klägerin gegen die Bildung einer Deponierücklage durch den Beklagten. Abgesehen von dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Beklagten, dass die für die Deponierekultivierung notwendigen Rückstellungen bereits jetzt nach dem Kommunalabgabengesetz erwirtschaftet würden, so dass der getrennte Ausweis durch Abgrenzung vom Basiskapital lediglich deklaratorischen Charakter habe (Schriftsatz vom 7.7.2016, S. 11), deckt sich die Vorgehensweise des Beklagten mit der Bewertungsrichtlinie. Denn nach Nr. 6.6.5 BewertR sind für die Rekultivierung und Nachsorge von Deponien als Rückstellung die zu erwartenden Gesamtkosten bezogen auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Rekultivierungs- und Nachsorgemaßnahmen anzusetzen (§ 74 Abs. 1 Nr. 3 KommHV-Doppik). Die Bewertung der Rückstellung soll sich am Verfüllmengenanteil pro Nutzungsjahr orientieren und anhand der bisherigen Verfüllmenge erfolgen. Auch diese Vorgabe deckt sich mit der Einschätzung des BKPV (vgl. Geschäftsbericht 2007, S. 64 f.). Anhaltspunkte dafür, dass die vom Beklagten zugrunde gelegten Ansätze fehlerhaft sein könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(cc) Auch im Hinblick auf die sonst von der Klägerin erhobenen Rügen kann offenbleiben, ob die Klägerin hiermit durchdringt. Das gilt nicht zuletzt auch für ihren Einwand einer fehlerhaften Doppelfinanzierung des Anlagevermögens durch den Beklagten.

Die Klägerin wendet insbesondere ein, dass Abschreibungen für Baumaßnahmen in erheblichem Umfang in den ungedeckten Bedarf des Beklagten, d.h. auch in das Umlagesoll bis zum Umlagesatz der Kreisumlage einflössen, obwohl diese Vermögensgegenstände über das vorherige System der Kameralistik und die frühere Kreisumlage einschließlich der abgeschlossenen Tilgung der Fremdfinanzierung bereits vollständig finanziert seien (vgl. S. 7 f. der Klagebegründung vom 29.12.2014).

Zutreffend weist der Beklagte in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin (Klageerwiderung vom 28.9.2015, S. 10 f.), dass auch für die Haushalte der Landkreise das Gesamtdeckungsbzw. Non-Affektationsprinzip gilt, wonach grundsätzlich alle Einnahmen als Deckung für alle Ausgaben dienen, so dass keine haushaltsrechtliche Zuordnung einzelner Einnahmen zu bestimmten Finanzierungszwecken besteht (§ 16 Abs. 1 KommHV-Kameralistik; § 18 KommHV-Doppik; vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayHO; BayVGH, U.v. 21.3.2011 - 4 BV 10.108 - BayVBl 2011, 632/634 = VGH n.F. 64, 42/47 f. Rn. 51). Zudem führt der Beklagte zutreffend aus, dass wesentliches Charakteristikum des kaufmännischen Rechnungswesens die Refinanzierung von Investitionen sei und dass der Systemwechsel von der Kameralistik zur Doppik einen Systembruch bedeute, der durch die gesetzliche Regelung von Sonderposten hätte vermieden werden können. Eine solche Regelung sei aber nicht erfolgt, obwohl dieses Umstellungsproblem dem bayerischen Gesetzgeber bekannt gewesen sei.

Ohne dass es hierauf für die Entscheidung ankäme, weist das Gericht darauf hin, dass die Veranschlagung von Abschreibungen durch den Beklagten den einschlägigen rechtlichen Vorgaben entspricht (vgl. § 79 KommHV-Doppik). Die Bildung von Sonderposten ist demnach auf die in § 73 KommHV-Doppik genannten Fallkonstellationen beschränkt. Zudem wird auch in der Literatur die kreisumlagerelevante Veranschlagung von Abschreibungen als „nicht unvernünftig“ eingestuft, weil hierdurch die Mittelzuflüsse beim Landkreis generiert werden, die dem Bedarf des Landkreises für die Kredittilgung und die Neuinvestitionen entsprechen (Thormann, NWVBl 2011, 168/170). Allgemein anerkannt ist ferner, dass es sich zum einen bei der von der Klägerin aufgeführten Fallkonstellation um ein Übergangsproblem handelt, welches mit Ablauf der Abschreibungsdauer endet (Dedy/Roßbach, DStGB Dok. Nr. 78, 2008, S. 12 f.; Kalscheuer/Koops, KommJur 2016, 401/404 f.; Deutscher Landkreistag, Die Landkreise im doppischen Haushaltsrecht, 2007, S. 7, 11) und dass zum anderen bei der Annahme einer anderen Fallkonstellation - die Finanzierungsdauer überschreitet die Abschreibungsdauer - der Ausgleich im doppischen System erleichtert wird (Deutscher Landkreistag, Die Landkreise im doppischen Haushaltsrecht, 2007, S. 11). Festzuhalten ist schließlich auch, dass der Gesetzgeber das o.g. Umstellungsproblem nicht geregelt hat, und insbesondere nicht den in der Literatur aufgezeigten Lösungs Weg zur buchungstechnischen Neutralisierung der Abschreibungen durch auf der Passivseite zu bildende und parallel zu den Abschreibungen aufzulösende Sonderposten (so: Dedy/Roßbach, DStGB Dok Nr. 78, 2008, S. 13; Kalscheuer/Koops, KommJur 2016, 401/406) beschritten hat. Angesichts der hiergegen erhobenen Einwände (vgl. Deutscher Landkreistag, Die Landkreise im doppischen Haushaltsrecht, 2007, S. 20), drängt sich dem Gericht ein Ergänzungsbzw. Anpassungsbedarf der Regelungen dergestalt, dass zwingend die Möglichkeit zur Bildung von Sonderposten geschaffen werden müsste, nicht auf, wobei diese Frage - wie oben dargelegt - keiner abschließenden Klärung bedarf.

Jedenfalls wird es einerseits dem Landkreis in dem Verfahren zum Erlass der Haushaltssatzung unbenommen sein, im Rahmen seiner oben dargelegten umfassenden Anhörungs-, Bedarfsermittlungs- und Darlegungspflicht das Verhältnis von Finanzierungs- und Restnutzungsdauer der fremdfinanzierten Gegenstände des Anlagevermögens aufzuzeigen. Andererseits wird dabei möglicherweise auch zu prüfen sein, ob entsprechende Angaben nicht auch den umlagepflichtigen Gemeinden, bei denen sich die Veranschlagung von Abschreibungen im obengenannten Rahmen ebenfalls bedarfserhöhend auswirken können, abzuverlangen sein werden, so dass diese Informationen in die Abwägung über Umlagesoll und Umlagesatz Eingang finden können.

(c) Keiner abschließenden Klärung bedarf schließlich auch die Frage, ob vorliegend wegen der behaupteten eingeschränkten Finanzausstattung der Kernbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin verletzt war.

Die Klägerin trägt insoweit vor, die von ihr vorlegte Übersicht für die vorgängigen zehn Haushaltsjahre (2005 - 2014) zeige, dass „in keinem dieser Jahre die ‚freie Spanne‘ größer als der geforderte 5%-Anteil“ gewesen sei (Schriftsatz vom 7.4.2017, S. 5) und dass ihr „im investiven Selbstverwaltungsbereich eines ganzen Haushaltsjahres als ‚freie Spanne‘ (…) ein Non-Betrag von 4.313 Euro“ verbleibe (Schriftsatz vom 7.4.2017, S. 7).

In diesem Zusammenhang ist zwar zu berücksichtigen, dass den Gemeinden mindestens so große Finanzmittel zustehen müssen, dass sie ihre pflichtigen (Fremdwie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzliche freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber noch merklichen Umfang wahrzunehmen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/383 f. Rn. 19). Demnach ist der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie jedoch (erst) dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 8 C 1/12 - BVerwGE 145, 378/392 Rn. 41).

Welche Maßstäbe hierbei anzulegen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch nicht geklärt. So zeichnet sich zwar ab, dass bei der Beantwortung der Frage, ob eine Gemeinde durch die Erhebung der Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen auf Dauer strukturell unterfinanziert ist, möglicherweise auf einen Zehnjahreszeitraum abzustellen sein wird, d.h. auf die vergangenen sechs Jahre, das aktuelle Haushaltsjahr sowie die drei folgenden Finanzplanungsjahre (OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10515/13 - DVBl 2014, 589/593 Rn. 52 f.; so auch: Thür. Ministerium für Inneres und Kommunales, Schreiben vom 9.8.2017, ZKF 2017, 208/210; befürwortend: Thormann, ZKF 2017, 93/94; die Frage offenlassend: ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 74 ff.).

Im Übrigen ist jedoch bereits grundlegend unklar, ob die sog. „freie Spitze“ überhaupt ein geeignetes Bewertungskriterium für die Bestimmung der finanziellen Mindestausstattung einer Kommune ist (kritisch: BVerfG, B.v.9.3.2007 - 2 BvR 2215/01 - Juris Rn. 26; LVerfG SH, U.v. 27.1.2017 - LVerfG 5/15 - Juris Rn. 98; zu den unterschiedlichen Methoden zur Ermittlung des kommunalen Mindestbedarfs vgl. auch: Entwurf der Landesregierung vom 4.7.2007 zu einem Thüringer Finanzausgleichsgesetz, Drs. 4/3160, S. 30 ff.). Darüber hinaus ist die Quote, d.h. der Anteil der Mittel, die eine Kommune für freiwillige Aufgaben aufwenden können muss, ebenfalls weithin ungeklärt; in der Literatur werden insoweit Quoten zwischen 5 und 10 v.H. diskutiert. Nicht geklärt ist weiterhin die Berechnungsmethode, wobei nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass freiwillige Aufgaben auch über privatrechtlich verfasste Tochterunternehmen der Kommunen wahrgenommen werden können, so dass wohl nicht allein auf den Kernhaushalt der Kommune abgestellt werden darf. Offen ist schließlich auch die Frage, welche Rolle der Wechsel von der Kameralistik auf die Doppik auf die Bewertung der Ressourcenverschiebung spielt (vgl. zum Ganzen: Thormann, ZKF 2017, 91/93 m.w.N.).

Gemessen daran ist aber bereits zweifelhaft, ob die Klägerin in diesem Zusammenhang ihrer erhöhten Darlegungspflicht (so: Wohltmann, BayVBl 2012, 33/37 f.; Dombert, KommJur 2017, 165/168) nachgekommen ist. Im Übrigen belegen auch die im Klageverfahren vorgetragenen unterschiedlichen Standpunkte der Beteiligten (vgl. nur die Schriftsätze des Beklagten vom 10.4.2017 (S. 3 f.) einerseits und der Klägerin vom 24.5.2017 (S. 5 f.) andererseits) eindrucksvoll, dass es - sollte man überhaupt auf die sog. „freie Spitze“ abstellen können - keinen „K. Weg“ zur Ermittlung dieser Kennzahl gibt. Schließlich deckt sich auch der von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 7. April 2017 gewählte Zeitrahmen (2005 - 2014) zum Nachweis ihrer angeblichen dauerhaften strukturellen Unterfinanzierung wohl nicht mit dem bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Zeitrahmen.

Auch insoweit wird es Aufgabe des Landkreises sein, im Rahmen seiner o.g. umfassenden Anhörungs-, Bedarfsermittlungs- und Darlegungspflicht die maßgeblichen Daten zu ermitteln, vergleichbar darzustellen und in dem gebotenen Abwägungsprozess eine Entscheidung über das Umlagesoll und den Umlagesatz zu treffen. Dabei sprechen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Wertungen und Prognosen im Hinblick auf die Frage einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden der Einschätzungsprärogative des jeweiligen Normgebers unterliegen und somit der gerichtlichen Prüfung grundsätzlich entzogen sind (ThürVerfGH, U.v. 21.6.2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665/671 f. = Juris Rn. 155 f., 159, 166; ThürOVG, U.v. 7.10.2016 - 3 KO 94/12 - Juris Rn. 69).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

4. Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 10. Okt. 2017 - B 5 K 15.701

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 10. Okt. 2017 - B 5 K 15.701

Referenzen - Gesetze

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 10. Okt. 2017 - B 5 K 15.701 zitiert 20 §§.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

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(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

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(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

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(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrund

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(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Wid

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(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. (2) Nach Aufruf der Sache trägt der Vorsitzende oder der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor. (3) Hierauf erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Anträge

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Tenor Den Beteiligten wird vorgeschlagen, zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits gemäß § 106 Satz 2 VwGO folgenden prozessbeendenden Vergleich zu schließen: 1. Der Beklagte zahlt einen Betrag in Höhe von 350.000 Euro an die Kl

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 60 entsprechend.

(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung.

(2) Nach Aufruf der Sache trägt der Vorsitzende oder der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor.

(3) Hierauf erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Anträge zu stellen und zu begründen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Änderung des Luftreinhalteplans für D.

2

Für den Ballungsraum des Rhein-Main-Gebietes besteht seit 2005 ein Luftreinhalteplan. Der Teilplan D. wurde im Februar 2011 fortgeschrieben. Im Luftreinhalteplan ist eine Reihe von lokalen Maßnahmen vorgesehen, mit denen die Schadstoffkonzentrationen für Feinstaub und Stickoxide (NOx) im Stadtgebiet von D. bis zum Zieljahr 2015 reduziert werden sollen. Die im Luftreinhalteplan aus dem Jahr 2005 enthaltenen Maßnahmen sollen aufrechterhalten bleiben. Dazu gehören insbesondere Durchfahrtsverbote für Lkw. Der Luftreinhalteplan geht davon aus, dass im Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für Feinstaub an allen Straßenzügen in D. sicher eingehalten werden können, während dies für Stickstoffdioxid (NO2) nicht gilt. Nach der Prognose sollen allein aufgrund der fortschreitenden Euronormen für den Schadstoffausstoß bei Kraftfahrzeugen die Immissionen für NOx um 22,1 % und der direkte NO2-Ausstoß um knapp 9 % verringert werden. Aufgrund der Maßnahmen der Stadt D. zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens wird ein weiterer Rückgang der Luftschadstoffimmissionen bei Stickoxiden um 11,6 % erwartet. Die Prognose kommt zum Ergebnis, dass bis zum Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für NO2 zumindest an den drei am höchsten belasteten Straßenzügen in D. zwar nicht eingehalten werden, aber doch deutlich reduziert werden können.

3

Nachdem der Kläger beim Beklagten mit Schreiben vom 10. Januar 2012 eine Änderung des Luftreinhalteplans beantragt und zur Begründung darauf hingewiesen hatte, dass eine Umweltzone trotz der nicht garantierten Einhaltung des Grenzwerts bis zum Jahr 2015 nicht in Betracht gezogen worden sei, erhob er am 14. Februar 2012 Klage zum Verwaltungsgericht.

4

Mit Urteil vom 16. August 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den für D. geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerts für NO2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet D. enthält. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das als allgemeine Leistungsklage erhobene Begehren sei als altruistische Verbandsklage zulässig. Dies folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren C-240/09, wonach ein Gericht das nationale Verfahrensrecht so auslegen müsse, dass es einer nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltschutzvereinigung ermöglicht werde, eine Entscheidung, die möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Europäischen Union stehe, vor einem Gericht anzufechten. Es sei unbeachtlich, dass diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Die Klage sei auch begründet. Der Beklagte sei nach § 47 Abs. 1 BImSchG und § 27 Abs. 2 der 39. BImSchV verpflichtet, im Rahmen des Luftreinhalteplans für D. alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der Überschreitung des einzuhaltenden Grenzwerts für NO2 so kurz wie möglich zu halten. Dem Beklagten stehe hinsichtlich des "Ob" der Aufstellung des Luftreinhalteplans Ermessen nicht zu, sondern nur hinsichtlich des "Wie" der Umsetzung der normativen Vorgaben. Er sei verpflichtet, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel der Einhaltung des Grenzwerts im Rahmen des tatsächlich Möglichen und rechtlich Verhältnismäßigen aufzustellen. Diesen Anforderungen werde der Luftreinhalteplan nicht gerecht, denn auch bei Durchführung aller darin vorgesehenen Maßnahmen würden die Grenzwerte für NO2 nicht eingehalten oder unterschritten. Angesichts der zwingenden, dem Gesundheitsschutz dienenden Grenzwerte müsste dies nur hingenommen werden, wenn alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Verminderung der Stickstoffdioxidkonzentration in D. ausgeschöpft seien. Das sei schon deshalb nicht der Fall, weil eine Umweltzone, die zwischenzeitlich als durchaus gut geeignete Maßnahme anerkannt werde, nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen worden sei. Angesichts des Schutzguts der Grenzwerte für NO2 sei die Einführung einer Umweltzone ungeachtet möglicher finanzieller Belastungen von Bevölkerung und Wirtschaft auch nicht unverhältnismäßig. Ein Rechtsanspruch auf Festsetzung konkreter Maßnahmen bestehe bei der Luftreinhalteplanung zwar nicht. Der planerische Gestaltungsspielraum sei jedoch begrenzt durch die normativen Zielvorgaben; diesen werde nicht genügt, wenn sich aufdrängende Maßnahmen trotz fortdauernder Überschreitung des Grenzwerts nicht in den Plan aufgenommen würden.

5

Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und trägt zur Begründung vor: Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, die auch für die allgemeine Leistungsklage erforderlich sei. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011, das nicht überzeugen könne und eine andere Fallgestaltung betreffe, ergebe sich nichts anderes (siehe auch Schink, DÖV 2012, 622). Aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) sei eine Verbandsklage, gerichtet auf Einhaltung des europäischen Umweltrechts, nicht abzuleiten. Art. 9 Abs. 3 AK habe, anders als Art. 9 Abs. 2 AK, im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung. Jedenfalls fehle es an der in der EuGH-Entscheidung vorausgesetzten interpretationsfähigen Vorschrift des nationalen Rechts. Auch führe es hier nicht weiter, durchsetzbare individuelle Rechte, die das Unionsrecht gewähre, als subjektive Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO anzusehen. Denn Art. 9 Abs. 3 AK räume gerade keine vollzugsfähigen Rechte ein. Des Weiteren werde Art. 9 Abs. 3 AK durch die EU-Luftreinhalterichtlinie nicht umgesetzt. Darin sei in Art. 26 Abs. 1 lediglich die Unterrichtung der Öffentlichkeit vorgesehen; Mitwirkungsrechte von Verbänden, die - wenn überhaupt - Ansatzpunkt für eine Verbandsklage sein könnten, würden demgegenüber nicht normiert.

6

Der Klageantrag sei unbestimmt, nicht vollstreckungsfähig und deshalb unzulässig.

7

Die Klage sei auch nicht begründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Änderung des Luftreinhalteplans nicht zu. Der Beklagte sei zwar verpflichtet gewesen, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel aufzustellen, eine Verminderung der Überschreitung des Immissionsgrenzwerts für NO2 schrittweise zu bewirken und den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte aber bereits nachgekommen.

8

Das Verwaltungsgericht gewähre letztlich einen verkappten Anspruch auf Einführung einer Umweltzone, da weitere Maßnahmen nicht ersichtlich seien. Einzelne Maßnahmen der Luftreinhalteplanung könnten aber wegen des planerischen Gestaltungsspielraums des Beklagten nicht eingeklagt werden. Der Beklagte werde zu einer Luftreinhalteplanung verurteilt, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht wahre. Eine Umweltzone sei in D. wegen der Ausgestaltung der Plakettenregelung der 35. BImSchV keine geeignete Maßnahme zur Reduzierung der Grenzwertüberschreitung für Stickoxide; insoweit habe das Verwaltungsgericht den Vortrag des Beklagten nicht beachtet und gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Die Auswertung von Umweltzonen in anderen Städten belege deren Geeignetheit zur NO2-Reduktion nicht. Die Einrichtung einer Umweltzone sei auch nicht erforderlich, weil der Anteil des Lkw-Durchgangsverkehrs aufgrund des bevorstehenden Abschlusses von Straßenbauarbeiten sich deutlich reduzieren werde. Schließlich sei die Einführung einer Umweltzone auch unverhältnismäßig im engeren Sinne.

9

Der Beklagte beantragt,

1. unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:

a) Ist Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 8. März 2011 - C-240/09 - so zu interpretieren, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, so auszulegen, dass sie es einer Umweltschutzvereinigung, die die Förderung und Einhaltung des Umweltrechts der Europäischen Union zu ihrem Satzungszweck erklärt hat, ermöglicht, eine Entscheidung, die im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten?

b) Gibt Art. 23 Abs. 1 der Luftqualitätsrichtlinie (RL 2008/50/EG vom 21. Mai 2008, ABl EG Nr. L 152 vom 11. Juni 2011, S. 1) Umweltverbänden einen Anspruch auf Einhaltung der Grenzwerte des Anhangs XI B und XIV D dieser Richtlinie für NO2?

c) Gibt Art. 23 der Luftqualitätsrichtlinie Umweltverbänden einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der bewirkt, dass die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für NO2 schnellstmöglich eingehalten werden?

10

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und die Vorabentscheidung des EuGH zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:

1. Ist Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs vom 8. März 2011 - C-240/09 - so auszulegen,

dass die Vorschrift einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger geltend macht, durch die Unterlassung des staatlichen Handelns in seinen Rechten verletzt zu sein,

wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Klage einer nach nationalem Recht anerkannten Umweltschutzvereinigung ist, die die Aufstellung eines der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 entsprechenden Luftqualitätsplans begehrt?

2. Ist Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 so zu interpretieren, dass Umweltschutzvereinigungen einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftqualitätsplans geltend machen können, der Maßnahmen zum Inhalt hat, mit denen die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für Stickstoffdioxid schnellstmöglich eingehalten werden?

11

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt insbesondere vertiefend aus, dass er in unionsrechtskonformer Auslegung der § 42 Abs. 2 VwGO, § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK klagebefugt sei (siehe auch Klinger, NVwZ 2013, 850; EurUP 2013, 95).

12

Der Vertreter des Bundesinteresses betont zur Frage der Ableitung einer Klagebefugnis aus Art. 9 Abs. 3 AK den Freiraum, den die Aarhus-Konvention den Vertragsstaaten einräume. Dieses Verständnis von Art. 9 Abs. 3 AK sei jedoch umstritten. Eine Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs ins deutsche Verwaltungsprozessrecht sei nicht möglich. Die in § 42 Abs. 2 VwGO vorgesehene Öffnung für andere gesetzliche Regelungen sei hier nicht einschlägig. Allerdings könne der Kreis rügefähiger subjektiv-öffentlicher Rechte in Auslegung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs weiter gezogen werden. Der Vertreter des Bundesinteresses regt eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof an. Er verteidigt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Klage.

Entscheidungsgründe

13

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht und mit Zustimmung des Klägers erhobene Sprungrevision ist zulässig, aber nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt zwar insoweit revisibles Recht, als es die Klagebefugnis des Klägers mit unzutreffenden Erwägungen bejaht (1.); die Entscheidung stellt sich insoweit aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO; 2.). Im Übrigen steht die Entscheidung mit Bundesrecht in Einklang (3.).

14

1. a) Die Überprüfung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Klagebefugnis des Klägers ist dem Senat nicht durch § 134 Abs. 4 VwGO verwehrt. Danach kann die Sprungrevision nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden. Zwar handelt es sich bei § 42 Abs. 2 VwGO um eine Vorschrift des Prozessrechts. Bei der Prüfung der Klagebefugnis geht es jedoch nicht um die von § 134 Abs. 4 VwGO ausgeschlossene Kontrolle des Verfahrens der Vorinstanz. Die Beurteilung der Klagebefugnis verlangt vielmehr eine von § 134 Abs. 4 VwGO nicht erfasste Bewertung materiell-rechtlicher Vorfragen (vgl. Urteile vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <95> = Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 2, vom 12. März 1998 - BVerwG 4 C 3.97 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 149 sowie vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C 19.05 - juris Rn. 11 § 113 hwo nr. 6 nicht abgedruckt>; Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 134 Rn. 77).

15

b) Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass für den im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Anspruch auf Ergänzung des Luftreinhalteplans das Erfordernis der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO entsprechende Anwendung findet. Eigene Rechte mache der Kläger zwar nicht geltend. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. März 2011 in der Rechtssache C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK ("slowakischer Braunbär" - Slg. 2011, I-1255), die eine rechtsschutzfreundliche Auslegung des nationalen Verfahrensrechts fordere, sei der Kläger gleichwohl klagebefugt, auch wenn diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei.

16

Aus diesen knappen Ausführungen, die ausdrücklich auf den vom Europäischen Gerichtshof erteilten Auslegungsauftrag verweisen, geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass das Verwaltungsgericht die Klagebefugnis des Klägers nicht unabhängig vom nationalen Recht unmittelbar aus unionsrechtlichen Vorgaben entnehmen will. Wenn das Verwaltungsgericht Unionsrecht heranzieht, um ungeachtet der verneinten Betroffenheit in eigenen Rechten eine Klagebefugnis im Sinne einer altruistischen Verbandsklage zu bejahen, die sich im nationalen Verfahrensrecht noch nicht finde, bezieht sich das auf die in § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO normierte Öffnungsklausel, die unter Beachtung des Unionsrechts ausgefüllt werden soll.

17

Diese Rechtsauffassung verletzt revisibles Recht.

18

aa) Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der seiner Rechtsnatur nach einer Verwaltungsvorschrift ähnlich ist (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 47), im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (zuletzt etwa Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) hat das Verwaltungsgericht die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis entsprechend auch auf die allgemeine Leistungsklage angewendet. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Denn in § 42 Abs. 2 VwGO kommt ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG ist er, wenn auch nicht ausschließlich (siehe § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO), so doch in erster Linie, auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet (vgl. etwa Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 <264> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 196 S. 46). Wollte man die allgemeine Leistungsklage - im Gegensatz zur Verpflichtungsklage als einer besonderen Leistungsklage - von dieser Grundentscheidung ausnehmen, käme es zu Wertungswidersprüchen, die in der Sache nicht gerechtfertigt werden könnten. Das im Verfahren aufgeworfene Sachproblem der Zulässigkeit einer Verbandsklage ist demnach ungeachtet der Rechtsnatur des erstrebten behördlichen Handelns und folglich der prozessualen Einordnung des Rechtsschutzbegehrens zu bewältigen.

19

bb) Bei der Prüfung, ob dem Kläger die Möglichkeit einer Verbandsklage eröffnet ist, hat das Verwaltungsgericht sich zu Recht an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs orientiert.

20

Im Urteil vom 8. März 2011 hat sich der Europäische Gerichtshof zu den Rechtswirkungen des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen ; Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl II S. 1251) verhalten. Die Aarhus-Konvention ist nicht nur von allen Mitgliedstaaten der EU, sondern auch von der EU selbst ratifiziert worden (Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005, ABl EU Nr. L 124 S. 1). Als sogenanntes gemischtes Abkommen ist sie Teil des Unionsrechts und als solcher war sie Gegenstand der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren Rs. C-240/09.

21

Der Europäische Gerichtshof hat zunächst festgestellt, dass die EU und damit der Gerichtshof jedenfalls dann für die Umsetzung und Auslegung von Art. 9 Abs. 3 AK zuständig sind, wenn es um Fragen der Beteiligung und des Rechtsschutzes in Verfahren geht, die inhaltlich die Durchsetzung des EU-Umweltrechts zum Gegenstand haben. Sodann hat er ausgeführt, dass Art. 9 Abs. 3 AK wegen des darin enthaltenen Ausgestaltungsvorbehalts derzeit keine unmittelbare Wirkung zukommt. Die nationalen Gerichte sind aber gleichwohl verpflichtet, ihr nationales Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht soweit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzvereinigung zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise in Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.

22

(1) Die nationalen Gerichte sind gehalten, die Entscheidung als Teil des Unionsrechts bei ihren rechtlichen Erwägungen zu beachten (vgl. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 267 Rn. 104). Die Kritik, der sich die Argumentation des Urteils ausgesetzt sieht, ändert daran nichts. Denn die Grenzen zum "ausbrechenden Rechtsakt", etwa wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EUV, dessen Annahme im Übrigen die Pflicht zur "Remonstration" in Gestalt eines neuerlichen Vorabentscheidungsverfahrens nach sich zöge (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <303 f.>), sind ersichtlich nicht überschritten (vgl. Berkemann, DVBl 2013, 1137 <1143 f.>).

23

(2) Die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Auslegungsleitlinie erfasst auch die vorliegende Fallkonstellation. Die Luftreinhalteplanung nach § 47 Abs. 1 BImSchG (i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 31. Juli 2010, BGBl I S. 1059) dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl EU Nr. L 152 S. 1). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kommt es allein darauf an.

24

Das zutreffende Verständnis einer im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung (Auslegungsurteil) erschließt sich zwar vor dem Hintergrund des Streitgegenstands des Ausgangsverfahrens. Darin ging es um die verfahrensrechtliche Stellung der klagenden Vereinigung. Den Urteilsgründen ist indessen nichts zu entnehmen, was darauf schließen lassen könnte, dass sich die Verpflichtung der nationalen Gerichte, Auslegungsspielräume zugunsten von Klagerechten der Umweltverbände zu nutzen, allein auf Verfahrensrecht bezieht und lediglich bereits eingeräumte Mitwirkungsrechte prozessual verstärkt werden sollen (so auch Berkemann, a.a.O. S. 1145; Schlacke, ZUR 2011, 312 <315>).

25

cc) Der Europäische Gerichtshof gibt den Gerichten auf, nach Maßgabe interpretationsfähiger Vorschriften des nationalen Rechts auch Umweltverbänden einen möglichst weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, um so die Durchsetzung des Umweltrechts der Union zu gewährleisten. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass diesem Anliegen über die Vorschrift des § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO Rechnung getragen werden kann.

26

Diese Regelungsalternative erlaubt Ausnahmen vom Erfordernis der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten. Sie ist jedoch als solche keine im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs interpretationsfähige Norm, sondern lediglich eine Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel, die durch eine Entscheidung des zuständigen Normgebers umgesetzt werden muss. § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO selbst ist allerdings der Auslegung zugänglich, dass neben Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts auch Vorschriften des Unionsrechts als andere gesetzliche Regelung eigenständige, von materiellen Berechtigungen losgelöste Klagerechte vermitteln können. Erst auf der Grundlage einer solchen normativen Entscheidung stellt sich die Frage nach unionsrechtlich dirigierten Auslegungsspielräumen.

27

Eine die Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel ausfüllende Norm, die es vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erweiternd auslegt, benennt das Verwaltungsgericht nicht. Eine einer solchen Auslegung zugängliche Vorschrift ist auch nicht vorhanden.

28

Eine besondere Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO, mit der eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird, ist im nationalen Recht nur in eng begrenzten Bereichen normiert worden. Die vorhandenen, der Durchsetzung umweltrechtlicher Belange dienenden Bestimmungen sind nicht einschlägig.

29

(1) Der Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Verbandsklage nach § 64 Abs. 1 BNatSchG ist nicht eröffnet. Gleiches gilt für § 1 UmwRG. Die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen von Absatz 1, der vermittelt über Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl Nr. L 175 S. 40) i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl EU Nr. L 156 S. 17) auch der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 AK dient (vgl. BTDrucks 16/2497 S. 42), sind nicht gegeben.

30

(2) Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes kann nicht im Wege der Analogie auf Art. 9 Abs. 3 AK erstreckt werden (so auch Schlacke, a.a.O. S. 316; unklar Kahl, JZ 2012, 667 <673>). Denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.

31

Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz dient, wie sich bereits aus seiner amtlichen Bezeichnung (Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG) sowie der amtlichen Anmerkung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften ergibt, der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 AK. Demgegenüber hat der Gesetzgeber ausweislich der Denkschrift zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention hinsichtlich der Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 3 AK keinen Änderungsbedarf im innerstaatlichen Recht gesehen (BTDrucks 16/2497 S. 42, 46). Insoweit hat sich das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Zeitpunkt seiner Verabschiedung als seinen Anwendungsbereich abschließend umschreibende Regelung verstanden. Daran hat sich auch mittlerweile nichts geändert. Ungeachtet der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 hat der Gesetzgeber an der ausdrücklichen Beschränkung des Anwendungsbereichs auch im Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) festgehalten. Darin werden lediglich die durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 12. Mai 2011 (Rs. C-115/09, Trianel - Slg. 2011, I-3673) geforderten Änderungen mit dem Ziel einer "lückenlosen 1:1-Umsetzung" von Art. 10a UVP-RL sowie von Art. 9 Abs. 2 AK eingefügt (BTDrucks 17/10957 S. 11); eine Ausdehnung auf die von Art. 9 Abs. 3 AK erfassten Sachverhalte wird damit ausgeschlossen.

32

Eine planwidrige Regelungslücke kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil vieles dafür spricht, dass die vom Gesetzgeber bei der Ratifizierung der Aarhus-Konvention vertretene Rechtsansicht zur fehlenden Notwendigkeit der Anpassung des innerstaatlichen Rechts unzutreffend ist. Sie steht mit dem sich auf internationaler Ebene herausbildenden Verständnis der Vertragspflichten nicht in Einklang.

33

Mit dem Compliance Committee haben die Vertragsparteien auf der Grundlage von Art. 15 AK ein Gremium errichtet, das über die Einhaltung des Abkommens wachen soll, ohne jedoch ein förmliches Streitschlichtungsverfahren nach Art. 16 AK zu präjudizieren (siehe zur Arbeitsweise des Compliance Committee The Aarhus Convention: An Implementation Guide, Second Edition, 2013, S. 234 ff.). Durch dessen Spruchpraxis soll das Abkommen für alle Vertragsparteien klare Konturen erhalten. Auch wenn sich das Compliance Committee mit Empfehlungen begnügt, kommt den darin geäußerten Rechtsansichten gleichwohl bedeutendes Gewicht zu; das folgt nicht zuletzt daraus, dass bislang alle Feststellungen des Compliance Committee über die Konventionswidrigkeit der Rechtslage in einem Vertragsstaat in den Zusammenkünften der Vertragparteien (Art. 10 AK) gebilligt worden sind (siehe Implementation Guide, S. 238).

34

Nach einer gefestigten Spruchpraxis zu Art. 9 Abs. 3 AK stellt sich die den Vertragsparteien nach dem Wortlaut der Bestimmung zugebilligte Gestaltungsfreiheit geringer dar, als insbesondere von Deutschland angenommen. In einer ganzen Reihe von Empfehlungen hat das Compliance Committee sein Verständnis der sogenannten dritten Säule der Aarhus-Konvention über den Zugang zu Gerichten nach Art. 9 Abs. 3 AK dargelegt (grundlegend ACCC/C/2005/11 vom 16. Juni 2006, Rn. 35 ff.; ACCC/C/2006/18 vom März 2008 Rn. 29 ff.; ACCC/C/2008/32 Part I vom 14. April 2011, Rn. 77 ff.; ACCC/C/2010/48 <Österreich> vom 16. Dezember 2011, Rn. 68 ff.; dazu auch Implementation Guide, S. 197 ff., 207 f.) . Dabei betont es zwar - auch im Anschluss an die während der Zusammenkunft der Vertragsparteien vom 25. bis 27. Mai 2005 angenommene Entscheidung II/2, die in Rn. 14 bis 16 ein ersichtlich rechtsschutzfreundliches Verständnis des Art. 9 Abs. 3 AK anmahnt (ECE/MP.PP/2005/2/Add.3 vom 8. Juni 2005) - zunächst die Ausgestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers und die Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung des normativen Umfelds. Die folgenden Ausführungen lassen aber keinen Zweifel daran, dass nach Auffassung des Compliance Committee den Umweltverbänden grundsätzlich eine Möglichkeit eingeräumt werden muss, die Anwendung des Umweltrechts gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Vertragsparteien müssen zwar kein System der Popularklage einführen, so dass jedermann jegliche umweltbezogene Handlung anfechten kann. Die Formulierung "sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen" kann aber nach Auffassung des Compliance Committee die Einführung oder Beibehaltung solcher strikter Kriterien nicht rechtfertigen, die im Ergebnis alle oder fast alle Umweltverbände an der Anfechtung von Handlungen hindern, die im Widerspruch zum nationalen Umweltrecht stehen. Die Formulierung deutet nach Ansicht des Compliance Committee vielmehr auf die Selbstbeschränkung der Vertragsparteien, keine zu strengen Kriterien aufzustellen. Für den Zugang zu dem Überprüfungsverfahren soll eine Vermutung sprechen; er darf nicht die Ausnahme sein. Als Kriterien kommen die Betroffenheit oder ein Interesse in Betracht. Ausdrücklich als nicht ausreichend hat es das Compliance Committee im Verfahren gegen Österreich angesehen, dass im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 AK eine Verbandsklage vorgesehen ist (ACCC/C/2010/48 Rn. 71 ff.).

35

Wenn danach das "Ob" einer umweltrechtlichen Verbandsklage durch das Abkommen entschieden ist, behalten die Vertragsstaaten gleichwohl einen Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich des "Wie". Die hiernach ausstehende Umsetzung einer völkervertragsrechtlichen Verpflichtung durch den nationalen Gesetzgeber steht einer planwidrigen Regelungslücke nicht gleich.

36

Eine Auslegung contra legem - im Sinne einer methodisch unzulässigen richterlichen Rechtsfindung - fordert das Unionsrecht nicht (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Juli 2006 - Rs. C-212/04, Adeneler - Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 und vom 16. Juni 2005 - Rs. C-105/03, Pupino - Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47). Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 - (BGHZ 179, 27). Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung im Wege teleologischer Reduktion oder Extension einer Vorschrift des nationalen Rechts setzt jedenfalls eine hinreichend bestimmte, nämlich klare, genaue und unbedingte, im Grundsatz unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschrift voraus, an der es hier nach Scheitern des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 24. Oktober 2003 - KOM(2003) 624 - endgültig mangels unionsrechtlicher Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK (noch) fehlt.

37

(3) Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch im Unionsrecht eine solche auslegungsfähige Norm nicht auszumachen ist. Das folgt bereits zwingend aus der Tatsache, dass Art. 9 Abs. 3 AK nicht unmittelbar anwendbar ist. Eine nicht unmittelbar anwendbare Bestimmung kann aber nicht Anknüpfungspunkt einer Auslegung sein, die diese Norm der Sache nach anwendbar macht. Eine solche Argumentation wäre zirkulär (vgl. Seibert, NVwZ 2013, 1040 <1042 f.>; ein gesetzgeberisches Handeln fordert wohl auch Epiney, EurUP 2012, 88 <89>; a.A. wohl Berkemann, a.a.O. S. 1147 f.).

38

2. Der festgestellte Rechtsverstoß ist indessen nicht erheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers im Ergebnis zu Recht bejaht. Sie folgt aus § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO. Der Kläger kann geltend machen, durch die Ablehnung der Aufstellung eines Luftreinhalteplans, der den Anforderungen des § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl I S. 1065) genügt, in seinen Rechten verletzt zu sein. § 47 Abs. 1 BImSchG räumt nicht nur unmittelbar betroffenen natürlichen Personen, sondern auch nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbänden das Recht ein, die Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen.

39

a) Nach § 47 Abs. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde, wenn die durch eine Rechtsverordnung festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Entsprechendes gilt, soweit eine Rechtsverordnung die Aufstellung eines Luftreinhalteplans zur Einhaltung von Zielwerten regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

40

Mit dieser Vorschrift verfolgt das Luftqualitätsrecht zwei sich überschneidende Schutzzwecke: Mit der Umsetzung der festgelegten Luftqualitätsziele sollen schädliche Auswirkungen sowohl auf die menschliche Gesundheit als auch auf die Umwelt insgesamt vermieden, verhütet oder verringert werden (Art. 1 Nr. 1 RL 2008/50/EG).

41

aa) Aus dem vom Gesetz bezweckten Schutz der menschlichen Gesundheit folgt ein Klagerecht für die von den Immissionsgrenzwertüberschreitungen unmittelbar betroffenen natürlichen Personen. Das ist durch den Europäischen Gerichtshof geklärt. Seine zu den Aktionsplänen nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl EG Nr. L 296 S. 55) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl EU Nr. L 284 S. 1), § 47 Abs. 2 BImSchG a.F. ergangene Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - Rs. C-237/07, Janecek - Slg. 2008, I-6221 Rn. 42) ist in dieser Hinsicht ohne Weiteres auch auf die Luftreinhaltepläne nach Art. 23 Abs. 1 RL 2008/50/EG, § 47 Abs. 1 BImSchG n.F. zu übertragen (vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BImSchG § 47 Rn. 29e; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 50 m.w.N.; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <72>).

42

Der Kläger kann als juristische Person in seiner Gesundheit nicht betroffen sein; die Verletzung eines aus der Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit folgenden subjektiven Rechts auf Einhaltung der Immissionsgrenzwerte kann er nicht geltend machen. Nach dem hergebrachten Begriffsverständnis des subjektiven Rechts würde Entsprechendes gelten, soweit das Luftqualitätsrecht dem Schutz der Umwelt als solcher und damit einem Allgemeininteresse dient.

43

bb) Das Unionsrecht gebietet indessen eine erweiternde Auslegung der aus dem Luftqualitätsrecht folgenden subjektiven Rechtspositionen.

44

Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass unmittelbar betroffenen juristischen Personen in gleicher Weise wie natürlichen Personen ein Klagerecht zusteht (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 39). Die Kriterien für die Betroffenheit als Anknüpfungspunkt für eine subjektive, klagefähige Rechtsposition hat er nicht näher erläutert. Die Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten über die Geltendmachung individueller Rechtspositionen hinaus ist darin indessen angelegt.

45

(1) Wird die Betroffenheit durch einen räumlichen Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt (so den EuGH verstehend Ziekow, NVwZ 2010, 793 <794>), so folgt aus dieser Rechtsprechung gleichwohl, dass sich die juristische Person - gemessen an der in Rn. 38 des Urteils betonten Schutzrichtung der Vorschrift - ein fremdes Interesse, so etwa als dort ansässiges Unternehmen die Gesundheit seiner Mitarbeiter, zum eigenen Anliegen machen darf.

46

Die in dieser Weise vom Unionsrecht zugebilligte Rechtsmacht ist in unionsrechtskonformer Auslegung des § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO im Interesse des aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgenden Effektivitätsgebots als subjektives Recht anzuerkennen (vgl. etwa Gärditz, VwGO, 2013, § 42 Rn. 69 f. m.w.N.). Sie bestimmt zugleich das Verständnis der zur Umsetzung des Unionsrechts erlassenen mitgliedstaatlichen Vorschriften und hat eine Ausdehnung des Begriffs des subjektiven Rechts zur Folge. Allein ein solches Verständnis trägt der Entwicklung des Unionsrechts Rechnung. Es ist von Anfang an von der Tendenz geprägt gewesen, durch eine großzügige Anerkennung subjektiver Rechte den Bürger auch für die dezentrale Durchsetzung des Unionsrechts zu mobilisieren. Der Bürger hat damit zugleich - bezogen auf das objektive Interesse an einer Sicherung der praktischen Wirksamkeit und der Einheit des Unionsrechts - eine "prokuratorische" Rechtsstellung inne. Diese kann auch in den Vordergrund rücken (siehe hierzu - mit verschiedenen Akzentuierungen - etwa Masing, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 7 Rn. 91 ff., 98 ff., 112 ff.; Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Einleitung Rn. 21a; Schmidt-Aßmann, in: Gedächtnisschrift Brugger, 2013, S. 411 ff.; Hong, JZ 2012, 380 <383 ff.>; Gärditz, EurUP 2010, 210 <219 ff.>).

47

(2) Zu den unmittelbar betroffenen juristischen Personen, denen durch § 47 Abs. 1 BImSchG ein Klagerecht eingeräumt ist, gehören auch die nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbände.

48

Eine Auslegung des § 47 Abs. 1 BImSchG dahingehend, dass neben unmittelbar betroffenen natürlichen Personen auch Umweltverbände das Recht haben, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, ist durch Art. 23 RL 2008/50/EG und Art. 9 Abs. 3 AK geboten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 8. März 2011 in Bezug auf Sachverhalte, die - wie hier die Aufstellung von Luftreinhalteplänen - dem Unionsrecht unterliegen, für Umweltverbände einen weiten Zugang zu Gericht gefordert; er hat dies damit begründet, dass der "Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte" gewährleistet werden müsse (a.a.O. Rn. 48, 51). Ausgehend hiervon müssen sich die Klagerechte, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juli 2008 (a.a.O.) auf dem Gebiet der Luftreinhaltung anerkannt hat, auch auf Umweltverbände erstrecken. Eine grundsätzliche Verneinung derartiger Rechte von Umweltverbänden wäre zudem, wie oben dargelegt, unvereinbar mit der Spruchpraxis des Compliance Committee zu Art. 9 Abs. 3 AK.

49

Weder das Unionsrecht noch Art. 9 Abs. 3 AK verlangen jedoch, jedem Umweltverband ein Recht auf Einhaltung der zwingenden Vorschriften bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zu gewähren. Umweltverbände können - nicht anders als natürliche Personen - Träger von materiellen subjektiven Rechten nur sein, wenn sie Teil nicht nur der allgemeinen Öffentlichkeit, sondern der "betroffenen Öffentlichkeit" sind. Als "betroffene Öffentlichkeit" definieren Art. 2 Nr. 5 AK und - für die Umweltverträglichkeitsprüfung - inhaltlich entsprechend Art. 3 Nr. 1 RL 2003/35/EG die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse (siehe auch Art. 2 Abs. 3 RL 2003/35/EG). Diese Vereinigungen sollen sich die öffentlichen Belange des Umweltschutzes zum eigenen Anliegen machen können.

50

Welche Voraussetzungen ein Umweltverband nach innerstaatlichem Recht erfüllen muss, um berechtigt zu sein, sich die Belange des Umweltschutzes bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zum eigenen Anliegen zu machen, ist nicht ausdrücklich geregelt. § 3 UmwRG regelt lediglich, welche Umweltverbände Rechtsbehelfe nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz einlegen können. Dieser Vorschrift ist jedoch die Grundentscheidung zu entnehmen, dass nur die nach dieser Vorschrift anerkannten Umweltverbände berechtigt sein sollen, vor Gericht geltend zu machen, dass dem Umweltschutz dienende Rechtsvorschriften verletzt worden seien. Auch die Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfsbefugnisse nach §§ 63, 64 BNatSchG sind an die Anerkennung nach § 3 UmwRG geknüpft. Ein normativer Anhaltspunkt dafür, dass bei Aufstellung von Luftreinhalteplänen das grundsätzlich auch Umweltverbänden eingeräumte Recht, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein könnte, sind nicht ersichtlich.

51

3. Im Übrigen beruht das angegriffene Urteil nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts.

52

a) Zu Unrecht rügt der Beklagte eine unzulässige Antragstellung.

53

Auch dieser Rüge steht § 134 Abs. 4 VwGO nicht entgegen. Denn die Frage, ob der Antrag angesichts des Rechtsschutzbegehrens hinreichend bestimmt ist, kann nur vor dem Hintergrund des geltend gemachten materiellen Anspruchs beantwortet werden.

54

Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet; ihm muss aber mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden. In einem bestimmten Antrag, der aus sich selbst heraus verständlich sein muss, sind Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu benennen. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt und der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie dem Beklagten eine präzise Verteidigung erlaubt. Schließlich soll aus einem dem Klageantrag stattgebenden Urteil eine Zwangsvollstreckung zu erwarten sein, die das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet (vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 82 Rn. 7 ff.; Foerste, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 253 Rn. 29, jeweils m.w.N.). Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab.

55

Hiernach entspricht die Antragstellung dem Bestimmtheitserfordernis. Die vom Beklagten bemängelte Benennung allein des durch die Ergänzung des Luftreinhalteplans zu erreichenden Ziels spiegelt die planerische Gestaltungsfreiheit wider, die das Gesetz der Behörde einräumt (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 26 f. = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 11). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von sonstigen Fallkonstellationen, in denen nur ein Erfolg geschuldet wird, während die Wahl der geeigneten Maßnahmen Sache des Schuldners bleibt; auch dann genügt die Angabe dieses Erfolgs (vgl. Foerste, a.a.O. Rn. 32).

56

Der Vollstreckungsfähigkeit des stattgebenden Urteils wird dadurch Rechnung getragen, dass die Entscheidung hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Sinne eines Bescheidungsurteils verbindliche Vorgaben machen kann, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten sind.

57

b) Ohne Rechtsverstoß hat das Verwaltungsgericht als Grundlage seines Entscheidungsausspruchs festgestellt, dass der Beklagte seinen Verpflichtungen aus § 47 Abs. 1 BImSchG, deren Erfüllung der Kläger einfordern kann, mit dem bestehenden Luftreinhalteplan noch nicht nachgekommen ist.

58

aa) Der in Anlage 11 Abschnitt B der 39. BImSchV genannte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid, der ab dem 1. Januar 2010 einzuhalten ist, wird an mehreren Orten im Stadtgebiet überschritten. Nach § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der 39. BImSchV hat der Beklagte in dieser Situation einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigungen festlegt. Diese Maßnahmen müssen nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

59

§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG normiert in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 RL 2008/50/EG eine zeitliche Vorgabe für die Erreichung des in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG festgelegten Ziels der Einhaltung der Grenzwerte. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das ausweislich des Immissionsgrenzwerts als noch zumutbar erachtete Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten; es ist zugleich rechtlicher Maßstab für die angesichts der Gestaltungsspielräume der Behörde eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Das Gebot, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden, fordert eine Bewertung der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele. Daraus kann sich eine Einschränkung des planerischen Ermessens ergeben, wenn allein die Wahl einer bestimmten Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lässt (vgl. Köck/Lehmann, a.a.O. S. 70 f.). Auch insoweit wird aber nicht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen; vielmehr kann auch hier - nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes - ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (Köck/Lehmann, a.a.O. S. 71). Dem trägt das Verwaltungsgericht dadurch Rechnung, dass es im Entscheidungsausspruch nicht zu einer sofortigen, sondern ausdrücklich nur zur schnellstmöglichen Zielerreichung verpflichtet.

60

bb) Der Beklagte kann sich zur Stützung seiner abweichenden Rechtsauffassung, wonach es schon ausreiche, dass ein Luftreinhalteplan die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte jedenfalls schrittweise anstrebe, auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Juli 2008 in der Rechtssache C-237/07, nicht berufen. Denn diese Entscheidung ist zu einer insoweit anderen Rechtslage ergangen. Sie bezieht sich auf Aktionspläne nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG. Abgesehen von der unterschiedlichen Zielsetzung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen bzw. Plänen für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen ist in der genannten Vorschrift im Unterschied zu Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 RL 2008/50/EG der ausdrückliche Hinweis auf die Eignung der zu ergreifenden Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts nicht enthalten; die Maßnahmen sollen nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG lediglich dazu dienen, die Gefahr der Überschreitung zu verringern und die Dauer der Überschreitung zu beschränken. Der Europäische Gerichtshof hat aus dem Aufbau der Richtlinie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten entnommen, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Dauer der Überschreitung unter Berücksichtigung aller Umstände auf ein Minimum zu reduzieren (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 45). Wenn hiernach auch insoweit ein Minimierungsgebot gilt, ist der Entscheidung nicht etwa zu entnehmen, dass die Möglichkeit zur schrittweisen Erreichung der Grenzwerte voraussetzungslos eingeräumt sein soll. Vielmehr muss sich die Maßnahme auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments rechtfertigen lassen.

61

c) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Einrichtung einer Umweltzone als eine Maßnahme eingeordnet hat, die bei der Aufstellung des Luftreinhalteplans zu berücksichtigen ist.

62

Soweit sich der Beklagte gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Geeignetheit der Umweltzone zur Erreichung des Luftqualitätsziels einer Verminderung der NO2-Belastung wendet, richtet er sich letztlich gegen die tatrichterlichen Feststellungen und Annahmen, gegen die nach § 134 Abs. 4 VwGO wirksame Verfahrensrügen nicht erhoben werden können. Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die als materiell-rechtliche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO einzuordnen wären, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

63

Schließlich hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob sich die Einrichtung einer Umweltzone als unverhältnismäßig im engeren Sinne darstellen könnte, keine unzutreffenden rechtlichen Maßstäbe angelegt. Es hat zu Recht die betroffenen rechtlich geschützten Interessen gegenübergestellt und abgewogen. Der Bewältigung besonderer Härten trägt die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 der Fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV) vom 10. Oktober 2006 (BGBl I S. 2218) Rechnung.

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig.

2

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis mit Bescheid vom 17. August 2009 zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbesteuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Kreisumlagebescheid sei rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage seien verfassungsgemäß, auch soweit sie den Landkreisen die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubten. Die Rheinland-Pfälzische Verfassung schreibe kein bestimmtes Verteilungssystem vor. Dem Gesetzgeber sei in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, das seine Grenze im Gebot interkommunaler Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot finde. Über diesen allgemeinen Maßstab hinaus müsse die gesetzliche Regelung berücksichtigen, dass Finanzkraftunterschiede im Wege des Finanzausgleichs grundsätzlich nur abgemildert, nicht aber eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürften. Die Kreisumlage als solche erweise sich als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems. Auch die im Landesfinanzausgleichsgesetz vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze stehe im Einklang mit den vorgenannten Maßstäben. Die Regelung beruhe auf sachlichen Gründen und füge sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Es erscheine vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräume, die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen verursachergerecht auszugleichen. Eine progressive Staffelung der Umlagesätze führe für sich genommen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden. Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sei auch nicht deshalb verletzt, weil eine solche Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl, aber gleichwohl hohen Steuereinnahmen besonders treffe. Auch die Ausgestaltung der Umlagesätze in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeine Grenze des Umlagesatzes unabhängig vom Aufgabenbestand des Kreises einerseits und der Gemeinde andererseits. Ein progressiv gestaffelter Umlagesatz, der für einzelne kreisangehörige Gemeinden nivellierend und übernivellierend wirke, sei mithin dann noch verfassungskonform, wenn für die Festsetzung sachlich einleuchtende Gründe vorlägen und diese auch sonst nicht als willkürlich oder rücksichtslos erschienen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte hätte im Jahre 2009 mit erheblichen finanziellen Engpässen zu kämpfen gehabt. Auch die von der Haushaltssatzung angeordnete Progression des Kreisumlagesatzes sei unbedenklich. Auf der Grundlage des vorliegenden Zahlenmaterials bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es hierdurch zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung der Finanzkraft unter den kreisangehörigen Gemeinden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr gekommen sei. Selbst wenn die Progression eine solche Wirkung gezeigt haben sollte, wäre die Klägerin hierdurch nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt. Aus Sicht des Kreises sprächen hierfür nämlich sachlich einleuchtende Gründe. Im beklagten Landkreis stünden einige wenige finanzstarke Gemeinden einer großen Zahl von Gemeinden mit weit unterdurchschnittlicher Finanzkraft gegenüber. Bei einem Verzicht auf die Progression wäre dem Beklagten zur Vermeidung eines noch größeren eigenen Haushaltsdefizits nichts anderes übriggeblieben, als den dann einheitlichen Umlagesatz weiter anzuheben. Hierdurch wären auch die ohnehin unterdurchschnittlich finanzkräftigen Gemeinden weiter geschwächt worden. Die Ausgestaltung des progressiven Umlagesatzes erscheine gegenüber den betroffenen Gemeinden auch nicht rücksichtslos. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die angeordnete Progression in Steigung und Höchstsatz hinter dem nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz zulässigen Maß zurückbleibe. Der Beklagte habe bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt. Die von der Klägerin beanstandeten Mittelansätze beträfen allesamt Angelegenheiten, die der Beklagte nach der Landkreisordnung als überörtliche Aufgaben der freien Selbstverwaltung wahrnehmen dürfe. Die Frage, inwieweit ein Landkreis unterstützend und ausgleichend im Bereich der allgemeinen Angelegenheiten tätig werden dürfe, stelle sich im vorliegenden Falle nicht.

4

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht sie geltend, der Beklagte nehme unzulässig gemeindliche Aufgaben wahr. Dies führe zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und zu einem überhöhten Umlagesoll. Die Wahl eines progressiven Umlagesatzes bewirke eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden oder sogar eine Veränderung der Finanzkraftreihenfolge. Die Erhebung der Kreisumlage in ihrer konkreten Ausgestaltung führe im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen würden und sie zur Umlagefinanzierung sogar Kredite aufnehmen müsse. Das Vorgehen des Beklagten sei mit Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass eine progressive Kreisumlage mit Art. 28 Abs. 2 GG dann nicht mehr vereinbar sei, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete aufgabenadäquate finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden strukturell nicht mehr gewahrt werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil wird den Anforderungen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt damit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der angefochtene Kreisumlagebescheid einer Rechtsgrundlage bedarf, dass er diese nur in § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) i.V.m. § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) sowie in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 finden kann und dass deren Gültigkeit voraussetzt, dass sie mit höherem Recht, namentlich mit Verfassungsrecht vereinbar sind. Insofern hat das Berufungsgericht allein das Verfassungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, nämlich Art. 49 LVerf in den Blick genommen und keinen Grund zur Beanstandung finden können; insoweit unterliegt sein Urteil nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht hat indes ungeprüft gelassen, ob die erwähnten Rechtsgrundlagen auch mit Bundesverfassungsrecht, vornehmlich mit Art. 28 Abs. 2, aber auch mit Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG vereinbar sind. Dies gilt es nachzuholen. Hierzu müssen zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe entfaltet werden (1.). Daran gemessen, erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts teilweise als beanstandungsfrei (2. und 3.), in anderer Hinsicht jedoch als unzureichend (4.). Da eine abschließende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die zudem landesrechtliche Rechtsfragen aufwerfen können, muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (5.).

11

1. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das ergibt sich schon aus Satz 1 der Garantie; das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, setzt voraus, dass die Gemeinden über eine Finanzausstattung verfügen, die sie hierzu in den Stand setzt. Es wurde im Übrigen durch die Anfügung von Satz 3 der Garantie bestätigt und noch materiellrechtlich verstärkt. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteile vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146 und vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161).

12

Die Finanzausstattung der Gemeinden ist ein Saldo aus Einnahmen und Abschöpfungen. Auf der Einnahmenseite tragen zur Finanzausstattung - neben Entgelten für spezielle Leistungen - Einnahmen aus Steuern (sogenannte Steuerkraft) sowie ergänzende Zuweisungen aus Landesmitteln nach Maßgabe des kommunalen Finanzausgleichs bei; dem stehen in negativer Hinsicht Bestimmungen in den Finanzausgleichs- und anderen Gesetzen über Umlagen gegenüber, die den Gemeinden Finanzmittel zugunsten anderer - regelmäßig höherstufiger - Verwaltungsträger wieder entziehen, sei es zugunsten der Kreise (Kreisumlage), sei es zugunsten von anderen Gemeindeverbänden (wie die Verbandsgemeindeumlage), sei es schließlich zugunsten von Land oder Bund (Finanzausgleichsumlage; Gewerbesteuerumlage). Die Kreisumlage erweist sich damit nicht nur als - herkömmliches und als solches fraglos zulässiges - Instrument zur Finanzierung der Kreise. Sie entzieht zugleich den kreisangehörigen Gemeinden Finanzmittel und zählt insofern zu den Instrumenten, welche in ihrem Zusammenwirken die Finanzausstattung der Gemeinden festlegen. Als solches muss sie den Anforderungen entsprechen, die das Verfassungsrecht für die Finanzausstattung der Gemeinden vorgibt (a); und ihre Wirkungen dürfen nicht dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (b).

13

a) Dem Gesetz- und sonstigen Normgeber kommt bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zu. Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Weder kommt dem Land für seinen eigenen Finanzbedarf ein Vorrang gegenüber dem kommunalen Bereich zu, noch lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG umgekehrt ein Vorrang des kommunalen Finanzbedarfs gegenüber demjenigen des Staates herleiten. Auch innerhalb des kreiskommunalen Raumes lässt sich weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Art. 28 Abs. 2 GG auch das sogenannte dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip entnommen. Hiernach muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber sich dafür entschieden hat, dass örtlich bezogene öffentliche Aufgaben möglichst dezentral, im Zweifel also auf der gemeindlichen Ebene erledigt werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <147 ff., 156>). Daraus lässt sich jedoch kein Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Ebene auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen herleiten. Das dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip bewirkt eine im Zweifel gemeindliche Aufgabenzuständigkeit und begründet in der Folge eine gemeindliche Ausgabenlast. Deshalb ist der hierdurch begründete Finanzbedarf der Gemeinden jedoch nicht gewichtiger als der Finanzbedarf anderer (höherstufiger) Verwaltungsträger, der diesen aus den ihnen (verfassungsgemäß) zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erwächst (vgl. auch Beschluss vom 3. März 1997 - BVerwG 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109). Art. 28 Abs. 2 GG regelt eine Kompetenzverteilung und gewährleistet gleichsam akzessorisch eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, trifft jedoch keine von der Aufgabenverteilung losgelöste, zusätzliche und eigenständige Regelung zur Verteilung öffentlicher Mittel.

14

Mit Blick auf die Kreisumlage kommt dem Grundsatz des finanziellen Gleichrangs zunächst und vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Kreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden zu. Mit der Kreisumlage werden bestimmte Finanzmittel im kreisangehörigen Raum zwischen dem Kreis und den Gemeinden verteilt. Das muss gleichmäßig geschehen (zum Gebot interkommunaler Gleichbehandlung: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris Rn. 80). Dabei ist von Bedeutung, dass der Kreis nicht nur die Befugnis zur einseitigen Erhebung der Kreisumlage hat, sondern dass er in bestimmter Hinsicht auch über das Ausmaß seiner Kreistätigkeit disponiert und damit seinen eigenen Finanzbedarf enger oder weiter stecken kann. Das darf er nicht beliebig; vielmehr muss er die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizupflichten, dass der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen darf. Es ist allenfalls dahin zu ergänzen, dass der Kreis auch verpflichtet ist, nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen.

15

Die Erhebung der Kreisumlage muss den allgemeinen Gleichheitssatz auch in horizontaler Dimension im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <393>; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 a.a.O. <287>). Fraglos zulässig ist es, den Finanzbedarf des Kreises nach linear gleichem Maßstab auf die kreisangehörigen Gemeinden umzulegen. Häufig werden steuerstärkere Gemeinden jedoch stärker herangezogen als steuerschwächere; dadurch erzielt die Kreisumlage zugleich einen steuerkraftausgleichenden Effekt. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Außerdem darf dies nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Länder im Länderfinanzausgleich hergeleitet (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. - BVerfGE 86, 148 <250 f., 253 f.>); es gilt gleichermaßen in Ansehung des Gebots der Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden bei der Kreisumlage.

16

Schließlich darf die Erhebung der Kreisumlage nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird. Das meint zunächst die Ertragshoheit. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Zwar erlaubt Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG eine Umlage zugunsten des Landes und des Bundes auf den Ertrag der Gewerbesteuer. Dadurch darf jedoch nur ein Teil des Gewerbesteuerertrages entzogen werden; ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig. Ähnliches gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG. Hiernach können die Länder die Erträge der Gemeinden aus den Realsteuern, aus der Einkommen- und aus der Umsatzsteuer zur Grundlage für weitere Umlagen nehmen. Auch dies darf nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen; unzulässig wäre es, den Gemeinden die genannten Umlagegrundlagen praktisch zur Gänze zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gelegentlich bemerkt, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG lasse sich ein besonderer Normgehalt nicht entnehmen, weshalb die Vorschrift von Teilen der Literatur sogar für überflüssig erachtet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 a.a.O. <391 f.>). Die Frage eines Totalentzugs der Umlagegrundlagen war jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

17

Die Steuerhoheit umfasst neben der Ertragshoheit auch eine gewisse Regelungsbefugnis. Insofern gewährleistet das Grundgesetz den Gemeinden in Ansehung der Realsteuern und - nach Maßgabe von Bundesrecht - auch in Ansehung ihres Anteils an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 GG) eine eigene Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer "finanziellen Eigenverantwortung" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 u.a. - BVerfGE 125, 141 <160 ff.>). Die Erhebung von Umlagen darf nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit entwertet wird. Die rheinland-pfälzischen Bestimmungen über die Bemessung der Kreisumlage sehen deshalb vor, dass die Gemeinden nicht mit ihren tatsächlichen, sondern mit fiktiven Steuereinnahmen veranschlagt werden, denen ein einheitlicher und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehener Hebesatz zugrunde gelegt wird. Dieses Verfahren ist einwandfrei. Ob andere Bemessungsweisen gleichermaßen zulässig wären, bedarf keiner Entscheidung.

18

b) Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürfen weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird. Insofern zieht Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze.

19

Ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, hinter die der (Landes-)Gesetzgeber auch bei einer allgemeinen Notlage der öffentlichen Haushalte nicht zurückgehen darf, haben das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181> und vom 7. Februar 1991 a.a.O. <386>; vgl. aber auch Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <168>) und das Bundesverwaltungsgericht (vgl. aber Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) bislang nicht entschieden. Die Verfassungsgerichte der Länder haben ihren jeweiligen Landesverfassungen derartige Mindestgarantien entnommen und dies - soweit die Ausstattung aus Landesmitteln in Rede steht - allenfalls gelegentlich unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt; die Gemeinden müssen hiernach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine "freie Spitze" verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. Dezember 1977 - VGH 2/74 - DVBl 1978, 802 <805> und vom 18. März 1992 - VGH 3/91 - NVwZ 1993, 159 <160> m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - 2/97 - ESVGH 49, 242; Bayerischer VerfGH, Entscheidungen vom 27. Februar 1997 - Vf. 17 VII-94 - VerfGHE BY 50, 15 <41> und vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 - VerfGHE BY 60, 184; VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September1999 - 28/98 - NVwZ-RR 2000, 129 <130>; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 11. Mai 2006 - 1/05 u.a. - LKV 2006, 461 und vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris; Niedersächsischer StGH, Urteile vom 15. August 1995 - 2/93 u.a. - OVGE 45, 486, vom 25. November 1997 - 14/95 u.a. - OVGE 47, 497 und vom 7. März 2008 - 2/05 - NdsVBl 2008, 152 <156 f.>; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 16/02 - OVGE 50, 306; Urteile vom 11. Dezember 2007 - 10/06 - OVGE 51, 272 und vom 19. Juli 2011 - 32/08 - DVBl 2011, 1155; VerfGH Saarland, Urteile vom 10. Januar 1994 - Lv 2/92 - NVwZ-RR 1995, 153 <154> und vom 13. März 2006 - Lv 2/05 - juris; VerfGH des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 - LKV 2001, 223 <224>; LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 - NVwZ 2007, 78; Thüringer VerfGH, Urteile vom 12. Oktober 2004 - 16/02 - DVBl 2005, 443, vom 21. Juni 2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <667> und vom 18. März 2010 - 52/08 - LKV 2010, 220; aus der Literatur: Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 248 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 1. Januar 2013, Art. 28 Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 102; Hufen, DÖV 1998, 276 <280>).

20

Dieser Rechtsprechung ist für das Bundesverfassungsrecht beizupflichten. Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG ergibt sich, dass der anerkannte "Kernbereich" der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung zu erstrecken ist. Der Gesetzgeber muss die öffentliche Verwaltung also so organisieren, dass unterhalb der (staatlichen) Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene eingerichtet wird, der ein eigenständiges, eigenverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur in singulären Angelegenheiten, sondern grundsätzlich universell ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 a.a.O. <146 f.>). Dieser kommunale Bereich darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss auch finanziell ermöglicht werden. Der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wäre mithin (auch) dann verletzt, wenn von einer kommunalen Selbstverwaltung zwar vielleicht de jure, aber jedenfalls nicht mehr de facto die Rede sein könnte, weil den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel fehlen.

21

Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gemeinden in Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG bestimmte Steuereinnahmen zuerkannt und damit die gemeindliche Finanzausstattung zu einem Teil bereits von Bundesverfassungsrechts wegen gesichert hat. Daraus lässt sich nicht folgern, dass eine weitergehende bundesverfassungsrechtliche Sicherung nicht gewollt gewesen sei. Das Gegenteil ist richtig. Dass Art. 28 Abs. 2 GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanzielle Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu. Auch die Einfügung des Satzes 3 in Art. 28 Abs. 2 GG belegt die Überzeugung des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass die Selbstverwaltungsgarantie angesichts zunehmender Überbürdung kostenträchtiger Aufgaben auf die Kommunen gerade in finanzieller Hinsicht noch zusätzlicher Verstärkung bedurfte.

22

Klargestellt werden muss, dass dieser "Kerngehalt" die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren - das verfassungsrechtliche Minimum - bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist. Der Landesgesetzgeber könnte also eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden in diesem Sinne nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass auch die Haushaltslage des Landes notleidend ist. Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar (so auch Tettinger/Schwarz, a.a.O. Rn. 248 ff.). Ob anderes gelten kann, wenn das Land selbst unter Ausschöpfung aller eigenen Steuerquellen und unter möglichster Verminderung ausgabenträchtiger öffentlicher Aufgaben des Landes und der Kommunen zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Mindestpflicht außerstande wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Lage ist nicht erkennbar; der Beklagte macht nur eine eigene Haushaltsnotlage geltend, nicht aber einen Haushaltsnotstand des gesamten Landes.

23

2. Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht auf der gesetzlichen Grundlage in § 58 Abs. 4 LKO, § 25 LFAG. Das Berufungsgericht ist fraglos davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das hält den Einwänden, die namentlich der Vertreter des Bundesinteresses erhebt, im Ergebnis stand.

24

a) Der Vertreter des Bundesinteresses weist zum einen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Februar 2012 (- VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 = DVBl 2012, 432) die Bestimmungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Zuweisungen aus Landesmitteln (§§ 7 bis 18 LFAG) für verfassungswidrig erklärt hat. Das bleibt freilich für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung. Zwar nimmt § 25 LFAG auf § 13 LFAG und damit auf eine der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften Bezug. Jedoch wird damit nicht die Gültigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln zur Voraussetzung auch für die Gültigkeit der Bestimmungen über die Kreisumlage erhoben. Die Bezugnahme auf § 13 LFAG soll vielmehr lediglich die Umlagegrundlagen festlegen. Sie dient daher nur einer regelungstechnischen Vereinfachung, um eine eigenständige Wiederholung innerhalb des § 25 LFAG zu ersparen. In Ansehung der Umlagegrundlagen kann § 13 LFAG auch unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln Bestand haben. Hinzu kommt, dass das Landesverfassungsgericht die §§ 7 bis 18 LFAG zwar für verfassungswidrig, aber für das hier in Rede stehende Umlagejahr 2009 nicht auch für nichtig erklärt hat; das Gesetz verliert vielmehr erst Ende 2013 seine Gültigkeit, wenn der Gesetzgeber bis dahin den verfassungsrechtlichen Einwänden nicht Rechnung getragen hat.

25

b) Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt zum anderen, dass § 58 Abs. 4 LKO zu weit gefasst sei. Nach dieser Vorschrift erhebt der Kreis eine Kreisumlage, soweit seine sonstigen Finanzquellen seinen Finanzbedarf nicht decken. Damit macht sie den Kreisen die Erhebung einer Kreisumlage zur Pflicht, deren Soll-Aufkommen sich nach ihrem Wortlaut allein nach dem gesamten ungedeckten Finanzbedarf des Kreises bemisst, ohne hierbei die gebotene Rücksicht auf den eigenen Finanzbedarf und die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden zu nehmen. Mit diesem Inhalt könnte die Vorschrift tatsächlich keinen Bestand haben; sie würde den Grundsatz des Gleichrangs zwischen dem Finanzbedarf des Kreises und demjenigen der kreisangehörigen Gemeinden und damit das interkommunale Gleichbehandlungsgebot in vertikaler Hinsicht verletzen und im Extremfall dazu führen, dass der Kreis eine eigene Unterfinanzierung stets auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen dürfte oder gar müsste, selbst wenn diesen dadurch nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene Mindestausstattung verbliebe. Die Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer solchen Interpretation. Sie ist vielmehr für eine verfassungskonforme Auslegung offen, wonach der Kreis zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt wird, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt wird, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zwingend und jedenfalls dann nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsste, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

26

3. Die Klägerin hat gegen die Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 zum einen eingewendet, der Beklagte finanziere die Wahrnehmung von Aufgaben, für die ihm die Zuständigkeit fehle; zum anderen verletze der gewählte progressive Umlagesatz das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung in dessen horizontaler Dimension. Das Berufungsgericht hat diese Einwände zurückgewiesen. Das hält den Angriffen der Revision stand.

27

a) Die Klägerin bemängelt, der Beklagte nehme Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahr, für die ihm die Zuständigkeit fehle, was zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und dementsprechend zu einem überhöhten Umlagesoll führe. Dieser Einwand verfängt nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sämtliche von der Klägerin insofern angesprochenen Aufgaben kreisörtlicher Natur ("auf das Kreisgebiet bezogen") sind und deshalb vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKO wahrgenommen werden dürfen. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Dann aber steht fest, dass es sich nicht um gemeindliche Aufgaben handelt, die der Kreis lediglich im Rahmen seiner Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion (nach § 2 Abs. 5 LKO) oder gar in Wahrnehmung seiner "Kompetenzkompetenz" (nach § 2 Abs. 3 und 4 LKO) übernehmen dürfte. Damit stellt sich auch die verfassungsrechtliche Frage nicht, ob es mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar wäre, wenn der Kreis gemeindliche Aufgaben an sich zieht, die Gemeinden aber zugleich über die Kreisumlage zu deren Finanzierung heranzieht.

28

b) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie den progressiven Umlagesatz als solchen betreffen.

29

Der Umlagesatz besagt als solcher noch nichts über die den Gemeinden nach Erhebung der Umlage verbleibende Finanzausstattung. Die Progression führt auch nicht dazu, dass die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen werden; im vorliegenden Fall liegt der Grenzsatz bei 37,1 x 150 = 55,65 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. Der Umlagesatz ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und ob er Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden übermäßig nivelliert. Insofern sind Einwände nicht zu erheben.

30

Ein einheitlicher Umlagesatz wahrt den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 LFAG), ein progressiver Satz wahrt ihn, wenn für die Progression ein sachlicher Grund besteht (vgl. Urteil vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <288 f.> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Progression - der nur überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinden unterliegen - dem Verursachungsprinzip Rechnung tragen soll; diese Gemeinden werden auf diese Weise verstärkt herangezogen, weil ihre besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an die Kreise ist, was ohne Progression zu einer stärkeren Belastung der finanzschwächeren Gemeinden führen müsste. Darin hat es beanstandungsfrei einen zureichenden sachlichen Grund für den progressiven Umlagesatz gesehen.

31

Dessen Anwendung führt auch nicht dazu, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden vollständig eingeebnet würden oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert würde. Das ist bei der gewählten stufenweisen Anhebung des in Prozent ausgedrückten Umlagesatzes schon rechnerisch ausgeschlossen. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall; die Klägerin ist auch nach Durchführung der Umlage die steuerstärkste Gemeinde im Kreis. Dass sie selbst zu anderen Ergebnissen gelangt, ist darauf zurückzuführen, dass sie auf ihre absoluten Steuereinnahmen abstellt und diese nicht ins Verhältnis zu ihrer - geringen - Einwohnerzahl setzt. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung. Was angemessen ist, bestimmt sich zuvörderst nach dem Finanzbedarf, dieser aber ist maßgeblich abhängig von der Einwohnerzahl. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Finanzkraftvergleich zwischen den verschiedenen kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl vornimmt.

32

4. Die Klägerin hatte aber drittens und vor allem geltend gemacht, die Erhebung der Kreisumlage entziehe ihr - im Zusammenwirken mit anderen Umlagen - praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

33

a) Vorab ist festzuhalten, dass der Einwand der Klägerin beachtlich ist. Der Beklagte muss bei der Bemessung der Kreisumlage die anderen Umlagepflichten der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Der Landesgesetzgeber stellt die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land; Instrumenten der Finanzzuweisungen zugunsten der Gemeinden (insbesondere Schlüsselzuweisungen) stehen gegenläufige Instrumente der Finanzabschöpfungen (insbesondere Umlagen) gegenüber. Insofern tritt die Kreisumlage neben andere Umlagen unter Gemeinden. Der Vertreter des Bundesinteresses weist zutreffend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber dieses System des Finanzausgleichs als Ganzes zu verantworten hat; er ist verpflichtet, eine angemessene Finanzausstattung, wenigstens aber die Mindestausstattung der Gemeinden im Gesamt seines Regelwerks zu gewährleisten. Dabei muss er diejenigen Vorgaben beachten, die vom Bundesgesetzgeber selbst und damit von einem vorrangigen Normgeber gesetzt werden. Deshalb muss er auch die Belastungen der Gemeinden aus der Gewerbesteuerumlage in Rechnung stellen.

34

Bei der nötigen Gesamtbetrachtung kann die Verbandsgemeindeumlage (§ 26 LFAG) nicht ausgeblendet werden. Sie dient zwar der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben und kommt der Klägerin - einer Ortsgemeinde - damit selbst zugute. Die Klägerin kann jedoch über ihre Mitgliedschaft in der Verbandsgemeinde nicht frei entscheiden und kann auch den Umfang der von dieser wahrgenommenen örtlichen Aufgaben nicht beeinflussen. Vielmehr werden die Verbandsgemeinden aus Gründen des Gemeinwohls gebildet (vgl. § 64 GemO) und nehmen bestimmte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgrund Gesetzes an Stelle der Ortsgemeinden wahr (§§ 67, 68 GemO). Insofern liegt die Sache anders als bei der Samtgemeindeumlage nach niedersächsischem Recht (vgl. Urteil vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161). Vor allem aber stünde eine "freie Spitze" nicht der Verbandsgemeinde, sondern unverändert der Ortsgemeinde zu, die auch nur selbst Inhaberin des verfassungsrechtlichen Aufgabenzugriffsrechts, also des Rechts ist, sich jeder "unbesetzten" öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft aus eigenem Willensentschluss anzunehmen.

35

b) Das Berufungsgericht ist auf den Einwand der Klägerin bislang nur unter Anlegung eines unzureichenden und teilweise fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstabs eingegangen. Es hat den Kreis nämlich von der Pflicht zur Beachtung der verfassungsgebotenen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden dispensiert und angenommen, die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie werde in jedem Fall erst dann verletzt, wenn der Kreis seine eigenen Interessen einseitig und willkürlich gegenüber den Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetze. Das wird den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht gerecht.

36

Der Schutz- und Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 (und 3) GG gilt zugunsten der Gemeinden auch in deren Verhältnis zum Kreis. Für "den kommunalen Raum", also das Gesamt von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, besteht kein abweichendes Sonderrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <150 f., 152>). Daraus folgt, dass der oben umschriebene "Kernbereich" der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch nicht zugunsten des jeweiligen Kreises angetastet werden darf. Das gilt für jedwede Finanzregelung, gleichgültig ob sie vom Land oder vom Kreis selbst erlassen wurde; weder darf eine Regelung des Landesgesetzgebers zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden führen, noch darf eine Regelung eines Kreises diese Wirkung haben. Damit wird auch der Kreisumlage eine absolute Grenze gezogen; ihre Erhebung darf nicht dazu führen, dass das absolute Minimum der Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten wird.

37

Demgegenüber will das Berufungsgericht die Kreise bei Erlass von Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage von der Pflicht zur Beachtung des "Kernbereichs" jedenfalls dann dispensieren, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert ist; die Regelungsbefugnis des Kreises sei auch in diesem Falle erst überschritten, wenn der Kreis seine Interessen willkürlich und rücksichtslos zulasten der Gemeinden verfolgt. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. So wenig wie das Land kann sich der Kreis von der Beachtung des "Kernbereichs" der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Hinweis auf seine eigene Haushaltslage dispensieren. Richtig ist, dass der Kreis - anders als das Land - regelmäßig nicht über eine nennenswerte Kompetenz zur Erschließung zusätzlicher Steuerquellen verfügt, um seine Finanznot zu lindern (dazu Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 115 f.). Das suspendiert indes nicht die Geltung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie. Ist die eigene Finanzausstattung des Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten; er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen. Darauf weist der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hin.

38

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Defiziten, da es einen Haupteinwand der Klägerin - die Kreisumlage entziehe ihr die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung - auf unzureichender Grundlage zurückgewiesen hat.

39

5. Der Senat kann über die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf Vorbringen des Beklagten eingegangen werden, was zusätzliche tatsächliche Feststellungen erfordert, die zudem landesrechtliche Würdigungen voraussetzen. Das ist dem Bundesverwaltungsgericht verschlossen; deshalb muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

40

a) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass im Zusammenwirken der Kreisumlage mit anderen Umlagen sämtliche Steuereinnahmen der Klägerin abgeschöpft würden und die Klägerin darüber hinaus noch zur Kreditaufnahme gezwungen werde, um ihre Umlageverpflichtungen zu erfüllen. Er meint, dass die Gewerbesteuerumlage nicht gesondert und zusätzlich zu berücksichtigen sei, weil sie bereits bei Festlegung der Nivellierungssätze als Höchstgrenze für die Umlagezahlungen Berücksichtigung finde. Ob das zutrifft, wird zu prüfen sein.

41

b) Zum anderen - und vor allem - behauptet der Beklagte, die Kumulation von Umlagepflichten habe für die Klägerin nur im Jahr 2009 zu einer derart hohen Belastung geführt. Die Erhebungsmethode habe in diesem Jahr zu einem überdurchschnittlich hohen Umlagebetrag geführt, dem jedoch im Folgejahr ein entsprechend niedrigerer Betrag gefolgt sei. Auch dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie wird nicht schon dann verletzt, wenn die Finanzausstattung einer Gemeinde nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minimum zurückbleibt; zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung. Der Kernbereich der Garantie ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig.

2

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis mit Bescheid vom 17. August 2009 zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbesteuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Kreisumlagebescheid sei rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage seien verfassungsgemäß, auch soweit sie den Landkreisen die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubten. Die Rheinland-Pfälzische Verfassung schreibe kein bestimmtes Verteilungssystem vor. Dem Gesetzgeber sei in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, das seine Grenze im Gebot interkommunaler Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot finde. Über diesen allgemeinen Maßstab hinaus müsse die gesetzliche Regelung berücksichtigen, dass Finanzkraftunterschiede im Wege des Finanzausgleichs grundsätzlich nur abgemildert, nicht aber eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürften. Die Kreisumlage als solche erweise sich als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems. Auch die im Landesfinanzausgleichsgesetz vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze stehe im Einklang mit den vorgenannten Maßstäben. Die Regelung beruhe auf sachlichen Gründen und füge sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Es erscheine vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräume, die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen verursachergerecht auszugleichen. Eine progressive Staffelung der Umlagesätze führe für sich genommen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden. Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sei auch nicht deshalb verletzt, weil eine solche Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl, aber gleichwohl hohen Steuereinnahmen besonders treffe. Auch die Ausgestaltung der Umlagesätze in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeine Grenze des Umlagesatzes unabhängig vom Aufgabenbestand des Kreises einerseits und der Gemeinde andererseits. Ein progressiv gestaffelter Umlagesatz, der für einzelne kreisangehörige Gemeinden nivellierend und übernivellierend wirke, sei mithin dann noch verfassungskonform, wenn für die Festsetzung sachlich einleuchtende Gründe vorlägen und diese auch sonst nicht als willkürlich oder rücksichtslos erschienen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte hätte im Jahre 2009 mit erheblichen finanziellen Engpässen zu kämpfen gehabt. Auch die von der Haushaltssatzung angeordnete Progression des Kreisumlagesatzes sei unbedenklich. Auf der Grundlage des vorliegenden Zahlenmaterials bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es hierdurch zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung der Finanzkraft unter den kreisangehörigen Gemeinden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr gekommen sei. Selbst wenn die Progression eine solche Wirkung gezeigt haben sollte, wäre die Klägerin hierdurch nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt. Aus Sicht des Kreises sprächen hierfür nämlich sachlich einleuchtende Gründe. Im beklagten Landkreis stünden einige wenige finanzstarke Gemeinden einer großen Zahl von Gemeinden mit weit unterdurchschnittlicher Finanzkraft gegenüber. Bei einem Verzicht auf die Progression wäre dem Beklagten zur Vermeidung eines noch größeren eigenen Haushaltsdefizits nichts anderes übriggeblieben, als den dann einheitlichen Umlagesatz weiter anzuheben. Hierdurch wären auch die ohnehin unterdurchschnittlich finanzkräftigen Gemeinden weiter geschwächt worden. Die Ausgestaltung des progressiven Umlagesatzes erscheine gegenüber den betroffenen Gemeinden auch nicht rücksichtslos. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die angeordnete Progression in Steigung und Höchstsatz hinter dem nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz zulässigen Maß zurückbleibe. Der Beklagte habe bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt. Die von der Klägerin beanstandeten Mittelansätze beträfen allesamt Angelegenheiten, die der Beklagte nach der Landkreisordnung als überörtliche Aufgaben der freien Selbstverwaltung wahrnehmen dürfe. Die Frage, inwieweit ein Landkreis unterstützend und ausgleichend im Bereich der allgemeinen Angelegenheiten tätig werden dürfe, stelle sich im vorliegenden Falle nicht.

4

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht sie geltend, der Beklagte nehme unzulässig gemeindliche Aufgaben wahr. Dies führe zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und zu einem überhöhten Umlagesoll. Die Wahl eines progressiven Umlagesatzes bewirke eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden oder sogar eine Veränderung der Finanzkraftreihenfolge. Die Erhebung der Kreisumlage in ihrer konkreten Ausgestaltung führe im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen würden und sie zur Umlagefinanzierung sogar Kredite aufnehmen müsse. Das Vorgehen des Beklagten sei mit Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass eine progressive Kreisumlage mit Art. 28 Abs. 2 GG dann nicht mehr vereinbar sei, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete aufgabenadäquate finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden strukturell nicht mehr gewahrt werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil wird den Anforderungen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt damit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der angefochtene Kreisumlagebescheid einer Rechtsgrundlage bedarf, dass er diese nur in § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) i.V.m. § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) sowie in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 finden kann und dass deren Gültigkeit voraussetzt, dass sie mit höherem Recht, namentlich mit Verfassungsrecht vereinbar sind. Insofern hat das Berufungsgericht allein das Verfassungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, nämlich Art. 49 LVerf in den Blick genommen und keinen Grund zur Beanstandung finden können; insoweit unterliegt sein Urteil nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht hat indes ungeprüft gelassen, ob die erwähnten Rechtsgrundlagen auch mit Bundesverfassungsrecht, vornehmlich mit Art. 28 Abs. 2, aber auch mit Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG vereinbar sind. Dies gilt es nachzuholen. Hierzu müssen zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe entfaltet werden (1.). Daran gemessen, erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts teilweise als beanstandungsfrei (2. und 3.), in anderer Hinsicht jedoch als unzureichend (4.). Da eine abschließende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die zudem landesrechtliche Rechtsfragen aufwerfen können, muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (5.).

11

1. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das ergibt sich schon aus Satz 1 der Garantie; das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, setzt voraus, dass die Gemeinden über eine Finanzausstattung verfügen, die sie hierzu in den Stand setzt. Es wurde im Übrigen durch die Anfügung von Satz 3 der Garantie bestätigt und noch materiellrechtlich verstärkt. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteile vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146 und vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161).

12

Die Finanzausstattung der Gemeinden ist ein Saldo aus Einnahmen und Abschöpfungen. Auf der Einnahmenseite tragen zur Finanzausstattung - neben Entgelten für spezielle Leistungen - Einnahmen aus Steuern (sogenannte Steuerkraft) sowie ergänzende Zuweisungen aus Landesmitteln nach Maßgabe des kommunalen Finanzausgleichs bei; dem stehen in negativer Hinsicht Bestimmungen in den Finanzausgleichs- und anderen Gesetzen über Umlagen gegenüber, die den Gemeinden Finanzmittel zugunsten anderer - regelmäßig höherstufiger - Verwaltungsträger wieder entziehen, sei es zugunsten der Kreise (Kreisumlage), sei es zugunsten von anderen Gemeindeverbänden (wie die Verbandsgemeindeumlage), sei es schließlich zugunsten von Land oder Bund (Finanzausgleichsumlage; Gewerbesteuerumlage). Die Kreisumlage erweist sich damit nicht nur als - herkömmliches und als solches fraglos zulässiges - Instrument zur Finanzierung der Kreise. Sie entzieht zugleich den kreisangehörigen Gemeinden Finanzmittel und zählt insofern zu den Instrumenten, welche in ihrem Zusammenwirken die Finanzausstattung der Gemeinden festlegen. Als solches muss sie den Anforderungen entsprechen, die das Verfassungsrecht für die Finanzausstattung der Gemeinden vorgibt (a); und ihre Wirkungen dürfen nicht dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (b).

13

a) Dem Gesetz- und sonstigen Normgeber kommt bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zu. Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Weder kommt dem Land für seinen eigenen Finanzbedarf ein Vorrang gegenüber dem kommunalen Bereich zu, noch lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG umgekehrt ein Vorrang des kommunalen Finanzbedarfs gegenüber demjenigen des Staates herleiten. Auch innerhalb des kreiskommunalen Raumes lässt sich weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Art. 28 Abs. 2 GG auch das sogenannte dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip entnommen. Hiernach muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber sich dafür entschieden hat, dass örtlich bezogene öffentliche Aufgaben möglichst dezentral, im Zweifel also auf der gemeindlichen Ebene erledigt werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <147 ff., 156>). Daraus lässt sich jedoch kein Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Ebene auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen herleiten. Das dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip bewirkt eine im Zweifel gemeindliche Aufgabenzuständigkeit und begründet in der Folge eine gemeindliche Ausgabenlast. Deshalb ist der hierdurch begründete Finanzbedarf der Gemeinden jedoch nicht gewichtiger als der Finanzbedarf anderer (höherstufiger) Verwaltungsträger, der diesen aus den ihnen (verfassungsgemäß) zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erwächst (vgl. auch Beschluss vom 3. März 1997 - BVerwG 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109). Art. 28 Abs. 2 GG regelt eine Kompetenzverteilung und gewährleistet gleichsam akzessorisch eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, trifft jedoch keine von der Aufgabenverteilung losgelöste, zusätzliche und eigenständige Regelung zur Verteilung öffentlicher Mittel.

14

Mit Blick auf die Kreisumlage kommt dem Grundsatz des finanziellen Gleichrangs zunächst und vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Kreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden zu. Mit der Kreisumlage werden bestimmte Finanzmittel im kreisangehörigen Raum zwischen dem Kreis und den Gemeinden verteilt. Das muss gleichmäßig geschehen (zum Gebot interkommunaler Gleichbehandlung: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris Rn. 80). Dabei ist von Bedeutung, dass der Kreis nicht nur die Befugnis zur einseitigen Erhebung der Kreisumlage hat, sondern dass er in bestimmter Hinsicht auch über das Ausmaß seiner Kreistätigkeit disponiert und damit seinen eigenen Finanzbedarf enger oder weiter stecken kann. Das darf er nicht beliebig; vielmehr muss er die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizupflichten, dass der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen darf. Es ist allenfalls dahin zu ergänzen, dass der Kreis auch verpflichtet ist, nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen.

15

Die Erhebung der Kreisumlage muss den allgemeinen Gleichheitssatz auch in horizontaler Dimension im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <393>; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 a.a.O. <287>). Fraglos zulässig ist es, den Finanzbedarf des Kreises nach linear gleichem Maßstab auf die kreisangehörigen Gemeinden umzulegen. Häufig werden steuerstärkere Gemeinden jedoch stärker herangezogen als steuerschwächere; dadurch erzielt die Kreisumlage zugleich einen steuerkraftausgleichenden Effekt. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Außerdem darf dies nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Länder im Länderfinanzausgleich hergeleitet (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. - BVerfGE 86, 148 <250 f., 253 f.>); es gilt gleichermaßen in Ansehung des Gebots der Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden bei der Kreisumlage.

16

Schließlich darf die Erhebung der Kreisumlage nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird. Das meint zunächst die Ertragshoheit. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Zwar erlaubt Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG eine Umlage zugunsten des Landes und des Bundes auf den Ertrag der Gewerbesteuer. Dadurch darf jedoch nur ein Teil des Gewerbesteuerertrages entzogen werden; ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig. Ähnliches gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG. Hiernach können die Länder die Erträge der Gemeinden aus den Realsteuern, aus der Einkommen- und aus der Umsatzsteuer zur Grundlage für weitere Umlagen nehmen. Auch dies darf nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen; unzulässig wäre es, den Gemeinden die genannten Umlagegrundlagen praktisch zur Gänze zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gelegentlich bemerkt, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG lasse sich ein besonderer Normgehalt nicht entnehmen, weshalb die Vorschrift von Teilen der Literatur sogar für überflüssig erachtet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 a.a.O. <391 f.>). Die Frage eines Totalentzugs der Umlagegrundlagen war jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

17

Die Steuerhoheit umfasst neben der Ertragshoheit auch eine gewisse Regelungsbefugnis. Insofern gewährleistet das Grundgesetz den Gemeinden in Ansehung der Realsteuern und - nach Maßgabe von Bundesrecht - auch in Ansehung ihres Anteils an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 GG) eine eigene Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer "finanziellen Eigenverantwortung" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 u.a. - BVerfGE 125, 141 <160 ff.>). Die Erhebung von Umlagen darf nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit entwertet wird. Die rheinland-pfälzischen Bestimmungen über die Bemessung der Kreisumlage sehen deshalb vor, dass die Gemeinden nicht mit ihren tatsächlichen, sondern mit fiktiven Steuereinnahmen veranschlagt werden, denen ein einheitlicher und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehener Hebesatz zugrunde gelegt wird. Dieses Verfahren ist einwandfrei. Ob andere Bemessungsweisen gleichermaßen zulässig wären, bedarf keiner Entscheidung.

18

b) Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürfen weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird. Insofern zieht Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze.

19

Ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, hinter die der (Landes-)Gesetzgeber auch bei einer allgemeinen Notlage der öffentlichen Haushalte nicht zurückgehen darf, haben das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181> und vom 7. Februar 1991 a.a.O. <386>; vgl. aber auch Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <168>) und das Bundesverwaltungsgericht (vgl. aber Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) bislang nicht entschieden. Die Verfassungsgerichte der Länder haben ihren jeweiligen Landesverfassungen derartige Mindestgarantien entnommen und dies - soweit die Ausstattung aus Landesmitteln in Rede steht - allenfalls gelegentlich unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt; die Gemeinden müssen hiernach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine "freie Spitze" verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. Dezember 1977 - VGH 2/74 - DVBl 1978, 802 <805> und vom 18. März 1992 - VGH 3/91 - NVwZ 1993, 159 <160> m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - 2/97 - ESVGH 49, 242; Bayerischer VerfGH, Entscheidungen vom 27. Februar 1997 - Vf. 17 VII-94 - VerfGHE BY 50, 15 <41> und vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 - VerfGHE BY 60, 184; VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September1999 - 28/98 - NVwZ-RR 2000, 129 <130>; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 11. Mai 2006 - 1/05 u.a. - LKV 2006, 461 und vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris; Niedersächsischer StGH, Urteile vom 15. August 1995 - 2/93 u.a. - OVGE 45, 486, vom 25. November 1997 - 14/95 u.a. - OVGE 47, 497 und vom 7. März 2008 - 2/05 - NdsVBl 2008, 152 <156 f.>; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 16/02 - OVGE 50, 306; Urteile vom 11. Dezember 2007 - 10/06 - OVGE 51, 272 und vom 19. Juli 2011 - 32/08 - DVBl 2011, 1155; VerfGH Saarland, Urteile vom 10. Januar 1994 - Lv 2/92 - NVwZ-RR 1995, 153 <154> und vom 13. März 2006 - Lv 2/05 - juris; VerfGH des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 - LKV 2001, 223 <224>; LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 - NVwZ 2007, 78; Thüringer VerfGH, Urteile vom 12. Oktober 2004 - 16/02 - DVBl 2005, 443, vom 21. Juni 2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <667> und vom 18. März 2010 - 52/08 - LKV 2010, 220; aus der Literatur: Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 248 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 1. Januar 2013, Art. 28 Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 102; Hufen, DÖV 1998, 276 <280>).

20

Dieser Rechtsprechung ist für das Bundesverfassungsrecht beizupflichten. Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG ergibt sich, dass der anerkannte "Kernbereich" der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung zu erstrecken ist. Der Gesetzgeber muss die öffentliche Verwaltung also so organisieren, dass unterhalb der (staatlichen) Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene eingerichtet wird, der ein eigenständiges, eigenverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur in singulären Angelegenheiten, sondern grundsätzlich universell ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 a.a.O. <146 f.>). Dieser kommunale Bereich darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss auch finanziell ermöglicht werden. Der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wäre mithin (auch) dann verletzt, wenn von einer kommunalen Selbstverwaltung zwar vielleicht de jure, aber jedenfalls nicht mehr de facto die Rede sein könnte, weil den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel fehlen.

21

Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gemeinden in Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG bestimmte Steuereinnahmen zuerkannt und damit die gemeindliche Finanzausstattung zu einem Teil bereits von Bundesverfassungsrechts wegen gesichert hat. Daraus lässt sich nicht folgern, dass eine weitergehende bundesverfassungsrechtliche Sicherung nicht gewollt gewesen sei. Das Gegenteil ist richtig. Dass Art. 28 Abs. 2 GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanzielle Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu. Auch die Einfügung des Satzes 3 in Art. 28 Abs. 2 GG belegt die Überzeugung des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass die Selbstverwaltungsgarantie angesichts zunehmender Überbürdung kostenträchtiger Aufgaben auf die Kommunen gerade in finanzieller Hinsicht noch zusätzlicher Verstärkung bedurfte.

22

Klargestellt werden muss, dass dieser "Kerngehalt" die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren - das verfassungsrechtliche Minimum - bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist. Der Landesgesetzgeber könnte also eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden in diesem Sinne nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass auch die Haushaltslage des Landes notleidend ist. Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar (so auch Tettinger/Schwarz, a.a.O. Rn. 248 ff.). Ob anderes gelten kann, wenn das Land selbst unter Ausschöpfung aller eigenen Steuerquellen und unter möglichster Verminderung ausgabenträchtiger öffentlicher Aufgaben des Landes und der Kommunen zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Mindestpflicht außerstande wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Lage ist nicht erkennbar; der Beklagte macht nur eine eigene Haushaltsnotlage geltend, nicht aber einen Haushaltsnotstand des gesamten Landes.

23

2. Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht auf der gesetzlichen Grundlage in § 58 Abs. 4 LKO, § 25 LFAG. Das Berufungsgericht ist fraglos davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das hält den Einwänden, die namentlich der Vertreter des Bundesinteresses erhebt, im Ergebnis stand.

24

a) Der Vertreter des Bundesinteresses weist zum einen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Februar 2012 (- VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 = DVBl 2012, 432) die Bestimmungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Zuweisungen aus Landesmitteln (§§ 7 bis 18 LFAG) für verfassungswidrig erklärt hat. Das bleibt freilich für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung. Zwar nimmt § 25 LFAG auf § 13 LFAG und damit auf eine der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften Bezug. Jedoch wird damit nicht die Gültigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln zur Voraussetzung auch für die Gültigkeit der Bestimmungen über die Kreisumlage erhoben. Die Bezugnahme auf § 13 LFAG soll vielmehr lediglich die Umlagegrundlagen festlegen. Sie dient daher nur einer regelungstechnischen Vereinfachung, um eine eigenständige Wiederholung innerhalb des § 25 LFAG zu ersparen. In Ansehung der Umlagegrundlagen kann § 13 LFAG auch unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln Bestand haben. Hinzu kommt, dass das Landesverfassungsgericht die §§ 7 bis 18 LFAG zwar für verfassungswidrig, aber für das hier in Rede stehende Umlagejahr 2009 nicht auch für nichtig erklärt hat; das Gesetz verliert vielmehr erst Ende 2013 seine Gültigkeit, wenn der Gesetzgeber bis dahin den verfassungsrechtlichen Einwänden nicht Rechnung getragen hat.

25

b) Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt zum anderen, dass § 58 Abs. 4 LKO zu weit gefasst sei. Nach dieser Vorschrift erhebt der Kreis eine Kreisumlage, soweit seine sonstigen Finanzquellen seinen Finanzbedarf nicht decken. Damit macht sie den Kreisen die Erhebung einer Kreisumlage zur Pflicht, deren Soll-Aufkommen sich nach ihrem Wortlaut allein nach dem gesamten ungedeckten Finanzbedarf des Kreises bemisst, ohne hierbei die gebotene Rücksicht auf den eigenen Finanzbedarf und die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden zu nehmen. Mit diesem Inhalt könnte die Vorschrift tatsächlich keinen Bestand haben; sie würde den Grundsatz des Gleichrangs zwischen dem Finanzbedarf des Kreises und demjenigen der kreisangehörigen Gemeinden und damit das interkommunale Gleichbehandlungsgebot in vertikaler Hinsicht verletzen und im Extremfall dazu führen, dass der Kreis eine eigene Unterfinanzierung stets auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen dürfte oder gar müsste, selbst wenn diesen dadurch nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene Mindestausstattung verbliebe. Die Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer solchen Interpretation. Sie ist vielmehr für eine verfassungskonforme Auslegung offen, wonach der Kreis zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt wird, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt wird, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zwingend und jedenfalls dann nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsste, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

26

3. Die Klägerin hat gegen die Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 zum einen eingewendet, der Beklagte finanziere die Wahrnehmung von Aufgaben, für die ihm die Zuständigkeit fehle; zum anderen verletze der gewählte progressive Umlagesatz das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung in dessen horizontaler Dimension. Das Berufungsgericht hat diese Einwände zurückgewiesen. Das hält den Angriffen der Revision stand.

27

a) Die Klägerin bemängelt, der Beklagte nehme Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahr, für die ihm die Zuständigkeit fehle, was zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und dementsprechend zu einem überhöhten Umlagesoll führe. Dieser Einwand verfängt nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sämtliche von der Klägerin insofern angesprochenen Aufgaben kreisörtlicher Natur ("auf das Kreisgebiet bezogen") sind und deshalb vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKO wahrgenommen werden dürfen. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Dann aber steht fest, dass es sich nicht um gemeindliche Aufgaben handelt, die der Kreis lediglich im Rahmen seiner Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion (nach § 2 Abs. 5 LKO) oder gar in Wahrnehmung seiner "Kompetenzkompetenz" (nach § 2 Abs. 3 und 4 LKO) übernehmen dürfte. Damit stellt sich auch die verfassungsrechtliche Frage nicht, ob es mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar wäre, wenn der Kreis gemeindliche Aufgaben an sich zieht, die Gemeinden aber zugleich über die Kreisumlage zu deren Finanzierung heranzieht.

28

b) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie den progressiven Umlagesatz als solchen betreffen.

29

Der Umlagesatz besagt als solcher noch nichts über die den Gemeinden nach Erhebung der Umlage verbleibende Finanzausstattung. Die Progression führt auch nicht dazu, dass die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen werden; im vorliegenden Fall liegt der Grenzsatz bei 37,1 x 150 = 55,65 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. Der Umlagesatz ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und ob er Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden übermäßig nivelliert. Insofern sind Einwände nicht zu erheben.

30

Ein einheitlicher Umlagesatz wahrt den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 LFAG), ein progressiver Satz wahrt ihn, wenn für die Progression ein sachlicher Grund besteht (vgl. Urteil vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <288 f.> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Progression - der nur überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinden unterliegen - dem Verursachungsprinzip Rechnung tragen soll; diese Gemeinden werden auf diese Weise verstärkt herangezogen, weil ihre besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an die Kreise ist, was ohne Progression zu einer stärkeren Belastung der finanzschwächeren Gemeinden führen müsste. Darin hat es beanstandungsfrei einen zureichenden sachlichen Grund für den progressiven Umlagesatz gesehen.

31

Dessen Anwendung führt auch nicht dazu, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden vollständig eingeebnet würden oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert würde. Das ist bei der gewählten stufenweisen Anhebung des in Prozent ausgedrückten Umlagesatzes schon rechnerisch ausgeschlossen. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall; die Klägerin ist auch nach Durchführung der Umlage die steuerstärkste Gemeinde im Kreis. Dass sie selbst zu anderen Ergebnissen gelangt, ist darauf zurückzuführen, dass sie auf ihre absoluten Steuereinnahmen abstellt und diese nicht ins Verhältnis zu ihrer - geringen - Einwohnerzahl setzt. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung. Was angemessen ist, bestimmt sich zuvörderst nach dem Finanzbedarf, dieser aber ist maßgeblich abhängig von der Einwohnerzahl. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Finanzkraftvergleich zwischen den verschiedenen kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl vornimmt.

32

4. Die Klägerin hatte aber drittens und vor allem geltend gemacht, die Erhebung der Kreisumlage entziehe ihr - im Zusammenwirken mit anderen Umlagen - praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

33

a) Vorab ist festzuhalten, dass der Einwand der Klägerin beachtlich ist. Der Beklagte muss bei der Bemessung der Kreisumlage die anderen Umlagepflichten der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Der Landesgesetzgeber stellt die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land; Instrumenten der Finanzzuweisungen zugunsten der Gemeinden (insbesondere Schlüsselzuweisungen) stehen gegenläufige Instrumente der Finanzabschöpfungen (insbesondere Umlagen) gegenüber. Insofern tritt die Kreisumlage neben andere Umlagen unter Gemeinden. Der Vertreter des Bundesinteresses weist zutreffend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber dieses System des Finanzausgleichs als Ganzes zu verantworten hat; er ist verpflichtet, eine angemessene Finanzausstattung, wenigstens aber die Mindestausstattung der Gemeinden im Gesamt seines Regelwerks zu gewährleisten. Dabei muss er diejenigen Vorgaben beachten, die vom Bundesgesetzgeber selbst und damit von einem vorrangigen Normgeber gesetzt werden. Deshalb muss er auch die Belastungen der Gemeinden aus der Gewerbesteuerumlage in Rechnung stellen.

34

Bei der nötigen Gesamtbetrachtung kann die Verbandsgemeindeumlage (§ 26 LFAG) nicht ausgeblendet werden. Sie dient zwar der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben und kommt der Klägerin - einer Ortsgemeinde - damit selbst zugute. Die Klägerin kann jedoch über ihre Mitgliedschaft in der Verbandsgemeinde nicht frei entscheiden und kann auch den Umfang der von dieser wahrgenommenen örtlichen Aufgaben nicht beeinflussen. Vielmehr werden die Verbandsgemeinden aus Gründen des Gemeinwohls gebildet (vgl. § 64 GemO) und nehmen bestimmte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgrund Gesetzes an Stelle der Ortsgemeinden wahr (§§ 67, 68 GemO). Insofern liegt die Sache anders als bei der Samtgemeindeumlage nach niedersächsischem Recht (vgl. Urteil vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161). Vor allem aber stünde eine "freie Spitze" nicht der Verbandsgemeinde, sondern unverändert der Ortsgemeinde zu, die auch nur selbst Inhaberin des verfassungsrechtlichen Aufgabenzugriffsrechts, also des Rechts ist, sich jeder "unbesetzten" öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft aus eigenem Willensentschluss anzunehmen.

35

b) Das Berufungsgericht ist auf den Einwand der Klägerin bislang nur unter Anlegung eines unzureichenden und teilweise fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstabs eingegangen. Es hat den Kreis nämlich von der Pflicht zur Beachtung der verfassungsgebotenen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden dispensiert und angenommen, die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie werde in jedem Fall erst dann verletzt, wenn der Kreis seine eigenen Interessen einseitig und willkürlich gegenüber den Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetze. Das wird den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht gerecht.

36

Der Schutz- und Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 (und 3) GG gilt zugunsten der Gemeinden auch in deren Verhältnis zum Kreis. Für "den kommunalen Raum", also das Gesamt von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, besteht kein abweichendes Sonderrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <150 f., 152>). Daraus folgt, dass der oben umschriebene "Kernbereich" der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch nicht zugunsten des jeweiligen Kreises angetastet werden darf. Das gilt für jedwede Finanzregelung, gleichgültig ob sie vom Land oder vom Kreis selbst erlassen wurde; weder darf eine Regelung des Landesgesetzgebers zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden führen, noch darf eine Regelung eines Kreises diese Wirkung haben. Damit wird auch der Kreisumlage eine absolute Grenze gezogen; ihre Erhebung darf nicht dazu führen, dass das absolute Minimum der Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten wird.

37

Demgegenüber will das Berufungsgericht die Kreise bei Erlass von Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage von der Pflicht zur Beachtung des "Kernbereichs" jedenfalls dann dispensieren, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert ist; die Regelungsbefugnis des Kreises sei auch in diesem Falle erst überschritten, wenn der Kreis seine Interessen willkürlich und rücksichtslos zulasten der Gemeinden verfolgt. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. So wenig wie das Land kann sich der Kreis von der Beachtung des "Kernbereichs" der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Hinweis auf seine eigene Haushaltslage dispensieren. Richtig ist, dass der Kreis - anders als das Land - regelmäßig nicht über eine nennenswerte Kompetenz zur Erschließung zusätzlicher Steuerquellen verfügt, um seine Finanznot zu lindern (dazu Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 115 f.). Das suspendiert indes nicht die Geltung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie. Ist die eigene Finanzausstattung des Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten; er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen. Darauf weist der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hin.

38

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Defiziten, da es einen Haupteinwand der Klägerin - die Kreisumlage entziehe ihr die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung - auf unzureichender Grundlage zurückgewiesen hat.

39

5. Der Senat kann über die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf Vorbringen des Beklagten eingegangen werden, was zusätzliche tatsächliche Feststellungen erfordert, die zudem landesrechtliche Würdigungen voraussetzen. Das ist dem Bundesverwaltungsgericht verschlossen; deshalb muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

40

a) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass im Zusammenwirken der Kreisumlage mit anderen Umlagen sämtliche Steuereinnahmen der Klägerin abgeschöpft würden und die Klägerin darüber hinaus noch zur Kreditaufnahme gezwungen werde, um ihre Umlageverpflichtungen zu erfüllen. Er meint, dass die Gewerbesteuerumlage nicht gesondert und zusätzlich zu berücksichtigen sei, weil sie bereits bei Festlegung der Nivellierungssätze als Höchstgrenze für die Umlagezahlungen Berücksichtigung finde. Ob das zutrifft, wird zu prüfen sein.

41

b) Zum anderen - und vor allem - behauptet der Beklagte, die Kumulation von Umlagepflichten habe für die Klägerin nur im Jahr 2009 zu einer derart hohen Belastung geführt. Die Erhebungsmethode habe in diesem Jahr zu einem überdurchschnittlich hohen Umlagebetrag geführt, dem jedoch im Folgejahr ein entsprechend niedrigerer Betrag gefolgt sei. Auch dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie wird nicht schon dann verletzt, wenn die Finanzausstattung einer Gemeinde nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minimum zurückbleibt; zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung. Der Kernbereich der Garantie ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein hessischer Landkreis, wendet sich gegen eine kommunalaufsichtliche Anweisung des beklagten Landes, für das Haushaltsjahr 2010 den Hebesatz für die Kreisumlage zu erhöhen.

2

Der Kreistag des Klägers beschloss am 11. Dezember 2009 in der Haushaltssatzung für das Jahr 2010 einen Hebesatz für die Kreisumlage in Höhe von 32,5 %. Die vom Kläger in einer Bürgermeisterversammlung angehörten Gemeinden hatten sich gegen eine Erhöhung des Kreisumlagesatzes gewandt. Zusammen mit der Schulumlage von 22,5 % ergab sich danach eine Umlageverpflichtung der kreisangehörigen Gemeinden gegenüber dem Kreis von insgesamt 55 %.

3

Mit Bescheid vom 15. April 2010 genehmigte die Kommunalaufsicht des Beklagten die Haushaltssatzung unter der aufschiebenden Bedingung einer Erhöhung des Hebesatzes für die Kreis- und Schulumlage um 3 % auf insgesamt 58 %. Andernfalls werde der Beklagte den Kläger entsprechend aufsichtlich anweisen. Zur Begründung verwies der Beklagte auf das Haushaltsdefizit des Klägers in Höhe von 34 Mio. €, das größte Defizit unter den hessischen Landkreisen. Von einer Kreisumlageerhöhung könne allerdings in dem Umfang, in dem der Kläger die veranschlagten ordentlichen Aufwendungen noch reduziere, abgesehen werden.

4

Eine Erhöhung der Umlage lehnte der Kreistag jedoch ab, weil der Kreishaushalt nicht zu Lasten der Gemeinden saniert werden solle, während das Land sich aus der Aufgabenfinanzierung des Kreises zurückziehe. Es sei beabsichtigt, gegen eine kommunalaufsichtliche Anweisung Klage zu erheben.

5

Daraufhin wies der Beklagte den Kläger mit kommunalaufsichtlicher Verfügung vom 9. Juli 2010 an, die Kreisumlage bis zum 30. Juli 2010 auf 35,5 % festzusetzen, ordnete die sofortige Vollziehung der Anweisung an und drohte die Ersatzvornahme an. Der Kläger verletze seine Pflicht zum Haushaltsausgleich aus § 92 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Er sei nach § 37 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG-HE) verpflichtet, eine Kreisumlage zu erheben, soweit die sonstigen Einnahmen zum Haushaltsausgleich nicht ausreichten. Bereits für das Haushaltsjahr 2009 sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass eine Erhöhung der Kreisumlage angesichts seiner defizitären Situation unumgänglich sei. Nach der Konsolidierungsleitlinie des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport liege die Obergrenze für einen Gesamthebesatz aus Kreis- und Schulumlage mit Rücksicht auf die Gemeinden bei 58 %. Bis zu dieser Grenze halte der Beklagte die Kreise zur Hebung ihres Umlagesatzes an. Die Gemeinden könnten zum Ausgleich unverschuldeter Rechnungsfehlbeträge beim Land Finanzhilfen aus dem Landesausgleichsstock beantragen.

6

Nachdem der Kläger der Anweisung nicht nachkam, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 2. August 2010 im Wege der Ersatzvornahme den Hebesatz für die Kreisumlage auf 35,5 % fest. Der Kläger erließ auf dieser Grundlage Umlagebescheide. Hiergegen legten sämtliche kreisangehörigen Gemeinden Widerspruch ein.

7

Der Kläger hat am 14. Juli 2010 Klage gegen die Anweisungsverfügung vom 9. Juli 2010 erhoben. Mit Urteil vom 14. Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben, soweit der Kläger darin zur Festsetzung des Kreisumlagesatzes auf 35,5 % angewiesen worden war. Den ursprünglich weiteren Antrag auf Rückgängigmachung der Vollziehung der Anweisungsverfügung hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommen; insoweit hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Kommunalaufsicht könne eine rechtswidrige Haushaltssatzung lediglich beanstanden. Eine Anweisung zu konkreten Maßnahmen in Bezug auf einen Haushaltsausgleich greife in unzulässiger Weise in den Gestaltungsspielraum des Kreises sein.

8

Mit Berufungsurteil vom 14. Februar 2013 hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Für den Beklagten habe kommunalaufsichtlicher Handlungsbedarf bestanden, nachdem der Kläger seine Pflicht zum Haushaltsausgleich wiederholt nicht beachtet habe. Der Kläger sei in seiner anhaltenden defizitären Situation nach § 92 Abs. 3 HGO i.V.m. § 37 FAG-HE zur Erhebung der Kreisumlage mindestens in der angewiesenen Höhe verpflichtet gewesen. Zuweisungen aus dem Landeshaushaltsstock habe er nicht beantragt. Er habe daher den unter Berücksichtigung der Belange der zahlungspflichtigen Gemeinden höchstmöglichen Hebesatz festsetzen müssen. Die Grenze, welche sowohl den Finanzbedarf des Klägers als auch die Leistungsfähigkeit der zahlungspflichtigen Städte und Gemeinden berücksichtige, liege nach den Berechnungen des Beklagten bei 58 %. Diesen der Konsolidierungsleitlinie des Innenministeriums entnommenen Erfahrungswert habe der Beklagte seiner Anweisung zugrunde legen dürfen. Die genannte, auch für die übrigen Landkreise geltende Obergrenze habe auch der Kläger inzwischen im Rahmen der Verhandlungen über Entschuldungshilfen nach dem hessischen Schutzschirmgesetz akzeptiert. Die kommunalaufsichtliche Anweisung sei jedenfalls zur Verringerung des Defizits des Klägers geeignet, auch wenn sie nicht zum Ausgleich des gesamten Haushaltsdefizits führe. Sie sei mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Selbstverwaltung des Klägers vereinbar. Der Beklagte habe über längere Zeit letztlich erfolglose Verhandlungen mit dem Kläger über eine Ausgabenreduzierung und Einnahmeerhöhung geführt. Der Kläger habe sich nicht einmal an sein eigenes Haushaltskonsolidierungskonzept gehalten. Die Kommunalaufsicht habe ihre Maßnahme nicht auf eine Beanstandung der Haushaltssatzung beschränken müssen. Nach den Vorberatungen sei deutlich gewesen, dass mit einer Beanstandung keine Erhöhung des Hebesatzes und damit keine Verringerung des Defizits hätte erreicht werden können. Außerdem wäre sie mit den Nachteilen einer vorläufigen Haushaltsführung verbunden gewesen, welche nicht für einen längerfristigen Einsatz gedacht sei. Die Verhältnismäßigkeit der Anweisung werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Land möglicherweise seine Finanzierungspflichten gegenüber dem Kläger verletzt habe. Diese seien nicht Gegenstand des Verfahrens.

9

Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsurteil verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 28 Abs. 2 GG. Er habe gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf finanzielle Ausstattung zur Erledigung der eigenen und der ihm übertragenen Aufgaben. Seine Haushaltsnotlage sei nicht durch eine eigene Pflichtverletzung herbeigeführt worden. Der Verstoß gegen die Pflicht, ihn auskömmlich auszustatten, liege vielmehr in der Sphäre des Beklagten. Demgegenüber trügen die Gemeinden keine Verantwortung für seine Finanznot. Der in der angefochtenen Anweisung vorgesehene Kreisumlagesatz sei willkürlich und unverhältnismäßig. Die konkreten Verhältnisse im Landkreis seien nicht geprüft worden. Die Anweisungsverfügung greife in sein Recht auf eigenverantwortliche Festlegung des Hebesatzes ein. Seine Entscheidung, den Hebesatz bei insgesamt 55 % zu belassen, sei mit Rücksicht auf die finanzielle Situation der kreisangehörigen Gemeinden getroffen worden.

10

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Februar 2013 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 14. Februar 2012 zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Er ist der Auffassung, das Selbstverwaltungsrecht des Klägers werde durch die Verpflichtung zum Haushaltsausgleich begrenzt. Bei Vorliegen der landesrechtlichen Voraussetzungen bestehe unabhängig von den Ursachen des Haushaltsdefizits eine Rechtspflicht zur Erhöhung der Kreisumlage. Eine mangelhafte Ausstattung des Klägers durch das Land sei weder in tatsächlicher Hinsicht belegt, noch folge sie aus der zwischenzeitlichen Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 - (NVwZ 2013, 1151). Die von ihm, dem Beklagten, angesetzte Obergrenze für eine Kreisumlage in Höhe von 58 % stelle einen hinreichenden finanziellen Spielraum für die umlagepflichtigen Gemeinden sicher. Für fast alle kreisangehörigen Gemeinden habe sich im Jahr 2010 auch nach diesem Hebesatz eine geringere Umlagehöhe ergeben als im Vorjahr. Zum Zeitpunkt der Anweisung sei nicht bekannt gewesen, dass die finanzielle Situation der kreisangehörigen Gemeinden vergleichbar schlecht wie diejenige des Klägers gewesen sei. Der Beklagte habe seine Finanzaufsicht über den Kläger in ermessensfehlerfreier Weise im Rahmen des bestehenden Systems des kommunalen Finanzausgleichs ausgeübt.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses verweist darauf, dass die Verpflichtung des Kreises zum Haushaltsausgleich durch das Recht der Gemeinden auf finanzielle Mindestausstattung begrenzt sei. Auch den Kreisen komme ein Recht auf Mindestausstattung gegenüber dem Land zu.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angegriffene Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

15

1. Das Berufungsgericht ist konkludent von der Zulässigkeit der Klage und damit auch von einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die Anfechtung der Anweisungsverfügung des Beklagten vom 9. Juli 2010 ausgegangen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den Verwaltungsakt der kommunalaufsichtlichen Anweisungsverfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1964 - 8 C 29.63 - BVerwGE 19, 121 <123>) auch nach Ablauf des Haushaltsjahres 2010 im Hinblick auf die Einschränkung seines Selbstverwaltungsrechts beschwert und sieht sich den Widersprüchen der kreisangehörigen Gemeinden gegen die vom Beklagten verlangte und mit dessen nachfolgender Ersatzvornahme vom 2. August 2010 umgesetzte Erhöhung der Kreisumlage ausgesetzt. Dass der Kläger nicht auch gegen die kommunalaufsichtliche Ersatzvornahme vorgegangen ist, ändert nichts. Ob eine kommunalrechtliche Ersatzvornahme ein der Bestandskraft fähiger eigenständiger Grundverwaltungsakt oder eine Maßnahme des Vollstreckungsrechts ist, bestimmt sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Normen der Gemeindeordnung (vgl. dazu Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 1167, 1169). Die hier im Berufungsurteil konkludent getroffene Bewertung, dass es für die Zulässigkeit der gegen die Anweisungsverfügung gerichteten Klage einer Anfechtung auch der Ersatzvornahme nicht bedurfte, unterliegt daher nicht der revisionsgerichtlichen Prüfung. Im Übrigen wäre ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers jedenfalls dadurch gegeben, dass er im Falle eines Obsiegens im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Rücknahme der Ersatzvornahme des Beklagten vom 2. August 2010 geltend machen könnte.

16

2. Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Berufungsgericht die Klage in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils als unbegründet abgewiesen. Prüfungsmaßstab ist insofern allein die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung des Klägers aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 Halbs. 1 GG. Die revisionsgerichtliche Überprüfung muss von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO; BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <91 f.>). Bundesrecht kann allerdings eine verfassungskonforme Auslegung der irrevisiblen landesrechtlichen Normen durch das Revisionsgericht gebieten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 C 6.13 - juris Rn. 11).

17

Die angegriffene Verfügung greift in die kommunale Finanzhoheit des Klägers als Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ein, welche die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens beinhaltet (BVerfG, Beschlüsse vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 <369> und vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181>; Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 <117>; Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808/82, 2 BvR 1809/82, 2 BvR 1810/82 - BVerfGE 71, 25 <36>). Die für Kreise als Gemeindeverbände und für Gemeinden gleichermaßen geltende Gewährleistung der finanziellen Eigenverantwortung ist notwendiges Korrelat der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung; sie ist durch die Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 GG um Satz 3, wonach die Gewährleistung der Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst, klarstellend verstärkt worden (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <160>; BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <94 f.> und vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 11). Zu den von der Finanzautonomie des Kreises umfassten Entscheidungen gehört auch die Festsetzung der Höhe der landesrechtlich vorgesehenen Kreisumlage.

18

Die den Gemeindeverbänden gewährleistete Garantie der kommunalen Selbstverwaltung kann allerdings vom Gesetzgeber ausgestaltet und beschränkt werden. Unter den in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG normierten Gesetzesvorbehalt fallen auch landesrechtliche Regelungen über die staatliche Kommunalaufsicht, wie sie hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in § 54 Abs. 1 der Hessischen Landeskreisordnung (HKO) i.V.m. §§ 135 ff. HGO bestehen. Die staatliche Rechtsaufsicht über die Kreise ist wie bei den Gemeinden ein verfassungsrechtlich gebotenes Korrelat der kommunalen Selbstverwaltung (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 602/83, 2 BvR 974/83 - BVerfGE 78, 331 <341>; BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1964 - 8 C 29.63 - BVerwGE 19, 121 <122 f.> und vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <97>). Bei der Erhebung der Kreisumlage besteht im Hinblick auf die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG lediglich eine staatliche Rechts-, aber keine Fachaufsicht. Dies sieht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch Art. 137 Abs. 3 der Hessischen Verfassung (HV) vor.

19

3. Die Voraussetzung für ein kommunalaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegenüber dem Kläger im Wege einer Anweisung nach § 54 HKO i.V.m. § 139 HGO, die Verletzung einer dem Kläger obliegenden Verpflichtung, war hier gegeben.

20

a) aa) Das Berufungsgericht hat den landesrechtlichen Normen des § 52 Abs. 1 HKO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 HGO eine Pflicht des Klägers zum Haushaltsausgleich entnommen, von der nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfe. Lasse die Haushaltsnotlage eines kommunalen Aufgabenträgers einen vollständigen Ausgleich trotz äußerster Sparsamkeit und Ausschöpfung aller Einnahmequellen nicht zu, so bestehe jedenfalls eine Pflicht, das Haushaltsdefizit so gering wie möglich zu halten.

21

Diese Auslegung des Landesrechts ist mit der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar (vgl. dazu bereits BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <98>). Die landesrechtliche Verpflichtung, einen Haushaltsausgleich herbeizuführen, jedenfalls aber sich ihm so weit wie möglich anzunähern, sichert den Gestaltungsspielraum des Trägers der kommunalen Selbstverwaltung in der Zukunft. Sie schränkt zwar den gegenwärtigen Entscheidungsspielraum der Kommune ein, kommt jedoch dem langfristigen Erhalt ihrer Handlungsmöglichkeiten zugute und dient damit der Gewährleistung der in Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Autonomie. Auf welchem Wege das Ziel des Haushaltsausgleichs erreicht wird, liegt dabei - soweit unterschiedliche Konsolidierungsmaßnahmen in Betracht kommen - in der Gestaltungsfreiheit des kommunalen Trägers. Lässt die gegenwärtige Haushaltsnotlage einen vollständigen Haushaltsausgleich nicht zu, ist auch eine Pflicht zur Defizitminimierung bei Wahrung eines vorhandenen Gestaltungsspielraumes des Trägers der kommunalen Selbstverwaltung mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar.

22

Keiner Erörterung bedarf, ob auch die Verpflichtungen von Bund und Ländern aus den verfassungsrechtlichen Regelungen zur Haushaltsdisziplin (sog. Schuldenbremse, vgl. Art. 109 Abs. 3 GG) sowie ihre unionsrechtlich begründeten Stabilitätsverpflichtungen (Art. 126 Abs. 2 AEUV, Art. 109 Abs. 2 GG) auf die Rechtsposition der in Art. 109 Abs. 3 GG nicht ausdrücklich genannten Träger der kommunalen Selbstverwaltung einwirken (kritisch hierzu Waldhoff, Rechtsfragen der Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, Rechtsgutachten für den Landtag Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2015, LT-Information 16/249, S. 37 ff.). Auf die rechtlichen Folgen der Schuldenbremse für das Verhältnis zwischen dem Kreis und dem Land kommt es hier schon deswegen nicht an, weil das Haushaltsjahr 2010 noch nicht vom zeitlichen Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse erfasst wird (vgl. Art. 143 d Abs. 1 GG).

23

bb) Der Kläger hat seine aus § 52 Abs. 1 HKO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 HGO folgende Pflicht zur Aufstellung eines für das Jahr 2010 ausgeglichenen Haushalts verletzt. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Tatsachengerichts war für jenes Haushaltsjahr nach dem vom Kreistag beschlossenen Haushalt ein Defizit von 34 Mio. € zu erwarten. Infolge dessen hätte die Bilanz für 2010 sogar ein negatives Eigenkapital erreicht.

24

Die berufungsgerichtliche Annahme einer Pflichtverletzung ist revisionsrechtlich nicht schon deshalb zu beanstanden, weil dem Kläger ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung trotz aller Anstrengungen nicht möglich gewesen wäre. Neben der vom Beklagten verfügten Erhöhung der Kreisumlage waren im Verlaufe der Verhandlungen der Beteiligten auch Einsparmöglichkeiten auf der Ausgabenseite des klägerischen Haushaltes genannt worden, deren Anrechnung auf die Erhöhung des Kreisumlagesatzes der Beklagte in seiner aufschiebend bedingten Haushaltsgenehmigung zunächst zugestanden hatte. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass er noch Ausgabenkürzungen hätte beschließen können. Sein Vortrag, er nehme zu 99 % Pflichtaufgaben wahr, schließt nicht aus, dass er die ihm übertragenen Aufgaben im Einzelnen noch sparsamer hätte erledigen können. Unabhängig davon, welches Ausmaß an Einsparungen dabei erreichbar gewesen wäre, war der Kläger jedenfalls im Umfang der ihm möglichen Sparmaßnahmen und Umlageerhöhung landesrechtlich zur Annäherung an einen Haushaltsausgleich verpflichtet.

25

Seiner gesetzlichen Pflicht zur Minimierung des Haushaltsdefizits kann sich der klagende Kreis auch nicht durch Verweis auf eine seiner Auffassung nach unzureichende Finanzierung durch das beklagte Land entziehen. Solange es ihm möglich ist, Maßnahmen zur Haushaltssanierung zu ergreifen, ist es aus Sicht der Garantie der Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden, wenn er landesrechtlich zu entsprechendem Handeln verpflichtet ist. Hiervon ist die Frage zu trennen, ob eine kommunalaufsichtliche Verfügung zur Verringerung des Haushaltsdefizits verhältnismäßig ist, wenn das Land als Träger der Kommunalaufsicht wegen unzureichender Finanzierung eine Mitverantwortung am Haushaltsnotstand des Kreises trägt (dazu unten 6.).

26

b) aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus den landesrechtlichen Vorschriften der § 53 Abs. 2 HKO und § 37 FAG-HE über die Erhebung der Kreisumlage wegen der anhaltenden Haushaltsnotlage des Klägers dessen Verpflichtung entnommen, den Kreisumlagesatz auf das unter Berücksichtigung der Belange der kreisangehörigen Gemeinden Höchstmögliche festzusetzen. Auch hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

27

Nach § 53 Abs. 2 HKO kann der Landkreis, soweit seine sonstigen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen, um seinen Bedarf zu decken, nach den hierfür geltenden Vorschriften eine Kreisumlage von den kreisangehörigen Gemeinden erheben. § 37 Abs. 1 FAG-HE sieht eine Verpflichtung der Landkreise zur Erhebung einer Kreisumlage von ihren Gemeinden vor, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen der Landkreise und die Leistungen nach dem Finanzausgleichsgesetz zum Ausgleich des Haushalts und zum Ausgleich von Fehlbeträgen aus Vorjahren nicht ausreichen. Das Berufungsurteil sieht in § 37 Abs. 1 FAG-HE eine Vorschrift, welche die Ermächtigung zur Umlageverpflichtung nach § 53 Abs. 2 HKO ausfüllt und wegen der defizitären Haushaltssituation des Klägers zu einer Rechtspflicht verdichtet, die Grenze des bei Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden Möglichen auszuschöpfen.

28

Diese Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften steht mit den Grundsätzen in Einklang, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden bei der Erhebung der Kreisumlage entwickelt hat. Hiernach darf der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen. Dies folgt aus dem in Art. 28 Abs. 2 GG angelegten Grundsatz des Gleichrangs des Finanzbedarfes eines jeden Verwaltungsträgers im kreiskommunalen Raum. Neben dem Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden, dem Verbot der Einebnung von Steuerkraftunterschieden zwischen den Gemeinden und der Achtung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit hat der umlageerhebende Kreis auch zu gewährleisten, dass die durch Art. 28 Abs. 2 GG gebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden nicht unterschritten wird. Die Garantie des Kerngehalts der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden zieht der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze dort, wo sie zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden führen und ihnen dadurch die Möglichkeit zu einem eigenständigen und eigenverantwortlichen Handeln nehmen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 <380 ff., 391>). Die eigene finanzielle Notlage stellt den Kreis nicht von der Pflicht zur Beachtung des Kernbereichs der gemeindlichen Selbstverwaltung frei. Vielmehr muss sich der Kreis bei unzureichender eigener Finanzausstattung seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten und kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O. Rn. 37).

29

Die Grenze für den höchstmöglichen Kreisumlagesatz, den der finanziell notleidende Kreis nach § 37 Abs. 1 FAG-HE festzusetzen hat, liegt nach dem Berufungsurteil dort, wo die Leistungsfähigkeit der zahlungspflichtigen Gemeinden endet. Diese Auslegung der nur beschränkt revisionsgerichtlich zu überprüfenden landesrechtlichen Norm trägt dem Schutz der finanziellen Mindestausstattung der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG hinreichend Rechnung.

30

bb) Nach den tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils hätte der Kläger den Kreisumlagesatz für das Haushaltsjahr 2010 weit über die Grenze des den zahlungspflichtigen Gemeinden Zumutbaren hinaus bei ca. 70 % festsetzen müssen, um zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Angesichts der Größenordnung seines Defizits musste er aufgrund des dargestellten Landesrechts den höchstmöglichen Kreisumlagesatz unabhängig davon ausschöpfen, ob auch auf der Ausgabenseite des Haushaltes noch Einsparungen möglich waren. Es begegnet daher aus Sicht des Bundesrechts keinen Bedenken, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger bei der Entscheidung über den konkreten Kreisumlagesatz abverlangt hat, seine Kräfte zur Sanierung des notleidenden Haushalts bis zur Grenze des ihm rechtlich Möglichen anzuspannen.

31

Das Berufungsurteil stellt ausdrücklich fest, dass die Grenze des unter Berücksichtigung der Belange der zahlungspflichtigen Gemeinden Möglichen nach den Berechnungen des Beklagten bei insgesamt 58 % der Bemessungsgrundlagen einschließlich einer Kreisumlage von 35,5 % lag und dass dieser Hebesatz den Finanzbedarf des Klägers wie auch die Leistungsfähigkeit der zahlungspflichtigen Städte und Gemeinden berücksichtigte. Gegen diese tatsächlichen Feststellungen ist der Kläger nicht mit revisionsrechtlichen Verfahrensrügen vorgegangen. Er hat auch in der Sache nicht geltend gemacht, mit der vom Beklagten angewiesenen Höhe der Kreisumlage werde die Leistungsfähigkeit aller oder einzelner kreisangehöriger Gemeinden überschritten. Nach dem von den Tatsacheninstanzen ermittelten Ablauf des kommunalaufsichtlichen Verfahrens wie auch nach eigenem Vortrag hat der Kläger die finanzielle Belastbarkeit der betroffenen Gemeinden im Übrigen selbst nicht konkret ermittelt, sondern sich auf Angaben in einer Bürgermeisterversammlung gestützt, wonach die Gemeinden bei einer Anhebung des Umlagesatzes in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.

32

4. Lagen nach alldem die Voraussetzungen für ein aufsichtliches Einschreiten vor, so war der Beklagte nicht auf das Aufsichtsmittel einer Beanstandung nach § 54 HKO i.V.m. § 138 HGO beschränkt, sondern durfte dem Kläger durch eine Anweisung nach § 54 HKO i.V.m. § 139 HGO eine Erhöhung des Kreisumlagesatzes um 3 % vorgeben.

33

Nach § 54 HKO i.V.m. § 138 HGO (Beanstandung) kann die Aufsichtsbehörde Beschlüsse und Anordnungen des Kreises, die das Recht verletzen, aufheben, während sie den Kreis nach § 54 HKO i.V.m. § 139 HGO bei Vorliegen einer Pflicht- oder Aufgabenverletzung anweisen kann, innerhalb einer bestimmten Frist das Erforderliche zu veranlassen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass eine reine Beanstandung des Beschlusses des Kreistages über den Kreisumlagesatz nicht geeignet gewesen wäre, um eine Verringerung des Defizits des Klägers zu gewährleisten. Dagegen lässt sich nichts erinnern.

34

a) Die Kommunalaufsicht darf allerdings nicht im Wege einer "Einmischungsaufsicht" in Entscheidungsspielräume eindringen, die sich den kommunalen Aufgabenträgern eröffnen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 602/83, 974/83 - BVerfGE 78, 331 <341, 343>). Einnahmen- wie ausgabenseitig Maßnahmen zum Haushaltsausgleich zu ergreifen, ist Aufgabe der Entscheidungsgremien des kommunalen Aufgabenträgers. Innerhalb eines bestehenden Gestaltungsspielraums ist es der Kommunalaufsicht untersagt, der Kommune bestimmte Maßnahmen alternativlos vorzuschreiben. Auf der Ausgabenseite ist die Aufsichtsbehörde grundsätzlich darauf beschränkt, eine Reduzierung der Mittel für freiwillige Leistungen insgesamt anzumahnen, ohne konkrete Mittel oder einzelne Ansätze vorzuschreiben. Entsprechendes muss für die Einnahmenseite gelten (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 Rn. 24 f.).

35

Erfüllt der kommunale Aufgabenträger seine Pflichten nicht, ist die Aufsichtsbehörde freilich nach sachgerechter Ausübung ihres Entschließungs- und Auswahlermessens zur Beanstandung und Aufhebung einer pflichtwidrigen Maßnahme befugt (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 Rn. 26). Besteht zudem in Anbetracht der haushaltswirtschaftlichen Beschlüsse des kommunalen Aufgabenträgers und des unmittelbar bevorstehenden zeitlichen Auslaufens einer realisierbaren Handlungsmöglichkeit, um der Rechtswidrigkeit des kommunalen Handelns abzuhelfen, keine Auswahl alternativ zu ergreifender verschiedener Maßnahmen mehr, darf die Aufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht auch weitergehend in die Selbstverwaltung der Kommune eingreifen und ihr aufgeben, in welcher Weise sie einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen hat. Dabei hat sie die schonendste, am wenigsten in die Gestaltungsautonomie des kommunalen Aufgabenträgers eingreifende Maßnahme zu wählen.

36

b) Nach diesem Maßstab ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger zu einer Erhöhung des Kreisumlagesatzes angewiesen hat. Er hat damit eine effektive Aufsichtsmaßnahme gewählt, ohne durch Vorgaben zu konkreten Haushaltseinsparungen noch weitergehend in den kommunalpolitischen Gestaltungsspielraum des Klägers einzugreifen. Hinzu kommt, dass eine Kreisumlageerhöhung nach § 37 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 FAG-HE nur noch bis zum 31. August des Haushaltsjahres 2010 zulässig war. Angesichts des drohenden Auslaufens des Zeitraumes für diese Haushaltsmaßnahme war die Aufsichtsbehörde unabhängig davon, ob eine Fortführung der vorläufigen Haushaltsführung nach § 52 HKO i.V.m. § 99 HGO rechtlich möglich und haushaltswirtschaftlich geeignet gewesen wäre, nicht gehalten, sich auf rein kassatorische aufsichtliche Maßnahmen gegenüber dem Kläger zu beschränken. Sie musste im Rahmen des nach Art. 28 Abs. 2 GG Zulässigen ein möglichst effektives Aufsichtsmittel wählen und mit Blick auf den herannahenden Zeitpunkt des § 37 Abs. 5 FAG-HE auch berücksichtigen, dass zur rechtswirksamen Umsetzung eines Haushaltskonsolidierungsbeitrages noch Zeit für eine Ersatzvornahme bleiben musste. Dies schränkte den Spielraum des Beklagten, dem klagenden Kreis erneut Gelegenheit zu eigenem gestalterischen Handeln zu geben, zusätzlich ein. Der Beklagte musste nach den über mehrere Monate geführten erfolglosen Verhandlungen mit dem Kläger und dessen ausdrücklichen Bekundungen außerdem davon ausgehen, dass der Kreistag weder eine Erhöhung des Umlagesatzes noch Einsparmaßnahmen in gleich wirksamer Höhe erlassen würde.

37

Der Beklagte war in diesem Stadium des Aufsichtsverfahrens auch nicht verpflichtet, in seiner Anweisung eine Möglichkeit der Anrechnung von Einsparmaßnahmen, welche der Kreistag etwa noch hätte fassen können, auf den Umfang der Kreisumlageerhöhung vorzusehen. Zwar hatte er noch in seiner aufschiebend bedingten Genehmigung der Haushaltssatzung eine solche Anrechnung in Aussicht gestellt und dadurch besondere Rücksicht auf den zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Gestaltungsspielraum des Kreises genommen. Er war aber nicht verpflichtet, nach fruchtlosem Ablauf der in der Genehmigung gesetzten Frist beim Erlass seiner kommunalaufsichtlichen Anweisung dasselbe, dem Kreis entgegenkommende Aufsichtskonzept beizubehalten. Um einen spürbaren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung des Klägers zu erzielen, war die angewiesene Umlageerhöhung unabhängig von etwaigen zusätzlichen Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite erforderlich. Es war nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen deutlich, dass eine dreiprozentige Hebesatzerhöhung angesichts der Größenordnung des klägerischen Haushaltsdefizits für sich genommen bei weitem nicht zu einem Haushaltsausgleich führen, gleichwohl in jedem Falle einen greifbaren Beitrag zur Defizitminimierung darstellen würde. Eine Anrechnungsmöglichkeit für Einsparungen auf die Umlageerhöhung wäre zudem in der Kürze der bis Ende August 2010 verbleibenden Zeit kaum mehr praktikabel gewesen, weil sich die Aufsichtsbehörde vor einer Reduzierung der angewiesenen Umlageerhöhung hätte vergewissern müssen, dass angebotene Einsparmaßnahmen tatsächlich umsetzbar waren.

38

Nimmt man den gesamten Verlauf des kommunalaufsichtlichen Einwirkens des Beklagten auf den Kläger für das Haushaltsjahr 2010 in den Blick, dann ist dem Kläger nicht alternativlos eine einzelne Konsolidierungsmaßnahme vorgegeben worden. Vielmehr hat die Aufsichtsbehörde ihm Gelegenheit zu eigenen Gestaltungsentscheidungen gegeben, bevor sie ihre Verfügung auf eine effektive Maßnahme konzentriert hat, die nach dem 31. August nicht mehr hätte getroffen werden können. Damit hat sie sich im Interesse der langfristigen Sanierung der Kreisfinanzen im Rahmen einer zulässigen Kommunalaufsicht gehalten.

39

5. a) Auch die in der angefochtenen Verfügung angewiesene Höhe des Hebesatzes für die Kreisumlage begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Zwar kommt es für die Frage, ob eine dem Finanzbedarf des Kreises dienende Kreisumlageerhöhung hinreichend Rücksicht auf den Finanzbedarf der Gemeinden nimmt, auf die Verhältnisse der konkreten kreisangehörigen und umlagepflichtigen Gemeinden an (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 14). Dem wird ein landesweit angelegter rechnerischer Maßstab, wie ihn hier der Beklagte und das Berufungsgericht der hessischen Konsolidierungsleitlinie entnommen haben, nicht ohne Weiteres gerecht. Wie oben ausgeführt, hat der Kläger jedoch keine Verfahrensrügen gegen die Feststellung in dem Berufungsurteil erhoben, dass eine Umlageverpflichtung in der angewiesenen Höhe die hier konkret zu betrachtenden kreisangehörigen Gemeinden nicht über Gebühr in Anspruch nahm. Revisionsgerichtlich ist daher davon auszugehen, dass der vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport für die Kommunalaufsicht vorgegebene Orientierungswert einer Umlagehöhe von insgesamt 58 % im Haushaltsjahr 2010 nicht in die von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete finanzielle Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden eingriff.

40

b) Der Beklagte hat nach dem revisionsrechtlich bindend festgestellten Sachverhalt auch nicht seine Ermittlungspflichten verletzt, die ihm bei der Wahrnehmung seiner kommunalaufsichtlichen Befugnisse oblagen, um eine gegenüber den kreisangehörigen Gemeinden hinreichend rücksichtsvolle Erhöhung des Hebesatzes zu gewährleisten. Auch insoweit hat der Kläger keine Verfahrensrügen gegenüber den berufungsgerichtlichen Feststellungen erhoben, dass der Rückgriff auf den landesweiten Erfahrungswert - der wohl eher einen verwaltungsinternen Orientierungswert darstellte - den Verhältnissen im klägerischen Landkreis angemessen war und dieser Wert vom Kläger inzwischen akzeptiert werde.

41

Legt der Kreis selbst den Kreisumlagesatz fest, so ist er verpflichtet, den eigenen Finanzbedarf und denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form offen zu legen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 14). Dafür wäre es nicht ausreichend, wenn sich der Kreis allein auf einen landesweiten Orientierungswert stützen würde. Der kreiseigene Finanzbedarf wird von diesem konkret ermittelt. Für den gleichrangigen Bedarf der umlagepflichtigen Gemeinden kann nichts anderes gelten.

42

Weist die Kommunalaufsicht den Kreis zu einer konkret bemessenen Umlageerhöhung an und hat der Kreis bislang keine hinreichenden eigenen Ermittlungen zum Finanzbedarf aller betroffenen kommunalen Träger durchgeführt, dann muss sie ihrerseits gewährleisten, dass der angewiesene Umlagesatz auf ausreichende Feststellungen gestützt werden kann. Sie darf den Kreis nicht zu einer rechtswidrigen Maßnahme anhalten, sondern hat allein auf die Einhaltung seiner Verpflichtungen hinzuwirken. Kommt der Kreis der Anweisung nicht nach und muss diese im Wege der kommunalrechtlichen Ersatzvornahme umgesetzt werden, dann wirkt die getroffene Maßnahme für und gegen den Kreis, als wenn dieser sie selbst getroffen hätte (vgl. Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 1162 f.). Der Kreis sieht sich möglicherweise Rechtsmitteln der umlagebelasteten Gemeinden gegen die von der Kommunalaufsicht verfügte Erhöhung des Hebesatzes ausgesetzt. Die Aufsichtsbehörde muss daher sicherstellen, dass die Maßnahme einer gerichtlichen Überprüfung anhand der für den Kreis geltenden rechtlichen Anforderungen standhält. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Aufsichtsbehörde die zur Festlegung des Umlagesatzes erforderlichen Ermittlungen angesichts ihrer eingeschränkteren praktischen Handlungsmöglichkeiten anders führt als der Kreis bei eigenem Handeln. Soweit die Kommunalaufsicht in einem ersten Schritt von einem landesweiten Richtwert für eine maximale Umlagehöhe ausgeht, so ist es Sache des Kreises, im Rahmen der gebotenen Anhörung vor einer rechtswirksamen Verfügung zur Festsetzung des Hebesatzes konkret darzutun, dass die Grenze der Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden mit diesem Wert überschritten wäre. Dies hat der Kläger hier jedoch weder im kommunalaufsichtlichen Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor den Tatsachengerichten geltend gemacht.

43

6. Die angegriffene Anweisungsverfügung greift schließlich nicht unverhältnismäßig in die Finanzhoheit des Klägers ein.

44

Die Auswahl des aufsichtlichen Mittels ist nicht zu beanstanden. Sie war darauf gerichtet und geeignet, dem Kläger zur Sicherung seiner künftigen Gestaltungsfreiheit Mehreinnahmen zu verschaffen. Weniger intensiv in die Finanzhoheit des Klägers eingreifende und dabei gleich geeignete Maßnahmen standen nicht zur Verfügung.

45

Die Maßnahme war auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Hierzu hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Anweisungsverfügung werde durch eine etwaige unzureichende Finanzausstattung des Klägers nicht in Frage gestellt. Das Berufungsgericht hat eine solche Minderausstattung seitens des beklagten Landes im Hinblick auf Art. 137 Abs. 5 HV und § 28 Abs. 2 FAG-HE zwar für möglich gehalten, hat hierzu aber - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.

46

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob auch den Gemeindeverbänden entsprechend ihrer aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Garantie eines Mindestaufgabenbestandes (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <352>) wie den Gemeinden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 <379>) ein Recht auf aufgabenadäquate finanzielle Ausstattung sowie auf eine abwägungsfeste finanzielle Mindestausstattung im "Kernbereich" ihrer Selbstverwaltungsgarantie zukommt (offen gelassen auch in: BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <386>; Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <361>). Denn der Kläger hat nicht alle Möglichkeiten genutzt, auf Grundlage bestehenden Landesrechts zusätzliche Finanzmittel beim Land zu erwirken (a). Zudem würde sich ein Anspruch auf (ergänzende) Finanzierung zur Gewährleistung der angemessenen Ausstattung des Kreises an den Landesgesetzgeber richten. Er würde jedoch nicht die Kommunalaufsicht als Exekutivbehörde in die Lage versetzen, von Maßnahmen abzusehen, deren es nach geltendem Gesetzesrecht zur Sicherung rechtmäßigenden Handelns der Kreise bedarf (b).

47

a) Wie das Berufungsgericht angemerkt hat, könnten sich weitere Finanzierungspflichten des Landes gegenüber dem Kläger für das hier relevante Haushaltsjahr 2010 bereits aus der bestehenden einfachgesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 FAG-HE ergeben haben. Diese Vorschrift sieht bei außergewöhnlichen Belastungen oder Härten bei der Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes sowie des Gemeindefinanzreformgesetzes des Landes Hessen die Möglichkeit einer Gewährung von Zuweisungen nicht nur an Gemeinden, sondern ausdrücklich auch an Landkreise vor. Zwar sehen die entsprechenden "Richtlinien über die Gewährung von Zuweisungen aus dem Landesausgleichsstock" des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 17. Februar 2009 (StAnz. 2009, S. 581 ff.) in Ziffer I Abs. 3 ab dem Jahr 2003 im Hinblick auf die Regelung in § 37 Abs. 1 FAG-HE keine Gewährung von Zuweisungen an Landkreise mehr vor und verweisen die Kreise damit auf das ihnen zur Finanzierung ihrer Aufgabenwahrnehmung gesetzlich gewährte Instrument der Kreisumlage; die Möglichkeit des Belastungs- oder Härteausgleichs soll dann nur die Folgen einer Überspannung der Gemeindehaushalte infolge der Kreisumlageerhebung mildern. Ob diese Richtlinie mit der gesetzlichen Regelung in § 28 Abs. 2 FAG-HE vereinbar ist, ist offen. Wie das Berufungsurteil feststellt, hat der Kläger Mittel aus dem Landesausgleichsstock nicht beantragt und damit auf eine rechtliche Klärung etwaiger gesetzlicher Ansprüche verzichtet. Bereits dies schließt eine Unverhältnismäßigkeit der kommunalaufsichtlichen Durchsetzung seiner Pflicht zur Annäherung an einen Haushaltsausgleich aus.

48

Des Weiteren hätte der Kläger verfassungsgerichtlich gegen eine seiner Auffassung nach unzureichende Finanzausstattung durch das Land vorgehen können. Auch insoweit hat er es unterlassen, über seine bisherigen Finanzierungsmittel hinausgehende Finanzierungsansprüche gerichtlich klären zu lassen.

49

b) Dass der Kreis sich wegen einer unzureichenden finanziellen Ausstattung an das Land (den Landesgesetzgeber) halten muss, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 37). Mit dem jeweiligen Landesfinanzausgleichsgesetz gestaltet der Landesgesetzgeber ein differenziert austariertes Gesamtsystem der wechselseitigen Finanzierungspflichten und Zuweisungsrechte der Aufgabenträger im Lande. Hierbei kommt ihm nach der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte ein nur beschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu (vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - 9/12 - Städte- und Gemeinderat 2014, Nr. 7-8, 45 = juris Rn. 36; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 - DÖV 1999, 687 <690>; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 <1035>; Thüringer VerfGH, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <671>; Thüringer VerfGH, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 - ThürVBl. 2010, 152 <153>; im Kontext des Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 GG vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juni 1986 - 2 BvF 1/83 u.a. - BVerfGE 72, 330 <391, 395 ff.>). Innerhalb seines Gestaltungsspielraums hat der Landesgesetzgeber auch eine fehlerfreie Ermittlungs- und Verteilungsmethodik zu wählen (vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 a.a.O. Rn. 37; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. S. 1036 f.). Eine entsprechende gestalterische Kompetenz, um die Angemessenheit des Teilbereichs des Finanzausgleichs zwischen Land und Kreis zu ermitteln und zu bewerten, kommt der Kommunalaufsichtsbehörde demgegenüber nicht zu.

50

Zu den maßgeblichen Finanzierungsquellen des Kreises gehört auch die in § 37 FAG-HE verankerte Kreisumlage selbst. Sie ist damit ihrerseits Verteilungsregel des Finanzausgleichs (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 1997 - 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109, 40<41>; Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 <380 f.>; zur historischen Entwicklung vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 <366 f.>) und Teil des Systems, welches insgesamt eine hinreichende Finanzausstattung u.a. der Kreise sicherstellen soll. Die Kommunalaufsichtsbehörde ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die im Finanzausgleichsgesetz enthaltenen Vorgaben für die Umlageerhebungspflicht des Kreises gebunden und hat deren Einhaltung durch den Kreis zu gewährleisten. Auch insofern kommt ihr eine Befugnis zur Korrektur der dort getroffenen gesetzgeberischen Entscheidungen nicht zu; das Aufsichtsermessen ist zu einer solchen Korrektur nicht eröffnet.

51

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig.

2

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis mit Bescheid vom 17. August 2009 zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbesteuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Kreisumlagebescheid sei rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage seien verfassungsgemäß, auch soweit sie den Landkreisen die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubten. Die Rheinland-Pfälzische Verfassung schreibe kein bestimmtes Verteilungssystem vor. Dem Gesetzgeber sei in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, das seine Grenze im Gebot interkommunaler Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot finde. Über diesen allgemeinen Maßstab hinaus müsse die gesetzliche Regelung berücksichtigen, dass Finanzkraftunterschiede im Wege des Finanzausgleichs grundsätzlich nur abgemildert, nicht aber eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürften. Die Kreisumlage als solche erweise sich als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems. Auch die im Landesfinanzausgleichsgesetz vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze stehe im Einklang mit den vorgenannten Maßstäben. Die Regelung beruhe auf sachlichen Gründen und füge sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Es erscheine vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräume, die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen verursachergerecht auszugleichen. Eine progressive Staffelung der Umlagesätze führe für sich genommen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden. Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sei auch nicht deshalb verletzt, weil eine solche Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl, aber gleichwohl hohen Steuereinnahmen besonders treffe. Auch die Ausgestaltung der Umlagesätze in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeine Grenze des Umlagesatzes unabhängig vom Aufgabenbestand des Kreises einerseits und der Gemeinde andererseits. Ein progressiv gestaffelter Umlagesatz, der für einzelne kreisangehörige Gemeinden nivellierend und übernivellierend wirke, sei mithin dann noch verfassungskonform, wenn für die Festsetzung sachlich einleuchtende Gründe vorlägen und diese auch sonst nicht als willkürlich oder rücksichtslos erschienen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte hätte im Jahre 2009 mit erheblichen finanziellen Engpässen zu kämpfen gehabt. Auch die von der Haushaltssatzung angeordnete Progression des Kreisumlagesatzes sei unbedenklich. Auf der Grundlage des vorliegenden Zahlenmaterials bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es hierdurch zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung der Finanzkraft unter den kreisangehörigen Gemeinden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr gekommen sei. Selbst wenn die Progression eine solche Wirkung gezeigt haben sollte, wäre die Klägerin hierdurch nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt. Aus Sicht des Kreises sprächen hierfür nämlich sachlich einleuchtende Gründe. Im beklagten Landkreis stünden einige wenige finanzstarke Gemeinden einer großen Zahl von Gemeinden mit weit unterdurchschnittlicher Finanzkraft gegenüber. Bei einem Verzicht auf die Progression wäre dem Beklagten zur Vermeidung eines noch größeren eigenen Haushaltsdefizits nichts anderes übriggeblieben, als den dann einheitlichen Umlagesatz weiter anzuheben. Hierdurch wären auch die ohnehin unterdurchschnittlich finanzkräftigen Gemeinden weiter geschwächt worden. Die Ausgestaltung des progressiven Umlagesatzes erscheine gegenüber den betroffenen Gemeinden auch nicht rücksichtslos. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die angeordnete Progression in Steigung und Höchstsatz hinter dem nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz zulässigen Maß zurückbleibe. Der Beklagte habe bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt. Die von der Klägerin beanstandeten Mittelansätze beträfen allesamt Angelegenheiten, die der Beklagte nach der Landkreisordnung als überörtliche Aufgaben der freien Selbstverwaltung wahrnehmen dürfe. Die Frage, inwieweit ein Landkreis unterstützend und ausgleichend im Bereich der allgemeinen Angelegenheiten tätig werden dürfe, stelle sich im vorliegenden Falle nicht.

4

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht sie geltend, der Beklagte nehme unzulässig gemeindliche Aufgaben wahr. Dies führe zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und zu einem überhöhten Umlagesoll. Die Wahl eines progressiven Umlagesatzes bewirke eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden oder sogar eine Veränderung der Finanzkraftreihenfolge. Die Erhebung der Kreisumlage in ihrer konkreten Ausgestaltung führe im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen würden und sie zur Umlagefinanzierung sogar Kredite aufnehmen müsse. Das Vorgehen des Beklagten sei mit Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass eine progressive Kreisumlage mit Art. 28 Abs. 2 GG dann nicht mehr vereinbar sei, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete aufgabenadäquate finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden strukturell nicht mehr gewahrt werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil wird den Anforderungen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt damit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der angefochtene Kreisumlagebescheid einer Rechtsgrundlage bedarf, dass er diese nur in § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) i.V.m. § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) sowie in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 finden kann und dass deren Gültigkeit voraussetzt, dass sie mit höherem Recht, namentlich mit Verfassungsrecht vereinbar sind. Insofern hat das Berufungsgericht allein das Verfassungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, nämlich Art. 49 LVerf in den Blick genommen und keinen Grund zur Beanstandung finden können; insoweit unterliegt sein Urteil nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht hat indes ungeprüft gelassen, ob die erwähnten Rechtsgrundlagen auch mit Bundesverfassungsrecht, vornehmlich mit Art. 28 Abs. 2, aber auch mit Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG vereinbar sind. Dies gilt es nachzuholen. Hierzu müssen zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe entfaltet werden (1.). Daran gemessen, erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts teilweise als beanstandungsfrei (2. und 3.), in anderer Hinsicht jedoch als unzureichend (4.). Da eine abschließende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die zudem landesrechtliche Rechtsfragen aufwerfen können, muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (5.).

11

1. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das ergibt sich schon aus Satz 1 der Garantie; das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, setzt voraus, dass die Gemeinden über eine Finanzausstattung verfügen, die sie hierzu in den Stand setzt. Es wurde im Übrigen durch die Anfügung von Satz 3 der Garantie bestätigt und noch materiellrechtlich verstärkt. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteile vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146 und vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161).

12

Die Finanzausstattung der Gemeinden ist ein Saldo aus Einnahmen und Abschöpfungen. Auf der Einnahmenseite tragen zur Finanzausstattung - neben Entgelten für spezielle Leistungen - Einnahmen aus Steuern (sogenannte Steuerkraft) sowie ergänzende Zuweisungen aus Landesmitteln nach Maßgabe des kommunalen Finanzausgleichs bei; dem stehen in negativer Hinsicht Bestimmungen in den Finanzausgleichs- und anderen Gesetzen über Umlagen gegenüber, die den Gemeinden Finanzmittel zugunsten anderer - regelmäßig höherstufiger - Verwaltungsträger wieder entziehen, sei es zugunsten der Kreise (Kreisumlage), sei es zugunsten von anderen Gemeindeverbänden (wie die Verbandsgemeindeumlage), sei es schließlich zugunsten von Land oder Bund (Finanzausgleichsumlage; Gewerbesteuerumlage). Die Kreisumlage erweist sich damit nicht nur als - herkömmliches und als solches fraglos zulässiges - Instrument zur Finanzierung der Kreise. Sie entzieht zugleich den kreisangehörigen Gemeinden Finanzmittel und zählt insofern zu den Instrumenten, welche in ihrem Zusammenwirken die Finanzausstattung der Gemeinden festlegen. Als solches muss sie den Anforderungen entsprechen, die das Verfassungsrecht für die Finanzausstattung der Gemeinden vorgibt (a); und ihre Wirkungen dürfen nicht dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (b).

13

a) Dem Gesetz- und sonstigen Normgeber kommt bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zu. Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Weder kommt dem Land für seinen eigenen Finanzbedarf ein Vorrang gegenüber dem kommunalen Bereich zu, noch lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG umgekehrt ein Vorrang des kommunalen Finanzbedarfs gegenüber demjenigen des Staates herleiten. Auch innerhalb des kreiskommunalen Raumes lässt sich weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Art. 28 Abs. 2 GG auch das sogenannte dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip entnommen. Hiernach muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber sich dafür entschieden hat, dass örtlich bezogene öffentliche Aufgaben möglichst dezentral, im Zweifel also auf der gemeindlichen Ebene erledigt werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <147 ff., 156>). Daraus lässt sich jedoch kein Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Ebene auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen herleiten. Das dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip bewirkt eine im Zweifel gemeindliche Aufgabenzuständigkeit und begründet in der Folge eine gemeindliche Ausgabenlast. Deshalb ist der hierdurch begründete Finanzbedarf der Gemeinden jedoch nicht gewichtiger als der Finanzbedarf anderer (höherstufiger) Verwaltungsträger, der diesen aus den ihnen (verfassungsgemäß) zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erwächst (vgl. auch Beschluss vom 3. März 1997 - BVerwG 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109). Art. 28 Abs. 2 GG regelt eine Kompetenzverteilung und gewährleistet gleichsam akzessorisch eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, trifft jedoch keine von der Aufgabenverteilung losgelöste, zusätzliche und eigenständige Regelung zur Verteilung öffentlicher Mittel.

14

Mit Blick auf die Kreisumlage kommt dem Grundsatz des finanziellen Gleichrangs zunächst und vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Kreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden zu. Mit der Kreisumlage werden bestimmte Finanzmittel im kreisangehörigen Raum zwischen dem Kreis und den Gemeinden verteilt. Das muss gleichmäßig geschehen (zum Gebot interkommunaler Gleichbehandlung: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris Rn. 80). Dabei ist von Bedeutung, dass der Kreis nicht nur die Befugnis zur einseitigen Erhebung der Kreisumlage hat, sondern dass er in bestimmter Hinsicht auch über das Ausmaß seiner Kreistätigkeit disponiert und damit seinen eigenen Finanzbedarf enger oder weiter stecken kann. Das darf er nicht beliebig; vielmehr muss er die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizupflichten, dass der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen darf. Es ist allenfalls dahin zu ergänzen, dass der Kreis auch verpflichtet ist, nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen.

15

Die Erhebung der Kreisumlage muss den allgemeinen Gleichheitssatz auch in horizontaler Dimension im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <393>; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 a.a.O. <287>). Fraglos zulässig ist es, den Finanzbedarf des Kreises nach linear gleichem Maßstab auf die kreisangehörigen Gemeinden umzulegen. Häufig werden steuerstärkere Gemeinden jedoch stärker herangezogen als steuerschwächere; dadurch erzielt die Kreisumlage zugleich einen steuerkraftausgleichenden Effekt. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Außerdem darf dies nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Länder im Länderfinanzausgleich hergeleitet (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. - BVerfGE 86, 148 <250 f., 253 f.>); es gilt gleichermaßen in Ansehung des Gebots der Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden bei der Kreisumlage.

16

Schließlich darf die Erhebung der Kreisumlage nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird. Das meint zunächst die Ertragshoheit. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Zwar erlaubt Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG eine Umlage zugunsten des Landes und des Bundes auf den Ertrag der Gewerbesteuer. Dadurch darf jedoch nur ein Teil des Gewerbesteuerertrages entzogen werden; ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig. Ähnliches gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG. Hiernach können die Länder die Erträge der Gemeinden aus den Realsteuern, aus der Einkommen- und aus der Umsatzsteuer zur Grundlage für weitere Umlagen nehmen. Auch dies darf nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen; unzulässig wäre es, den Gemeinden die genannten Umlagegrundlagen praktisch zur Gänze zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gelegentlich bemerkt, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG lasse sich ein besonderer Normgehalt nicht entnehmen, weshalb die Vorschrift von Teilen der Literatur sogar für überflüssig erachtet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 a.a.O. <391 f.>). Die Frage eines Totalentzugs der Umlagegrundlagen war jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

17

Die Steuerhoheit umfasst neben der Ertragshoheit auch eine gewisse Regelungsbefugnis. Insofern gewährleistet das Grundgesetz den Gemeinden in Ansehung der Realsteuern und - nach Maßgabe von Bundesrecht - auch in Ansehung ihres Anteils an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 GG) eine eigene Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer "finanziellen Eigenverantwortung" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 u.a. - BVerfGE 125, 141 <160 ff.>). Die Erhebung von Umlagen darf nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit entwertet wird. Die rheinland-pfälzischen Bestimmungen über die Bemessung der Kreisumlage sehen deshalb vor, dass die Gemeinden nicht mit ihren tatsächlichen, sondern mit fiktiven Steuereinnahmen veranschlagt werden, denen ein einheitlicher und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehener Hebesatz zugrunde gelegt wird. Dieses Verfahren ist einwandfrei. Ob andere Bemessungsweisen gleichermaßen zulässig wären, bedarf keiner Entscheidung.

18

b) Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürfen weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird. Insofern zieht Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze.

19

Ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, hinter die der (Landes-)Gesetzgeber auch bei einer allgemeinen Notlage der öffentlichen Haushalte nicht zurückgehen darf, haben das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181> und vom 7. Februar 1991 a.a.O. <386>; vgl. aber auch Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <168>) und das Bundesverwaltungsgericht (vgl. aber Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) bislang nicht entschieden. Die Verfassungsgerichte der Länder haben ihren jeweiligen Landesverfassungen derartige Mindestgarantien entnommen und dies - soweit die Ausstattung aus Landesmitteln in Rede steht - allenfalls gelegentlich unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt; die Gemeinden müssen hiernach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine "freie Spitze" verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. Dezember 1977 - VGH 2/74 - DVBl 1978, 802 <805> und vom 18. März 1992 - VGH 3/91 - NVwZ 1993, 159 <160> m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - 2/97 - ESVGH 49, 242; Bayerischer VerfGH, Entscheidungen vom 27. Februar 1997 - Vf. 17 VII-94 - VerfGHE BY 50, 15 <41> und vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 - VerfGHE BY 60, 184; VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September1999 - 28/98 - NVwZ-RR 2000, 129 <130>; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 11. Mai 2006 - 1/05 u.a. - LKV 2006, 461 und vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris; Niedersächsischer StGH, Urteile vom 15. August 1995 - 2/93 u.a. - OVGE 45, 486, vom 25. November 1997 - 14/95 u.a. - OVGE 47, 497 und vom 7. März 2008 - 2/05 - NdsVBl 2008, 152 <156 f.>; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 16/02 - OVGE 50, 306; Urteile vom 11. Dezember 2007 - 10/06 - OVGE 51, 272 und vom 19. Juli 2011 - 32/08 - DVBl 2011, 1155; VerfGH Saarland, Urteile vom 10. Januar 1994 - Lv 2/92 - NVwZ-RR 1995, 153 <154> und vom 13. März 2006 - Lv 2/05 - juris; VerfGH des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 - LKV 2001, 223 <224>; LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 - NVwZ 2007, 78; Thüringer VerfGH, Urteile vom 12. Oktober 2004 - 16/02 - DVBl 2005, 443, vom 21. Juni 2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <667> und vom 18. März 2010 - 52/08 - LKV 2010, 220; aus der Literatur: Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 248 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 1. Januar 2013, Art. 28 Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 102; Hufen, DÖV 1998, 276 <280>).

20

Dieser Rechtsprechung ist für das Bundesverfassungsrecht beizupflichten. Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG ergibt sich, dass der anerkannte "Kernbereich" der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung zu erstrecken ist. Der Gesetzgeber muss die öffentliche Verwaltung also so organisieren, dass unterhalb der (staatlichen) Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene eingerichtet wird, der ein eigenständiges, eigenverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur in singulären Angelegenheiten, sondern grundsätzlich universell ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 a.a.O. <146 f.>). Dieser kommunale Bereich darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss auch finanziell ermöglicht werden. Der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wäre mithin (auch) dann verletzt, wenn von einer kommunalen Selbstverwaltung zwar vielleicht de jure, aber jedenfalls nicht mehr de facto die Rede sein könnte, weil den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel fehlen.

21

Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gemeinden in Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG bestimmte Steuereinnahmen zuerkannt und damit die gemeindliche Finanzausstattung zu einem Teil bereits von Bundesverfassungsrechts wegen gesichert hat. Daraus lässt sich nicht folgern, dass eine weitergehende bundesverfassungsrechtliche Sicherung nicht gewollt gewesen sei. Das Gegenteil ist richtig. Dass Art. 28 Abs. 2 GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanzielle Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu. Auch die Einfügung des Satzes 3 in Art. 28 Abs. 2 GG belegt die Überzeugung des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass die Selbstverwaltungsgarantie angesichts zunehmender Überbürdung kostenträchtiger Aufgaben auf die Kommunen gerade in finanzieller Hinsicht noch zusätzlicher Verstärkung bedurfte.

22

Klargestellt werden muss, dass dieser "Kerngehalt" die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren - das verfassungsrechtliche Minimum - bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist. Der Landesgesetzgeber könnte also eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden in diesem Sinne nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass auch die Haushaltslage des Landes notleidend ist. Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar (so auch Tettinger/Schwarz, a.a.O. Rn. 248 ff.). Ob anderes gelten kann, wenn das Land selbst unter Ausschöpfung aller eigenen Steuerquellen und unter möglichster Verminderung ausgabenträchtiger öffentlicher Aufgaben des Landes und der Kommunen zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Mindestpflicht außerstande wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Lage ist nicht erkennbar; der Beklagte macht nur eine eigene Haushaltsnotlage geltend, nicht aber einen Haushaltsnotstand des gesamten Landes.

23

2. Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht auf der gesetzlichen Grundlage in § 58 Abs. 4 LKO, § 25 LFAG. Das Berufungsgericht ist fraglos davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das hält den Einwänden, die namentlich der Vertreter des Bundesinteresses erhebt, im Ergebnis stand.

24

a) Der Vertreter des Bundesinteresses weist zum einen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Februar 2012 (- VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 = DVBl 2012, 432) die Bestimmungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Zuweisungen aus Landesmitteln (§§ 7 bis 18 LFAG) für verfassungswidrig erklärt hat. Das bleibt freilich für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung. Zwar nimmt § 25 LFAG auf § 13 LFAG und damit auf eine der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften Bezug. Jedoch wird damit nicht die Gültigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln zur Voraussetzung auch für die Gültigkeit der Bestimmungen über die Kreisumlage erhoben. Die Bezugnahme auf § 13 LFAG soll vielmehr lediglich die Umlagegrundlagen festlegen. Sie dient daher nur einer regelungstechnischen Vereinfachung, um eine eigenständige Wiederholung innerhalb des § 25 LFAG zu ersparen. In Ansehung der Umlagegrundlagen kann § 13 LFAG auch unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln Bestand haben. Hinzu kommt, dass das Landesverfassungsgericht die §§ 7 bis 18 LFAG zwar für verfassungswidrig, aber für das hier in Rede stehende Umlagejahr 2009 nicht auch für nichtig erklärt hat; das Gesetz verliert vielmehr erst Ende 2013 seine Gültigkeit, wenn der Gesetzgeber bis dahin den verfassungsrechtlichen Einwänden nicht Rechnung getragen hat.

25

b) Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt zum anderen, dass § 58 Abs. 4 LKO zu weit gefasst sei. Nach dieser Vorschrift erhebt der Kreis eine Kreisumlage, soweit seine sonstigen Finanzquellen seinen Finanzbedarf nicht decken. Damit macht sie den Kreisen die Erhebung einer Kreisumlage zur Pflicht, deren Soll-Aufkommen sich nach ihrem Wortlaut allein nach dem gesamten ungedeckten Finanzbedarf des Kreises bemisst, ohne hierbei die gebotene Rücksicht auf den eigenen Finanzbedarf und die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden zu nehmen. Mit diesem Inhalt könnte die Vorschrift tatsächlich keinen Bestand haben; sie würde den Grundsatz des Gleichrangs zwischen dem Finanzbedarf des Kreises und demjenigen der kreisangehörigen Gemeinden und damit das interkommunale Gleichbehandlungsgebot in vertikaler Hinsicht verletzen und im Extremfall dazu führen, dass der Kreis eine eigene Unterfinanzierung stets auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen dürfte oder gar müsste, selbst wenn diesen dadurch nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene Mindestausstattung verbliebe. Die Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer solchen Interpretation. Sie ist vielmehr für eine verfassungskonforme Auslegung offen, wonach der Kreis zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt wird, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt wird, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zwingend und jedenfalls dann nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsste, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

26

3. Die Klägerin hat gegen die Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 zum einen eingewendet, der Beklagte finanziere die Wahrnehmung von Aufgaben, für die ihm die Zuständigkeit fehle; zum anderen verletze der gewählte progressive Umlagesatz das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung in dessen horizontaler Dimension. Das Berufungsgericht hat diese Einwände zurückgewiesen. Das hält den Angriffen der Revision stand.

27

a) Die Klägerin bemängelt, der Beklagte nehme Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahr, für die ihm die Zuständigkeit fehle, was zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und dementsprechend zu einem überhöhten Umlagesoll führe. Dieser Einwand verfängt nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sämtliche von der Klägerin insofern angesprochenen Aufgaben kreisörtlicher Natur ("auf das Kreisgebiet bezogen") sind und deshalb vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKO wahrgenommen werden dürfen. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Dann aber steht fest, dass es sich nicht um gemeindliche Aufgaben handelt, die der Kreis lediglich im Rahmen seiner Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion (nach § 2 Abs. 5 LKO) oder gar in Wahrnehmung seiner "Kompetenzkompetenz" (nach § 2 Abs. 3 und 4 LKO) übernehmen dürfte. Damit stellt sich auch die verfassungsrechtliche Frage nicht, ob es mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar wäre, wenn der Kreis gemeindliche Aufgaben an sich zieht, die Gemeinden aber zugleich über die Kreisumlage zu deren Finanzierung heranzieht.

28

b) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie den progressiven Umlagesatz als solchen betreffen.

29

Der Umlagesatz besagt als solcher noch nichts über die den Gemeinden nach Erhebung der Umlage verbleibende Finanzausstattung. Die Progression führt auch nicht dazu, dass die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen werden; im vorliegenden Fall liegt der Grenzsatz bei 37,1 x 150 = 55,65 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. Der Umlagesatz ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und ob er Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden übermäßig nivelliert. Insofern sind Einwände nicht zu erheben.

30

Ein einheitlicher Umlagesatz wahrt den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 LFAG), ein progressiver Satz wahrt ihn, wenn für die Progression ein sachlicher Grund besteht (vgl. Urteil vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <288 f.> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Progression - der nur überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinden unterliegen - dem Verursachungsprinzip Rechnung tragen soll; diese Gemeinden werden auf diese Weise verstärkt herangezogen, weil ihre besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an die Kreise ist, was ohne Progression zu einer stärkeren Belastung der finanzschwächeren Gemeinden führen müsste. Darin hat es beanstandungsfrei einen zureichenden sachlichen Grund für den progressiven Umlagesatz gesehen.

31

Dessen Anwendung führt auch nicht dazu, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden vollständig eingeebnet würden oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert würde. Das ist bei der gewählten stufenweisen Anhebung des in Prozent ausgedrückten Umlagesatzes schon rechnerisch ausgeschlossen. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall; die Klägerin ist auch nach Durchführung der Umlage die steuerstärkste Gemeinde im Kreis. Dass sie selbst zu anderen Ergebnissen gelangt, ist darauf zurückzuführen, dass sie auf ihre absoluten Steuereinnahmen abstellt und diese nicht ins Verhältnis zu ihrer - geringen - Einwohnerzahl setzt. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung. Was angemessen ist, bestimmt sich zuvörderst nach dem Finanzbedarf, dieser aber ist maßgeblich abhängig von der Einwohnerzahl. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Finanzkraftvergleich zwischen den verschiedenen kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl vornimmt.

32

4. Die Klägerin hatte aber drittens und vor allem geltend gemacht, die Erhebung der Kreisumlage entziehe ihr - im Zusammenwirken mit anderen Umlagen - praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

33

a) Vorab ist festzuhalten, dass der Einwand der Klägerin beachtlich ist. Der Beklagte muss bei der Bemessung der Kreisumlage die anderen Umlagepflichten der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Der Landesgesetzgeber stellt die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land; Instrumenten der Finanzzuweisungen zugunsten der Gemeinden (insbesondere Schlüsselzuweisungen) stehen gegenläufige Instrumente der Finanzabschöpfungen (insbesondere Umlagen) gegenüber. Insofern tritt die Kreisumlage neben andere Umlagen unter Gemeinden. Der Vertreter des Bundesinteresses weist zutreffend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber dieses System des Finanzausgleichs als Ganzes zu verantworten hat; er ist verpflichtet, eine angemessene Finanzausstattung, wenigstens aber die Mindestausstattung der Gemeinden im Gesamt seines Regelwerks zu gewährleisten. Dabei muss er diejenigen Vorgaben beachten, die vom Bundesgesetzgeber selbst und damit von einem vorrangigen Normgeber gesetzt werden. Deshalb muss er auch die Belastungen der Gemeinden aus der Gewerbesteuerumlage in Rechnung stellen.

34

Bei der nötigen Gesamtbetrachtung kann die Verbandsgemeindeumlage (§ 26 LFAG) nicht ausgeblendet werden. Sie dient zwar der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben und kommt der Klägerin - einer Ortsgemeinde - damit selbst zugute. Die Klägerin kann jedoch über ihre Mitgliedschaft in der Verbandsgemeinde nicht frei entscheiden und kann auch den Umfang der von dieser wahrgenommenen örtlichen Aufgaben nicht beeinflussen. Vielmehr werden die Verbandsgemeinden aus Gründen des Gemeinwohls gebildet (vgl. § 64 GemO) und nehmen bestimmte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgrund Gesetzes an Stelle der Ortsgemeinden wahr (§§ 67, 68 GemO). Insofern liegt die Sache anders als bei der Samtgemeindeumlage nach niedersächsischem Recht (vgl. Urteil vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161). Vor allem aber stünde eine "freie Spitze" nicht der Verbandsgemeinde, sondern unverändert der Ortsgemeinde zu, die auch nur selbst Inhaberin des verfassungsrechtlichen Aufgabenzugriffsrechts, also des Rechts ist, sich jeder "unbesetzten" öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft aus eigenem Willensentschluss anzunehmen.

35

b) Das Berufungsgericht ist auf den Einwand der Klägerin bislang nur unter Anlegung eines unzureichenden und teilweise fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstabs eingegangen. Es hat den Kreis nämlich von der Pflicht zur Beachtung der verfassungsgebotenen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden dispensiert und angenommen, die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie werde in jedem Fall erst dann verletzt, wenn der Kreis seine eigenen Interessen einseitig und willkürlich gegenüber den Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetze. Das wird den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht gerecht.

36

Der Schutz- und Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 (und 3) GG gilt zugunsten der Gemeinden auch in deren Verhältnis zum Kreis. Für "den kommunalen Raum", also das Gesamt von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, besteht kein abweichendes Sonderrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <150 f., 152>). Daraus folgt, dass der oben umschriebene "Kernbereich" der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch nicht zugunsten des jeweiligen Kreises angetastet werden darf. Das gilt für jedwede Finanzregelung, gleichgültig ob sie vom Land oder vom Kreis selbst erlassen wurde; weder darf eine Regelung des Landesgesetzgebers zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden führen, noch darf eine Regelung eines Kreises diese Wirkung haben. Damit wird auch der Kreisumlage eine absolute Grenze gezogen; ihre Erhebung darf nicht dazu führen, dass das absolute Minimum der Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten wird.

37

Demgegenüber will das Berufungsgericht die Kreise bei Erlass von Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage von der Pflicht zur Beachtung des "Kernbereichs" jedenfalls dann dispensieren, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert ist; die Regelungsbefugnis des Kreises sei auch in diesem Falle erst überschritten, wenn der Kreis seine Interessen willkürlich und rücksichtslos zulasten der Gemeinden verfolgt. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. So wenig wie das Land kann sich der Kreis von der Beachtung des "Kernbereichs" der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Hinweis auf seine eigene Haushaltslage dispensieren. Richtig ist, dass der Kreis - anders als das Land - regelmäßig nicht über eine nennenswerte Kompetenz zur Erschließung zusätzlicher Steuerquellen verfügt, um seine Finanznot zu lindern (dazu Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 115 f.). Das suspendiert indes nicht die Geltung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie. Ist die eigene Finanzausstattung des Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten; er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen. Darauf weist der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hin.

38

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Defiziten, da es einen Haupteinwand der Klägerin - die Kreisumlage entziehe ihr die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung - auf unzureichender Grundlage zurückgewiesen hat.

39

5. Der Senat kann über die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf Vorbringen des Beklagten eingegangen werden, was zusätzliche tatsächliche Feststellungen erfordert, die zudem landesrechtliche Würdigungen voraussetzen. Das ist dem Bundesverwaltungsgericht verschlossen; deshalb muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

40

a) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass im Zusammenwirken der Kreisumlage mit anderen Umlagen sämtliche Steuereinnahmen der Klägerin abgeschöpft würden und die Klägerin darüber hinaus noch zur Kreditaufnahme gezwungen werde, um ihre Umlageverpflichtungen zu erfüllen. Er meint, dass die Gewerbesteuerumlage nicht gesondert und zusätzlich zu berücksichtigen sei, weil sie bereits bei Festlegung der Nivellierungssätze als Höchstgrenze für die Umlagezahlungen Berücksichtigung finde. Ob das zutrifft, wird zu prüfen sein.

41

b) Zum anderen - und vor allem - behauptet der Beklagte, die Kumulation von Umlagepflichten habe für die Klägerin nur im Jahr 2009 zu einer derart hohen Belastung geführt. Die Erhebungsmethode habe in diesem Jahr zu einem überdurchschnittlich hohen Umlagebetrag geführt, dem jedoch im Folgejahr ein entsprechend niedrigerer Betrag gefolgt sei. Auch dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie wird nicht schon dann verletzt, wenn die Finanzausstattung einer Gemeinde nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minimum zurückbleibt; zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung. Der Kernbereich der Garantie ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.


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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2009.

2

Sie ist eine Ortsgemeinde mit 365 Einwohnern (Stand: 30. Juni 2008) und wurde für das Jahr 2009 zu einer Kreisumlage in Höhe von 305.151,00 € herangezogen. Da die Klägerin zu den Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft gehört, enthält die Umlage einen progressiven Anteil.

3

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin gegen den Umlagebescheid Klage erhoben. Die Umlage sei rechtswidrig, weil der Landkreis mit ihr auch Aufgaben der Wirtschafts- und Tourismusförderung finanziere, für die er nicht zuständig sei. Außerdem führe die Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zu Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen. Zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

4

Die Klägerin hat beantragt,

5

den Bescheid vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

6

Der Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte mit der Umlage keine Aufgaben finanziere, für die er nicht zuständig sei. Sowohl bei den Aktivitäten im Bereich des Fremdenverkehrs als auch bei der Wirtschaftsförderung handele es sich um überörtliche Angelegenheiten. Des Weiteren sei es auch nicht zu beanstanden, dass der Landkreis finanzstarke Gemeinden durch eine progressive Kreisumlage stärker belaste. Die Umlagebelastung der Klägerin verstoße auch nicht gegen das Gebot der kommunalen Rücksichtnahme.

9

Mit ihrer hiergegen eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die wahrgenommenen Aufgaben auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Tourismusförderung hätten keinen überörtlichen Charakter. Außerdem verletze der angegriffene Kreisumlagebescheid ihre verfassungsrechtlich garantierte Finanzhoheit, da unter Berücksichtigung der Kreisumlage, der Verbandsgemeindeumlage, der Finanzausgleichsumlage und der Gewerbesteuerumlage die Umlageanspannung über ihre Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen hinausgehe. Außerdem verstoße die progressive Staffelung der Kreisumlage gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung.

10

Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 28. April 2011 - 2 A 11423/10.OVG - zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die progressive Staffelung des Umlagesatzes verfassungsrechtlich zulässig sei. Denn die hohe Steuerkraft einzelner kreisangehöriger Gemeinden könne dazu führen, dass dem betroffenen Landkreis niedrigere oder gar keine Schlüsselzuweisungen gewährt würden. Deshalb sei es gerechtfertigt, überdurchschnittliche Steuerkraft durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen. Zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden könne die anteilige Abschöpfung überdurchschnittlicher Steuerkraft für sich genommen nicht führen.

11

Des Weiteren erweise sich die Kreisumlage nicht deshalb als verfassungswidrig, weil sie im Zusammenspiel mit anderen Umlageverpflichtungen zu einer weitgehenden Abschöpfung der gemeindlichen Finanzkraft führe. Denn der gesamte kommunale Bereich in Rheinland-Pfalz sei infolge der gestiegenen Aufgabenbefrachtung durch Bund und Land bei nur unzureichenden Zuwächsen auf der Einnahmenseite seit Jahren unterfinanziert. Bei dieser Ausgangslage könne es im Innenverhältnis der Landkreise zu ihren Gemeinden nur noch um eine vertretbare Teilung der Lasten und damit letztlich der Defizite gehen. Daher sei die Kreisumlage der Höhe nach erst dann nicht mehr hinnehmbar, wenn der Kreis mit ihr eigene Interessen willkürlich und rücksichtslos zu Lasten der Gemeinden verfolge. Hiervon könne nicht ausgegangen werden, weil nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte im Jahr 2009 mit einem erheblichen finanziellen Engpass habe kämpfen müssen. Soweit der Beklagte bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch Ausgaben für die Wirtschafts- und Fremdenverkehrsförderung berücksichtigt habe, handele es sich nicht um landkreisfremde Aufgaben.

12

Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die Berufungsentscheidung mit Urteil vom 30. Januar 2013 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass verfassungsrechtlicher Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kreisumlage Art. 28 Abs. 2, aber auch Art. 106 Abs. 5 bis 6 Grundgesetz - GG - seien. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleiste den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreis und Gemeinden habe der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Deshalb lasse sich für das vertikale Verhältnis innerhalb des kreiskommunalen Raums auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Bei der Erhebung der Kreisumlage müssten die demnach grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden ermittelt und in Rechnung gestellt und zudem der allgemeine Gleichheitssatz auch im horizontalen Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachtet werden. Für eine stärkere Heranziehung steuerstärkerer Gemeinden müsse deshalb ein sachlicher Grund vorliegen. Außerdem wäre es unzulässig, durch die Erhebung der Kreisumlage den Gemeinden die ihnen vom Grundgesetz zuerkannte Steuerkraft zur Gänze zu entziehen und dadurch die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit zu entwerten.

13

Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürften weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten werde. Insofern ziehe Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze. Die Gemeinden müssten danach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen könnten und darüber hinaus über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen. Dieser „Kernbereich“ erstrecke sich nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 GG auch auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung und sei ungeachtet der zusätzlichen Garantie des Art. 106 GG absolut geschützt.

14

Demnach sei der Kreis bei insoweit verfassungskonformer Auslegung der § 58 Abs. 4 Landkreisordnung - LKO -, § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz - LFAG - zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt werde, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsse, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

15

Hiervon ausgehend sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahrnehme, was zu einem entsprechend erhöhten Finanzbedarf führe. Hierbei handele es sich um Aufgaben kreisörtlicher Natur im Sinne des § 2 Abs. 1 LKO. Auch der progressive Umlagesatz werde den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Er sei sachlich gerechtfertigt, weil durch den erhöhten Umlagesatz Gemeinden verstärkt herangezogen würden, deren besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an den Kreis sei. Ausgehend von der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl sei es ausgeschlossen, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden völlig eingeebnet oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert werde.

16

Allerdings habe sich das Berufungsgericht nur unzureichend mit dem Einwand der Klägerin auseinandergesetzt, die Kreisumlage entziehe ihr im Zusammenwirken mit anderen Umlagen praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Insofern sei jedenfalls auch die Belastung der Klägerin durch die Verbandsgemeindeumlage zu berücksichtigen. Ob dies auch für die Gewerbesteuerumlage gelte, sei zu prüfen. Außerdem dürfe der „Kernbereich“ der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch dann nicht zugunsten des Kreises angetastet werden, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert sei. Hiervon ausgehend müsse das Oberverwaltungsgericht prüfen, ob die Kumulation von Umlagepflichten - ggfs. unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerumlage - dazu geführt habe, dass die Klägerin strukturell und auf Dauer außer Stande gewesen sei, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

17

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin nunmehr im Wesentlichen vor: Maßgeblich für die Bestimmung des Abschöpfungsgrades seien die kassenwirksamen tatsächlichen Finanzflüsse im Haushaltsjahr und nicht die der Ermittlung der Umlagebelastung zugrundeliegende verschobene Berechnungssystematik des Finanzausgleichsgesetzes. Hiervon ausgehend liege im streitgegenständlichen Jahr 2009 eine Überabschöpfung nach jeder Betrachtungsweise vor. Sie könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht durch den Verweis auf kumulierte Überschüsse in einem willkürlich gewählten Zehnjahreszeitraum gerechtfertigt werden. Außerdem sei der Kernbereich der Selbstverwaltung durch die Umlageerhebung verletzt. Selbst bei Berücksichtigung der Nivellierungshebesätze ergäben sich über zehn Jahre fiktive Einnahmen in Höhe von 664.231,72 €. Ihnen stünden allein pflichtige Ausgaben in Höhe von 656.681,74 € gegenüber. Mit dem dann verbleibenden Betrag von 7.659,98 €, d.h. 766,00 € pro Jahr, bestehe kein merklicher Selbstverwaltungsspielraum. Im Übrigen verstoße das Abstellen auf die Nivellierungssätze und damit die Verpflichtung der Gemeinde zur Anhebung der Hebesätze gegen das verfassungsrechtlich garantierte gemeindliche Hebesatzrecht. Niedrigere Realsteuersätze, die einer örtlich differenzierten Struktur- und Standortpolitik dienten, führten zu keinen Nachteilen des Kreises, weil die Umlage aufgrund der Nivellierungssätze bestimmt würde. Schließlich habe der Beklagte bei der Festsetzung des progressiven Kreisumlagesatzes sein Ermessen fehlerhaft gebraucht, weil die Umlagebelastung erdrosselnde Wirkung habe und zu einer Rangplatzumkehr im intergemeindlichen Vergleich führe.

18

Die Klägerin beantragt,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Zur Begründung trägt er vor, dass bei der Umlageberechnung keine Zeitkongruenz zwischen Umlagebelastung und tatsächlichen Steuereinnahmen eines Haushaltsjahres herzustellen sei. Die sich hieraus ergebende Wellenbewegung werde relativiert durch die Betrachtung eines längeren Zeitraums, der mit zehn Jahren ordnungsgemäß bemessen sei. Beim Vergleich der Umlagebelastung und der Steuereinnahmen sei die Gewerbesteuerumlage nicht zu berücksichtigen, da ihr Nivellierungssatz bereits abgesenkt sei und deshalb abgabenmindernd bei der Bemessung der Kreisumlage berücksichtigt werde. Bei Anhebung der örtlichen Hebesätze auf Nivellierungsniveau werde 2003 bis 2012 eine durchschnittliche Umlagebelastung von 49,3633 % der Steuerkraftmesszahl sowie der Schlüsselzuweisung B 2 erreicht. Dabei sei zweifelhaft, ob die Verbandsgemeindeumlage in vollem Umfange zu Buche schlage, da sie auch der Finanzierung von Aufgaben der Ortsgemeinden diene. Da die Gewerbesteuerumlage nicht zu berücksichtigen sei, bleibe die Umlagebelastung unter 100 %. Hinzu komme, dass die Klägerin im Jahre 2009 33.580 € für freiwillige Aufgaben aufgewandt habe. Zusätzlich sei in Rechnung zu stellen, dass die Klägerin ihre Einnahmemöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe. Schließlich werde die gemeindliche Steuerhoheit durch die Berechnung der Kreisumlage nicht eingeschränkt. Die Gemeinde habe lediglich die sich aus der Unterschreitung der Nivellierungssätze ergebenden Folgen bei der Umlageerhebung zu tragen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Ordner und 2 Hefte) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

25

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Kreisumlagebescheid der Beklagten vom 17. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 zu Recht abgewiesen, da die festgesetzte Umlage rechtmäßig ist und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt.

26

Der angefochtene Umlagebescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 4 der Landkreisordnung vom 31. Januar 1994 (GVBl. S. 188) - LKO - i.V.m. § 25 des Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 30. November 1999 (GVBl. S. 415) in der Fassung vom 12. Juni 2007 (GVBl. S. 80) - LFAG - und § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009. Danach erhebt der Beklagte im Jahr 2009 von allen kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisumlage aufgrund eines Eingangsumlagesatzes von 37,1 v.H. Für Gemeinden, welche eine über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegende Steuerkraftmesszahl aufweisen, steigt der Umlagesatz für je begonnene 10 v.H. der über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegenden Steuerkraftmesszahl um 7,5 v.H. bis zur Höchststufe von 145 v.H. Hiervon ausgehend begegnet der angefochtene Kreisumlagebescheid keinen rechtlichen Bedenken. Er ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - rechnerisch zutreffend ermittelt worden.

27

Darüber hinaus sind die genannten Bestimmungen der Landkreisordnung und des Landesfinanzausgleichgesetzes über die Kreisumlage auch insoweit verfassungsgemäß, als sie den Landkreisen eine progressive Staffelung des Umlagesatzes ermöglichen (I.). Die konkrete Ausgestaltung des Umlagesatzes verstößt nicht gegen Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz - GG - (II.). Des Weiteren hat der Beklagte bei der Bemessung seines der Kreisumlage zugrunde liegenden Finanzbedarfs keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt (III.). Schließlich greift der Einwand der Klägerin nicht durch, der angefochtene Umlagebescheid sei ermessensfehlerhaft (IV.).

I.

28

§ 25 Abs. 2 Nr. 2 LFAG, der die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubt, ist verfassungsgemäß.

29

1. Art. 49 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung und verpflichtet das Land, den Kommunen die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege eines Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Ein bestimmtes Verteilungssystem schreibt die Verfassung nicht vor. Vielmehr ist dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, welches seine Grenzen im Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot findet (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [396]). Der gleiche Maßstab ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG. Danach bedarf es für eine im horizontalen Vergleich stärkere Heranziehung umlagepflichtiger Gemeinden, wie sie durch eine progressive Ausgestaltung des Umlagesatzes bewirkt wird, eines sachlichen Grundes. Außerdem darf sie nicht soweit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn 15).

30

Nach diesen Maßstäben sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage nicht zu beanstanden. Dies gilt zunächst für die generelle Befugnis der Landkreise zur Erhebung einer jährlichen Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden. In der kommunalen Praxis ist die Kreisumlage mittlerweile die bedeutendste, der eigenständigen Ausschöpfung unterliegende Einnahmequelle der Kreise. Sie hat allgemeine Finanzierungsfunktion und dient darüber hinaus dem Ausgleich von Ungleichgewichten in der kommunalen Finanzkraft, die sich durch die Verteilung der Schlüsselzuweisung sowie aus einem unterschiedlichen Zentralisierungsgrad der Kreise ergeben können. Die Kreisumlage als solche erweist sich damit gleichsam als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems (vgl. hierzu VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [400 ff.]; OVG RP, Urteil vom 25. September 1985 - 2 C 48/84 - AS 20, 58 [67]).

31

Auch die in § 25 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LFAG vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung beruht auf sachlichen Gründen und fügt sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Danach kann die hohe Steuerkraft einzelner kreisangehöriger Gemeinden dazu führen, dass dem betroffenen Landkreis niedrigere oder gar keine Schlüsselzuweisungen B 2 gewährt werden. Der hieraus folgende höhere Umlagebedarf wäre bei einheitlicher Gestaltung des Umlagesatzes von allen kreisangehörigen Gemeinden gleichermaßen zu decken, was eine weitere Schwächung auch der ohnehin finanzschwachen Gemeinden zur Folge hätte. Vor diesem Hintergrund erscheint es vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräumt, überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen „verursachergerecht“ auszugleichen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 30; VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [405 f.]; OVG RP, Urteil vom 29. September 1987 - 7 A 94/86 - AS 21, 420 [422] zum sog. „Splitting“; VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 8. Februar 1999 - 1 K 577/98.NW - DVP 2000, 84 [86]).

32

2. Eine progressive Staffelung der Kreisumlagesätze im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LFAG führt auch nicht zu einem gänzlichen Entzug der Umlagegrundlage oder unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Veränderung der Steuerkraftreihenfolge unter den kreisangehörigen Gemeinden. Durch eine stufenweise Progression wird bestimmungsgemäß nur die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden anteilig abgeschöpft. Zu einem vollständigen Entzug der Umlagegrundlage und Nivellierung der Finanzkraft oder einer Rangplatzvertauschung kann es - hierdurch allein - schon systembedingt nicht kommen, weil der Grenzsatz bei 37,1x145=53,8 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 29, 31). Solche unerwünschten Wirkungen können allenfalls durch das Zusammenspiel einer progressiv gestaffelten Kreisumlage mit den weiteren Umlageverpflichtungen einer Gemeinde auftreten. Hierfür ergeben sich Anhaltspunkte aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 2014 vorgelegten Zahlen zur Finanzkraft je Einwohner ausgewählter Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Kyllburg vor und nach Abfluss sämtlicher Umlagen. Soweit sie auf eine bedenkliche Einebnung der Steuerkraftunterschiede und Veränderung der Steuerkraftreihenfolge hindeuten, mag dies wirtschaftspolitisch bedenklich sein (vgl. Littmann, in: Lüder, Schriftreihe der Hochschule Speyer, Bd. 122, S. 363 [373]). Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt diese Unschärfe die sachliche Berechtigung progressiver Umlagesätze im Gesamtsystem des Finanzausgleichs nicht in Frage (vgl. hierzu auch VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [402, 405 ff.]), was auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Danach ist der progressive Kreisumlagesatz am Maßstab des Gleichbehandlungssatzes alleiniger Prüfungsgegenstand, ohne dabei das Zusammenwirken mit anderen Umlagen in Betrachtung ziehen zu müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 29-31).

33

Hinzu kommt, dass eine Veränderung der Steuerkraftreihenfolge durch die Kreisumlage allenfalls bei der Anknüpfung an die absoluten Steuereinnahmen denkbar ist, nicht aber wenn diese ins Verhältnis zu der - im Falle der Klägerin niedrigen - Einwohnerzahl gesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 31). Insofern werden durch eine Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl aber gleichwohl hoher Steuereinnahmen zwar besonders hart getroffen. Die Bemessung der überschießenden Steuerkraft einer Gemeinde nach der Einwohnerzahl ist aber sachlich gerechtfertigt. Sie entspricht dem Einwohner gleich Einwohner-Prinzip, welches dem geltenden Finanzausgleichssystem zugrunde liegt und auf die grundsätzliche Gleichbehandlung des Finanzbedarfs aller kommunalen Gebietskörperschaften nach Einwohnern abzielt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [397]).

II.

34

Des Weiteren verstößt die konkrete Ausgestaltung des Umlagesatzes nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG. Der Beklagte hat die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden dadurch in Rechnung gestellt, dass er nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (1.). Außerdem entzieht die Kreisumlage weder allein noch im Zusammenwirken mit anderen Umlagen der Klägerin die Umlagegrundlage (2.). Schließlich verstößt sie nicht gegen den in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung, weil die Klägerin ausgehend vom streitgegenständlichen Jahr 2009 durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen noch nicht auf Dauer strukturell unterfinanziert ist (3.).

35

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts garantiert Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Dabei lässt sich innerhalb des kreiskommunalen Raums weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, juris Rn. 13). Deshalb muss der Landkreis die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden bei der Festlegung des Umlagesatzes in Rechnung stellen und dabei nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenlegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen. Diesen Anforderungen wird der Beklagte dadurch gerecht, dass er bei seiner Haushaltsplanung von den Verbandsgemeindeverwaltungen unter Geltung des kameralen Haushaltsrechts Aufstellungen über die Steuerkraftmesszahlen, die Schlüsselzuweisungen, den Bestand der allgemeinen Rücklagen und der freien Finanzspitzen der Ortsgemeinden und der Verbandsgemeinden angefordert hat. Seit Einführung des doppischen Haushaltsrechts wird der allgemeine Finanzmittelbestand erfragt. Dies geschah und geschieht auch im Falle der Klägerin, was in der mündlichen Verhandlung von der Vertreterin der Verbandsgemeindeverwaltung bestätigt wurde. Mit diesen Informationen ist der Beklagte seiner Ermittlungspflicht ausreichend nachgekommen. Sie fließen in die Berechnung des Umlagesatzes und dadurch in den Haushaltsentwurf sowie die Haushaltssatzung ein, welche vom Kreistag beraten und beschlossen werden. Ohne dass es insoweit noch darauf ankommt, folgt eine umfassende Information der Beklagten über die Finanzsituation der kreisangehörigen Gemeinden auch aus der Vorlage der gemeindlichen Haushaltspläne, zu der die Kommunen gegenüber der Kommunalaufsicht verpflichtet sind. Schließlich sind die Kreistagsmitglieder häufig auch auf der Ebene der kreisangehörigen Gemeinden politisch tätig und haben auch von daher einen Überblick über die kommunale Finanzsituation.

36

2. Die Erhebung der Kreisumlage darf nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit (Ertragshoheit) entwertet wird. Deshalb wäre es mit Blick auf die den Gemeinden vom Grundgesetz zuerkannten Erträge aus der Gewerbesteuer und aus den Realsteuern (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und 2 GG) sowie der Einkommen- und der Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 5 und 5a GG) unzulässig, den Gemeinden durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen die Umlagegrundlagen praktisch zu Gänze zu entziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, juris Rn. 16). Dabei kommt es für die Beantwortung der Frage nach einer verfassungsrechtlich unzulässigen Abschöpfung der Umlagegrundlage nicht darauf an, ob der nach Umlageabfluss verbleibende Betrag zur Erfüllung nennenswerter gemeindlicher Aufgaben ausreicht. Die Wahrnehmung gemeindlicher Aufgaben im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang hängt nicht allein von der nach Umlageerhebung verbleibenden Steuerkraft, sondern von der „freien Finanzspitze“ der Gemeinde und damit auch von ihren sonstigen Einnahmen ab. Insofern ist entscheidend, ob sie über eine im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung verfügt (vgl. II. 3.).

37

Durch die im Jahre 2009 erfolgte Umlageerhebung ist der Klägerin die vom Landesfinanzausgleichsgesetz vorgegebene Umlagegrundlage, bestehend aus der Schlüsselzuweisung und der Steuerkraftmesszahl, nicht komplett entzogen worden. Vielmehr ist ihr ein Betrag von 25.932,00 € verblieben. Dabei musste die Gewerbesteuerumlage außer Betracht bleiben, da diese bereits bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl unberücksichtigt geblieben ist.

38

a) Bezugspunkt für die Ermittlung der Abschöpfungswirkung der von den kreisangehörigen Gemeinden erhobenen Umlagen ist die Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG. Danach sind Grundlage für die Berechnung der Kreisumlage - im Wesentlichen aber auch für die Verbandsgemeindeumlage - die Schlüsselzuweisungen und die Steuerkraftmesszahl nach § 13 LFAG. Die Steuerkraftmesszahl im Sinne des § 13 Abs. 1 LFAG wird gemäß § 13 Abs. 3 und 6 LFAG aufgrund des Ist-Aufkommens der jeweiligen Steuern in der Zeit vom 1. Oktober des vorvergangenen Jahres bis zum 30. September des vergangenen Jahres (Referenzzeitraum) ermittelt. Zudem werden die einzelnen Steuern mit den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 LFAG gewichtet, die im Falle der Klägerin bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer höher als die festgesetzten Hebesätze sind.

39

aa) Das Abstellen auf die Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG bei der Ermittlung des Abschöpfungsumfangs entspricht der Systematik des Landesfinanzausgleichsgesetzes. Da das Steueraufkommen des laufenden Jahres noch nicht bekannt sein kann, ergibt sich die Umlagehöhe eines Jahres nicht aus dem Steueraufkommen dieses Jahres, sondern aus dem des zeitlich vorgelagerten Referenzzeitraums. Hiervon ausgehend ist es folgerichtig, die Umlagegrundlage der Ermittlung der Abschöpfungswirkung zugrunde zulegen, aus der die maßgebliche Umlagehöhe folgt. Bei diesem Vergleich greifen nämlich die Umlagen auf das Steueraufkommen zu, welches die Festsetzung der Kreis- und Verbandsgemeindeumlage der Höhe nach bestimmt. Insofern besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Umlagebelastung, auch wenn die Umlage im Jahr ihrer kassenwirksamen Erhebung auf andere Ist-Einnahmen trifft als die, welche der Umlageberechnung zugrunde lagen.

40

Durch den Vergleich der Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den sich aus ihr ergebenden Umlagen wird auch der Nachteil vermieden, der eintritt, wenn die Umlagen eines Haushaltsjahres nicht in Bezug gesetzt werden zu dem nivellierten Steueraufkommen im Referenzzeitraum, sondern zu dem Steueraufkommen dieses Haushaltsjahres. Denn hierbei greifen die Umlagen auf Einnahmen zu, die in keiner Beziehung zu der Umlageermittlung stehen. Dies kann - wie im vorliegenden Fall die erheblichen jährlichen Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen und folglich den Salden aus Ist-Einnahmen und Umlagen zeigen - zu erheblichen Unterschieden bei der Abschöpfungswirkung von Umlagen führen, welche eine aussagekräftige Bewertung der Umlagebelastung verhindern. Solche Verzerrungen treten dann auf, wenn beispielsweise in einem Berechnungsjahr hohe Ist-Einnahmen angefallen sind, die Umlagebelastung aber wegen des niedrigen Steueraufkommens im Referenzzeitraum gering war. In diesem Fall ist der Abschöpfungsgrad niedrig. Im umgekehrten Fall, in dem die Ist-Einnahmen im Beurteilungsjahr gering sind, im Referenzjahr aber hoch waren, ist die Abschöpfung teilweise extrem stark, wie die den Beteiligten vorliegende Tabelle „Ist-Einnahmen abzüglich Umlagen“ zeigt.

41

bb) Außerdem verhindert das Abstellen auf nivellierte Steuereinnahmen, dass Gemeinden der Rechtmäßigkeit ihrer Umlagebelastung die aus geringen Hebesätzen resultierenden niedrigen Steuereinnahmen entgegenhalten können. Dies stellt entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen Eingriff in ihre Steuerhoheit dar, welche auch das Recht der Hebesatzfestsetzung umfasst. Denn die Klägerin wird nicht gezwungen, einen bestimmten (höheren) Hebesatz zu beschließen. Ihr bleibt es unbenommen, beispielsweise durch den Gewerbesteuerhebesatz die Ansiedlung von Gewerbebetrieben in ihrem Gemeindegebiet attraktiv zu machen. Der Klägerin ist lediglich der Einwand, ihre gesamte Umlagegrundlage werde durch die Umlageerhebungen verfassungswidrig aufgezehrt, insoweit abgeschnitten, als sie mit ihren Hebesätzen unterhalb der Nivellierungssätze bleibt. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich bei den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 LFAG um einheitliche und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehene Hebesätze handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 17), welche sich in etwa an den im Zeitpunkt der gesetzlichen Festlegung landesweiten Durchschnittssätzen orientieren.

42

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Festlegung eines Mindestsatzes von 200 v. H. für die Erhebung der Gewerbesteuer in § 16 Abs. 4 Gewerbesteuergesetz bejaht hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 und 2 BvR 2189/04 - juris). Die Bundeskompetenz folgt aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG, schließt aber kommunalrechtlich Landesregelungen nicht aus, aus denen sich Vorgaben für die Hebesatzfestsetzung ergeben. Denn Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG räumt den Gemeinden lediglich das Recht ein, die Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Deshalb müssen die Gemeinden auch bei der Festsetzung der Hebesätze ihrer gemäß § 93 Abs. 5 Gemeindeordnung - GemO - bestehenden Verpflichtung zur sparsamen und wirtschaftlich Haushaltsführung nachkommen. Hinzukommt die grundsätzliche Pflicht nach § 93 Abs. 4 GemO, den Haushalt jährlich auszugleichen. Dabei haben die Gemeinden gemäß § 94 Abs. 2 GemO die zur Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen aus speziellen Entgelten, im Übrigen aus Steuern zu erzielen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Gemeinden zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise ihre Kräfte größtmöglich anspannen, insbesondere ihre Einnahmenquellen angemessen ausschöpfen müssen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 - AS 41, 29 [58]). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zum Land, sondern auch im Verhältnis zum umlageerhebenden Landkreis. Im Übrigen schließt die von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete kommunale Finanzhoheit es sogar nicht aus, unter Umständen im Wege der staatlichen Kommunalaufsicht eine Senkung der Realsteuerhebesätze zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2012 - 8 C 43/09 - juris Rn. 27).

43

cc) Ist demnach die hier in Rede stehende Abschöpfungswirkung anhand eines Vergleichs der Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den sich hieraus ergebenden Umlagen zu ermitteln, ist dabei die Verbandsgemeindeumlage in Ansatz zu bringen, obwohl sie der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris, Rn. 34). Etwas anderes gilt für die Gewerbesteuerumlage. Sie darf von der Umlagegrundlage nicht abgezogen werden, weil sie gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 LFAG bei der Ermittlung der Steuerkraftzahl der Gewerbesteuer durch Abzug des Vervielfältigers für die Gewerbesteuerumlage nach § 6 Gemeindefinanzierungsgesetz (2009: 64 v.H.) bereits herausgerechnet wurde. Anderenfalls würde die Gewerbesteuerumlage zweimal berücksichtigt.

44

dd) Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf die Umlagebelastung der Klägerin im Jahre 2009 an, ergibt sich als Umlagegrundlage bestehend aus der Schlüsselzuweisung (2.877,00 €) und der Steuerkraftmesszahl (667.912,00 €) ein Betrag von insgesamt 670.789,00 €. Ihr steht eine Belastung der Klägerin durch die Kreisumlage (305.151,00 €), die Verbandsgemeindeumlage (301.855,00 €) und die Finanzausgleichsumlage (37.851,00 €) von insgesamt 644.857,00 € gegenüber. Demnach verbleiben der Klägerin im Jahre 2009 von der Umlagegrundlage 25.932,00 €, so dass ihr diese und damit ihre Steuerkraft nicht gänzlich entzogen wurde. Daher war sie zur Erfüllung ihrer Umlageverpflichtung auch nicht zur Kreditaufnahme gezwungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 40).

45

b) Die Frage, ob der Klägerin durch die von ihr im Jahre 2009 zu zahlenden Umlagen die Umlagegrundlage gänzlich entzogen wurde, wäre auch zu verneinen, wenn die Umlagen von den Ist-Einnahmen abgezogen würden. Dabei wäre - wie bereits ausgeführt [vgl. II. 2 .a) bb)] - auf die Einnahmen abzustellen, welche bei Festsetzung der Nivellierungssätze des § 13 Abs. 2 LFAG hätten erzielt werden können, damit die Klägerin mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit der Umlagen keine ungerechtfertigten Vorteile aus der Festsetzung niedriger Hebesätze herleiten kann. Abzusetzen wäre bei dieser Betrachtungsweise auch die Gewerbesteuerumlage, da diese in den Ist-Gewerbesteuereinnahmen - anders als in der Steuerkraftmesszahl (vgl. § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 LFAG) - noch enthalten ist.

46

aa) Im Unterschied zu dem Vergleich der Umlagegrundlage im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den erhobenen Umlagen [vgl. II. 2 a) aa)], für den das Bundesverwaltungsgericht keine „auf Dauer“ bezogenen Betrachtung verlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 16f) und bei dem wegen des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Einnahmen und darauf beruhenden Umlagen allein auf das streitentscheidende Jahr abgestellt werden kann, wäre bei der Gegenüberstellung der Ist-Einnahmen eines Haushaltsjahres und der in diesem Haushaltsjahr gezahlten Umlagen eine mehrjährige Betrachtung erforderlich. Dies beruht auf den bereits näher beschriebenen jährlichen Schwankungen der Gewerbesteuereinnahmen und folglich der Abschöpfungen, welche insbesondere darauf beruhen, dass die Umlagen auf Einnahmen zugreifen, die in keiner Beziehung zu der Umlageermittlung für das entsprechenden Haushaltsjahres stehen [vgl. II. 2 .a) aa)].

47

Ist demnach zur Vermeidung von Verzerrungen bei der Ermittlung der Abschöpfungswirkung von Umlagen bezogen auf die fiktiven Ist-Einnahmen eine mehrjährige Betrachtung der entsprechenden Salden geboten, erscheint insoweit ein Zehnjahreszeitraum als angemessen. Er ermöglicht eine ausgewogene Beurteilung der Gesamtentwicklung der Salden aus Einnahmen und Umlagen, welche die jährlichen Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen berücksichtigt. Insofern stellt der Senat auf die Jahre 2003 bis 2012 ab, für die gesicherte Zahlen vorliegen. Darüber hinaus ist dieser Zeitraum nicht willkürlich gewählt, sondern dem Umstand geschuldet, dass einerseits kürzere Zeiträume weniger aussagekräftig wären, andererseits Unterschiede in den einzelnen Haushaltsjahren durch die Betrachtung eines längeren Zeitraums zu stark relativiert würden. Außerdem findet der zugrunde gelegte Zehnjahreszeitraum eine Stütze in der Regelung der Gemeindehaushaltsverordnung – GemHVO - über den Haushaltsausgleich. Nach § 18 Abs. 4 GemHVO sind Jahresfehlbeträge mit den Jahresüberschüssen der fünf Haushaltsvorjahre zu verrechnen (Nr. 1). Verbleibende Jahresfehlbeträge sind innerhalb der folgenden fünf Haushaltsjahre auszugleichen (Nr. 2). Somit geht auch der Verordnungsgeber von einer Betrachtung der gemeindlichen Finanzsituation unter Berücksichtigung eines Zeitraumes von zehn Jahren aus.

48

bb) In den Jahren 2003 bis 2012 haben sich folgende Salden aus den fiktiven Ist-Einnahmen der Klägerin aus den Realsteuern bei Berücksichtigung der Nivellierungssätze, den Anteilen an dem Aufkommen der Umsatz- und Einkommensteuer, den Zahlungen aus dem Familienleistungsausgleich, den Schlüsselzuweisungen sowie den Erstattungen aus dem Fonds „Deutsche Einheit“, welche auf der Anrechnung der Gewerbesteuerumlageerhöhung im Sinne des § 6 Abs. 5 Gemeindefinanzreformgesetzes auf die Umlage zur Finanzierung des Fonds „Deutsche Einheit“ gemäß § 24 Abs. 4 LFAG beruhen (vgl. OVG RP Urteil vom 11. April 2008 - 2 A 10828/07.OVG -, juris Rn. 50ff),. abzüglich der Kreis- und Verbandsgemeindeumlagen, der FAG-Umlage und der Gewerbesteuerumlage ergeben:

49

HH-Jahr

Realsteuer-
Einnahmen
nach
Nivellierungssätzen

Umsatzsteuer

Einkommenssteuer

Familienleistungsausgleich

Schlüsselzuweisung

Erstattung
Fonds
Deutsch
Einheit

Fiktive
Ist-Einnahmen

2003   

387.287,06 €

20.256,80 €

83.524,34 €

7.386,24 €

890,00 €

1.354,00 €

500.698,44 €

2004   

411.244,80 €

20.128,97 €

79.653,54 €

8.821,35 €

1.556,00 €

6.012,00 €

527.416,66 €

2005   

501.730,77 €

20.429,35 €

82.456,81 €

7.018,31 €

1.843,00 €

3.455,00 €

616.933,24 €

2006   

450.716,86 €

21.594,95 €

89.013,22 €

8.068,42 €

3.331,00 €

6.121,00 €

578.845,45 €

2007   

692.969,20 €

23.767,44 €

96.659,55 €

9.350,16 €

1.528,00 €

5.530,00 €

829.804,35 €

2008   

590.591,79 €

25.272,52 €

113.712,73 €

10.793,35 €

1.609,00 €

7.026,00 €

749.005,39 €

2009   

506.059,36 €

28.243,12 €

100.955,03 €

10.358,91 €

2.877,00 €

6.493,00 €

654.986,42 €

2010   

386.374,15 €

29.127,65 €

99.561,41 €

11.165,63 €

3.062,00 €

4.301,00 €

533.591,84 €

2011   

522.985,46 €

31.287,63 €

109.155,13 €

11.861,98 €

3.721,00 €

3.622,00 €

682.633,20 €

2012   

454.956,93 €

31.449,57 €

108.666,69 €

11.457,86 €

4.522,00 €

4.065,00 €

615.118,05 €

                                                                       

Gesamt

4.904.916,38 €

251.558,00 €

963.358,45 €

96.282,21 €

24.939,00 €

47.979,00 €

6.289.033,04 €

50

HH-Jahr

Kreisumlage

VG-Umlage

FAG-Umlage

Gewerbesteuerumlage

Summe
Umlagen

Saldo fiktiver
Ist-Einnahmen/Umlagen

2003   

83.889,00 €

110.849,00 €

3.196,00 €

167.357,71 €

365.291,71 €

135.406,73 €

2004   

180.209,00 €

203.076,00 €

24.211,00 €

41.343,84 €

448.839,84 €

78.576,82 €

2005   

154.500,00 €

167.667,00 €

15.613,00 €

135.704,58 €

473.484,58 €

143.448,66 €

2006   

211.753,00 €

219.861,00 €

25.273,00 €

45.531,44 €

502.418,44 €

76.427,01 €

2007   

214.419,00 €

220.372,00 €

22.465,00 €

124.751,34 €

582.007,34 €

247.797,01 €

2008   

300.340,00 €

296.883,00 €

37.387,00 €

119.247,06 €

753.857,06 €

-4.851,67 €

2009   

305.151,00 €

301.855,00 €

37.851,00 €

78.839,68 €

723.696,68 €

-68.710,26 €

2010   

277.445,00 €

262.031,00 €

32.779,00 €

77.245,09 €

649.500,09 €

-115.908,25 €

2011   

212.453,00 €

210.334,00 €

21.275,00 €

71.672,29 €

515.734,29 €

166.898,91 €

2012   

247.553,00 €

235.872,00 €

22.206,00 €

104.340,29 €

609.971,29 €

5.146,76 €

                                                              

Gesamt

2.187.712,00 €

2.228.800,00 €

242.256,00 €

966.033,32 €

5.624.801,32 €

664.231,72 €

51

Bei der Bewertung dieser Zahlen, ergibt sich keine Überabschöpfung der nivellierten Ist-Einnahmen durch die Umlageerhebungen. Zwar ist die Belastung der Klägerin durch die Kreisumlage, Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage und Gewerbesteuerumlage im Jahr 2009 um 68.710,26 € höher als die fiktiven Ist-Einnahmen. Jedoch hat die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2007 nach Abfluss der Umlagen von den fiktiven Ist-Einnahmen Überschüsse zwischen 76.427,01 € (2006) und 247.797,01 € (2007) erzielt. Zwar waren die Umlagebelastungen in den drei darauffolgenden Jahren (2008 bis 2010) um 4.851,67 €, 68.710,26 € und 115.908,25 € höher als die fiktiven Ist-Einnahmen, jedoch wiesen die Salden zwischen Ist-Einnahmen und Umlagebelastungen in den Jahren 2011 und 2012 wieder positive Salden von 166.898,91 € beziehungsweise 5.146,76 € auf. Da somit die Umlagebelastung in diesen Jahren wiederum geringer als die fiktiven Ist-Einnahmen war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen die gesamten Steuereinnahmen auf Dauer entzogen werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis dadurch, dass über den hier maßgeblichen Zehnjahresraum der positive Saldo aus fiktiven Ist-Einnahmen und Umlagebelastung sich auf 664.231,72 €, also im Jahresdurchschnitt auf mehr als 66.000,00 € belief.

52

3. Des Weiteren verstößt die Erhebung der Kreisumlage durch den Beklagten nicht gegen den in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung der Klägerin, weil sie auch im Zusammenwirken mit anderen Umlagen noch nicht zu einer auf Dauer strukturellen Unterfinanzierung der Klägerin führt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen den Gemeinden mindestens so große Finanzmittel zustehen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzliche freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber noch merklichen Umfang wahrzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 19). Diesen Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung haben die Landkreis auch im Verhältnis zu den kreisangehörigen Gemeinden und damit bei der Erhebung der Kreisumlage zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 13f).

53

a) Bei der Beantwortung der Frage, ob die Klägerin durch die Erhebung der Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen auf Dauer strukturell unterfinanziert ist, ist auf einen Zehnjahreszeitraum abzustellen. Im vorliegenden Fall sind die Jahre 2003 bis 2012 zugrunde zulegen. Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt [vgl. II. 2. b) aa)], handelt es sich hierbei um einen aussagekräftigen Zeitraum, der im Übrigen auch in § 18 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 GemHVO eine normative Bestätigung gefunden hat. Bei der Beurteilung ihrer Finanzsituation ist die Klägerin des Weiteren so zu behandeln, als habe sie die Realsteuern nach den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 LFAG erhoben. Dies stellt - wie ebenfalls bereits dargelegt – [vgl. II. 2 a) bb)] keinen Eingriff in die Steuerhoheit der Klägerin dar und ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Klägerin wird nicht die Festsetzung eines bestimmten Hebesatzes aufgegeben. Sie kann sich lediglich insoweit nicht auf einen Verstoß gegen den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung berufen, als sie die Realsteuern nach geringeren als den Nivellierungssätzen erhebt. Im Übrigen ist die Steuerhoheit nur im Rahmen der Gesetze verfassungsrechtlich gewährleistet. Deshalb ist die Klägerin gemäß § 94 Abs. 2 Nr. 2 GemO grundsätzlich verpflichtet, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen gegebenenfalls durch Steuern zu beschaffen, um so den in § 93 Abs. 4 GemO vorgeschriebenen Haushaltsausgleich zu erreichen.

54

b) Bewertet man die in den Jahren 2003 bis 2012 bei der Klägerin entstandenen „freien Finanzspitzen“, kann der Senat eine auf Dauer vorliegende strukturelle Unterfinanzierung und dadurch einen Verstoß gegen den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung noch nicht feststellen. Nach den von dem Beklagten nicht bestrittenen Angaben der Klägerin bestanden in den genannten Jahren folgende, zum Teil negative „freie Finanzspitzen“:

55

HH-Jahr

2003   

2004   

2005   

2006   

2007   

Freie
Finanzspitze“

73.881,90 €

16.563,17 €

76.727,16 €

14.544,14 €

162.226,29 €

Fiktive
Mehreinnahmen

24.481,99 €

25.994,36 €

32.637,23 €

28.464.03 €

43.635,01 €

56

HH-Jahr

2008   

2009   

2010   

2011   

2012   

Freie
Finanzspitze“

-95.228,09 €

-158.376,94 €

-209.050,48 €

81.191,39 €

-57.429,84 €

Fiktive
Mehreinnahmen

37.220,82 €

31.918,79 €

24.500,34 €

17.939,83 €

12.813,31 €

57

Aus diesen Zahlen folgt, dass die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2007 durchweg positive „freie Finanzspitzen“ erzielte, die allerdings in den einzelnen Jahre höchst unterschiedlich waren. Insofern war die Klägerin in diesen Jahren ohne weiteres in der Lage, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben ohne Kreditaufnahme wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu waren die „freien Finanzspitzen“ in den Jahren 2008 bis 2010 und 2012 in bedeutender Höhe negativ, 2011 allerdings wieder deutlich positiv. Über den hier maßgeblichen Zehnjahreszeitraum erzielte die Klägerin per Saldo eine negative „freie Finanzspitze“ von (-) 94.951,30 €. Dieser negative Saldo wäre aber vermieden worden, wenn die Klägerin in dem Beurteilungszeitraum 2003 bis 2012 die Realsteuern, insbesondere die Gewerbesteuern, welche sie aus durchaus verständlichen strukturpolitischen Gründen niedrig hält, mindestens aufgrund der Nivellierungssätze erhoben und dadurch rechnerisch Mehreinnahmen von insgesamt 279.605,71 € erzielte hätte. Selbst wenn man nur auf die fiktiven Mehreinnahmen in den Jahren 2008 bis 2012 abstellt, in denen wegen der ab 2008 auftretenden negativen „freien Finanzspitzen“ spätestens besonderer Handlungsbedarf bestand, wäre der negative Saldo aus den Jahren 2003 bis 2012 (- 94.951,30 €) durch Realsteuermehreinnahmen von 124.393,09 € mehr als ausgeglichen worden. Im Übrigen zeigt das Auftreten einer positiven „freien Finanzspitze“ im Jahre 2011 von immerhin 81.191,84 €, dass von einer auf Dauer strukturellen Unterfinanzierung der Klägerin aufgrund der Umlageerhebungen auch dann nicht ausgegangen werden kann, wenn lediglich die fünf Jahre von 2008 bis 2012 als Beurteilungszeitraum herangezogen werden.

58

Ist demnach unter Berücksichtigung fiktiver Mehreinnahmen bei einer Realsteuererhebung aufgrund der Nivellierungssätze nicht vom Fehlen einer positiven „freien Finanzspitze“ auf Dauer auszugehen, konnte der Senat die zwischen den Beteiligten höchst umstrittene Frage offenlassen, welche Finanzmittel die Klägerin in den maßgeblichen Jahren für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben aufgewandt hat. Entsprechendes gilt für die weitere, dem politischen Gestaltungsspielraum der Klägerin unterfallende und deshalb kaum justiziable Frage, ob Art und Umfang der in den „guten Jahren“ wahrgenommenen freien Selbstverwaltungsaufgaben nach der Verschlechterung der Finanzsituation der Klägerin noch angemessen waren.

III.

59

Die Beklagte konnte der Festsetzung des Hebesatzes für die Kreisumlage auch Mittelansätze zugrunde legen, welche sich aus der Wahrnehmung von Aufgaben der Wirtschafts- und Fremdenverkehrsförderung ergeben. Dieser Aufwand betrifft allesamt überörtliche Angelegenheiten, die der Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LKO wahrnehmen und über die Kreisumlage finanzieren durfte.

60

1. Der Beklagte ist der flächenmäßig größte und zugleich am dünnsten besiedelte Landkreis in Rheinland-Pfalz. Er hat rund 94.000 Einwohner und besteht aus 235, überwiegend sehr kleinen und wenig leistungsfähigen Gemeinden. Fünf seiner sieben Verbandsgemeinden haben unter 10.000 Einwohner. Vor diesem Hintergrund übersteigen die den beanstandeten Mittelansätzen zugrunde liegenden Aufgaben nach ihrem Zuschnitt und ihren Auswirkungen allesamt den örtlichen Bereich der betreffenden Gemeinden und fallen daher als überörtliche Angelegenheiten jedenfalls auch in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

61

2. a) Dies gilt namentlich für die Förderung des Flugplatzes Bitburg, bei dem es sich um einen ehemaligen amerikanischen Militärflughafen handelt, der im Jahre 1994 für die zivile Nutzung frei wurde. Er ist mit 500 ha das größte Konversionsobjekt im Gebiet des Beklagten. Der Flughafen selbst, der über eine 3.000 m lange Start- und Landebahn verfügt, wird von der Flugplatz Bitburg GmbH betrieben. Er sollte nach dem Stand im Jahre 2009 zum Werft-, Fracht- und Regionalflughafen ausgebaut werden. Ihm angegliedert ist ein Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrum mit etwa 160 Unternehmen, 1.500 Hotelbetten sowie Anlagen für Urlaub, Sport und Tagungen, welches Arbeitsplätze für rund 1.200 Beschäftigte bietet. In die Infrastruktur des Geländes wurden mehr als 30 Millionen € investiert. Dieses Vorhaben, das als einheitliches Konversionsprojekt auch im vorliegenden Zusammenhang nicht in seine Einzelteile aufgespalten werden kann, geht damit nach seinem sachlichen Zuschnitt und seinen Auswirkungen auf Wirtschaft und Verkehr offenkundig weit über eine Gemeinde wie die Stadt Bitburg mit ihren rund 13.000 Einwohnern hinaus.

62

b) Die Beteiligung des Beklagten an der Flughafen Bitburg GmbH verstößt auch nicht gegen § 57 LKO i.V.m. § 85 Abs. 1 Nr. 3 GemO, wonach ein Landkreis wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern darf, wenn der hiermit verfolgte öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Der Beklagte ist - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - im Rahmen seines Prognose- und Gestaltungsspielraums in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass sich der Flughafen Bitburg jedenfalls in der „Anschubphase“ ohne eine Beteiligung der öffentlichen Hand und namentliche des Landkreises nicht verwirklichen lassen wird. Private Investoren, die das Projekt auch ohne weitere Beteiligung der öffentlichen Hand hätten umsetzen können und wollen, standen offenbar nicht in ausreichender Zahl und Stärke bereit. Dies entspricht der Erfahrung mit anderen Vorhaben dieser Art.

63

3. Des Weiteren durften die von der Klägerin beanstandeten Ausgaben für die Fremdenverkehrsförderung der Bemessung des Finanzbedarfs des Beklagten zugrunde gelegt werden. Das erklärte Ziel des Beklagten ist es, den ländlich strukturierten Kreis als Freizeit- und Ferienregion, insbesondere für Natururlauber voranzubringen, auch wenn ein einheitliches Konzept der Fremdenverkehrsförderung bislang nicht entwickelt wurde. Zu diesem Zweck habe man sich über die Jahre hinweg immer wieder an sog. „Leuchtturmprojekten“ beteiligt, welche die Anziehungskraft des Gesamtkreises für Urlauber steigern sollten. Hiervon ausgehend und angesichts des kreispolitischen Gestaltungsspielraums bei der Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben sind die in Rede stehenden Maßnahmen der Fremdenverkehrsförderung nicht zu beanstanden.

64

a) Dies gilt jedenfalls für die Beteiligung des Beklagten an dem Lehrpark Teufelsschlucht, dem Gaytal-Park, dem Skigebiet Schwarzer Mann, dem Stausee Bitburg und dem Erholungsgebiet Irsental. Bei diesen Vorhaben handelt es sich um großflächige Naturparks bzw. naturnahe Sport- und Freizeitgebiete, die nach ihrem Zuschnitt und ihren Auswirkungen über das Gebiet und die Leistungskraft einzelner Gemeinden hinausgehen. Sie sind nach Art und Größe geeignet, die Anziehungskraft des Gesamtkreises als Freizeit- und Ferienregion zu steigern, was die Förderung durch den Beklagten rechtfertigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte die in Rede stehenden Vorhaben nicht in Gänze übernommen hat, sondern sich an ihnen - über Zweckverbände oder Unterstützungsleistungen - in Anlehnung an ihre überörtliche Bedeutung lediglich beteiligt.

65

b) Auch die Beteiligung am Zweckverband Kurcenter Prüm fällt als überörtliche Angelegenheit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LKO in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Zwar unterscheidet sich das Kurcenter vom Zuschnitt her nicht mehr wesentlich von einem durchschnittlichen gemeindlichem Hallenbad. Nach seinen Auswirkungen geht es in dem ländlich strukturierten Raum des Beklagten jedoch über den örtlichen Bereich sowohl der Stadt als auch der Verbandsgemeinde Prüm hinaus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht in allen Verbandsgemeinden des Kreises ein Hallenbad vorgehalten wird. Das Kurcenter Prüm dürfte daher in nicht unerheblichem Maße auch Einwohner und Urlauber aus den Nachbargemeinden anziehen. Gleichzeitig trägt es zur Attraktivität des Kreises als Freizeit- und Ferienregion insgesamt bei. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Kurcenter im Rahmen des Schulschwimmens durch mehrere vom Kreis getragene Schulen genutzt wird.

IV.

66

Schließlich greift der Einwand der Klägerin nicht durch, der angefochtene Umlagebescheid sei ermessensfehlerhaft. Gemäß § 58 Abs. 4 LKO erheben die Landkreise jährlich eine Kreisumlage, soweit ihre Finanzmittel den Finanzbedarf nicht decken. Das Gesetz macht den Kreisen die Erhebung der Kreisumlage demnach zur Pflicht. Dabei hängt die Rechtmäßigkeit der Höhe des Umlagesatzes davon ab, ob die Kreisumlage in den Kernbereich der gemeindlichen Finanzausstattung eingreift (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn 25). Dies obliegt der gerichtlichen Überprüfung, ohne dass sich dabei Fragen der Ermessensausübung stellen.

67

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

68

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.

69

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

70

Beschluss

71

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 305.151,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz).

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig.

2

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis mit Bescheid vom 17. August 2009 zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbesteuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Kreisumlagebescheid sei rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage seien verfassungsgemäß, auch soweit sie den Landkreisen die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubten. Die Rheinland-Pfälzische Verfassung schreibe kein bestimmtes Verteilungssystem vor. Dem Gesetzgeber sei in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, das seine Grenze im Gebot interkommunaler Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot finde. Über diesen allgemeinen Maßstab hinaus müsse die gesetzliche Regelung berücksichtigen, dass Finanzkraftunterschiede im Wege des Finanzausgleichs grundsätzlich nur abgemildert, nicht aber eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürften. Die Kreisumlage als solche erweise sich als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems. Auch die im Landesfinanzausgleichsgesetz vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze stehe im Einklang mit den vorgenannten Maßstäben. Die Regelung beruhe auf sachlichen Gründen und füge sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Es erscheine vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräume, die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen verursachergerecht auszugleichen. Eine progressive Staffelung der Umlagesätze führe für sich genommen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden. Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sei auch nicht deshalb verletzt, weil eine solche Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl, aber gleichwohl hohen Steuereinnahmen besonders treffe. Auch die Ausgestaltung der Umlagesätze in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeine Grenze des Umlagesatzes unabhängig vom Aufgabenbestand des Kreises einerseits und der Gemeinde andererseits. Ein progressiv gestaffelter Umlagesatz, der für einzelne kreisangehörige Gemeinden nivellierend und übernivellierend wirke, sei mithin dann noch verfassungskonform, wenn für die Festsetzung sachlich einleuchtende Gründe vorlägen und diese auch sonst nicht als willkürlich oder rücksichtslos erschienen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte hätte im Jahre 2009 mit erheblichen finanziellen Engpässen zu kämpfen gehabt. Auch die von der Haushaltssatzung angeordnete Progression des Kreisumlagesatzes sei unbedenklich. Auf der Grundlage des vorliegenden Zahlenmaterials bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es hierdurch zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung der Finanzkraft unter den kreisangehörigen Gemeinden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr gekommen sei. Selbst wenn die Progression eine solche Wirkung gezeigt haben sollte, wäre die Klägerin hierdurch nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt. Aus Sicht des Kreises sprächen hierfür nämlich sachlich einleuchtende Gründe. Im beklagten Landkreis stünden einige wenige finanzstarke Gemeinden einer großen Zahl von Gemeinden mit weit unterdurchschnittlicher Finanzkraft gegenüber. Bei einem Verzicht auf die Progression wäre dem Beklagten zur Vermeidung eines noch größeren eigenen Haushaltsdefizits nichts anderes übriggeblieben, als den dann einheitlichen Umlagesatz weiter anzuheben. Hierdurch wären auch die ohnehin unterdurchschnittlich finanzkräftigen Gemeinden weiter geschwächt worden. Die Ausgestaltung des progressiven Umlagesatzes erscheine gegenüber den betroffenen Gemeinden auch nicht rücksichtslos. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die angeordnete Progression in Steigung und Höchstsatz hinter dem nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz zulässigen Maß zurückbleibe. Der Beklagte habe bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt. Die von der Klägerin beanstandeten Mittelansätze beträfen allesamt Angelegenheiten, die der Beklagte nach der Landkreisordnung als überörtliche Aufgaben der freien Selbstverwaltung wahrnehmen dürfe. Die Frage, inwieweit ein Landkreis unterstützend und ausgleichend im Bereich der allgemeinen Angelegenheiten tätig werden dürfe, stelle sich im vorliegenden Falle nicht.

4

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht sie geltend, der Beklagte nehme unzulässig gemeindliche Aufgaben wahr. Dies führe zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und zu einem überhöhten Umlagesoll. Die Wahl eines progressiven Umlagesatzes bewirke eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden oder sogar eine Veränderung der Finanzkraftreihenfolge. Die Erhebung der Kreisumlage in ihrer konkreten Ausgestaltung führe im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen würden und sie zur Umlagefinanzierung sogar Kredite aufnehmen müsse. Das Vorgehen des Beklagten sei mit Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass eine progressive Kreisumlage mit Art. 28 Abs. 2 GG dann nicht mehr vereinbar sei, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete aufgabenadäquate finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden strukturell nicht mehr gewahrt werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil wird den Anforderungen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt damit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der angefochtene Kreisumlagebescheid einer Rechtsgrundlage bedarf, dass er diese nur in § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) i.V.m. § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) sowie in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 finden kann und dass deren Gültigkeit voraussetzt, dass sie mit höherem Recht, namentlich mit Verfassungsrecht vereinbar sind. Insofern hat das Berufungsgericht allein das Verfassungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, nämlich Art. 49 LVerf in den Blick genommen und keinen Grund zur Beanstandung finden können; insoweit unterliegt sein Urteil nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht hat indes ungeprüft gelassen, ob die erwähnten Rechtsgrundlagen auch mit Bundesverfassungsrecht, vornehmlich mit Art. 28 Abs. 2, aber auch mit Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG vereinbar sind. Dies gilt es nachzuholen. Hierzu müssen zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe entfaltet werden (1.). Daran gemessen, erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts teilweise als beanstandungsfrei (2. und 3.), in anderer Hinsicht jedoch als unzureichend (4.). Da eine abschließende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die zudem landesrechtliche Rechtsfragen aufwerfen können, muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (5.).

11

1. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das ergibt sich schon aus Satz 1 der Garantie; das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, setzt voraus, dass die Gemeinden über eine Finanzausstattung verfügen, die sie hierzu in den Stand setzt. Es wurde im Übrigen durch die Anfügung von Satz 3 der Garantie bestätigt und noch materiellrechtlich verstärkt. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteile vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146 und vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161).

12

Die Finanzausstattung der Gemeinden ist ein Saldo aus Einnahmen und Abschöpfungen. Auf der Einnahmenseite tragen zur Finanzausstattung - neben Entgelten für spezielle Leistungen - Einnahmen aus Steuern (sogenannte Steuerkraft) sowie ergänzende Zuweisungen aus Landesmitteln nach Maßgabe des kommunalen Finanzausgleichs bei; dem stehen in negativer Hinsicht Bestimmungen in den Finanzausgleichs- und anderen Gesetzen über Umlagen gegenüber, die den Gemeinden Finanzmittel zugunsten anderer - regelmäßig höherstufiger - Verwaltungsträger wieder entziehen, sei es zugunsten der Kreise (Kreisumlage), sei es zugunsten von anderen Gemeindeverbänden (wie die Verbandsgemeindeumlage), sei es schließlich zugunsten von Land oder Bund (Finanzausgleichsumlage; Gewerbesteuerumlage). Die Kreisumlage erweist sich damit nicht nur als - herkömmliches und als solches fraglos zulässiges - Instrument zur Finanzierung der Kreise. Sie entzieht zugleich den kreisangehörigen Gemeinden Finanzmittel und zählt insofern zu den Instrumenten, welche in ihrem Zusammenwirken die Finanzausstattung der Gemeinden festlegen. Als solches muss sie den Anforderungen entsprechen, die das Verfassungsrecht für die Finanzausstattung der Gemeinden vorgibt (a); und ihre Wirkungen dürfen nicht dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (b).

13

a) Dem Gesetz- und sonstigen Normgeber kommt bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zu. Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Weder kommt dem Land für seinen eigenen Finanzbedarf ein Vorrang gegenüber dem kommunalen Bereich zu, noch lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG umgekehrt ein Vorrang des kommunalen Finanzbedarfs gegenüber demjenigen des Staates herleiten. Auch innerhalb des kreiskommunalen Raumes lässt sich weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Art. 28 Abs. 2 GG auch das sogenannte dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip entnommen. Hiernach muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber sich dafür entschieden hat, dass örtlich bezogene öffentliche Aufgaben möglichst dezentral, im Zweifel also auf der gemeindlichen Ebene erledigt werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <147 ff., 156>). Daraus lässt sich jedoch kein Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Ebene auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen herleiten. Das dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip bewirkt eine im Zweifel gemeindliche Aufgabenzuständigkeit und begründet in der Folge eine gemeindliche Ausgabenlast. Deshalb ist der hierdurch begründete Finanzbedarf der Gemeinden jedoch nicht gewichtiger als der Finanzbedarf anderer (höherstufiger) Verwaltungsträger, der diesen aus den ihnen (verfassungsgemäß) zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erwächst (vgl. auch Beschluss vom 3. März 1997 - BVerwG 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109). Art. 28 Abs. 2 GG regelt eine Kompetenzverteilung und gewährleistet gleichsam akzessorisch eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, trifft jedoch keine von der Aufgabenverteilung losgelöste, zusätzliche und eigenständige Regelung zur Verteilung öffentlicher Mittel.

14

Mit Blick auf die Kreisumlage kommt dem Grundsatz des finanziellen Gleichrangs zunächst und vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Kreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden zu. Mit der Kreisumlage werden bestimmte Finanzmittel im kreisangehörigen Raum zwischen dem Kreis und den Gemeinden verteilt. Das muss gleichmäßig geschehen (zum Gebot interkommunaler Gleichbehandlung: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris Rn. 80). Dabei ist von Bedeutung, dass der Kreis nicht nur die Befugnis zur einseitigen Erhebung der Kreisumlage hat, sondern dass er in bestimmter Hinsicht auch über das Ausmaß seiner Kreistätigkeit disponiert und damit seinen eigenen Finanzbedarf enger oder weiter stecken kann. Das darf er nicht beliebig; vielmehr muss er die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizupflichten, dass der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen darf. Es ist allenfalls dahin zu ergänzen, dass der Kreis auch verpflichtet ist, nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen.

15

Die Erhebung der Kreisumlage muss den allgemeinen Gleichheitssatz auch in horizontaler Dimension im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <393>; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 a.a.O. <287>). Fraglos zulässig ist es, den Finanzbedarf des Kreises nach linear gleichem Maßstab auf die kreisangehörigen Gemeinden umzulegen. Häufig werden steuerstärkere Gemeinden jedoch stärker herangezogen als steuerschwächere; dadurch erzielt die Kreisumlage zugleich einen steuerkraftausgleichenden Effekt. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Außerdem darf dies nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Länder im Länderfinanzausgleich hergeleitet (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. - BVerfGE 86, 148 <250 f., 253 f.>); es gilt gleichermaßen in Ansehung des Gebots der Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden bei der Kreisumlage.

16

Schließlich darf die Erhebung der Kreisumlage nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird. Das meint zunächst die Ertragshoheit. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Zwar erlaubt Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG eine Umlage zugunsten des Landes und des Bundes auf den Ertrag der Gewerbesteuer. Dadurch darf jedoch nur ein Teil des Gewerbesteuerertrages entzogen werden; ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig. Ähnliches gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG. Hiernach können die Länder die Erträge der Gemeinden aus den Realsteuern, aus der Einkommen- und aus der Umsatzsteuer zur Grundlage für weitere Umlagen nehmen. Auch dies darf nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen; unzulässig wäre es, den Gemeinden die genannten Umlagegrundlagen praktisch zur Gänze zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gelegentlich bemerkt, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG lasse sich ein besonderer Normgehalt nicht entnehmen, weshalb die Vorschrift von Teilen der Literatur sogar für überflüssig erachtet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 a.a.O. <391 f.>). Die Frage eines Totalentzugs der Umlagegrundlagen war jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

17

Die Steuerhoheit umfasst neben der Ertragshoheit auch eine gewisse Regelungsbefugnis. Insofern gewährleistet das Grundgesetz den Gemeinden in Ansehung der Realsteuern und - nach Maßgabe von Bundesrecht - auch in Ansehung ihres Anteils an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 GG) eine eigene Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer "finanziellen Eigenverantwortung" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 u.a. - BVerfGE 125, 141 <160 ff.>). Die Erhebung von Umlagen darf nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit entwertet wird. Die rheinland-pfälzischen Bestimmungen über die Bemessung der Kreisumlage sehen deshalb vor, dass die Gemeinden nicht mit ihren tatsächlichen, sondern mit fiktiven Steuereinnahmen veranschlagt werden, denen ein einheitlicher und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehener Hebesatz zugrunde gelegt wird. Dieses Verfahren ist einwandfrei. Ob andere Bemessungsweisen gleichermaßen zulässig wären, bedarf keiner Entscheidung.

18

b) Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürfen weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird. Insofern zieht Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze.

19

Ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, hinter die der (Landes-)Gesetzgeber auch bei einer allgemeinen Notlage der öffentlichen Haushalte nicht zurückgehen darf, haben das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181> und vom 7. Februar 1991 a.a.O. <386>; vgl. aber auch Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <168>) und das Bundesverwaltungsgericht (vgl. aber Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) bislang nicht entschieden. Die Verfassungsgerichte der Länder haben ihren jeweiligen Landesverfassungen derartige Mindestgarantien entnommen und dies - soweit die Ausstattung aus Landesmitteln in Rede steht - allenfalls gelegentlich unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt; die Gemeinden müssen hiernach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine "freie Spitze" verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. Dezember 1977 - VGH 2/74 - DVBl 1978, 802 <805> und vom 18. März 1992 - VGH 3/91 - NVwZ 1993, 159 <160> m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - 2/97 - ESVGH 49, 242; Bayerischer VerfGH, Entscheidungen vom 27. Februar 1997 - Vf. 17 VII-94 - VerfGHE BY 50, 15 <41> und vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 - VerfGHE BY 60, 184; VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September1999 - 28/98 - NVwZ-RR 2000, 129 <130>; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 11. Mai 2006 - 1/05 u.a. - LKV 2006, 461 und vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris; Niedersächsischer StGH, Urteile vom 15. August 1995 - 2/93 u.a. - OVGE 45, 486, vom 25. November 1997 - 14/95 u.a. - OVGE 47, 497 und vom 7. März 2008 - 2/05 - NdsVBl 2008, 152 <156 f.>; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 16/02 - OVGE 50, 306; Urteile vom 11. Dezember 2007 - 10/06 - OVGE 51, 272 und vom 19. Juli 2011 - 32/08 - DVBl 2011, 1155; VerfGH Saarland, Urteile vom 10. Januar 1994 - Lv 2/92 - NVwZ-RR 1995, 153 <154> und vom 13. März 2006 - Lv 2/05 - juris; VerfGH des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 - LKV 2001, 223 <224>; LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 - NVwZ 2007, 78; Thüringer VerfGH, Urteile vom 12. Oktober 2004 - 16/02 - DVBl 2005, 443, vom 21. Juni 2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <667> und vom 18. März 2010 - 52/08 - LKV 2010, 220; aus der Literatur: Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 248 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 1. Januar 2013, Art. 28 Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 102; Hufen, DÖV 1998, 276 <280>).

20

Dieser Rechtsprechung ist für das Bundesverfassungsrecht beizupflichten. Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG ergibt sich, dass der anerkannte "Kernbereich" der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung zu erstrecken ist. Der Gesetzgeber muss die öffentliche Verwaltung also so organisieren, dass unterhalb der (staatlichen) Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene eingerichtet wird, der ein eigenständiges, eigenverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur in singulären Angelegenheiten, sondern grundsätzlich universell ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 a.a.O. <146 f.>). Dieser kommunale Bereich darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss auch finanziell ermöglicht werden. Der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wäre mithin (auch) dann verletzt, wenn von einer kommunalen Selbstverwaltung zwar vielleicht de jure, aber jedenfalls nicht mehr de facto die Rede sein könnte, weil den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel fehlen.

21

Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gemeinden in Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG bestimmte Steuereinnahmen zuerkannt und damit die gemeindliche Finanzausstattung zu einem Teil bereits von Bundesverfassungsrechts wegen gesichert hat. Daraus lässt sich nicht folgern, dass eine weitergehende bundesverfassungsrechtliche Sicherung nicht gewollt gewesen sei. Das Gegenteil ist richtig. Dass Art. 28 Abs. 2 GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanzielle Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu. Auch die Einfügung des Satzes 3 in Art. 28 Abs. 2 GG belegt die Überzeugung des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass die Selbstverwaltungsgarantie angesichts zunehmender Überbürdung kostenträchtiger Aufgaben auf die Kommunen gerade in finanzieller Hinsicht noch zusätzlicher Verstärkung bedurfte.

22

Klargestellt werden muss, dass dieser "Kerngehalt" die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren - das verfassungsrechtliche Minimum - bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist. Der Landesgesetzgeber könnte also eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden in diesem Sinne nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass auch die Haushaltslage des Landes notleidend ist. Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar (so auch Tettinger/Schwarz, a.a.O. Rn. 248 ff.). Ob anderes gelten kann, wenn das Land selbst unter Ausschöpfung aller eigenen Steuerquellen und unter möglichster Verminderung ausgabenträchtiger öffentlicher Aufgaben des Landes und der Kommunen zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Mindestpflicht außerstande wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Lage ist nicht erkennbar; der Beklagte macht nur eine eigene Haushaltsnotlage geltend, nicht aber einen Haushaltsnotstand des gesamten Landes.

23

2. Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht auf der gesetzlichen Grundlage in § 58 Abs. 4 LKO, § 25 LFAG. Das Berufungsgericht ist fraglos davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das hält den Einwänden, die namentlich der Vertreter des Bundesinteresses erhebt, im Ergebnis stand.

24

a) Der Vertreter des Bundesinteresses weist zum einen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Februar 2012 (- VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 = DVBl 2012, 432) die Bestimmungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Zuweisungen aus Landesmitteln (§§ 7 bis 18 LFAG) für verfassungswidrig erklärt hat. Das bleibt freilich für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung. Zwar nimmt § 25 LFAG auf § 13 LFAG und damit auf eine der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften Bezug. Jedoch wird damit nicht die Gültigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln zur Voraussetzung auch für die Gültigkeit der Bestimmungen über die Kreisumlage erhoben. Die Bezugnahme auf § 13 LFAG soll vielmehr lediglich die Umlagegrundlagen festlegen. Sie dient daher nur einer regelungstechnischen Vereinfachung, um eine eigenständige Wiederholung innerhalb des § 25 LFAG zu ersparen. In Ansehung der Umlagegrundlagen kann § 13 LFAG auch unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln Bestand haben. Hinzu kommt, dass das Landesverfassungsgericht die §§ 7 bis 18 LFAG zwar für verfassungswidrig, aber für das hier in Rede stehende Umlagejahr 2009 nicht auch für nichtig erklärt hat; das Gesetz verliert vielmehr erst Ende 2013 seine Gültigkeit, wenn der Gesetzgeber bis dahin den verfassungsrechtlichen Einwänden nicht Rechnung getragen hat.

25

b) Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt zum anderen, dass § 58 Abs. 4 LKO zu weit gefasst sei. Nach dieser Vorschrift erhebt der Kreis eine Kreisumlage, soweit seine sonstigen Finanzquellen seinen Finanzbedarf nicht decken. Damit macht sie den Kreisen die Erhebung einer Kreisumlage zur Pflicht, deren Soll-Aufkommen sich nach ihrem Wortlaut allein nach dem gesamten ungedeckten Finanzbedarf des Kreises bemisst, ohne hierbei die gebotene Rücksicht auf den eigenen Finanzbedarf und die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden zu nehmen. Mit diesem Inhalt könnte die Vorschrift tatsächlich keinen Bestand haben; sie würde den Grundsatz des Gleichrangs zwischen dem Finanzbedarf des Kreises und demjenigen der kreisangehörigen Gemeinden und damit das interkommunale Gleichbehandlungsgebot in vertikaler Hinsicht verletzen und im Extremfall dazu führen, dass der Kreis eine eigene Unterfinanzierung stets auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen dürfte oder gar müsste, selbst wenn diesen dadurch nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene Mindestausstattung verbliebe. Die Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer solchen Interpretation. Sie ist vielmehr für eine verfassungskonforme Auslegung offen, wonach der Kreis zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt wird, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt wird, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zwingend und jedenfalls dann nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsste, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

26

3. Die Klägerin hat gegen die Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 zum einen eingewendet, der Beklagte finanziere die Wahrnehmung von Aufgaben, für die ihm die Zuständigkeit fehle; zum anderen verletze der gewählte progressive Umlagesatz das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung in dessen horizontaler Dimension. Das Berufungsgericht hat diese Einwände zurückgewiesen. Das hält den Angriffen der Revision stand.

27

a) Die Klägerin bemängelt, der Beklagte nehme Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahr, für die ihm die Zuständigkeit fehle, was zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und dementsprechend zu einem überhöhten Umlagesoll führe. Dieser Einwand verfängt nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sämtliche von der Klägerin insofern angesprochenen Aufgaben kreisörtlicher Natur ("auf das Kreisgebiet bezogen") sind und deshalb vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKO wahrgenommen werden dürfen. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Dann aber steht fest, dass es sich nicht um gemeindliche Aufgaben handelt, die der Kreis lediglich im Rahmen seiner Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion (nach § 2 Abs. 5 LKO) oder gar in Wahrnehmung seiner "Kompetenzkompetenz" (nach § 2 Abs. 3 und 4 LKO) übernehmen dürfte. Damit stellt sich auch die verfassungsrechtliche Frage nicht, ob es mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar wäre, wenn der Kreis gemeindliche Aufgaben an sich zieht, die Gemeinden aber zugleich über die Kreisumlage zu deren Finanzierung heranzieht.

28

b) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie den progressiven Umlagesatz als solchen betreffen.

29

Der Umlagesatz besagt als solcher noch nichts über die den Gemeinden nach Erhebung der Umlage verbleibende Finanzausstattung. Die Progression führt auch nicht dazu, dass die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen werden; im vorliegenden Fall liegt der Grenzsatz bei 37,1 x 150 = 55,65 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. Der Umlagesatz ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und ob er Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden übermäßig nivelliert. Insofern sind Einwände nicht zu erheben.

30

Ein einheitlicher Umlagesatz wahrt den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 LFAG), ein progressiver Satz wahrt ihn, wenn für die Progression ein sachlicher Grund besteht (vgl. Urteil vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <288 f.> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Progression - der nur überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinden unterliegen - dem Verursachungsprinzip Rechnung tragen soll; diese Gemeinden werden auf diese Weise verstärkt herangezogen, weil ihre besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an die Kreise ist, was ohne Progression zu einer stärkeren Belastung der finanzschwächeren Gemeinden führen müsste. Darin hat es beanstandungsfrei einen zureichenden sachlichen Grund für den progressiven Umlagesatz gesehen.

31

Dessen Anwendung führt auch nicht dazu, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden vollständig eingeebnet würden oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert würde. Das ist bei der gewählten stufenweisen Anhebung des in Prozent ausgedrückten Umlagesatzes schon rechnerisch ausgeschlossen. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall; die Klägerin ist auch nach Durchführung der Umlage die steuerstärkste Gemeinde im Kreis. Dass sie selbst zu anderen Ergebnissen gelangt, ist darauf zurückzuführen, dass sie auf ihre absoluten Steuereinnahmen abstellt und diese nicht ins Verhältnis zu ihrer - geringen - Einwohnerzahl setzt. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung. Was angemessen ist, bestimmt sich zuvörderst nach dem Finanzbedarf, dieser aber ist maßgeblich abhängig von der Einwohnerzahl. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Finanzkraftvergleich zwischen den verschiedenen kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl vornimmt.

32

4. Die Klägerin hatte aber drittens und vor allem geltend gemacht, die Erhebung der Kreisumlage entziehe ihr - im Zusammenwirken mit anderen Umlagen - praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

33

a) Vorab ist festzuhalten, dass der Einwand der Klägerin beachtlich ist. Der Beklagte muss bei der Bemessung der Kreisumlage die anderen Umlagepflichten der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Der Landesgesetzgeber stellt die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land; Instrumenten der Finanzzuweisungen zugunsten der Gemeinden (insbesondere Schlüsselzuweisungen) stehen gegenläufige Instrumente der Finanzabschöpfungen (insbesondere Umlagen) gegenüber. Insofern tritt die Kreisumlage neben andere Umlagen unter Gemeinden. Der Vertreter des Bundesinteresses weist zutreffend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber dieses System des Finanzausgleichs als Ganzes zu verantworten hat; er ist verpflichtet, eine angemessene Finanzausstattung, wenigstens aber die Mindestausstattung der Gemeinden im Gesamt seines Regelwerks zu gewährleisten. Dabei muss er diejenigen Vorgaben beachten, die vom Bundesgesetzgeber selbst und damit von einem vorrangigen Normgeber gesetzt werden. Deshalb muss er auch die Belastungen der Gemeinden aus der Gewerbesteuerumlage in Rechnung stellen.

34

Bei der nötigen Gesamtbetrachtung kann die Verbandsgemeindeumlage (§ 26 LFAG) nicht ausgeblendet werden. Sie dient zwar der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben und kommt der Klägerin - einer Ortsgemeinde - damit selbst zugute. Die Klägerin kann jedoch über ihre Mitgliedschaft in der Verbandsgemeinde nicht frei entscheiden und kann auch den Umfang der von dieser wahrgenommenen örtlichen Aufgaben nicht beeinflussen. Vielmehr werden die Verbandsgemeinden aus Gründen des Gemeinwohls gebildet (vgl. § 64 GemO) und nehmen bestimmte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgrund Gesetzes an Stelle der Ortsgemeinden wahr (§§ 67, 68 GemO). Insofern liegt die Sache anders als bei der Samtgemeindeumlage nach niedersächsischem Recht (vgl. Urteil vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161). Vor allem aber stünde eine "freie Spitze" nicht der Verbandsgemeinde, sondern unverändert der Ortsgemeinde zu, die auch nur selbst Inhaberin des verfassungsrechtlichen Aufgabenzugriffsrechts, also des Rechts ist, sich jeder "unbesetzten" öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft aus eigenem Willensentschluss anzunehmen.

35

b) Das Berufungsgericht ist auf den Einwand der Klägerin bislang nur unter Anlegung eines unzureichenden und teilweise fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstabs eingegangen. Es hat den Kreis nämlich von der Pflicht zur Beachtung der verfassungsgebotenen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden dispensiert und angenommen, die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie werde in jedem Fall erst dann verletzt, wenn der Kreis seine eigenen Interessen einseitig und willkürlich gegenüber den Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetze. Das wird den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht gerecht.

36

Der Schutz- und Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 (und 3) GG gilt zugunsten der Gemeinden auch in deren Verhältnis zum Kreis. Für "den kommunalen Raum", also das Gesamt von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, besteht kein abweichendes Sonderrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <150 f., 152>). Daraus folgt, dass der oben umschriebene "Kernbereich" der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch nicht zugunsten des jeweiligen Kreises angetastet werden darf. Das gilt für jedwede Finanzregelung, gleichgültig ob sie vom Land oder vom Kreis selbst erlassen wurde; weder darf eine Regelung des Landesgesetzgebers zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden führen, noch darf eine Regelung eines Kreises diese Wirkung haben. Damit wird auch der Kreisumlage eine absolute Grenze gezogen; ihre Erhebung darf nicht dazu führen, dass das absolute Minimum der Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten wird.

37

Demgegenüber will das Berufungsgericht die Kreise bei Erlass von Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage von der Pflicht zur Beachtung des "Kernbereichs" jedenfalls dann dispensieren, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert ist; die Regelungsbefugnis des Kreises sei auch in diesem Falle erst überschritten, wenn der Kreis seine Interessen willkürlich und rücksichtslos zulasten der Gemeinden verfolgt. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. So wenig wie das Land kann sich der Kreis von der Beachtung des "Kernbereichs" der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Hinweis auf seine eigene Haushaltslage dispensieren. Richtig ist, dass der Kreis - anders als das Land - regelmäßig nicht über eine nennenswerte Kompetenz zur Erschließung zusätzlicher Steuerquellen verfügt, um seine Finanznot zu lindern (dazu Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 115 f.). Das suspendiert indes nicht die Geltung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie. Ist die eigene Finanzausstattung des Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten; er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen. Darauf weist der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hin.

38

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Defiziten, da es einen Haupteinwand der Klägerin - die Kreisumlage entziehe ihr die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung - auf unzureichender Grundlage zurückgewiesen hat.

39

5. Der Senat kann über die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf Vorbringen des Beklagten eingegangen werden, was zusätzliche tatsächliche Feststellungen erfordert, die zudem landesrechtliche Würdigungen voraussetzen. Das ist dem Bundesverwaltungsgericht verschlossen; deshalb muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

40

a) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass im Zusammenwirken der Kreisumlage mit anderen Umlagen sämtliche Steuereinnahmen der Klägerin abgeschöpft würden und die Klägerin darüber hinaus noch zur Kreditaufnahme gezwungen werde, um ihre Umlageverpflichtungen zu erfüllen. Er meint, dass die Gewerbesteuerumlage nicht gesondert und zusätzlich zu berücksichtigen sei, weil sie bereits bei Festlegung der Nivellierungssätze als Höchstgrenze für die Umlagezahlungen Berücksichtigung finde. Ob das zutrifft, wird zu prüfen sein.

41

b) Zum anderen - und vor allem - behauptet der Beklagte, die Kumulation von Umlagepflichten habe für die Klägerin nur im Jahr 2009 zu einer derart hohen Belastung geführt. Die Erhebungsmethode habe in diesem Jahr zu einem überdurchschnittlich hohen Umlagebetrag geführt, dem jedoch im Folgejahr ein entsprechend niedrigerer Betrag gefolgt sei. Auch dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie wird nicht schon dann verletzt, wenn die Finanzausstattung einer Gemeinde nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minimum zurückbleibt; zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung. Der Kernbereich der Garantie ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein hessischer Landkreis, wendet sich gegen eine kommunalaufsichtliche Anweisung des beklagten Landes, für das Haushaltsjahr 2010 den Hebesatz für die Kreisumlage zu erhöhen.

2

Der Kreistag des Klägers beschloss am 11. Dezember 2009 in der Haushaltssatzung für das Jahr 2010 einen Hebesatz für die Kreisumlage in Höhe von 32,5 %. Die vom Kläger in einer Bürgermeisterversammlung angehörten Gemeinden hatten sich gegen eine Erhöhung des Kreisumlagesatzes gewandt. Zusammen mit der Schulumlage von 22,5 % ergab sich danach eine Umlageverpflichtung der kreisangehörigen Gemeinden gegenüber dem Kreis von insgesamt 55 %.

3

Mit Bescheid vom 15. April 2010 genehmigte die Kommunalaufsicht des Beklagten die Haushaltssatzung unter der aufschiebenden Bedingung einer Erhöhung des Hebesatzes für die Kreis- und Schulumlage um 3 % auf insgesamt 58 %. Andernfalls werde der Beklagte den Kläger entsprechend aufsichtlich anweisen. Zur Begründung verwies der Beklagte auf das Haushaltsdefizit des Klägers in Höhe von 34 Mio. €, das größte Defizit unter den hessischen Landkreisen. Von einer Kreisumlageerhöhung könne allerdings in dem Umfang, in dem der Kläger die veranschlagten ordentlichen Aufwendungen noch reduziere, abgesehen werden.

4

Eine Erhöhung der Umlage lehnte der Kreistag jedoch ab, weil der Kreishaushalt nicht zu Lasten der Gemeinden saniert werden solle, während das Land sich aus der Aufgabenfinanzierung des Kreises zurückziehe. Es sei beabsichtigt, gegen eine kommunalaufsichtliche Anweisung Klage zu erheben.

5

Daraufhin wies der Beklagte den Kläger mit kommunalaufsichtlicher Verfügung vom 9. Juli 2010 an, die Kreisumlage bis zum 30. Juli 2010 auf 35,5 % festzusetzen, ordnete die sofortige Vollziehung der Anweisung an und drohte die Ersatzvornahme an. Der Kläger verletze seine Pflicht zum Haushaltsausgleich aus § 92 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Er sei nach § 37 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG-HE) verpflichtet, eine Kreisumlage zu erheben, soweit die sonstigen Einnahmen zum Haushaltsausgleich nicht ausreichten. Bereits für das Haushaltsjahr 2009 sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass eine Erhöhung der Kreisumlage angesichts seiner defizitären Situation unumgänglich sei. Nach der Konsolidierungsleitlinie des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport liege die Obergrenze für einen Gesamthebesatz aus Kreis- und Schulumlage mit Rücksicht auf die Gemeinden bei 58 %. Bis zu dieser Grenze halte der Beklagte die Kreise zur Hebung ihres Umlagesatzes an. Die Gemeinden könnten zum Ausgleich unverschuldeter Rechnungsfehlbeträge beim Land Finanzhilfen aus dem Landesausgleichsstock beantragen.

6

Nachdem der Kläger der Anweisung nicht nachkam, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 2. August 2010 im Wege der Ersatzvornahme den Hebesatz für die Kreisumlage auf 35,5 % fest. Der Kläger erließ auf dieser Grundlage Umlagebescheide. Hiergegen legten sämtliche kreisangehörigen Gemeinden Widerspruch ein.

7

Der Kläger hat am 14. Juli 2010 Klage gegen die Anweisungsverfügung vom 9. Juli 2010 erhoben. Mit Urteil vom 14. Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben, soweit der Kläger darin zur Festsetzung des Kreisumlagesatzes auf 35,5 % angewiesen worden war. Den ursprünglich weiteren Antrag auf Rückgängigmachung der Vollziehung der Anweisungsverfügung hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommen; insoweit hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Kommunalaufsicht könne eine rechtswidrige Haushaltssatzung lediglich beanstanden. Eine Anweisung zu konkreten Maßnahmen in Bezug auf einen Haushaltsausgleich greife in unzulässiger Weise in den Gestaltungsspielraum des Kreises sein.

8

Mit Berufungsurteil vom 14. Februar 2013 hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Für den Beklagten habe kommunalaufsichtlicher Handlungsbedarf bestanden, nachdem der Kläger seine Pflicht zum Haushaltsausgleich wiederholt nicht beachtet habe. Der Kläger sei in seiner anhaltenden defizitären Situation nach § 92 Abs. 3 HGO i.V.m. § 37 FAG-HE zur Erhebung der Kreisumlage mindestens in der angewiesenen Höhe verpflichtet gewesen. Zuweisungen aus dem Landeshaushaltsstock habe er nicht beantragt. Er habe daher den unter Berücksichtigung der Belange der zahlungspflichtigen Gemeinden höchstmöglichen Hebesatz festsetzen müssen. Die Grenze, welche sowohl den Finanzbedarf des Klägers als auch die Leistungsfähigkeit der zahlungspflichtigen Städte und Gemeinden berücksichtige, liege nach den Berechnungen des Beklagten bei 58 %. Diesen der Konsolidierungsleitlinie des Innenministeriums entnommenen Erfahrungswert habe der Beklagte seiner Anweisung zugrunde legen dürfen. Die genannte, auch für die übrigen Landkreise geltende Obergrenze habe auch der Kläger inzwischen im Rahmen der Verhandlungen über Entschuldungshilfen nach dem hessischen Schutzschirmgesetz akzeptiert. Die kommunalaufsichtliche Anweisung sei jedenfalls zur Verringerung des Defizits des Klägers geeignet, auch wenn sie nicht zum Ausgleich des gesamten Haushaltsdefizits führe. Sie sei mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Selbstverwaltung des Klägers vereinbar. Der Beklagte habe über längere Zeit letztlich erfolglose Verhandlungen mit dem Kläger über eine Ausgabenreduzierung und Einnahmeerhöhung geführt. Der Kläger habe sich nicht einmal an sein eigenes Haushaltskonsolidierungskonzept gehalten. Die Kommunalaufsicht habe ihre Maßnahme nicht auf eine Beanstandung der Haushaltssatzung beschränken müssen. Nach den Vorberatungen sei deutlich gewesen, dass mit einer Beanstandung keine Erhöhung des Hebesatzes und damit keine Verringerung des Defizits hätte erreicht werden können. Außerdem wäre sie mit den Nachteilen einer vorläufigen Haushaltsführung verbunden gewesen, welche nicht für einen längerfristigen Einsatz gedacht sei. Die Verhältnismäßigkeit der Anweisung werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Land möglicherweise seine Finanzierungspflichten gegenüber dem Kläger verletzt habe. Diese seien nicht Gegenstand des Verfahrens.

9

Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsurteil verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 28 Abs. 2 GG. Er habe gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf finanzielle Ausstattung zur Erledigung der eigenen und der ihm übertragenen Aufgaben. Seine Haushaltsnotlage sei nicht durch eine eigene Pflichtverletzung herbeigeführt worden. Der Verstoß gegen die Pflicht, ihn auskömmlich auszustatten, liege vielmehr in der Sphäre des Beklagten. Demgegenüber trügen die Gemeinden keine Verantwortung für seine Finanznot. Der in der angefochtenen Anweisung vorgesehene Kreisumlagesatz sei willkürlich und unverhältnismäßig. Die konkreten Verhältnisse im Landkreis seien nicht geprüft worden. Die Anweisungsverfügung greife in sein Recht auf eigenverantwortliche Festlegung des Hebesatzes ein. Seine Entscheidung, den Hebesatz bei insgesamt 55 % zu belassen, sei mit Rücksicht auf die finanzielle Situation der kreisangehörigen Gemeinden getroffen worden.

10

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Februar 2013 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 14. Februar 2012 zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Er ist der Auffassung, das Selbstverwaltungsrecht des Klägers werde durch die Verpflichtung zum Haushaltsausgleich begrenzt. Bei Vorliegen der landesrechtlichen Voraussetzungen bestehe unabhängig von den Ursachen des Haushaltsdefizits eine Rechtspflicht zur Erhöhung der Kreisumlage. Eine mangelhafte Ausstattung des Klägers durch das Land sei weder in tatsächlicher Hinsicht belegt, noch folge sie aus der zwischenzeitlichen Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 - (NVwZ 2013, 1151). Die von ihm, dem Beklagten, angesetzte Obergrenze für eine Kreisumlage in Höhe von 58 % stelle einen hinreichenden finanziellen Spielraum für die umlagepflichtigen Gemeinden sicher. Für fast alle kreisangehörigen Gemeinden habe sich im Jahr 2010 auch nach diesem Hebesatz eine geringere Umlagehöhe ergeben als im Vorjahr. Zum Zeitpunkt der Anweisung sei nicht bekannt gewesen, dass die finanzielle Situation der kreisangehörigen Gemeinden vergleichbar schlecht wie diejenige des Klägers gewesen sei. Der Beklagte habe seine Finanzaufsicht über den Kläger in ermessensfehlerfreier Weise im Rahmen des bestehenden Systems des kommunalen Finanzausgleichs ausgeübt.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses verweist darauf, dass die Verpflichtung des Kreises zum Haushaltsausgleich durch das Recht der Gemeinden auf finanzielle Mindestausstattung begrenzt sei. Auch den Kreisen komme ein Recht auf Mindestausstattung gegenüber dem Land zu.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angegriffene Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

15

1. Das Berufungsgericht ist konkludent von der Zulässigkeit der Klage und damit auch von einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die Anfechtung der Anweisungsverfügung des Beklagten vom 9. Juli 2010 ausgegangen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den Verwaltungsakt der kommunalaufsichtlichen Anweisungsverfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1964 - 8 C 29.63 - BVerwGE 19, 121 <123>) auch nach Ablauf des Haushaltsjahres 2010 im Hinblick auf die Einschränkung seines Selbstverwaltungsrechts beschwert und sieht sich den Widersprüchen der kreisangehörigen Gemeinden gegen die vom Beklagten verlangte und mit dessen nachfolgender Ersatzvornahme vom 2. August 2010 umgesetzte Erhöhung der Kreisumlage ausgesetzt. Dass der Kläger nicht auch gegen die kommunalaufsichtliche Ersatzvornahme vorgegangen ist, ändert nichts. Ob eine kommunalrechtliche Ersatzvornahme ein der Bestandskraft fähiger eigenständiger Grundverwaltungsakt oder eine Maßnahme des Vollstreckungsrechts ist, bestimmt sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Normen der Gemeindeordnung (vgl. dazu Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 1167, 1169). Die hier im Berufungsurteil konkludent getroffene Bewertung, dass es für die Zulässigkeit der gegen die Anweisungsverfügung gerichteten Klage einer Anfechtung auch der Ersatzvornahme nicht bedurfte, unterliegt daher nicht der revisionsgerichtlichen Prüfung. Im Übrigen wäre ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers jedenfalls dadurch gegeben, dass er im Falle eines Obsiegens im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Rücknahme der Ersatzvornahme des Beklagten vom 2. August 2010 geltend machen könnte.

16

2. Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Berufungsgericht die Klage in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils als unbegründet abgewiesen. Prüfungsmaßstab ist insofern allein die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung des Klägers aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 Halbs. 1 GG. Die revisionsgerichtliche Überprüfung muss von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO; BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <91 f.>). Bundesrecht kann allerdings eine verfassungskonforme Auslegung der irrevisiblen landesrechtlichen Normen durch das Revisionsgericht gebieten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 C 6.13 - juris Rn. 11).

17

Die angegriffene Verfügung greift in die kommunale Finanzhoheit des Klägers als Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ein, welche die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens beinhaltet (BVerfG, Beschlüsse vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 <369> und vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181>; Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 <117>; Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808/82, 2 BvR 1809/82, 2 BvR 1810/82 - BVerfGE 71, 25 <36>). Die für Kreise als Gemeindeverbände und für Gemeinden gleichermaßen geltende Gewährleistung der finanziellen Eigenverantwortung ist notwendiges Korrelat der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung; sie ist durch die Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 GG um Satz 3, wonach die Gewährleistung der Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst, klarstellend verstärkt worden (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <160>; BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <94 f.> und vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 11). Zu den von der Finanzautonomie des Kreises umfassten Entscheidungen gehört auch die Festsetzung der Höhe der landesrechtlich vorgesehenen Kreisumlage.

18

Die den Gemeindeverbänden gewährleistete Garantie der kommunalen Selbstverwaltung kann allerdings vom Gesetzgeber ausgestaltet und beschränkt werden. Unter den in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG normierten Gesetzesvorbehalt fallen auch landesrechtliche Regelungen über die staatliche Kommunalaufsicht, wie sie hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in § 54 Abs. 1 der Hessischen Landeskreisordnung (HKO) i.V.m. §§ 135 ff. HGO bestehen. Die staatliche Rechtsaufsicht über die Kreise ist wie bei den Gemeinden ein verfassungsrechtlich gebotenes Korrelat der kommunalen Selbstverwaltung (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 602/83, 2 BvR 974/83 - BVerfGE 78, 331 <341>; BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1964 - 8 C 29.63 - BVerwGE 19, 121 <122 f.> und vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <97>). Bei der Erhebung der Kreisumlage besteht im Hinblick auf die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG lediglich eine staatliche Rechts-, aber keine Fachaufsicht. Dies sieht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch Art. 137 Abs. 3 der Hessischen Verfassung (HV) vor.

19

3. Die Voraussetzung für ein kommunalaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegenüber dem Kläger im Wege einer Anweisung nach § 54 HKO i.V.m. § 139 HGO, die Verletzung einer dem Kläger obliegenden Verpflichtung, war hier gegeben.

20

a) aa) Das Berufungsgericht hat den landesrechtlichen Normen des § 52 Abs. 1 HKO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 HGO eine Pflicht des Klägers zum Haushaltsausgleich entnommen, von der nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfe. Lasse die Haushaltsnotlage eines kommunalen Aufgabenträgers einen vollständigen Ausgleich trotz äußerster Sparsamkeit und Ausschöpfung aller Einnahmequellen nicht zu, so bestehe jedenfalls eine Pflicht, das Haushaltsdefizit so gering wie möglich zu halten.

21

Diese Auslegung des Landesrechts ist mit der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar (vgl. dazu bereits BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <98>). Die landesrechtliche Verpflichtung, einen Haushaltsausgleich herbeizuführen, jedenfalls aber sich ihm so weit wie möglich anzunähern, sichert den Gestaltungsspielraum des Trägers der kommunalen Selbstverwaltung in der Zukunft. Sie schränkt zwar den gegenwärtigen Entscheidungsspielraum der Kommune ein, kommt jedoch dem langfristigen Erhalt ihrer Handlungsmöglichkeiten zugute und dient damit der Gewährleistung der in Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Autonomie. Auf welchem Wege das Ziel des Haushaltsausgleichs erreicht wird, liegt dabei - soweit unterschiedliche Konsolidierungsmaßnahmen in Betracht kommen - in der Gestaltungsfreiheit des kommunalen Trägers. Lässt die gegenwärtige Haushaltsnotlage einen vollständigen Haushaltsausgleich nicht zu, ist auch eine Pflicht zur Defizitminimierung bei Wahrung eines vorhandenen Gestaltungsspielraumes des Trägers der kommunalen Selbstverwaltung mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar.

22

Keiner Erörterung bedarf, ob auch die Verpflichtungen von Bund und Ländern aus den verfassungsrechtlichen Regelungen zur Haushaltsdisziplin (sog. Schuldenbremse, vgl. Art. 109 Abs. 3 GG) sowie ihre unionsrechtlich begründeten Stabilitätsverpflichtungen (Art. 126 Abs. 2 AEUV, Art. 109 Abs. 2 GG) auf die Rechtsposition der in Art. 109 Abs. 3 GG nicht ausdrücklich genannten Träger der kommunalen Selbstverwaltung einwirken (kritisch hierzu Waldhoff, Rechtsfragen der Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, Rechtsgutachten für den Landtag Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2015, LT-Information 16/249, S. 37 ff.). Auf die rechtlichen Folgen der Schuldenbremse für das Verhältnis zwischen dem Kreis und dem Land kommt es hier schon deswegen nicht an, weil das Haushaltsjahr 2010 noch nicht vom zeitlichen Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse erfasst wird (vgl. Art. 143 d Abs. 1 GG).

23

bb) Der Kläger hat seine aus § 52 Abs. 1 HKO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 HGO folgende Pflicht zur Aufstellung eines für das Jahr 2010 ausgeglichenen Haushalts verletzt. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Tatsachengerichts war für jenes Haushaltsjahr nach dem vom Kreistag beschlossenen Haushalt ein Defizit von 34 Mio. € zu erwarten. Infolge dessen hätte die Bilanz für 2010 sogar ein negatives Eigenkapital erreicht.

24

Die berufungsgerichtliche Annahme einer Pflichtverletzung ist revisionsrechtlich nicht schon deshalb zu beanstanden, weil dem Kläger ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung trotz aller Anstrengungen nicht möglich gewesen wäre. Neben der vom Beklagten verfügten Erhöhung der Kreisumlage waren im Verlaufe der Verhandlungen der Beteiligten auch Einsparmöglichkeiten auf der Ausgabenseite des klägerischen Haushaltes genannt worden, deren Anrechnung auf die Erhöhung des Kreisumlagesatzes der Beklagte in seiner aufschiebend bedingten Haushaltsgenehmigung zunächst zugestanden hatte. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass er noch Ausgabenkürzungen hätte beschließen können. Sein Vortrag, er nehme zu 99 % Pflichtaufgaben wahr, schließt nicht aus, dass er die ihm übertragenen Aufgaben im Einzelnen noch sparsamer hätte erledigen können. Unabhängig davon, welches Ausmaß an Einsparungen dabei erreichbar gewesen wäre, war der Kläger jedenfalls im Umfang der ihm möglichen Sparmaßnahmen und Umlageerhöhung landesrechtlich zur Annäherung an einen Haushaltsausgleich verpflichtet.

25

Seiner gesetzlichen Pflicht zur Minimierung des Haushaltsdefizits kann sich der klagende Kreis auch nicht durch Verweis auf eine seiner Auffassung nach unzureichende Finanzierung durch das beklagte Land entziehen. Solange es ihm möglich ist, Maßnahmen zur Haushaltssanierung zu ergreifen, ist es aus Sicht der Garantie der Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden, wenn er landesrechtlich zu entsprechendem Handeln verpflichtet ist. Hiervon ist die Frage zu trennen, ob eine kommunalaufsichtliche Verfügung zur Verringerung des Haushaltsdefizits verhältnismäßig ist, wenn das Land als Träger der Kommunalaufsicht wegen unzureichender Finanzierung eine Mitverantwortung am Haushaltsnotstand des Kreises trägt (dazu unten 6.).

26

b) aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus den landesrechtlichen Vorschriften der § 53 Abs. 2 HKO und § 37 FAG-HE über die Erhebung der Kreisumlage wegen der anhaltenden Haushaltsnotlage des Klägers dessen Verpflichtung entnommen, den Kreisumlagesatz auf das unter Berücksichtigung der Belange der kreisangehörigen Gemeinden Höchstmögliche festzusetzen. Auch hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

27

Nach § 53 Abs. 2 HKO kann der Landkreis, soweit seine sonstigen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen, um seinen Bedarf zu decken, nach den hierfür geltenden Vorschriften eine Kreisumlage von den kreisangehörigen Gemeinden erheben. § 37 Abs. 1 FAG-HE sieht eine Verpflichtung der Landkreise zur Erhebung einer Kreisumlage von ihren Gemeinden vor, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen der Landkreise und die Leistungen nach dem Finanzausgleichsgesetz zum Ausgleich des Haushalts und zum Ausgleich von Fehlbeträgen aus Vorjahren nicht ausreichen. Das Berufungsurteil sieht in § 37 Abs. 1 FAG-HE eine Vorschrift, welche die Ermächtigung zur Umlageverpflichtung nach § 53 Abs. 2 HKO ausfüllt und wegen der defizitären Haushaltssituation des Klägers zu einer Rechtspflicht verdichtet, die Grenze des bei Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden Möglichen auszuschöpfen.

28

Diese Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften steht mit den Grundsätzen in Einklang, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden bei der Erhebung der Kreisumlage entwickelt hat. Hiernach darf der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen. Dies folgt aus dem in Art. 28 Abs. 2 GG angelegten Grundsatz des Gleichrangs des Finanzbedarfes eines jeden Verwaltungsträgers im kreiskommunalen Raum. Neben dem Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden, dem Verbot der Einebnung von Steuerkraftunterschieden zwischen den Gemeinden und der Achtung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit hat der umlageerhebende Kreis auch zu gewährleisten, dass die durch Art. 28 Abs. 2 GG gebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden nicht unterschritten wird. Die Garantie des Kerngehalts der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden zieht der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze dort, wo sie zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden führen und ihnen dadurch die Möglichkeit zu einem eigenständigen und eigenverantwortlichen Handeln nehmen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 <380 ff., 391>). Die eigene finanzielle Notlage stellt den Kreis nicht von der Pflicht zur Beachtung des Kernbereichs der gemeindlichen Selbstverwaltung frei. Vielmehr muss sich der Kreis bei unzureichender eigener Finanzausstattung seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten und kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O. Rn. 37).

29

Die Grenze für den höchstmöglichen Kreisumlagesatz, den der finanziell notleidende Kreis nach § 37 Abs. 1 FAG-HE festzusetzen hat, liegt nach dem Berufungsurteil dort, wo die Leistungsfähigkeit der zahlungspflichtigen Gemeinden endet. Diese Auslegung der nur beschränkt revisionsgerichtlich zu überprüfenden landesrechtlichen Norm trägt dem Schutz der finanziellen Mindestausstattung der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG hinreichend Rechnung.

30

bb) Nach den tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils hätte der Kläger den Kreisumlagesatz für das Haushaltsjahr 2010 weit über die Grenze des den zahlungspflichtigen Gemeinden Zumutbaren hinaus bei ca. 70 % festsetzen müssen, um zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Angesichts der Größenordnung seines Defizits musste er aufgrund des dargestellten Landesrechts den höchstmöglichen Kreisumlagesatz unabhängig davon ausschöpfen, ob auch auf der Ausgabenseite des Haushaltes noch Einsparungen möglich waren. Es begegnet daher aus Sicht des Bundesrechts keinen Bedenken, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger bei der Entscheidung über den konkreten Kreisumlagesatz abverlangt hat, seine Kräfte zur Sanierung des notleidenden Haushalts bis zur Grenze des ihm rechtlich Möglichen anzuspannen.

31

Das Berufungsurteil stellt ausdrücklich fest, dass die Grenze des unter Berücksichtigung der Belange der zahlungspflichtigen Gemeinden Möglichen nach den Berechnungen des Beklagten bei insgesamt 58 % der Bemessungsgrundlagen einschließlich einer Kreisumlage von 35,5 % lag und dass dieser Hebesatz den Finanzbedarf des Klägers wie auch die Leistungsfähigkeit der zahlungspflichtigen Städte und Gemeinden berücksichtigte. Gegen diese tatsächlichen Feststellungen ist der Kläger nicht mit revisionsrechtlichen Verfahrensrügen vorgegangen. Er hat auch in der Sache nicht geltend gemacht, mit der vom Beklagten angewiesenen Höhe der Kreisumlage werde die Leistungsfähigkeit aller oder einzelner kreisangehöriger Gemeinden überschritten. Nach dem von den Tatsacheninstanzen ermittelten Ablauf des kommunalaufsichtlichen Verfahrens wie auch nach eigenem Vortrag hat der Kläger die finanzielle Belastbarkeit der betroffenen Gemeinden im Übrigen selbst nicht konkret ermittelt, sondern sich auf Angaben in einer Bürgermeisterversammlung gestützt, wonach die Gemeinden bei einer Anhebung des Umlagesatzes in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.

32

4. Lagen nach alldem die Voraussetzungen für ein aufsichtliches Einschreiten vor, so war der Beklagte nicht auf das Aufsichtsmittel einer Beanstandung nach § 54 HKO i.V.m. § 138 HGO beschränkt, sondern durfte dem Kläger durch eine Anweisung nach § 54 HKO i.V.m. § 139 HGO eine Erhöhung des Kreisumlagesatzes um 3 % vorgeben.

33

Nach § 54 HKO i.V.m. § 138 HGO (Beanstandung) kann die Aufsichtsbehörde Beschlüsse und Anordnungen des Kreises, die das Recht verletzen, aufheben, während sie den Kreis nach § 54 HKO i.V.m. § 139 HGO bei Vorliegen einer Pflicht- oder Aufgabenverletzung anweisen kann, innerhalb einer bestimmten Frist das Erforderliche zu veranlassen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass eine reine Beanstandung des Beschlusses des Kreistages über den Kreisumlagesatz nicht geeignet gewesen wäre, um eine Verringerung des Defizits des Klägers zu gewährleisten. Dagegen lässt sich nichts erinnern.

34

a) Die Kommunalaufsicht darf allerdings nicht im Wege einer "Einmischungsaufsicht" in Entscheidungsspielräume eindringen, die sich den kommunalen Aufgabenträgern eröffnen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 602/83, 974/83 - BVerfGE 78, 331 <341, 343>). Einnahmen- wie ausgabenseitig Maßnahmen zum Haushaltsausgleich zu ergreifen, ist Aufgabe der Entscheidungsgremien des kommunalen Aufgabenträgers. Innerhalb eines bestehenden Gestaltungsspielraums ist es der Kommunalaufsicht untersagt, der Kommune bestimmte Maßnahmen alternativlos vorzuschreiben. Auf der Ausgabenseite ist die Aufsichtsbehörde grundsätzlich darauf beschränkt, eine Reduzierung der Mittel für freiwillige Leistungen insgesamt anzumahnen, ohne konkrete Mittel oder einzelne Ansätze vorzuschreiben. Entsprechendes muss für die Einnahmenseite gelten (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 Rn. 24 f.).

35

Erfüllt der kommunale Aufgabenträger seine Pflichten nicht, ist die Aufsichtsbehörde freilich nach sachgerechter Ausübung ihres Entschließungs- und Auswahlermessens zur Beanstandung und Aufhebung einer pflichtwidrigen Maßnahme befugt (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 Rn. 26). Besteht zudem in Anbetracht der haushaltswirtschaftlichen Beschlüsse des kommunalen Aufgabenträgers und des unmittelbar bevorstehenden zeitlichen Auslaufens einer realisierbaren Handlungsmöglichkeit, um der Rechtswidrigkeit des kommunalen Handelns abzuhelfen, keine Auswahl alternativ zu ergreifender verschiedener Maßnahmen mehr, darf die Aufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht auch weitergehend in die Selbstverwaltung der Kommune eingreifen und ihr aufgeben, in welcher Weise sie einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen hat. Dabei hat sie die schonendste, am wenigsten in die Gestaltungsautonomie des kommunalen Aufgabenträgers eingreifende Maßnahme zu wählen.

36

b) Nach diesem Maßstab ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger zu einer Erhöhung des Kreisumlagesatzes angewiesen hat. Er hat damit eine effektive Aufsichtsmaßnahme gewählt, ohne durch Vorgaben zu konkreten Haushaltseinsparungen noch weitergehend in den kommunalpolitischen Gestaltungsspielraum des Klägers einzugreifen. Hinzu kommt, dass eine Kreisumlageerhöhung nach § 37 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 FAG-HE nur noch bis zum 31. August des Haushaltsjahres 2010 zulässig war. Angesichts des drohenden Auslaufens des Zeitraumes für diese Haushaltsmaßnahme war die Aufsichtsbehörde unabhängig davon, ob eine Fortführung der vorläufigen Haushaltsführung nach § 52 HKO i.V.m. § 99 HGO rechtlich möglich und haushaltswirtschaftlich geeignet gewesen wäre, nicht gehalten, sich auf rein kassatorische aufsichtliche Maßnahmen gegenüber dem Kläger zu beschränken. Sie musste im Rahmen des nach Art. 28 Abs. 2 GG Zulässigen ein möglichst effektives Aufsichtsmittel wählen und mit Blick auf den herannahenden Zeitpunkt des § 37 Abs. 5 FAG-HE auch berücksichtigen, dass zur rechtswirksamen Umsetzung eines Haushaltskonsolidierungsbeitrages noch Zeit für eine Ersatzvornahme bleiben musste. Dies schränkte den Spielraum des Beklagten, dem klagenden Kreis erneut Gelegenheit zu eigenem gestalterischen Handeln zu geben, zusätzlich ein. Der Beklagte musste nach den über mehrere Monate geführten erfolglosen Verhandlungen mit dem Kläger und dessen ausdrücklichen Bekundungen außerdem davon ausgehen, dass der Kreistag weder eine Erhöhung des Umlagesatzes noch Einsparmaßnahmen in gleich wirksamer Höhe erlassen würde.

37

Der Beklagte war in diesem Stadium des Aufsichtsverfahrens auch nicht verpflichtet, in seiner Anweisung eine Möglichkeit der Anrechnung von Einsparmaßnahmen, welche der Kreistag etwa noch hätte fassen können, auf den Umfang der Kreisumlageerhöhung vorzusehen. Zwar hatte er noch in seiner aufschiebend bedingten Genehmigung der Haushaltssatzung eine solche Anrechnung in Aussicht gestellt und dadurch besondere Rücksicht auf den zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Gestaltungsspielraum des Kreises genommen. Er war aber nicht verpflichtet, nach fruchtlosem Ablauf der in der Genehmigung gesetzten Frist beim Erlass seiner kommunalaufsichtlichen Anweisung dasselbe, dem Kreis entgegenkommende Aufsichtskonzept beizubehalten. Um einen spürbaren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung des Klägers zu erzielen, war die angewiesene Umlageerhöhung unabhängig von etwaigen zusätzlichen Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite erforderlich. Es war nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen deutlich, dass eine dreiprozentige Hebesatzerhöhung angesichts der Größenordnung des klägerischen Haushaltsdefizits für sich genommen bei weitem nicht zu einem Haushaltsausgleich führen, gleichwohl in jedem Falle einen greifbaren Beitrag zur Defizitminimierung darstellen würde. Eine Anrechnungsmöglichkeit für Einsparungen auf die Umlageerhöhung wäre zudem in der Kürze der bis Ende August 2010 verbleibenden Zeit kaum mehr praktikabel gewesen, weil sich die Aufsichtsbehörde vor einer Reduzierung der angewiesenen Umlageerhöhung hätte vergewissern müssen, dass angebotene Einsparmaßnahmen tatsächlich umsetzbar waren.

38

Nimmt man den gesamten Verlauf des kommunalaufsichtlichen Einwirkens des Beklagten auf den Kläger für das Haushaltsjahr 2010 in den Blick, dann ist dem Kläger nicht alternativlos eine einzelne Konsolidierungsmaßnahme vorgegeben worden. Vielmehr hat die Aufsichtsbehörde ihm Gelegenheit zu eigenen Gestaltungsentscheidungen gegeben, bevor sie ihre Verfügung auf eine effektive Maßnahme konzentriert hat, die nach dem 31. August nicht mehr hätte getroffen werden können. Damit hat sie sich im Interesse der langfristigen Sanierung der Kreisfinanzen im Rahmen einer zulässigen Kommunalaufsicht gehalten.

39

5. a) Auch die in der angefochtenen Verfügung angewiesene Höhe des Hebesatzes für die Kreisumlage begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Zwar kommt es für die Frage, ob eine dem Finanzbedarf des Kreises dienende Kreisumlageerhöhung hinreichend Rücksicht auf den Finanzbedarf der Gemeinden nimmt, auf die Verhältnisse der konkreten kreisangehörigen und umlagepflichtigen Gemeinden an (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 14). Dem wird ein landesweit angelegter rechnerischer Maßstab, wie ihn hier der Beklagte und das Berufungsgericht der hessischen Konsolidierungsleitlinie entnommen haben, nicht ohne Weiteres gerecht. Wie oben ausgeführt, hat der Kläger jedoch keine Verfahrensrügen gegen die Feststellung in dem Berufungsurteil erhoben, dass eine Umlageverpflichtung in der angewiesenen Höhe die hier konkret zu betrachtenden kreisangehörigen Gemeinden nicht über Gebühr in Anspruch nahm. Revisionsgerichtlich ist daher davon auszugehen, dass der vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport für die Kommunalaufsicht vorgegebene Orientierungswert einer Umlagehöhe von insgesamt 58 % im Haushaltsjahr 2010 nicht in die von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete finanzielle Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden eingriff.

40

b) Der Beklagte hat nach dem revisionsrechtlich bindend festgestellten Sachverhalt auch nicht seine Ermittlungspflichten verletzt, die ihm bei der Wahrnehmung seiner kommunalaufsichtlichen Befugnisse oblagen, um eine gegenüber den kreisangehörigen Gemeinden hinreichend rücksichtsvolle Erhöhung des Hebesatzes zu gewährleisten. Auch insoweit hat der Kläger keine Verfahrensrügen gegenüber den berufungsgerichtlichen Feststellungen erhoben, dass der Rückgriff auf den landesweiten Erfahrungswert - der wohl eher einen verwaltungsinternen Orientierungswert darstellte - den Verhältnissen im klägerischen Landkreis angemessen war und dieser Wert vom Kläger inzwischen akzeptiert werde.

41

Legt der Kreis selbst den Kreisumlagesatz fest, so ist er verpflichtet, den eigenen Finanzbedarf und denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form offen zu legen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 14). Dafür wäre es nicht ausreichend, wenn sich der Kreis allein auf einen landesweiten Orientierungswert stützen würde. Der kreiseigene Finanzbedarf wird von diesem konkret ermittelt. Für den gleichrangigen Bedarf der umlagepflichtigen Gemeinden kann nichts anderes gelten.

42

Weist die Kommunalaufsicht den Kreis zu einer konkret bemessenen Umlageerhöhung an und hat der Kreis bislang keine hinreichenden eigenen Ermittlungen zum Finanzbedarf aller betroffenen kommunalen Träger durchgeführt, dann muss sie ihrerseits gewährleisten, dass der angewiesene Umlagesatz auf ausreichende Feststellungen gestützt werden kann. Sie darf den Kreis nicht zu einer rechtswidrigen Maßnahme anhalten, sondern hat allein auf die Einhaltung seiner Verpflichtungen hinzuwirken. Kommt der Kreis der Anweisung nicht nach und muss diese im Wege der kommunalrechtlichen Ersatzvornahme umgesetzt werden, dann wirkt die getroffene Maßnahme für und gegen den Kreis, als wenn dieser sie selbst getroffen hätte (vgl. Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 1162 f.). Der Kreis sieht sich möglicherweise Rechtsmitteln der umlagebelasteten Gemeinden gegen die von der Kommunalaufsicht verfügte Erhöhung des Hebesatzes ausgesetzt. Die Aufsichtsbehörde muss daher sicherstellen, dass die Maßnahme einer gerichtlichen Überprüfung anhand der für den Kreis geltenden rechtlichen Anforderungen standhält. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Aufsichtsbehörde die zur Festlegung des Umlagesatzes erforderlichen Ermittlungen angesichts ihrer eingeschränkteren praktischen Handlungsmöglichkeiten anders führt als der Kreis bei eigenem Handeln. Soweit die Kommunalaufsicht in einem ersten Schritt von einem landesweiten Richtwert für eine maximale Umlagehöhe ausgeht, so ist es Sache des Kreises, im Rahmen der gebotenen Anhörung vor einer rechtswirksamen Verfügung zur Festsetzung des Hebesatzes konkret darzutun, dass die Grenze der Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden mit diesem Wert überschritten wäre. Dies hat der Kläger hier jedoch weder im kommunalaufsichtlichen Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor den Tatsachengerichten geltend gemacht.

43

6. Die angegriffene Anweisungsverfügung greift schließlich nicht unverhältnismäßig in die Finanzhoheit des Klägers ein.

44

Die Auswahl des aufsichtlichen Mittels ist nicht zu beanstanden. Sie war darauf gerichtet und geeignet, dem Kläger zur Sicherung seiner künftigen Gestaltungsfreiheit Mehreinnahmen zu verschaffen. Weniger intensiv in die Finanzhoheit des Klägers eingreifende und dabei gleich geeignete Maßnahmen standen nicht zur Verfügung.

45

Die Maßnahme war auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Hierzu hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Anweisungsverfügung werde durch eine etwaige unzureichende Finanzausstattung des Klägers nicht in Frage gestellt. Das Berufungsgericht hat eine solche Minderausstattung seitens des beklagten Landes im Hinblick auf Art. 137 Abs. 5 HV und § 28 Abs. 2 FAG-HE zwar für möglich gehalten, hat hierzu aber - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.

46

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob auch den Gemeindeverbänden entsprechend ihrer aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Garantie eines Mindestaufgabenbestandes (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <352>) wie den Gemeinden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 <379>) ein Recht auf aufgabenadäquate finanzielle Ausstattung sowie auf eine abwägungsfeste finanzielle Mindestausstattung im "Kernbereich" ihrer Selbstverwaltungsgarantie zukommt (offen gelassen auch in: BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <386>; Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <361>). Denn der Kläger hat nicht alle Möglichkeiten genutzt, auf Grundlage bestehenden Landesrechts zusätzliche Finanzmittel beim Land zu erwirken (a). Zudem würde sich ein Anspruch auf (ergänzende) Finanzierung zur Gewährleistung der angemessenen Ausstattung des Kreises an den Landesgesetzgeber richten. Er würde jedoch nicht die Kommunalaufsicht als Exekutivbehörde in die Lage versetzen, von Maßnahmen abzusehen, deren es nach geltendem Gesetzesrecht zur Sicherung rechtmäßigenden Handelns der Kreise bedarf (b).

47

a) Wie das Berufungsgericht angemerkt hat, könnten sich weitere Finanzierungspflichten des Landes gegenüber dem Kläger für das hier relevante Haushaltsjahr 2010 bereits aus der bestehenden einfachgesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 FAG-HE ergeben haben. Diese Vorschrift sieht bei außergewöhnlichen Belastungen oder Härten bei der Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes sowie des Gemeindefinanzreformgesetzes des Landes Hessen die Möglichkeit einer Gewährung von Zuweisungen nicht nur an Gemeinden, sondern ausdrücklich auch an Landkreise vor. Zwar sehen die entsprechenden "Richtlinien über die Gewährung von Zuweisungen aus dem Landesausgleichsstock" des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 17. Februar 2009 (StAnz. 2009, S. 581 ff.) in Ziffer I Abs. 3 ab dem Jahr 2003 im Hinblick auf die Regelung in § 37 Abs. 1 FAG-HE keine Gewährung von Zuweisungen an Landkreise mehr vor und verweisen die Kreise damit auf das ihnen zur Finanzierung ihrer Aufgabenwahrnehmung gesetzlich gewährte Instrument der Kreisumlage; die Möglichkeit des Belastungs- oder Härteausgleichs soll dann nur die Folgen einer Überspannung der Gemeindehaushalte infolge der Kreisumlageerhebung mildern. Ob diese Richtlinie mit der gesetzlichen Regelung in § 28 Abs. 2 FAG-HE vereinbar ist, ist offen. Wie das Berufungsurteil feststellt, hat der Kläger Mittel aus dem Landesausgleichsstock nicht beantragt und damit auf eine rechtliche Klärung etwaiger gesetzlicher Ansprüche verzichtet. Bereits dies schließt eine Unverhältnismäßigkeit der kommunalaufsichtlichen Durchsetzung seiner Pflicht zur Annäherung an einen Haushaltsausgleich aus.

48

Des Weiteren hätte der Kläger verfassungsgerichtlich gegen eine seiner Auffassung nach unzureichende Finanzausstattung durch das Land vorgehen können. Auch insoweit hat er es unterlassen, über seine bisherigen Finanzierungsmittel hinausgehende Finanzierungsansprüche gerichtlich klären zu lassen.

49

b) Dass der Kreis sich wegen einer unzureichenden finanziellen Ausstattung an das Land (den Landesgesetzgeber) halten muss, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 37). Mit dem jeweiligen Landesfinanzausgleichsgesetz gestaltet der Landesgesetzgeber ein differenziert austariertes Gesamtsystem der wechselseitigen Finanzierungspflichten und Zuweisungsrechte der Aufgabenträger im Lande. Hierbei kommt ihm nach der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte ein nur beschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu (vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - 9/12 - Städte- und Gemeinderat 2014, Nr. 7-8, 45 = juris Rn. 36; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 - DÖV 1999, 687 <690>; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 <1035>; Thüringer VerfGH, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <671>; Thüringer VerfGH, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 - ThürVBl. 2010, 152 <153>; im Kontext des Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 GG vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juni 1986 - 2 BvF 1/83 u.a. - BVerfGE 72, 330 <391, 395 ff.>). Innerhalb seines Gestaltungsspielraums hat der Landesgesetzgeber auch eine fehlerfreie Ermittlungs- und Verteilungsmethodik zu wählen (vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 a.a.O. Rn. 37; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. S. 1036 f.). Eine entsprechende gestalterische Kompetenz, um die Angemessenheit des Teilbereichs des Finanzausgleichs zwischen Land und Kreis zu ermitteln und zu bewerten, kommt der Kommunalaufsichtsbehörde demgegenüber nicht zu.

50

Zu den maßgeblichen Finanzierungsquellen des Kreises gehört auch die in § 37 FAG-HE verankerte Kreisumlage selbst. Sie ist damit ihrerseits Verteilungsregel des Finanzausgleichs (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 1997 - 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109, 40<41>; Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 <380 f.>; zur historischen Entwicklung vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 <366 f.>) und Teil des Systems, welches insgesamt eine hinreichende Finanzausstattung u.a. der Kreise sicherstellen soll. Die Kommunalaufsichtsbehörde ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die im Finanzausgleichsgesetz enthaltenen Vorgaben für die Umlageerhebungspflicht des Kreises gebunden und hat deren Einhaltung durch den Kreis zu gewährleisten. Auch insofern kommt ihr eine Befugnis zur Korrektur der dort getroffenen gesetzgeberischen Entscheidungen nicht zu; das Aufsichtsermessen ist zu einer solchen Korrektur nicht eröffnet.

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.


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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2009.

2

Sie ist eine Ortsgemeinde mit 365 Einwohnern (Stand: 30. Juni 2008) und wurde für das Jahr 2009 zu einer Kreisumlage in Höhe von 305.151,00 € herangezogen. Da die Klägerin zu den Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft gehört, enthält die Umlage einen progressiven Anteil.

3

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin gegen den Umlagebescheid Klage erhoben. Die Umlage sei rechtswidrig, weil der Landkreis mit ihr auch Aufgaben der Wirtschafts- und Tourismusförderung finanziere, für die er nicht zuständig sei. Außerdem führe die Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zu Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen. Zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

4

Die Klägerin hat beantragt,

5

den Bescheid vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

6

Der Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte mit der Umlage keine Aufgaben finanziere, für die er nicht zuständig sei. Sowohl bei den Aktivitäten im Bereich des Fremdenverkehrs als auch bei der Wirtschaftsförderung handele es sich um überörtliche Angelegenheiten. Des Weiteren sei es auch nicht zu beanstanden, dass der Landkreis finanzstarke Gemeinden durch eine progressive Kreisumlage stärker belaste. Die Umlagebelastung der Klägerin verstoße auch nicht gegen das Gebot der kommunalen Rücksichtnahme.

9

Mit ihrer hiergegen eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die wahrgenommenen Aufgaben auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Tourismusförderung hätten keinen überörtlichen Charakter. Außerdem verletze der angegriffene Kreisumlagebescheid ihre verfassungsrechtlich garantierte Finanzhoheit, da unter Berücksichtigung der Kreisumlage, der Verbandsgemeindeumlage, der Finanzausgleichsumlage und der Gewerbesteuerumlage die Umlageanspannung über ihre Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen hinausgehe. Außerdem verstoße die progressive Staffelung der Kreisumlage gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung.

10

Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 28. April 2011 - 2 A 11423/10.OVG - zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die progressive Staffelung des Umlagesatzes verfassungsrechtlich zulässig sei. Denn die hohe Steuerkraft einzelner kreisangehöriger Gemeinden könne dazu führen, dass dem betroffenen Landkreis niedrigere oder gar keine Schlüsselzuweisungen gewährt würden. Deshalb sei es gerechtfertigt, überdurchschnittliche Steuerkraft durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen. Zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden könne die anteilige Abschöpfung überdurchschnittlicher Steuerkraft für sich genommen nicht führen.

11

Des Weiteren erweise sich die Kreisumlage nicht deshalb als verfassungswidrig, weil sie im Zusammenspiel mit anderen Umlageverpflichtungen zu einer weitgehenden Abschöpfung der gemeindlichen Finanzkraft führe. Denn der gesamte kommunale Bereich in Rheinland-Pfalz sei infolge der gestiegenen Aufgabenbefrachtung durch Bund und Land bei nur unzureichenden Zuwächsen auf der Einnahmenseite seit Jahren unterfinanziert. Bei dieser Ausgangslage könne es im Innenverhältnis der Landkreise zu ihren Gemeinden nur noch um eine vertretbare Teilung der Lasten und damit letztlich der Defizite gehen. Daher sei die Kreisumlage der Höhe nach erst dann nicht mehr hinnehmbar, wenn der Kreis mit ihr eigene Interessen willkürlich und rücksichtslos zu Lasten der Gemeinden verfolge. Hiervon könne nicht ausgegangen werden, weil nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte im Jahr 2009 mit einem erheblichen finanziellen Engpass habe kämpfen müssen. Soweit der Beklagte bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch Ausgaben für die Wirtschafts- und Fremdenverkehrsförderung berücksichtigt habe, handele es sich nicht um landkreisfremde Aufgaben.

12

Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die Berufungsentscheidung mit Urteil vom 30. Januar 2013 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass verfassungsrechtlicher Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kreisumlage Art. 28 Abs. 2, aber auch Art. 106 Abs. 5 bis 6 Grundgesetz - GG - seien. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleiste den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreis und Gemeinden habe der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Deshalb lasse sich für das vertikale Verhältnis innerhalb des kreiskommunalen Raums auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Bei der Erhebung der Kreisumlage müssten die demnach grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden ermittelt und in Rechnung gestellt und zudem der allgemeine Gleichheitssatz auch im horizontalen Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachtet werden. Für eine stärkere Heranziehung steuerstärkerer Gemeinden müsse deshalb ein sachlicher Grund vorliegen. Außerdem wäre es unzulässig, durch die Erhebung der Kreisumlage den Gemeinden die ihnen vom Grundgesetz zuerkannte Steuerkraft zur Gänze zu entziehen und dadurch die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit zu entwerten.

13

Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürften weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten werde. Insofern ziehe Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze. Die Gemeinden müssten danach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen könnten und darüber hinaus über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen. Dieser „Kernbereich“ erstrecke sich nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 GG auch auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung und sei ungeachtet der zusätzlichen Garantie des Art. 106 GG absolut geschützt.

14

Demnach sei der Kreis bei insoweit verfassungskonformer Auslegung der § 58 Abs. 4 Landkreisordnung - LKO -, § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz - LFAG - zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt werde, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsse, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

15

Hiervon ausgehend sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahrnehme, was zu einem entsprechend erhöhten Finanzbedarf führe. Hierbei handele es sich um Aufgaben kreisörtlicher Natur im Sinne des § 2 Abs. 1 LKO. Auch der progressive Umlagesatz werde den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Er sei sachlich gerechtfertigt, weil durch den erhöhten Umlagesatz Gemeinden verstärkt herangezogen würden, deren besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an den Kreis sei. Ausgehend von der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl sei es ausgeschlossen, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden völlig eingeebnet oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert werde.

16

Allerdings habe sich das Berufungsgericht nur unzureichend mit dem Einwand der Klägerin auseinandergesetzt, die Kreisumlage entziehe ihr im Zusammenwirken mit anderen Umlagen praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Insofern sei jedenfalls auch die Belastung der Klägerin durch die Verbandsgemeindeumlage zu berücksichtigen. Ob dies auch für die Gewerbesteuerumlage gelte, sei zu prüfen. Außerdem dürfe der „Kernbereich“ der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch dann nicht zugunsten des Kreises angetastet werden, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert sei. Hiervon ausgehend müsse das Oberverwaltungsgericht prüfen, ob die Kumulation von Umlagepflichten - ggfs. unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerumlage - dazu geführt habe, dass die Klägerin strukturell und auf Dauer außer Stande gewesen sei, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

17

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin nunmehr im Wesentlichen vor: Maßgeblich für die Bestimmung des Abschöpfungsgrades seien die kassenwirksamen tatsächlichen Finanzflüsse im Haushaltsjahr und nicht die der Ermittlung der Umlagebelastung zugrundeliegende verschobene Berechnungssystematik des Finanzausgleichsgesetzes. Hiervon ausgehend liege im streitgegenständlichen Jahr 2009 eine Überabschöpfung nach jeder Betrachtungsweise vor. Sie könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht durch den Verweis auf kumulierte Überschüsse in einem willkürlich gewählten Zehnjahreszeitraum gerechtfertigt werden. Außerdem sei der Kernbereich der Selbstverwaltung durch die Umlageerhebung verletzt. Selbst bei Berücksichtigung der Nivellierungshebesätze ergäben sich über zehn Jahre fiktive Einnahmen in Höhe von 664.231,72 €. Ihnen stünden allein pflichtige Ausgaben in Höhe von 656.681,74 € gegenüber. Mit dem dann verbleibenden Betrag von 7.659,98 €, d.h. 766,00 € pro Jahr, bestehe kein merklicher Selbstverwaltungsspielraum. Im Übrigen verstoße das Abstellen auf die Nivellierungssätze und damit die Verpflichtung der Gemeinde zur Anhebung der Hebesätze gegen das verfassungsrechtlich garantierte gemeindliche Hebesatzrecht. Niedrigere Realsteuersätze, die einer örtlich differenzierten Struktur- und Standortpolitik dienten, führten zu keinen Nachteilen des Kreises, weil die Umlage aufgrund der Nivellierungssätze bestimmt würde. Schließlich habe der Beklagte bei der Festsetzung des progressiven Kreisumlagesatzes sein Ermessen fehlerhaft gebraucht, weil die Umlagebelastung erdrosselnde Wirkung habe und zu einer Rangplatzumkehr im intergemeindlichen Vergleich führe.

18

Die Klägerin beantragt,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Zur Begründung trägt er vor, dass bei der Umlageberechnung keine Zeitkongruenz zwischen Umlagebelastung und tatsächlichen Steuereinnahmen eines Haushaltsjahres herzustellen sei. Die sich hieraus ergebende Wellenbewegung werde relativiert durch die Betrachtung eines längeren Zeitraums, der mit zehn Jahren ordnungsgemäß bemessen sei. Beim Vergleich der Umlagebelastung und der Steuereinnahmen sei die Gewerbesteuerumlage nicht zu berücksichtigen, da ihr Nivellierungssatz bereits abgesenkt sei und deshalb abgabenmindernd bei der Bemessung der Kreisumlage berücksichtigt werde. Bei Anhebung der örtlichen Hebesätze auf Nivellierungsniveau werde 2003 bis 2012 eine durchschnittliche Umlagebelastung von 49,3633 % der Steuerkraftmesszahl sowie der Schlüsselzuweisung B 2 erreicht. Dabei sei zweifelhaft, ob die Verbandsgemeindeumlage in vollem Umfange zu Buche schlage, da sie auch der Finanzierung von Aufgaben der Ortsgemeinden diene. Da die Gewerbesteuerumlage nicht zu berücksichtigen sei, bleibe die Umlagebelastung unter 100 %. Hinzu komme, dass die Klägerin im Jahre 2009 33.580 € für freiwillige Aufgaben aufgewandt habe. Zusätzlich sei in Rechnung zu stellen, dass die Klägerin ihre Einnahmemöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe. Schließlich werde die gemeindliche Steuerhoheit durch die Berechnung der Kreisumlage nicht eingeschränkt. Die Gemeinde habe lediglich die sich aus der Unterschreitung der Nivellierungssätze ergebenden Folgen bei der Umlageerhebung zu tragen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Ordner und 2 Hefte) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

25

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Kreisumlagebescheid der Beklagten vom 17. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 zu Recht abgewiesen, da die festgesetzte Umlage rechtmäßig ist und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt.

26

Der angefochtene Umlagebescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 4 der Landkreisordnung vom 31. Januar 1994 (GVBl. S. 188) - LKO - i.V.m. § 25 des Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 30. November 1999 (GVBl. S. 415) in der Fassung vom 12. Juni 2007 (GVBl. S. 80) - LFAG - und § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009. Danach erhebt der Beklagte im Jahr 2009 von allen kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisumlage aufgrund eines Eingangsumlagesatzes von 37,1 v.H. Für Gemeinden, welche eine über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegende Steuerkraftmesszahl aufweisen, steigt der Umlagesatz für je begonnene 10 v.H. der über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegenden Steuerkraftmesszahl um 7,5 v.H. bis zur Höchststufe von 145 v.H. Hiervon ausgehend begegnet der angefochtene Kreisumlagebescheid keinen rechtlichen Bedenken. Er ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - rechnerisch zutreffend ermittelt worden.

27

Darüber hinaus sind die genannten Bestimmungen der Landkreisordnung und des Landesfinanzausgleichgesetzes über die Kreisumlage auch insoweit verfassungsgemäß, als sie den Landkreisen eine progressive Staffelung des Umlagesatzes ermöglichen (I.). Die konkrete Ausgestaltung des Umlagesatzes verstößt nicht gegen Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz - GG - (II.). Des Weiteren hat der Beklagte bei der Bemessung seines der Kreisumlage zugrunde liegenden Finanzbedarfs keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt (III.). Schließlich greift der Einwand der Klägerin nicht durch, der angefochtene Umlagebescheid sei ermessensfehlerhaft (IV.).

I.

28

§ 25 Abs. 2 Nr. 2 LFAG, der die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubt, ist verfassungsgemäß.

29

1. Art. 49 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung und verpflichtet das Land, den Kommunen die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege eines Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Ein bestimmtes Verteilungssystem schreibt die Verfassung nicht vor. Vielmehr ist dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, welches seine Grenzen im Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot findet (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [396]). Der gleiche Maßstab ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG. Danach bedarf es für eine im horizontalen Vergleich stärkere Heranziehung umlagepflichtiger Gemeinden, wie sie durch eine progressive Ausgestaltung des Umlagesatzes bewirkt wird, eines sachlichen Grundes. Außerdem darf sie nicht soweit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn 15).

30

Nach diesen Maßstäben sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage nicht zu beanstanden. Dies gilt zunächst für die generelle Befugnis der Landkreise zur Erhebung einer jährlichen Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden. In der kommunalen Praxis ist die Kreisumlage mittlerweile die bedeutendste, der eigenständigen Ausschöpfung unterliegende Einnahmequelle der Kreise. Sie hat allgemeine Finanzierungsfunktion und dient darüber hinaus dem Ausgleich von Ungleichgewichten in der kommunalen Finanzkraft, die sich durch die Verteilung der Schlüsselzuweisung sowie aus einem unterschiedlichen Zentralisierungsgrad der Kreise ergeben können. Die Kreisumlage als solche erweist sich damit gleichsam als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems (vgl. hierzu VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [400 ff.]; OVG RP, Urteil vom 25. September 1985 - 2 C 48/84 - AS 20, 58 [67]).

31

Auch die in § 25 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LFAG vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung beruht auf sachlichen Gründen und fügt sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Danach kann die hohe Steuerkraft einzelner kreisangehöriger Gemeinden dazu führen, dass dem betroffenen Landkreis niedrigere oder gar keine Schlüsselzuweisungen B 2 gewährt werden. Der hieraus folgende höhere Umlagebedarf wäre bei einheitlicher Gestaltung des Umlagesatzes von allen kreisangehörigen Gemeinden gleichermaßen zu decken, was eine weitere Schwächung auch der ohnehin finanzschwachen Gemeinden zur Folge hätte. Vor diesem Hintergrund erscheint es vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräumt, überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen „verursachergerecht“ auszugleichen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 30; VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [405 f.]; OVG RP, Urteil vom 29. September 1987 - 7 A 94/86 - AS 21, 420 [422] zum sog. „Splitting“; VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 8. Februar 1999 - 1 K 577/98.NW - DVP 2000, 84 [86]).

32

2. Eine progressive Staffelung der Kreisumlagesätze im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LFAG führt auch nicht zu einem gänzlichen Entzug der Umlagegrundlage oder unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Veränderung der Steuerkraftreihenfolge unter den kreisangehörigen Gemeinden. Durch eine stufenweise Progression wird bestimmungsgemäß nur die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden anteilig abgeschöpft. Zu einem vollständigen Entzug der Umlagegrundlage und Nivellierung der Finanzkraft oder einer Rangplatzvertauschung kann es - hierdurch allein - schon systembedingt nicht kommen, weil der Grenzsatz bei 37,1x145=53,8 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 29, 31). Solche unerwünschten Wirkungen können allenfalls durch das Zusammenspiel einer progressiv gestaffelten Kreisumlage mit den weiteren Umlageverpflichtungen einer Gemeinde auftreten. Hierfür ergeben sich Anhaltspunkte aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 2014 vorgelegten Zahlen zur Finanzkraft je Einwohner ausgewählter Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Kyllburg vor und nach Abfluss sämtlicher Umlagen. Soweit sie auf eine bedenkliche Einebnung der Steuerkraftunterschiede und Veränderung der Steuerkraftreihenfolge hindeuten, mag dies wirtschaftspolitisch bedenklich sein (vgl. Littmann, in: Lüder, Schriftreihe der Hochschule Speyer, Bd. 122, S. 363 [373]). Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt diese Unschärfe die sachliche Berechtigung progressiver Umlagesätze im Gesamtsystem des Finanzausgleichs nicht in Frage (vgl. hierzu auch VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [402, 405 ff.]), was auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Danach ist der progressive Kreisumlagesatz am Maßstab des Gleichbehandlungssatzes alleiniger Prüfungsgegenstand, ohne dabei das Zusammenwirken mit anderen Umlagen in Betrachtung ziehen zu müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 29-31).

33

Hinzu kommt, dass eine Veränderung der Steuerkraftreihenfolge durch die Kreisumlage allenfalls bei der Anknüpfung an die absoluten Steuereinnahmen denkbar ist, nicht aber wenn diese ins Verhältnis zu der - im Falle der Klägerin niedrigen - Einwohnerzahl gesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 31). Insofern werden durch eine Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl aber gleichwohl hoher Steuereinnahmen zwar besonders hart getroffen. Die Bemessung der überschießenden Steuerkraft einer Gemeinde nach der Einwohnerzahl ist aber sachlich gerechtfertigt. Sie entspricht dem Einwohner gleich Einwohner-Prinzip, welches dem geltenden Finanzausgleichssystem zugrunde liegt und auf die grundsätzliche Gleichbehandlung des Finanzbedarfs aller kommunalen Gebietskörperschaften nach Einwohnern abzielt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [397]).

II.

34

Des Weiteren verstößt die konkrete Ausgestaltung des Umlagesatzes nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG. Der Beklagte hat die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden dadurch in Rechnung gestellt, dass er nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (1.). Außerdem entzieht die Kreisumlage weder allein noch im Zusammenwirken mit anderen Umlagen der Klägerin die Umlagegrundlage (2.). Schließlich verstößt sie nicht gegen den in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung, weil die Klägerin ausgehend vom streitgegenständlichen Jahr 2009 durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen noch nicht auf Dauer strukturell unterfinanziert ist (3.).

35

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts garantiert Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Dabei lässt sich innerhalb des kreiskommunalen Raums weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, juris Rn. 13). Deshalb muss der Landkreis die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden bei der Festlegung des Umlagesatzes in Rechnung stellen und dabei nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenlegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen. Diesen Anforderungen wird der Beklagte dadurch gerecht, dass er bei seiner Haushaltsplanung von den Verbandsgemeindeverwaltungen unter Geltung des kameralen Haushaltsrechts Aufstellungen über die Steuerkraftmesszahlen, die Schlüsselzuweisungen, den Bestand der allgemeinen Rücklagen und der freien Finanzspitzen der Ortsgemeinden und der Verbandsgemeinden angefordert hat. Seit Einführung des doppischen Haushaltsrechts wird der allgemeine Finanzmittelbestand erfragt. Dies geschah und geschieht auch im Falle der Klägerin, was in der mündlichen Verhandlung von der Vertreterin der Verbandsgemeindeverwaltung bestätigt wurde. Mit diesen Informationen ist der Beklagte seiner Ermittlungspflicht ausreichend nachgekommen. Sie fließen in die Berechnung des Umlagesatzes und dadurch in den Haushaltsentwurf sowie die Haushaltssatzung ein, welche vom Kreistag beraten und beschlossen werden. Ohne dass es insoweit noch darauf ankommt, folgt eine umfassende Information der Beklagten über die Finanzsituation der kreisangehörigen Gemeinden auch aus der Vorlage der gemeindlichen Haushaltspläne, zu der die Kommunen gegenüber der Kommunalaufsicht verpflichtet sind. Schließlich sind die Kreistagsmitglieder häufig auch auf der Ebene der kreisangehörigen Gemeinden politisch tätig und haben auch von daher einen Überblick über die kommunale Finanzsituation.

36

2. Die Erhebung der Kreisumlage darf nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit (Ertragshoheit) entwertet wird. Deshalb wäre es mit Blick auf die den Gemeinden vom Grundgesetz zuerkannten Erträge aus der Gewerbesteuer und aus den Realsteuern (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und 2 GG) sowie der Einkommen- und der Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 5 und 5a GG) unzulässig, den Gemeinden durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen die Umlagegrundlagen praktisch zu Gänze zu entziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, juris Rn. 16). Dabei kommt es für die Beantwortung der Frage nach einer verfassungsrechtlich unzulässigen Abschöpfung der Umlagegrundlage nicht darauf an, ob der nach Umlageabfluss verbleibende Betrag zur Erfüllung nennenswerter gemeindlicher Aufgaben ausreicht. Die Wahrnehmung gemeindlicher Aufgaben im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang hängt nicht allein von der nach Umlageerhebung verbleibenden Steuerkraft, sondern von der „freien Finanzspitze“ der Gemeinde und damit auch von ihren sonstigen Einnahmen ab. Insofern ist entscheidend, ob sie über eine im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung verfügt (vgl. II. 3.).

37

Durch die im Jahre 2009 erfolgte Umlageerhebung ist der Klägerin die vom Landesfinanzausgleichsgesetz vorgegebene Umlagegrundlage, bestehend aus der Schlüsselzuweisung und der Steuerkraftmesszahl, nicht komplett entzogen worden. Vielmehr ist ihr ein Betrag von 25.932,00 € verblieben. Dabei musste die Gewerbesteuerumlage außer Betracht bleiben, da diese bereits bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl unberücksichtigt geblieben ist.

38

a) Bezugspunkt für die Ermittlung der Abschöpfungswirkung der von den kreisangehörigen Gemeinden erhobenen Umlagen ist die Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG. Danach sind Grundlage für die Berechnung der Kreisumlage - im Wesentlichen aber auch für die Verbandsgemeindeumlage - die Schlüsselzuweisungen und die Steuerkraftmesszahl nach § 13 LFAG. Die Steuerkraftmesszahl im Sinne des § 13 Abs. 1 LFAG wird gemäß § 13 Abs. 3 und 6 LFAG aufgrund des Ist-Aufkommens der jeweiligen Steuern in der Zeit vom 1. Oktober des vorvergangenen Jahres bis zum 30. September des vergangenen Jahres (Referenzzeitraum) ermittelt. Zudem werden die einzelnen Steuern mit den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 LFAG gewichtet, die im Falle der Klägerin bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer höher als die festgesetzten Hebesätze sind.

39

aa) Das Abstellen auf die Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG bei der Ermittlung des Abschöpfungsumfangs entspricht der Systematik des Landesfinanzausgleichsgesetzes. Da das Steueraufkommen des laufenden Jahres noch nicht bekannt sein kann, ergibt sich die Umlagehöhe eines Jahres nicht aus dem Steueraufkommen dieses Jahres, sondern aus dem des zeitlich vorgelagerten Referenzzeitraums. Hiervon ausgehend ist es folgerichtig, die Umlagegrundlage der Ermittlung der Abschöpfungswirkung zugrunde zulegen, aus der die maßgebliche Umlagehöhe folgt. Bei diesem Vergleich greifen nämlich die Umlagen auf das Steueraufkommen zu, welches die Festsetzung der Kreis- und Verbandsgemeindeumlage der Höhe nach bestimmt. Insofern besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Umlagebelastung, auch wenn die Umlage im Jahr ihrer kassenwirksamen Erhebung auf andere Ist-Einnahmen trifft als die, welche der Umlageberechnung zugrunde lagen.

40

Durch den Vergleich der Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den sich aus ihr ergebenden Umlagen wird auch der Nachteil vermieden, der eintritt, wenn die Umlagen eines Haushaltsjahres nicht in Bezug gesetzt werden zu dem nivellierten Steueraufkommen im Referenzzeitraum, sondern zu dem Steueraufkommen dieses Haushaltsjahres. Denn hierbei greifen die Umlagen auf Einnahmen zu, die in keiner Beziehung zu der Umlageermittlung stehen. Dies kann - wie im vorliegenden Fall die erheblichen jährlichen Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen und folglich den Salden aus Ist-Einnahmen und Umlagen zeigen - zu erheblichen Unterschieden bei der Abschöpfungswirkung von Umlagen führen, welche eine aussagekräftige Bewertung der Umlagebelastung verhindern. Solche Verzerrungen treten dann auf, wenn beispielsweise in einem Berechnungsjahr hohe Ist-Einnahmen angefallen sind, die Umlagebelastung aber wegen des niedrigen Steueraufkommens im Referenzzeitraum gering war. In diesem Fall ist der Abschöpfungsgrad niedrig. Im umgekehrten Fall, in dem die Ist-Einnahmen im Beurteilungsjahr gering sind, im Referenzjahr aber hoch waren, ist die Abschöpfung teilweise extrem stark, wie die den Beteiligten vorliegende Tabelle „Ist-Einnahmen abzüglich Umlagen“ zeigt.

41

bb) Außerdem verhindert das Abstellen auf nivellierte Steuereinnahmen, dass Gemeinden der Rechtmäßigkeit ihrer Umlagebelastung die aus geringen Hebesätzen resultierenden niedrigen Steuereinnahmen entgegenhalten können. Dies stellt entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen Eingriff in ihre Steuerhoheit dar, welche auch das Recht der Hebesatzfestsetzung umfasst. Denn die Klägerin wird nicht gezwungen, einen bestimmten (höheren) Hebesatz zu beschließen. Ihr bleibt es unbenommen, beispielsweise durch den Gewerbesteuerhebesatz die Ansiedlung von Gewerbebetrieben in ihrem Gemeindegebiet attraktiv zu machen. Der Klägerin ist lediglich der Einwand, ihre gesamte Umlagegrundlage werde durch die Umlageerhebungen verfassungswidrig aufgezehrt, insoweit abgeschnitten, als sie mit ihren Hebesätzen unterhalb der Nivellierungssätze bleibt. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich bei den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 LFAG um einheitliche und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehene Hebesätze handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 17), welche sich in etwa an den im Zeitpunkt der gesetzlichen Festlegung landesweiten Durchschnittssätzen orientieren.

42

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Festlegung eines Mindestsatzes von 200 v. H. für die Erhebung der Gewerbesteuer in § 16 Abs. 4 Gewerbesteuergesetz bejaht hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 und 2 BvR 2189/04 - juris). Die Bundeskompetenz folgt aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG, schließt aber kommunalrechtlich Landesregelungen nicht aus, aus denen sich Vorgaben für die Hebesatzfestsetzung ergeben. Denn Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG räumt den Gemeinden lediglich das Recht ein, die Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Deshalb müssen die Gemeinden auch bei der Festsetzung der Hebesätze ihrer gemäß § 93 Abs. 5 Gemeindeordnung - GemO - bestehenden Verpflichtung zur sparsamen und wirtschaftlich Haushaltsführung nachkommen. Hinzukommt die grundsätzliche Pflicht nach § 93 Abs. 4 GemO, den Haushalt jährlich auszugleichen. Dabei haben die Gemeinden gemäß § 94 Abs. 2 GemO die zur Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen aus speziellen Entgelten, im Übrigen aus Steuern zu erzielen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Gemeinden zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise ihre Kräfte größtmöglich anspannen, insbesondere ihre Einnahmenquellen angemessen ausschöpfen müssen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 - AS 41, 29 [58]). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zum Land, sondern auch im Verhältnis zum umlageerhebenden Landkreis. Im Übrigen schließt die von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete kommunale Finanzhoheit es sogar nicht aus, unter Umständen im Wege der staatlichen Kommunalaufsicht eine Senkung der Realsteuerhebesätze zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2012 - 8 C 43/09 - juris Rn. 27).

43

cc) Ist demnach die hier in Rede stehende Abschöpfungswirkung anhand eines Vergleichs der Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den sich hieraus ergebenden Umlagen zu ermitteln, ist dabei die Verbandsgemeindeumlage in Ansatz zu bringen, obwohl sie der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris, Rn. 34). Etwas anderes gilt für die Gewerbesteuerumlage. Sie darf von der Umlagegrundlage nicht abgezogen werden, weil sie gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 LFAG bei der Ermittlung der Steuerkraftzahl der Gewerbesteuer durch Abzug des Vervielfältigers für die Gewerbesteuerumlage nach § 6 Gemeindefinanzierungsgesetz (2009: 64 v.H.) bereits herausgerechnet wurde. Anderenfalls würde die Gewerbesteuerumlage zweimal berücksichtigt.

44

dd) Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf die Umlagebelastung der Klägerin im Jahre 2009 an, ergibt sich als Umlagegrundlage bestehend aus der Schlüsselzuweisung (2.877,00 €) und der Steuerkraftmesszahl (667.912,00 €) ein Betrag von insgesamt 670.789,00 €. Ihr steht eine Belastung der Klägerin durch die Kreisumlage (305.151,00 €), die Verbandsgemeindeumlage (301.855,00 €) und die Finanzausgleichsumlage (37.851,00 €) von insgesamt 644.857,00 € gegenüber. Demnach verbleiben der Klägerin im Jahre 2009 von der Umlagegrundlage 25.932,00 €, so dass ihr diese und damit ihre Steuerkraft nicht gänzlich entzogen wurde. Daher war sie zur Erfüllung ihrer Umlageverpflichtung auch nicht zur Kreditaufnahme gezwungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 40).

45

b) Die Frage, ob der Klägerin durch die von ihr im Jahre 2009 zu zahlenden Umlagen die Umlagegrundlage gänzlich entzogen wurde, wäre auch zu verneinen, wenn die Umlagen von den Ist-Einnahmen abgezogen würden. Dabei wäre - wie bereits ausgeführt [vgl. II. 2 .a) bb)] - auf die Einnahmen abzustellen, welche bei Festsetzung der Nivellierungssätze des § 13 Abs. 2 LFAG hätten erzielt werden können, damit die Klägerin mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit der Umlagen keine ungerechtfertigten Vorteile aus der Festsetzung niedriger Hebesätze herleiten kann. Abzusetzen wäre bei dieser Betrachtungsweise auch die Gewerbesteuerumlage, da diese in den Ist-Gewerbesteuereinnahmen - anders als in der Steuerkraftmesszahl (vgl. § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 LFAG) - noch enthalten ist.

46

aa) Im Unterschied zu dem Vergleich der Umlagegrundlage im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den erhobenen Umlagen [vgl. II. 2 a) aa)], für den das Bundesverwaltungsgericht keine „auf Dauer“ bezogenen Betrachtung verlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 16f) und bei dem wegen des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Einnahmen und darauf beruhenden Umlagen allein auf das streitentscheidende Jahr abgestellt werden kann, wäre bei der Gegenüberstellung der Ist-Einnahmen eines Haushaltsjahres und der in diesem Haushaltsjahr gezahlten Umlagen eine mehrjährige Betrachtung erforderlich. Dies beruht auf den bereits näher beschriebenen jährlichen Schwankungen der Gewerbesteuereinnahmen und folglich der Abschöpfungen, welche insbesondere darauf beruhen, dass die Umlagen auf Einnahmen zugreifen, die in keiner Beziehung zu der Umlageermittlung für das entsprechenden Haushaltsjahres stehen [vgl. II. 2 .a) aa)].

47

Ist demnach zur Vermeidung von Verzerrungen bei der Ermittlung der Abschöpfungswirkung von Umlagen bezogen auf die fiktiven Ist-Einnahmen eine mehrjährige Betrachtung der entsprechenden Salden geboten, erscheint insoweit ein Zehnjahreszeitraum als angemessen. Er ermöglicht eine ausgewogene Beurteilung der Gesamtentwicklung der Salden aus Einnahmen und Umlagen, welche die jährlichen Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen berücksichtigt. Insofern stellt der Senat auf die Jahre 2003 bis 2012 ab, für die gesicherte Zahlen vorliegen. Darüber hinaus ist dieser Zeitraum nicht willkürlich gewählt, sondern dem Umstand geschuldet, dass einerseits kürzere Zeiträume weniger aussagekräftig wären, andererseits Unterschiede in den einzelnen Haushaltsjahren durch die Betrachtung eines längeren Zeitraums zu stark relativiert würden. Außerdem findet der zugrunde gelegte Zehnjahreszeitraum eine Stütze in der Regelung der Gemeindehaushaltsverordnung – GemHVO - über den Haushaltsausgleich. Nach § 18 Abs. 4 GemHVO sind Jahresfehlbeträge mit den Jahresüberschüssen der fünf Haushaltsvorjahre zu verrechnen (Nr. 1). Verbleibende Jahresfehlbeträge sind innerhalb der folgenden fünf Haushaltsjahre auszugleichen (Nr. 2). Somit geht auch der Verordnungsgeber von einer Betrachtung der gemeindlichen Finanzsituation unter Berücksichtigung eines Zeitraumes von zehn Jahren aus.

48

bb) In den Jahren 2003 bis 2012 haben sich folgende Salden aus den fiktiven Ist-Einnahmen der Klägerin aus den Realsteuern bei Berücksichtigung der Nivellierungssätze, den Anteilen an dem Aufkommen der Umsatz- und Einkommensteuer, den Zahlungen aus dem Familienleistungsausgleich, den Schlüsselzuweisungen sowie den Erstattungen aus dem Fonds „Deutsche Einheit“, welche auf der Anrechnung der Gewerbesteuerumlageerhöhung im Sinne des § 6 Abs. 5 Gemeindefinanzreformgesetzes auf die Umlage zur Finanzierung des Fonds „Deutsche Einheit“ gemäß § 24 Abs. 4 LFAG beruhen (vgl. OVG RP Urteil vom 11. April 2008 - 2 A 10828/07.OVG -, juris Rn. 50ff),. abzüglich der Kreis- und Verbandsgemeindeumlagen, der FAG-Umlage und der Gewerbesteuerumlage ergeben:

49

HH-Jahr

Realsteuer-
Einnahmen
nach
Nivellierungssätzen

Umsatzsteuer

Einkommenssteuer

Familienleistungsausgleich

Schlüsselzuweisung

Erstattung
Fonds
Deutsch
Einheit

Fiktive
Ist-Einnahmen

2003   

387.287,06 €

20.256,80 €

83.524,34 €

7.386,24 €

890,00 €

1.354,00 €

500.698,44 €

2004   

411.244,80 €

20.128,97 €

79.653,54 €

8.821,35 €

1.556,00 €

6.012,00 €

527.416,66 €

2005   

501.730,77 €

20.429,35 €

82.456,81 €

7.018,31 €

1.843,00 €

3.455,00 €

616.933,24 €

2006   

450.716,86 €

21.594,95 €

89.013,22 €

8.068,42 €

3.331,00 €

6.121,00 €

578.845,45 €

2007   

692.969,20 €

23.767,44 €

96.659,55 €

9.350,16 €

1.528,00 €

5.530,00 €

829.804,35 €

2008   

590.591,79 €

25.272,52 €

113.712,73 €

10.793,35 €

1.609,00 €

7.026,00 €

749.005,39 €

2009   

506.059,36 €

28.243,12 €

100.955,03 €

10.358,91 €

2.877,00 €

6.493,00 €

654.986,42 €

2010   

386.374,15 €

29.127,65 €

99.561,41 €

11.165,63 €

3.062,00 €

4.301,00 €

533.591,84 €

2011   

522.985,46 €

31.287,63 €

109.155,13 €

11.861,98 €

3.721,00 €

3.622,00 €

682.633,20 €

2012   

454.956,93 €

31.449,57 €

108.666,69 €

11.457,86 €

4.522,00 €

4.065,00 €

615.118,05 €

                                                                       

Gesamt

4.904.916,38 €

251.558,00 €

963.358,45 €

96.282,21 €

24.939,00 €

47.979,00 €

6.289.033,04 €

50

HH-Jahr

Kreisumlage

VG-Umlage

FAG-Umlage

Gewerbesteuerumlage

Summe
Umlagen

Saldo fiktiver
Ist-Einnahmen/Umlagen

2003   

83.889,00 €

110.849,00 €

3.196,00 €

167.357,71 €

365.291,71 €

135.406,73 €

2004   

180.209,00 €

203.076,00 €

24.211,00 €

41.343,84 €

448.839,84 €

78.576,82 €

2005   

154.500,00 €

167.667,00 €

15.613,00 €

135.704,58 €

473.484,58 €

143.448,66 €

2006   

211.753,00 €

219.861,00 €

25.273,00 €

45.531,44 €

502.418,44 €

76.427,01 €

2007   

214.419,00 €

220.372,00 €

22.465,00 €

124.751,34 €

582.007,34 €

247.797,01 €

2008   

300.340,00 €

296.883,00 €

37.387,00 €

119.247,06 €

753.857,06 €

-4.851,67 €

2009   

305.151,00 €

301.855,00 €

37.851,00 €

78.839,68 €

723.696,68 €

-68.710,26 €

2010   

277.445,00 €

262.031,00 €

32.779,00 €

77.245,09 €

649.500,09 €

-115.908,25 €

2011   

212.453,00 €

210.334,00 €

21.275,00 €

71.672,29 €

515.734,29 €

166.898,91 €

2012   

247.553,00 €

235.872,00 €

22.206,00 €

104.340,29 €

609.971,29 €

5.146,76 €

                                                              

Gesamt

2.187.712,00 €

2.228.800,00 €

242.256,00 €

966.033,32 €

5.624.801,32 €

664.231,72 €

51

Bei der Bewertung dieser Zahlen, ergibt sich keine Überabschöpfung der nivellierten Ist-Einnahmen durch die Umlageerhebungen. Zwar ist die Belastung der Klägerin durch die Kreisumlage, Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage und Gewerbesteuerumlage im Jahr 2009 um 68.710,26 € höher als die fiktiven Ist-Einnahmen. Jedoch hat die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2007 nach Abfluss der Umlagen von den fiktiven Ist-Einnahmen Überschüsse zwischen 76.427,01 € (2006) und 247.797,01 € (2007) erzielt. Zwar waren die Umlagebelastungen in den drei darauffolgenden Jahren (2008 bis 2010) um 4.851,67 €, 68.710,26 € und 115.908,25 € höher als die fiktiven Ist-Einnahmen, jedoch wiesen die Salden zwischen Ist-Einnahmen und Umlagebelastungen in den Jahren 2011 und 2012 wieder positive Salden von 166.898,91 € beziehungsweise 5.146,76 € auf. Da somit die Umlagebelastung in diesen Jahren wiederum geringer als die fiktiven Ist-Einnahmen war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen die gesamten Steuereinnahmen auf Dauer entzogen werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis dadurch, dass über den hier maßgeblichen Zehnjahresraum der positive Saldo aus fiktiven Ist-Einnahmen und Umlagebelastung sich auf 664.231,72 €, also im Jahresdurchschnitt auf mehr als 66.000,00 € belief.

52

3. Des Weiteren verstößt die Erhebung der Kreisumlage durch den Beklagten nicht gegen den in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung der Klägerin, weil sie auch im Zusammenwirken mit anderen Umlagen noch nicht zu einer auf Dauer strukturellen Unterfinanzierung der Klägerin führt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen den Gemeinden mindestens so große Finanzmittel zustehen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzliche freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber noch merklichen Umfang wahrzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 19). Diesen Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung haben die Landkreis auch im Verhältnis zu den kreisangehörigen Gemeinden und damit bei der Erhebung der Kreisumlage zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 13f).

53

a) Bei der Beantwortung der Frage, ob die Klägerin durch die Erhebung der Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen auf Dauer strukturell unterfinanziert ist, ist auf einen Zehnjahreszeitraum abzustellen. Im vorliegenden Fall sind die Jahre 2003 bis 2012 zugrunde zulegen. Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt [vgl. II. 2. b) aa)], handelt es sich hierbei um einen aussagekräftigen Zeitraum, der im Übrigen auch in § 18 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 GemHVO eine normative Bestätigung gefunden hat. Bei der Beurteilung ihrer Finanzsituation ist die Klägerin des Weiteren so zu behandeln, als habe sie die Realsteuern nach den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 LFAG erhoben. Dies stellt - wie ebenfalls bereits dargelegt – [vgl. II. 2 a) bb)] keinen Eingriff in die Steuerhoheit der Klägerin dar und ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Klägerin wird nicht die Festsetzung eines bestimmten Hebesatzes aufgegeben. Sie kann sich lediglich insoweit nicht auf einen Verstoß gegen den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung berufen, als sie die Realsteuern nach geringeren als den Nivellierungssätzen erhebt. Im Übrigen ist die Steuerhoheit nur im Rahmen der Gesetze verfassungsrechtlich gewährleistet. Deshalb ist die Klägerin gemäß § 94 Abs. 2 Nr. 2 GemO grundsätzlich verpflichtet, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen gegebenenfalls durch Steuern zu beschaffen, um so den in § 93 Abs. 4 GemO vorgeschriebenen Haushaltsausgleich zu erreichen.

54

b) Bewertet man die in den Jahren 2003 bis 2012 bei der Klägerin entstandenen „freien Finanzspitzen“, kann der Senat eine auf Dauer vorliegende strukturelle Unterfinanzierung und dadurch einen Verstoß gegen den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung noch nicht feststellen. Nach den von dem Beklagten nicht bestrittenen Angaben der Klägerin bestanden in den genannten Jahren folgende, zum Teil negative „freie Finanzspitzen“:

55

HH-Jahr

2003   

2004   

2005   

2006   

2007   

Freie
Finanzspitze“

73.881,90 €

16.563,17 €

76.727,16 €

14.544,14 €

162.226,29 €

Fiktive
Mehreinnahmen

24.481,99 €

25.994,36 €

32.637,23 €

28.464.03 €

43.635,01 €

56

HH-Jahr

2008   

2009   

2010   

2011   

2012   

Freie
Finanzspitze“

-95.228,09 €

-158.376,94 €

-209.050,48 €

81.191,39 €

-57.429,84 €

Fiktive
Mehreinnahmen

37.220,82 €

31.918,79 €

24.500,34 €

17.939,83 €

12.813,31 €

57

Aus diesen Zahlen folgt, dass die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2007 durchweg positive „freie Finanzspitzen“ erzielte, die allerdings in den einzelnen Jahre höchst unterschiedlich waren. Insofern war die Klägerin in diesen Jahren ohne weiteres in der Lage, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben ohne Kreditaufnahme wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu waren die „freien Finanzspitzen“ in den Jahren 2008 bis 2010 und 2012 in bedeutender Höhe negativ, 2011 allerdings wieder deutlich positiv. Über den hier maßgeblichen Zehnjahreszeitraum erzielte die Klägerin per Saldo eine negative „freie Finanzspitze“ von (-) 94.951,30 €. Dieser negative Saldo wäre aber vermieden worden, wenn die Klägerin in dem Beurteilungszeitraum 2003 bis 2012 die Realsteuern, insbesondere die Gewerbesteuern, welche sie aus durchaus verständlichen strukturpolitischen Gründen niedrig hält, mindestens aufgrund der Nivellierungssätze erhoben und dadurch rechnerisch Mehreinnahmen von insgesamt 279.605,71 € erzielte hätte. Selbst wenn man nur auf die fiktiven Mehreinnahmen in den Jahren 2008 bis 2012 abstellt, in denen wegen der ab 2008 auftretenden negativen „freien Finanzspitzen“ spätestens besonderer Handlungsbedarf bestand, wäre der negative Saldo aus den Jahren 2003 bis 2012 (- 94.951,30 €) durch Realsteuermehreinnahmen von 124.393,09 € mehr als ausgeglichen worden. Im Übrigen zeigt das Auftreten einer positiven „freien Finanzspitze“ im Jahre 2011 von immerhin 81.191,84 €, dass von einer auf Dauer strukturellen Unterfinanzierung der Klägerin aufgrund der Umlageerhebungen auch dann nicht ausgegangen werden kann, wenn lediglich die fünf Jahre von 2008 bis 2012 als Beurteilungszeitraum herangezogen werden.

58

Ist demnach unter Berücksichtigung fiktiver Mehreinnahmen bei einer Realsteuererhebung aufgrund der Nivellierungssätze nicht vom Fehlen einer positiven „freien Finanzspitze“ auf Dauer auszugehen, konnte der Senat die zwischen den Beteiligten höchst umstrittene Frage offenlassen, welche Finanzmittel die Klägerin in den maßgeblichen Jahren für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben aufgewandt hat. Entsprechendes gilt für die weitere, dem politischen Gestaltungsspielraum der Klägerin unterfallende und deshalb kaum justiziable Frage, ob Art und Umfang der in den „guten Jahren“ wahrgenommenen freien Selbstverwaltungsaufgaben nach der Verschlechterung der Finanzsituation der Klägerin noch angemessen waren.

III.

59

Die Beklagte konnte der Festsetzung des Hebesatzes für die Kreisumlage auch Mittelansätze zugrunde legen, welche sich aus der Wahrnehmung von Aufgaben der Wirtschafts- und Fremdenverkehrsförderung ergeben. Dieser Aufwand betrifft allesamt überörtliche Angelegenheiten, die der Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LKO wahrnehmen und über die Kreisumlage finanzieren durfte.

60

1. Der Beklagte ist der flächenmäßig größte und zugleich am dünnsten besiedelte Landkreis in Rheinland-Pfalz. Er hat rund 94.000 Einwohner und besteht aus 235, überwiegend sehr kleinen und wenig leistungsfähigen Gemeinden. Fünf seiner sieben Verbandsgemeinden haben unter 10.000 Einwohner. Vor diesem Hintergrund übersteigen die den beanstandeten Mittelansätzen zugrunde liegenden Aufgaben nach ihrem Zuschnitt und ihren Auswirkungen allesamt den örtlichen Bereich der betreffenden Gemeinden und fallen daher als überörtliche Angelegenheiten jedenfalls auch in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

61

2. a) Dies gilt namentlich für die Förderung des Flugplatzes Bitburg, bei dem es sich um einen ehemaligen amerikanischen Militärflughafen handelt, der im Jahre 1994 für die zivile Nutzung frei wurde. Er ist mit 500 ha das größte Konversionsobjekt im Gebiet des Beklagten. Der Flughafen selbst, der über eine 3.000 m lange Start- und Landebahn verfügt, wird von der Flugplatz Bitburg GmbH betrieben. Er sollte nach dem Stand im Jahre 2009 zum Werft-, Fracht- und Regionalflughafen ausgebaut werden. Ihm angegliedert ist ein Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrum mit etwa 160 Unternehmen, 1.500 Hotelbetten sowie Anlagen für Urlaub, Sport und Tagungen, welches Arbeitsplätze für rund 1.200 Beschäftigte bietet. In die Infrastruktur des Geländes wurden mehr als 30 Millionen € investiert. Dieses Vorhaben, das als einheitliches Konversionsprojekt auch im vorliegenden Zusammenhang nicht in seine Einzelteile aufgespalten werden kann, geht damit nach seinem sachlichen Zuschnitt und seinen Auswirkungen auf Wirtschaft und Verkehr offenkundig weit über eine Gemeinde wie die Stadt Bitburg mit ihren rund 13.000 Einwohnern hinaus.

62

b) Die Beteiligung des Beklagten an der Flughafen Bitburg GmbH verstößt auch nicht gegen § 57 LKO i.V.m. § 85 Abs. 1 Nr. 3 GemO, wonach ein Landkreis wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern darf, wenn der hiermit verfolgte öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Der Beklagte ist - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - im Rahmen seines Prognose- und Gestaltungsspielraums in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass sich der Flughafen Bitburg jedenfalls in der „Anschubphase“ ohne eine Beteiligung der öffentlichen Hand und namentliche des Landkreises nicht verwirklichen lassen wird. Private Investoren, die das Projekt auch ohne weitere Beteiligung der öffentlichen Hand hätten umsetzen können und wollen, standen offenbar nicht in ausreichender Zahl und Stärke bereit. Dies entspricht der Erfahrung mit anderen Vorhaben dieser Art.

63

3. Des Weiteren durften die von der Klägerin beanstandeten Ausgaben für die Fremdenverkehrsförderung der Bemessung des Finanzbedarfs des Beklagten zugrunde gelegt werden. Das erklärte Ziel des Beklagten ist es, den ländlich strukturierten Kreis als Freizeit- und Ferienregion, insbesondere für Natururlauber voranzubringen, auch wenn ein einheitliches Konzept der Fremdenverkehrsförderung bislang nicht entwickelt wurde. Zu diesem Zweck habe man sich über die Jahre hinweg immer wieder an sog. „Leuchtturmprojekten“ beteiligt, welche die Anziehungskraft des Gesamtkreises für Urlauber steigern sollten. Hiervon ausgehend und angesichts des kreispolitischen Gestaltungsspielraums bei der Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben sind die in Rede stehenden Maßnahmen der Fremdenverkehrsförderung nicht zu beanstanden.

64

a) Dies gilt jedenfalls für die Beteiligung des Beklagten an dem Lehrpark Teufelsschlucht, dem Gaytal-Park, dem Skigebiet Schwarzer Mann, dem Stausee Bitburg und dem Erholungsgebiet Irsental. Bei diesen Vorhaben handelt es sich um großflächige Naturparks bzw. naturnahe Sport- und Freizeitgebiete, die nach ihrem Zuschnitt und ihren Auswirkungen über das Gebiet und die Leistungskraft einzelner Gemeinden hinausgehen. Sie sind nach Art und Größe geeignet, die Anziehungskraft des Gesamtkreises als Freizeit- und Ferienregion zu steigern, was die Förderung durch den Beklagten rechtfertigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte die in Rede stehenden Vorhaben nicht in Gänze übernommen hat, sondern sich an ihnen - über Zweckverbände oder Unterstützungsleistungen - in Anlehnung an ihre überörtliche Bedeutung lediglich beteiligt.

65

b) Auch die Beteiligung am Zweckverband Kurcenter Prüm fällt als überörtliche Angelegenheit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LKO in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Zwar unterscheidet sich das Kurcenter vom Zuschnitt her nicht mehr wesentlich von einem durchschnittlichen gemeindlichem Hallenbad. Nach seinen Auswirkungen geht es in dem ländlich strukturierten Raum des Beklagten jedoch über den örtlichen Bereich sowohl der Stadt als auch der Verbandsgemeinde Prüm hinaus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht in allen Verbandsgemeinden des Kreises ein Hallenbad vorgehalten wird. Das Kurcenter Prüm dürfte daher in nicht unerheblichem Maße auch Einwohner und Urlauber aus den Nachbargemeinden anziehen. Gleichzeitig trägt es zur Attraktivität des Kreises als Freizeit- und Ferienregion insgesamt bei. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Kurcenter im Rahmen des Schulschwimmens durch mehrere vom Kreis getragene Schulen genutzt wird.

IV.

66

Schließlich greift der Einwand der Klägerin nicht durch, der angefochtene Umlagebescheid sei ermessensfehlerhaft. Gemäß § 58 Abs. 4 LKO erheben die Landkreise jährlich eine Kreisumlage, soweit ihre Finanzmittel den Finanzbedarf nicht decken. Das Gesetz macht den Kreisen die Erhebung der Kreisumlage demnach zur Pflicht. Dabei hängt die Rechtmäßigkeit der Höhe des Umlagesatzes davon ab, ob die Kreisumlage in den Kernbereich der gemeindlichen Finanzausstattung eingreift (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn 25). Dies obliegt der gerichtlichen Überprüfung, ohne dass sich dabei Fragen der Ermessensausübung stellen.

67

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

68

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.

69

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

70

Beschluss

71

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 305.151,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz).

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig.

2

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis mit Bescheid vom 17. August 2009 zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbesteuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Kreisumlagebescheid sei rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage seien verfassungsgemäß, auch soweit sie den Landkreisen die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubten. Die Rheinland-Pfälzische Verfassung schreibe kein bestimmtes Verteilungssystem vor. Dem Gesetzgeber sei in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, das seine Grenze im Gebot interkommunaler Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot finde. Über diesen allgemeinen Maßstab hinaus müsse die gesetzliche Regelung berücksichtigen, dass Finanzkraftunterschiede im Wege des Finanzausgleichs grundsätzlich nur abgemildert, nicht aber eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürften. Die Kreisumlage als solche erweise sich als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems. Auch die im Landesfinanzausgleichsgesetz vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze stehe im Einklang mit den vorgenannten Maßstäben. Die Regelung beruhe auf sachlichen Gründen und füge sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Es erscheine vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräume, die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen verursachergerecht auszugleichen. Eine progressive Staffelung der Umlagesätze führe für sich genommen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden. Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sei auch nicht deshalb verletzt, weil eine solche Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl, aber gleichwohl hohen Steuereinnahmen besonders treffe. Auch die Ausgestaltung der Umlagesätze in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeine Grenze des Umlagesatzes unabhängig vom Aufgabenbestand des Kreises einerseits und der Gemeinde andererseits. Ein progressiv gestaffelter Umlagesatz, der für einzelne kreisangehörige Gemeinden nivellierend und übernivellierend wirke, sei mithin dann noch verfassungskonform, wenn für die Festsetzung sachlich einleuchtende Gründe vorlägen und diese auch sonst nicht als willkürlich oder rücksichtslos erschienen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte hätte im Jahre 2009 mit erheblichen finanziellen Engpässen zu kämpfen gehabt. Auch die von der Haushaltssatzung angeordnete Progression des Kreisumlagesatzes sei unbedenklich. Auf der Grundlage des vorliegenden Zahlenmaterials bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es hierdurch zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung der Finanzkraft unter den kreisangehörigen Gemeinden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr gekommen sei. Selbst wenn die Progression eine solche Wirkung gezeigt haben sollte, wäre die Klägerin hierdurch nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt. Aus Sicht des Kreises sprächen hierfür nämlich sachlich einleuchtende Gründe. Im beklagten Landkreis stünden einige wenige finanzstarke Gemeinden einer großen Zahl von Gemeinden mit weit unterdurchschnittlicher Finanzkraft gegenüber. Bei einem Verzicht auf die Progression wäre dem Beklagten zur Vermeidung eines noch größeren eigenen Haushaltsdefizits nichts anderes übriggeblieben, als den dann einheitlichen Umlagesatz weiter anzuheben. Hierdurch wären auch die ohnehin unterdurchschnittlich finanzkräftigen Gemeinden weiter geschwächt worden. Die Ausgestaltung des progressiven Umlagesatzes erscheine gegenüber den betroffenen Gemeinden auch nicht rücksichtslos. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die angeordnete Progression in Steigung und Höchstsatz hinter dem nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz zulässigen Maß zurückbleibe. Der Beklagte habe bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt. Die von der Klägerin beanstandeten Mittelansätze beträfen allesamt Angelegenheiten, die der Beklagte nach der Landkreisordnung als überörtliche Aufgaben der freien Selbstverwaltung wahrnehmen dürfe. Die Frage, inwieweit ein Landkreis unterstützend und ausgleichend im Bereich der allgemeinen Angelegenheiten tätig werden dürfe, stelle sich im vorliegenden Falle nicht.

4

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht sie geltend, der Beklagte nehme unzulässig gemeindliche Aufgaben wahr. Dies führe zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und zu einem überhöhten Umlagesoll. Die Wahl eines progressiven Umlagesatzes bewirke eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden oder sogar eine Veränderung der Finanzkraftreihenfolge. Die Erhebung der Kreisumlage in ihrer konkreten Ausgestaltung führe im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen würden und sie zur Umlagefinanzierung sogar Kredite aufnehmen müsse. Das Vorgehen des Beklagten sei mit Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass eine progressive Kreisumlage mit Art. 28 Abs. 2 GG dann nicht mehr vereinbar sei, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete aufgabenadäquate finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden strukturell nicht mehr gewahrt werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil wird den Anforderungen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt damit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der angefochtene Kreisumlagebescheid einer Rechtsgrundlage bedarf, dass er diese nur in § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) i.V.m. § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) sowie in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 finden kann und dass deren Gültigkeit voraussetzt, dass sie mit höherem Recht, namentlich mit Verfassungsrecht vereinbar sind. Insofern hat das Berufungsgericht allein das Verfassungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, nämlich Art. 49 LVerf in den Blick genommen und keinen Grund zur Beanstandung finden können; insoweit unterliegt sein Urteil nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht hat indes ungeprüft gelassen, ob die erwähnten Rechtsgrundlagen auch mit Bundesverfassungsrecht, vornehmlich mit Art. 28 Abs. 2, aber auch mit Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG vereinbar sind. Dies gilt es nachzuholen. Hierzu müssen zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe entfaltet werden (1.). Daran gemessen, erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts teilweise als beanstandungsfrei (2. und 3.), in anderer Hinsicht jedoch als unzureichend (4.). Da eine abschließende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die zudem landesrechtliche Rechtsfragen aufwerfen können, muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (5.).

11

1. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das ergibt sich schon aus Satz 1 der Garantie; das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, setzt voraus, dass die Gemeinden über eine Finanzausstattung verfügen, die sie hierzu in den Stand setzt. Es wurde im Übrigen durch die Anfügung von Satz 3 der Garantie bestätigt und noch materiellrechtlich verstärkt. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteile vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146 und vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161).

12

Die Finanzausstattung der Gemeinden ist ein Saldo aus Einnahmen und Abschöpfungen. Auf der Einnahmenseite tragen zur Finanzausstattung - neben Entgelten für spezielle Leistungen - Einnahmen aus Steuern (sogenannte Steuerkraft) sowie ergänzende Zuweisungen aus Landesmitteln nach Maßgabe des kommunalen Finanzausgleichs bei; dem stehen in negativer Hinsicht Bestimmungen in den Finanzausgleichs- und anderen Gesetzen über Umlagen gegenüber, die den Gemeinden Finanzmittel zugunsten anderer - regelmäßig höherstufiger - Verwaltungsträger wieder entziehen, sei es zugunsten der Kreise (Kreisumlage), sei es zugunsten von anderen Gemeindeverbänden (wie die Verbandsgemeindeumlage), sei es schließlich zugunsten von Land oder Bund (Finanzausgleichsumlage; Gewerbesteuerumlage). Die Kreisumlage erweist sich damit nicht nur als - herkömmliches und als solches fraglos zulässiges - Instrument zur Finanzierung der Kreise. Sie entzieht zugleich den kreisangehörigen Gemeinden Finanzmittel und zählt insofern zu den Instrumenten, welche in ihrem Zusammenwirken die Finanzausstattung der Gemeinden festlegen. Als solches muss sie den Anforderungen entsprechen, die das Verfassungsrecht für die Finanzausstattung der Gemeinden vorgibt (a); und ihre Wirkungen dürfen nicht dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (b).

13

a) Dem Gesetz- und sonstigen Normgeber kommt bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zu. Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Weder kommt dem Land für seinen eigenen Finanzbedarf ein Vorrang gegenüber dem kommunalen Bereich zu, noch lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG umgekehrt ein Vorrang des kommunalen Finanzbedarfs gegenüber demjenigen des Staates herleiten. Auch innerhalb des kreiskommunalen Raumes lässt sich weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Art. 28 Abs. 2 GG auch das sogenannte dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip entnommen. Hiernach muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber sich dafür entschieden hat, dass örtlich bezogene öffentliche Aufgaben möglichst dezentral, im Zweifel also auf der gemeindlichen Ebene erledigt werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <147 ff., 156>). Daraus lässt sich jedoch kein Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Ebene auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen herleiten. Das dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip bewirkt eine im Zweifel gemeindliche Aufgabenzuständigkeit und begründet in der Folge eine gemeindliche Ausgabenlast. Deshalb ist der hierdurch begründete Finanzbedarf der Gemeinden jedoch nicht gewichtiger als der Finanzbedarf anderer (höherstufiger) Verwaltungsträger, der diesen aus den ihnen (verfassungsgemäß) zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erwächst (vgl. auch Beschluss vom 3. März 1997 - BVerwG 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109). Art. 28 Abs. 2 GG regelt eine Kompetenzverteilung und gewährleistet gleichsam akzessorisch eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, trifft jedoch keine von der Aufgabenverteilung losgelöste, zusätzliche und eigenständige Regelung zur Verteilung öffentlicher Mittel.

14

Mit Blick auf die Kreisumlage kommt dem Grundsatz des finanziellen Gleichrangs zunächst und vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Kreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden zu. Mit der Kreisumlage werden bestimmte Finanzmittel im kreisangehörigen Raum zwischen dem Kreis und den Gemeinden verteilt. Das muss gleichmäßig geschehen (zum Gebot interkommunaler Gleichbehandlung: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris Rn. 80). Dabei ist von Bedeutung, dass der Kreis nicht nur die Befugnis zur einseitigen Erhebung der Kreisumlage hat, sondern dass er in bestimmter Hinsicht auch über das Ausmaß seiner Kreistätigkeit disponiert und damit seinen eigenen Finanzbedarf enger oder weiter stecken kann. Das darf er nicht beliebig; vielmehr muss er die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizupflichten, dass der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen darf. Es ist allenfalls dahin zu ergänzen, dass der Kreis auch verpflichtet ist, nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen.

15

Die Erhebung der Kreisumlage muss den allgemeinen Gleichheitssatz auch in horizontaler Dimension im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <393>; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 a.a.O. <287>). Fraglos zulässig ist es, den Finanzbedarf des Kreises nach linear gleichem Maßstab auf die kreisangehörigen Gemeinden umzulegen. Häufig werden steuerstärkere Gemeinden jedoch stärker herangezogen als steuerschwächere; dadurch erzielt die Kreisumlage zugleich einen steuerkraftausgleichenden Effekt. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Außerdem darf dies nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Länder im Länderfinanzausgleich hergeleitet (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. - BVerfGE 86, 148 <250 f., 253 f.>); es gilt gleichermaßen in Ansehung des Gebots der Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden bei der Kreisumlage.

16

Schließlich darf die Erhebung der Kreisumlage nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird. Das meint zunächst die Ertragshoheit. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Zwar erlaubt Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG eine Umlage zugunsten des Landes und des Bundes auf den Ertrag der Gewerbesteuer. Dadurch darf jedoch nur ein Teil des Gewerbesteuerertrages entzogen werden; ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig. Ähnliches gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG. Hiernach können die Länder die Erträge der Gemeinden aus den Realsteuern, aus der Einkommen- und aus der Umsatzsteuer zur Grundlage für weitere Umlagen nehmen. Auch dies darf nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen; unzulässig wäre es, den Gemeinden die genannten Umlagegrundlagen praktisch zur Gänze zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gelegentlich bemerkt, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG lasse sich ein besonderer Normgehalt nicht entnehmen, weshalb die Vorschrift von Teilen der Literatur sogar für überflüssig erachtet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 a.a.O. <391 f.>). Die Frage eines Totalentzugs der Umlagegrundlagen war jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

17

Die Steuerhoheit umfasst neben der Ertragshoheit auch eine gewisse Regelungsbefugnis. Insofern gewährleistet das Grundgesetz den Gemeinden in Ansehung der Realsteuern und - nach Maßgabe von Bundesrecht - auch in Ansehung ihres Anteils an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 GG) eine eigene Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer "finanziellen Eigenverantwortung" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 u.a. - BVerfGE 125, 141 <160 ff.>). Die Erhebung von Umlagen darf nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit entwertet wird. Die rheinland-pfälzischen Bestimmungen über die Bemessung der Kreisumlage sehen deshalb vor, dass die Gemeinden nicht mit ihren tatsächlichen, sondern mit fiktiven Steuereinnahmen veranschlagt werden, denen ein einheitlicher und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehener Hebesatz zugrunde gelegt wird. Dieses Verfahren ist einwandfrei. Ob andere Bemessungsweisen gleichermaßen zulässig wären, bedarf keiner Entscheidung.

18

b) Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürfen weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird. Insofern zieht Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze.

19

Ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, hinter die der (Landes-)Gesetzgeber auch bei einer allgemeinen Notlage der öffentlichen Haushalte nicht zurückgehen darf, haben das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181> und vom 7. Februar 1991 a.a.O. <386>; vgl. aber auch Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <168>) und das Bundesverwaltungsgericht (vgl. aber Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) bislang nicht entschieden. Die Verfassungsgerichte der Länder haben ihren jeweiligen Landesverfassungen derartige Mindestgarantien entnommen und dies - soweit die Ausstattung aus Landesmitteln in Rede steht - allenfalls gelegentlich unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt; die Gemeinden müssen hiernach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine "freie Spitze" verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. Dezember 1977 - VGH 2/74 - DVBl 1978, 802 <805> und vom 18. März 1992 - VGH 3/91 - NVwZ 1993, 159 <160> m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - 2/97 - ESVGH 49, 242; Bayerischer VerfGH, Entscheidungen vom 27. Februar 1997 - Vf. 17 VII-94 - VerfGHE BY 50, 15 <41> und vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 - VerfGHE BY 60, 184; VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September1999 - 28/98 - NVwZ-RR 2000, 129 <130>; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 11. Mai 2006 - 1/05 u.a. - LKV 2006, 461 und vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris; Niedersächsischer StGH, Urteile vom 15. August 1995 - 2/93 u.a. - OVGE 45, 486, vom 25. November 1997 - 14/95 u.a. - OVGE 47, 497 und vom 7. März 2008 - 2/05 - NdsVBl 2008, 152 <156 f.>; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 16/02 - OVGE 50, 306; Urteile vom 11. Dezember 2007 - 10/06 - OVGE 51, 272 und vom 19. Juli 2011 - 32/08 - DVBl 2011, 1155; VerfGH Saarland, Urteile vom 10. Januar 1994 - Lv 2/92 - NVwZ-RR 1995, 153 <154> und vom 13. März 2006 - Lv 2/05 - juris; VerfGH des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 - LKV 2001, 223 <224>; LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 - NVwZ 2007, 78; Thüringer VerfGH, Urteile vom 12. Oktober 2004 - 16/02 - DVBl 2005, 443, vom 21. Juni 2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <667> und vom 18. März 2010 - 52/08 - LKV 2010, 220; aus der Literatur: Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 248 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 1. Januar 2013, Art. 28 Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 102; Hufen, DÖV 1998, 276 <280>).

20

Dieser Rechtsprechung ist für das Bundesverfassungsrecht beizupflichten. Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG ergibt sich, dass der anerkannte "Kernbereich" der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung zu erstrecken ist. Der Gesetzgeber muss die öffentliche Verwaltung also so organisieren, dass unterhalb der (staatlichen) Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene eingerichtet wird, der ein eigenständiges, eigenverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur in singulären Angelegenheiten, sondern grundsätzlich universell ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 a.a.O. <146 f.>). Dieser kommunale Bereich darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss auch finanziell ermöglicht werden. Der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wäre mithin (auch) dann verletzt, wenn von einer kommunalen Selbstverwaltung zwar vielleicht de jure, aber jedenfalls nicht mehr de facto die Rede sein könnte, weil den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel fehlen.

21

Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gemeinden in Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG bestimmte Steuereinnahmen zuerkannt und damit die gemeindliche Finanzausstattung zu einem Teil bereits von Bundesverfassungsrechts wegen gesichert hat. Daraus lässt sich nicht folgern, dass eine weitergehende bundesverfassungsrechtliche Sicherung nicht gewollt gewesen sei. Das Gegenteil ist richtig. Dass Art. 28 Abs. 2 GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanzielle Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu. Auch die Einfügung des Satzes 3 in Art. 28 Abs. 2 GG belegt die Überzeugung des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass die Selbstverwaltungsgarantie angesichts zunehmender Überbürdung kostenträchtiger Aufgaben auf die Kommunen gerade in finanzieller Hinsicht noch zusätzlicher Verstärkung bedurfte.

22

Klargestellt werden muss, dass dieser "Kerngehalt" die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren - das verfassungsrechtliche Minimum - bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist. Der Landesgesetzgeber könnte also eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden in diesem Sinne nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass auch die Haushaltslage des Landes notleidend ist. Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar (so auch Tettinger/Schwarz, a.a.O. Rn. 248 ff.). Ob anderes gelten kann, wenn das Land selbst unter Ausschöpfung aller eigenen Steuerquellen und unter möglichster Verminderung ausgabenträchtiger öffentlicher Aufgaben des Landes und der Kommunen zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Mindestpflicht außerstande wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Lage ist nicht erkennbar; der Beklagte macht nur eine eigene Haushaltsnotlage geltend, nicht aber einen Haushaltsnotstand des gesamten Landes.

23

2. Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht auf der gesetzlichen Grundlage in § 58 Abs. 4 LKO, § 25 LFAG. Das Berufungsgericht ist fraglos davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das hält den Einwänden, die namentlich der Vertreter des Bundesinteresses erhebt, im Ergebnis stand.

24

a) Der Vertreter des Bundesinteresses weist zum einen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Februar 2012 (- VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 = DVBl 2012, 432) die Bestimmungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Zuweisungen aus Landesmitteln (§§ 7 bis 18 LFAG) für verfassungswidrig erklärt hat. Das bleibt freilich für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung. Zwar nimmt § 25 LFAG auf § 13 LFAG und damit auf eine der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften Bezug. Jedoch wird damit nicht die Gültigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln zur Voraussetzung auch für die Gültigkeit der Bestimmungen über die Kreisumlage erhoben. Die Bezugnahme auf § 13 LFAG soll vielmehr lediglich die Umlagegrundlagen festlegen. Sie dient daher nur einer regelungstechnischen Vereinfachung, um eine eigenständige Wiederholung innerhalb des § 25 LFAG zu ersparen. In Ansehung der Umlagegrundlagen kann § 13 LFAG auch unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln Bestand haben. Hinzu kommt, dass das Landesverfassungsgericht die §§ 7 bis 18 LFAG zwar für verfassungswidrig, aber für das hier in Rede stehende Umlagejahr 2009 nicht auch für nichtig erklärt hat; das Gesetz verliert vielmehr erst Ende 2013 seine Gültigkeit, wenn der Gesetzgeber bis dahin den verfassungsrechtlichen Einwänden nicht Rechnung getragen hat.

25

b) Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt zum anderen, dass § 58 Abs. 4 LKO zu weit gefasst sei. Nach dieser Vorschrift erhebt der Kreis eine Kreisumlage, soweit seine sonstigen Finanzquellen seinen Finanzbedarf nicht decken. Damit macht sie den Kreisen die Erhebung einer Kreisumlage zur Pflicht, deren Soll-Aufkommen sich nach ihrem Wortlaut allein nach dem gesamten ungedeckten Finanzbedarf des Kreises bemisst, ohne hierbei die gebotene Rücksicht auf den eigenen Finanzbedarf und die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden zu nehmen. Mit diesem Inhalt könnte die Vorschrift tatsächlich keinen Bestand haben; sie würde den Grundsatz des Gleichrangs zwischen dem Finanzbedarf des Kreises und demjenigen der kreisangehörigen Gemeinden und damit das interkommunale Gleichbehandlungsgebot in vertikaler Hinsicht verletzen und im Extremfall dazu führen, dass der Kreis eine eigene Unterfinanzierung stets auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen dürfte oder gar müsste, selbst wenn diesen dadurch nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene Mindestausstattung verbliebe. Die Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer solchen Interpretation. Sie ist vielmehr für eine verfassungskonforme Auslegung offen, wonach der Kreis zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt wird, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt wird, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zwingend und jedenfalls dann nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsste, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

26

3. Die Klägerin hat gegen die Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 zum einen eingewendet, der Beklagte finanziere die Wahrnehmung von Aufgaben, für die ihm die Zuständigkeit fehle; zum anderen verletze der gewählte progressive Umlagesatz das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung in dessen horizontaler Dimension. Das Berufungsgericht hat diese Einwände zurückgewiesen. Das hält den Angriffen der Revision stand.

27

a) Die Klägerin bemängelt, der Beklagte nehme Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahr, für die ihm die Zuständigkeit fehle, was zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und dementsprechend zu einem überhöhten Umlagesoll führe. Dieser Einwand verfängt nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sämtliche von der Klägerin insofern angesprochenen Aufgaben kreisörtlicher Natur ("auf das Kreisgebiet bezogen") sind und deshalb vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKO wahrgenommen werden dürfen. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Dann aber steht fest, dass es sich nicht um gemeindliche Aufgaben handelt, die der Kreis lediglich im Rahmen seiner Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion (nach § 2 Abs. 5 LKO) oder gar in Wahrnehmung seiner "Kompetenzkompetenz" (nach § 2 Abs. 3 und 4 LKO) übernehmen dürfte. Damit stellt sich auch die verfassungsrechtliche Frage nicht, ob es mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar wäre, wenn der Kreis gemeindliche Aufgaben an sich zieht, die Gemeinden aber zugleich über die Kreisumlage zu deren Finanzierung heranzieht.

28

b) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie den progressiven Umlagesatz als solchen betreffen.

29

Der Umlagesatz besagt als solcher noch nichts über die den Gemeinden nach Erhebung der Umlage verbleibende Finanzausstattung. Die Progression führt auch nicht dazu, dass die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen werden; im vorliegenden Fall liegt der Grenzsatz bei 37,1 x 150 = 55,65 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. Der Umlagesatz ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und ob er Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden übermäßig nivelliert. Insofern sind Einwände nicht zu erheben.

30

Ein einheitlicher Umlagesatz wahrt den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 LFAG), ein progressiver Satz wahrt ihn, wenn für die Progression ein sachlicher Grund besteht (vgl. Urteil vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <288 f.> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Progression - der nur überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinden unterliegen - dem Verursachungsprinzip Rechnung tragen soll; diese Gemeinden werden auf diese Weise verstärkt herangezogen, weil ihre besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an die Kreise ist, was ohne Progression zu einer stärkeren Belastung der finanzschwächeren Gemeinden führen müsste. Darin hat es beanstandungsfrei einen zureichenden sachlichen Grund für den progressiven Umlagesatz gesehen.

31

Dessen Anwendung führt auch nicht dazu, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden vollständig eingeebnet würden oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert würde. Das ist bei der gewählten stufenweisen Anhebung des in Prozent ausgedrückten Umlagesatzes schon rechnerisch ausgeschlossen. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall; die Klägerin ist auch nach Durchführung der Umlage die steuerstärkste Gemeinde im Kreis. Dass sie selbst zu anderen Ergebnissen gelangt, ist darauf zurückzuführen, dass sie auf ihre absoluten Steuereinnahmen abstellt und diese nicht ins Verhältnis zu ihrer - geringen - Einwohnerzahl setzt. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung. Was angemessen ist, bestimmt sich zuvörderst nach dem Finanzbedarf, dieser aber ist maßgeblich abhängig von der Einwohnerzahl. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Finanzkraftvergleich zwischen den verschiedenen kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl vornimmt.

32

4. Die Klägerin hatte aber drittens und vor allem geltend gemacht, die Erhebung der Kreisumlage entziehe ihr - im Zusammenwirken mit anderen Umlagen - praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

33

a) Vorab ist festzuhalten, dass der Einwand der Klägerin beachtlich ist. Der Beklagte muss bei der Bemessung der Kreisumlage die anderen Umlagepflichten der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Der Landesgesetzgeber stellt die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land; Instrumenten der Finanzzuweisungen zugunsten der Gemeinden (insbesondere Schlüsselzuweisungen) stehen gegenläufige Instrumente der Finanzabschöpfungen (insbesondere Umlagen) gegenüber. Insofern tritt die Kreisumlage neben andere Umlagen unter Gemeinden. Der Vertreter des Bundesinteresses weist zutreffend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber dieses System des Finanzausgleichs als Ganzes zu verantworten hat; er ist verpflichtet, eine angemessene Finanzausstattung, wenigstens aber die Mindestausstattung der Gemeinden im Gesamt seines Regelwerks zu gewährleisten. Dabei muss er diejenigen Vorgaben beachten, die vom Bundesgesetzgeber selbst und damit von einem vorrangigen Normgeber gesetzt werden. Deshalb muss er auch die Belastungen der Gemeinden aus der Gewerbesteuerumlage in Rechnung stellen.

34

Bei der nötigen Gesamtbetrachtung kann die Verbandsgemeindeumlage (§ 26 LFAG) nicht ausgeblendet werden. Sie dient zwar der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben und kommt der Klägerin - einer Ortsgemeinde - damit selbst zugute. Die Klägerin kann jedoch über ihre Mitgliedschaft in der Verbandsgemeinde nicht frei entscheiden und kann auch den Umfang der von dieser wahrgenommenen örtlichen Aufgaben nicht beeinflussen. Vielmehr werden die Verbandsgemeinden aus Gründen des Gemeinwohls gebildet (vgl. § 64 GemO) und nehmen bestimmte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgrund Gesetzes an Stelle der Ortsgemeinden wahr (§§ 67, 68 GemO). Insofern liegt die Sache anders als bei der Samtgemeindeumlage nach niedersächsischem Recht (vgl. Urteil vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161). Vor allem aber stünde eine "freie Spitze" nicht der Verbandsgemeinde, sondern unverändert der Ortsgemeinde zu, die auch nur selbst Inhaberin des verfassungsrechtlichen Aufgabenzugriffsrechts, also des Rechts ist, sich jeder "unbesetzten" öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft aus eigenem Willensentschluss anzunehmen.

35

b) Das Berufungsgericht ist auf den Einwand der Klägerin bislang nur unter Anlegung eines unzureichenden und teilweise fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstabs eingegangen. Es hat den Kreis nämlich von der Pflicht zur Beachtung der verfassungsgebotenen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden dispensiert und angenommen, die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie werde in jedem Fall erst dann verletzt, wenn der Kreis seine eigenen Interessen einseitig und willkürlich gegenüber den Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetze. Das wird den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht gerecht.

36

Der Schutz- und Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 (und 3) GG gilt zugunsten der Gemeinden auch in deren Verhältnis zum Kreis. Für "den kommunalen Raum", also das Gesamt von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, besteht kein abweichendes Sonderrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <150 f., 152>). Daraus folgt, dass der oben umschriebene "Kernbereich" der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch nicht zugunsten des jeweiligen Kreises angetastet werden darf. Das gilt für jedwede Finanzregelung, gleichgültig ob sie vom Land oder vom Kreis selbst erlassen wurde; weder darf eine Regelung des Landesgesetzgebers zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden führen, noch darf eine Regelung eines Kreises diese Wirkung haben. Damit wird auch der Kreisumlage eine absolute Grenze gezogen; ihre Erhebung darf nicht dazu führen, dass das absolute Minimum der Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten wird.

37

Demgegenüber will das Berufungsgericht die Kreise bei Erlass von Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage von der Pflicht zur Beachtung des "Kernbereichs" jedenfalls dann dispensieren, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert ist; die Regelungsbefugnis des Kreises sei auch in diesem Falle erst überschritten, wenn der Kreis seine Interessen willkürlich und rücksichtslos zulasten der Gemeinden verfolgt. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. So wenig wie das Land kann sich der Kreis von der Beachtung des "Kernbereichs" der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Hinweis auf seine eigene Haushaltslage dispensieren. Richtig ist, dass der Kreis - anders als das Land - regelmäßig nicht über eine nennenswerte Kompetenz zur Erschließung zusätzlicher Steuerquellen verfügt, um seine Finanznot zu lindern (dazu Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 115 f.). Das suspendiert indes nicht die Geltung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie. Ist die eigene Finanzausstattung des Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten; er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen. Darauf weist der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hin.

38

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Defiziten, da es einen Haupteinwand der Klägerin - die Kreisumlage entziehe ihr die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung - auf unzureichender Grundlage zurückgewiesen hat.

39

5. Der Senat kann über die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf Vorbringen des Beklagten eingegangen werden, was zusätzliche tatsächliche Feststellungen erfordert, die zudem landesrechtliche Würdigungen voraussetzen. Das ist dem Bundesverwaltungsgericht verschlossen; deshalb muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

40

a) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass im Zusammenwirken der Kreisumlage mit anderen Umlagen sämtliche Steuereinnahmen der Klägerin abgeschöpft würden und die Klägerin darüber hinaus noch zur Kreditaufnahme gezwungen werde, um ihre Umlageverpflichtungen zu erfüllen. Er meint, dass die Gewerbesteuerumlage nicht gesondert und zusätzlich zu berücksichtigen sei, weil sie bereits bei Festlegung der Nivellierungssätze als Höchstgrenze für die Umlagezahlungen Berücksichtigung finde. Ob das zutrifft, wird zu prüfen sein.

41

b) Zum anderen - und vor allem - behauptet der Beklagte, die Kumulation von Umlagepflichten habe für die Klägerin nur im Jahr 2009 zu einer derart hohen Belastung geführt. Die Erhebungsmethode habe in diesem Jahr zu einem überdurchschnittlich hohen Umlagebetrag geführt, dem jedoch im Folgejahr ein entsprechend niedrigerer Betrag gefolgt sei. Auch dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie wird nicht schon dann verletzt, wenn die Finanzausstattung einer Gemeinde nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minimum zurückbleibt; zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung. Der Kernbereich der Garantie ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Wege der Restitutionsklage die Feststellung, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Folgenden: BfArM) verpflichtet war, seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau den Erwerb von 15 g Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung zu erlauben.

2

Die Ehefrau des Klägers (im Folgenden: Frau K.) litt seit April 2002 infolge eines Unfalls an einer hochgradigen, fast kompletten sensomotorischen Querschnittslähmung. Sie war vom Hals abwärts gelähmt, musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Häufige Krampfanfälle verursachten starke Schmerzen. Nach ärztlicher Einschätzung bestand keine Aussicht auf Besserung ihres Zustandes. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte Frau K. den Wunsch, ihr Leben zu beenden. Mit Schreiben vom 12. November 2004 beantragte sie beim BfArM, ihr zum Zweck der Durchführung eines begleiteten Suizids den Erwerb von 15 g Natrium-Pentobarbital zu erlauben. Zur Begründung führte sie aus, sie habe ihren Sterbewunsch mit dem Kläger, der gemeinsamen Tochter, den behandelnden Ärzten, einem Psychologen, dem Pflegepersonal und einem Geistlichen besprochen; diese respektierten ihre Entscheidung. Eine risikolose und schmerzfreie Selbsttötung sei für sie nur mit dem beantragten Mittel möglich. Pentobarbital gehöre nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu den verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln. Jedoch dürften Ärzte nach dem geltenden Arzt- und Standesrecht keine letale Dosis verschreiben. Zudem sei unsicher, wie die Unterstützung einer frei verantwortlichen Selbsttötung strafrechtlich bewertet würde. In der Schweiz sei die von ihr angestrebte Selbsttötung mit Natrium-Pentobarbital möglich. Allerdings stelle die Reise wegen der damit verbundenen Belastungen keine zumutbare Alternative dar.

3

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 lehnte das BfArM den Antrag ab. Die begehrte Erlaubnis sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen, weil der Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, nicht zu vereinbaren sei. Mit medizinischer Versorgung im Sinne dieser Vorschrift seien ausschließlich lebenserhaltende oder -fördernde Verwendungszwecke gemeint. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2005 wies das BfArM den Widerspruch von Frau K. als unbegründet und den Widerspruch des Klägers als unzulässig zurück. Wenige Tage vor Erlass des Widerspruchsbescheides war Frau K. in Begleitung des Klägers und ihrer Tochter in die Schweiz gereist und hatte sich mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe selbst getötet.

4

Die Klage auf Feststellung, dass der Bescheid vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2005 rechtswidrig und die Beklagte zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen ist, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Februar 2006 - 7 K 2040/05 - (FamRZ 2006, 1673) als unzulässig abgewiesen. Der Kläger sei nicht klagebefugt. Er könne weder geltend machen, in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt zu sein, noch erscheine eine Verletzung seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) möglich. Durch die Erlaubnisversagung könnten allein Rechte der Ehefrau betroffen gewesen sein. Den gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 2007 - 13 A 1504/06 - (NJW 2007, 3016) zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht habe eine Klagebefugnis zutreffend verneint. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2008 - 1 BvR 1832/07 - (NJW 2009, 979) nicht zur Entscheidung angenommen.

5

Der daraufhin vom Kläger angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 19. Juli 2012 - Nr. 497/09, Koch/Deutschland - (NJW 2013, 2953) entschieden, dass der Kläger durch die Weigerung der nationalen Gerichte, die Begründetheit seiner Klage zu prüfen, in seinem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzt worden ist. Das Urteil ist seit 17. Dezember 2012 rechtskräftig.

6

Am 15. Januar 2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht die Wiederaufnahme des Klageverfahrens beantragt und sein Feststellungsbegehren weiterverfolgt. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. Mai 2014 sein Urteil vom 21. Februar 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Restitutionsklage sei gemäß § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO zulässig. Die erneute Prüfung des Klagebegehrens ergebe, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, aber unbegründet sei. Das BfArM habe den Antrag von Frau K. auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu Recht abgelehnt. Die Erlaubnis sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen gewesen. Unter notwendiger medizinischer Versorgung im Sinne dieser Vorschrift seien nur solche Betäubungsmittelanwendungen zu verstehen, die therapeutischen Zwecken dienten. Dazu gehöre zwar auch die Versorgung mit schmerzstillenden Medikamenten am Ende des Lebens. Dieser Versorgungszweck sei aber mit der Einnahme einer letalen Dosis zum Zweck der Selbsttötung nicht zu vergleichen und medizinisch und ethisch streng abzugrenzen. Bei der palliativen Versorgung sterbender Menschen stehe die Linderung von Schmerzen und Atemnot im Vordergrund, während eine mit der Anwendung des Betäubungsmittels verbundene lebensverkürzende Wirkung nicht beabsichtigt, sondern lediglich als unvermeidliche Nebenfolge der notwendigen Behandlung in Kauf genommen werde. Diese Bewertung stimme auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung zwischen erlaubter, durch Einwilligung des Patienten gerechtfertigter Sterbehilfe und einer strafbaren Tötung nach §§ 212, 216 StGB überein. Danach könne als Sterbehilfe zulässig sein, eine lebenserhaltende oder -verlängernde medizinische Behandlung zu unterlassen oder abzubrechen, nicht hingegen eine lebensbeendende Handlung außerhalb des Zusammenhangs einer medizinischen Behandlung. Eine Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG, die den Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungsmitteln ausnahmsweise ermöglichen würde, wenn ein selbstbestimmter Entschluss zur Beendigung eines leidvollen Lebens vorliege, komme nicht in Betracht, weil sie dem Willen des Gesetzgebers widerspreche. Ein ausnahmsloses Verbot der Abgabe von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung verstoße auch weder gegen das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende nach Art. 8 EMRK noch gegen das Recht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG.

7

Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. August 2015 zurückgewiesen. Der Erwerb der beantragten Dosis Natrium-Pentobarbital habe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG einer Erlaubnis bedurft. Zwar sei das Betäubungsmittel grundsätzlich gemäß § 13 Abs. 1 i.V.m. Anlage III und § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BtMG ohne gesonderte Erlaubnis auf ärztliche Verschreibung erhältlich. Diese Zugangsmöglichkeit sei Frau K. aber faktisch verschlossen gewesen. Denn die Berufsordnungen würden es den Ärzten überwiegend verbieten, Natrium-Pentobarbital oder andere Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Dementsprechend habe sich die Ärzteschaft bisher mehrheitlich darauf geeinigt, dass die Verschreibung oder Verabreichung einer tödlichen Dosis den Regeln der Heilkunde widerspreche. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Erlaubniserteilung der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG entgegengestanden habe. Eine Erwerbserlaubnis zur Selbsttötung sei mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Dafür sprächen neben dem Wortlaut der Regelung insbesondere systematische und teleologische Argumente. Es fehle zwar eine eindeutige Aussage im Gesetz, ob die Abgabe von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung möglich sein solle. Allerdings sei den Materialien zu entnehmen, dass es dem Gesetzgeber bei der Novellierung des Betäubungsmittelrechts um den Gesundheitsschutz gegangen sei. Auch die mit Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 eingefügten Regelungen zur Vereinfachung der palliativ-medizinischen Versorgung mit Betäubungsmitteln sprächen für dieses Normverständnis. Hätte der Gesetzgeber die Abgabe von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung ermöglichen wollen, hätte es nahegelegen, dies im Zuge des Änderungsgesetzes mit zu regeln. Die Grundrechte des Grundgesetzes sowie die Rechte und Freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention verlangten keine abweichende Auslegung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umfasse Art. 8 Abs. 1 EMRK auch das Recht eines Menschen zu entscheiden, wann und in welcher Weise sein Leben enden solle, vorausgesetzt, er könne seinen Willen frei bilden und dementsprechend handeln. Unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK könne dieses Recht beschränkt werden. Hierbei verfüge der nationale Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum. Bei der Abwägung sei die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit jedes Menschen nach Art. 2 EMRK zu berücksichtigen. Daraus könne auch die staatliche Pflicht folgen, eine Person an der Selbsttötung zu hindern, wenn sie die Entscheidung nicht frei und in Kenntnis aller Umstände getroffen habe. Danach sei ein ausnahmsloses Verbot des Zugangs zu Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung nicht zu beanstanden. Es sei geeignet und erforderlich, um Menschen in vulnerabler Position und Verfassung gegenüber Entscheidungen zu schützen, die sie möglicherweise voreilig, in einem Zustand mangelnder Einsichtsfähigkeit oder nicht freiverantwortlich träfen, und um sie gegenüber Missbrauch durch Dritte zu schützen. Durch das Verbot würden Menschen in der Situation wie Frau K. auch nicht in ihrer Menschenwürde verletzt. Ihnen verblieben Handlungsalternativen, die dem Schutzgehalt der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG gerecht würden. Sie ergäben sich vor allem durch Möglichkeiten im Bereich der Palliativmedizin und, soweit die Betroffenen auf lebenserhaltende medizinische Maßnahmen angewiesen seien, durch die Möglichkeit der so genannten Therapiezieländerung oder des Behandlungsabbruchs.

8

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG falsch ausgelegt. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass Betäubungsmittel der Anlage III nicht auch zum Zweck der Lebensbeendigung erworben werden dürften. Ein Regelungsverständnis, das dazu führe, dass ein Suizidwilliger in einer Situation wie derjenigen seiner Frau zusätzlich leiden müsse, verstoße gegen die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Das Recht, selbstbestimmt über den Zeitpunkt und die Umstände des eigenen Todes zu entscheiden, laufe leer, wenn dem Betroffenen verwehrt werde, auf eine möglichst risikolose und schmerzfreie Weise aus dem Leben zu scheiden. Werde der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ausgeschlossen, würden Betroffene wie seine Frau vor die Alternative gestellt, weiter leiden zu müssen, eine andere Suizidmethode wählen zu müssen, die erheblich risikoreicher und mit der Gefahr zusätzlicher Schmerzen verbunden sei, oder eine beschwerliche Reise in die Schweiz unternehmen zu müssen, um den Sterbewunsch dort in der gewünschten Weise umsetzen zu können. Das sei mit dem Schutzgehalt der Menschenwürdegarantie nicht vereinbar. Die streitige Erlaubnis sei nicht als Gewährung einer staatlichen Hilfe zur Selbsttötung zu qualifizieren, sondern im Sinne des grundrechtlichen Abwehranspruchs als Befreiung von einem rechtfertigungsbedürftigen Zugangsverbot. Ein ausnahmsloses Verbot verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot sowie gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK. Die im Berufungsurteil angesprochenen Handlungsalternativen hätten seiner Frau nicht zur Verfügung gestanden.

9

Die Beklagte verteidigt die Entscheidungen der Vorinstanzen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass der Bescheid des BfArM vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2005 rechtswidrig gewesen ist. Insoweit beruht das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die weitergehende Revision bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen ist.

11

1. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Klageverfahrens vorliegen. Die Restitutionsklage ist nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2006 - 7 K 2040/05 - war deshalb aufzuheben (vgl. § 590 Abs. 1 ZPO; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 153 Rn. 17).

12

2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist statthaft (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) und auch im Übrigen als zulässig anzusehen. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) sowie das notwendige Feststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) sind aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 19. Juli 2012 zu bejahen. Danach kann der Kläger geltend machen, durch die Weigerung des BfArM, seiner verstorbenen Frau die beantragte Erlaubnis zu erteilen, in eigenen Rechten (Art. 8 Abs. 1 EMRK) verletzt worden zu sein. Er hat auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Versagungsentscheidung (vgl. EGMR, Urteil vom 19. Juli 2012 - Nr. 497/09, Koch/Deutschland - NJW 2013, 2953 Rn. 45 ff.).

13

3. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, der ein Verpflichtungsbegehren zugrunde liegt, der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 4 B 55.96 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 286 S. 21 f.; Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 C 23.09 - Buchholz 406.253 § 20 ZuG 2007 Nr. 1 Rn. 53). Danach ist hier auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Todes von Frau K. am 12. Februar 2005 abzustellen. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die ablehnenden Bescheide des BfArM rechtswidrig gewesen sind, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses abzuheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:041214U4C33.13.0] - BVerwGE 151, 36 Rn. 18, 21). Maßgeblich ist daher das Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358) und der Achtzehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2003 (BGBl. 2004 I S. 28). Das hindert allerdings nicht, nachfolgende Rechtsänderungen und -entwicklungen mit in den Blick zu nehmen, wenn und soweit sie Rückschlüsse auf die Rechtslage im maßgeblichen Betrachtungszeitpunkt zulassen.

14

4. Danach sind die ablehnenden Bescheide des BfArM vom 16. Dezember 2004 und 3. März 2005 rechtswidrig gewesen. Die ihnen zugrunde liegende Annahme, der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG habe der Erlaubniserteilung ausnahmslos entgegengestanden, ist rechtsfehlerhaft.

15

a) Frau K. benötigte für den Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG.

16

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alt. BtMG bedarf einer Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, wer Betäubungsmittel erwerben will. Betäubungsmittel im Sinne dieser Bestimmung sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen (§ 1 Abs. 1 BtMG). Pentobarbital zählt zur Gruppe der verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel der Anlage III. Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital ist daher erlaubnispflichtig, wenn nicht einer der in § 4 BtMG geregelten Ausnahmetatbestände vorliegt. Letzteres ist hier nicht der Fall. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BtMG bedarf keiner Erlaubnis nach § 3 BtMG, wer ein in Anlage III bezeichnetes Betäubungsmittel auf Grund ärztlicher Verschreibung erwirbt. Im Wege der ärztlichen Verschreibung war für Frau K. die beantragte Dosis Natrium-Pentobarbital jedoch nicht erhältlich. Zwar kann Pentobarbital gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV) vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74, 80) in der hier maßgeblichen Fassung der Fünfzehnten Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1180) durch einen Arzt verschrieben werden. Voraussetzung ist aber nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG, dass die Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist. Das ist der Fall, wenn nach anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft eine Indikation für die Anwendung des Betäubungsmittels besteht, also das Mittel im Rahmen einer medizinischen Behandlung zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden soll (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 1979 - 1 StR 118/79 - BGHSt 29, 6 <10> [zur Vorgängerregelung des § 11 Abs. 1 Nr. 9a BetMG 1972] und vom 28. Januar 2014 - 1 StR 494/13 - BGHSt 59, 150 Rn. 39; Beschluss vom 17. Mai 1991 - 3 StR 8/91 - BGHSt 37, 383; OLG Hamburg, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 Ws 13/16 - NStZ 2016, 530 <535 f.>; Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 13 Rn. 1, Rn. 2 a.E., Rn. 20 ff.; Weber, BtMG, 4. Aufl. 2013, § 13 Rn. 21 f.). Ob eine Verschreibung zum Zweck der Selbsttötung damit ausgeschlossen ist oder ob unter den noch darzulegenden Voraussetzungen für die Erlaubnisfähigkeit des Erwerbs auch die Verschreibung des Mittels durch einen Arzt nach § 13 Abs. 1 BtMG zulässig sein kann (vgl. Jäger, JZ 2015, 875 <877> m.w.N. zum Diskussionsstand; Miebach, NStZ 2016, 536 <538>; Deutscher Ethikrat, Ad-hoc-Empfehlung zur Regelung der Suizidbeihilfe vom 18. Dezember 2014), bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, Frau K. habe tatsächlich keine Möglichkeit gehabt, das begehrte Betäubungsmittel über eine ärztliche Verschreibung zu erhalten, weil sich die Ärzteschaft mehrheitlich darauf geeinigt habe, dass sich die Verschreibung einer tödlichen Dosis nicht mit den Regeln der Heilkunde und dem hippokratischen Eid vereinbaren lasse. Dementsprechend hat das BfArM die Erlaubnispflicht nach § 3 BtMG auch ohne weiteres bejaht.

17

b) Das Oberverwaltungsgericht hat wie das BfArM angenommen, dass eine Erlaubnis nach § 3 BtMG, die für den Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung beantragt werde, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ausnahmslos zu versagen sei. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes schließen eine Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung zwar grundsätzlich aus (aa). Das Verbot greift aber in das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwer und unheilbar kranker Menschen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein, selbstbestimmt zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt ihr Leben enden soll (bb). Im Lichte dessen muss § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG grundrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass er der Erlaubniserteilung ausnahmsweise nicht entgegensteht, wenn sich der Suizidwillige wegen seiner Erkrankung in einer extremen Notlage befindet (cc).

18

aa) Nach den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ist der Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich nicht erlaubnisfähig. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Betäubungsmittelgesetzes und der Regelungssystematik der §§ 5 Abs. 1 Nr. 6 und 13 Abs. 1 BtMG.

19

(1) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist die Erlaubnis nach § 3 BtMG zu versagen, wenn die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck dieses Gesetzes vereinbar ist, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von Betäubungsmitteln oder die missbräuchliche Herstellung ausgenommener Zubereitungen sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen. Inmitten steht hier allein eine Unvereinbarkeit mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Das Ziel der Verhinderung einer Betäubungsmittelabhängigkeit wird bei einer Erwerbserlaubnis, die zum Zweck der Selbsttötung beantragt wird, offensichtlich nicht tangiert. Eine solche Erlaubnis widerspricht auch nicht dem Gesetzeszweck, den Betäubungsmittelmissbrauch auszuschließen. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Heranziehung der Materialien zutreffend ausgeführt, dass in diesem Begriff die gesetzgeberische Zielsetzung zum Ausdruck kommt, den gesundheitsgefährdenden und -schädlichen Konsum von Betäubungsmitteln zu Genuss- oder Rauschzwecken zu verhindern und insbesondere die Rauschgift- und Drogensucht zu bekämpfen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Betäubungsmittelgesetz 1981, BT-Drs. 8/3551 S. 23 ff., 29).

20

(2) Dem Begriff der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung liegt zugrunde, dass Betäubungsmittel nicht nur schädliche Wirkungen haben, sondern in bestimmten Fällen für die menschliche Gesundheit auch von Nutzen sein können. Das Gesetz sieht daher von einem Verbot des Betäubungsmittelverkehrs ab, soweit Betäubungsmittel zu medizinischen Zwecken benötigt werden. Dem trägt die Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz Rechnung, die die verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel aufführt. Die Voraussetzungen der Verschreibungsfähigkeit regelt, wie gezeigt, § 13 Abs. 1 BtMG. Die danach erforderliche therapeutische Zielrichtung der Anwendung des Betäubungsmittels liegt vor, wenn sie dazu dient, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Für den Begriff der medizinischen Versorgung in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG kann aus systematischen Gründen nichts anderes gelten. Die notwendige medizinische Versorgung mit Betäubungsmitteln wird vorrangig dadurch sichergestellt, dass Patienten ein zu Therapiezwecken benötigtes Betäubungsmittel der Anlage III aufgrund einer ärztlichen Verschreibung in der Apotheke erwerben können oder der Arzt es ihnen im Rahmen einer Behandlung verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überlässt (§ 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BtMG). Dabei ersetzt die ärztliche Verschreibung, wie § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BtMG zeigt, die Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG, Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 4 Rn. 21). Geht es um den medizinischen Versorgungsbedarf für ein sonstiges Betäubungsmittel, verbleibt es gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG bei der Erlaubnisbedürftigkeit nach § 3 BtMG. Die Bindung der Erlaubniserteilung an das Erfordernis der notwendigen medizinischen Versorgung nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG stellt sicher, dass die Anwendung des Betäubungsmittels ebenso wie im Fall des § 13 Abs. 1 BtMG medizinisch begründet sein muss. Entsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung zu § 3 Abs. 2 BtMG auf eine auf Heilung oder Linderung von pathologischen Zuständen gerichtete Anwendung des Betäubungsmittels abgestellt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 2005 - 3 C 17.04 - BVerwGE 123, 352 <354 f., 356 f.> und vom 6. April 2016 - 3 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2016:060416U3C10.14.0] - BVerwGE 154, 352 Rn. 13).

21

Danach schließt § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG die Erteilung einer Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich aus. Sie ist mit dem Ziel des Betäubungsmittelgesetzes, die menschliche Gesundheit und das Leben zu schützen (vgl. BT-Drs. 8/3551 S. 23), nicht vereinbar. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht mit Blick auf die palliativ-medizinische Versorgung sterbender Menschen mit Betäubungsmitteln. Die Verabreichung eines Betäubungsmittels im Bereich der Palliativmedizin dient der Linderung von Schmerzen und anderen Missempfindungen wie Atemnot, Übelkeit, Angst u.a. und damit therapeutischen Zwecken. Steht keine Therapiealternative zur Verfügung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG), ist die Anwendung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG begründet. Das gilt auch dann, wenn die Medikation als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 - 5 StR 474/00 - BGHSt 46, 279 <284 f.>). Die Anwendung eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung lässt sich damit nicht gleichsetzen. Die palliativ-medizinische Behandlung Todkranker lässt sich beschreiben als "Hilfe beim Sterben" (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung <§ 217 StGB>, BT-Drs. 18/5373 S. 11, 17 f.; Otto, NJW 2006, 2217 <2218, 2221>). Das bringt zum Ausdruck, dass die palliativ-medizinische Maßnahme einen schon begonnenen Sterbeprozess begleitet. Im Unterschied dazu wird das Betäubungsmittel bei der Selbsttötung gezielt dazu eingesetzt, den Tod unmittelbar herbeizuführen. Allerdings kann auch die palliativ-medizinisch begründete Gabe eines Betäubungsmittels für die Umsetzung eines Sterbewunsches von erheblicher Bedeutung sein. Den Abbruch lebenserhaltender oder -verlängernder Maßnahmen wird ein Sterbewilliger in vielen Fällen nur verlangen, wenn ihm nach dem Behandlungsabbruch eine palliativ-medizinische Versorgung sicher ist.

22

bb) Ein ausnahmsloses Verbot, Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, greift in das grundrechtlich geschützte Recht schwer und unheilbar kranker Menschen ein, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt ihr Leben enden soll.

23

(1) Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde sichern gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202 <225 f.>). Dazu gehört, dass der Mensch über sich selbst verfügen und sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 - 1 BvR 16/72 - BVerfGE 49, 286 <298>). Ausdruck der persönlichen Autonomie ist auch der Umgang mit Krankheit. Die grundrechtlich geschützte Freiheit schließt deshalb das Recht ein, auf Heilung zielende medizinische Behandlungen oder sonstige therapeutische Maßnahmen abzulehnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - NJW 2017, 53 Rn. 74 f.). Das gilt auch für die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 - BGHSt 55, 191 Rn. 23). Einfach-gesetzlich findet dies eine Bestätigung in den Regelungen über die Patientenverfügung (§§ 1901a ff. BGB). Ohne Einwilligung des einwilligungsfähigen Patienten oder gegen den tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des einwilligungsunfähigen Patienten dürfen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 a.a.O. Rn. 14 ff.; Beschlüsse vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - NJW 2016, 3297 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226 Rn. 14 f.).

24

(2) Ausgehend davon umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Menschen, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln (vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 154 und Art. 2 Abs. 1 Rn. 29; Dreier, JZ 2007, 317 <319>; Hufen, NJW 2001, 849 <851>; Roxin, NStZ 2016, 185 <186>; Lindner, NJW 2013, 136, jeweils m.w.N.; ebenso die Begründung des Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung <§ 217 StGB>, BT-Drs. 18/5373 S. 10, 13, Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006, S. 61 f.; a.A. Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1a, Art. 2 Abs. 1, Rn. 54 und Rn. 303; Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Rn. 420; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 2 Abs. 2 Rn. 192). Dabei beschränkt sich der Grundrechtsschutz nicht auf Fälle, in denen infolge des Endstadiums einer tödlichen Krankheit der Sterbeprozess bereits begonnen hat oder unmittelbar bevorsteht. Die verfassungsrechtlich gebotene Achtung vor dem persönlichen Umgang des Einzelnen mit Krankheit und dem eigenen Sterben schließt auch die freiverantwortlich getroffene Entscheidung schwer kranker Menschen ein, ihr Leben vor Erreichen der Sterbephase oder losgelöst von einem tödlichen Krankheitsverlauf beenden zu wollen.

25

(3) Die Anerkennung eines grundrechtlichen Schutzes des selbstbestimmten Sterbens schwer und unheilbar kranker Menschen im Wege der Selbsttötung entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Danach beinhaltet das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Recht auf Selbstbestimmung (EGMR, Urteil vom 29. April 2002 - Nr. 2346/02 Pretty/Vereinigtes Königreich - NJW 2002, 2851 Rn. 61). Daraus hat der Gerichtshof abgeleitet, dass die Entscheidung einer Person, zu vermeiden, was sie als unwürdiges und qualvolles Ende ihres Lebens ansieht, in den Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK fällt (EGMR, Urteil vom 29. April 2002 a.a.O. Rn. 67). Ausgehend davon hat er entschieden, dass Art. 8 Abs. 1 EMRK das Recht des Einzelnen umfasst, darüber zu bestimmen, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll, vorausgesetzt, er ist zu einer freien Willensbildung in der Lage und fähig, dementsprechend zu handeln (EGMR, Urteile vom 20. Januar 2011 - Nr. 31322/07 Haas/Schweiz - NJW 2011, 3773 Rn. 50 f., vom 19. Juli 2012 - Nr. 497/09 Koch/Deutschland - NJW 2013, 2953 Rn. 51 f. und vom 14. Mai 2013 - Nr. 67810/10 Gross/Schweiz - Rn. 58 f.).

26

(4) Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG setzt dem Verkehr mit Betäubungsmitteln Schranken, indem sie unter den dort genannten Voraussetzungen die Erlaubniserteilung verbietet. Durch die hierauf gestützte Ablehnung der beantragten Erwerbserlaubnis wurde Frau K. daran gehindert, die angestrebte Selbsttötung in der von ihr beabsichtigten Weise umzusetzen. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG bewirkte so eine Beschränkung ihres Rechts, selbstbestimmt zu entscheiden, wann und wie ihr Leben enden soll. Es kann dahinstehen, ob darin ein Eingriff im klassischen Sinne zu sehen ist. Das würde voraussetzen, dass es sich um eine unmittelbare und gezielte Verkürzung der grundrechtlichen Freiheit handelt. Das ist zweifelhaft, weil das Betäubungsmittelgesetz nicht unmittelbar darauf ausgerichtet ist, das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Recht zu beschränken, selbst über das Ende des eigenen Lebens zu entscheiden. Jedoch kann der Abwehrgehalt der Grundrechte auch bei einer mittelbaren Beeinträchtigung betroffen sein, wenn diese in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen einem Eingriff gleichkommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. März 2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 <191> und Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <222>). So liegt es hier. Die ausnahmslose Beschränkung des Zugangs zu einem Betäubungsmittel der Anlage III auf die Anwendung zu therapeutischen Zwecken im engeren Sinne verhindert, dass ein Mittel wie Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung zur Verfügung steht. Von diesem Zugangsverbot werden auch schwer und unheilbar kranke Menschen betroffen, die wegen der von ihnen als unerträglich empfundenen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben zu beenden, und dazu ein Betäubungsmittel verwenden möchten, dessen Wirkungen ihnen eine schmerzlose und sichere Selbsttötung ermöglicht. Der fehlende Zugang zu einem solchen Betäubungsmittel kann zur Folge haben, dass sie ihren Sterbewunsch nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen realisieren können. Darin liegt eine mittelbare Beeinträchtigung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.

27

Auch wenn man das Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, nicht als Eingriff in das genannte Grundrecht schwer und unheilbar kranker Menschen werten wollte, so wäre bei der Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG jedenfalls die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht für ihre Autonomie im Umgang mit der Krankheit zu beachten (vgl. Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006, S. 57). Dass das dargelegte Selbstbestimmungsrecht neben der Abwehr- auch eine Schutzdimension hat, ergibt sich bereits aus seiner Fundierung auch in Art. 1 Abs. 1 GG. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ist es Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Wegen des Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers beim Ausgleich dieser Schutzpflicht mit der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für das Leben kann der Einzelne zwar grundsätzlich nicht verlangen, dass der Staat Rahmenbedingungen und Strukturen schafft, die die Selbsttötung ermöglichen oder erleichtern (vgl. Jurgeleit, NJW 2015, 2708 <2714>; Hilgendorf, JZ 2014, 545 <550>; Lindner, NJW 2013, 136 <137>). Eine Verdichtung zu einer konkreten Schutzpflicht für die Selbstbestimmung kommt aber in Betracht, wenn sich ein schwer und unheilbar Kranker wegen seiner Erkrankung in einer extremen Notlage befindet, aus der es für ihn selbst keinen Ausweg gibt. Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen nicht einfach sich selbst überlassen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - FamRZ 2016, 1738 Rn. 73 - dort zur Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das gilt nicht nur, wenn sein Leben, sondern auch wenn sein Selbstbestimmungsrecht gefährdet ist. Der Einzelne ist insbesondere am Lebensende und bei schwerer Krankheit auf die Achtung und den Schutz seiner Autonomie angewiesen.

28

cc) Im Hinblick auf den dargelegten grundrechtlichen Schutz des Selbstbestimmungsrechts ist § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG dahin auszulegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, ausnahmsweise vereinbar ist, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet.

29

(1) Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht schrankenlos gewährleistet. Es findet seine Begrenzung unter anderem in der verfassungsmäßigen Ordnung. Hierzu gehört die bereits erwähnte staatliche Schutzpflicht für das Leben. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährt nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in diese Rechtsgüter. Es stellt zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung dar, die staatliche Schutzpflichten begründet. Bei der Aufstellung und normativen Umsetzung entsprechender Schutzkonzepte kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - FamRZ 2016, 1738 Rn. 70 m.w.N.). Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn er die so genannte aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen eines Sterbewilligen durch einen Dritten, unter Strafe stellt (§ 216 StGB; BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - 5 StR 66/03 - NJW 2003, 2326 <2327>; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 2 Abs. 2 Rn. 85; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 100).

30

(2) Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG grundsätzlich nicht erlaubnisfähig ist. Das Verbot dient, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, dem Schutz von Menschen in vulnerabler Position und Verfassung vor Entscheidungen, die sie möglicherweise voreilig, in einem Zustand mangelnder Einsichtsfähigkeit oder nicht freiverantwortlich treffen, sowie der Verhinderung von Missbrauch. Mit der Abwehr solcher Gefahren verfolgt der Gesetzgeber legitime Ziele, die es rechtfertigen, den Zugang zu einem Betäubungsmittel zu verbieten (vgl. zu diesen Schutzzielen auch Murswiek, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 2 Rn. 210; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 2 Abs. 2 Rn. 64; EGMR, Urteil vom 20. Januar 2011 - Nr. 31322/07, Haas/Schweiz - NJW 2011, 3773 Rn. 56 ff.; im Kontext von § 217 StGB: Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, BT-Drs. 18/5373 S. 11, 13; BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2015 - 2 BvR 2347/15 - NJW 2016, 558 Rn. 18 ff.).

31

(3) Diese Ziele können das Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, im Lichte von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG aber nicht mehr rechtfertigen, wenn sich der Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet. Das ist der Fall, wenn - erstens - die schwere und unheilbare Erkrankung mit gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden ist, die bei dem Betroffenen zu einem unerträglichen Leidensdruck führen und nicht ausreichend gelindert werden können (vgl. Lindner, NJW 2013, 136 <138>; Roxin, NStZ 2016, 185 <187>), - zweitens - der Betroffene entscheidungsfähig ist und sich frei und ernsthaft entschieden hat, sein Leben beenden zu wollen und ihm - drittens - eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht zur Verfügung steht.

32

Ist der Betroffene in einer solchen Weise seiner Krankheit ausgeliefert, kommt seinem Selbstbestimmungsrecht ein besonderes Gewicht zu, hinter dem die staatliche Schutzpflicht für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zurücktritt. Die staatliche Gemeinschaft muss die selbstbestimmt getroffene Entscheidung des Betroffenen, sein Leben beenden zu wollen, achten; sie darf ihm die Umsetzung seiner Entscheidung auch nicht unmöglich machen. Ist die Einnahme einer letalen Dosis eines Betäubungsmittels die einzige zumutbare Möglichkeit, den Sterbewunsch umzusetzen, wäre der Betroffene ohne den Zugang zu dem Betäubungsmittel darauf verwiesen, die von ihm als unerträglich empfundene Leidenssituation ohne Aussicht auf Besserung oder jedenfalls einen nahen Tod weiter zu erdulden. Mangels einer Möglichkeit, sein Leben zu beenden, müsste er entgegen seiner freien Willensentscheidung weiter leben. Eine Pflicht zum Weiterleben gegen den eigenen Willen berührt den Kern eigenverantwortlicher Selbstbestimmung (Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 89; Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006, S. 58). Eine solche Pflicht darf der Staat schwer und unheilbar kranken, aber zur Selbstbestimmung fähigen Menschen nicht - auch nicht mittelbar - auferlegen. Wegen der Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsgüter für die Würde des Betroffenen und seiner Hilflosigkeit verdichtet sich unter den dargelegten Voraussetzungen auch die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dahin, ihm den Erwerb des Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben.

33

Dass die Schutzpflicht des Staates für das Leben hinter dem grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen zurückzutreten hat, ist für die Situation des Behandlungsabbruchs im Übrigen inzwischen sogar für Fälle anerkannt, in denen sich der Betroffene nicht in einer extremen Notlage befindet. Der Betroffene kann den Abbruch lebenserhaltender und -verlängernder Maßnahmen selbst dann verlangen, wenn der Behandlungsabbruch darauf zielt, das Leben trotz vorhandener Lebensperspektive zu beenden (BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226 Rn. 22).

34

(4) Näherer Betrachtung bedarf die anderweitige Möglichkeit, den Sterbewunsch in zumutbarer Weise zu verwirklichen. Von einer solchen Möglichkeit kann in der Regel ausgegangen werden, wenn der Betroffene sein Leben durch einen palliativ-medizinisch begleiteten Abbruch lebenserhaltender oder -verlängernder Behandlungsmaßnahmen beenden kann, zum Beispiel durch Abschalten des Beatmungsgeräts oder Einstellen der künstlichen Ernährung. Wie bereits dargelegt, dürfen medizinische Maßnahmen gegen den Willen des Patienten nicht fortgesetzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226 Rn. 22). Eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches ist der Behandlungsabbruch aber nur, wenn er voraussichtlich in absehbarer Zeit zum Eintritt des Todes führen wird, also nicht lediglich zu einer weiteren Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes auf unbestimmte Dauer, möglicherweise verbunden mit einem Verlust der Entscheidungsfähigkeit. Zudem muss gesichert sein, dass der Betroffene nach Abbruch der Behandlung palliativ-medizinisch ausreichend betreut wird. Dazu gehört insbesondere, dass Schmerzen, Atemnot und Übelkeit gelindert werden (vgl. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, Deutsches Ärzteblatt 2011, A 346).

35

Die ärztliche Suizidbeihilfe war weder im maßgebenden Beurteilungszeitpunkt eine Alternative noch ist dies gegenwärtig der Fall. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Überlassung eines Betäubungsmittels durch den Arzt an seinen Patienten zum Zweck der Selbsttötung zulässig ist, ist bislang nicht abschließend geklärt. Das gilt sowohl im Hinblick auf eine etwaige Strafbarkeit (dazu OLG Hamburg, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 Ws 13/16 - NStZ 2016, 530 m.w.N.; Jäger, JZ 2015, 875 <877 f.>) als auch unter dem Gesichtspunkt des ärztlichen Berufsrechts (vgl. VG Berlin, Urteil vom 30. März 2012 - 9 K 63.09 - MedR 2013, 58; Hilgendorf, JZ 2014, 545 <550 f.>; Lindner, NJW 2013, 136 <137 f.>; Roxin, NStZ 2016, 185 <190>; Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung, BT-Drs. 18/5374 S. 8). Für den Arzt ist eine Suizidbeihilfe mithin mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden. In einer solchen Situation darf die Rechtsordnung den Betroffenen nicht darauf verweisen, einen Arzt zu suchen, der bereit ist, diese Risiken einzugehen.

36

Auf die Möglichkeit, die angestrebte Selbsttötung mit dem gewünschten Betäubungsmittel im Ausland vorzunehmen, darf die staatliche Gemeinschaft den Betroffenen ebenfalls nicht verweisen. Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat, den erforderlichen Grundrechtsschutz innerhalb der eigenen Rechtsordnung zu gewährleisten.

37

(5) § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG lässt sich in diesem Sinne grundrechtskonform auslegen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht erforderlich. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Januar 1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341 <358> und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Das ist hier nicht der Fall. Der Begriff der notwendigen medizinischen Versorgung in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG meint einen Betäubungsmitteleinsatz zu Therapiezwecken. In einer extremen Notlage der dargelegten Art kann die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung ausnahmsweise als therapeutischen Zwecken dienend angesehen werden; sie ist die einzige Möglichkeit, eine krankheitsbedingte, für den Betroffenen unerträgliche Leidenssituation zu beenden. Da die Annahme einer extremen Notlage verlangt, dass eine Linderung auf andere Weise nicht erreicht werden kann und eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht besteht, stellt sich die Versorgung mit dem Betäubungsmittel auch als notwendig dar. Entsprechend ist die Wortlautgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG nicht überschritten.

38

Es ist auch nicht erkennbar, dass die verfassungskonforme Interpretation dem Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Die Gesetzesmaterialien zum Betäubungsmittelgesetz lassen zwar darauf schließen, dass eine Erwerbserlaubnis zur Selbsttötung grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Sie bieten aber keine Anhaltspunkte dafür, dass selbst unter den genannten engen Voraussetzungen eine Ausnahme von dem Verbot ausgeschlossen sein soll (vgl. BT-Drs. 8/3551 S. 23 ff.). Auch § 13 Abs. 1a BtMG, der durch das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2192) eingefügt wurde, ist für die Frage, ob das Verbot einer Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung ohne jede Ausnahme gelten soll, unergiebig. Das Gleiche gilt für die zugehörigen Gesetzesmaterialien (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/9341 -, BT-Drs. 17/10156 S. 83, 91 f.). Schließlich lässt auch die am 10. Dezember 2015 in Kraft getretene Strafvorschrift des § 217 StGB nicht darauf schließen, dass die grundrechtskonforme Auslegung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers treten würde. Gemäß § 217 Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2177) macht sich derjenige strafbar, der in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Mit diesem Straftatbestand soll der potenzielle Suizident vor einer abstrakt das Leben und die Autonomie des Einzelnen gefährdenden Handlung in Form einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung geschützt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2015 - 2 BvR 2347/15 - NJW 2016, 558 Rn. 14; BT-Drs. 18/5373 S. 11 f., 14). Dazu heißt es in den Materialien, es sei als problematisch anzusehen, dass in Deutschland verstärkt Organisationen und Personen auftreten würden, die einen so genannten assistierten Suizid nachhaltig öffentlich als Alternative zum natürlichen, medizinisch und menschlich begleiteten Sterben propagierten und geschäftsmäßig Hilfe bei der Selbsttötung anböten (BT-Drs. 18/5373 S. 9). Dieser Entwicklung sei aus Gründen des Integrität- und des Autonomieschutzes potenzieller Suizidenten entgegenzuwirken. Das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe solle der Gefahr von Interessenkollisionen begegnen, die entstünden, wenn ein Eigeninteresse der Suizidhelfer an der Durchführung der Selbsttötung bestehe (BT-Drs. 18/5373 S. 11). Zudem solle der Gefahr entgegengetreten werden, dass durch "derartige Normalität suggerierende Angebote" Menschen zur Selbsttötung verleitet werden könnten, die dies sonst nicht täten (BT-Drs. 18/5373 S. 13). Hiernach bietet die Schaffung des § 217 StGB keinen Anhalt dafür, dass es dem gesetzgeberischen Willen entspricht, eine betäubungsmittelrechtliche Erwerbserlaubnis zur Selbsttötung ohne Rücksicht auf die genannte extreme Notlage schwer und unheilbar kranker Menschen ausnahmslos zu verbieten. Die behördliche Erteilung einer solchen Erlaubnis, die nur im besonderen Einzelfall und nur unter sehr eng gefassten Voraussetzungen zulässig ist, ist nicht vergleichbar mit einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung durch einen privaten Suizidhelfer im Sinne des § 217 StGB. Das BfArM verfolgt keine Eigeninteressen, sondern seine Entscheidung beruht darauf, dass dem Betroffenen die Erlaubnis unter den dargestellten Voraussetzungen aus Rechtsgründen nicht verweigert werden darf. Ebenso wenig kann angesichts der engen Grenzen für eine solche Erlaubnis davon gesprochen werden, dass der "Anschein einer Normalität" entsteht. Mit der verfassungskonformen Auslegung von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG wird auch kein staatliches "Angebot des assistierten Suizids" geschaffen, sondern dem grundgesetzlich geforderten Schutz des Selbstbestimmungsrechts schwer und unheilbar kranker Menschen Rechnung getragen. Dieses Recht hat der Gesetzgeber bei Beschluss des § 217 StGB ausdrücklich anerkannt (BT-Drs. 18/5373 S. 10, 13). Dementsprechend sieht er jenseits des zulässigen Behandlungsabbruchs und der so genannten indirekten Sterbehilfe oder Therapiezieländerung eine Strafbarkeit nach § 217 StGB auch dann als nicht gegeben an, wenn "im Einzelfall nach sorgfältiger Untersuchung und unter strikter Orientierung an der freiverantwortlich getroffenen Entscheidung einer zur Selbsttötung entschlossenen Person Suizidhilfe gewährt wird" (BT-Drs. 18/5373 S. 18).

39

(6) Der Einwand der Beklagten, dem BfArM fehlten die Voraussetzungen, um das Vorliegen einer Ausnahmesituation verlässlich beurteilen und feststellen zu können, greift nicht durch.

40

Das Fehlen spezieller verfahrensrechtlicher Regelungen zur Feststellung der Ausnahmesituation steht der Verpflichtung des BfArM, grundrechtsgemäß zu verfahren, nicht entgegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 - 1 BvR 16/72 - BVerfGE 49, 286 <301>). Allerdings bedarf die Entscheidung angesichts der hochrangigen Rechtsgüter, die durch sie betroffen sind, und zur Verhinderung von Missbrauch einer besonders sorgfältigen Überprüfung des Sachverhalts. Das gilt sowohl in Bezug auf die Feststellung des freien und ernstlichen Willens zur Selbsttötung als auch für das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer extremen Notlage. Hierfür bietet das allgemeine Verfahrensrecht aber eine ausreichende Grundlage. Gemäß § 24 Abs. 1 VwVfG kann und muss das BfArM die erforderlichen Maßnahmen treffen, um auf gesicherter Erkenntnisbasis beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen einer Ausnahmesituation erfüllt sind. Dabei kann es sich gemäß § 26 Abs. 1 VwVfG der Beweismittel bedienen, die es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für geboten hält. Wenn und soweit die Behörde nicht über das zur Feststellung und Beurteilung der maßgeblichen Tatsachen erforderliche Fachwissen verfügt, kann sie sachkundige Dritte und erforderlichenfalls Sachverständige hinzuziehen (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 24 Rn. 27 m.w.N.).

41

Der Senat verkennt nicht, dass dem BfArM schwierige Bewertungen abverlangt werden und seine Entscheidung einen in hohem Maße sensiblen Bereich betrifft. Vergleichbares gilt aber auch für die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit eines Patienten, der den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verlangt, und für die Feststellung des mutmaßlichen Willens eines einwilligungsunfähigen Patienten im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen nach §§ 1901a ff. BGB. Im Fall des Nichtvorliegens einer bindenden Patientenverfügung obliegt es dem Betreuer und dem behandelnden Arzt sowie gegebenenfalls dem Betreuungsgericht, den Patientenwillen zu ermitteln. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine nicht leicht zu treffende Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226; Begründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts, BT-Drs. 16/8442 S. 12).

42

c) Danach ist der ablehnende Bescheid des BfArM vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2005 rechtswidrig gewesen. Es hätte prüfen müssen, ob sich Frau K. in einer extremen Notlage befand, die die Erteilung der beantragten Erlaubnis geboten hätte. Das lag hier im Bereich des Möglichen. Frau K. litt aufgrund ihrer hochgradigen, fast kompletten Querschnittslähmung an schwersten körperlichen Beeinträchtigungen, die irreversibel waren, eine ständige medizinische Betreuung und Pflege erforderlich machten sowie mit starken Schmerzen einhergingen. Sie hatte in ihrem Antrag ausführlich dargelegt, dass und warum sie ihren Zustand als unerträgliche Leidenssituation empfand. Nach ihren Ausführungen ist auch nicht ernstlich zweifelhaft gewesen, dass sie selbstbestimmt und ernsthaft entschieden hatte, ihr Leben beenden zu wollen. Bei dieser Sachlage hätte das BfArM die beantragte Erlaubnis nicht ablehnen dürfen, ohne zu prüfen, ob Frau K. eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches hatte. Hiervon konnte das BfArM nicht bereits deshalb ausgehen, weil Frau K. künstlich beatmet wurde. Damit stand zwar die Möglichkeit eines palliativ-medizinisch begleiteten Behandlungsabbruchs im Raum. Es war aber nicht geklärt, ob das Abstellen der Beatmung in ihrem Fall in absehbarer Zeit zum Tode geführt hätte. Vor allem herrschte im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt noch Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Behandlungsabbruch, der durch aktives Tun verwirklicht wird, als straffrei anzusehen sei. Die Rechtslage ist erst 2010 höchstrichterlich geklärt worden (BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 - BGHSt 55, 191). Es war daher nicht auszuschließen, dass Frau K. eine "Sterbehilfe" durch Behandlungsabbruch tatsächlich nicht erlangen konnte, weil das medizinische Personal angesichts der rechtlichen Unsicherheiten hierzu nicht bereit war.

43

5. Die weitergehende Klage bleibt ohne Erfolg. Die Feststellung, dass das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen ist, lässt sich ohne die erforderliche Sachverhaltsprüfung und -aufklärung nicht treffen. Das kann nach dem Tod von Frau K. nicht mehr nachgeholt werden. Insbesondere die Frage, ob zumutbare Alternativen zur Verfügung gestanden hätten, ist ohne ihre Beteiligung nicht mehr zu klären. Dementsprechend kam auch eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung nicht in Betracht.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Abfallgebührensatzung des Antragsgegners vom 30. Juli 2014. Die „Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung des Landkreises K. (Abfallgebührensatzung)“ wurde am 8. August 2014 im Amtsblatt des Antragsgegners bekannt gemacht und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Ihr liegt eine Gebührenkalkulation für die Jahre 2015 bis 2018 zugrunde. Der Antragsteller ist Miteigentümer eines Hausgrundstücks im Geltungsbereich der Satzung. Er wurde mit Bescheid vom 12. Januar 2015 zur Entrichtung von Abfallgebühren auf der Grundlage der Satzung aufgefordert. Sein Widerspruch gegen den Gebührenbescheid wurde nach Aktenlage bislang nicht verbeschieden. Am 6. August 2015 stellte der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gegen die Abfallgebührensatzung. Er beantragte mit Schriftsatz vom 24. März 2016,

die Gebührensatzung des Antragsgegners vom 30. Juli 2014 für unwirksam zu erklären.

Zur Begründung wurden verschiedene Verstöße der Satzung gegen Art. 8 KAG gerügt. Auf den umfangreichen Vortrag wird im Einzelnen verwiesen. Zur Gebührenkalkulation insgesamt, insbesondere zur Frage der Kostenüberdeckung und zum Umgang mit Investitionsaufwendungen, hat der Antragsteller im Wesentlichen folgende Rügen erhoben:

1. Bei der „Sonderrücklage Gebühren“ seien systematisch erhebliche Rücklagen ohne entsprechenden Ausgleich innerhalb des nächsten Bemessungszeitraums aufgehäuft worden. Die Kostenüberdeckungen seien zu Unrecht aus den Ist-Ergebnissen des kameralen Rechnungsabschlusses und nicht, wie es sich nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gehöre, aus den Betriebsergebnissen übernommen worden. Diese Praxis des Antragsgegners sei bereits 2012 in einem Prüfbericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands (BKPV) beanstandet worden und stelle deshalb einen bewussten Verstoß gegen kommunalabgabenrechtliche Vorgaben dar.

2. Damit zusammenhängend sei der Umgang des Antragsgegners mit den kalkulatorischen Kosten bzw. Investitionsaufwendungen zu beanstanden. Beim Antragsgegner bestehe die Praxis, den Investitionsaufwand doppelt, nämlich sowohl durch rechtswidrige Direktentnahme aus der Sonderrücklage als auch durch Einstellung als kalkulatorische Kosten, geltend zu machen und damit den Gebührenschuldner doppelt zu belasten.

3. Bei den Bauschuttdeponien würden Investitionen als andere Kosten, etwa als Unterhaltskosten, getarnt. Der Kostenansatz für Rekultivierungen (7210.5189) sei für das Jahr 2018 unerklärlich hoch. In der Betriebsabrechnung 2013 würden unter Rekultivierung rein fiktive Kosten in Höhe von 345.262 Euro mit dem alleinigen Zweck der Minderung des Betriebsergebnisses eingebracht. Tatsächlich seien daher noch höhere Überdeckungen entstanden, als sie aus den Betriebsabrechnungen 2013 und 2014 hervorgingen.

Daneben hat der Antragsteller Rügen zu einzelnen Kostenstellen der Kalkulation erhoben. Hierzu hat er im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

1. Die Einbeziehung von Portokosten in die Kalkulation (7201.6525) verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a KG.

2. Anwalts- und Gerichtskosten (7201.6552) stellten keine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten dar. Die Einbeziehung betriebsfremder Kosten sei zu vermuten. Es werde um die Beiziehung von Unterlagen zu den beglichenen Kosten für die Erledigung bestimmter Rechtsstreitigkeiten gebeten.

3. Bei der Erstattung zentraler Dienste (7201.6750) seien die Personalkosten zu hoch bemessen. Der angesetzte Verteilungsschlüssel sei unzutreffend; die Kosten für den Geschäftsführer/Abteilungsleiter seien zu hoch angesetzt. Es werde um die Beiziehung von Unterlagen zur konkreten Berechnung und Prognose der einzelnen Personalkosten gebeten.

4. Die sonstigen Dienstleistungen Dritter (7201.6369 und 7202.6369) würden bezweifelt.

5. Beim „Mietkauf“ der Restmülltonnen (7201.6361) handele es sich nicht um eine Miete, sondern um einen Kauf, also eine Investition. Der Antragsgegner habe die jährlichen Kaufpreisraten zu Unrecht als Sachkosten und nicht als kalkulatorische Kosten erfasst. Eine Abschreibung der Tonnen über eine Nutzungsdauer von 20 Jahren erscheine sachgerecht. Gleiches gelte für die Papiertonnen (7201.6360) und Biomülltonnen (7201.4329). Es sei unklar, wer wirtschaftlicher Eigentümer der Tonnen sei.

6. Bei den Kosten für die Müllverbrennungsanlage (MVA) Ingolstadt (7201.6730) sei eine bei Satzungsbeschluss bereits absehbare Gebührensenkung nicht berücksichtigt worden. Es bestünden eine Erkundigungspflicht, eine Vertagungspflicht für die Beschlussfassung im Kreistag sowie eine Nachbesserungspflicht zwischen Satzungsbeschluss und Inkrafttreten der Satzung.

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Er tritt dem Vorbringen des Antragstellers unter Vorlage der Normaufstellungsakten entgegen. Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich nicht zum Verfahren geäußert.

In der ersten mündlichen Verhandlung am 5. April 2017 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Der Antragsgegner erhielt Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme, insbesondere zur Vorlage von Alternativberechnungen unter Berücksichtigung der realen Betriebsergebnisse für 2013 und 2014 sowie verschiedener Abschreibungsvarianten für die Mülltonnen. Des Weiteren wurde anheimgestellt, eine Stellungnahme des BKPV zur Ermittlung der Sonderrücklage Gebühren einholen. Auf die daraufhin vorgelegten Alternativberechnungen des Antragsgegners sowie auf die Stellungnahme des BKPV vom 20. Juli 2017 wird Bezug genommen.

Die Ergebnisse wurden in der zweiten mündlichen Verhandlung am 16. August 2017 mit den Verfahrensbeteiligten besprochen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlungen wird auf die hierzu erstellten Niederschriften Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Akten zum Normaufstellungsverfahren verwiesen.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers, die Abfallgebührensatzung des Antragsgegners vom 30. Juli 2014 für unwirksam zu erklären, ist zulässig (dazu 1.), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg (dazu 2.).

1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Er ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO statthaft. Auf der Grundlage der angegriffenen Satzung hat der Antragsteller als Miteigentümer eines Grundstücks im Satzungsgebiet den Abfallgebührenbescheid vom 12. Januar 2015 erhalten, gegen den er Widerspruch eingelegt hat. Er kann daher gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, durch die Anwendung der Satzung in seinen Rechten verletzt zu sein. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Normenkontrollantrags sind erfüllt. Der Antrag wurde mit einem beim Verwaltungsgerichtshof am 6. August 2015 eingegangenen Schriftsatz und damit innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Bekanntmachung der Gebührensatzung am 8. August 2014 gestellt.

2. Der Normenkontrollantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Die Abfallgebührensatzung des Antragsgegners vom 30. Juli 2014 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemessen an den Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfbarkeit kommunaler Gebührenkalkulationen (dazu a) liegt kein beachtlicher, auf die Gültigkeit der Satzung durchschlagender Verstoß gegen höherrangiges Recht vor. Der festgesetzte Gebührensatz beruht auf einer den tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen genügenden Gebührenkalkulation und führt zu keiner unzulässigen Kostenüberdeckung. Weder lässt sich ein bewusster Verstoß des Antragsgegners gegen das Kostenüberdeckungsverbot feststellen (dazu b), noch ist die Toleranzschwelle für geringfügige Kostenüberdeckungen überschritten (dazu c).

a) Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden, Landkreise und Bezirke für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Zu diesen Einrichtungen gehört nach Art. 7 Abs. 2 BayAbfG auch die kommunale Abfallentsorgung, die der Antragsgegner als Regiebetrieb führt (vgl. Art. 76 Abs. 6 Satz 1, Art. 74 Hs. 1 LKrO). Für sie gilt gemäß § 6 der Abfallwirtschaftssatzung des Antragsgegners vom 16. Dezember 2014 ein Benutzungszwang im Sinn des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 KAG. Die öffentliche Abfallentsorgungseinrichtung des Antragsgegners lässt sich insgesamt als einheitliche öffentliche Einrichtung verstehen, für deren Benutzung eine einheitliche Gebühr erhoben werden darf (vgl. BayVGH, U.v. 20.6.2001 – 4 N 99.2759 – VGH n.F. 54, 119/121 = NVwZ-RR 2002, 380). Von der Ermächtigung des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG und Art. 7 Abs. 2 BayAbfG hat der Antragsgegner durch Erlass der Abfallgebührensatzung vom 30. Juli 2014 Gebrauch gemacht. Diese muss sich an den Vorgaben des Kommunalabgabenrechts in Gestalt der speziellen Anforderungen des Art. 7 Abs. 5 BayAbfG messen lassen. Bei der gerichtlichen Überprüfung von Gebührensatzungen ist der Gestaltungsspielraum des Normgebers zu achten (aa), der seine Grenze in bewussten oder nicht mehr geringfügigen Kostenüberdeckungen findet (bb). Diese Vorgaben gelten auch für die im Streit befindliche Abfallgebührenkalkulation (cc).

aa) Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem Satzungsgeber bei der Gebührenbemessung ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerwG, B.v. 10.5.2006 – 10 B 56.05 – NVwZ 2006, 936/937; BayVGH, U.v. 20.6.2001 – 4 N 99.2759 – VGH n.F. 54, 119/ 122 = NVwZ-RR 2002, 380). Die ihm durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Äquivalenzprinzip (vgl. Art. 8 Abs. 4 Hs. 1 KAG) gesetzten Grenzen sind erst überschritten, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Dieser eingeschränkte gerichtliche Prüfungsmaßstab gilt auch für das in Art. 8 Abs. 2 Satz 3 KAG normierte Kostenüberdeckungsverbot. Danach soll das Gebührenaufkommen für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung mit Benutzungszwang die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung einrichtungsbezogener Abgaben nicht übersteigen. Das Kostenüberdeckungsverbot ist eine Veranschlagungsmaxime (stRspr; vgl. nur BayVGH, U.v. 20.10.1997 – 4 N 95.3631 – BayVBl 1998, 148; U.v. 2.3.2000 – 4 N 99.86 – VGH n.F. 53, 71/76 f. = NVwZ-RR 2001, 120). Dies bedeutet, dass der Gebührensatzungsgeber eine Prognose auf der Grundlage der im Zeitpunkt des Satzungserlasses bekannten Tatsachen zu treffen hat, wie sich die vorhersehbaren Gebühreneinnahmen zu den im gleichen Zeitpunkt vorhersehbaren Kosten verhalten (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.1961 – VII C 2.61 – BVerwGE 13, 214/223 f. = NJW 1962, 1583; BayVGH, U.v. 3.3.1993 – 4 B 92.1878 – VGH n.F. 46, 70/71 = BayVBl 1993, 528). Das Kostenüberdeckungsverbot ist nur dann verletzt, wenn Kostenschätzung und Tarifgestaltung nicht auf das Ziel der Beschränkung der Gebühreneinnahmen auf die Höhe des Verwaltungsaufwands gerichtet werden, sei es, dass sie nicht sachgerecht geschehen, sei es in der Weise, dass von vornherein ein Gebührenüberschuss angestrebt wird. Dementsprechend prüft der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Normenkontrolle nur, ob die Kostenprognose im Zeitpunkt des Satzungserlasses vertretbar war, nicht aber, ob sich die Prognose durch die Rechnungsergebnisse nach Ablauf des Kalkulationszeitraums bestätigt hat (BayVGH, U.v. 20.10.1997 – 4 N 95.3631 – BayVBl 1998, 148).

bb) Aus der Sollvorschrift des Art. 8 Abs. 2 Satz 3 KAG ergibt sich ein Spielraum für den Satzungsgeber dahingehend, dass geringfügige Überschreitungen als unbeabsichtigte Folge prognostischer Unsicherheiten keine Verletzung des Kostenüberdeckungsverbots darstellen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sind Kostenüberdeckungen von bis zu 12% grundsätzlich unschädlich (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.1998 – 4 B 97.399 – NVwZ-RR 1998, 774 f.; U.v. 16.12.1998 – 23 N 94.3201 u.a. – BayVBl 1999, 463). Diese Toleranzschwelle gilt allerdings nicht für bewusst und gewollt herbeigeführte Kostenüberdeckungen, die von Umständen oder Überlegungen bestimmt wurden, die nicht im Haushalt des Kalkulationszeitraums wurzeln (BayVGH, U.v. 25.2.1998 – 4 B 97.399 – NVwZ-RR 1998, 774 f.; U.v. 2.4.2004 – 4 N 00.1645 – NVwZ-RR 2005, 281/282 f.). Ein bewusster Verstoß im Sinn dieser Rechtsprechung liegt vor, wenn sich der Vorsatz des Satzungsgebers (zumindest auch) auf das Berechnungsergebnis in Gestalt der Erzielung eines Überschusses zu Lasten des Gebührenzahlers bezieht (vgl. BayVGH, U.v. 2.3.2000 – 4 N 99.68 – VGH n.F. 53, 71/76 f. = NVwZ-RR 2001, 120). In diesem Fall wird die Kalkulation von sachfremden Erwägungen beeinflusst, die zur Ungültigkeit der sich daraus ergebenden Gebührensätze bzw. der weiteren, damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Satzungsbestimmungen führen (vgl. BayVGH, U.v. 20.10.1997 – 4 N 95.3631 – BayVBl 1998, 148; U.v. 25.2.1998 – 4 B 97.399 – NVwZ-RR 1998, 774 f.; näher zum Problemkreis Lange, DVBl 2017, 928/933 f.).

cc) Die dargestellten Maßstäbe gelten auch für die streitgegenständliche Abfallgebührenkalkulation des Antragsgegners betreffend die Jahre 2015 bis 2018. Aus Art. 7 Abs. 5 BayAbfG folgen keine für den Streitfall relevanten Modifizierungen. Gemäß den dortigen Vorgaben hat der Antragsgegner neben der im Verfahren als „Sonderrücklage Gebühr“ bezeichneten Rücklage (vgl. § 20 Abs. 4 Satz 2 KommHV-Kameralistik) gesonderte kalkulatorische Rückstellungen für Deponiesanierungen gebildet. Für den Prüfungsumfang des Senats ergeben sich hinsichtlich der Gebührenkalkulation des Antragsgegners die folgenden Größenordnungen: Der Antragsgegner hat in seiner auf vier Jahre (vgl. Art. 8 Abs. 6 Satz 1 KAG) angelegten Gebührenberechnung zu verteilende Kosten von insgesamt 23.993.317 Euro, also von knapp 24 Mio. Euro ermittelt (vgl. S. 4 der Gebührenkalkulation vom 9.5.2014). Bezogen auf ein Jahr ergibt dies ein Volumen von nahezu 6 Mio. Euro (5.998.329,25 Euro). Die Toleranzschwelle von 12% eröffnet damit – auf vier Jahre gesehen – einen Spielraum von knapp 2,88 Mio. Euro (2.879.198,04 Euro) bzw. pro Jahr eine Marge von knapp 720.000 Euro (719.799,51 Euro), innerhalb derer ungewollte Kostenüberdeckungen grundsätzlich als unschädlich hinzunehmen sind. Eine bewusst herbeigeführte Kostenüberdeckung führt auch dann zur Nichtigkeit der Gebührensatzung, wenn die so bewirkte Überdeckung nur geringfügig ist (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.1998 – 4 B 97.399 – NVwZ-RR 1998, 774 f.: dort 3%).

b) An diesen Grundsätzen gemessen lässt sich ein bewusster bzw. vorsätzlicher Verstoß des Antragsgegners gegen das Kostenüberdeckungsverbot nicht feststellen. Ein solcher Verstoß folgt insbesondere nicht aus den nach dem Vortrag des Antragstellers wohl (zuletzt) maßgeblichen Kalkulationsrügen (vgl. Schriftsatz vom 6.7.2017, Bl. 495 ff. der Gerichtsakte). Bezogen auf die Gesamtkalkulation des Antragsgegners rügt der Antragsteller im Kern, dass es infolge einer nicht konsequent nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgten Kalkulation zu einer unzulässigen Kostenüberdeckung gekommen sei. Dies betreffe namentlich die in der Kalkulation als Abzugsposten berücksichtigte Sonderrücklage Gebühren. Es sei eine doppelte Finanzierung der Investitionsaufwendungen durch rechtswidrige Direktentnahme aus der Sonderrücklage und gleichzeitige Einstellung als kalkulatorische Kosten festzustellen. Zudem seien die angefallenen Kostenüberdeckungen im Bemessungszeitraum 2015 bis 2018 nicht vollständig ausgeglichen worden. Der Senat beurteilt die Einwände dahingehend, dass durchaus ein objektiver Verstoß gegen kommunalabgabenrechtliche Vorgaben in Betracht kommt (aa). Die Bewertung der Gesamtumstände des Falls erlaubt in subjektiver Hinsicht jedoch nicht den Schluss auf ein bewusstes und gewolltes Handeln des Antragsgegners (bb).

aa) Die Praxis des Antragsgegners, die zum Ausgleich der aufgelaufenen Kostenüberdeckung in Ansatz gebrachte Sonderrücklage Gebühren (vgl. S. 4 der Kalkulation vom 9.5.2014) anhand kameraler Grundsätze zu ermitteln und – damit zusammenhängend – eine doppelte Refinanzierung der Investitionskosten zu erzielen, verstößt möglicherweise gegen die Vorgaben des Kommunalabgabenrechts. Der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff ist auch für die Pflicht zum Ausgleich von Kostenüberdeckungen nach Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG maßgeblich (1). Er weicht von den kameralen Berechnungsmethoden ab (2). Der Antragsgegner hat die Sonderrücklage Gebühren nach kameralen und nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gebildet (3). Dies könnte kommunalabgabenrechtlich unzulässig sein (4).

(1) Nach dem Kostendeckungsprinzip des Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG soll im gewählten Kalkulationszeitraum das Gebührenaufkommen die Kosten decken. Da die Kostenentwicklung für den Kalkulationszeitraum nur prognostiziert werden kann, sind Kostenüberdeckungen oder -unterdeckungen am Ende des Bemessungszeitraums zu erwarten. Hierzu trifft Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG die Regelung, dass Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, innerhalb des folgenden Bemessungszeitraums auszugleichen sind. Dies ist Ausdruck des Grundsatzes der Periodengerechtigkeit und trägt den systemimmanenten Ungenauigkeiten Rechnung, die sich aus einer Vorauskalkulation ergeben (BayVGH, U.v. 15.3.2005 – 23 B 04.2683 – juris Rn. 33 m.w.N.). Angesichts des Zusammenspiels mit dem Kostendeckungsprinzip des Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG ist der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff auch für die Pflicht zum Ausgleich von Kostenüberdeckungen nach Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG maßgeblich. Maßstab für das Vorhandensein einer Kostenüber- oder -unterdeckung ist die Betriebsabrechnung (vgl. Stadlöder in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Stand Juni 2016, Erl. Art. 8 Rn. 18).

(2) Gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG sind der Gebührenbemessung die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten zugrunde zu legen. Diese können betragsmäßig von den nach finanzwirtschaftlichen Methoden ermittelten kameralen Ausgaben des Verwaltungshaushalts abweichen, die möglicherweise auch betriebsfremde Aufwendungen enthalten und zeitlich anders abgegrenzt werden (vgl. BayVGH, U.v. 3.3.1993 – 4 B 92.1878 – VGH n.F. 46, 70/72 f. = NVwZ-RR 1994, 290; U.v. 2.3.2000 – 4 N 99.68 – VGH n.F. 53, 71/72 f. = NVwZ-RR 2001, 120 m.w.N.). Zu den Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinn gehören nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG insbesondere angemessene Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals. Im Übrigen definiert das Kommunalabgabengesetz den betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff nicht, sondern setzt ihn als gegeben voraus (vgl. BayVGH, U.v. 28.11.2002 – 23 B 02.384 – juris Rn. 42; Stadlöder in Schieder/Happ, a.a.O., Erl. Art. 8 Rn. 21 m.w.N.; vgl. auch LT-Drs. 7/5192 S. 19 f.). Es ist also nach den in der betriebswirtschaftlichen Kostenlehre entwickelten Regeln zu verfahren, die freilich nirgends verbindlich festgeschrieben sind. Dementsprechend hat das Gericht die im konkreten Fall angewandten betriebswirtschaftlichen Grundsätze nicht auf ihre „Richtigkeit“ zu überprüfen. Der Kommune steht ein Beurteilungsspielraum zu; entscheidend ist allein, ob ihre Auffassung betriebswirtschaftlich (noch) vertretbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.5.2006 – 10 B 56.05 – NVwZ 2006, 936/937; BayVGH, U.v. 3.3.1993 – 4 B 92.1878 – VGH n.F. 46, 70/72 f. = NVwZ-RR 1994, 290).

(3) Der Antragsgegner hat die Sonderrücklage Gebühren, die als Abzugsposten von den Gesamtkosten der Abfallbeseitigung in die Gebührenkalkulation eingeflossen ist, unstreitig nach kameralen Grundsätzen berechnet. Er hat die Ist-Zahlen des Haushalts und nicht die bereits vorliegenden oder zu erwartenden Betriebsergebnisse herangezogen. Diese aus den Normaufstellungsakten hervorgehende Praxis (vgl. insbesondere die Übersicht vom 7.4.2014 über die Rücklagen im Bereich der Abfallwirtschaft, Bl. 217 der Behördenakte „Gebührenkalkulation“) hat der Kämmerer des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt (S. 2 der Niederschrift vom 5.4.2017, Bl. 393 der Gerichtsakte). Insoweit hat der Antragsgegner seine frühere Handhabung fortgeführt, die der BKPV in Bezug auf einen früheren Zeitraum beanstandet hatte. Wie der BKPV unter Tz. 11 seines Berichts über die überörtliche Prüfung der Jahresrechnungen 2006 bis 2010 des Antragsgegners ausführte (S. 47 des Prüfberichts vom 18.1.2012, Bl. 306 f. der Gerichtsakte), war Ausgangspunkt für die Kalkulation der Stand der kameralen, bereits um Investitionsausgaben geminderten Sonderrücklagen. Hierdurch ergab sich ein doppelter Refinanzierungseffekt, weil die getätigten Investitionen über den Ansatz kalkulatorischer Kosten erneut refinanziert wurden. Nach Auffassung des BKPV „wären künftig für Nach- und Vorauskalkulationen stets die kumulierten Über- und Unterdeckungen aus den bisherigen Betriebsabrechnungen zu verwenden“, damit Investitionsausgaben nicht doppelt in den Gebührenbedarf einfließen. Der Antragsgegner hat diesen Hinweis für den streitgegenständlichen Kalkulationszeitraum nicht umgesetzt.

(4) Ob diese Praxis des Antragsgegners einen Rechtsverstoß darstellt, lässt sich anhand der Stellungnahmen des BKPV nicht abschließend beurteilen. Zwar legt dessen Prüfbericht aus dem Jahr 2012 einen Verstoß nahe. Andere, nicht speziell auf den Antragsgegner bezogene Äußerungen des BKPV lassen hingegen eine gewisse Vorsicht erkennen. So führt der BKPV in seinen Mitteilungen vom November 2002 aus, dass die gesetzlichen Regelungen über die Gebührenkalkulation „an sich dafür sprächen“, der Sonderrücklage die betriebswirtschaftliche Kostenüberdeckung, nicht den kameralen Überschuss der Einrichtung zuzuführen (S. 10 der BKPV-Mitteilungen 2/2002). In der Folge wird diese Aussage allerdings dahingehend relativiert, dass in der Praxis die betragsmäßigen Abweichungen zwischen den beiden Berechnungsmethoden vernachlässigbar seien. Es sei deshalb „in der Regel nicht zu beanstanden“, wenn die Zuführungs- und Entnahmebeträge auf der Grundlage der kameralen Rechnungsergebnisse ermittelt würden. Der Geschäftsbericht 1997 des BKPV weist in eine ähnliche Richtung (vgl. dort S. 30 f.). Auch die vom Antragsgegner im Gerichtsverfahren vorgelegte Stellungnahme des BKPV vom 20. Juli 2017 enthält differenzierende Elemente. So heißt es unter Nr. 1 (Ausgleich des Verwaltungshaushalts), dass aus der überörtlichen Prüfungspraxis zahlreiche Kommunen bekannt seien, die über einen kameralen Haushaltsausgleich die Zuführung zur Sonderrücklage für den Gebührenausgleich ermitteln. Sofern im Haushalt auch kalkulatorische Kosten im Sinn von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG nachgewiesen würden, halte man es für vertretbar, das Ergebnis des Verwaltungshaushalts mit dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis gleichzusetzen und durch die Zuführung des Überschusses zu einer Sonderrücklage die Kostenüber- und -unterdeckungen fortzuschreiben. Unter Nr. 2 (Ausgleich des Vermögenshaushalts) wird zwar moniert, dass die Investitionsausgaben entgegen der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise in voller Höhe dem Gebührenbedarf zugerechnet würden, gleichzeitig aber betont, dass sich – auf die Nutzungsdauer der Anlagegüter gesehen – keine Doppelbelastung der Gebührenzahler ergebe.

bb) Letztlich bedarf die Frage eines objektiven Rechtsverstoßes keiner abschließenden Klärung, weil sich jedenfalls in subjektiver Hinsicht kein bewusstes und gewolltes Handeln des Antragsgegners feststellen lässt. Nach den Gesamtumständen des Falls bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner eine überhöhte Rücklage zum Nachteil der Gebührenzahler bilden wollte. Der Hinweis des BKPV im Prüfbericht vom Januar 2012 hat den Antragsgegner nicht bösgläubig werden lassen (1). Dies gilt erst recht mit Blick auf die sonstigen nuancierten Stellungnahmen des BKPV und den Umstand, dass angesichts der regelmäßig geringen Abweichungen zwischen den beiden Berechnungsmethoden eine Benachteiligungsabsicht fernliegt (2).

(1) Das – für die Beurteilung der subjektiven Seite primär maßgebliche – Geschehen im Zusammenhang mit dem Prüfbericht des BKPV vom Januar 2012 führt zur Annahme eines „Verbotsirrtums“ des Antragsgegners und nicht zur Bejahung vorsätzlichen Handelns. Zwar geht der Prüfbericht von einem Verstoß aus und mahnt für die Zukunft eine andere Handhabung an, doch hat der Antragsgegner diese Monita nicht einfach ignoriert oder bewusst missachtet. Vielmehr hat er sich mit dem Vorbringen des BKPV inhaltlich auseinandergesetzt und in seiner Stellungnahme zum Prüfbericht dargelegt, warum seiner Ansicht nach die Investitionskosten nicht doppelt refinanziert werden (vgl. die Stellungnahme des Sachgebiets V 3 vom 12.3.2012 zu Tz. 11 des Prüfberichts, Bl. 315 der Gerichtsakte). Wie der Antragsgegner im Gerichtsverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, ist auf diese Stellungnahme hin keine Reaktion mehr erfolgt, weder seitens des BKPV noch seitens der – ebenfalls mit dem Prüfbericht befassten – Regierung von Niederbayern als Rechtsaufsichtsbehörde. Der Antragsgegner ist daher ersichtlich davon ausgegangen, dass sein Verhalten keinen beanstandungswürdigen Rechtsverstoß darstellte, der zwangsläufig einen zukünftigen Handlungsbedarf ausgelöst hätte.

(2) Diese Wertung wird durch weitere Umstände, insbesondere den relativierenden Charakter der weiteren Stellungnahmen des BKPV bekräftigt. Die Schlussfolgerung, dass die Pflicht zur Heranziehung betriebswirtschaftlicher Grundsätze nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG zwingend auch für die Ausgleichspflicht bei Kostenüberdeckungen nach Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG Geltung beansprucht, lag daher für den Antragsgegner zumindest nicht auf der Hand. Dieser war vielmehr der Auffassung, über interne Verrechnungen bzw. Gegenbuchungen (Ausgabebuchungen bei den Gruppierungen 6790/6791 und gleichzeitige Einnahmebuchungen bei den Gruppierungen 1690/1691 innerhalb des Haushaltsabschnitts Abfallbeseitigung) eine korrekte Handhabung erzielen zu können. Dies entspricht der Einschätzung des BKPV, wonach bei der Ermittlung kalkulatorischer Kosten und innerer Verrechnungen Bewertungsspielräume der Kommune gegeben sind (vgl. S. 12 der BKPV-Mitteilungen 2/2002). Nicht zuletzt lassen die vom BKPV in den Vordergrund gerückten typischerweise geringen betragsmäßigen Abweichungen zwischen den beiden Berechnungsmethoden eine bewusste Benachteiligung des Gebührenzahlers fernliegend erscheinen. Dementsprechend hat der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung am 5. April 2017 darauf verwiesen, dass der Haushalt für die Abfallwirtschaft separat geführt werde. Es bestehe daher nicht die Gefahr, dass mit den anfallenden Überschüssen der Kreishaushalt saniert werden könnte.

c) Da sich nach alledem ein bewusster und gewollter Verstoß des Antragsgegners gegen das Kostenüberdeckungsverbot nicht feststellen lässt, verbleibt es bei der Geltung der 12%-Toleranzschwelle. Diese ist im Streitfall nicht überschritten. Das gilt sowohl unter Berücksichtigung der vom Antragsteller monierten Höhe der in die Kalkulation eingestellten Sonderrücklage (aa) als auch mit Blick auf die Rügen des Antragstellers zu einzelnen Kostenpositionen der Gebührenkalkulation (bb).

aa) Unterstellt man, dass die Sonderrücklage Gebühren anhand der falschen Berechnungsmethode ermittelt wurde und daher in unzutreffender Höhe in die Kalkulationsprognose eingeflossen ist, bedarf es einer Alternativberechnung. Diese kann nur anhand der inzwischen vorliegenden realen Betriebsergebnisse nach den Betriebsabrechnungsbögen erfolgen. Angesichts des vom Antragsgegner für die Vorgängerkalkulation gewählten zweijährigen Bemessungszeitraums sind die im Zeitraum 2013/2014 aufgelaufenen Überdeckungen, also der Rücklagenbestände zum 31. Dezember 2014 ausgleichspflichtig (1). Die einschlägige Alternativberechnung Nr. 10 des Antragsgegners nimmt ihren Ausgangspunkt zutreffend in dem als gegeben hinzunehmenden Rücklagenbestand zum 31. Dezember 2012 (2). Sie ergibt unter Rückgriff auf die realen Betriebsergebnisse 2013 und 2014 eine Abweichung zur bestehenden Kalkulation von (lediglich) 6,67% (3). Die vom Antragsgegner in den Betriebsabrechnungen ermittelten Zahlen sind nicht zu beanstanden (4).

(1) Die streitgegenständliche Kalkulation beruht auf der Annahme (vgl. S. 4 der Kalkulation vom 9.5.2014), dass der Bestand der Sonderrücklage Gebühr in Höhe von voraussichtlich 1.373.079 Euro zum 31. Dezember 2014 aufgelöst wird. Diesen im Wege einer „Rücklagenhochrechnung“ ermittelten Überschuss aus den Vorjahren hat der Antragsgegner als Abzugsposten in die Gebührenkalkulation eingestellt, um die bei Ablauf des vorhergehenden Kalkulationszeitraums entstandenen Kostenüberdeckungen auszugleichen. Für seine Vorgängerkalkulation hat der Antragsgegner einen zweijährigen Bemessungszeitraum, nämlich die Jahre 2013 und 2014, zugrunde gelegt. Die Entscheidung für einen zweijährigen und nicht – wie der Antragsteller zunächst meinte – einjährigen Bemessungszeitraum ergibt sich aus den im Gerichtsverfahren vorgelegten Akten zur Vorgängerkalkulation (Bl. 107 ff. der Behördenakte „Gebührenkalkulation“), welche in die Änderungssatzung vom 2. Juli 2013 einmündete (Bl. 183 der Behördenakte „Gebührenkalkulation). Diese führte zu (punktuellen) Änderungen gegenüber der zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Abfallgebührensatzung vom 20. Oktober 2009, die den Kalkulationszeitraum 2010 bis 2012 abgedeckt hatte. Im Übrigen dürfte zuletzt Einigkeit zwischen den Verfahrensbeteiligten bestanden haben, dass für 2013/2014 ein zweijähriger Kalkulationszeitraum gewählt wurde (vgl. den Schriftsatz des Antragstellers vom 6.7.2017, Bl. 496 der Gerichtsakte).

(2) Der vom Antragsgegner als ausgleichspflichtig erachtete Betrag von rund 1,373 Mio. Euro ergibt sich aus dem Rücklagenbestand von rund 1,627 Mio. Euro (1.627.079,56 Euro) zum 31. Dezember 2012, der um eine „Entnahmeprognose“ für den restlichen Bemessungszeitraum bis Ende 2014 von 254.000 Euro gemindert wurde (Übersicht vom 7.4.2014, Bl. 217 der Behördenakte „Gebührenkalkulation“). Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der Rücklagenbestand von 1,627 Mio. Euro als gegeben zugrunde zu legen. Zwar will der Antragsteller den ausgleichspflichtigen Betrag deutlich höher ansetzen, weil er eine systematische Anhäufung erheblicher Rücklagen seit dem Jahr 2001 – bis Ende 2009 von 4,5 Mio. Euro – ohne rechtzeitigen und vollständigen Ausgleich in den nachfolgenden Bemessungszeiträumen vermutet. Diesem Einwand kann das Gericht aber nur insoweit nachgehen, als er die Überdeckung aus dem vorherigen Kalkulationszeitraum betrifft. Die Ausgleichspflicht des Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut – unbeschadet weitergehender Ausgleichsrechte der Kommune – nur auf Kostenüberdeckungen aus dem unmittelbar vorhergehenden Bemessungszeitraum, die innerhalb des folgenden Bemessungszeitraums auszugleichen sind. Kostenüberdeckungen, die nicht innerhalb der gesetzlichen Ausgleichsfrist ausgeglichen werden, bleiben nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht weiterhin ausgleichspflichtig (OVG SH, U.v. 22.10.2003 – 2 LB 148/02 – KStZ 2004, 29/31; VGH BW, B.v. 20.9.2010 – 2 S 138/10 – KStZ 2010, 236/237; OVG NW, B.v. 30.11.2010 – 9 A 1579/08 – NWVBl 2011, 224; NdsOVG, U.v. 17.7.2012 – 9 LB 187/09 – DVBl 2012, 1255/1256). Auch im Schrifttum wird ein Anspruch auf den Ausgleich von Kostenüberdeckungen aus länger zurückliegenden Bemessungszeiträumen verneint (Friedl in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 56. EL März 2017, § 6 Rn. 641b; Vetter in Christ/ Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, D Rn. 196).

(3) Tatsächlich sind ausweislich der Betriebsabrechnungen 2013 und 2014 nicht die vom Antragsgegner prognostizierten Unterdeckungen, sondern Überschüsse in Höhe von 479.113 Euro für das Jahr 2013 und 866.336 Euro für das Jahr 2014 entstanden. Die Betriebsabrechnung für das Jahr 2013 wurde im Umweltausschuss des Antragsgegners – zusammen mit dem Entwurf der zukünftigen Gebührensatzung – am 25. Juni 2014 vorgestellt, war also zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits bekannt. Die für 2013 und 2014 retrospektiv ermittelte Überdeckung von insgesamt von 1.345.449 Euro entspricht in etwa dem in die Kalkulation tatsächlich eingestellten Ausgleichsbetrag von 1,373 Mio. Euro. Rechnet man zum Rücklagenstand vom 31. Dezember 2012 die positiven Betriebsergebnisse von 2013 und 2014 hinzu, anstatt die der Kalkulation zugrunde gelegte „Entnahmeprognose“ von 254.000 Euro abzuziehen, ergäbe sich zum 31. Dezember 2014 eine fiktive ausgleichspflichtige Sonderrücklage Gebühren in Höhe von 2.972.528,56 Euro. Bei den zu verteilenden Gesamtkosten entstünde zwischen der bestehenden Kalkulation (23.993.317 Euro) und der Alternativberechnung (22.393.867,44 Euro) eine Differenz von knapp 1,6 Mio. Euro (1.599.449,56 Euro), die nach der Alternativberechnung Nr. 10 des Antragsgegners (Bl. 429, Bl. 457 der Gerichtsakte) eine Abweichung zu Lasten des Gebührenzahlers von 6,67% darstellen würde. Die für ungewollte Kostenüberschreitungen geltende Fehlertoleranz von bis zu 12% ist damit bei weitem nicht ausgeschöpft.

(4) Die der Alternativberechnung zugrunde liegenden realen Betriebsergebnisse für die Jahre 2013 und 2014 sind nicht zu beanstanden. Der Antragsteller macht in diesem Zusammenhang geltend, in der Betriebsabrechnung 2013 würden unter Rekultivierung (7210.5189) rein fiktive Kosten in Höhe von 345.262 Euro mit dem alleinigen Zweck der Minderung des Betriebsergebnisses eingebracht. Als tatsächliches Betriebsergebnis für 2013 sei daher eine Kostenüberdeckung von 824.375 Euro anstatt von 479.113 Euro anzusetzen. Diesen Einwand hat der Antragsgegner mit dem Hinweis darauf entkräftet, dass der Betrag – ohne Auswirkungen auf das Betriebsergebnis – versehentlich falsch zugeordnet worden sei. Selbst wenn man ihn jedoch zusätzlich in die Alternativberechnung einbeziehen würde, ergäbe sich mit einer Differenz von dann 1.944.711 Euro (d.h. knapp 500.000 Euro pro Jahr) keine substantielle Veränderung der Abweichung zwischen der bestehenden Kalkulation und der Alternativberechnung. Gleiches gilt im Übrigen für den Kostenansatz für Rekultivierungen bei Bauschuttdeponien (7210.5189), der für das Jahr 2018 mit 200.000 Euro im Vergleich zu den Jahren 2015 bis 2017 (jeweils 5.000 Euro) ausgesprochen hoch veranschlagt ist (vgl. Bl. 207 der Behördenakte „Gebührenkalkulation“). Auch dieser Betrag bewegt sich in einer Größenordnung, die bei einer Hinzurechnung zu den vorhandenen Beträgen bei weitem nicht die Toleranzschwelle von 12% erreicht. Die Entwicklung nach Satzungserlass, etwa die vom Antragsteller thematisierte Betriebsabrechnung für das Jahr 2015, betrifft den späteren Vollzug der Satzung und spielt für die Kalkulation selbst keine Rolle.

bb) An der demnach gegebenen Geringfügigkeit der Kostenüberdeckung vermögen die weiteren Rügen des Antragstellers zu einzelnen Kostenpositionen der Kalkulation nichts zu ändern. Unter Berücksichtigung des dem Gebührensatzungsgeber bei seiner Prognoseentscheidung zukommenden Beurteilungsspielraums greifen die Rügen allesamt nicht durch. Die maßgebliche Frage, ob sich der Antragsgegner von Willkür oder sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2005 – 23 B 04.2683 – juris Rn. 35), ist zu verneinen. Die für die Jahre 2015 bis 2018 angesetzten Kosten, die ausweislich der Kalkulation auf den Rechnungsergebnissen 2013 laut Kämmerei sowie den Haushaltsansätzen für 2014 (Zusammenstellung vom 6.9.2013, Bl. 199 ff. der Behördenakte „Gebührenkalkulation“) beruhen, lassen sich in aller Regel anhand der vom Antragsgegner vorgelegten Kalkulationsunterlagen in der angesetzten Größenordnung nachvollziehen. Etwaige Unstimmigkeiten bewegen sich in einem Bagatellbereich, der an der deutlichen Unterschreitung der Toleranzgrenze nichts zu ändern vermag. Eine ungefragte gerichtliche Fehlersuche ist bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation eines kommunalen Satzungsgebers nicht angezeigt (BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1.01 – BVerwGE 116, 188 = NVwZ 2002, 1123). Im Einzelnen sind die Rügen wie folgt zu bewerten:

(1) Entgegen der Ansicht des Antragstellers verstößt die Einbeziehung von Portokosten, also der Kosten für die Versendung von Gebührenbescheiden, in die Kalkulation (7201.6525) nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a KG. Die frühere Rechtsprechung des 23. Senats (BayVGH, B.v. 11.7.1991 – 23 N 88.306 – JurPC 1991, 1322) ist durch die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes im Jahr 1992 überholt. Seither schließen die nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten ausdrücklich die „Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben“ mit ein.

(2) Die vom Antragsgegner angesetzten Gerichts- und Anwaltskosten (7201.6552) durften sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach in die Gebührenkalkulation einfließen. Soweit in der Rechtsprechung die Ansatzfähigkeit von Kosten für gerichtliche und außergerichtliche Rechtsberatung mangels Betriebsbedingtheit verneint wurde (vgl. VGH BW, U.v. 13.5.1997 – 2 S 3246/94 – ZKF 1998, 135; BayVGH, U.v. 29.4.1999 – 23 B 97.1628 – juris Rn. 41), bezieht sich diese Aussage ausdrücklich nur auf Kosten für Rechtsbehelfsverfahren von Gebührenzahlern gegen Abgabenbescheide. Unabhängig davon, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist (ablehnend Friedl in Driehaus, a.a.O., § 6 Rn. 636; kritisch auch Vetter in Christ/Oebbecke, a.a.O., Rn. 320), kann sie jedenfalls auf die hiesige Fallkonstellation nicht übertragen werden. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners sind die Kosten für zu besorgende oder laufende Gerichtsverfahren mit Vertragspartnern auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft eingeplant, wobei sich die jährlich wechselnde Höhe des Kostenansatzes aus konkreten Prognosen für einzelne, passgenau zu berücksichtigende Rechtsstreitigkeiten ergibt. Soweit der Antragsteller die Beiziehung von (nicht näher bezeichneten) Unterlagen für bereits beglichene Kosten erledigter Rechtsstreitigkeiten begehrt, ist eine solche retrospektive Betrachtung im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht angezeigt. Im Übrigen bestehen für eine unzutreffende Prognose der angesetzten Kostenhöhen keine Anhaltspunkte.

(3) Der Kostenansatz für die Erstattung der „Zentralen Dienste“ (7201.6750) ist nicht zu beanstanden. Zu den ansatzfähigen Kosten gehören neben den Betriebskosten auch Verwaltungskosten, d.h. Personal- und Sachkosten der für die Einrichtung tätigen zentralen Dienststellen, wobei die Zuordnung über einen Verrechnungsschlüssel der anteiligen Arbeitszeiten und das Verhältnis der Anzahl der Beschäftigen der Einrichtung zur Gesamtbeschäftigtenzahl zu erfolgen hat (BayVGH, U.v. 15.3.2005 – 23 B 04.2683 – juris Rn. 29; Friedl in Driehaus, a.a.O., § 6 Rn. 636). Diese Kosten hat der Antragsgegner auf der Grundlage seiner detaillierten Aufstellung des Jahres 2013 anhand des dortigen Verteilungsschlüssels plausibel ermittelt (Bl. 255 ff. der Behördenakte „Betriebsabrechnung“). Soweit der Antragsteller die Höhe der veranschlagten Personalkosten rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass es dem Organisationsermessen des kommunalen Trägers anheimgestellt ist, wie viele und welche Mitarbeiter zu welchem Entgelt eingesetzt werden (Brüning in Driehaus, a.a.O., § 6 Rn. 168). Dies gilt auch für die auf die Abfallwirtschaft entfallenden Arbeitszeitanteile des Geschäftsführers / Abteilungsleiters. Anhaltspunkte dafür, dass die Grenze eines sachlich nicht mehr vertretbaren Verbrauchs an öffentlichen Mitteln überschritten sein könnte, sind weder plausibel vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war die vom Antragsteller begehrte Heranziehung weiterer (nicht spezifizierter) Unterlagen zu den Personalkosten nicht veranlasst.

(4) Soweit der Antragsteller für die „Sonstigen Dienstleistungen Dritter“ (7201.6369 und 7202.6369) eine Detaildarstellung erbeten hat, ist der Antragsgegner diesem Begehren durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachgekommen (Bl. 203 ff. der Behördenakte „Gebührenkalkulation“ und Bl. 16 der nachgelieferten Anlage dazu). Die dort bei den Haushaltsansätzen 2014 erfolgte plausible Aufschlüsselung der Kosten wird vom Antragsteller nicht (mehr) in Zweifel gezogen.

(5) Es begegnet keinen Bedenken, dass der Antragsgegner die Abfallsammelbehälter in seiner Kalkulation bei den Sachkosten als „Miete“ erfasst hat. Dies gilt sowohl hinsichtlich der (vom Antragsteller primär beanstandeten) Restmülltonnen (7201.6361) als auch hinsichtlich der Biotonnen (7201.6329) und der Papiertonnen (7201.6360), deren Kosten jeweils in der Rubrik „Abfuhr/Miete“ direkt berücksichtigt sind. Dass der Antragsgegner von einer Anmietung und nicht von einem Erwerb der Tonnen ausgeht, ergibt sich auch aus seinen Haushaltsansätzen 2014, bei denen die Kosten für „Miete“ und „Entleerung/Transport“ getrennt ausgewiesen sind (Bl. 13 der Anlage zur Behördenakte „Gebührenkalkulation“). Der Antragsteller hat seine Rüge, dass in Wahrheit ein Mietkauf der Tonnen vorliege und dass diese über einen langjährigen Zeitraum – etwa über 20 Jahre – als Investitionsgüter abgeschrieben werden müssten, zuletzt wohl nicht mehr aufrechterhalten. Unabhängig davon dürfte ausweislich der vom Antragsgegner vorgelegten Ausschreibungsunterlagen (Bl. 383 ff. der Gerichtsakte) tatsächlich ein Mietverhältnis vorliegen, so dass die Kosten zu Recht als Sachkosten und nicht als kalkulatorische Kosten erfasst wurden. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers vom Vorliegen eines Mietkaufs ausginge, wäre nach den – anders als im Steuerrecht nicht verbindlichen – Abschreibungstabellen (vgl. Nr. 1.6 der AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig „Abfallentsorgungs- und Recyclingwirtschaft“ des Bundesministeriums der Finanzen vom 1.7.1995) eine Abschreibung über eine Nutzungsdauer von vier Jahren nicht zu beanstanden, sofern es sich nicht ohnehin um sofort als Betriebsausgaben abziehbare geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinn des § 6 Abs. 2 EStG handelt (vgl. R 6.13 Abs. 1 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien zu § 6 EStG). Mangels expliziter Vorgaben in Art. 8 KAG kommt der Kommune bei der objektbezogenen Betrachtung ein Einschätzungsspielraum zu (vgl. Hasl-Kleiber in Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand August 2017, Kz. 54.00 Erl. 2.2).

(6) Die Rüge des Antragstellers, bei den Kosten für die MVA Ingolstadt (7201.6730) sei eine zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits absehbare Gebührensenkung nicht berücksichtigt worden, greift nicht durch. Die Antragsgegner legte seiner Prognose die Annahme zugrunde (vgl. S. 4 der Kalkulation vom 9.5.2014), dass die MVA-Gebühren zum 1. Januar 2015 nicht erneut gesenkt würden bzw. trotz der Risiken durch das EEG in unveränderter Höhe bestehen blieben. Tatsächlich wurde am 23. Oktober 2014 eine weitere Senkung der MVA-Gebühren beschlossen. Die vom Antragsteller angesichts dieser zeitlichen Abläufe behaupteten Pflichten des Antragsgegners in Gestalt einer Erkundigungspflicht, einer Vertagungspflicht für die Beschlussfassung im Kreistag sowie einer Nachbesserungspflicht zwischen Satzungsbeschluss und Inkrafttreten der Satzung finden in Gesetz und Rechtsprechung keine Grundlage. Angesichts der Normqualität der Gebührensatzung sind für die Beurteilung die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Satzungserlasses maßgeblich (BayVGH, U.v. 2.3.2000 – 4 N 99.68 – VGH n.F. 53, 71/76 = NVwZ-RR 2001, 120; U.v. 2.4.2004 – 4 N 00.1645 – NVwZ-RR 2005, 281/282). Wegen des Prognosecharakters der Kalkulation kann es dem Satzungsgeber weder angesonnen werden, gleichsam ins Blaue hinein bzw. im „vorauseilenden Gehorsam“ etwaige zu einem späteren Zeitpunkt denkbare Gebührensenkungen zu berücksichtigen, noch muss er seinen Sitzungsrhythmus im Kreistag von derartigen Überlegungen abhängig machen. Eine Erkundigungspflicht ist schon deshalb zu verneinen, weil es bei Zweckverbänden und ähnlichen Gremien keinen Ansprechpartner gibt, der verbindlich über die zukünftige – gegebenenfalls ihrerseits einer Kalkulation unterliegende – Kostenplanung Auskunft geben kann. Dementsprechend scheidet auch eine Nachbesserungspflicht vor Inkrafttreten der Satzung aus. Kommt es infolge von Unwägbarkeiten bei der Gebührenentwicklung zu Kostenüberdeckungen, sind diese vielmehr nach Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG im nachfolgenden Bemessungszeitraum auszugleichen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig.

2

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis mit Bescheid vom 17. August 2009 zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbesteuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Kreisumlagebescheid sei rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage seien verfassungsgemäß, auch soweit sie den Landkreisen die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubten. Die Rheinland-Pfälzische Verfassung schreibe kein bestimmtes Verteilungssystem vor. Dem Gesetzgeber sei in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, das seine Grenze im Gebot interkommunaler Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot finde. Über diesen allgemeinen Maßstab hinaus müsse die gesetzliche Regelung berücksichtigen, dass Finanzkraftunterschiede im Wege des Finanzausgleichs grundsätzlich nur abgemildert, nicht aber eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürften. Die Kreisumlage als solche erweise sich als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems. Auch die im Landesfinanzausgleichsgesetz vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze stehe im Einklang mit den vorgenannten Maßstäben. Die Regelung beruhe auf sachlichen Gründen und füge sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Es erscheine vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräume, die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen verursachergerecht auszugleichen. Eine progressive Staffelung der Umlagesätze führe für sich genommen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden. Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sei auch nicht deshalb verletzt, weil eine solche Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl, aber gleichwohl hohen Steuereinnahmen besonders treffe. Auch die Ausgestaltung der Umlagesätze in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeine Grenze des Umlagesatzes unabhängig vom Aufgabenbestand des Kreises einerseits und der Gemeinde andererseits. Ein progressiv gestaffelter Umlagesatz, der für einzelne kreisangehörige Gemeinden nivellierend und übernivellierend wirke, sei mithin dann noch verfassungskonform, wenn für die Festsetzung sachlich einleuchtende Gründe vorlägen und diese auch sonst nicht als willkürlich oder rücksichtslos erschienen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte hätte im Jahre 2009 mit erheblichen finanziellen Engpässen zu kämpfen gehabt. Auch die von der Haushaltssatzung angeordnete Progression des Kreisumlagesatzes sei unbedenklich. Auf der Grundlage des vorliegenden Zahlenmaterials bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es hierdurch zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung der Finanzkraft unter den kreisangehörigen Gemeinden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr gekommen sei. Selbst wenn die Progression eine solche Wirkung gezeigt haben sollte, wäre die Klägerin hierdurch nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt. Aus Sicht des Kreises sprächen hierfür nämlich sachlich einleuchtende Gründe. Im beklagten Landkreis stünden einige wenige finanzstarke Gemeinden einer großen Zahl von Gemeinden mit weit unterdurchschnittlicher Finanzkraft gegenüber. Bei einem Verzicht auf die Progression wäre dem Beklagten zur Vermeidung eines noch größeren eigenen Haushaltsdefizits nichts anderes übriggeblieben, als den dann einheitlichen Umlagesatz weiter anzuheben. Hierdurch wären auch die ohnehin unterdurchschnittlich finanzkräftigen Gemeinden weiter geschwächt worden. Die Ausgestaltung des progressiven Umlagesatzes erscheine gegenüber den betroffenen Gemeinden auch nicht rücksichtslos. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die angeordnete Progression in Steigung und Höchstsatz hinter dem nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz zulässigen Maß zurückbleibe. Der Beklagte habe bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt. Die von der Klägerin beanstandeten Mittelansätze beträfen allesamt Angelegenheiten, die der Beklagte nach der Landkreisordnung als überörtliche Aufgaben der freien Selbstverwaltung wahrnehmen dürfe. Die Frage, inwieweit ein Landkreis unterstützend und ausgleichend im Bereich der allgemeinen Angelegenheiten tätig werden dürfe, stelle sich im vorliegenden Falle nicht.

4

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht sie geltend, der Beklagte nehme unzulässig gemeindliche Aufgaben wahr. Dies führe zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und zu einem überhöhten Umlagesoll. Die Wahl eines progressiven Umlagesatzes bewirke eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden oder sogar eine Veränderung der Finanzkraftreihenfolge. Die Erhebung der Kreisumlage in ihrer konkreten Ausgestaltung führe im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen würden und sie zur Umlagefinanzierung sogar Kredite aufnehmen müsse. Das Vorgehen des Beklagten sei mit Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass eine progressive Kreisumlage mit Art. 28 Abs. 2 GG dann nicht mehr vereinbar sei, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete aufgabenadäquate finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden strukturell nicht mehr gewahrt werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil wird den Anforderungen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt damit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der angefochtene Kreisumlagebescheid einer Rechtsgrundlage bedarf, dass er diese nur in § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) i.V.m. § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) sowie in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 finden kann und dass deren Gültigkeit voraussetzt, dass sie mit höherem Recht, namentlich mit Verfassungsrecht vereinbar sind. Insofern hat das Berufungsgericht allein das Verfassungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, nämlich Art. 49 LVerf in den Blick genommen und keinen Grund zur Beanstandung finden können; insoweit unterliegt sein Urteil nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht hat indes ungeprüft gelassen, ob die erwähnten Rechtsgrundlagen auch mit Bundesverfassungsrecht, vornehmlich mit Art. 28 Abs. 2, aber auch mit Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG vereinbar sind. Dies gilt es nachzuholen. Hierzu müssen zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe entfaltet werden (1.). Daran gemessen, erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts teilweise als beanstandungsfrei (2. und 3.), in anderer Hinsicht jedoch als unzureichend (4.). Da eine abschließende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die zudem landesrechtliche Rechtsfragen aufwerfen können, muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (5.).

11

1. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das ergibt sich schon aus Satz 1 der Garantie; das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, setzt voraus, dass die Gemeinden über eine Finanzausstattung verfügen, die sie hierzu in den Stand setzt. Es wurde im Übrigen durch die Anfügung von Satz 3 der Garantie bestätigt und noch materiellrechtlich verstärkt. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteile vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146 und vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161).

12

Die Finanzausstattung der Gemeinden ist ein Saldo aus Einnahmen und Abschöpfungen. Auf der Einnahmenseite tragen zur Finanzausstattung - neben Entgelten für spezielle Leistungen - Einnahmen aus Steuern (sogenannte Steuerkraft) sowie ergänzende Zuweisungen aus Landesmitteln nach Maßgabe des kommunalen Finanzausgleichs bei; dem stehen in negativer Hinsicht Bestimmungen in den Finanzausgleichs- und anderen Gesetzen über Umlagen gegenüber, die den Gemeinden Finanzmittel zugunsten anderer - regelmäßig höherstufiger - Verwaltungsträger wieder entziehen, sei es zugunsten der Kreise (Kreisumlage), sei es zugunsten von anderen Gemeindeverbänden (wie die Verbandsgemeindeumlage), sei es schließlich zugunsten von Land oder Bund (Finanzausgleichsumlage; Gewerbesteuerumlage). Die Kreisumlage erweist sich damit nicht nur als - herkömmliches und als solches fraglos zulässiges - Instrument zur Finanzierung der Kreise. Sie entzieht zugleich den kreisangehörigen Gemeinden Finanzmittel und zählt insofern zu den Instrumenten, welche in ihrem Zusammenwirken die Finanzausstattung der Gemeinden festlegen. Als solches muss sie den Anforderungen entsprechen, die das Verfassungsrecht für die Finanzausstattung der Gemeinden vorgibt (a); und ihre Wirkungen dürfen nicht dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (b).

13

a) Dem Gesetz- und sonstigen Normgeber kommt bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zu. Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Weder kommt dem Land für seinen eigenen Finanzbedarf ein Vorrang gegenüber dem kommunalen Bereich zu, noch lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG umgekehrt ein Vorrang des kommunalen Finanzbedarfs gegenüber demjenigen des Staates herleiten. Auch innerhalb des kreiskommunalen Raumes lässt sich weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Art. 28 Abs. 2 GG auch das sogenannte dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip entnommen. Hiernach muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber sich dafür entschieden hat, dass örtlich bezogene öffentliche Aufgaben möglichst dezentral, im Zweifel also auf der gemeindlichen Ebene erledigt werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <147 ff., 156>). Daraus lässt sich jedoch kein Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Ebene auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen herleiten. Das dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip bewirkt eine im Zweifel gemeindliche Aufgabenzuständigkeit und begründet in der Folge eine gemeindliche Ausgabenlast. Deshalb ist der hierdurch begründete Finanzbedarf der Gemeinden jedoch nicht gewichtiger als der Finanzbedarf anderer (höherstufiger) Verwaltungsträger, der diesen aus den ihnen (verfassungsgemäß) zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erwächst (vgl. auch Beschluss vom 3. März 1997 - BVerwG 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109). Art. 28 Abs. 2 GG regelt eine Kompetenzverteilung und gewährleistet gleichsam akzessorisch eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, trifft jedoch keine von der Aufgabenverteilung losgelöste, zusätzliche und eigenständige Regelung zur Verteilung öffentlicher Mittel.

14

Mit Blick auf die Kreisumlage kommt dem Grundsatz des finanziellen Gleichrangs zunächst und vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Kreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden zu. Mit der Kreisumlage werden bestimmte Finanzmittel im kreisangehörigen Raum zwischen dem Kreis und den Gemeinden verteilt. Das muss gleichmäßig geschehen (zum Gebot interkommunaler Gleichbehandlung: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris Rn. 80). Dabei ist von Bedeutung, dass der Kreis nicht nur die Befugnis zur einseitigen Erhebung der Kreisumlage hat, sondern dass er in bestimmter Hinsicht auch über das Ausmaß seiner Kreistätigkeit disponiert und damit seinen eigenen Finanzbedarf enger oder weiter stecken kann. Das darf er nicht beliebig; vielmehr muss er die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizupflichten, dass der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen darf. Es ist allenfalls dahin zu ergänzen, dass der Kreis auch verpflichtet ist, nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen.

15

Die Erhebung der Kreisumlage muss den allgemeinen Gleichheitssatz auch in horizontaler Dimension im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <393>; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 a.a.O. <287>). Fraglos zulässig ist es, den Finanzbedarf des Kreises nach linear gleichem Maßstab auf die kreisangehörigen Gemeinden umzulegen. Häufig werden steuerstärkere Gemeinden jedoch stärker herangezogen als steuerschwächere; dadurch erzielt die Kreisumlage zugleich einen steuerkraftausgleichenden Effekt. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Außerdem darf dies nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Länder im Länderfinanzausgleich hergeleitet (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. - BVerfGE 86, 148 <250 f., 253 f.>); es gilt gleichermaßen in Ansehung des Gebots der Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden bei der Kreisumlage.

16

Schließlich darf die Erhebung der Kreisumlage nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird. Das meint zunächst die Ertragshoheit. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Zwar erlaubt Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG eine Umlage zugunsten des Landes und des Bundes auf den Ertrag der Gewerbesteuer. Dadurch darf jedoch nur ein Teil des Gewerbesteuerertrages entzogen werden; ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig. Ähnliches gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG. Hiernach können die Länder die Erträge der Gemeinden aus den Realsteuern, aus der Einkommen- und aus der Umsatzsteuer zur Grundlage für weitere Umlagen nehmen. Auch dies darf nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen; unzulässig wäre es, den Gemeinden die genannten Umlagegrundlagen praktisch zur Gänze zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gelegentlich bemerkt, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG lasse sich ein besonderer Normgehalt nicht entnehmen, weshalb die Vorschrift von Teilen der Literatur sogar für überflüssig erachtet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 a.a.O. <391 f.>). Die Frage eines Totalentzugs der Umlagegrundlagen war jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

17

Die Steuerhoheit umfasst neben der Ertragshoheit auch eine gewisse Regelungsbefugnis. Insofern gewährleistet das Grundgesetz den Gemeinden in Ansehung der Realsteuern und - nach Maßgabe von Bundesrecht - auch in Ansehung ihres Anteils an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 GG) eine eigene Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer "finanziellen Eigenverantwortung" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 u.a. - BVerfGE 125, 141 <160 ff.>). Die Erhebung von Umlagen darf nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit entwertet wird. Die rheinland-pfälzischen Bestimmungen über die Bemessung der Kreisumlage sehen deshalb vor, dass die Gemeinden nicht mit ihren tatsächlichen, sondern mit fiktiven Steuereinnahmen veranschlagt werden, denen ein einheitlicher und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehener Hebesatz zugrunde gelegt wird. Dieses Verfahren ist einwandfrei. Ob andere Bemessungsweisen gleichermaßen zulässig wären, bedarf keiner Entscheidung.

18

b) Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürfen weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird. Insofern zieht Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze.

19

Ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, hinter die der (Landes-)Gesetzgeber auch bei einer allgemeinen Notlage der öffentlichen Haushalte nicht zurückgehen darf, haben das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181> und vom 7. Februar 1991 a.a.O. <386>; vgl. aber auch Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <168>) und das Bundesverwaltungsgericht (vgl. aber Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) bislang nicht entschieden. Die Verfassungsgerichte der Länder haben ihren jeweiligen Landesverfassungen derartige Mindestgarantien entnommen und dies - soweit die Ausstattung aus Landesmitteln in Rede steht - allenfalls gelegentlich unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt; die Gemeinden müssen hiernach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine "freie Spitze" verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. Dezember 1977 - VGH 2/74 - DVBl 1978, 802 <805> und vom 18. März 1992 - VGH 3/91 - NVwZ 1993, 159 <160> m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - 2/97 - ESVGH 49, 242; Bayerischer VerfGH, Entscheidungen vom 27. Februar 1997 - Vf. 17 VII-94 - VerfGHE BY 50, 15 <41> und vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 - VerfGHE BY 60, 184; VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September1999 - 28/98 - NVwZ-RR 2000, 129 <130>; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 11. Mai 2006 - 1/05 u.a. - LKV 2006, 461 und vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris; Niedersächsischer StGH, Urteile vom 15. August 1995 - 2/93 u.a. - OVGE 45, 486, vom 25. November 1997 - 14/95 u.a. - OVGE 47, 497 und vom 7. März 2008 - 2/05 - NdsVBl 2008, 152 <156 f.>; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 16/02 - OVGE 50, 306; Urteile vom 11. Dezember 2007 - 10/06 - OVGE 51, 272 und vom 19. Juli 2011 - 32/08 - DVBl 2011, 1155; VerfGH Saarland, Urteile vom 10. Januar 1994 - Lv 2/92 - NVwZ-RR 1995, 153 <154> und vom 13. März 2006 - Lv 2/05 - juris; VerfGH des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 - LKV 2001, 223 <224>; LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 - NVwZ 2007, 78; Thüringer VerfGH, Urteile vom 12. Oktober 2004 - 16/02 - DVBl 2005, 443, vom 21. Juni 2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <667> und vom 18. März 2010 - 52/08 - LKV 2010, 220; aus der Literatur: Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 248 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 1. Januar 2013, Art. 28 Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 102; Hufen, DÖV 1998, 276 <280>).

20

Dieser Rechtsprechung ist für das Bundesverfassungsrecht beizupflichten. Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG ergibt sich, dass der anerkannte "Kernbereich" der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung zu erstrecken ist. Der Gesetzgeber muss die öffentliche Verwaltung also so organisieren, dass unterhalb der (staatlichen) Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene eingerichtet wird, der ein eigenständiges, eigenverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur in singulären Angelegenheiten, sondern grundsätzlich universell ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 a.a.O. <146 f.>). Dieser kommunale Bereich darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss auch finanziell ermöglicht werden. Der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wäre mithin (auch) dann verletzt, wenn von einer kommunalen Selbstverwaltung zwar vielleicht de jure, aber jedenfalls nicht mehr de facto die Rede sein könnte, weil den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel fehlen.

21

Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gemeinden in Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG bestimmte Steuereinnahmen zuerkannt und damit die gemeindliche Finanzausstattung zu einem Teil bereits von Bundesverfassungsrechts wegen gesichert hat. Daraus lässt sich nicht folgern, dass eine weitergehende bundesverfassungsrechtliche Sicherung nicht gewollt gewesen sei. Das Gegenteil ist richtig. Dass Art. 28 Abs. 2 GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanzielle Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu. Auch die Einfügung des Satzes 3 in Art. 28 Abs. 2 GG belegt die Überzeugung des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass die Selbstverwaltungsgarantie angesichts zunehmender Überbürdung kostenträchtiger Aufgaben auf die Kommunen gerade in finanzieller Hinsicht noch zusätzlicher Verstärkung bedurfte.

22

Klargestellt werden muss, dass dieser "Kerngehalt" die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren - das verfassungsrechtliche Minimum - bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist. Der Landesgesetzgeber könnte also eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden in diesem Sinne nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass auch die Haushaltslage des Landes notleidend ist. Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar (so auch Tettinger/Schwarz, a.a.O. Rn. 248 ff.). Ob anderes gelten kann, wenn das Land selbst unter Ausschöpfung aller eigenen Steuerquellen und unter möglichster Verminderung ausgabenträchtiger öffentlicher Aufgaben des Landes und der Kommunen zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Mindestpflicht außerstande wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Lage ist nicht erkennbar; der Beklagte macht nur eine eigene Haushaltsnotlage geltend, nicht aber einen Haushaltsnotstand des gesamten Landes.

23

2. Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht auf der gesetzlichen Grundlage in § 58 Abs. 4 LKO, § 25 LFAG. Das Berufungsgericht ist fraglos davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das hält den Einwänden, die namentlich der Vertreter des Bundesinteresses erhebt, im Ergebnis stand.

24

a) Der Vertreter des Bundesinteresses weist zum einen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Februar 2012 (- VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 = DVBl 2012, 432) die Bestimmungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Zuweisungen aus Landesmitteln (§§ 7 bis 18 LFAG) für verfassungswidrig erklärt hat. Das bleibt freilich für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung. Zwar nimmt § 25 LFAG auf § 13 LFAG und damit auf eine der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften Bezug. Jedoch wird damit nicht die Gültigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln zur Voraussetzung auch für die Gültigkeit der Bestimmungen über die Kreisumlage erhoben. Die Bezugnahme auf § 13 LFAG soll vielmehr lediglich die Umlagegrundlagen festlegen. Sie dient daher nur einer regelungstechnischen Vereinfachung, um eine eigenständige Wiederholung innerhalb des § 25 LFAG zu ersparen. In Ansehung der Umlagegrundlagen kann § 13 LFAG auch unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln Bestand haben. Hinzu kommt, dass das Landesverfassungsgericht die §§ 7 bis 18 LFAG zwar für verfassungswidrig, aber für das hier in Rede stehende Umlagejahr 2009 nicht auch für nichtig erklärt hat; das Gesetz verliert vielmehr erst Ende 2013 seine Gültigkeit, wenn der Gesetzgeber bis dahin den verfassungsrechtlichen Einwänden nicht Rechnung getragen hat.

25

b) Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt zum anderen, dass § 58 Abs. 4 LKO zu weit gefasst sei. Nach dieser Vorschrift erhebt der Kreis eine Kreisumlage, soweit seine sonstigen Finanzquellen seinen Finanzbedarf nicht decken. Damit macht sie den Kreisen die Erhebung einer Kreisumlage zur Pflicht, deren Soll-Aufkommen sich nach ihrem Wortlaut allein nach dem gesamten ungedeckten Finanzbedarf des Kreises bemisst, ohne hierbei die gebotene Rücksicht auf den eigenen Finanzbedarf und die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden zu nehmen. Mit diesem Inhalt könnte die Vorschrift tatsächlich keinen Bestand haben; sie würde den Grundsatz des Gleichrangs zwischen dem Finanzbedarf des Kreises und demjenigen der kreisangehörigen Gemeinden und damit das interkommunale Gleichbehandlungsgebot in vertikaler Hinsicht verletzen und im Extremfall dazu führen, dass der Kreis eine eigene Unterfinanzierung stets auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen dürfte oder gar müsste, selbst wenn diesen dadurch nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene Mindestausstattung verbliebe. Die Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer solchen Interpretation. Sie ist vielmehr für eine verfassungskonforme Auslegung offen, wonach der Kreis zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt wird, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt wird, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zwingend und jedenfalls dann nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsste, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

26

3. Die Klägerin hat gegen die Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 zum einen eingewendet, der Beklagte finanziere die Wahrnehmung von Aufgaben, für die ihm die Zuständigkeit fehle; zum anderen verletze der gewählte progressive Umlagesatz das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung in dessen horizontaler Dimension. Das Berufungsgericht hat diese Einwände zurückgewiesen. Das hält den Angriffen der Revision stand.

27

a) Die Klägerin bemängelt, der Beklagte nehme Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahr, für die ihm die Zuständigkeit fehle, was zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und dementsprechend zu einem überhöhten Umlagesoll führe. Dieser Einwand verfängt nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sämtliche von der Klägerin insofern angesprochenen Aufgaben kreisörtlicher Natur ("auf das Kreisgebiet bezogen") sind und deshalb vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKO wahrgenommen werden dürfen. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Dann aber steht fest, dass es sich nicht um gemeindliche Aufgaben handelt, die der Kreis lediglich im Rahmen seiner Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion (nach § 2 Abs. 5 LKO) oder gar in Wahrnehmung seiner "Kompetenzkompetenz" (nach § 2 Abs. 3 und 4 LKO) übernehmen dürfte. Damit stellt sich auch die verfassungsrechtliche Frage nicht, ob es mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar wäre, wenn der Kreis gemeindliche Aufgaben an sich zieht, die Gemeinden aber zugleich über die Kreisumlage zu deren Finanzierung heranzieht.

28

b) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie den progressiven Umlagesatz als solchen betreffen.

29

Der Umlagesatz besagt als solcher noch nichts über die den Gemeinden nach Erhebung der Umlage verbleibende Finanzausstattung. Die Progression führt auch nicht dazu, dass die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen werden; im vorliegenden Fall liegt der Grenzsatz bei 37,1 x 150 = 55,65 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. Der Umlagesatz ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und ob er Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden übermäßig nivelliert. Insofern sind Einwände nicht zu erheben.

30

Ein einheitlicher Umlagesatz wahrt den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 LFAG), ein progressiver Satz wahrt ihn, wenn für die Progression ein sachlicher Grund besteht (vgl. Urteil vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <288 f.> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Progression - der nur überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinden unterliegen - dem Verursachungsprinzip Rechnung tragen soll; diese Gemeinden werden auf diese Weise verstärkt herangezogen, weil ihre besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an die Kreise ist, was ohne Progression zu einer stärkeren Belastung der finanzschwächeren Gemeinden führen müsste. Darin hat es beanstandungsfrei einen zureichenden sachlichen Grund für den progressiven Umlagesatz gesehen.

31

Dessen Anwendung führt auch nicht dazu, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden vollständig eingeebnet würden oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert würde. Das ist bei der gewählten stufenweisen Anhebung des in Prozent ausgedrückten Umlagesatzes schon rechnerisch ausgeschlossen. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall; die Klägerin ist auch nach Durchführung der Umlage die steuerstärkste Gemeinde im Kreis. Dass sie selbst zu anderen Ergebnissen gelangt, ist darauf zurückzuführen, dass sie auf ihre absoluten Steuereinnahmen abstellt und diese nicht ins Verhältnis zu ihrer - geringen - Einwohnerzahl setzt. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung. Was angemessen ist, bestimmt sich zuvörderst nach dem Finanzbedarf, dieser aber ist maßgeblich abhängig von der Einwohnerzahl. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Finanzkraftvergleich zwischen den verschiedenen kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl vornimmt.

32

4. Die Klägerin hatte aber drittens und vor allem geltend gemacht, die Erhebung der Kreisumlage entziehe ihr - im Zusammenwirken mit anderen Umlagen - praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

33

a) Vorab ist festzuhalten, dass der Einwand der Klägerin beachtlich ist. Der Beklagte muss bei der Bemessung der Kreisumlage die anderen Umlagepflichten der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Der Landesgesetzgeber stellt die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land; Instrumenten der Finanzzuweisungen zugunsten der Gemeinden (insbesondere Schlüsselzuweisungen) stehen gegenläufige Instrumente der Finanzabschöpfungen (insbesondere Umlagen) gegenüber. Insofern tritt die Kreisumlage neben andere Umlagen unter Gemeinden. Der Vertreter des Bundesinteresses weist zutreffend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber dieses System des Finanzausgleichs als Ganzes zu verantworten hat; er ist verpflichtet, eine angemessene Finanzausstattung, wenigstens aber die Mindestausstattung der Gemeinden im Gesamt seines Regelwerks zu gewährleisten. Dabei muss er diejenigen Vorgaben beachten, die vom Bundesgesetzgeber selbst und damit von einem vorrangigen Normgeber gesetzt werden. Deshalb muss er auch die Belastungen der Gemeinden aus der Gewerbesteuerumlage in Rechnung stellen.

34

Bei der nötigen Gesamtbetrachtung kann die Verbandsgemeindeumlage (§ 26 LFAG) nicht ausgeblendet werden. Sie dient zwar der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben und kommt der Klägerin - einer Ortsgemeinde - damit selbst zugute. Die Klägerin kann jedoch über ihre Mitgliedschaft in der Verbandsgemeinde nicht frei entscheiden und kann auch den Umfang der von dieser wahrgenommenen örtlichen Aufgaben nicht beeinflussen. Vielmehr werden die Verbandsgemeinden aus Gründen des Gemeinwohls gebildet (vgl. § 64 GemO) und nehmen bestimmte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgrund Gesetzes an Stelle der Ortsgemeinden wahr (§§ 67, 68 GemO). Insofern liegt die Sache anders als bei der Samtgemeindeumlage nach niedersächsischem Recht (vgl. Urteil vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161). Vor allem aber stünde eine "freie Spitze" nicht der Verbandsgemeinde, sondern unverändert der Ortsgemeinde zu, die auch nur selbst Inhaberin des verfassungsrechtlichen Aufgabenzugriffsrechts, also des Rechts ist, sich jeder "unbesetzten" öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft aus eigenem Willensentschluss anzunehmen.

35

b) Das Berufungsgericht ist auf den Einwand der Klägerin bislang nur unter Anlegung eines unzureichenden und teilweise fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstabs eingegangen. Es hat den Kreis nämlich von der Pflicht zur Beachtung der verfassungsgebotenen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden dispensiert und angenommen, die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie werde in jedem Fall erst dann verletzt, wenn der Kreis seine eigenen Interessen einseitig und willkürlich gegenüber den Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetze. Das wird den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht gerecht.

36

Der Schutz- und Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 (und 3) GG gilt zugunsten der Gemeinden auch in deren Verhältnis zum Kreis. Für "den kommunalen Raum", also das Gesamt von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, besteht kein abweichendes Sonderrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <150 f., 152>). Daraus folgt, dass der oben umschriebene "Kernbereich" der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch nicht zugunsten des jeweiligen Kreises angetastet werden darf. Das gilt für jedwede Finanzregelung, gleichgültig ob sie vom Land oder vom Kreis selbst erlassen wurde; weder darf eine Regelung des Landesgesetzgebers zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden führen, noch darf eine Regelung eines Kreises diese Wirkung haben. Damit wird auch der Kreisumlage eine absolute Grenze gezogen; ihre Erhebung darf nicht dazu führen, dass das absolute Minimum der Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten wird.

37

Demgegenüber will das Berufungsgericht die Kreise bei Erlass von Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage von der Pflicht zur Beachtung des "Kernbereichs" jedenfalls dann dispensieren, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert ist; die Regelungsbefugnis des Kreises sei auch in diesem Falle erst überschritten, wenn der Kreis seine Interessen willkürlich und rücksichtslos zulasten der Gemeinden verfolgt. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. So wenig wie das Land kann sich der Kreis von der Beachtung des "Kernbereichs" der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Hinweis auf seine eigene Haushaltslage dispensieren. Richtig ist, dass der Kreis - anders als das Land - regelmäßig nicht über eine nennenswerte Kompetenz zur Erschließung zusätzlicher Steuerquellen verfügt, um seine Finanznot zu lindern (dazu Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 115 f.). Das suspendiert indes nicht die Geltung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie. Ist die eigene Finanzausstattung des Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten; er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen. Darauf weist der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hin.

38

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Defiziten, da es einen Haupteinwand der Klägerin - die Kreisumlage entziehe ihr die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung - auf unzureichender Grundlage zurückgewiesen hat.

39

5. Der Senat kann über die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf Vorbringen des Beklagten eingegangen werden, was zusätzliche tatsächliche Feststellungen erfordert, die zudem landesrechtliche Würdigungen voraussetzen. Das ist dem Bundesverwaltungsgericht verschlossen; deshalb muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

40

a) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass im Zusammenwirken der Kreisumlage mit anderen Umlagen sämtliche Steuereinnahmen der Klägerin abgeschöpft würden und die Klägerin darüber hinaus noch zur Kreditaufnahme gezwungen werde, um ihre Umlageverpflichtungen zu erfüllen. Er meint, dass die Gewerbesteuerumlage nicht gesondert und zusätzlich zu berücksichtigen sei, weil sie bereits bei Festlegung der Nivellierungssätze als Höchstgrenze für die Umlagezahlungen Berücksichtigung finde. Ob das zutrifft, wird zu prüfen sein.

41

b) Zum anderen - und vor allem - behauptet der Beklagte, die Kumulation von Umlagepflichten habe für die Klägerin nur im Jahr 2009 zu einer derart hohen Belastung geführt. Die Erhebungsmethode habe in diesem Jahr zu einem überdurchschnittlich hohen Umlagebetrag geführt, dem jedoch im Folgejahr ein entsprechend niedrigerer Betrag gefolgt sei. Auch dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie wird nicht schon dann verletzt, wenn die Finanzausstattung einer Gemeinde nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minimum zurückbleibt; zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung. Der Kernbereich der Garantie ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.


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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2009.

2

Sie ist eine Ortsgemeinde mit 365 Einwohnern (Stand: 30. Juni 2008) und wurde für das Jahr 2009 zu einer Kreisumlage in Höhe von 305.151,00 € herangezogen. Da die Klägerin zu den Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft gehört, enthält die Umlage einen progressiven Anteil.

3

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin gegen den Umlagebescheid Klage erhoben. Die Umlage sei rechtswidrig, weil der Landkreis mit ihr auch Aufgaben der Wirtschafts- und Tourismusförderung finanziere, für die er nicht zuständig sei. Außerdem führe die Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zu Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen. Zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

4

Die Klägerin hat beantragt,

5

den Bescheid vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

6

Der Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte mit der Umlage keine Aufgaben finanziere, für die er nicht zuständig sei. Sowohl bei den Aktivitäten im Bereich des Fremdenverkehrs als auch bei der Wirtschaftsförderung handele es sich um überörtliche Angelegenheiten. Des Weiteren sei es auch nicht zu beanstanden, dass der Landkreis finanzstarke Gemeinden durch eine progressive Kreisumlage stärker belaste. Die Umlagebelastung der Klägerin verstoße auch nicht gegen das Gebot der kommunalen Rücksichtnahme.

9

Mit ihrer hiergegen eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die wahrgenommenen Aufgaben auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Tourismusförderung hätten keinen überörtlichen Charakter. Außerdem verletze der angegriffene Kreisumlagebescheid ihre verfassungsrechtlich garantierte Finanzhoheit, da unter Berücksichtigung der Kreisumlage, der Verbandsgemeindeumlage, der Finanzausgleichsumlage und der Gewerbesteuerumlage die Umlageanspannung über ihre Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen hinausgehe. Außerdem verstoße die progressive Staffelung der Kreisumlage gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung.

10

Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 28. April 2011 - 2 A 11423/10.OVG - zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die progressive Staffelung des Umlagesatzes verfassungsrechtlich zulässig sei. Denn die hohe Steuerkraft einzelner kreisangehöriger Gemeinden könne dazu führen, dass dem betroffenen Landkreis niedrigere oder gar keine Schlüsselzuweisungen gewährt würden. Deshalb sei es gerechtfertigt, überdurchschnittliche Steuerkraft durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen. Zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden könne die anteilige Abschöpfung überdurchschnittlicher Steuerkraft für sich genommen nicht führen.

11

Des Weiteren erweise sich die Kreisumlage nicht deshalb als verfassungswidrig, weil sie im Zusammenspiel mit anderen Umlageverpflichtungen zu einer weitgehenden Abschöpfung der gemeindlichen Finanzkraft führe. Denn der gesamte kommunale Bereich in Rheinland-Pfalz sei infolge der gestiegenen Aufgabenbefrachtung durch Bund und Land bei nur unzureichenden Zuwächsen auf der Einnahmenseite seit Jahren unterfinanziert. Bei dieser Ausgangslage könne es im Innenverhältnis der Landkreise zu ihren Gemeinden nur noch um eine vertretbare Teilung der Lasten und damit letztlich der Defizite gehen. Daher sei die Kreisumlage der Höhe nach erst dann nicht mehr hinnehmbar, wenn der Kreis mit ihr eigene Interessen willkürlich und rücksichtslos zu Lasten der Gemeinden verfolge. Hiervon könne nicht ausgegangen werden, weil nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte im Jahr 2009 mit einem erheblichen finanziellen Engpass habe kämpfen müssen. Soweit der Beklagte bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch Ausgaben für die Wirtschafts- und Fremdenverkehrsförderung berücksichtigt habe, handele es sich nicht um landkreisfremde Aufgaben.

12

Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die Berufungsentscheidung mit Urteil vom 30. Januar 2013 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass verfassungsrechtlicher Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kreisumlage Art. 28 Abs. 2, aber auch Art. 106 Abs. 5 bis 6 Grundgesetz - GG - seien. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleiste den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreis und Gemeinden habe der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Deshalb lasse sich für das vertikale Verhältnis innerhalb des kreiskommunalen Raums auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Bei der Erhebung der Kreisumlage müssten die demnach grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden ermittelt und in Rechnung gestellt und zudem der allgemeine Gleichheitssatz auch im horizontalen Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachtet werden. Für eine stärkere Heranziehung steuerstärkerer Gemeinden müsse deshalb ein sachlicher Grund vorliegen. Außerdem wäre es unzulässig, durch die Erhebung der Kreisumlage den Gemeinden die ihnen vom Grundgesetz zuerkannte Steuerkraft zur Gänze zu entziehen und dadurch die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit zu entwerten.

13

Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürften weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten werde. Insofern ziehe Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze. Die Gemeinden müssten danach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen könnten und darüber hinaus über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen. Dieser „Kernbereich“ erstrecke sich nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 GG auch auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung und sei ungeachtet der zusätzlichen Garantie des Art. 106 GG absolut geschützt.

14

Demnach sei der Kreis bei insoweit verfassungskonformer Auslegung der § 58 Abs. 4 Landkreisordnung - LKO -, § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz - LFAG - zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt werde, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsse, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

15

Hiervon ausgehend sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahrnehme, was zu einem entsprechend erhöhten Finanzbedarf führe. Hierbei handele es sich um Aufgaben kreisörtlicher Natur im Sinne des § 2 Abs. 1 LKO. Auch der progressive Umlagesatz werde den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Er sei sachlich gerechtfertigt, weil durch den erhöhten Umlagesatz Gemeinden verstärkt herangezogen würden, deren besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an den Kreis sei. Ausgehend von der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl sei es ausgeschlossen, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden völlig eingeebnet oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert werde.

16

Allerdings habe sich das Berufungsgericht nur unzureichend mit dem Einwand der Klägerin auseinandergesetzt, die Kreisumlage entziehe ihr im Zusammenwirken mit anderen Umlagen praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Insofern sei jedenfalls auch die Belastung der Klägerin durch die Verbandsgemeindeumlage zu berücksichtigen. Ob dies auch für die Gewerbesteuerumlage gelte, sei zu prüfen. Außerdem dürfe der „Kernbereich“ der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch dann nicht zugunsten des Kreises angetastet werden, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert sei. Hiervon ausgehend müsse das Oberverwaltungsgericht prüfen, ob die Kumulation von Umlagepflichten - ggfs. unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerumlage - dazu geführt habe, dass die Klägerin strukturell und auf Dauer außer Stande gewesen sei, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

17

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin nunmehr im Wesentlichen vor: Maßgeblich für die Bestimmung des Abschöpfungsgrades seien die kassenwirksamen tatsächlichen Finanzflüsse im Haushaltsjahr und nicht die der Ermittlung der Umlagebelastung zugrundeliegende verschobene Berechnungssystematik des Finanzausgleichsgesetzes. Hiervon ausgehend liege im streitgegenständlichen Jahr 2009 eine Überabschöpfung nach jeder Betrachtungsweise vor. Sie könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht durch den Verweis auf kumulierte Überschüsse in einem willkürlich gewählten Zehnjahreszeitraum gerechtfertigt werden. Außerdem sei der Kernbereich der Selbstverwaltung durch die Umlageerhebung verletzt. Selbst bei Berücksichtigung der Nivellierungshebesätze ergäben sich über zehn Jahre fiktive Einnahmen in Höhe von 664.231,72 €. Ihnen stünden allein pflichtige Ausgaben in Höhe von 656.681,74 € gegenüber. Mit dem dann verbleibenden Betrag von 7.659,98 €, d.h. 766,00 € pro Jahr, bestehe kein merklicher Selbstverwaltungsspielraum. Im Übrigen verstoße das Abstellen auf die Nivellierungssätze und damit die Verpflichtung der Gemeinde zur Anhebung der Hebesätze gegen das verfassungsrechtlich garantierte gemeindliche Hebesatzrecht. Niedrigere Realsteuersätze, die einer örtlich differenzierten Struktur- und Standortpolitik dienten, führten zu keinen Nachteilen des Kreises, weil die Umlage aufgrund der Nivellierungssätze bestimmt würde. Schließlich habe der Beklagte bei der Festsetzung des progressiven Kreisumlagesatzes sein Ermessen fehlerhaft gebraucht, weil die Umlagebelastung erdrosselnde Wirkung habe und zu einer Rangplatzumkehr im intergemeindlichen Vergleich führe.

18

Die Klägerin beantragt,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Zur Begründung trägt er vor, dass bei der Umlageberechnung keine Zeitkongruenz zwischen Umlagebelastung und tatsächlichen Steuereinnahmen eines Haushaltsjahres herzustellen sei. Die sich hieraus ergebende Wellenbewegung werde relativiert durch die Betrachtung eines längeren Zeitraums, der mit zehn Jahren ordnungsgemäß bemessen sei. Beim Vergleich der Umlagebelastung und der Steuereinnahmen sei die Gewerbesteuerumlage nicht zu berücksichtigen, da ihr Nivellierungssatz bereits abgesenkt sei und deshalb abgabenmindernd bei der Bemessung der Kreisumlage berücksichtigt werde. Bei Anhebung der örtlichen Hebesätze auf Nivellierungsniveau werde 2003 bis 2012 eine durchschnittliche Umlagebelastung von 49,3633 % der Steuerkraftmesszahl sowie der Schlüsselzuweisung B 2 erreicht. Dabei sei zweifelhaft, ob die Verbandsgemeindeumlage in vollem Umfange zu Buche schlage, da sie auch der Finanzierung von Aufgaben der Ortsgemeinden diene. Da die Gewerbesteuerumlage nicht zu berücksichtigen sei, bleibe die Umlagebelastung unter 100 %. Hinzu komme, dass die Klägerin im Jahre 2009 33.580 € für freiwillige Aufgaben aufgewandt habe. Zusätzlich sei in Rechnung zu stellen, dass die Klägerin ihre Einnahmemöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe. Schließlich werde die gemeindliche Steuerhoheit durch die Berechnung der Kreisumlage nicht eingeschränkt. Die Gemeinde habe lediglich die sich aus der Unterschreitung der Nivellierungssätze ergebenden Folgen bei der Umlageerhebung zu tragen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Ordner und 2 Hefte) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

25

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Kreisumlagebescheid der Beklagten vom 17. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 zu Recht abgewiesen, da die festgesetzte Umlage rechtmäßig ist und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt.

26

Der angefochtene Umlagebescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 4 der Landkreisordnung vom 31. Januar 1994 (GVBl. S. 188) - LKO - i.V.m. § 25 des Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 30. November 1999 (GVBl. S. 415) in der Fassung vom 12. Juni 2007 (GVBl. S. 80) - LFAG - und § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009. Danach erhebt der Beklagte im Jahr 2009 von allen kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisumlage aufgrund eines Eingangsumlagesatzes von 37,1 v.H. Für Gemeinden, welche eine über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegende Steuerkraftmesszahl aufweisen, steigt der Umlagesatz für je begonnene 10 v.H. der über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegenden Steuerkraftmesszahl um 7,5 v.H. bis zur Höchststufe von 145 v.H. Hiervon ausgehend begegnet der angefochtene Kreisumlagebescheid keinen rechtlichen Bedenken. Er ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - rechnerisch zutreffend ermittelt worden.

27

Darüber hinaus sind die genannten Bestimmungen der Landkreisordnung und des Landesfinanzausgleichgesetzes über die Kreisumlage auch insoweit verfassungsgemäß, als sie den Landkreisen eine progressive Staffelung des Umlagesatzes ermöglichen (I.). Die konkrete Ausgestaltung des Umlagesatzes verstößt nicht gegen Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz - GG - (II.). Des Weiteren hat der Beklagte bei der Bemessung seines der Kreisumlage zugrunde liegenden Finanzbedarfs keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt (III.). Schließlich greift der Einwand der Klägerin nicht durch, der angefochtene Umlagebescheid sei ermessensfehlerhaft (IV.).

I.

28

§ 25 Abs. 2 Nr. 2 LFAG, der die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubt, ist verfassungsgemäß.

29

1. Art. 49 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung und verpflichtet das Land, den Kommunen die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege eines Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Ein bestimmtes Verteilungssystem schreibt die Verfassung nicht vor. Vielmehr ist dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, welches seine Grenzen im Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot findet (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [396]). Der gleiche Maßstab ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG. Danach bedarf es für eine im horizontalen Vergleich stärkere Heranziehung umlagepflichtiger Gemeinden, wie sie durch eine progressive Ausgestaltung des Umlagesatzes bewirkt wird, eines sachlichen Grundes. Außerdem darf sie nicht soweit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn 15).

30

Nach diesen Maßstäben sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage nicht zu beanstanden. Dies gilt zunächst für die generelle Befugnis der Landkreise zur Erhebung einer jährlichen Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden. In der kommunalen Praxis ist die Kreisumlage mittlerweile die bedeutendste, der eigenständigen Ausschöpfung unterliegende Einnahmequelle der Kreise. Sie hat allgemeine Finanzierungsfunktion und dient darüber hinaus dem Ausgleich von Ungleichgewichten in der kommunalen Finanzkraft, die sich durch die Verteilung der Schlüsselzuweisung sowie aus einem unterschiedlichen Zentralisierungsgrad der Kreise ergeben können. Die Kreisumlage als solche erweist sich damit gleichsam als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems (vgl. hierzu VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [400 ff.]; OVG RP, Urteil vom 25. September 1985 - 2 C 48/84 - AS 20, 58 [67]).

31

Auch die in § 25 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LFAG vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung beruht auf sachlichen Gründen und fügt sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Danach kann die hohe Steuerkraft einzelner kreisangehöriger Gemeinden dazu führen, dass dem betroffenen Landkreis niedrigere oder gar keine Schlüsselzuweisungen B 2 gewährt werden. Der hieraus folgende höhere Umlagebedarf wäre bei einheitlicher Gestaltung des Umlagesatzes von allen kreisangehörigen Gemeinden gleichermaßen zu decken, was eine weitere Schwächung auch der ohnehin finanzschwachen Gemeinden zur Folge hätte. Vor diesem Hintergrund erscheint es vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräumt, überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen „verursachergerecht“ auszugleichen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 30; VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [405 f.]; OVG RP, Urteil vom 29. September 1987 - 7 A 94/86 - AS 21, 420 [422] zum sog. „Splitting“; VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 8. Februar 1999 - 1 K 577/98.NW - DVP 2000, 84 [86]).

32

2. Eine progressive Staffelung der Kreisumlagesätze im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LFAG führt auch nicht zu einem gänzlichen Entzug der Umlagegrundlage oder unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Veränderung der Steuerkraftreihenfolge unter den kreisangehörigen Gemeinden. Durch eine stufenweise Progression wird bestimmungsgemäß nur die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden anteilig abgeschöpft. Zu einem vollständigen Entzug der Umlagegrundlage und Nivellierung der Finanzkraft oder einer Rangplatzvertauschung kann es - hierdurch allein - schon systembedingt nicht kommen, weil der Grenzsatz bei 37,1x145=53,8 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 29, 31). Solche unerwünschten Wirkungen können allenfalls durch das Zusammenspiel einer progressiv gestaffelten Kreisumlage mit den weiteren Umlageverpflichtungen einer Gemeinde auftreten. Hierfür ergeben sich Anhaltspunkte aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 2014 vorgelegten Zahlen zur Finanzkraft je Einwohner ausgewählter Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Kyllburg vor und nach Abfluss sämtlicher Umlagen. Soweit sie auf eine bedenkliche Einebnung der Steuerkraftunterschiede und Veränderung der Steuerkraftreihenfolge hindeuten, mag dies wirtschaftspolitisch bedenklich sein (vgl. Littmann, in: Lüder, Schriftreihe der Hochschule Speyer, Bd. 122, S. 363 [373]). Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt diese Unschärfe die sachliche Berechtigung progressiver Umlagesätze im Gesamtsystem des Finanzausgleichs nicht in Frage (vgl. hierzu auch VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [402, 405 ff.]), was auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Danach ist der progressive Kreisumlagesatz am Maßstab des Gleichbehandlungssatzes alleiniger Prüfungsgegenstand, ohne dabei das Zusammenwirken mit anderen Umlagen in Betrachtung ziehen zu müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 29-31).

33

Hinzu kommt, dass eine Veränderung der Steuerkraftreihenfolge durch die Kreisumlage allenfalls bei der Anknüpfung an die absoluten Steuereinnahmen denkbar ist, nicht aber wenn diese ins Verhältnis zu der - im Falle der Klägerin niedrigen - Einwohnerzahl gesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 31). Insofern werden durch eine Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl aber gleichwohl hoher Steuereinnahmen zwar besonders hart getroffen. Die Bemessung der überschießenden Steuerkraft einer Gemeinde nach der Einwohnerzahl ist aber sachlich gerechtfertigt. Sie entspricht dem Einwohner gleich Einwohner-Prinzip, welches dem geltenden Finanzausgleichssystem zugrunde liegt und auf die grundsätzliche Gleichbehandlung des Finanzbedarfs aller kommunalen Gebietskörperschaften nach Einwohnern abzielt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 30. Januar 1998 - VGH N 2/97 - AS 26, 391 [397]).

II.

34

Des Weiteren verstößt die konkrete Ausgestaltung des Umlagesatzes nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG. Der Beklagte hat die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden dadurch in Rechnung gestellt, dass er nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (1.). Außerdem entzieht die Kreisumlage weder allein noch im Zusammenwirken mit anderen Umlagen der Klägerin die Umlagegrundlage (2.). Schließlich verstößt sie nicht gegen den in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung, weil die Klägerin ausgehend vom streitgegenständlichen Jahr 2009 durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen noch nicht auf Dauer strukturell unterfinanziert ist (3.).

35

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts garantiert Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Dabei lässt sich innerhalb des kreiskommunalen Raums weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, juris Rn. 13). Deshalb muss der Landkreis die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden bei der Festlegung des Umlagesatzes in Rechnung stellen und dabei nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenlegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen. Diesen Anforderungen wird der Beklagte dadurch gerecht, dass er bei seiner Haushaltsplanung von den Verbandsgemeindeverwaltungen unter Geltung des kameralen Haushaltsrechts Aufstellungen über die Steuerkraftmesszahlen, die Schlüsselzuweisungen, den Bestand der allgemeinen Rücklagen und der freien Finanzspitzen der Ortsgemeinden und der Verbandsgemeinden angefordert hat. Seit Einführung des doppischen Haushaltsrechts wird der allgemeine Finanzmittelbestand erfragt. Dies geschah und geschieht auch im Falle der Klägerin, was in der mündlichen Verhandlung von der Vertreterin der Verbandsgemeindeverwaltung bestätigt wurde. Mit diesen Informationen ist der Beklagte seiner Ermittlungspflicht ausreichend nachgekommen. Sie fließen in die Berechnung des Umlagesatzes und dadurch in den Haushaltsentwurf sowie die Haushaltssatzung ein, welche vom Kreistag beraten und beschlossen werden. Ohne dass es insoweit noch darauf ankommt, folgt eine umfassende Information der Beklagten über die Finanzsituation der kreisangehörigen Gemeinden auch aus der Vorlage der gemeindlichen Haushaltspläne, zu der die Kommunen gegenüber der Kommunalaufsicht verpflichtet sind. Schließlich sind die Kreistagsmitglieder häufig auch auf der Ebene der kreisangehörigen Gemeinden politisch tätig und haben auch von daher einen Überblick über die kommunale Finanzsituation.

36

2. Die Erhebung der Kreisumlage darf nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit (Ertragshoheit) entwertet wird. Deshalb wäre es mit Blick auf die den Gemeinden vom Grundgesetz zuerkannten Erträge aus der Gewerbesteuer und aus den Realsteuern (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und 2 GG) sowie der Einkommen- und der Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 5 und 5a GG) unzulässig, den Gemeinden durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen die Umlagegrundlagen praktisch zu Gänze zu entziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, juris Rn. 16). Dabei kommt es für die Beantwortung der Frage nach einer verfassungsrechtlich unzulässigen Abschöpfung der Umlagegrundlage nicht darauf an, ob der nach Umlageabfluss verbleibende Betrag zur Erfüllung nennenswerter gemeindlicher Aufgaben ausreicht. Die Wahrnehmung gemeindlicher Aufgaben im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang hängt nicht allein von der nach Umlageerhebung verbleibenden Steuerkraft, sondern von der „freien Finanzspitze“ der Gemeinde und damit auch von ihren sonstigen Einnahmen ab. Insofern ist entscheidend, ob sie über eine im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung verfügt (vgl. II. 3.).

37

Durch die im Jahre 2009 erfolgte Umlageerhebung ist der Klägerin die vom Landesfinanzausgleichsgesetz vorgegebene Umlagegrundlage, bestehend aus der Schlüsselzuweisung und der Steuerkraftmesszahl, nicht komplett entzogen worden. Vielmehr ist ihr ein Betrag von 25.932,00 € verblieben. Dabei musste die Gewerbesteuerumlage außer Betracht bleiben, da diese bereits bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl unberücksichtigt geblieben ist.

38

a) Bezugspunkt für die Ermittlung der Abschöpfungswirkung der von den kreisangehörigen Gemeinden erhobenen Umlagen ist die Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG. Danach sind Grundlage für die Berechnung der Kreisumlage - im Wesentlichen aber auch für die Verbandsgemeindeumlage - die Schlüsselzuweisungen und die Steuerkraftmesszahl nach § 13 LFAG. Die Steuerkraftmesszahl im Sinne des § 13 Abs. 1 LFAG wird gemäß § 13 Abs. 3 und 6 LFAG aufgrund des Ist-Aufkommens der jeweiligen Steuern in der Zeit vom 1. Oktober des vorvergangenen Jahres bis zum 30. September des vergangenen Jahres (Referenzzeitraum) ermittelt. Zudem werden die einzelnen Steuern mit den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 LFAG gewichtet, die im Falle der Klägerin bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer höher als die festgesetzten Hebesätze sind.

39

aa) Das Abstellen auf die Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG bei der Ermittlung des Abschöpfungsumfangs entspricht der Systematik des Landesfinanzausgleichsgesetzes. Da das Steueraufkommen des laufenden Jahres noch nicht bekannt sein kann, ergibt sich die Umlagehöhe eines Jahres nicht aus dem Steueraufkommen dieses Jahres, sondern aus dem des zeitlich vorgelagerten Referenzzeitraums. Hiervon ausgehend ist es folgerichtig, die Umlagegrundlage der Ermittlung der Abschöpfungswirkung zugrunde zulegen, aus der die maßgebliche Umlagehöhe folgt. Bei diesem Vergleich greifen nämlich die Umlagen auf das Steueraufkommen zu, welches die Festsetzung der Kreis- und Verbandsgemeindeumlage der Höhe nach bestimmt. Insofern besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Umlagebelastung, auch wenn die Umlage im Jahr ihrer kassenwirksamen Erhebung auf andere Ist-Einnahmen trifft als die, welche der Umlageberechnung zugrunde lagen.

40

Durch den Vergleich der Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den sich aus ihr ergebenden Umlagen wird auch der Nachteil vermieden, der eintritt, wenn die Umlagen eines Haushaltsjahres nicht in Bezug gesetzt werden zu dem nivellierten Steueraufkommen im Referenzzeitraum, sondern zu dem Steueraufkommen dieses Haushaltsjahres. Denn hierbei greifen die Umlagen auf Einnahmen zu, die in keiner Beziehung zu der Umlageermittlung stehen. Dies kann - wie im vorliegenden Fall die erheblichen jährlichen Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen und folglich den Salden aus Ist-Einnahmen und Umlagen zeigen - zu erheblichen Unterschieden bei der Abschöpfungswirkung von Umlagen führen, welche eine aussagekräftige Bewertung der Umlagebelastung verhindern. Solche Verzerrungen treten dann auf, wenn beispielsweise in einem Berechnungsjahr hohe Ist-Einnahmen angefallen sind, die Umlagebelastung aber wegen des niedrigen Steueraufkommens im Referenzzeitraum gering war. In diesem Fall ist der Abschöpfungsgrad niedrig. Im umgekehrten Fall, in dem die Ist-Einnahmen im Beurteilungsjahr gering sind, im Referenzjahr aber hoch waren, ist die Abschöpfung teilweise extrem stark, wie die den Beteiligten vorliegende Tabelle „Ist-Einnahmen abzüglich Umlagen“ zeigt.

41

bb) Außerdem verhindert das Abstellen auf nivellierte Steuereinnahmen, dass Gemeinden der Rechtmäßigkeit ihrer Umlagebelastung die aus geringen Hebesätzen resultierenden niedrigen Steuereinnahmen entgegenhalten können. Dies stellt entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen Eingriff in ihre Steuerhoheit dar, welche auch das Recht der Hebesatzfestsetzung umfasst. Denn die Klägerin wird nicht gezwungen, einen bestimmten (höheren) Hebesatz zu beschließen. Ihr bleibt es unbenommen, beispielsweise durch den Gewerbesteuerhebesatz die Ansiedlung von Gewerbebetrieben in ihrem Gemeindegebiet attraktiv zu machen. Der Klägerin ist lediglich der Einwand, ihre gesamte Umlagegrundlage werde durch die Umlageerhebungen verfassungswidrig aufgezehrt, insoweit abgeschnitten, als sie mit ihren Hebesätzen unterhalb der Nivellierungssätze bleibt. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich bei den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 LFAG um einheitliche und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehene Hebesätze handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 17), welche sich in etwa an den im Zeitpunkt der gesetzlichen Festlegung landesweiten Durchschnittssätzen orientieren.

42

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Festlegung eines Mindestsatzes von 200 v. H. für die Erhebung der Gewerbesteuer in § 16 Abs. 4 Gewerbesteuergesetz bejaht hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 und 2 BvR 2189/04 - juris). Die Bundeskompetenz folgt aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG, schließt aber kommunalrechtlich Landesregelungen nicht aus, aus denen sich Vorgaben für die Hebesatzfestsetzung ergeben. Denn Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG räumt den Gemeinden lediglich das Recht ein, die Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Deshalb müssen die Gemeinden auch bei der Festsetzung der Hebesätze ihrer gemäß § 93 Abs. 5 Gemeindeordnung - GemO - bestehenden Verpflichtung zur sparsamen und wirtschaftlich Haushaltsführung nachkommen. Hinzukommt die grundsätzliche Pflicht nach § 93 Abs. 4 GemO, den Haushalt jährlich auszugleichen. Dabei haben die Gemeinden gemäß § 94 Abs. 2 GemO die zur Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen aus speziellen Entgelten, im Übrigen aus Steuern zu erzielen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Gemeinden zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise ihre Kräfte größtmöglich anspannen, insbesondere ihre Einnahmenquellen angemessen ausschöpfen müssen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 - AS 41, 29 [58]). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zum Land, sondern auch im Verhältnis zum umlageerhebenden Landkreis. Im Übrigen schließt die von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete kommunale Finanzhoheit es sogar nicht aus, unter Umständen im Wege der staatlichen Kommunalaufsicht eine Senkung der Realsteuerhebesätze zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2012 - 8 C 43/09 - juris Rn. 27).

43

cc) Ist demnach die hier in Rede stehende Abschöpfungswirkung anhand eines Vergleichs der Umlagegrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den sich hieraus ergebenden Umlagen zu ermitteln, ist dabei die Verbandsgemeindeumlage in Ansatz zu bringen, obwohl sie der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris, Rn. 34). Etwas anderes gilt für die Gewerbesteuerumlage. Sie darf von der Umlagegrundlage nicht abgezogen werden, weil sie gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 LFAG bei der Ermittlung der Steuerkraftzahl der Gewerbesteuer durch Abzug des Vervielfältigers für die Gewerbesteuerumlage nach § 6 Gemeindefinanzierungsgesetz (2009: 64 v.H.) bereits herausgerechnet wurde. Anderenfalls würde die Gewerbesteuerumlage zweimal berücksichtigt.

44

dd) Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf die Umlagebelastung der Klägerin im Jahre 2009 an, ergibt sich als Umlagegrundlage bestehend aus der Schlüsselzuweisung (2.877,00 €) und der Steuerkraftmesszahl (667.912,00 €) ein Betrag von insgesamt 670.789,00 €. Ihr steht eine Belastung der Klägerin durch die Kreisumlage (305.151,00 €), die Verbandsgemeindeumlage (301.855,00 €) und die Finanzausgleichsumlage (37.851,00 €) von insgesamt 644.857,00 € gegenüber. Demnach verbleiben der Klägerin im Jahre 2009 von der Umlagegrundlage 25.932,00 €, so dass ihr diese und damit ihre Steuerkraft nicht gänzlich entzogen wurde. Daher war sie zur Erfüllung ihrer Umlageverpflichtung auch nicht zur Kreditaufnahme gezwungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 40).

45

b) Die Frage, ob der Klägerin durch die von ihr im Jahre 2009 zu zahlenden Umlagen die Umlagegrundlage gänzlich entzogen wurde, wäre auch zu verneinen, wenn die Umlagen von den Ist-Einnahmen abgezogen würden. Dabei wäre - wie bereits ausgeführt [vgl. II. 2 .a) bb)] - auf die Einnahmen abzustellen, welche bei Festsetzung der Nivellierungssätze des § 13 Abs. 2 LFAG hätten erzielt werden können, damit die Klägerin mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit der Umlagen keine ungerechtfertigten Vorteile aus der Festsetzung niedriger Hebesätze herleiten kann. Abzusetzen wäre bei dieser Betrachtungsweise auch die Gewerbesteuerumlage, da diese in den Ist-Gewerbesteuereinnahmen - anders als in der Steuerkraftmesszahl (vgl. § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 LFAG) - noch enthalten ist.

46

aa) Im Unterschied zu dem Vergleich der Umlagegrundlage im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 LFAG mit den erhobenen Umlagen [vgl. II. 2 a) aa)], für den das Bundesverwaltungsgericht keine „auf Dauer“ bezogenen Betrachtung verlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 16f) und bei dem wegen des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Einnahmen und darauf beruhenden Umlagen allein auf das streitentscheidende Jahr abgestellt werden kann, wäre bei der Gegenüberstellung der Ist-Einnahmen eines Haushaltsjahres und der in diesem Haushaltsjahr gezahlten Umlagen eine mehrjährige Betrachtung erforderlich. Dies beruht auf den bereits näher beschriebenen jährlichen Schwankungen der Gewerbesteuereinnahmen und folglich der Abschöpfungen, welche insbesondere darauf beruhen, dass die Umlagen auf Einnahmen zugreifen, die in keiner Beziehung zu der Umlageermittlung für das entsprechenden Haushaltsjahres stehen [vgl. II. 2 .a) aa)].

47

Ist demnach zur Vermeidung von Verzerrungen bei der Ermittlung der Abschöpfungswirkung von Umlagen bezogen auf die fiktiven Ist-Einnahmen eine mehrjährige Betrachtung der entsprechenden Salden geboten, erscheint insoweit ein Zehnjahreszeitraum als angemessen. Er ermöglicht eine ausgewogene Beurteilung der Gesamtentwicklung der Salden aus Einnahmen und Umlagen, welche die jährlichen Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen berücksichtigt. Insofern stellt der Senat auf die Jahre 2003 bis 2012 ab, für die gesicherte Zahlen vorliegen. Darüber hinaus ist dieser Zeitraum nicht willkürlich gewählt, sondern dem Umstand geschuldet, dass einerseits kürzere Zeiträume weniger aussagekräftig wären, andererseits Unterschiede in den einzelnen Haushaltsjahren durch die Betrachtung eines längeren Zeitraums zu stark relativiert würden. Außerdem findet der zugrunde gelegte Zehnjahreszeitraum eine Stütze in der Regelung der Gemeindehaushaltsverordnung – GemHVO - über den Haushaltsausgleich. Nach § 18 Abs. 4 GemHVO sind Jahresfehlbeträge mit den Jahresüberschüssen der fünf Haushaltsvorjahre zu verrechnen (Nr. 1). Verbleibende Jahresfehlbeträge sind innerhalb der folgenden fünf Haushaltsjahre auszugleichen (Nr. 2). Somit geht auch der Verordnungsgeber von einer Betrachtung der gemeindlichen Finanzsituation unter Berücksichtigung eines Zeitraumes von zehn Jahren aus.

48

bb) In den Jahren 2003 bis 2012 haben sich folgende Salden aus den fiktiven Ist-Einnahmen der Klägerin aus den Realsteuern bei Berücksichtigung der Nivellierungssätze, den Anteilen an dem Aufkommen der Umsatz- und Einkommensteuer, den Zahlungen aus dem Familienleistungsausgleich, den Schlüsselzuweisungen sowie den Erstattungen aus dem Fonds „Deutsche Einheit“, welche auf der Anrechnung der Gewerbesteuerumlageerhöhung im Sinne des § 6 Abs. 5 Gemeindefinanzreformgesetzes auf die Umlage zur Finanzierung des Fonds „Deutsche Einheit“ gemäß § 24 Abs. 4 LFAG beruhen (vgl. OVG RP Urteil vom 11. April 2008 - 2 A 10828/07.OVG -, juris Rn. 50ff),. abzüglich der Kreis- und Verbandsgemeindeumlagen, der FAG-Umlage und der Gewerbesteuerumlage ergeben:

49

HH-Jahr

Realsteuer-
Einnahmen
nach
Nivellierungssätzen

Umsatzsteuer

Einkommenssteuer

Familienleistungsausgleich

Schlüsselzuweisung

Erstattung
Fonds
Deutsch
Einheit

Fiktive
Ist-Einnahmen

2003   

387.287,06 €

20.256,80 €

83.524,34 €

7.386,24 €

890,00 €

1.354,00 €

500.698,44 €

2004   

411.244,80 €

20.128,97 €

79.653,54 €

8.821,35 €

1.556,00 €

6.012,00 €

527.416,66 €

2005   

501.730,77 €

20.429,35 €

82.456,81 €

7.018,31 €

1.843,00 €

3.455,00 €

616.933,24 €

2006   

450.716,86 €

21.594,95 €

89.013,22 €

8.068,42 €

3.331,00 €

6.121,00 €

578.845,45 €

2007   

692.969,20 €

23.767,44 €

96.659,55 €

9.350,16 €

1.528,00 €

5.530,00 €

829.804,35 €

2008   

590.591,79 €

25.272,52 €

113.712,73 €

10.793,35 €

1.609,00 €

7.026,00 €

749.005,39 €

2009   

506.059,36 €

28.243,12 €

100.955,03 €

10.358,91 €

2.877,00 €

6.493,00 €

654.986,42 €

2010   

386.374,15 €

29.127,65 €

99.561,41 €

11.165,63 €

3.062,00 €

4.301,00 €

533.591,84 €

2011   

522.985,46 €

31.287,63 €

109.155,13 €

11.861,98 €

3.721,00 €

3.622,00 €

682.633,20 €

2012   

454.956,93 €

31.449,57 €

108.666,69 €

11.457,86 €

4.522,00 €

4.065,00 €

615.118,05 €

                                                                       

Gesamt

4.904.916,38 €

251.558,00 €

963.358,45 €

96.282,21 €

24.939,00 €

47.979,00 €

6.289.033,04 €

50

HH-Jahr

Kreisumlage

VG-Umlage

FAG-Umlage

Gewerbesteuerumlage

Summe
Umlagen

Saldo fiktiver
Ist-Einnahmen/Umlagen

2003   

83.889,00 €

110.849,00 €

3.196,00 €

167.357,71 €

365.291,71 €

135.406,73 €

2004   

180.209,00 €

203.076,00 €

24.211,00 €

41.343,84 €

448.839,84 €

78.576,82 €

2005   

154.500,00 €

167.667,00 €

15.613,00 €

135.704,58 €

473.484,58 €

143.448,66 €

2006   

211.753,00 €

219.861,00 €

25.273,00 €

45.531,44 €

502.418,44 €

76.427,01 €

2007   

214.419,00 €

220.372,00 €

22.465,00 €

124.751,34 €

582.007,34 €

247.797,01 €

2008   

300.340,00 €

296.883,00 €

37.387,00 €

119.247,06 €

753.857,06 €

-4.851,67 €

2009   

305.151,00 €

301.855,00 €

37.851,00 €

78.839,68 €

723.696,68 €

-68.710,26 €

2010   

277.445,00 €

262.031,00 €

32.779,00 €

77.245,09 €

649.500,09 €

-115.908,25 €

2011   

212.453,00 €

210.334,00 €

21.275,00 €

71.672,29 €

515.734,29 €

166.898,91 €

2012   

247.553,00 €

235.872,00 €

22.206,00 €

104.340,29 €

609.971,29 €

5.146,76 €

                                                              

Gesamt

2.187.712,00 €

2.228.800,00 €

242.256,00 €

966.033,32 €

5.624.801,32 €

664.231,72 €

51

Bei der Bewertung dieser Zahlen, ergibt sich keine Überabschöpfung der nivellierten Ist-Einnahmen durch die Umlageerhebungen. Zwar ist die Belastung der Klägerin durch die Kreisumlage, Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage und Gewerbesteuerumlage im Jahr 2009 um 68.710,26 € höher als die fiktiven Ist-Einnahmen. Jedoch hat die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2007 nach Abfluss der Umlagen von den fiktiven Ist-Einnahmen Überschüsse zwischen 76.427,01 € (2006) und 247.797,01 € (2007) erzielt. Zwar waren die Umlagebelastungen in den drei darauffolgenden Jahren (2008 bis 2010) um 4.851,67 €, 68.710,26 € und 115.908,25 € höher als die fiktiven Ist-Einnahmen, jedoch wiesen die Salden zwischen Ist-Einnahmen und Umlagebelastungen in den Jahren 2011 und 2012 wieder positive Salden von 166.898,91 € beziehungsweise 5.146,76 € auf. Da somit die Umlagebelastung in diesen Jahren wiederum geringer als die fiktiven Ist-Einnahmen war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin durch die Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen die gesamten Steuereinnahmen auf Dauer entzogen werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis dadurch, dass über den hier maßgeblichen Zehnjahresraum der positive Saldo aus fiktiven Ist-Einnahmen und Umlagebelastung sich auf 664.231,72 €, also im Jahresdurchschnitt auf mehr als 66.000,00 € belief.

52

3. Des Weiteren verstößt die Erhebung der Kreisumlage durch den Beklagten nicht gegen den in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung der Klägerin, weil sie auch im Zusammenwirken mit anderen Umlagen noch nicht zu einer auf Dauer strukturellen Unterfinanzierung der Klägerin führt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen den Gemeinden mindestens so große Finanzmittel zustehen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine „freie Spitze“ verfügen, um zusätzliche freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber noch merklichen Umfang wahrzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 19). Diesen Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung haben die Landkreis auch im Verhältnis zu den kreisangehörigen Gemeinden und damit bei der Erhebung der Kreisumlage zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn. 13f).

53

a) Bei der Beantwortung der Frage, ob die Klägerin durch die Erhebung der Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen auf Dauer strukturell unterfinanziert ist, ist auf einen Zehnjahreszeitraum abzustellen. Im vorliegenden Fall sind die Jahre 2003 bis 2012 zugrunde zulegen. Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt [vgl. II. 2. b) aa)], handelt es sich hierbei um einen aussagekräftigen Zeitraum, der im Übrigen auch in § 18 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 GemHVO eine normative Bestätigung gefunden hat. Bei der Beurteilung ihrer Finanzsituation ist die Klägerin des Weiteren so zu behandeln, als habe sie die Realsteuern nach den Nivellierungssätzen des § 13 Abs. 2 LFAG erhoben. Dies stellt - wie ebenfalls bereits dargelegt – [vgl. II. 2 a) bb)] keinen Eingriff in die Steuerhoheit der Klägerin dar und ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Klägerin wird nicht die Festsetzung eines bestimmten Hebesatzes aufgegeben. Sie kann sich lediglich insoweit nicht auf einen Verstoß gegen den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung berufen, als sie die Realsteuern nach geringeren als den Nivellierungssätzen erhebt. Im Übrigen ist die Steuerhoheit nur im Rahmen der Gesetze verfassungsrechtlich gewährleistet. Deshalb ist die Klägerin gemäß § 94 Abs. 2 Nr. 2 GemO grundsätzlich verpflichtet, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen gegebenenfalls durch Steuern zu beschaffen, um so den in § 93 Abs. 4 GemO vorgeschriebenen Haushaltsausgleich zu erreichen.

54

b) Bewertet man die in den Jahren 2003 bis 2012 bei der Klägerin entstandenen „freien Finanzspitzen“, kann der Senat eine auf Dauer vorliegende strukturelle Unterfinanzierung und dadurch einen Verstoß gegen den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung noch nicht feststellen. Nach den von dem Beklagten nicht bestrittenen Angaben der Klägerin bestanden in den genannten Jahren folgende, zum Teil negative „freie Finanzspitzen“:

55

HH-Jahr

2003   

2004   

2005   

2006   

2007   

Freie
Finanzspitze“

73.881,90 €

16.563,17 €

76.727,16 €

14.544,14 €

162.226,29 €

Fiktive
Mehreinnahmen

24.481,99 €

25.994,36 €

32.637,23 €

28.464.03 €

43.635,01 €

56

HH-Jahr

2008   

2009   

2010   

2011   

2012   

Freie
Finanzspitze“

-95.228,09 €

-158.376,94 €

-209.050,48 €

81.191,39 €

-57.429,84 €

Fiktive
Mehreinnahmen

37.220,82 €

31.918,79 €

24.500,34 €

17.939,83 €

12.813,31 €

57

Aus diesen Zahlen folgt, dass die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2007 durchweg positive „freie Finanzspitzen“ erzielte, die allerdings in den einzelnen Jahre höchst unterschiedlich waren. Insofern war die Klägerin in diesen Jahren ohne weiteres in der Lage, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben ohne Kreditaufnahme wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu waren die „freien Finanzspitzen“ in den Jahren 2008 bis 2010 und 2012 in bedeutender Höhe negativ, 2011 allerdings wieder deutlich positiv. Über den hier maßgeblichen Zehnjahreszeitraum erzielte die Klägerin per Saldo eine negative „freie Finanzspitze“ von (-) 94.951,30 €. Dieser negative Saldo wäre aber vermieden worden, wenn die Klägerin in dem Beurteilungszeitraum 2003 bis 2012 die Realsteuern, insbesondere die Gewerbesteuern, welche sie aus durchaus verständlichen strukturpolitischen Gründen niedrig hält, mindestens aufgrund der Nivellierungssätze erhoben und dadurch rechnerisch Mehreinnahmen von insgesamt 279.605,71 € erzielte hätte. Selbst wenn man nur auf die fiktiven Mehreinnahmen in den Jahren 2008 bis 2012 abstellt, in denen wegen der ab 2008 auftretenden negativen „freien Finanzspitzen“ spätestens besonderer Handlungsbedarf bestand, wäre der negative Saldo aus den Jahren 2003 bis 2012 (- 94.951,30 €) durch Realsteuermehreinnahmen von 124.393,09 € mehr als ausgeglichen worden. Im Übrigen zeigt das Auftreten einer positiven „freien Finanzspitze“ im Jahre 2011 von immerhin 81.191,84 €, dass von einer auf Dauer strukturellen Unterfinanzierung der Klägerin aufgrund der Umlageerhebungen auch dann nicht ausgegangen werden kann, wenn lediglich die fünf Jahre von 2008 bis 2012 als Beurteilungszeitraum herangezogen werden.

58

Ist demnach unter Berücksichtigung fiktiver Mehreinnahmen bei einer Realsteuererhebung aufgrund der Nivellierungssätze nicht vom Fehlen einer positiven „freien Finanzspitze“ auf Dauer auszugehen, konnte der Senat die zwischen den Beteiligten höchst umstrittene Frage offenlassen, welche Finanzmittel die Klägerin in den maßgeblichen Jahren für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben aufgewandt hat. Entsprechendes gilt für die weitere, dem politischen Gestaltungsspielraum der Klägerin unterfallende und deshalb kaum justiziable Frage, ob Art und Umfang der in den „guten Jahren“ wahrgenommenen freien Selbstverwaltungsaufgaben nach der Verschlechterung der Finanzsituation der Klägerin noch angemessen waren.

III.

59

Die Beklagte konnte der Festsetzung des Hebesatzes für die Kreisumlage auch Mittelansätze zugrunde legen, welche sich aus der Wahrnehmung von Aufgaben der Wirtschafts- und Fremdenverkehrsförderung ergeben. Dieser Aufwand betrifft allesamt überörtliche Angelegenheiten, die der Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LKO wahrnehmen und über die Kreisumlage finanzieren durfte.

60

1. Der Beklagte ist der flächenmäßig größte und zugleich am dünnsten besiedelte Landkreis in Rheinland-Pfalz. Er hat rund 94.000 Einwohner und besteht aus 235, überwiegend sehr kleinen und wenig leistungsfähigen Gemeinden. Fünf seiner sieben Verbandsgemeinden haben unter 10.000 Einwohner. Vor diesem Hintergrund übersteigen die den beanstandeten Mittelansätzen zugrunde liegenden Aufgaben nach ihrem Zuschnitt und ihren Auswirkungen allesamt den örtlichen Bereich der betreffenden Gemeinden und fallen daher als überörtliche Angelegenheiten jedenfalls auch in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

61

2. a) Dies gilt namentlich für die Förderung des Flugplatzes Bitburg, bei dem es sich um einen ehemaligen amerikanischen Militärflughafen handelt, der im Jahre 1994 für die zivile Nutzung frei wurde. Er ist mit 500 ha das größte Konversionsobjekt im Gebiet des Beklagten. Der Flughafen selbst, der über eine 3.000 m lange Start- und Landebahn verfügt, wird von der Flugplatz Bitburg GmbH betrieben. Er sollte nach dem Stand im Jahre 2009 zum Werft-, Fracht- und Regionalflughafen ausgebaut werden. Ihm angegliedert ist ein Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrum mit etwa 160 Unternehmen, 1.500 Hotelbetten sowie Anlagen für Urlaub, Sport und Tagungen, welches Arbeitsplätze für rund 1.200 Beschäftigte bietet. In die Infrastruktur des Geländes wurden mehr als 30 Millionen € investiert. Dieses Vorhaben, das als einheitliches Konversionsprojekt auch im vorliegenden Zusammenhang nicht in seine Einzelteile aufgespalten werden kann, geht damit nach seinem sachlichen Zuschnitt und seinen Auswirkungen auf Wirtschaft und Verkehr offenkundig weit über eine Gemeinde wie die Stadt Bitburg mit ihren rund 13.000 Einwohnern hinaus.

62

b) Die Beteiligung des Beklagten an der Flughafen Bitburg GmbH verstößt auch nicht gegen § 57 LKO i.V.m. § 85 Abs. 1 Nr. 3 GemO, wonach ein Landkreis wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern darf, wenn der hiermit verfolgte öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Der Beklagte ist - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - im Rahmen seines Prognose- und Gestaltungsspielraums in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass sich der Flughafen Bitburg jedenfalls in der „Anschubphase“ ohne eine Beteiligung der öffentlichen Hand und namentliche des Landkreises nicht verwirklichen lassen wird. Private Investoren, die das Projekt auch ohne weitere Beteiligung der öffentlichen Hand hätten umsetzen können und wollen, standen offenbar nicht in ausreichender Zahl und Stärke bereit. Dies entspricht der Erfahrung mit anderen Vorhaben dieser Art.

63

3. Des Weiteren durften die von der Klägerin beanstandeten Ausgaben für die Fremdenverkehrsförderung der Bemessung des Finanzbedarfs des Beklagten zugrunde gelegt werden. Das erklärte Ziel des Beklagten ist es, den ländlich strukturierten Kreis als Freizeit- und Ferienregion, insbesondere für Natururlauber voranzubringen, auch wenn ein einheitliches Konzept der Fremdenverkehrsförderung bislang nicht entwickelt wurde. Zu diesem Zweck habe man sich über die Jahre hinweg immer wieder an sog. „Leuchtturmprojekten“ beteiligt, welche die Anziehungskraft des Gesamtkreises für Urlauber steigern sollten. Hiervon ausgehend und angesichts des kreispolitischen Gestaltungsspielraums bei der Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben sind die in Rede stehenden Maßnahmen der Fremdenverkehrsförderung nicht zu beanstanden.

64

a) Dies gilt jedenfalls für die Beteiligung des Beklagten an dem Lehrpark Teufelsschlucht, dem Gaytal-Park, dem Skigebiet Schwarzer Mann, dem Stausee Bitburg und dem Erholungsgebiet Irsental. Bei diesen Vorhaben handelt es sich um großflächige Naturparks bzw. naturnahe Sport- und Freizeitgebiete, die nach ihrem Zuschnitt und ihren Auswirkungen über das Gebiet und die Leistungskraft einzelner Gemeinden hinausgehen. Sie sind nach Art und Größe geeignet, die Anziehungskraft des Gesamtkreises als Freizeit- und Ferienregion zu steigern, was die Förderung durch den Beklagten rechtfertigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte die in Rede stehenden Vorhaben nicht in Gänze übernommen hat, sondern sich an ihnen - über Zweckverbände oder Unterstützungsleistungen - in Anlehnung an ihre überörtliche Bedeutung lediglich beteiligt.

65

b) Auch die Beteiligung am Zweckverband Kurcenter Prüm fällt als überörtliche Angelegenheit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LKO in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Zwar unterscheidet sich das Kurcenter vom Zuschnitt her nicht mehr wesentlich von einem durchschnittlichen gemeindlichem Hallenbad. Nach seinen Auswirkungen geht es in dem ländlich strukturierten Raum des Beklagten jedoch über den örtlichen Bereich sowohl der Stadt als auch der Verbandsgemeinde Prüm hinaus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht in allen Verbandsgemeinden des Kreises ein Hallenbad vorgehalten wird. Das Kurcenter Prüm dürfte daher in nicht unerheblichem Maße auch Einwohner und Urlauber aus den Nachbargemeinden anziehen. Gleichzeitig trägt es zur Attraktivität des Kreises als Freizeit- und Ferienregion insgesamt bei. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Kurcenter im Rahmen des Schulschwimmens durch mehrere vom Kreis getragene Schulen genutzt wird.

IV.

66

Schließlich greift der Einwand der Klägerin nicht durch, der angefochtene Umlagebescheid sei ermessensfehlerhaft. Gemäß § 58 Abs. 4 LKO erheben die Landkreise jährlich eine Kreisumlage, soweit ihre Finanzmittel den Finanzbedarf nicht decken. Das Gesetz macht den Kreisen die Erhebung der Kreisumlage demnach zur Pflicht. Dabei hängt die Rechtmäßigkeit der Höhe des Umlagesatzes davon ab, ob die Kreisumlage in den Kernbereich der gemeindlichen Finanzausstattung eingreift (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - BVerwG 8 C 1.12 -, juris Rn 25). Dies obliegt der gerichtlichen Überprüfung, ohne dass sich dabei Fragen der Ermessensausübung stellen.

67

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

68

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.

69

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

70

Beschluss

71

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 305.151,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz).

Tenor

§ 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 473) sind mit Artikel 57 Absatz 1 der Landesverfassung unvereinbar.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Rechtslage spätestens bis zum 31. Dezember 2020 durch eine Neuregelung zu beseitigen. Bis dahin bleiben die vorgenannten Bestimmungen weiter anwendbar.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen verschiedene Vorschriften des als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 (GVOBl S. 473) verkündeten Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG –; im Folgenden: FAG 2014). Nach Maßgabe dieses Gesetzes stellt das Land den Gemeinden, Kreisen und Ämtern im übergemeindlichen Finanzausgleich Finanzmittel zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmekraft zur Verfügung.

I.

2

1. In Schleswig-Holstein fallen den Gemeinden, Kreisen und Ämtern, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben entstehenden Ausgaben oder Aufwendungen und Auszahlungen zur Last (§ 1 Abs. 2 FAG 2014). Da deren hieraus resultierender Finanzbedarf nicht allein durch ihre Einbeziehung in das System der vertikalen Steuerertragsaufteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 bis 8 des Grundgesetzes (GG) gleichmäßig gedeckt werden kann, muss ihre Finanzkraft durch finanzielle Zuweisungen ergänzt werden. Die Gemeinden, Kreise und Ämter erhalten vor diesem Hintergrund vom Land Finanzzuweisungen zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen im Wege des kommunalen Finanzausgleichs. Insoweit regelt die Landesverfassung (LV):

Artikel 57

Kommunaler Finanzausgleich

(1) Um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen, stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird.

(2) Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.

Artikel 54

Kommunale Selbstverwaltung

(1) Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.

(2) Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die gleichen Rechte und Pflichten.

(3) Das Land sichert durch seine Aufsicht die Durchführung der Gesetze. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung können die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden.

3

2. Das zum Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde gemachte Gesetz zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 stellt eine Neukonzeption des kommunalen Finanzausgleichs dar. Im August 2012 begann insoweit ein umfangreicher Prozess zur grundlegenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, der maßgeblich im Beirat für den kommunalen Finanzausgleich (vgl. § 36 FAG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 7. März 2011, GVOBl S. 76; jetzt § 29 FAG 2014) sowie in einer unterhalb des Beirats gegründeten Arbeitsgruppe „Kommunaler Finanzausgleich“ stattfand und an dem Vertreterinnen und Vertreter des Innenministeriums, des Finanzministeriums, der kommunalen Landesverbände und – mit Gaststatus – des Landesrechnungshofs teilnahmen. Allein zwischen Ende August 2012 und Ende November 2013 fanden insgesamt 24 Sitzungen der Arbeitsgruppe und sieben Sitzungen des Beirats statt. Im Zuge der Vorbereitung des Reformprozesses holte das Innenministerium zudem ein Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein ein. Gegenstand des Gutachtens war die sachgerechte prozentuale Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Aufgabenträger

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 1).

Dieses Gutachten wurde im November 2013 hinsichtlich mehrerer im Beratungsprozess entstandener Fragestellungen erweitert

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, November 2013).

4

Im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 4. März 2014 heißt es dazu unter anderem:

A. Problem

Der kommunale Finanzausgleich bedarf einer gründlichen Überprüfung und Neuordnung. (…) Der kommunale Finanzausgleich ist (…) ein historisch gewachsenes System. Eingeführt 1955, wurde er 1970 grundlegend verändert und das Gesetz neu gefasst. Seitdem hat es unzählige weitere Änderungen gegeben. Typischerweise wird das Finanzausgleichsgesetz, das FAG 2014, jedes Jahr geändert. Viele der Anpassungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hatten kleinere Auswirkungen, manche auch sehr große. Immer aber wurden lediglich eine oder mehrere einzelne Stellschrauben des komplexen Regelwerks betrachtet und verändert. Offen blieb daher zuletzt, ob die Finanzausstattung der einzelnen Kommunen noch in geeigneter Weise der kommunalen Wirklichkeit folgte. Eine vertiefte Betrachtung war geboten, ob der kommunale Finanzausgleich insgesamt noch schlüssig und zeitgemäß ist. Dringend erforderlich war deshalb eine umfassende Gesamtschau. Zum Beispiel war zu untersuchen, ob das Verhältnis der Gemeindeaufgaben zu den Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte noch angemessen berücksichtigt wird. Auch die Maßstäbe für die Mittelverteilung innerhalb dieser großen Blöcke gehörten auf den Prüfstand. (…)

B. Lösung

Der kommunale Finanzausgleich wird gründlich, umfassend, sachgerecht und nach intensivem und langem Dialog mit der kommunalen Familie neu geordnet. Er wird transparent, effizient und besser erklär- und nachvollziehbar. Das bietet die Chance, bei vielen Kommunen eine höhere Akzeptanz zu finden. Die großen Städte wie auch der ländliche Raum mit seinen vielen kleineren Gemeinden werden gestärkt. (…) (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 2 ff.).

5

Der Gesetzentwurf wurde nach erster Lesung federführend dem Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend dem Finanzausschuss überwiesen. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gingen zahlreiche Stellungnahmen ein, es wurden schriftliche und mündliche Anhörungen durchgeführt, eine Vielzahl von Änderungsanträgen bearbeitet sowie ein Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung hinsichtlich der Teilschlüsselmassenbildung

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Aktualisierung der Teilschlüsselmassen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, Oktober 2014)

eingeholt. Durch nicht datierten Vermerk des Innenministeriums wurde zudem der Soziallastenfaktor nach § 9 Abs. 4 FAG 2014-Entwurf neu ermittelt

(https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/K/kommunales/nzen/Downloads​/FAG/​.?__blob=&v=1),

was letztlich ebenfalls Eingang in den Gesetzestext fand.

6

Die beiden Ausschüsse schlossen die Beratung in gemeinsamer Sitzung am 5. November 2014 ab und empfahlen dem Landtag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der aus der Drucksache 18/2399 ersichtlichen Fassung anzunehmen. Der Landtag nahm den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung in seiner Sitzung vom 13. November 2014 mit 35 zu 33 Stimmen an. Das Gesetz wurde am 10. Dezember 2014 ausgefertigt, im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Dezember 2014 veröffentlicht und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Zur Umsetzung des Gesetzes folgte für das Haushaltsjahr 2015 unter dem 22. Januar 2015 und für das Haushaltsjahr 2016 unter dem 18. Januar 2016 ein entsprechender Erlass des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten.

7

Im Rahmen des vorliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens hat die Landesregierung zuletzt ein Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln (FiFo) zur Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins vom 23. Mai 2016 eingeholt

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins, 23. Mai 2016).

8

3. Die für das Verfahren bedeutsamen Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes 2014 lauten in der Fassung vom 10. Dezember 2014 im Zusammenhang:

§ 3

Finanzausgleichsmasse

(1) Das Land stellt für die in § 4 bezeichneten Zuweisungen jährlich eine Finanzausgleichsmasse in Höhe von 17,83 % (Verbundsatz) der Verbundgrundlagen nach Absatz 2 zur Verfügung. Der Verbundsatz wird angepasst, wenn sich das Belastungsverhältnis zwischen dem Land einerseits und den Gemeinden, Kreisen und Ämtern andererseits wesentlich verändert. In den Jahren 2015 bis 2018 wird die Finanzausgleichsmasse für die Konsolidierungshilfen nach § 11 jährlich um 15 Millionen Euro erhöht. Zudem wird die Finanzausgleichsmasse um 11,5 Millionen Euro für die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4 erhöht.

(2) Die Verbundgrundlagen umfassen

1. das dem Land zustehende Aufkommen aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer (Artikel 106 Absatz 3 und Artikel 107 Absatz 1 des Grundgesetzes) unter Berücksichtigung der Zuweisungen des Landes nach § 25 Absatz 1 und § 26 Absatz 1,

2. das Aufkommen aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Biersteuer und der Rennwett- und Lotteriesteuern mit Ausnahme der Totalisatorsteuer (Landessteuern nach Artikel 106 Absatz 2 des Grundgesetzes),

3. den dem Land zustehenden Kompensationsbetrag für die Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund (Artikel 106b des Grundgesetzes),

4. die Einnahmen des Landes aus den Ergänzungszuweisungen des Bundes (Artikel 107 Absatz 2 Satz 3 des Grundgesetzes),

5. die Einnahmen des Landes aus den Zuweisungen im Länderfinanzausgleich (Artikel 107 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes).

Hat das Land im Länderfinanzausgleich Zahlungen zu leisten, ermäßigen sich die Verbundgrundlagen um diesen Betrag.

(3) Die Finanzausgleichsmasse wird für jedes Haushaltsjahr nach den Ansätzen im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Eine Änderung der Ansätze durch Nachtragshaushaltspläne wird für den Finanzausgleich des laufenden Haushaltsjahres nicht berücksichtigt.

(4) Ein Unterschied zwischen den Ansätzen im ursprünglichen Landeshaushaltsplan und den Ist-Einnahmen wird spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des nächsten Haushaltsjahres berücksichtigt, das dem Zeitpunkt der Feststellung der Ist-Einnahmen folgt. Bei einem Doppelhaushalt erfolgt die Berücksichtigung des Unterschiedes spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des übernächsten Haushaltsjahres.

§ 4

Verwendung der Finanzausgleichsmasse

(1) Die Finanzausgleichsmasse wird, soweit sie nicht für Zuweisungen nach Absatz 2 benötigt wird, verwendet für

1. Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft nach den §§ 5 bis 7 sowie eine Finanzzuweisung an die Gemeinde Helgoland nach § 8 mit einem Anteil von 35,11 %,

2. Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 mit einem Anteil von 49,33 %,

3. Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben nach § 10 mit einem Anteil von 15,56 %.

Die erste Regelüberprüfung der Aufteilung findet vor dem Finanzausgleichsjahr 2016 statt. Sie wird auf dem Referenzzeitraum der Jahre 2010 bis 2013 basieren. Die weiteren Regelüberprüfungen sollen spätestens alle vier Jahre stattfinden. Dabei wird der entsprechende Referenzzeitraum zugrunde gelegt.

(2) Aus der Finanzausgleichsmasse werden jährlich bereitgestellt für

1. die Konsolidierungshilfen nach § 11

60,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018,

2. die Fehlbetragszuweisungen nach § 12

30,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018 sowie

50,0 Millionen Euro ab dem Jahr 2019,

3. die Sonderbedarfszuweisungen nach § 13

5,0 Millionen Euro,

4. die Zuweisungen für Theater und Orchester nach § 14

37,809 Millionen Euro im Jahr 2015,

38,376 Millionen Euro im Jahr 2016,

38,952 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

39,536 Millionen Euro im Jahr 2018,

5. a) die Zuweisungen für Straßenbau nach § 15 Absätze 1 bis 3

24,0 Millionen Euro,

b) die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4

11,5 Millionen Euro,

6. die Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen nach § 16

5,353 Millionen Euro,

7. die Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens nach § 17

7,423 Millionen Euro im Jahr 2015,

7,534 Millionen Euro im Jahr 2016,

7,647 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

7,762 Millionen Euro im Jahr 2018,

8. die Zuweisungen zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen nach § 18

70,0 Millionen Euro

(Vorwegabzüge). Werden für Vorwegabzüge bereitgestellte Mittel nicht benötigt, sind sie im Folgejahr den Mitteln nach Absatz 1 zuzuführen, sofern im Einzelfall nichts Abweichendes bestimmt wird.

§ 5

Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden

zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft

(1) Jede Gemeinde erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft (Gemeindeschlüsselzuweisung), wenn ihre Steuerkraftmesszahl (§ 7) hinter ihrer Ausgangsmesszahl (§ 6) zurückbleibt.

(2) Die Gemeindeschlüsselzuweisung beträgt 70 % der Differenz zwischen Ausgangsmesszahl und Steuerkraftmesszahl (Schlüsselzahl).

(3) Erreicht die Summe aus .Gemeindeschlüsselzuweisung und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 80 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um den Differenzbetrag erhöht (Mindestgarantie). Erreicht die Summe aus Gemeindeschlüsselzuweisung, Erhöhung auf die Mindestgarantie und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 85 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um 70 % des Differenzbetrages erhöht.

(4) Eine Gemeinde,

1. in die eine oder mehrere Gemeinden eingegliedert werden (Eingemeindung),

2. die durch Zusammenschluss mehrerer Gemeinden entsteht (Vereinigung) oder

3. in die Teile einer aufgeteilten Gemeinde eingehen (Auflösung),

erhält in den drei Finanzausgleichsjahren nach der Gebietsänderung abweichend von Absatz 1 und 2 eine Gemeindeschlüsselzuweisung in Höhe der Summe der Gemeindeschlüsselzuweisungen, die die beteiligten Gemeinden bei getrennter Betrachtung auf Basis der Steuerkraftmesszahlen und der Einwohnerzahlen (§30) im Jahr der Gebietsänderung erhalten hätten, sofern dies für die neugebildete Gemeinde im jeweiligen Finanzausgleichsjahr günstiger ist. Im Falle einer Auflösung wird die Steuerkraftmesszahl der aufgeteilten Gemeinde anteilig nach der übergegangenen Einwohnerzahl zum Zeitpunkt der Gebietsänderung berücksichtigt. Erfolgt die Gebietsänderung zum 1. Januar eines Jahres, gilt die Regelung nach Satz 1 für das Finanzausgleichsjahr der Änderung und die beiden folgenden Finanzausgleichsjahre.

§ 7

Ermittlung der Steuerkraftmesszahl

(1) Die Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde wird ermittelt, indem die Steuerkraftzahlen der Grundsteuern, der Gewerbesteuer, des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer, des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 zusammengezählt werden.

(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt

1. bei der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie bei der Grundsteuer von den Grundstücken die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Grundsteuer von den Grundstücken, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 260 %,

2. bei der Gewerbesteuer die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Gewerbesteuer, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 310 %, vermindert um den für die Ermittlung der Gewerbesteuerumlage maßgeblichen Prozentsatz, der im vorvergangenen Jahr Anwendung gefunden hat,

3. bei dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

4. bei dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

5. bei der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 der Zuweisungsbetrag für den Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres.

Der Faktor, der sich aus der anteiligen Berücksichtigung des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes nach Satz 1 Nummer 1 und 2 ergibt, wird auf einen vollen Prozentsatz abgerundet.

(3) Als Messbeträge werden die Messbeträge der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die Messbeträge der Grundsteuer von den Grundstücken und die Messbeträge der Gewerbesteuer angesetzt, die sich ergeben, wenn das Ist-Aufkommen dieser Steuern im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres durch den Hebesatz des vergangenen Jahres für diese Steuern geteilt wird.

(4) Lassen sich Messbeträge nach Absatz 3 für eine Steuer nicht feststellen, weil eine Gemeinde sie nicht erhoben hat, kann das für Inneres zuständige Ministerium die Steuerkraftzahl festsetzen. Sie ist für jede Steuer nach dem Landesdurchschnitt je Einwohnerin oder Einwohner der kreisangehörigen Gemeinden im vergangenen Finanzausgleichsjahr zu bemessen.

(5) Werden in einer Verbandssatzung oder in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach den §§ 5 und 18 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Februar 2013 (GVOBl. Schl.-H. S. 72), Bestimmungen über die Aufteilung des Grundsteueraufkommens oder des Gewerbesteueraufkommens getroffen, können diese bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl berücksichtigt werden, wenn sie mindestens für die Dauer von fünf Jahren gelten.

§ 9

Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte

zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten

(1) Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten, wenn die Umlagekraftmesszahl nach Absatz 3 vermindert um die Soziallastenmesszahl nach Absatz 4 (integrierte Messzahl) hinter der Ausgangsmesszahl nach Absatz 2 zurückbleibt. Die Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten beträgt 85 % der Differenz zwischen der Ausgangsmesszahl und der integrierten Messzahl (Schlüsselzahl).

(2) Die Ausgangsmesszahl wird ermittelt, indem die Einwohnerzahl der Gemeinden des Kreises oder der kreisfreien Stadt (§ 30) mit einem einheitlichen Grundbetrag vervielfältigt wird. Dieser für die Kreise und kreisfreien Städte einheitliche Grundbetrag ist durch das für Inneres zuständige Ministerium jährlich so festzusetzen, dass der Betrag nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für Schlüsselzuweisungen verwendet wird.

(3) Die Umlagekraftmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Umlagegrundlagen mit dem gewogenen Durchschnitt der Umlagesätze für die Kreisumlage (§ 31 Absatz 3) des vorvergangenen Jahres vervielfältigt werden. Die Umlagegrundlagen des Kreises ergeben sich aus der Summe der für die kreisangehörigen Gemeinden ermittelten Steuerkraftmesszahlen (§ 7) zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisungen (§ 5) und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage (§ 21). Die Umlagegrundlagen der kreisfreien Stadt ergeben sich aus ihrer Steuerkraftmesszahl zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisung und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage.

(4) Die Soziallastenmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Anzahl der Personen, die im Durchschnitt des vorvergangenen Jahres im Gebiet des Kreises oder der kreisfreien Stadt in Bedarfsgemeinschaften nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches lebten (§ 31 Absatz 4), mit 3.411 Euro vervielfältigt wird.

§ 10

Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte

zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben

(1) Zentrale Orte erhalten Schlüsselzuweisungen für die Wahrnehmung von Aufgaben für die Einwohnerinnen und Einwohner ihres Verflechtungsbereichs. Übergemeindliche Aufgaben sind in den Zentralen Orten zu erfüllen.

(2) Zentrale Orte im Sinne dieses Gesetzes sind die Gemeinden, die durch die Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) als Zentrale Orte und Stadtrandkerne, soweit letztere nicht Ortsteil eines Zentralen Ortes sind, festgelegt sind. Maßgebend für die Zahlung der Zuweisungen an die Zentralen Orte sind die Verhältnisse am 1. Januar des Finanzausgleichsjahres.

(3) Von den nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bereitgestellten Mitteln werden verwendet für Zuweisungen an

1. die Oberzentren 56,3 %

2. die anderen Zentralen Orte 43,7 %.

(4) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 1 werden auf die Oberzentren im Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen (§ 30 Absatz 1) aufgeteilt.

(5) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 2 werden so auf die anderen Zentralen Orte verteilt, dass die Zuweisung für

1. ein Mittelzentrum im Verdichtungsraum und ein Unterzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 60,0 %,

2. ein Unterzentrum und einen Stadtrandkern I. Ordnung mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 30,0 %,

3. einen ländlichen Zentralort und einen Stadtrandkern I. Ordnung 15,0 %,

4. einen Stadtrandkern II. Ordnung 7,5 %

der Zuweisung für ein Mittelzentrum beträgt, das nicht im Verdichtungsraum liegt.

(6) Sind Gemeinden nach der Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) gemeinsam als Zentraler Ort oder Stadtrandkern eingestuft, wird die Zuweisung auf die Gemeinden aufgeteilt. Gehören die Gemeinden einem Kreis an und unterliegen der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats, entscheidet diese oder dieser über die Aufteilung der Zuweisung. In allen anderen Fällen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium.

(7) Gemeinsame Zentrale Orte oder Stadtrandkerne nach Absatz 6 erhalten nach erfolgter gemeinsamer Einstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die den beteiligten Gemeinden ohne gemeinsame Einstufung zugestanden hätte. Absatz 6 gilt entsprechend.

(8) Zentrale Orte und Stadtrandkerne nach Absatz 2 oder 6 erhalten nach erfolgter Abstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die der Gemeinde oder den beteiligten Gemeinden ohne Abstufung zugestanden hätte. Dies gilt entsprechend

1. für den Wegfall von Einstufungen,

2. bei einer Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde (Eingemeindung),

3. bei einem Zusammenschluss einer oder mehrerer Gemeinden zu einer neuen Gemeinde (Vereinigung).

In den Fällen von Nummer 2 und 3 erhält der jeweilige Rechtsnachfolger die Zuweisung.

9

4. Bereits vor Eingang der verfahrensgegenständlichen kommunalen Verfassungsbeschwerde am 2. Dezember 2015 wurde durch das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 vom 17. Juni 2015 (GVOBl S. 163) § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG für das Jahr 2015 dahingehend modifiziert, dass bei den Verbundgrundlagen auch die vom Bund zur Entlastung von Ländern und Kommunen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bereit gestellten Mittel zu berücksichtigen sind.

10

Eine weitere Änderung erfuhr das Gesetz durch das Haushaltsbegleitgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 500), mit dem die Finanzausgleichsmasse um Einzelbeträge für die Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen erhöht (§ 3 Abs. 1 Satz 5 FAG 2014), die zunächst nur für 2015 erfolgte Modifizierung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG 2014 endgültig in das Finanzausgleichsgesetz übernommen sowie § 4 FAG 2014 in mehrfacher Hinsicht abgeändert wurden. Alle vorgenannten Änderungen wurden von den Beschwerdeführern nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

11

5. Das Finanzausgleichsystem des FAG 2014 besteht im Grundsatz aus drei zentralen Elementen: die Bestimmung des insgesamt aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellten Betrages, das heißt der sogenannten Finanzausgleichsmasse, in § 3 FAG 2014 (sogenanntevertikale Dimension des Finanzausgleichs), die nicht zweckgebundene Verteilung eines Großteils der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Körperschaften über § 4 Abs. 1, §§ 5 bis 10 FAG 2014 (sogenanntehorizontale Dimension) sowie die zweckgebundene Verteilung eines geringeren Betrages nach § 4 Abs. 2, §§ 11 ff. FAG 2014 (sogenannte paternalistische Dimension).

12

a) § 3 FAG 2014 steuert denvertikalen Finanzausgleich über die Bildung der Finanzausgleichsmasse. Die Effektivität des kommunalen Finanzkraftausgleichs wird vor allem durch die Höhe der als Verteilungsmasse insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse bestimmt, da ein hohes Finanzausgleichsvolumen insgesamt gesehen zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung führt. Die Höhe der Finanzausgleichsmasse ist dabei determiniert durch die in § 3 Abs. 2 FAG 2014 vorgegebenen Verbundgrundlagen und den in § 3 Abs. 1 FAG 2014 vorgegebenen Verbundsatz von 17,83 %. Nach § 3 Abs. 3 FAG 2014 wird die Finanzausgleichsmasse für jedes Haushaltsjahr im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Mit Haushaltsgesetz 2015 vom 11. Dezember 2014 (GVOBl S. 440) hat der Landtag die Finanzausgleichsmasse im Rahmen des Haushalts des Landes für das Haushaltsjahr 2015 auf 1.526.587.900 Euro festgesetzt sowie mit Haushaltsgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 474) für das Jahr 2016 auf 1.505.620.800 Euro.

13

b) § 4 FAG 2014 definiert in seinem Absatz 2 die für diepaternalistische Dimension des Finanzausgleichs zur Verfügung stehenden Teilbeträge und steuert in seinem Absatz 1 zentral die Binnenaufteilung der Finanzausgleichsmasse im horizontalen Finanzausgleich.

14

Dabei wird in § 4 Abs. 2 FAG 2014 festgelegt, welche absoluten Beträge jährlich zweckgebunden für Konsolidierungshilfen, Fehlbetragszuweisungen, Theater und Orchester, Straßenbau und Infrastrukturlasten, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, für die Förderung des Büchereiwesens sowie für Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen zu verwenden sind. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 erfolgt nach §§ 11 ff. FAG 2014. Diese Vorwegabzüge – die im Jahr 2015 ungefähr 10 % der Finanzausgleichsmasse ausmachten – werden von der Finanzausgleichsmasse subtrahiert. Nur die verbleibende Differenz wird sodann zweckungebunden auf die kommunalen Körperschaften verteilt.

15

Für die Verteilung der nicht nach Absatz 2 verteilten Mittel werden gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 drei sogenannte Teilschlüsselmassen gebildet. Nach der hier verfahrensgegenständlichen Fassung des Finanzausgleichsgesetzes wurden 35,11 % als „Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft“ (Nr. 1), 49,33 % als „Schlüsselzuweisung an die Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten“ (Nr. 2) und 15,56 % als Schlüsselzuweisung „an die zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben“ (Nr. 3) verteilt. Das Gesetz folgt dabei dem sogenannten „Zwei-Ebenen-Modell“, nach dem keine spezifischen Teilschlüsselmassen für Körperschaften, sondern für Aufgabenträger gebildet werden. In der Konsequenz erhalten insbesondere kreisfreie Städte Zuweisungen aus allen drei genannten Teilschlüsselmassen, da sie sowohl Gemeindeaufgaben als auch Kreisaufgaben sowie zentralörtliche Aufgaben wahrnehmen.

16

Nach Abzug der Zweckzuweisungen gemäß § 4 Abs. 2 FAG 2014 verblieben im Jahr 2015 für zweckungebundene Schlüsselzuweisungen 1.275.502,90 Euro, welche entsprechend den Schlüsselzuweisungssätzen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 für Gemeinden in Höhe von 447.829.100 Euro, für Kreise und kreisfreie Städte in Höhe von 629.205.600 Euro und für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 198.468.200 Euro eingeplant wurden.

17

c) Ob und in welcher Höhe individuelle Gemeinden, Kreise oder kreisfreie Städte Schlüsselzuweisungen aus den derart festgestellten Teilschlüsselmassen erhalten, ergibt sich für Gebietskörperschaften mit Gemeindeaufgaben aus §§ 5 bis 8 FAG 2014, für Gebietskörperschaften mit Kreisaufgaben aus § 9 i.V.m. § 7 FAG 2014 und für Gebietskörperschaften mit zentralörtlichen Funktionen aus § 10 FAG 2014. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 richtet sich nach §§ 11 ff. FAG 2014.

18

aa) Die Zuteilung von Schlüsselzuweisungen aus der Teilmasse für Kreisaufgaben wird nach § 9 FAG 2014 anhand von mehreren Messzahlen ermittelt: der Umlagekraftmesszahl, der aus den Parametern Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und Vervielfältigungsfaktor 3.411 Euro zusammengesetzten Soziallastenmesszahl, der aus den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag zusammengesetzten Ausgangsmesszahl sowie ergänzend dem Erstattungsschlüssel in Höhe von 85 %. In einer rechnerischen Formel lässt sich der dem Gesetz zu entnehmende Mechanismus wie folgt darstellen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl – = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

19

Der Umlagekraftmesszahl kommt dabei die Aufgabe zu, die Ertragskraft der jeweils betroffenen Körperschaften abzubilden. Sie ergibt sich für die kreisfreien Städte maßgeblich aus deren jeweiligen Steuerkraftmesszahlen (§ 9 Abs. 3 Satz 3 FAG 2014), für die Kreise aus dem Produkt von Umlagegrundlagen und durchschnittlichen Umlagesätzen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 FAG 2014). Die Umlagegrundlagen ergeben sich wiederum maßgeblich aus den Steuerkraftmesszahlen der kreisangehörigen Gemeinden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 FAG 2014). Um insoweit zu verhindern, dass Gemeinden bewusst einen niedrigen und damit in der regionalen Konkurrenz niederlassungsfördernden Grund- beziehungsweise Gewerbesteuerhebesatz festlegen und die Steuereinbußen über den Kommunalfinanzausgleich kompensieren, wird bei der Festlegung der Steuerkraftzahlen jedoch nicht auf die jeweils tatsächlichen Steuereinnahmen abgestellt, sondern auf den in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Einzelnen definierten durchschnittlichen Hebesatz. Grundlage für die Bemessung der Schlüsselzuweisung ist damit nicht das tatsächliche Steueraufkommen, sondern ein fiktives Steuerausschöpfungspotential („Hebesatzanspannungs-potential“). Datengrundlage bei der Ermittlung dieses Durchschnitts sind die für den kreisangehörigen Bereich landesweit ermittelten Hebesätze des Vorjahres.

20

Der Soziallastenmesszahl kommt die Aufgabe zu, die Belastung der jeweiligen Körperschaft mit soziallastenbedingten Kosten abzubilden. § 9 Abs. 4 FAG 2014 definiert die Soziallastenmesszahl insoweit als Multiplikation der Zahl der in Bedarfsgemeinschaften von Grundsicherung für Arbeitsuchende lebenden Personen im Kreis-/ Stadtgebiet mit einem festgeschriebenen Betrag von 3.411 Euro (im Folgenden: Vervielfältigungsfaktor). Der Vervielfältigungsfaktor wurde aus dem Quotienten der durchschnittlichen Zuschussbedarfe für Soziallasten in den Jahren 2009 bis 2012 in den kommunalen Haushalten (778.051.902 Euro) und der durchschnittlichen Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften im selben Betrachtungszeitraum (228.121,23) errechnet (vgl. ministerieller Vermerk, oben 2., Rn. 6).

21

Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit einem Grundbetrag. Dieser wird jährlich neu festgesetzt, und zwar so, dass die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben insgesamt stets vollständig ausgeschöpft und an die Zuweisungsempfänger verteilt wird. Die Höhe des Grundbetrages ist damit keine selbständige Größe, sondern wie in einem System kommunizierender Röhren abhängig von den übrigen Parametern. Ist beispielsweise die Teilschlüsselmasse schlecht dotiert, reduziert sich entsprechend der Grundbetrag. Ist die Teilschlüsselmasse hingegen gut dotiert, erhöht sich der Grundbetrag.

22

bb) Die Verteilung der Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben erfolgt nach einem ähnlichen Mechanismus, welcher sich aus §§ 5 ff. FAG 2014 ergibt. Auch hier wird die bereits genannte Steuerkraftmesszahl nach § 7 FAG 2014 einer Ausgangsmesszahl (§ 6 FAG 2014) gegenübergestellt. Die Höhe der jeweiligen Zuweisung beträgt dann im Grundsatz 70 % des Differenzbetrages (§ 5 Abs. 2 FAG 2014). Im Unterschied zum Regelungsansatz für Kreisaufgaben existieren hier neben der Steuerkraftmesszahl und der in die Ausgangsmesszahl integrierten Einwohnerzahl keine weiteren Parameter, insbesondere kein Ansatz für Soziallasten.

II.

23

Mit ihrer am 2. Dezember 2015 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV, des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots (Art. 54 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG) sowie des Anspruchs auf angemessene Finanzausstattung aus Art. 57 LV beziehungsweise auf die Gewährleistung einer Mindestfinanzausstattung aus Art. 57 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 und 2 LV. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen Folgendes aus:

24

1. Die erhobene kommunale Verfassungsbeschwerde sei nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 47 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) zulässig. Insbesondere seien sie beschwerdebefugt. Soweit sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf Mindestausstattung rügten, müssten sie hierfür keine Einzelheiten zu ihrer Haushaltslage oder zu Beschränkungen bei der Aufgabenerfüllung darlegen, zumal sie substantiell grundsätzliche Ausstattungs- und Verteilungsmängel geltend machten. Lediglich hilfsweise wiesen sie darauf hin, dass sich durch die angegriffenen Regelungen ihre strukturelle Haushaltslage erheblich verschlechtere. Auf Basis der im Regierungsentwurf verwerteten Daten des Finanzausgleichs 2014 ergäben sich für sie im Vergleich zu der Rechtslage vor der angegriffenen Reform Gesamtverluste an Schlüsselzuweisungen in Höhe von rund 7,2 Millionen Euro (Nordfriesland), rund 5,2 Millionen Euro (Ostholstein) und rund 5,3 Millionen Euro (Schleswig-Flensburg). Hinzu kämen weitere Verluste an Schlüsselzuweisungen in teilweise zweistelliger Millionenhöhe durch verschiedene Fehler im angegriffenen Gesetz. Auch tatsächlich habe sich das strukturelle Ergebnis bei ihnen für das Haushaltsjahr 2015 im Vergleich zum Haushaltsjahr 2014 erheblich verschlechtert. Die Kreise Ostholstein und Schleswig-Flensburg seien zudem Konsolidierungskreise. Weitere Einsparmöglichkeiten bestünden nicht. Für Nordfriesland habe das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten im Haushaltserlass vom 12. Mai 2015 festgehalten, dass dessen dauernde Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Nordfriesland habe sich ein eigenes Konsolidierungsprogramm gegeben.

25

In Folge der angegriffenen Reform des kommunalen Finanzausgleichs seien die Beschwerdeführer nicht mehr aufgabenangemessen ausgestattet. Vergliche man die reformbedingten Verluste an Schlüsselzuweisungen mit den Salden der Beschwerdeführer aus laufender Verwaltungstätigkeit in den Jahren 2010 bis 2014 (Nordfriesland: zwischen rund -5,6 Millionen Euro und rund 1,2 Millionen Euro; Ostholstein: zwischen rund -5,3 Millionen Euro und rund 8,4 Millionen Euro; Schleswig-Flensburg: zwischen rund -1,3 Millionen Euro und rund 12,1 Millionen Euro) zeige sich unmittelbar, dass durch die verringerten Schlüsselzuweisungen die Spielräume zur Wahrnehmung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben beseitigt beziehungsweise stark reduziert würden. Dabei sei der Anteil der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben am Haushaltsvolumen insgesamt bereits vor der Reform in den Jahren 2010 bis 2014 gering gewesen (Nordfriesland: zwischen 2,11 und 2,39 %, Ostholstein: zwischen 0,5 und 1,0 %; Schleswig-Flensburg: zwischen 0,54 und 1,16 %). Die aufgrund der Reform eintretenden finanziellen Verluste seien deutlich höher als die Beträge, die sie insgesamt für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben aufgebracht hätten. Ohnehin könne aber bei einer Quote von unter 1 % freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben am gesamten Aufgabenportfolio materiell nicht mehr von der Wahrnehmung kommunaler Selbstverwaltung gesprochen werden. In der Literatur würden 5 bis 10 % als notwendiges Selbstverwaltungsvolumen diskutiert.

26

Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot meinen die Beschwerdeführer, durch die nachfolgenden Ausführungen sei hinreichend dargestellt, dass sie durch § 9 Abs. 1 FAG 2014 sowie durch die § 9 i.V.m. § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Vergleich zu den kreisfreien Städten gleichheitswidrig behandelt würden und dass die Ungleichbehandlung willkürlich erfolge. Darüberhinausgehende Darlegungen seien nicht erforderlich.

27

2. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet.

28

a) Aus Art. 54 Abs.1 und 2 LV in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 LV folge ein gegen das Land gerichteter Anspruch der Kommunen auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, deren Kern in einer unantastbaren und nicht unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes stehenden Mindestfinanzausstattung bestehe. Mit der Mindestfinanzausstattung sei gemeint, dass die Kommunen einen finanziellen Spielraum haben müssten, um neben den pflichtigen „Fremd- und Selbstverwaltungsaufgaben“ noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können. Ob eine Verletzung des Mindestausstattungsanspruches vorliege, sei im Wege wertender Betrachtung im Einzelfall zu ermitteln.

29

Daneben müssten dem Land und den Kommunen die jeweils verfügbaren Finanzmittel gleichermaßen aufgabengerecht zukommen. Nur dieses sogenannte Gebot der vertikalen Verteilungssymmetrie stehe unter dem Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Landes. Zudem müsse der Gesetzgeber bei der (horizontalen) Verteilung der Finanzmittel das interkommunale Gleichbehandlungsgebot berücksichtigen, welches im Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV in Verbindung mit dem rechtsstaatlich determinierten Gleichheitssatz (Art. 3 LV i.V.m. Art. 3 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) sowie in Art. 57 LV wurzele.

30

Außerdem bestünden Mindestanforderungen an das Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzgeber müsse den Bedarf realitätsgerecht und nachvollziehbar erheben, und zwar sowohl bezogen auf den vertikalen wie bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich. Diese Erhebung müsse sich auf die beiden Parameter Aufgabenbelastung und Finanzkraft beziehen. Mit der Bedarfsermittlungspflicht verbunden sei zudem die Pflicht des Gesetzgebers, die wesentlichen Ergebnisse seiner Ermittlungen und seine hierauf fußenden Erwägungen durch eine Aufnahme in die Gesetzgebungsmaterialien transparent zu machen (Transparenzgebot). Durch ein Nachschieben von Gründen erst im verfassungsgerichtlichen Verfahren könne er hingegen seinen Darlegungspflichten nicht genügen. Zuletzt bestehe eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht.

31

b) Gemessen an den so definierten Anforderungen verstoße das angegriffene Gesetz in mehrfacher Hinsicht gegen die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein.

32

aa) So sei bereits die der Gesetzeskonzeption zugrunde liegende Sachverhaltsermittlung ungenügend. Eine aufgabenbezogene Bedarfserhebung habe nicht stattgefunden. Insbesondere das eingeholte Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gehe unzulässigerweise ausschließlich von dem tatsächlichen kommunalen Ausgabenverhalten und nicht von den objektiven Erfordernissen der zur Erfüllung gegebenen Aufgaben aus. Zudem seien die gutachterlich herangezogenen statistischen Rechenwerke wegen der laufenden Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik ungeeignet. Fehlerhaft seien auch die durch den Übergang auf das reine Zwei-Ebenen-Modell erforderlich gewordene Abgrenzung der Gemeinde- von den Kreisaufgaben sowie die Bestimmung der überörtlichen Aufgaben. Nicht nachvollziehbar seien des Weiteren die verwandten Zahlenwerke. Zuletzt sei es unzulässig, im Rahmen der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs aufgelaufene Verschuldung und Kassenkredite einzubeziehen. Da diese im kreisfreien Raum größer seien als im ländlichen Bereich, der in der Vergangenheit weniger Kredite aufgenommen habe, würde letzterer benachteiligt.

33

bb) Bereits die in § 3 FAG 2014 definierte Finanzausgleichssumme sei daher fehlerhaft bestimmt und im Ergebnis zu niedrig bemessen. Die Wertung des Gesetzgebers, die kommunale Finanzsituation sei auskömmlich, sei unzutreffend. Die in der Gesetzesbegründung zum Beleg hierfür genannten Indizien seien in mehrfacher Hinsicht unzureichend. So sei etwa der zugrunde gelegte Referenzzeitraum für die Kostenschätzungen deutlich zu kurz bemessen. Zudem seien die Steuerkraft der Gemeinden nach § 7 FAG 2014 ebenso wie die Umlagekraft der Kreise nach § 9 FAG 2014 willkürlich abgebildet worden.

34

cc) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FAG 2014 verletze die Beschwerdeführer in ihrem Anspruch auf Mindestausstattung. Die Finanzausgleichsmasse zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten sei unangemessen niedrig bemessen. Dies ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass die Finanzausgleichsmasse insgesamt zu niedrig dotiert sei. Unabhängig davon sei die Höhe dieser Teilschlüsselmasse fehlerhaft lediglich nach den Ausgaben und nicht bedarfsgerecht erhoben worden. Zudem liege ein Systembruch bei der Bedarfsermittlung dieser Teilschlüsselmasse vor, weil die seinerzeitige durchschnittliche Belastung aus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von 115 Millionen Euro vor dem Hintergrund der vollständigen Übernahme dieser Kosten ab 2014 vom Bund herausgerechnet worden sei, während andere, ebenfalls absehbare Änderungen nicht berücksichtigt worden seien.

35

Des Weiteren sei der Anteil zentralörtlicher Aufgaben in § 4 Abs. 1 FAG 2014 zulasten der Teilmasse für Kreisaufgaben zu hoch angesetzt. Während das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung einen Zuschussbedarf für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 146,15 Millionen Euro ansetze, würden in 2015 über § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 202,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Eine weitere Verzerrung ergebe sich aus der Berücksichtigung der Zinslasten bei der Bedarfserhebung der verschiedenen Aufgabenträger. Dies bevorzuge einseitig die kreisfreien Städte mit ihrem hohen Schuldenstand.

36

dd) § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 verletzte das interkommunale Gleichheitsgebot. Die dort enthaltenen fiktiven Hebesätze seien der Höhe nach willkürlich festgelegt worden. Der Gesetzgeber dürfe Gruppen von Gemeinden, zwischen denen in Bezug auf ihr Steuerausschöpfungspotential wesentliche Unterschiede bestünden, nicht gleich behandeln. Zumindest aber müsse sichergestellt werden, dass die fiktiven Hebesätze tatsächlich auf der Basis des Durchschnitts erhoben würden. Hieran gemessen stelle sich die angegriffene Regelung schon deshalb als willkürlich dar, weil keine gestuften, sondern einheitliche Hebesätze definiert worden seien. Durch die Verwendung einheitlicher Hebesätze würden die Realsteuerkraftzahlen der kreisangehörigen Gemeinden unrealistisch hoch dargestellt, während die Realsteuerkraftzahlen der kreisfreien Gemeinden unrealistisch niedrig eingeschätzt würden. Willkürlich sei weiter, dass die Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 allein auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereichs zu errechnen seien, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes unberücksichtigt blieben. Dasselbe gelte für die Multiplikation des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 %. Hierdurch ergäben sich weitere erhebliche Verschiebungen zwischen den betroffenen Kommunalgruppen zugunsten der kreisfreien Städte in Höhe von rund 16 Millionen Euro.

37

Die willkürliche Festsetzung der Hebesätze des § 7 FAG 2014 betreffe sie, die Beschwerdeführer, konkret, da die Hebesätze nach § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 über § 9 Abs. 3 FAG 2014 die für die Verteilung der ihnen zustehenden Kreisschlüsselzuweisungen maßgebliche Umlagekraftmesszahl mitbestimmten. Auf der Grundlage gruppenspezifischer Durchschnittswerte gebildeter Hebesätze stünden sie um rund 3,4 Millionen Euro (Ostholstein), rund 1,6 Millionen Euro (Nordfriesland) beziehungsweise rund 3,5 Millionen Euro (Schleswig-Flensburg) besser. Die Finanzausgleichsleistungen der Kreise seien gegenüber denen der kreisfreien Städte um ca. 34 % zu niedrig.

38

ee) In § 9 Abs. 1 FAG 2014 werde die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben durch die Minderung der die Finanzkraft abbildenden Umlagekraftmesszahl über die Soziallastenmesszahl zum Nachteil der Kreise willkürlich verteilt. Indikatoren für die Finanzkraft würden so sachwidrig mit Indikatoren für den aufgabenbezogenen finanziellen Bedarf (Ausgangsmesszahl) vermischt. Dies bewirke, dass der Bedarf für Soziallasten doppelt und damit im Vergleich zu den anderen Bedarfen überproportional und asymmetrisch berücksichtigt werde. Im wirtschaftlichen Ergebnis fielen die Schlüsselzuweisungen an die kommunale Gruppe mit höheren Soziallasten – faktisch die kreisfreien Städte – damit unangemessen hoch aus, während die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe – faktisch die Kreise – unangemessen niedrig ausfielen, und zwar für die Beschwerdeführer in Höhe von 13,7 Millionen Euro (Nordfriesland), 3,6 Millionen Euro (Ostholstein) und eine Million Euro (Schleswig-Flensburg).

39

Schließlich hätte der Gesetzgeber neben den Bedarfsfaktoren Einwohner und Soziallasten weitere Bedarfsfaktoren, wie etwa die Fläche, zumindest in Erwägung ziehen müssen.

40

Die Beschwerdeführer beantragen wörtlich,

festzustellen, dass die Regelungen des § 9 Abs. 1, §§ 9 i.V.m. 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, §§ 9 i.V.m. 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 9 i.V.m. §§ 10, 4 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG) vom 10. Dezember 2014, in Kraft getreten am 1. Januar 2015, die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und dem rechtsstaatlich determinierten Gleichheitssatz (Art. 3 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein i.V.m. Art. 3 Abs. 1, 28 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzen und nichtig sind.

III.

41

1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.

42

2. Nach Auffassung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung sind die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen verfassungskonform.

43

a) Art. 57 Abs. 1 LV sei als Gebot der Verteilungsgerechtigkeit und Verteilungssymmetrie zu verstehen, so dass es auf das ausgewogene Verhältnis der möglichst weitgehend aufgabenangemessenen Finanzausstattung des Landes und der Kommunen ankomme. Die Grunddaten der finanziellen Entwicklung beider Ebenen müssten – soweit vergleichbar – in etwa parallel verlaufen. Dies schließe ein, dass in Situationen finanzieller Restriktionen auch das Land Spar- und Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müsse. Von der Leistungsfähigkeit des Landes losgelöste, „absolute“ Rechtspositionen der Kommunen seien hiermit unvereinbar.

44

Bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs seien zudem das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit zu beachten. Grundsätzlich stehe es dem Gesetzgeber frei, von einem selbst gesetzten System mit hinreichenden Gründen abzuweichen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle sei insoweit auf eine Evidenzkontrolle begrenzt.

45

Verfahrensbezogene Pflichten träfen den Gesetzgeber im Übrigen bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs nicht. Insbesondere sei er weder verpflichtet, „wissenschaftlich“ vorzugehen, noch müsse er begründen, warum er ein Gesetz mit einem bestimmten Inhalt erlassen habe.

b) Gemessen an diesen Maßstäben sei das angegriffene Gesetz in keiner Hinsicht zu beanstanden.

46

aa) Der Gesetzgeber habe die teilweise neue Technik der Verteilung der Finanzausgleichsmasse ausführlich beschrieben. Grundlage hierfür sei eine detaillierte und genaue Ermittlung der kommunalen Aufgaben und Ausgaben über einen für prognostische Betrachtungen ausreichend langen Zeitraum gewesen. Eine stärker aufgabenbezogene Betrachtung könne schon aufgrund des Wortlauts des Art. 57 Abs. 1 LV nicht verlangt werden. In die Bestimmung der erforderlichen Ausgaben flössen zudem derart viele Gestaltungs-, Ermessens- und Einschätzungsfaktoren ein, dass lediglich plausible, rational nachvollziehbare Erwägungen gefordert seien. Da es verschiedene Methoden der Bedarfserhebung gebe, stehe dem Gesetzgeber insoweit ein Spielraum zu.

47

bb) Entsprechend stehe die in § 3 FAG 2014 zum Ausdruck kommende vertikale Finanzverteilung im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.

48

Sowohl die Einnahmenentwicklung als auch die Auskömmlichkeit der kommunalen Finanzausstattung seien ermittelt und begründet worden. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass der bis 2014 negative Finanzierungssaldo des Landes im Jahr 2015 +256 Millionen Euro betragen habe, während sich der Finanzierungssaldo der Gemeinden und Gemeindeverbände seit 2011 stetig von -40 Euro/ Einwohner auf -8 Euro/ Einwohner verbessert habe. Der Befund der vertikal auskömmlichen Dotierung des Finanzausgleichs werde außerdem durch das im Verfassungsgerichtsverfahren eingeholte Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln vom 23. Mai 2016 (zur „Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins“) belegt.

49

Es liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleichs nach dem Verbundquotenmodell zu organisieren. Im Übrigen werde diese Methode in den Folgejahren – verglichen mit der vorherigen Rechtslage – zu erhöhten Einnahmen der Kommunen führen.

50

cc) Bei der Ermittlung der in § 4 FAG 2014 enthaltenen Verteilungsquoten habe sich der Gesetzgeber gestützt auf das umfangreiche Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ein umfassendes Bild über die Einnahmen- und aufgabenbezogene Ausgabensituation der Kommunen verschafft. Das Gutachten habe sich mit der Abgrenzung und Bewertung der in § 4 FAG 2014 vorgesehenen zentralörtlichen Aufgaben ausführlich befasst; die von ihm herangezogenen Kriterien für die Zentralörtlichkeit einer Aufgabe entsprächen anerkannten finanzwissenschaftlichen Grundsätzen. Die Bewertung des Bedarfs für zentralörtliche Aufgaben sei ebenfalls gutachterlich fundiert und plausibel begründet.

51

In der Herausnahme der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus den Daten zur Ermittlung der durchschnittlichen Finanzbedarfe liege kein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit, da bei diesen – anders als bei den anderen von den Beschwerdeführern angeführten künftigen Änderungen – festgestanden habe, dass der Bund ab 2014 diese Kosten übernehmen werde.

52

dd) Fiktive Hebesätze wie in § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 würden in allen Finanzausgleichssystemen verwendet. Eine Verpflichtung, differenziert gewogene Hebesätze in Anlehnung an die Größe der Gemeinden oder an andere Kriterien – etwa an den Standort oder die Lage – zu bestimmen, bestehe nicht. Denn es gebe derzeit kein kohärentes Theoriedesign zur Abbildung nachweisbarer Hebesatzpotentiale. Die kreisfreien Städte würden weder durch die Datengrundlagen noch durch den angesetzten Faktor gegenüber den Kreisen „relativ arm“ gerechnet, da die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen nicht an kommunale Gruppen, sondern an Aufgaben anknüpfe. Im Übrigen hätten die kreisfreien Städte höhere Soziallasten zu tragen.

53

ee) Die Einführung des Soziallastenindikators in § 9 FAG 2014 sei sowohl dem Grundsatz nach als auch in der konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Ermittlung der aus Finanzkraft und Soziallastenmesszahl bestehenden integrierten Messzahl stelle eine besondere Technik zur Ermittlung der Belastung aus den sozialen Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte dar und liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Es sei im Finanzausgleichssystem nicht unüblich, bereits auf der Finanzkraftseite Faktoren für Finanzbedarfe zu berücksichtigen. Zudem würden dabei alle Kommunen gleich behandelt und es sei sowohl eine Nivellierung als auch eine Vertauschung der Finanzkraftreihenfolge ausgeschlossen.

54

Das Fehlen eines Flächenansatzes korrespondiere schlüssig mit dem Verzicht auf eine sogenannte Einwohnerwertung. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, – behauptete – Kosten der Agglomeration nicht zu berücksichtigen, so dass er auch – behauptete – Kosten der Deglomeration unberücksichtigt lassen könne. Der Gesamtmechanismus sei so weniger streitanfällig und kompliziert, ohne an Genauigkeit einzubüßen. Aufgrund welcher konkreten Umstände bei der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe aus dem Verhältnis von Einwohnerzahl und Fläche überproportional hohe Kosten entstehen könnten, erschließe sich im Übrigen nicht.

55

c) Abschließend weist die Landesregierung darauf hin, dass die Beschwerdeschrift, insbesondere in den Anlagen 3, 5 bis 7 und 9, nicht nachvollziehbare Zahlen und Rechenschritte enthalte. Die von den beschwerdeführenden Kreisen genannten Zahlen zu ihrer eigenen Finanzlage entsprächen zudem nicht dem neuesten Stand. Für den Kreis Nordfriesland läge mittlerweile der Jahresabschluss 2015 vor. Das Haushaltsjahr 2015 habe mit einem Überschuss von rund 3 Millionen Euro geschlossen. Ursprünglich sei mit einem Defizit von rund 5 Millionen Euro gerechnet worden. Der Kreis Ostholstein habe das Haushaltsjahr 2014 mit einem Überschuss von rund 11 Millionen Euro abgeschlossen. Das Jahr 2015 werde er nach eigenen Angaben mit einem Überschuss von rund 7 Millionen Euro abschließen. 2015 seien sämtliche Defizite der Vergangenheit abgebaut worden. Der Kreis Schleswig-Flensburg sei mit der Vorlage seiner Jahresabschlüsse in Rückstand.

56

3. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag, der Städteverband Schleswig-Holstein und der Schleswig-Holsteinische Landkreistag haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

57

a) Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag rügt, wie die Beschwerdeführer, dass der Finanzausgleich insgesamt nicht auskömmlich dotiert sei, obwohl bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eindeutige Indizien für die mangelhafte Finanzausstattung der Kommunen vorgelegen hätten und er ausdrücklich um Prüfung gebeten habe.

58

Leidtragende der Reform seien im Ergebnis in besonderem Maße die Gemeinden mit einer besonders geringen Steuerkraft von weniger als 500 Euro pro Einwohner. Die Erhöhung der Nivellierungssätze in § 7 Abs. 2 Satz Nr. 1 und 2 FAG 2014 habe zu einer weiteren Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden zugunsten der Kreise geführt.

59

Soweit es um die Verteilung der Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben gehe, sei bei der horizontalen Verteilung eine vertiefte Befassung mit gemeindlichen Aufgaben verfassungsrechtlich nicht geschuldet. Die Verteilung anhand der Parameter Steuerkraft und Einwohnerzahl habe sich bewährt. Es sei zulässig, bei der Aufteilung der Teilschlüsselmassen Zuschussbedarfe durch eine typisierende Betrachtung der Ausgaben zu ermitteln, da die Kommunen über das Ob (bei freiwilligen Aufgaben) und das Wie der Aufgabenerfüllung selbst entscheiden dürften.

60

Problematisch sei hingegen der gewählte Verteilungsmechanismus für die Teilmasse für zentralörtliche Aufgaben. Hier sei es bei der Ausgestaltung des § 10 FAG 2014 zu einer Beeinflussung des Ergebnisses durch das Ausgabenverhalten einzelner Kommunen gekommen. Zudem würden die Theater der kreisfreien Städte über eine Kombination von Vorwegabzug und Zuweisungen für zentralörtliche Aufgaben doppelt finanziert. Die Zuschussbedarfe für Berufsschulen seien unvertretbar gewichtet. Ferner seien die einheitlichen Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 zu kritisieren. Demgegenüber sei die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geboten gewesen, um nicht bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes offensichtlich unzutreffende Daten zugrunde gelegt zu haben. Eine derart sicher absehbare Kostenentlastung habe es bei keinem anderen Aufgabenbereich von vergleichbarem Gewicht gegeben.

61

b) Der Städteverband Schleswig-Holstein hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein seit Jahren strukturell unterfinanziert seien. Die Finanzprobleme konzentrierten sich bei den kreisfreien Städten, auf die allein knapp 2/3 aller aufgelaufenen Defizite entfielen, obwohl sie nur rund 22 % der Gesamtbevölkerung stellten. Den kreisfreien Städten fehle weitgehend die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung. Daneben zeige sich, dass aber auch viele weitere Städte im kreisangehörigen Raum strukturell unterfinanziert seien. Besondere Disparitäten ergäben sich in Bezug auf die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung Zentraler Orte im ländlichen Raum. Im Gegensatz hierzu zeige sich bei den Kreisen eine weitgehend stabile Haushaltsentwicklung. Der Finanzausgleich könne nicht einmal eine Mindestfinanzausstattung sicherstellen, die alle Städte und Gemeinden in die Lage versetze, ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen, ohne weitere Defizite aufzubauen.

62

Der Verfassung sei ein solcher Anspruch auf Mindestausstattung zu entnehmen, bei dem die Finanzkraft des Landes unerheblich sei. Erst jenseits dieses Kernbereichs spiele die Leistungsfähigkeit des Landes eine Rolle. Das Beispiel der Krankenhausfinanzierung zeige, dass ein bereits auf den Mindestausstattungsanspruch durchschlagender Leistungsfähigkeitsvorbehalt mit den Aufgaben- und Ausgabenverpflichtungen unvereinbar sei. Im Übrigen habe das Land im Jahr 2015 einen Überschuss von 187 Millionen Euro erwirtschaftet, während die Kommunen per Saldo mit einem Defizit von 22,3 Millionen Euro abgeschlossen hätten. Bereits dies indiziere einen Verstoß gegen die kommunale Mindestfinanzierungsgarantie.

63

Bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich sei jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung oder der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit festzustellen. Aufgrund des sehr heterogenen Aufgabenbestandes der verschiedenen Kommunen bedürfe es eines politischen Einschätzungsspielraumes. Vor diesem Hintergrund sei gerade bei der Regelung über den Soziallastenausgleich und beim Gewicht der paternalistischen Dimension des Finanzausgleichs ein Verfassungsverstoß nicht zu erkennen. Im Übrigen sei das Verfahren „vorbildhaft geführt“ worden. Insbesondere sei die Neubemessung der Teilschlüsselmassen in § 4 FAG 2014 ebenso wie die Nichteinbeziehung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung positiv zu bewerten. Dass Zuschussbedarfe für Theater und Orchester doppelt angerechnet worden seien, sei nicht zu erkennen. Nur teilweise überzeuge hingegen der gewählte Zentrale-Orte-Ansatz in § 10 FAG 2014, insoweit wäre es vorteilhafter gewesen, den Status Quo vor der Reform beizubehalten.

64

c) Der Schleswig-Holsteinische Landkreistag erklärt, sich den Vortrag der drei Beschwerdeführer zu Eigen zu machen. Er beanstandet, dass das der Neukonzeption des Finanzausgleichs zugrunde liegende Gutachten ausschließlich von Ausgaben und nicht von Aufgaben ausgehe. Auf diesem Wege seien verhaltensgeprägte Werte und nicht objektivierte, notwendige Aufwendungen für Aufgaben Ausgangspunkt aller Überlegungen. Es hätte einer Bestandsaufnahme der tatsächlichen Kosten und ihrer Objektivierung durch ein anerkanntes Statistikverfahren bedurft. Derartige Verfahren seien verfügbar, etwa das Standardkostenmodell, ein Benchmarking, die Regressionsanalyse oder die Korridorbereinigung.

65

Unzulässig sei die Ausgestaltung der Schlüsselzuweisungen an Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 FAG 2014. Im Prinzip werde so der typisierte Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl mit der typisierten Finanzkraft in Form der Umlagekraftmesszahl beziehungsweise der Steuerkraftmesszahl verglichen. Durch den Abzug des typisierten Sozialaufwandes von der Ertragsseite – und nicht von der Aufwandsseite – werde dieses System durchbrochen. In der Folge werde dem vollen Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl ein künstlich und damit systemwidrig und willkürlich verringerter Ertrag gegenübergestellt. Dadurch erhielten die Soziallasten ein doppeltes Gewicht.

66

Zu weiteren Verzerrungen führe der Umstand, dass die Ausgangsmesszahl und die Steuerkraftmesszahl nicht nach gleichen Kriterien bestimmt würden. Denn über die fiktiven Hebesätze nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 würden die Einnahmemöglichkeiten der kreisfreien Städte nur zu 73,32 %, die der Kreise aber zu 100 % angerechnet. Der einheitliche Nivellierungssatz sowohl für kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Gemeinden trotz sehr unterschiedlicher tatsächlicher Steuerkraft führe im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmekraft. Damit verstoße der Gesetzgeber gegen das Gleichbehandlungsgebot.

67

Zuletzt zeigten die Zahlen der Vierteljahresstatistik 2015, dass der ländliche Raum benachteiligt werde, indem er von der an sich positiven Entwicklung weniger profitiert habe als der städtische Raum. Die kreisfreien Städte hätten sich bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 10,6 % nur mit 3 % am Kreditmarkt neu verschulden müssen. Der ländliche Raum habe hingegen 10,8 % an neuen Kreditmarktmitteln bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 12,4 % benötigt.

B.

68

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist nur bezogen auf § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 und Abs. 4 FAG 2014 zulässig, im Übrigen unzulässig (I.). Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie, mit Ausnahme des § 9 Abs. 4 FAG 2014, begründet (II.).

I.

69

Die innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG erhobene Verfassungsbeschwerde ist nur zu § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und zu § 9 Abs. 1 und Abs. 4 FAG 2014 und insoweit nur unter dem Gesichtspunkt der gerügten Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots zulässig, im Übrigen unzulässig.

70

1. Die Beschwerdeführer sind nur in dem soeben aufgezeigten Umfang beschwerdebefugt. Das Erfordernis der Beschwerdebefugnis folgt aus § 47 LVerfGG. Erforderlich ist hiernach, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt darlegen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG), aufgrund dessen eine Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zumindest möglich erscheint

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, NordÖR 2016, 294 ff. = ZNER 2016, 354 ff. = NVwZ-RR 2016, 801 ff., Juris Rn. 22 m.w.N.; vgl.: BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985
- 2 BvR 1808/82 u.a. -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 31 ff.).

71

Die Gemeinden und Gemeindeverbände müssen hierfür substantiiert darlegen, durch die angegriffene Regelung in ihren verfassungsmäßig geschützten Rechten (a) unmittelbar (b), selbst (c) und gegenwärtig betroffen zu sein

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 28, a.a.O., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 22 m.w.N.).

72

a) Das Landesverfassungsgericht entscheidet nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3 Nr. 4 LVerfGG in Verbindung mit § 47 LVerfGG über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen der Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch ein Landesgesetz. Eine kommunale Verfassungsbeschwerde kann im Grundsatz aber auch auf eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV gestützt werden.

73

Der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3 Nr. 4 LVerfGG spricht zwar zunächst gegen letzteres. Beide Bestimmungen ermöglichen Verfassungsbeschwerden wegen der Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 54 Abs. 1 und 2 LV. Art. 57 LV hingegen ist als beschwerdefähige Rechtsposition nicht aufgeführt.

74

Jedoch können auch Rechtspositionen aus anderen Verfassungsbestimmungen als Art. 54 Abs. 1 und 2 LV Prüfungsmaßstab im Verfahren über die kommunale Verfassungsbeschwerde sein, soweit sie nach ihrem Inhalt geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen

(Groth, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 49, Rn. 20; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 -, BVerfGE 119, 331 ff., Juris Rn. 125 ff.; sowie jeweils für ihren Verfassungsraum: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 95 f.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 27).

75

Dies ist bei den sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Rechtspositionen der Fall. Sie finden sich systematisch im selben Abschnitt wie Art. 54 LV und dienen nach Inhalt und Begründung ausschließlich dazu, den kommunalen Selbstverwaltungsanspruch zu sichern, zu konkretisieren und mit Leben zu erfüllen. Entgegenstehende Anhaltspunkte ergeben sich des Weiteren nicht aus der Genese der entsprechenden Verfassungsbestimmungen. Insbesondere ist aus den Materialien zur Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344) kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die kommunalen Rechtspositionen des Art. 57 Abs. 1 LV nicht beschwerdefähig sein könnten.

76

b) Das Kriterium der Unmittelbarkeit steht der Beschwerdebefugnis vorliegend nicht entgegen. Im Kontext von Kommunalverfassungsbeschwerden gegen Gesetze kommt dieser Voraussetzung nur dann Bedeutung zu, wenn es zur Umsetzung des angegriffenen Gesetzes einer Verordnung bedarf. Bedarf das Gesetz hingegen – wie hier – der Umsetzung durch Verwaltungsakt, hindert dies die Beschwerdebefugnis nicht

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, a.a.O., Juris Rn. 29; vgl. weiter: BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985
- 2 BvR 1808/82 -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 31; LVerfG Mecklenburg - Vorpommern, Urteil vom 18. Dezember 2003 - LVerfG 13/02 -, NordÖR 2004, 237 ff., Juris Rn. 39; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, a.a.O., Juris Rn. 110; VerfGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 62).

77

Eine hiervon abweichende Rechtsprechung ist nur in den Bundesländern festzustellen, in denen die kommunale Verfassungsbeschwerde – anders als in Schleswig-Holstein – nicht nur auf Rechtsnormen beschränkt, sondern gegen jegliche Rechtsakte eröffnet ist

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Oktober 1995 - VGH N 4/93 -, AS RP-SL 25, 194 ff., Juris Rn 46 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 6. Juni 2002 - VerfGH 14/98 -, NVwZ-RR 2003, 249 ff., Juris Rn. 143 ff.).

78

c) Die Beschwerdeführer haben jedoch zu der weiteren Voraussetzung der Selbstbetroffenheit nicht durchgehend hinreichend substantiiert (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG) vorgetragen. Insoweit ist im Ausgangspunkt zu verlangen, dass es aufgrund des Vortrages der beschwerdeführenden Kommune zumindest möglich erscheint, dass diese durch die jeweils angegriffene Norm selbst in beschwerdefähigen eigenen Rechten beeinträchtigt ist

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 28, a.a.O., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 22 f.).

79

Dieses Erfordernis grenzt die Kommunalverfassungsbeschwerde insbesondere zur abstrakten Normenkontrolle ab

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, a.a.O., Juris Rn 101).

80

Die Beschwerdeführer müssen dabei für jede einzelne angegriffene einfachgesetzliche Norm darlegen, wie diese sie konkret und individuell in welchem geltend gemachten Recht betrifft. Es bedarf mithin bezogen auf jede angegriffene Norm einer substantiiert darzulegenden Verbindung zwischen dem abstrakten Norminhalt und der konkreten Beeinträchtigung des eigenen Rechtsstatus

(Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 23 m.w.N.; vgl. weiter: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 16; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 - Juris Rn. 46).

81

Der Inhalt der geforderten Darlegung individueller Betroffenheit durch die jeweils angegriffenen gesetzlichen Regelungen hängt dabei sehr wesentlich davon ab, auf welche verfassungsrechtlich verbürgten Rechte sich die Beschwerdeführer beziehen. Die Darlegung muss eine Verletzung gerade des geltend gemachten Rechts mit seinem jeweils spezifischen Gewährleistungsgehalt konkret möglich erscheinen lassen. Es macht für die gebotene Darstellung eigener Betroffenheit damit einen Unterschied, ob geltend gemacht wird, dass eine konkrete Bestimmung des angegriffenen Gesetzes gegen den Anspruch auf angemessene beziehungsweise Mindestfinanzausstattung verstößt oder aber gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot

(vgl. LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011
- LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 43; David, DVBl 2012, 1498).

82

aa) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe haben die Beschwerdeführer hier nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass eine Verletzung ihrer Rechte durch § 3 FAG 2014 jedenfalls möglich erscheint, und zwar weder in Bezug auf Art. 57 Abs. 1 LV noch in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV.

83

(1) Art. 57 Abs. 1 LV () und Art. 54 Abs. 1 und 2 LV () enthalten dabei eigenständig nebeneinander bestehende Gewährleistungsgehalte.

84

(a) Art. 57 Abs. 1 LV normiert umfassende Vorgaben für die Ausgestaltung des schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleichs. Dabei ist zwischen dessen Aussagegehalt zum vertikalen und zum horizontalen Finanzausgleich zu trennen. Art. 57 Abs. 1 LV normiert in vertikaler Hinsicht einen dynamischen, an die Höhe der allgemeinen Finanzausstattung des Landes gekoppelten kommunalen Anspruch auf angemessene Partizipation der kommunalen Ebene an der naturgemäß schwankenden Finanzausstattung des Landes (). Komplettiert wird dieser Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Hinblick auf die horizontale Verteilung der Finanzausgleichsmasse durch finanzausgleichsspezifische Ausformungen insbesondere des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 57 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3
Abs. 1 GG (). Hinzu kommen allgemeine Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten ().

85

(aa) Nach Art. 57 Abs. 1 LV stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird. Ziel soll dabei sein, die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen. Hieraus folgt, dass die Kommunen in angemessenem Umfang an den Einnahmen des Landes zu beteiligen sind. Art. 57 Abs. 1 LV nimmt damit das Verhältnis der Finanzausstattung des Landes zur Finanzausstattung der kommunalen Ebene in den Blick und normiert das Gebot der Verteilungssymmetrie zwischen beiden Ebenen. Er konkretisiert damit – als finanzverfassungsrechtliche Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern –

(BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 272 f.)

die (Letzt-)Verantwortung des Landes für die Finanzausstattung der Kommunen.

86

Für ein derartiges, auf das Gebot der Verteilungssymmetrie fokussiertes, Verständnis spricht schon der Wortlaut mit seiner Gegenüberstellung von Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene einerseits und Leistungsfähigkeit des Landes andererseits. Bereits danach bestehen die Hauptfunktionen des kommunalen Finanzausgleichs darin, die Finanzmittel der Kommunen (vertikal) aufzustocken, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können (fiskalische Funktion), sowie die Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen (horizontal) auszugleichen (redistributive Funktion). Ausdrücklich bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des Art. 57 Abs. 1 LV. Den derzeitigen Wortlaut nahm der Schleswig-Holsteinische Landtag in 2. Lesung am 19. Mai 2010 an. Vorangegangen war ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/ DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW. In diesem wurde zugleich die Begründung neu gefasst. Sie stellt nun ausdrücklich klar,

dass für den kommunalen Finanzausgleich auch der Grundsatz der Verteilungssymmetrie im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen dem Land sowie den Gemeinden und Gemeindeverbänden gilt (Landtags-Drucksache 17/546, S. 3 f.).

87

Das Gebot der Verteilungssymmetrie fordert eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der im Land insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel auf die kommunale Ebene einerseits und die Landesebene andererseits. Dabei ist die Finanzausstattung beider Ebenen gleichermaßen in den Blick zu nehmen, so etwa der Umstand, dass das Land Schleswig-Holstein derzeit unverändert (neben Berlin, Bremen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt) jährliche Finanzzuweisungen nach dem Konsolidierungshilfengesetz vom 10. August 2009 (BGBl I S. 2702, 2705) erhält und zu entsprechenden Konsolidierungsleistungen verpflichtet ist (§ 2 Konsolidierungshilfengesetz). Reichen die verfügbaren Mittel nicht aus, ist eine ausgewogene Aufteilung der Mangellage auf Land und Kommunen durch eine beiderseitige Reduzierung der zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel geboten

(vgl. für die Parallelbestimmungen anderer Flächenländer: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl. 2008, 488 ff., Juris Rn 68; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 49 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, LVerfGE 22, 547 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, DVBl 2012, 432 ff., Juris Rn. 25; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 92 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 53).

88

(bb) Für die horizontale Ebene des kommunalen Finanzausgleichs weist das in Art. 57 Abs. 1 LV enthaltene Gebot, „eine unterschiedliche Belastung“ der Kommunen „mit Ausgaben auszugleichen“, dem Gesetzgeber die Aufgabe der angemessenen Mittelverteilung innerhalb der kommunalen Ebene zu.

89

Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der hier verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des horizontalen Finanzausgleichs – ebenfalls – ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Das Verfassungsgericht hat insbesondere nicht zu prüfen, ob der Normgesetzgeber die „bestmögliche“ oder „gerechteste“ Lösung gewählt hat. In Respektierung der politischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht zu prüfen, ob die Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Der Gesetzgeber darf innerhalb gewisser Grenzen im Rahmen der Gemeindefinanzierung ihm zweckmäßig Erscheinendes verfolgen

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl 2010, 236 ff., Juris Rn. 63; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 110; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 - , NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 50 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 54; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff. Juris Rn. 54).

90

Grenzen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes ergeben sich allerdings aus dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie – eng damit verknüpft – dem Gebot der Systemgerechtigkeit und dem Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot. Ob – und gegebenenfalls welche – weiteren Gestaltungsgrenzen sich aus dem Gedanken der Aufgabengerechtigkeit

(Urteil vom 27. Januar 2017 - LVerfG 4/15 -, Rn. 122).

ergeben, kann hingegen wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit für das vorliegende Verfahren dahinstehen.

91

Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Gebot der Systemgerechtigkeit stellen sich auch als direkte Ausprägung des im Rechtsstaatsprinzip verankerten objektiven Willkürverbots in Verbindung mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht dar

(vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 ff., Juris Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 24; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 96; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 111; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 51; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 9/12 -,
NVwZ-RR 2014, 707, Juris Rn. 34; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 2015 - VerfGH 24/12 -, NWVBl 2015, 336 ff., Juris Rn. 39).

92

Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das rechtsstaatliche Willkürverbot und seine vorgenannten Ausprägungen im Kontext der Prüfung von Normen des horizontalen Finanzausgleichs in Art. 57 Abs. 1 LV aufgehen oder einen selbständigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden. Die zu diesen allgemeinen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen entwickelten Maßgaben sind jedenfalls als integrierte Bestandteile des Art. 57 Abs. 1 LV bei der Überprüfung der angegriffenen Regelungen heranzuziehen

(so ausführlich für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.).

93

Das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung verbietet es dem Gesetzgeber, bei der Finanzmittelverteilung bestimmte Gebietskörperschaften oder Gebietskörperschaftsgruppen sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot steht willkürlichen Ausgestaltungen des Verteilungssystems entgegen. Es ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt. Nicht verletzt ist es hingegen, wenn sich der Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützen kann

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O., Juris Rn. 51 m.w.N.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 68; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, a.a.O.).

94

Das Gebot der Systemgerechtigkeit erfordert, dass die vom Gesetzgeber gewählten Maßstäbe, nach denen der Finanzausgleich erfolgen soll, nicht in Widerspruch zueinander stehen und nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden. Zwar obliegt es der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchem System er eine bestimmte Materie ordnen will. Weicht er vom selbst bestimmten System ab, kann das jedoch einen Gleichheitsverstoß indizieren

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 87 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 56; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, a.a.O., Rn. 56; vgl. zum Gebot der Systemgerechtigkeit außerhalb von Verfahren zum kommunalen Finanzausgleich: BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 -, BVerfGE 81, 156 ff., Juris Rn. 170; Beschlüsse vom 19. Oktober 1982 - 1 BvL 39/80 -, BVerfGE 61, 138 ff., Juris Rn. 37 und vom 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 -, BVerfGE 68, 237 ff., Juris Rn. 41).

95

Das Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot besagt, dass der Finanzausgleich vorhandene Finanzkraftunterschiede der Kommunen durch die Gewährung von Landesmitteln mildern, sie aber nicht völlig abbauen soll. Erst recht darf die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge der Kommunen durch den Ausgleich nicht umgekehrt werden

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 61 m.w.N., SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 66).

96

(cc) Zuletzt unterliegt der Gesetzgeber einer Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht bei seiner Finanzausgleichsgesetzgebung. Erforderlich ist eine Überprüfung der Stimmigkeit des kommunalen Finanzierungssystems in angemessenen Abständen, unter besonderer Berücksichtigung eventueller Veränderungen der Aufgabenzuschnitte, der Aufgabenverteilung zwischen kommunaler Ebene und Landesebene sowie der für die Aufgabenerfüllung anfallenden Kosten. Der Gesetzgeber darf sich vor diesem Hintergrund nicht darauf beschränken, einmal festgesetzte Werte, Größenordnungen und Prozentzahlen in den folgenden Finanzausgleichsgesetzen fortzuschreiben, ohne sich erneut ihrer sachlichen Eignung zu vergewissern

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 93, StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 57).

97

(b) Der Regelungsgehalt des Art. 54 Abs. 1 LV beschränkt sich im Kontext des kommunalen Finanzausgleichs auf eine Betrachtung allein der kommunalen Finanzausstattung und dort auf das Verhältnis der für Pflichtaufgaben und für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehenden Mittel

(für ihren jeweiligen Verfassungsraum mit vergleichbarer Abgrenzung zwischen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Land-Kommunen-Vergleich einerseits und Mindestanspruch andererseits: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 98 ff.; wohl auch: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 84 ff., 95; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 58, 83; zustimmend: Schmitt, DÖV 2013, 452 <455>; Henneke, DÖV 2013, 825, <834>; Duve/ Neumeister, DÖV 2016, 848 <849>).

98

Durch Art. 54 Abs. 1 LV wird die kommunale Mindestausstattung gewährleistet, mit der die Lebensfähigkeit jedenfalls der kommunalen Ebene als solcher garantiert ist. Den Kommunen müssen gemäß Art. 54 Abs. 1 LV Mittel in einem Umfang zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglichen, neben den Pflichtaufgaben noch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen

(von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 11; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff., Juris Rn. 18 ff.; sowie zu den entsprechenden Bestimmungen anderer Bundesländer: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 86; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Saarland, Urteil vom 13. März 2006 - LV 2/05 -, AS RP-SL 34, 1 ff., Juris Rn. 93; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 203; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 33 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - LVerfG 33/10 -, Juris Rn. 101).

99

Hintergrund ist, dass das in Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verbürgte Selbstverwaltungsrecht die sogenannte Finanzhoheit als ein Kernelement der kommunalen Selbstverwaltung umfasst. Diese garantiert die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 34, SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 36; aus der Literatur statt aller: Tettinger/ Schwarz, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 244 m.w.N.).

100

Die so verstandene, verfassungsmäßig verbürgte kommunale Finanzhoheit bedingt die Gewährleistung einer kommunalen Mindestausstattung. Denn ohne hinreichende finanzielle Ausstattung zur Erledigung nicht nur der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben verbliebe den Kommunen keine substantielle Hoheit in Bezug auf die Finanzen. Wie das Selbstverwaltungsrecht wäre die Finanzhoheit nicht hinreichend davor geschützt, zu einer letztlich leeren Hülle ohne tatsächlich nennenswerte materielle Befugnisse absinken zu können.

101

(2) Bezogen auf eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 57 Abs. 1 LV durch § 3 FAG 2014 ist eine Beschwerdebefugnis nicht dargelegt.

102

Im Ausgangspunkt ist bezüglich einer möglichen Verletzung in Rechten aus Art. 57 Abs. 1 LV erforderlich, dass Beschwerdeführer nachvollziehbar darlegen, inwieweit die angegriffene Norm dazu führt, dass der vertikale Finanzausgleich hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben einer „angemessenen Finanzausstattung“ zurückbleibt, mithin also das Symmetriegebot verletzt. Aus dem Vortrag muss sich nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG zumindest die Möglichkeit einer Verletzung des Symmetriegebots ergeben

(so für den dortigen Verfassungsraum: VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38).

103

Ob darüber hinaus konkreter Vortrag zu den Auswirkungen dieser Verletzung des Symmetriegebots auf den eigenen Haushalt beziehungsweise die eigene Aufgabenerfüllung zu erwarten ist,

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 43 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 - Juris Rn. 44 ff.),

oder nicht

(vgl. VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, a.a.O., Juris Rn. 168; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38),

kann jedenfalls an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Denn vorliegend ist bereits die erste der oben genannten Voraussetzungen nicht gewahrt.

104

Durch die Beschwerdeschrift wird schon nicht hinreichend nachvollziehbar eine Verletzung des Symmetriegebots auf der generellen, abstrakten Ebene (Höhe der Finanzausgleichsmittel insgesamt) aufgezeigt. Zwar beziehen sich die Beschwerdeführer auch auf das Symmetriegebot des Art. 57 Abs. 1 LV. In der Sache tragen sie jedoch durchgängig nur zu der Behauptung vor, sie seien in ihrem Anspruch auf Mindestausstattung verletzt, könnten also das ihnen zustehende Minimum an Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr erfüllen. Es finden sich ausschließlich Ausführungen zur angeblich fehlenden Möglichkeit, noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können. Irgendwie geartete Symmetriebetrachtungen werden nicht angestellt. Die Beschwerdeführer leisten weder eine vergleichende Betrachtung der Finanzkräfte von Land und Kommunen noch der jeweiligen Aufgabenbelastung oder des entstehenden Finanzierungssaldos. Die erforderlichen symmetriebezogenen Aussagen werden auch nicht dadurch obsolet, dass der Gesetzesbegründung selbst keine umfassende Symmetriebetrachtung zu entnehmen ist, an die der Vortrag der Beschwerdeführer anknüpfen könnte. Den Beschwerdeführern steht eine Reihe von öffentlich zugänglichen Dokumenten zur Verfügung, anhand derer eigene symmetriebezogene Aussagen getätigt werden könnten. Wie umfassend und ins Detail gehend der Vortrag hierzu im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit sein muss, kann aus den Gründen vollständig fehlender Darlegungen dahinstehen. Nichts anderes folgt im Übrigen aus dem Umstand, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts zu Art. 57 Abs. 1 LV ergangen ist. Die Beschwerdeführer haben selbst ausdrücklich das Symmetriegebot als im Rahmen des Art. 57 Abs. 1 LV relevant identifiziert, so dass auch in einem ersten Verfahren zu Art. 57 Abs. 1 LV zumindest grundlegender Vortrag hierzu erwartet werden kann.

105

(3) Auch eine Verletzung des Art. 54 Abs. 1 und 2 LV und der darin gewährleisteten Mindestausstattung durch § 3 FAG 2014 haben die Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht.

106

(a) Im Hinblick auf die Anforderungen an die Substantiierungspflicht gelten dabei die zu Art. 57 Abs. 1 LV entwickelten Ansätze nicht unmittelbar entsprechend, da sich die Norminhalte von Art. 54 Abs. 1 und 2 LV und Art. 57 Abs. 1 LV grundlegend unterscheiden (siehe oben (1), Rn. 83).

107

Für die Darlegung der Beschwerdebefugnis von Kommunen bezüglich einer Verletzung des Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gilt ein strenger Maßstab. Notwendig ist die Darlegung jeder beschwerdeführenden Kommune, dass sie selbst infolge verfassungswidriger Ausgestaltung des Finanzausgleichs über keine hinreichende Mindestfinanzausstattung (mehr) verfügt, mithin in ihrer Fähigkeit zur Erledigung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten beeinträchtigt ist. Hierfür muss sie ihre konkrete Haushaltslage aufzeigen und einschlägige Einschränkungen des Selbstverwaltungsrechts erläutern. Die beschwerdeführende Kommune muss konkret darlegen, dass sie infolge der Minderung ihrer eigenen Einnahmen oder Kürzung der Zuweisungen die ihr obliegenden Aufgaben nicht im erforderlichen Mindestmaß erfüllen kann. Insofern genügt nicht die Darlegung verminderter Mittelzuflüsse. Es muss ein faktischer Kompetenzentzug im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben nach dem Sachvortrag zumindest möglich erscheinen

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 21 zu einer den schleswig-holsteinischen Kommunalfinanzausgleich betreffenden Kommunalverfassungsbeschwerde; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808/82 -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 36; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 44; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014 - VerfGH 22/13 -, Juris Rn. 71; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, Juris Rn. 45; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <707>).

108

Erforderlich ist entsprechend eine Darlegung des Gesamtumfangs von Einnahmen und Ausgaben (etwa durch Vorlage des Haushaltsplanes oder – sollte dies wegen der Jahresfrist in § 47 Abs. 2 LVerfGG nicht möglich sein – jedenfalls der Vorberichte)

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 23; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013, - VfBbg 68/11 -, a.a.O., Juris Rn. 44 f.; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014, - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, a.a.O., Juris Rn. 48).

109

In einem weiteren Schritt wird es regelmäßig der Darlegung der Auswirkungen der angegriffenen Norm auf die Fähigkeit zur Erledigung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben im Einzelnen bedürfen

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01-, a.a.O., Juris Rn. 25; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014, - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.).

110

Dies setzt regelmäßig nachvollziehbaren Vortrag voraus, inwieweit die Erfüllung der pflichtigen Aufgaben noch gesichert ist und in welchem Umfang Finanzmittel für freiwillige Aufgaben erforderlich sind sowie in welcher Weise sich die Kommune insoweit durch die jeweilige Finanzausstattung beengt sieht

(vgl. VerfGH Thüringen, 18. Januar 2014 - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015, - LVG 77/10 -, a.a.O., Juris Rn. 46 ff.).

111

Welche weiteren Anforderungen zu stellen sind, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Erforderlich kann etwa eine Darlegung zur Prüfung der Erschließung neuer Einnahmemöglichkeiten (etwa im Gebührenhaushalt) beziehungsweise von Einsparpotentialen oder zu eventuellen Mehreinnahmen aufgrund des angegriffenen Gesetzes sein

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01-, a.a.O., Juris Rn. 23 ff.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013, - VfBbg 68/11 -, a.a.O., Juris Rn. 44 f.).

112

Dabei ist zwischen Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und – wie hier – von Kreisen zu differenzieren. Insbesondere Kreise können sich nicht auf die Darstellung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben beschränken, sondern müssen umfassend zu den pflichtigen Aufgaben vortragen. Denn anders als bei den Gemeinden sind Kreise nur dahingehend geschützt, dass überhaupt ein Mindestbestand an kreiskommunalen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises verbleibt; sie sind anders als die Gemeinden nicht allzuständig im örtlichen Wirkungskreis

(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007- 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 25 ff.).

113

Mit diesen Vorgaben setzt sich das Gericht im Übrigen nicht in Widerspruch zu den Landesverfassungsgerichten, die die Beschwerdebefugnis bereits dann für gegeben halten, wenn abstrakt Ausstattungs- und Verteilungsmängel substantiiert dargelegt werden. Denn hierbei handelt es sich um die Landesverfassungsgerichte, die ihren jeweiligen Landesverfassungen keine im Verhältnis zum Symmetriegebot eigenständige Gewährleistung der Mindestausstattung entnehmen

(vgl. insbesondere VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 40).

114

Es erschiene in der Tat widersprüchlich, unter dieser Prämisse im Rahmen der Zulässigkeit von Beschwerdeführern zu verlangen, eine konkrete Unterschreitung einer Mindestausstattung darzustellen. Eine vergleichbare Sachlage liegt für den schleswig-holsteinischen Verfassungsraum jedoch nicht vor.

115

Gegen die obigen Ausführungen spricht zuletzt nicht die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG. Dabei kann dahinstehen, ob die vorgenannte Frist im Zusammenspiel mit den Anforderungen an die Darlegungslast dazu führen kann, dass gegen Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes, welche in Zeiten einer gut dotierten Finanzausgleichsmasse vorgenommen werden, faktisch kein Rechtsschutz nach §§ 47 f. LVerfGG bestehen könnte. Denn in keinem Fall stünde es dem Landesverfassungsgericht zu, allein wegen der Existenz der gesetzlich normierten Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG die ebenfalls gesetzlich normierten Anforderungen zur Beschwerdebefugnis und deren Darlegung wertungsmäßig zu korrigieren und hierdurch im praktischen Ergebnis die Unterscheidung zwischen abstrakter Normenkontrolle und kommunaler Verfassungsbeschwerde zu nivellieren. Zudem unterfällt das Finanzausgleichsgesetz naturgemäß regelmäßigen Änderungen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 FAG 2014), so dass auch insoweit die Gefahr einer Rechtsschutzlücke gering erscheint.

116

(b) Gemessen daran reicht der vorliegende Vortrag der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerdebefugnis bezogen auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht aus. Es fehlen tragfähige Ausführungen zu der Frage, um welchen konkreten Betrag sich ihre Haushaltslage in Folge der angegriffenen Reform verändert hat () und inwieweit sie hierdurch konkret in der Erfüllung welcher freiwilligen beziehungsweise pflichtigen Aufgaben beeinträchtigt werden (). Dies gilt auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich vorliegend um eine Erstentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts über den schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleich handelt ().

117

(aa) Für keinen der Beschwerdeführer ist hinreichend dargelegt, dass sich die jeweilige Haushaltslage gerade in Folge der angegriffenen Gesetzesreform nachteilig verändert hat. Vielmehr sind die Schlüsselzuweisungen nach Inkrafttreten der Reform im Jahr 2015 in absoluten Beträgen höher ausgefallen als im Vorjahr.

118

Für Nordfriesland wird zwar eine sich erheblich verschlechternde Haushaltslage für 2015 vorgetragen (strukturelles Ergebnis 2014: - 1.424; strukturelles Ergebnis 2015: - 5.093). Aus den Haushaltsdaten im Einzelnen (Anlage 10 A) folgt jedoch, dass dies nicht Folge einer reformbedingt reduzierten Schlüsselzuweisung ist. Im Gegenteil ist die Schlüsselzuweisung von 22.213.000 Euro im Jahr 2014 auf 25.471.000 Euro im Jahr 2015 angestiegen. Ursache des verschlechterten strukturellen Ergebnisses sind ansteigende Ausgaben im Jahr 2015 (264.433.000 Euro im Jahr 2014; 273.925.000 Euro im Jahr 2015 = + 3,58 %). Bei dieser Sachlage steigender Einnahmen und noch stärker steigender Ausgaben wäre es in besonderem Maße angezeigt gewesen, darzustellen, ob tatsächlich alle verfügbaren Einsparpotentiale ausgeschöpft worden sind. Hierzu fehlt schlüssiger Vortrag. Soweit diesbezüglich auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend verwiesen wird, genügt dies jedenfalls in der vorliegenden Form nicht. Nach der vom Beschwerdeführer zu 1. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 6.700.000 Euro und erklärt damit die vorliegende Ausgabensteigerung nur zum Teil. Zudem ergeben sich aus den für alle Beschwerdeführer vorgetragenen, sehr heterogenen Daten zu diesem Kostenbereich weitere Fragestellungen in Bezug auf Erforderlichkeit und Einsparpotentiale. Jedenfalls sind die Schwankungen in den Kostensteigerungen in diesem Bereich zwischen 8,4 % (Ostholstein) und 24 % (Nordfriesland) nicht selbsterklärend und werden nicht weiter erläutert.

119

Gleiches gilt für Ostholstein. Hier ist ein Anstieg der Schlüsselzuweisung für 2015 zu verzeichnen (36.065.000 Euro im Jahr 2014; 40.413.000 Euro im Jahr 2015). Dieser Anstieg wird allerdings durch überproportionale Steigerungen der Ausgaben überdeckt (236.388.000 Euro im Jahr 2014; 254.946.00 Euro in 2015 = + 7,85 %). Weshalb dennoch eine durch die Reform des Finanzausgleichsgesetzes bedingte konkrete eigene Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung vorliegen soll, wird ebenso wenig hinreichend dargelegt. Auch hier vermag der Verweis auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend jedenfalls nicht ohne weiteres zu genügen. Nach der vom Beschwerdeführer zu 2. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 6.900.000 Euro und erklärt damit die vorgetragene Ausgabensteigerung nur zum Teil.

120

Dasselbe gilt für den Kreis Schleswig-Flensburg. Hier ergibt sich ein Anstieg der Schlüsselzuweisung für 2015 (38.647.000 Euro im Jahr 2014; 43.773.000 Euro in 2015) bei gleichzeitigem weitergehenden Anstieg der Ausgaben (305.983.000 Euro im Jahr 2014 zu 322.175.000 Euro im Jahr 2015 = + 5,29 %). Weshalb dennoch eine durch die Reform des Finanzausgleichsgesetzes bedingte konkrete Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung vorliegen soll, wird ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Hier vermag der Verweis auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend ebenfalls nicht ohne weiteres zu genügen. Nach der vom Beschwerdeführer zu 3. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 9.000.000 Euro und erklärt damit die vorgetragene Ausgabensteigerung ebenfalls nur zum Teil.

121

(bb) Des Weiteren hat keiner der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert dargelegt, inwieweit er durch die vorgetragenen Verschlechterungen in der angemessenen Erfüllung welcher konkreten pflichtigen und freiwilligen Aufgaben gefährdet sein soll. Erforderlich ist hierzu, dass der jeweilige Beschwerdeführer darlegt, reformbedingt nunmehr erstmals in der konkreten Aufgabenerfüllung
– näher benannter Aufgaben – konkret eingeschränkt zu sein. Alternativ könnte er darlegen, dass seine Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung – im Einzelnen bezeichneter Aufgaben – bereits in der Vergangenheit gravierend eingeschränkt war und diese Einschränkung durch die Mehreinnahmen in keinem Fall behoben wurde. Zu beidem fehlt vorliegend für alle Beschwerdeführer nachvollziehbarer Vortrag. Die bloße Behauptung, die Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben seien bereits seit längerem jeweils unter fünf Prozent der Ausgaben des Verwaltungshaushalts gesunken, eignet sich alleine nicht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 – 2 BvR 2215/01 – (BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 25) überzeugend ausgeführt:

Aber auch der vom Beschwerdeführer verwendete Anteil der Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben an den bereinigten Ausgaben des Verwaltungshaushalts eignet sich nicht, um einen Spielraum bei der Aufgabenerledigung oder dessen Fehlen zu kennzeichnen. Träfe es zu, dass ein gewisser Anteil - nach Auffassung des Beschwerdeführers: fünf Prozent - der Ausgaben des Verwaltungshaushalts für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehen muss, um eine finanzielle Mindestausstattung der Kommune annehmen zu können, dann würde sie durch rigorose Ausgabenkürzungen - etwa bei den Personal- und Betriebskosten und den zu diesen Aufwendungen geleisteten Zuschüssen an Dritte - ihren garantierten Spielraum für die Erledigung freiwilliger Aufgaben einengen statt erweitern. Mit der Senkung der Ausgaben des Verwaltungshaushaltes sinkt nämlich auch der nach einem bestimmten Anteil berechnete Betrag, den der Beschwerdeführer als für die Erledigung freiwilliger Aufgaben garantiert ansehen möchte .

122

(cc) Zuletzt kann dahinstehen, ob die beschriebenen Anforderungen zumindest für die hier vorliegende Erstentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts über den kommunalen Finanzausgleich zugunsten der Beschwerdeführer abgeschwächt werden können. Hierfür könnte sprechen, dass für die Beschwerdeführer in Ermangelung vorausgegangener Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts schwer einzuschätzen ist, zu welchen Gesichtspunkten substantiiert vorzutragen ist

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 77).

123

Im Ergebnis greift dies aber jedenfalls bezogen auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht durch. Dass die Geltendmachung einer fehlenden Mindestausstattung im Rahmen der Beschwerdebefugnis regelmäßig gewissen Mindestanforderungen an den Vortrag unterliegt, ist gängige Rechtsprechung der Mehrheit der Landesverfassungsgerichte und Gegenstand aktueller Analysen in der Rechtswissenschaft

(vgl. etwa Henneke, Die Kommunen in der Finanzverfassung des Bundes und der Länder, 2012, S. 446 ff.; Leisner-Egensperger, DÖV, 2010, 705 ff.).

124

Insbesondere für einen aus Schleswig-Holstein stammenden Antrag lag zudem einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor

(BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 21 ff.).

125

Grundlegende Ausführungen zu den angesprochenen Fragen durften daher erwartet werden. Dies gilt umso mehr, als dass die Beschwerdebefugnis hier nicht an hochgradig ausdifferenzierten Maßstäben scheitert.

126

bb) Bezogen auf § 4 FAG 2014 ist hinsichtlich Art. 57 Abs. 1 LV zur konkreten Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten nicht hinreichend vorgetragen (<1>). Gleiches gilt für Art. 54 Abs. 1 und 2 LV (<2>).

127

(1) Unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis und der hierauf bezogenen Substantiierungspflicht (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG) ist von den Beschwerdeführern für die horizontale Dimension des Art. 57 Abs. 1 LV zu verlangen, dass in einem ersten Schritt hinreichend nachvollziehbar zumindest die Möglichkeit einer Verletzung der Grenzen des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes aufgezeigt wird. Des Weiteren bedarf es konkreten Vortrages, inwieweit sich diese jeweils dargelegte Verletzung auf den eigenen Haushalt beziehungsweise auf die eigene Aufgabenerfüllung auswirkt; eine konkrete Auswirkung muss aufgrund des Vortrages zumindest möglich erscheinen. Letzteres ergibt sich erneut aus dem Grundsatz, dass die vorliegenden Verfahren der kommunalen Verfassungsbeschwerde nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle unterliegen. Hieraus folgt, dass es stets der Rückkopplung möglicher abstrakter Verfassungsverstöße an eine konkrete und eigene Betroffenheit bedarf

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 41 f.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 44 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Januar 2015
- LVG 77/10 -, Juris Rn. 44 ff.).

128

Diesen Maßstäben wird der Vortrag der Beschwerdeführer in Bezug auf § 4 FAG 2014 nicht gerecht. Dabei kann offen gelassen werden, ob durch die Beschwerdeführer mit Blick auf § 4 FAG 2014 überhaupt hinreichend deutlich Art. 57 Abs. 1 LV in seinen horizontalen Ausprägungen als verletzt gerügt wurde. Denn selbst wenn man annimmt, dass entgegen der expliziten Benennung nur des Anspruches auf „Mindestfinanzausstattung“ als Prüfungsmaßstab (wohl) auch eine Verletzung insbesondere des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes und des Gebotes der Systemgerechtigkeit geltend gemacht worden sein könnte, ist die Möglichkeit einer derartigen Verletzung jedenfalls nicht den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG entsprechend dargelegt.

129

Soweit die Beschwerdeführer rügen, bei der Bemessung der Größe der Teilschlüsselmassen sei es zu einer Benachteiligung der Kreisebene insofern gekommen, als dass der künftige Wegfall der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einseitig zu ihren Lasten berücksichtigt worden sei, ebenfalls absehbare Kostensteigerungen (beispielsweise durch Tarifabschlüsse) hingegen ausgeklammert worden seien, wird daraus nicht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ersichtlich. Die Darlegungen der Beschwerdeführer reichen insoweit nicht aus, um einen Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit als hinreichend möglich erscheinen zu lassen. Der Vortrag allein, bereits die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung an sich stelle einen „willkürlichen“ Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit dar, vermag keine hinreichende Möglichkeit einer Verletzung dieses Gebotes zu begründen. Denn für die erfolgte Nichtberücksichtigung an sich gibt es im Hinblick auf den feststehenden Wegfall dieser Kostenposition einen unmittelbar nachvollziehbaren und im Gesetzgebungsverfahren dargelegten, jedenfalls vertretbaren Grund. Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, bei der Verteilungsentscheidung Kostenpositionen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gesetzes nicht mehr existieren. Möglich erschiene ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit vor diesem Hintergrund allenfalls, wenn der Gesetzgeber nur bei den Kosten der Grundsicherung derart vorgegangen wäre, bei anderen und vergleichbaren künftigen Entwicklungen dies hingegen zulasten der Beschwerdeführer unterlassen hätte. Hierzu fehlt es jedoch an Vortrag, der ein derartiges Vorgehen zumindest als möglich erscheinen lassen könnte. Soweit die Beschwerdeführer beispielhaft auf die Nichtberücksichtigung der Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre verweisen, genügt dies nicht. Denn es ist weder dargelegt noch selbsterklärend, dass die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Tarifabschlüssen irgendeine signifikante Auswirkung auf das prozentuale Verhältnis der Teilschlüsselmassen des § 4 FAG 2014 zueinander haben könnte. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Träger der Kreisaufgaben insoweit unter einer stärkeren Kostenentwicklung zu leiden hätten als die Träger der gemeindlichen Aufgaben. Nur in diesem Fall wäre aber ein Einfluss auf die Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 FAG 2014 überhaupt denkbar. Zudem fehlt es insoweit auch an individualisierbarem Vortrag zur Relevanz dieser angeblichen Ungleichbehandlung für die Beschwerdeführer selbst. Dass gerade die Beschwerdeführer stärker als andere Aufgabenträger unter entsprechenden Kostenentwicklungen leiden und daher vom gesetzgeberischen Vorgehen individuell betroffen sind, ist nicht vorgetragen und nicht selbsterklärend.

130

Soweit die Beschwerdeführer rügen, der Anteil der Teilschlüsselmasse für zentrale Orte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 sei zulasten der anderen Teilschlüsselmassen zu hoch angesetzt, vermag dies ebenfalls nicht die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension zu begründen. Die Beschwerdeführer vergleichen hierzu die gutachterlich ermittelten Zuschussbedarfe für zentralörtliche Aufgaben (Tabelle
4-2 des Gutachtens des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus 2013) mit der Schätzung des Gesetzgebers der für das Jahr 2015 konkret zur Verfügung stehenden Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben und stellen eine angebliche Überdotierung der zentralörtlichen Aufgaben in 2015 fest. Dieser Vergleich ist schon in sich nicht schlüssig, da auf der einen Seite mit den Zahlen aus Tabelle 4-2 des Gutachtens des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung Zuschussbedarfe in Euro je Einwohner (90,32 beziehungsweise 55,83 Euro/ Einwohner – und nicht, wie die Beschwerdeführer irrtümlich meinen, Zuschussbedarfe in Millionen Euro) mit einer absoluten Zahl aus der Schätzung für 2015 (202,70 Millionen Euro) auf der anderen Seite verglichen werden, was methodisch unzulässig ist. Hinzu kommt, dass der Vergleich aber auch dann keine Möglichkeit einer Rechtverletzung aufzeigen könnte, wenn er sich durchgängig auf absolute und damit überhaupt vergleichbare Zahlenwerte stützte und zudem diese Zahlen zeigten, dass die Schlüsselmasse im Jahr 2015 mit mehr Mitteln dotiert war als im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegt. Denn dass die Teilschlüsselmasse in Zeiten höheren Steueraufkommens besser dotiert ist als in den vorherigen Zeiträumen, welche dem zitierten Gutachten zugrunde liegen (2009 bis 2011), ist logische Folge der prozentualen Anbindung der Teilschlüsselmassen an die Finanzausgleichsmasse insgesamt. Plausible Rückschlüsse auf eine willkürlich oder systemfremd zu hohe Dotierung der Teilschlüsselmasse ergeben sich hieraus nicht. Mit gleicher Argumentation ließe sich eine „Überfinanzierung“ der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben begründen – denn auch diese Teilschlüsselmasse beruht in ihrem prozentualen Gewicht im vorgenannten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung auf ermittelten durchschnittlichen Zuschussbedarfen in Höhe von 426 Millionen Euro (vgl. Tabelle 5-4), während laut der von den Beschwerdeführern genannten Schätzung für 2015 erheblich mehr, nämlich 642,50 Millionen Euro eingeplant werden können.

131

Zu keiner anderen Bewertung führt der Vortrag zur angeblich unzulässigen Berücksichtigung der Zinslasten zugunsten der kreisfreien Städte und zulasten der Kreisebene. Diesbezüglich fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung, inwieweit gerade die Beschwerdeführer von diesem angeblichen Erhebungsfehler individuell betroffen sind. Konkrete Ausführungen zur Zinsbelastung der Beschwerdeführer finden sich ebenso wenig wie ansatzweise Vergleiche zur Zinsbelastung der Beschwerdeführer im Vergleich etwa zum Landesschnitt oder zur Ebene der kreisfreien Städte.

132

Zuletzt lassen sich auch außerhalb der vorgenannten spezifischen Ausführungen der Beschwerdeführer zu § 4 FAG 2014 keine weiteren Darlegungen finden, aus denen sich den dargestellten Anforderungen entsprechend die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension durch § 4 FAG 2014 ergeben könnte. Deshalb kann offengelassen werden, ob es überhaupt Sache des Landesverfassungsgerichts sein kann, außerhalb des eigentlichen Vortrages zu § 4 FAG 2014 möglicherweise einschlägige weitere Argumentationsstränge aus dem übrigen Vortrag der Beschwerdeführer zusammenzutragen.

133

Soweit die Beschwerdeführer rügen, es habe durchgehend (und damit wohl auch für § 4 FAG 2014) an einer Erhebung der tatsächlich notwendigen Ausgaben statt der bloßen Bezugnahme auf „Ist-Ausgaben“ gefehlt, sind die Anforderungen ebenfalls nicht gewahrt. Denn jedenfalls fehlt es an Ausführungen, inwieweit gerade die Beschwerdeführer konkret und individuell durch das gerügte Abstellen auf Ist-Ausgaben statt auf „notwendige“ Ausgaben sachwidrig benachteiligt werden. Irgendwelche konkreten Divergenzen zwischen notwendigen und Ist-Ausgaben aus dem eigenen Ausgabenverhalten, zumal zulasten der Beschwerdeführer, werden nicht ansatzweise dargelegt.

134

Kein hinreichender Vortrag liegt weiter in der Behauptung, die dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegten Zahlenwerke seien wegen der Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik untauglich. Selbst wenn derartige Umstellungsprobleme bestanden haben sollten, ist hiermit alleine nicht die hinreichende Möglichkeit einer Rechtsverletzung dargelegt. Denn in jedem Fall stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, einen verfassungsgemäßen Kommunalfinanzausgleich unter Verwendung der verfügbaren Datengrundlagen sicherzustellen. Dass der Gesetzgeber mit den vorhandenen – wenn auch möglicherweise nicht optimalen – Zahlenwerken arbeiten musste, legt insoweit einen rechtserheblichen Verfahrensfehler nicht nahe. Ein Verstoß gegen die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Grundsätze wäre vor diesem Hintergrund nur möglich, wenn der Gesetzgeber im konkreten Umgang mit diesem gegebenenfalls bestehenden Problem möglicherweise gerade die Beschwerdeführer oder die Kreisebene als solche benachteiligte. Derartiges ist aber nicht nachvollziehbar dargelegt.

135

Nicht durchzugreifen vermögen schließlich die abstrakten Ausführungen der Beschwerdeführer zur angeblich fehlerhaften Abgrenzung der Gemeinde- und Kreisaufgaben bei den kreisfreien Städten. Jedenfalls fehlt es – erneut in Abgrenzung zur abstrakten Normenkontrolle – an Vortrag zur Relevanz der gerügten Erhebungsfehler für die Beschwerdeführer. Insbesondere ist nicht dargelegt, ob der angebliche Verstoß eine Mittelverschiebung zulasten der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben – und damit zumindest mittelbar nachteilig für die Beschwerdeführer – bewirkt haben soll. Vielmehr ergibt sich aus den „Schlüssigkeitserwägungen“ der Beschwerdeführer selbst, dass durch die angeblichen Erhebungsfehler sogar eine Überdotierung der Teilmasse für Kreisaufgaben erfolgt sein könnte, die sich nach den dortigen Erwägungen dann zugunsten der Beschwerdeführer auswirken würde. Denn wenn – wie von den Beschwerdeführern dargelegt – die Kreisaufgaben bei den kreisfreien Städten um den Faktor 1,8 überbewertet worden sein sollten, so würde sich dies zugunsten der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben und damit zugunsten der Beschwerdeführer auswirken.

136

(2) Soweit eine Verletzung des Anspruchs auf Mindestausstattung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch § 4 FAG 2014 geltend gemacht wird, greift dies nicht durch. Es fehlt insoweit an substantiiertem Vortrag der Beschwerdeführer. Auf die obigen Ausführungen zur Selbstbetroffenheit durch die Bestimmung des § 3 FAG 2014 wird Bezug genommen (siehe oben aa) (3), Rn. 105 ff.).

137

cc) Zu bejahen ist hingegen die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer hinsichtlich § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Die Beschwerdeführer legen den Anforderungen entsprechend hinreichend substantiiert dar, dass für den ländlichen und den städtischen Raum trotz struktureller Unvergleichlichkeit einheitliche Hebesätze gebildet werden, und beanstanden nachvollziehbar, dass bei der Bildung dieser einheitlichen Hebesätze die Daten der kreisfreien Städte zulasten der Kreise ausgeblendet würden. Für jeden Beschwerdeführer wird dabei konkret nachvollziehbar dargelegt, welche Abweichungen sich für die Beschwerdeführer bei der von ihnen begehrten Berechnung ergäben. Auf die auf Seite 94 der Beschwerdeschrift enthaltene Tabelle sowie auf Anlage 6 C des Beschwerdeschriftsatzes wird verwiesen. Sie rügen dabei ausdrücklich eine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes.

138

dd) Hinsichtlich § 9 Abs. 1 und 4 FAG 2014 kann sinngemäß auf die Ausführungen zu § 7 FAG 2014 verwiesen werden. Die Beschwerdeführer beanstanden im Hinblick auf § 9 Abs. 1 FAG hinreichend nachvollziehbar das Fehlen eines Flächenparameters sowie im Hinblick auf § 9 Abs. 1 und 4 FAG 2014 die Einstellung der Soziallastenmesszahl zu ihren Lasten im Rahmen der Berechnung der Höhe der Schlüsselzuweisungen für Kreise und kreisfreie Städte. Für jeden Beschwerdeführer wird konkret nachvollziehbar dargelegt, welche Abweichungen sich für ihn bei der begehrten Berechnung ergäben. Auf die auf Seite 83 der Beschwerdeschrift enthaltene Tabelle sowie auf Anlage 5 hierzu wird verwiesen. Im Rahmen ihrer Ausführungen zu § 9 FAG 2014 beziehen sich die Beschwerdeführer insoweit ausdrücklich auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes. Vortrag, der gegen § 9 Abs. 2 und 3 FAG 2014 gerichtet wäre, liegt hingegen nicht vor.

139

ee) Bezogen auf § 10 FAG 2014 ist weder für Art. 57 Abs. 1 LV (<1>) noch für Art. 54 Abs. 1 und 2 LV die konkrete Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten hinreichend vorgetragen (<2>).

140

(1) Zwar ist eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension durch § 10 FAG 2014 nicht von vornherein ausgeschlossen. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieser Einwand bezogen auf § 10 FAG 2014 überhaupt erhoben worden ist. Die Ausführungen der Beschwerdeführer beziehen sich durchgehend lediglich auf die Höhe der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben insgesamt. Diese Frage ist in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 verortet und betrifft nur diese Bestimmung. In § 10 FAG 2014 ist hingegen die Binnenverteilung innerhalb der als zentralörtlich eingestuften Gemeinden geregelt. Vortrag, der einen Verstoß dieser Bestimmung gegen Art. 57 Abs. 1 LV zum Gegenstand hat, liegt nicht vor.

141

(2) Hinsichtlich Art. 54 Abs.1 und 2 LV ist auf die obigen Ausführungen zu § 3 FAG zu verweisen (siehe oben aa) (3), Rn. 105 ff.).

142

2. Soweit die kommunale Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis zulässig ist, steht ihr nicht der, im schleswig-holsteinischen Verfassungsprozessrecht ohnehin allenfalls eingeschränkt geltende

(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 -, Rn. 29, LVerfGE 23, 361 ff. = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 31; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, NordÖR 2016, 294 ff. = ZNER 2016, 354 ff. = NVwZ-RR 2016, 801 ff., Juris Rn. 21 m.w.N.),

Subsidiaritätsgrundsatz entgegen. Ob insoweit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts Brandenburg zu folgen ist, wonach kommunale Verfassungsbeschwerden unzulässig sein sollen, wenn die Beschwerdeführer nicht zuvor versucht hätten, ihre angeblich unzulängliche Finanzausstattung durch Zahlungen aus dem hierfür vorgesehenen Ausgleichsfonds zu verbessern

(vgl. VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013
- VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 46),

bedarf keiner Entscheidung. Dieser Ansatz könnte allenfalls auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gestützten Verfassungsbeschwerden entgegenstehen, jedenfalls aber nicht den hier allein zulässigen Rügen einer Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes.

143

3. Bedenken hinsichtlich des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses bestehen nicht. Soweit der niedersächsische Staatsgerichtshof erwogen hat, Beschwerden dann wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen, wenn in den streitgegenständlichen Jahren jedenfalls im Ergebnis durch das Verfahren keine Verbesserung mehr eintreten kann, weil die zugrunde liegenden Zuweisungsfestsetzungsbescheide bereits bestandskräftig wurden

(vgl. StGH Niedersachen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn. 49),

wird dem nicht gefolgt. Denn praktisch dürften dann Beschwerdeführer in keinem Fall – und zwar auch nicht im Falle des Obsiegens – eine Änderung der bereits ergangenen Festsetzungsbescheide erreichen können. Bisher hat – soweit ersichtlich – noch kein Landesverfassungsgericht ein Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich ex tunc aufgehoben, sondern stets die Fortgeltung binnen einer Mehrjahresfrist, verbunden mit der Aufforderung zur Nachbesserung, ausgesprochen, und zwar gerade um die landesweite Rückabwicklung aller bereits ergangenen Festsetzungsbescheide zu vermeiden. Folgte man vor diesem Hintergrund dem Ansatz des niedersächsischen Staatsgerichtshofs, forderte man mithin von den Beschwerdeführern die Einlegung eines Rechtsbehelfes, der entgegen dem eigenen Obersatz absehbar nie sein „konkretes praktisches Ziel“, nämlich die rückwirkende Neufestsetzung der begehrten Zuweisung, erreichen kann.

144

Zuletzt lässt der Umstand zwischenzeitlicher (Teil-)Änderungen des streitgegenständlichen Finanzausgleichsgesetzes das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Die allein zulässigerweise angegriffenen § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, und § 9 FAG 2014 sind von den genannten Gesetzesänderungen nicht betroffen.

II.

145

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit des verfahrensgegenständlichen Finanzausgleichsgesetzes (1.). Die zulässigerweise angegriffenen Vorschriften der § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 FAG 2014 – nicht § 9 Abs. 4 FAG – verletzten die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 57 Abs. 1 LV (2.). Ob daneben ihre Rechte aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verletzt sind, kann dahinstehen (3.).

146

1. Bedenken hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Gesetzes bestehen nicht. Verfahrensfehler im Gesetzgebungsprozess sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

147

Dies gilt auch für die Beteiligung der kommunalen Ebene im Gesetzgebungsverfahren. Andere Verfassungsgerichte haben den jeweils einschlägigen Landesverfassungen zwar formelle Beteiligungsrechte entnommen

(StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 90 ff.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 213; a.A.: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297 ff., Juris Rn. 126; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsMBl 2008, ff., Juris Rn. 70; offen gelassen: StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn.173).

148

Für eine entsprechende Auslegung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344), in deren Rahmen keine Beteiligungsrechte aufgenommen wurden. Ferner ist zumindest fraglich, ob das Argument der vorgenannten Verfassungsgerichtshöfe, es sei unmöglich, auf anderem Wege einen Schutz der finanziellen Ausstattungsansprüche zu gewährleisten, (noch) greift. Denn in einer ganzen Reihe von Bundesländern (insb. Hessen, Niedersachsen, Thüringen) wurden mittlerweile von den jeweiligen Verfassungsgerichten praktikable Vorgaben für die gesetzgeberische Entscheidungsfindung und die Sachverhaltsermittlung eingefordert und in der Folge hierzu Modelle der Umsetzung entwickelt. Die Einführung der in § 29 FAG 2014 vorgesehenen, umfassenden kommunalen Beteiligungsrechte („Beirat für den kommunalen Finanzausgleich“) stellt sich vor diesem Hintergrund als autonome gesetzgeberische Entscheidung dar; von Verfassungs wegen erforderlich sind derartige Beteiligungsrechte nicht.

149

2. Die angegriffenen Vorschriften über die der Ermittlung der Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 (a) sowie über die Berechnung der Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte in § 9 FAG 2014 (b) verletzen die Beschwerdeführer in ihren aus Art. 57 Abs. 1 LV fließenden Rechten.

150

a) Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 enthaltenen Regelungen zur Ermittlung der den Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze verletzen die Beschwerdeführer in ihren aus Art. 57 Abs. 1 LV herrührenden Rechten, insbesondere in dem hierin integrierten Gebot der Systemgerechtigkeit.

151

aa) Keine Verletzung des Gebotes der Systemgerechtigkeit oder des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes vermag das Gericht dabei allerdings in der Verwendung undifferenzierter fiktiver Hebesätze an sich zu erblicken. Maßgeblich ist dabei erneut nicht, ob der Normgesetzgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung gewählt hat. Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes prüft das Gericht nur, ob der vorliegende Verzicht auf die Bildung von typisierenden Untergruppen nachvollziehbar und vertretbar ist.

152

Die Verwendung fiktiver Hebesätze ist dabei für sich betrachtet vertretbar. Das Land darf verhindern, dass sich eine Gemeinde durch besonders niedrige Hebesätze selbst „bedürftig macht“, um entweder Leistungen aus Landesmitteln zu erhalten oder einer Umlage zu entgehen

(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 - Rn. 40, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 -, BVerfGE 23, 353 ff., Juris Rn. 47 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 26; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, NWVBl 1998, 390 ff., Juris Rn. 109; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 -, LVerfGE 17, 410 ff., Juris Rn. 134; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 118 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. August 2013 - VfGBbg 53/11 -, DVBl 2013, 1180 ff., Juris Rn. 86 f.; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <711>; Droege, NWVBl 2013, 41 <42>).

153

Es besteht dabei auch keine verfassungsrechtlich unterlegte Pflicht des Gesetzgebers, bei der Ausbildung der fiktiven Sätze nach weiteren Kriterien (etwa Lage oder Größe der Kommunen) zu differenzieren. Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist dabei erneut ein gesetzgeberischer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Kommunalfinanzausgleichs. Das Gericht prüft vor diesem Hintergrund lediglich, ob der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf ausdifferenzierte Hebesätze seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum verlassen hat. Dies ist nicht der Fall.

154

Die gesetzgeberische Entscheidung, unter Verweis auf das Fehlen einer wissenschaftlich unumstrittenen Methode von einer Staffelung abzusehen, stellt sich jedenfalls nicht als unvertretbar dar. Tatsächlich ist es der Finanzwissenschaft bis heute nicht gelungen, eine allseits akzeptierte und hinreichend handhabbare, das heißt nicht übermäßig komplexe Methode eventueller Staffelungen von anzusetzenden Hebesätzen zu entwickeln. Insbesondere die Tauglichkeit der etwa denkbaren Parameter „Gemeindegröße“ oder „Industrialisierungsgrad“ zur realitätsnäheren Abbildung der Anspannungspotenziale der Hebesätze wird uneinheitlich bewertet. Auch eine mögliche Differenzierung nach Kernstädten, Umlandbereichen und ländlichem Raum findet keine uneingeschränkte Zustimmung

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 116; Droege, NWVBl 2013, 41 <43>).

155

Selbst die Verfechter der Vorzugswürdigkeit gestaffelter Hebesätze gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass – aus ihrer Sicht – Staffelungen zwar vorzugswürdiger seien, dass der Gesetzgeber insoweit aber von Verfassungs wegen dazu nicht zwingend angehalten sei

(vgl. Droege, NWVBl 2013, 41 <43>, a.A.: Henneke, in: Henneke/ Pünder/ Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25 Rn. 39).

156

bb) Als jedenfalls anhand der Gesetzesbegründung nicht nachvollziehbar und damit willkürlich stellt sich hingegen die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 festgeschriebene Ermittlung der jeweiligen durchschnittlichen Hebesätze allein auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereiches dar, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes nach der Regelung vollständig unberücksichtigt bleiben sollen.

157

Entscheidungsmaßstab ist das Willkürverbot, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit. Aus diesem folgt, dass der Verfassung zwar keine konkrete Herangehensweise zu entnehmen ist, der der Gesetzgeber zu folgen hätte, dass der Gesetzgeber aber von dem selbst gewählten System
– hier der Hebesatzberechnung als landesweitem Durchschnittswert – nicht ohne nachvollziehbaren Grund abweichen darf.

158

Für die konkrete Hebesatzbildung sind jedoch keine gesetzgeberischen Erwägungen erkennbar, die die Ausklammerung der Daten der kreisfreien Städte aus der ansonsten durchgehenden Hebesatzberechnung auf Basis aller Gemeinden des Landes als zumindest vertretbar erscheinen lassen könnte. Weshalb hier bei der Definition eines im Übrigen landeseinheitlichen Durchschnitts die Daten der kreisfreien Städte vollständig ausgeblendet werden, erschließt sich nicht aus dem Gesetz selbst und ist auch weder in der Gesetzesbegründung noch in den veröffentlichten Materialien oder im Verfahren näher begründet. Die Herangehensweise steht dabei auch in einem nicht nachvollziehbarem Gegensatz zu der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das sogenannte Zwei-Säulen-Modell, welches eine Differenzierung nach Art der Körperschaft (hier: zwischen kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten) gerade nicht vorsieht.

159

Auch im Vergleich mit der Rechtslage in anderen Bundesländern erscheint die gewählte Regelung begründungsbedürftig. In den Parallelregelungen der Länder mit fiktivem Hebesatz und vergleichbarer Regelungstechnik basiert die Durchschnittsberechnung auf den Daten aller Kommunen, das heißt auch der kreisfreien Städte

(vgl. etwa: § 9 Abs. 4 Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz vom 29. Juni 2004 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 2016 ; § 8 Sächsisches Finanzausgleichsgesetz vom 21. Januar 2013 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 ).

Zugunsten der schleswig-holsteinischen Regelung kann nicht angenommen werden, dass es sich um den Fall einer Typisierung oder Pauschalisierung handeln könnte, die für sich gesehen noch zu tolerieren sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die im selbstgewählten System an sich folgerichtige Einbeziehung auch der Werte der kreisfreien Städte einen irgendwie gearteten Mehraufwand bedeutet hätte, der das Abweichen von dem ansonsten konsequent angewandten System der Hebesatzberechnung rechtfertigen könnte. Soweit daneben weitere, möglicherweise vertretbare Gründe für die getroffene Regelung vorliegen sollten, sind diese jedenfalls bis nicht transparent gemacht worden.

160

Vor dem Hintergrund der damit ohnehin erforderlichen Neufassung der Bestimmungen zur Ermittlung der Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 kann dahinstehen, ob sich die – ebenfalls von den Beschwerdeführern angegriffene – Gewichtung des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 % als willkürlich darstellt. Dahingestellt bleiben kann insoweit insbesondere, ob die in der Gesetzesbegründung hierzu dokumentierte Überlegung ausreicht. Dort ist als Grund für die Erhöhung des Faktors von vormals 90 % auf 92 % angegeben, dass derart ein Gleichlauf der in den zugrunde liegenden Gutachten in die Berechnungen eingestellten Beträge mit den letztlich nach Berücksichtigung aller Reformergebnisse einzustellenden Beträgen (Vergleichsjahr 2014) hergestellt würde. Ohne die Korrektur würde das Umlagevolumen im Vergleichsjahr 2014 um 12,6 Millionen Euro geringer ausfallen, als im Gutachtenergebnis zugrunde gelegt.

161

c) Eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch § 9 FAG 2014 vermag das Gericht nur im Hinblick auf fehlende Erwägungen zur Einführung eines Parameters zur Erfassung rauminduzierter Bedarfe zu erblicken (bb). Im Übrigen sind keine Verletzungen von Art. 57 Abs. 1 LV festzustellen (aa).

162

aa) Die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Anforderungen werden durch die Einführung des in § 9 FAG 2014 enthaltenen Soziallastenparameters nicht verletzt.

163

(1) Durchgreifende Einwände gegen die Einführung eines Parameters für Soziallasten an sich bestehen nicht. Die Etablierung eines derartigen Parameters stellt sich jedenfalls als vertretbar dar. Der Gesetzgeber hat sich eingehend mit den Vor- und Nachteilen eines derartigen Parameters auseinandergesetzt. Auf die ausführlichen Ausführungen in dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 wird Bezug genommen

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 59 ff.).

164

Gründe, die dort dokumentierten Erwägungen als willkürlich oder nicht mehr vertretbar einzustufen, liegen nicht vor. Im Übrigen wird in der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte – dort ebenfalls vor dem Hintergrund entsprechender Gutachten – eine derartige Regelung für grundsätzlich zulässig erachtet

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012
- VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, Gemeindehaushalt 2016, 163 ff., Juris Rn. 66 ff.).

165

(2) Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Vorbehalte bestehen des Weiteren hinsichtlich der Gewichtung dieses zulässigerweise neu eingeführten Parameters. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber insoweit seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle ist des Weiteren die Frage, welches Gewicht diesem Parameter bei der Verteilungsentscheidung zukommt, wobei dies zumindest willkürfrei und vertretbar gelöst werden muss

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012
- VGH N 3/111 -, a.a.O., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, a.a.O., Juris Rn. 69 ff.).

166

Dies ist hier geschehen, und zwar sowohl bezogen auf die absolute Höhe des die Soziallasten maßgeblich determinierenden Vervielfältigungsfaktors als auch bezogen auf das Gewicht der sich hieraus in Verbindung mit der Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften ergebenden Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem.

167

Die absolute Höhe des die Soziallasten wiedergebenden Vervielfältigungsfaktors von 3.411 Euro ist nicht willkürlich gegriffen, sondern beruht nachvollziehbar auf der Zusammenschau der im ganzen Land Schleswig-Holstein anfallenden Zuschussbedarfe für soziale Lasten im Bemessungszeitraum, welche nach dem in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Erstgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung 56,7 % der Zuschussbedarfe insgesamt ausmachten, und der ministeriell erhobenen Anzahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften von Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende.

168

Auch das relative Gewicht der Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem des § 9 FAG 2014 erweist sich jedenfalls als nicht willkürlich. Dabei ist vorab festzustellen, dass sich bereits aus der gesetzlichen Konzeption ergibt, dass der Soziallastenmesszahl keine über die Jahre statische, etwa feste prozentuale Gewichtung zukommen soll. Insbesondere wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens offenkundig die zunächst erwogene Bildung von prozentual festgeschriebenen Teilmassen für Soziallasten einerseits und sonstige Ausgaben andererseits aufgegeben. Stattdessen wurde ein Modell gewählt, in dem die Gewichtung des Soziallastenfaktors im Verhältnis zu den anderen Parametern schwankt. Zur Veranschaulichung dieser Modellbildung sei auf die im Folgenden nochmals wiedergegebene Formel verwiesen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl – = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

169

Setzt man in diese bei gleichbleibender Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften etwa eine hohe Teilschlüsselmasse – und damit im Ergebnis auch einen hohen Grundbetrag – ein, ergibt sich eine im Verhältnis zur (betragsmäßig festgeschriebenen) Soziallastenmesszahl hohe Ausgangsmesszahl. Setzt man hingegen eine geringe Teilschlüsselmasse – und damit einen niedrigen Grundbetrag – an, schwindet die Bedeutung der Ausgangsmesszahl im Verhältnis zur (gleichbleibenden) Soziallastenmesszahl. Entsprechend schwankt das faktische Gewicht der Soziallastenmesszahl gegenüber dem Gewicht der Ausgangsmesszahl jährlich in Abhängigkeit von der Größe der anderen Parameter. Ist zum Beispiel die Teilschlüsselmasse – etwa rezessionsbedingt – schlecht dotiert, kommt der Soziallastenmesszahl ein größeres Gewicht zu; ist die Teilschlüsselmasse gut dotiert, schwindet das Gewicht der Soziallastenmesszahl.

170

Diese Ausgestaltung ist vertretbar. Ihr liegt die nicht zu beanstandende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass es sich beim Vervielfältigungsfaktor um eine empirisch verhältnismäßig statische und wenig wandlungsanfällige Größe handelt, die entsprechend absolut festgeschrieben werden kann. Diese Einschätzung wird auch vom eingeholten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gestützt, in dem die Gutachter nachvollziehbar darlegen, dass sich die soziallastenbedingten Kosten ganz überwiegend unmittelbar aus den gesetzlichen Vorgaben erklären und entsprechend stabil sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 61, 3. und 4. Absatz).

171

Allerdings birgt der gebildete Mechanismus das Potential, dass in Zeiten steuereinnahmebedingt schlechter Ausstattung der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben die Gewichtung des Soziallastenparameters über Gebühr steigt und es dann zu einer Sicherstellung der Deckung soziallastenbedingter Kosten auf Kosten der anderen, ebenfalls pflichtigen Aufgaben, kommt. Infolge der Regelungssystematik würden dann nämlich die Soziallasten weiterhin in vollem Umfang berücksichtigt, während die übrigen kommunalen Angelegenheiten vergleichsweise unterfinanziert blieben. Im Ergebnis würden so erheblich mehr als die gutachterlich festgelegten 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Wie ein derartiger Zustand im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip (Art. 57 Abs. 2 LV) zu beurteilen wäre, kann jedoch für dieses Verfahren dahinstehen. Denn jedenfalls in den Finanzausgleichsjahren 2015 und 2016 wurden wegen einer Dotierung der Finanzausgleichsmasse, die im Vergleich zur der dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Prognose überdurchschnittlich ausgestattet war, wesentlich weniger als 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Insoweit besteht aber eine besondere Beobachtungspflicht des Gesetzgebers.

172

Aus diesen Ausführungen folgt zugleich, dass der Vorwurf der Beschwerdeführer wie des Landkreistages, die Schlüsselzuweisungen an die Körperschaften mit vielen Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II fielen überproportional hoch aus, währendwegen der Begrenztheit der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel (§§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 FAG 2014) – die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe unangemessen niedrig ausfielen, nicht zutrifft. Wie aufgezeigt ist in Folge der gewählten Ausgestaltung derzeit sogar das Gegenteil der Fall: Wegen der gegenwärtigen Dotierung der Teilschlüsselmasse mit höheren Beträgen als im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt, werden relativ mehr Mittel über die Ausgangsmesszahl – und nicht über die Soziallastenmesszahl – verteilt, als dies einer Verteilung mit zwei Sonderansätzen mit einer festgeschriebenen Gewichtung von 56,7 beziehungsweise 43,3 % entspräche. Richtig ist allenfalls, dass nach dem gewählten System Körperschaften mit einem hohen Anteil an Personen in Bedarfsgemeinschaften verhältnismäßig höhere Schlüsselzuweisungen erhalten als Körperschaften mit einem geringeren Anteil. Solange aber – wie derzeit – die Gewichtung des diesem Mechanismus zugrunde liegenden Soziallastenparameters vertretbar ist, ist dies für sich genommen nicht zu beanstanden. Denn, wie in dem der Gesetzesfassung zugrunde liegenden Gutachten nachvollziehbar dargelegt, korrelieren mit der Zahl an Personen, die Leistungen nach dem SGB II benötigen, auch in erheblichem Maße höhere Kosten.

173

Unzutreffend ist weiter die Behauptung der Beschwerdeführer, dass der Bedarf für Soziallasten „doppelt, und damit im Vergleich zu anderen Bedarfen überproportional und asymmetrisch“ berücksichtigt werde, da der Bedarf für Soziallasten einerseits „bereits in der Ausgangsmesszahl abgebildet“ sei, dann aber erneut durch Abzug von der Umlagekraftmesszahl herangezogen werde und derart auf der Einnahmenseite die Finanzkraft der Kommunen erneut mindere.

174

Dieser Argumentation liegt die intuitiv naheliegende, aber im Ergebnis unzutreffende Vorstellung zugrunde, der Mechanismus des § 9 FAG 2014 bestehe aus einer „Ausgabenseite“ und einer „Einnahmenseite“. Auf der „Ausgabenseite“ (dargestellt durch die Ausgangsmesszahl) gingen alle tatsächlichen Bedarfe in die Berechnung ein und würden sodann mit der Einnahmenseite zur Ermittlung des Defizits gespiegelt. Diese Vorstellung von der Wirkweise des § 9 FAG 2014 übersieht jedoch, dass die Ausgangsmesszahl nicht den kommunalen „Bedarf“ wiedergibt, sondern über die Determinierung durch den Grundbetrag lediglich eine bloße Recheneinheit darstellt. Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit dem Grundbetrag. Die Ausgangsmesszahl hat damit nichts mit irgendwie gearteten „tatsächlichen kommunalen Bedarfen“ zu tun. Durch sie wird nur bewirkt, dass die jeweiligen Einwohnerzahlen in die Berechnungsgleichung eingehen sowie dass – über den vollständig von den anderen Parametern abhängigen Grundbetrag – sichergestellt ist, dass die sich ergebenden Schlüsselzuweisungen die hierfür verfügbare Teilschlüsselmasse voll ausschöpfen, aber nicht übersteigen. Die Ausgangsmesszahl ist damit keine echte „Bedarfsgröße“, sondern vielmehr eine reine Recheneinheit mit den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag, wobei der Grundbetrag nicht durch irgendwie geartete Bedarfe für wie auch immer geartete Aufgabenbereiche unterlegt ist. Anschaulich wird dies, wenn man sich vor Augen hält, dass die Höhe des Grundbetrages und damit auch der Ausgangsmesszahl (auch) abhängig ist von der Höhe der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben. Sinkt die Teilschlüsselmasse in einem gegebenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr, sinkt damit qua Definition auch der Grundbetrag und damit die Ausgangsmesszahl. Mit den kommunalen Bedarfen hat dies aber offensichtlich nichts zu tun: Nur weil die Teilschlüsselmasse sinkt, vermindern sich nicht auch die kommunalen Bedarfe. Bereits dies verdeutlicht, dass die Ausgangsmesszahl Bedarfe nicht widerspiegelt und nicht beansprucht, dies zu tun

(zur vergleichbaren Situation in Nordrhein-Westfalen: „Der Grundbetrag (…) ist eine rechnerische Hilfsgröße und wird so festgelegt, dass die zu verteilende Schlüsselmasse vollständig ausgeschöpft wird. (…) Die Ausgangsmesszahl ist somit eine unechte Bedarfsgröße und darf daher nicht als Maß für die von einer Kommune zur Deckung der tatsächlichen Ausgaben benötigten Finanzmittel missverstanden werden“ (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Gutachten zur Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen, 2013, S. 23 ff.).

175

Entsprechend trägt die (ebenso im Schriftsatz des Landkreistages vertretene) Grundannahme nicht, der Bedarf für Soziallasten sei in der Ausgangsmesszahl „bereits abgebildet“ und werde daher „doppelt“ in Ansatz gebracht. Da die Ausgangsmesszahl keine Bedarfe und dementsprechend keine Sozialkostenbedarfe widerspiegelt, findet folglich auch keine doppelte Einbeziehung der Sozialkostenbedarfe statt. Diese gehen nur einmal (und das wie alle anderen Parameter mit einer Reduktion auf 85 %) in die Gesamtrechnung ein.

176

Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung durch § 9 FAG 2014 ebenfalls nicht erkennbar.

177

Nicht durchgreifend ist weiter der Vortrag der Beschwerdeführer zu angeblich unzutreffenden Zahlen im Gesetzgebungsverfahren. Gemessen an den obigen Feststellungen nicht nachvollziehbare Daten vermag das Gericht in den maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien nicht festzustellen. Die Darlegungen der Beschwerdeführer beruhen auf einer Formelbildung, die nicht geeignet ist, den gesetzgeberisch vorgegebenen Zuweisungsmechanismus abzubilden. Denn entgegen der Gesetzeskonzeption unterwirft die von den Beschwerdeführern gebildete Formel auch die Schlüsselzahl einer Multiplikation mit dem Faktor 0,85 und kommt daher notwendigerweise zu unzutreffenden Ergebnissen. Tatsächlich ist derartiges im Gesetz jedoch an keiner Stelle vorgesehen.

178

bb) Jedoch stellt sich § 9 Abs. 1 FAG im Hinblick auf die gesetzgeberische Behandlung rauminduzierter Kosten als verfassungswidrig dar. Art. 57 Abs. 1 LV ist zwar insoweit keine Aussage dahingehend zu entnehmen, dass etwaige rauminduzierte Kosten der Aufgabenerfüllung – vor allem denkbare Mehrkosten der Aufgabenerledigung auf ausgedehnter Fläche oder aber etwaige Kosten aufgrund sonstiger naturräumlicher Besonderheiten (wie etwa in Schleswig-Holstein mehrfach gegebene Insellagen) – auf jeden Fall einer gesonderten Erhebung bedürfen. Maßstab der Prüfung ist vielmehr nur, ob der hier vorliegende Verzicht auf die Erhebung etwaiger raumbedingter Kosten sachlich zumindest vertretbar war.

179

In der einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung sowie in der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur wird insoweit nachvollziehbar davon ausgegangen, dass erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass insbesondere Fläche ein kostenerhebliches Kriterium sein könnte, etwa hinsichtlich der Straßenbaulast, aber auch bezüglich zahlreicher anderer Kreisaufgaben (beispielsweise Naturschutz, Landwirtschaftswesen, Veterinärwesen, Abfallwirtschaft, Rettungswesen, ÖPNV)

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 146 f.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.; Henneke, NdsVBl 2013, 121 <126>, Wohltmann, Der Landkreis 2016, 501 <530>; weiterführend: Kirchhof/ Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, 1996).

Dieser Befund wird nicht zuletzt auch von dem zugrunde liegenden Gutachten selbst nahe gelegt. Das Gutachten geht davon aus, dass bestimmte Kostenarten im ländlichen Raum stärker ins Gewicht fallen als im Verdichtungsraum:

Die Zuschussbedarfe der Gemeindeebene sind vor allem in der allgemeinen Verwaltung höher als in den kreisfreien Städten. Dies liegt sehr wahrscheinlich an der stärker dezentralen Verwaltungsstruktur im kreisangehörigen Raum (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 16)

Dass gleiches für Insellagen gilt, liegt schon im Hinblick auf die Erreichbarkeit und den deshalb für die dortige Aufgabenerledigung erhöhten Aufwand nahe.

180

Hieraus folgt im Rahmen der von dem Gericht allein durchzuführenden Vertretbarkeitsprüfung, dass der Gesetzgeber zumindest eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Problematik schuldet. Auf die Berücksichtigung des Parameters Raum kann er nur dann verzichten, wenn er hierfür nachvollziehbare Gründe erhoben und dokumentiert hat

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 -, NdsVBl 2001, 184 ff., Juris Rn. 140; wohl auch BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 317 ff.).

181

Vorliegend befassen sich allerdings weder das zugrunde liegende Gutachten noch die Gesetzesbegründung eingehend mit der Materie. Im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Flächenindikator erforderlich ist, nicht enthalten. Auch die Gesetzesbegründung zeigt, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit dem evtl. gegebenen Erfordernis der Einführung eines konkreten Flächenparameters nicht stattgefunden hat. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich vielmehr, dass man sich mit dieser Fragestellung allein deshalb nicht auseinandersetzte, um den Finanzausgleich nicht weiter zu verkomplizieren. Insoweit heißt es in der Gesetzesbegründung:

Es werden keine zusätzlichen Verteilungskriterien für Fläche bei den Kreisen oder für Bildungsaufwand bei den Gemeinden eingeführt. Solche Kriterien machten den Finanzausgleich komplizierter, ohne dass die Verteilungswirkung den kommunalen Bedarfen notwendigerweise besser gerecht würde. (…). Auch das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung empfiehlt, über den Soziallastenansatz auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte hinaus mit weiteren Nebenansätzen zurückhaltend umzugehen (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 47).

182

Diese Erwägung allein vermag jedoch keine hinreichende Begründung für die Nichtberücksichtigung abzugeben. Denn ob der in sich vertretbare Gesichtspunkt, die gesetzliche Regelung möglichst nicht weiter zu verkomplizieren, trägt, lässt sich nur in Abwägung mit den damit einhergehenden Nachteilen im Hinblick auf das Gebot einer dem interkommunalen Gleichbehandlungsgebot genügenden Ausgestaltung des Finanzausgleichs beantworten. Diese Abwägung erfordert jedoch, dass sich der Gesetzgeber die für einen Flächenansatz sprechenden Gesichtspunkte und die Ausgestaltungsmöglichkeiten zumindest im Ansatz vergegenwärtigt.

183

Für das Erfordernis einer substantiellen Auseinandersetzung mit der Frage der Berücksichtigung rauminduzierter Bedarfe spricht dabei im Übrigen die Argumentation der Landesregierung in dem vorliegenden Verfahren. Diese meint, dass eine Berücksichtigung von Deglomerationskosten nur dann erforderlich sei, wenn auch Agglomerationskosten berücksichtigt würden

(so wohl auch VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18 Mai 2006
- VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.).

Letzteres sei in Schleswig-Holstein aber nicht der Fall.

184

Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Entgegen den Ausführungen der Landesregierung sind Agglomerationseffekte durchaus berücksichtigt. Denn in seiner praktischen Wirkung stellt die Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte (bis hinab zum Unterzentrum, vgl. § 10 FAG 2014) einen Indikator für Agglomerationseffekte dar. Dem kann nicht durchgreifend entgegengehalten werden, dass § 10 FAG 2014 nicht formell an die Bevölkerungsdichte anknüpft, sondern an Maßstäbe des Landesplanungsrechts. Denn im Ergebnis werden auch hier – wenn auch mit anderer Regelungstechnik – Agglomerationseffekte zur Mittelverteilung herangezogen. Dies zeigt sich schon bei Betrachtung der Ergebnisse der Verteilung der Teilschlüsselmasse nach § 10 FAG 2014. Hiernach werden etwa im Finanzausgleichsjahr 2016 über 70 % der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben an die vier Oberzentren (Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster) sowie die vierzehn Mittelzentren (Brunsbüttel, Heide, Mölln, Husum, Eutin, Elmshorn, Eckernförde, Rendsburg, Schleswig, Bad Segeberg, Kaltenkirchen, Itzehoe, Bad Oldesloe) vergeben. Nur ca. 6 % der Teilschlüsselmasse erreichen hingegen ländliche Zentralorte beziehungsweise Stadtrandkerne I. Ordnung, nur ca. 4% Stadtrandkerne II. Ordnung

(Erlass Kommunaler Finanzausgleich 2016 des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten, 18. Januar 2016, Anlage 5 und 8).

185

Die Verknüpfung der Einstufung als Ober- und Mittelzentrum mit Agglomerationseffekten ist dabei nicht zu verkennen. Auch insoweit bestünde hier hinreichend Grund für eine fundierte Entscheidung, ob nicht im Flächenland Schleswig-Holstein begleitend auch die Einführung eines Flächen- oder sonstwie raumbezogenen Indikators geboten erscheint.

186

Entsprechend ist insoweit die Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 1 FAG 2014 festzustellen, bei dessen Regelung es der vertieften gesetzgeberischen Auseinandersetzung mit der Frage nach einem ergänzenden flächenabhängigen weiteren Parameter bedurft hätte. Einer darüber hinausgehenden Feststellung der Verfassungswidrigkeit der in § 9 Abs. 4 FAG 2014 enthaltenen Einzelregelungen bedarf es hingegen aus den vorgenannten Gründen nicht.

187

3. Im Übrigen gibt das vorliegende Verfahren keinen Anlass, eine Überprüfung der zulässigerweise angegriffenen §§ 7 und 9 FAG 2014 auch anhand des Art. 54 Abs. 1 und 2 LV vorzunehmen. Offen gelassen werden kann damit sowohl, ob die durch Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gewährleistete Mindestausstattung (wie der Anspruch auf angemessene Ausstattung aus Art. 57 Abs. 1 LV) unter Leistungsfähigkeitsvorbehalt steht

(für den dortigen Verfassungsraum ablehnend: VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007
- VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff., sowie für Art. 28 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff, , Juris Rn. 20 ff.; a.A. für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008
- StGH 2/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 41 ff.; LVerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 23; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012
- LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 97 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.),

als auch, ob Art. 54 Abs. 1 und 2 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch jeder einzelnen Kommune oder lediglich eine institutionelle Garantie bezogen auf die Gesamtheit der Kommunen enthält

(lediglich institutionelle Garantie: VerfGH NRW, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38; wohl auch: VerfGH Bayern, Entscheidung vom 6. Februar 2007 - Vf. 14-VII-04 - VerfGHE BY 60, 30 ff., Juris Rn. 47; auch individueller Mindestanspruch: VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff, Juris Rn. 112, LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297, Juris Rn. 110; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 194; von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 49 Rn. 13; weiterführend: Volkmann, DÖV 2001, 497 <504>).

188

Im Hinblick auf die §§ 7 und 9 FAG 2014 enthält Art. 54 Abs. 1 und 2 LV jedenfalls keine Anforderungen, die zur Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen führen könnten – und zwar auch dann nicht, wenn Art. 54 Abs. 1 und 2 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch enthalten sollte. Diesen Mindestausstattungsanspruch müsste der Gesetzgeber in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht notwendigerweise über eine ausnahmslos jedem Einzelfall gerecht werdende Ausgestaltung der Verteilungsbestimmungen der §§ 5 ff. FAG 2014 sicherstellen. Denn dann wären die in dem komplexen System des Finanzausgleichs zwingend notwendigen Generalisierungen und Pauschalisierungen zur Ermittlung der jeweils erforderlichen Finanzmittel erschwert bis unmöglich, zumal in Schleswig-Holstein mit seiner Vielzahl mit Blick auf Ausgabenbelastungen, Einnahmemöglichkeiten und spezifischen örtlichen Rahmenbedingungen höchst unterschiedlich strukturierter Kommunen. Die Gewährleistung der individuellen Mindestausstattung müsste dann allerdings über einen gesonderten Mechanismus zum Ausgleich sich gegebenenfalls aus dem Gesamtsystem der §§ 5 ff. FAG 2014 ergebender Unterfinanzierungen sichergestellt werden

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfGBbg 28/98 -, a.a.O., Juris Rn. 112).

189

Ein solcher Mechanismus ist in Schleswig-Holstein über § 12 FAG gegeben, der von den Beschwerdeführern weder nach Höhe noch mit Blick auf seinen Regelungsinhalt angegriffen wird. Gemäß § 12 FAG 2014 können Gemeinden und Kreise, die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz ausgleichen können, Fehlbetragszuweisungen erhalten. Die Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 12

Fehlbetragszuweisungen

(1) Gemeinden und Kreise die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach diesem Gesetz ausgleichen können, können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich von unvermeidlichen Fehlbeträgen oder Jahresfehlbeträgen der abgelaufenen Haushaltsjahre erhalten. ln Ausnahmefällen können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich eines voraussichtlichen unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages des laufenden Haushaltsjahres gewährt werden.

(2) Bei der Feststellung des unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages müssen diejenigen Beträge außer Ansatz bleiben, die durch Ausgaben oder Aufwendungen entstanden sind, die nicht als unbedingt notwendig anerkannt werden können, oder die durch eigene Einnahmen oder Erträge abgedeckt werden können, wenn alle Einnahme- oder Ertragsquellen in zumutbarem Umfang ausgeschöpft werden. Davon abweichend werden bei den Kreisen und Städten, die der Kommunalaufsicht des für Inneres zuständigen Ministeriums unterstehen, jeweils zwei Drittel der bis zum Ende des Jahres 2014 aufgelaufenen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge sowie der ab 2015 entstehenden neuen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge als unvermeidlich anerkannt.

(3) Gemeinden und Kreisen können Fehlbetragszuweisungen aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bereitgestellten Mitteln gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag mindestens 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium. Vor der Entscheidung sollen die Landesverbände der Gemeinden und Kreise gehört werden.

(4) Kreisangehörigen Gemeinden, die der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats unterstehen, können aus eigenen Mitteln des Kreises Fehlbetragszuweisungen gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag weniger als 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet der jeweilige Kreis. Zur Finanzierung der Fehlbetragszuweisungen nach Satz 1 stellt jeder Kreis einen Betrag in Höhe von mindestens 0,5 % seiner Einnahmen oder Erträge aus den Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten (§ 9 Absatz 1) und der Kreisumlage (§ 19 Absatz 2) bereit.

(5) - (6) […]

III.

190

§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 FAG 2014 verstoßen danach gegen Art. 57 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. Dies führt jedoch nicht zur beantragten Nichtigkeit dieser Vorschriften, sondern zur Erklärung ihrer Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung. Sie bleiben weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist bis zum 31. Dezember 2020 zu einer verfassungsmäßigen Neuregelung verpflichtet.

191

Die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit (§ 42 Satz 1, vgl. auch § 46 Satz 2 und § 48 LVerfGG). Aus-nahmsweise sind die Vorschriften jedoch nur für unvereinbar mit der Landesverfassung zu erklären

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, SchlHA 2010, 131 = NordÖR 2010, 155 ff. = VR 2011, 65 ff., Juris Rn. 106).

192

Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier vor. Eine – rückwirkende –Nichtigerklärung kommt schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Hierdurch würden die bereits erfolgten Festsetzungen von Gemeinde- und Kreisschlüsselzuweisungen nach §§ 5 ff., 9 FAG 2014 ihre Rechtsgrundlage verlieren.

193

Auch die bloße Unvereinbarkeitserklärung hätte allerdings grundsätzlich zur Folge, dass die betroffenen Normen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen. Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber ganz oder teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, a.a.O., Juris Rn. 108).

194

So liegt es hier. Ohne weitere Anwendung der fraglichen Bestimmungen wären neue Festsetzungen über Zuweisungen an die kommunalen Aufgabenträger bis zum Abschluss des nunmehr erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr möglich. Ein derartiges sofortiges Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschriften wäre mit einer geordneten Finanz- und Haushaltswirtschaft unvereinbar. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung darf der kommunale Finanzausgleich auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes, auch soweit sie verfassungswidrig sind, weiterhin durchgeführt werden.

195

Für die Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2020 zur Verfügung. Zwar kommt als angemessene Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage grundsätzlich die Dauer einer Legislaturperiode in Betracht

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 - Rn. 106, a.a.O., Juris Rn. 113).

Vor dem Hintergrund der im Jahr 2017 neu anlaufenden Legislaturperiode sowie unter Berücksichtigung der erheblichen Bedeutung einer verfassungskonformen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs für alle schleswig-holsteinischen Kommunen ist jedoch ein kürzerer Zeitraum angemessen. Der gewählte Zeitraum erscheint insoweit erforderlich, aber auch ausreichend, um die zur Feststellung des finanziellen Mindestbedarfs der Kommunen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und im Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.

IV.

196

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

V.

197

Das Urteil ist einstimmig ergangen.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.