Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Am 6. November 2014 beantragte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3
In der Befragung beim Bundesamt vom 6. November 2014 gab er unter anderem an, am 5. September 2014 mit einem gefälschten Pass in die Türkei eingereist zu sein. Nach ca. zwei Wochen sei er mit dem Boot nach Griechenland gefahren. Sodann sei er auf der Ladefläche eines LKW durch ihm unbekannte Länger nach Deutschland gefahren.
4
Das Bundesamt richtete nach der Ermittlung eines Treffers in der VIS-Datenbank vom 7. November 2014 (ITA000000000) am 22. Dezember 2014 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Italien.
5
Mit Bescheid vom 24. Februar 2015, dem Kläger zugestellt am 28. Februar 2015, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass Deutschland infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Die Dublin III-VO ordne unmissverständlich an, dass der ersuchende Aufnahmestaat zuständig werde, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen sei. Die Nichtdurchführung der Abschiebung sei dem Asylbewerber nicht anzulasten, wenn er nicht untergetaucht sei. Die Inanspruchnahme von Verfahrensrechten nach der VwGO könne niemals rechtsmissbräuchlich sein. Soweit das Bundesamt aufgrund der Verfahrensregelung zur Aussetzung von Dublin-Verfahren hinsichtlich syrischer Staatsangehöriger vom 21. August 2015 das Selbsteintrittsrecht nur bei syrischen Staatsangehörigen ausübe, liege ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) vor, da Syrer ohne sachlichen Grund bevorzugt behandelt würden. Auch bestünden gegen die Abschiebungsanordnung rechtliche Bedenken. Denn das italienische Asylverfahren leide an systemischen Mängeln. Insoweit sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Verletzung von Artikel 4 der Europäischen Grundrechtscharta vorliege. Dies sei vorliegend der Fall, da er psychisch erkrankt sei. In Italien sei die für ihn notwendige medizinische Behandlung nicht erreichbar. Insbesondere sei ein persisch-sprachiger Psychotherapeut für ihn in Italien nicht erreichbar.
8
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
9
den Bescheid des Bundesamtes vom 24. Februar 2015 aufzuheben.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
13
Das Gericht hat mit Beschluss vom 7. April 2015 den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abgelehnt (13 L 742/15.A).
14
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Klage- und des Eilverfahrens sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15
Entscheidungsgründe:
16
Über die Klage entscheidet die Einzelrichterin, nachdem ihr die Sache durch Beschluss der Kammer vom 13. Juli 2015 übertragen worden ist (§ 76 Absatz 1 AsylVfG).
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
21
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt (I.) und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet (II.).
22
I. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
23
Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf den Asylantrag des Klägers vom 6. November 2014.
24
Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
25
Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist gemäß Artikel 12 Absatz 2 Dublin III-VO der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde (Artikel 12 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO. Besitzt der Asylbewerber ein Visum, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so bleibt der das Visum erteilende Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat (Artikel 12 Absatz 4 Unterabsatz 1 Dublin III-VO). Die Beklagte hat aufgrund einer Visa-Anfrage am 7. November 2014 ermittelt, dass dem Kläger von Italien unter dem 9. September 2014 ein Visum erteilt worden ist (Bl. 29 des Verwaltungsvorgangs). Das Visum ist bis zum 15. Oktober 2014 gültig, und damit im nach Artikel 7 Absatz 2 Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt des Erstantrags auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat, mithin am 6. November 2014, weniger als sechs Monate abgelaufen gewesen.
26
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger tatsächlich aufgrund des ihm erteilten Visums ins Bundesgebiet eingereist ist. Denn ausweislich des klaren Wortlauts von Artikel 12 Absatz 4 Unterabsatz 1 Dublin III-VO („einreisen konnte“) kommt es allein auf den Besitz des Visums und der damit einhergehenden rechtlichen Möglichkeit zur Einreise an.
Dementsprechend hat die Beklagte am 22. Dezember 2012 Italien um Übernahme des Klägers gebeten (Bl. 39 ff. des Verwaltungsvorgangs). Da Italien auf das Übernahmeersuchen der Beklagten nicht innerhalb der in Artikel 25 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO geregelten Monatsfrist geantwortet hat, ist gemäß Artikel 25 Absatz 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Italien ist daher gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen.
29
Zwar ist diese Frist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen. Indes kann sich der Kläger auf einen Verstoß gegen diese Fristenregelung nicht berufen, da die Vorschrift ihm kein subjektives Recht einräumt.
30
Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
31
Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem Inhalt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Artikel 29 Absatz 1 Dublin III-VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Hoheitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der DublinIII-VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Artikel 78 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asylsystems besteht, vgl. auch Artikel 78 Absatz 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der DublinIII-VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (4 und 5), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objektiven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden.
32
Vgl zur Dublin II-VO EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 18. April 2013,– C-4/11 –, Rn. 57 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, juris, Rn. 37.
33
Die Fristbestimmungen der Dublin III-VO dienen dementsprechend einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber dem Antragsteller (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der EuGH hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann.
34
EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, Rn. 12; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 18 m.w.N.
35
Obschon der Abdullahi-Entscheidung keine generelle Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu entnehmen ist,
36
vgl. hierzu auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 – 13 K 1117/14.A – juris,
37
gelten die vorstehenden Erwägungen auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz des Antragstellers, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit der Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaat. Die Dublin III-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme. Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin III-Verordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss.
38
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; Rn. 25; Offen gelassen vom OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 – 14 A 1943/11.A –, juris, Rn. 24; VG Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13 –, juris; VG Trier, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 5 L 1271/14.TR –, juris, Rn. 6 f.; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, juris, Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2014 – 33 L 90.14 A –, juris; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 – RN 9 K 11.30445 –, juris, Rn. 18; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 234.
39
Dieses Ergebnis wird zudem durch folgende Überlegung bestätigt: Dem Asylbewerber bleibt es in jedem Fall unbenommen, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des anderen Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Insoweit regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe 1) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
Hat es der Asylbewerber aber selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu einer von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen. Insoweit ist es ihm auch nicht unzumutbar, sich zunächst in den anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
42
OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 14 B 1011/11.A –, juris, Rn. 16.
43
Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Italiens eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen.
44
Zwar kann gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin III-VO festgesetzten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Indes besteht kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten.
45
Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
46
Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch keine Ermessensreduzierung auf Null aufgrund einer Ungleichbehandlung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 GG vor. Zwar setzt das Bundesamt aufgrund der Verfahrensregelung zur Aussetzung des Dublinverfahrens für syrische Staatsangehörige vom 21. August 2015 das Dublin-Verfahren für syrische Staatsangehörige aus. Indes fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung von zwei vergleichbaren Sachverhalten. Überdies liegt ein sachlicher Grund für eine einseitige Ausübung des Selbsteintrittsrechts zugunsten syrischer Staatsangehöriger vor, da in Syrien – anders als im Iran – derzeit ein Bürgerkrieg herrscht.
47
II. Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die in Ziffer 2 des Bescheides geregelte Abschiebungsanordnung. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere leidet das Asylverfahren auch nicht an systemischen Mängeln (1.) und es liegen keine Abschiebungshindernisse vor (2.).
48
1. Die Beklagte ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Klägers – nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
49
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
50
der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können entgegen der Ansicht des Klägers erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben syste-misch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
51
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
52
Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
53
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
54
Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
55
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 ff. m.w.N.
56
Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Kläger drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta, Artikel 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Italien nach sich ziehen könnten.
57
Soweit der EGMR in seinem Urteil vom 4. November 2014 die Rückführung einer Familie mit Kindern nach Italien davon abhängig gemacht hat, dass der abschiebende Staat zunächst die individuelle Garantie seitens der italienischen Behörden erhalten hat, dass die Familie in einer Art und Weise in Obhut genommen wird, die dem Alter der Kinder angepasst ist, und dass die Familie zusammengehalten wird,
58
vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, – 29217/12 – (Tarakhel . /. Schweiz), juris,
59
kann der Kläger als alleinstehender junger Mann daraus für sich nichts herleiten. Der EGMR stützt seine Entscheidung auf die besondere Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, insbesondere auf die spezifische Schutzbedürftigkeit von Kindern und das Gebot der Wahrung der Familieneinheit. Die allgemeinen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien stehen nach Auffassung des EGMR – anders als diejenigen in Griechenland – für sich genommen einer Rückführung von Asylbewerbern dorthin gerade nicht entgegen,
60
vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, – 29217/12 – (Tarakhel . /. Schweiz), Rn. 114 f., juris und Entscheidung vom 13. Januar 2015, – 51428/10 – (A.M.E. ./. Niederlande), Rn. 35, juris (in englischer Sprache).
61
Im Falle eines jungen männlichen Asylbewerbers sieht der EGMR gerade keine Grundlage für die Vermutung, ihm drohe im Falle der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK.
62
EGMR, Entscheidung vom 13. Januar 2015, – 51428/10 – (A.M.E. ./. Niederlande), juris (in englischer Sprache).
63
Auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in seinem Urteil vom 24. April 2015 (14 A 2356/12.A) unter Bezugnahme auf die vorstehend genannte Entscheidung des EGMR und eine seinerseits eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2015 entschieden, dass nicht festgestellt werden kann, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, die die Annahme erlaubten, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Zur Begründung führt es unter anderem folgendes aus:
64
„Nach der im hiesigen Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.1.2015 (dort irrtümlich 6.1.2014) hat sich an der Erkenntnislage, die der Entscheidung des beschließenden Gerichts vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - zu Grunde lag, nichts geändert. Auch sonst liegen dem Senat keine Erkenntnisse über relevante Veränderungen vor. Insbesondere stellt die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, der eine veränderte Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden. Davon kann nicht ausgegangen werden.“
Das erkennende Gericht schließt sich diesen überzeugenden obergerichtlichen Ausführungen an. Hieran angeknüpft schließt sich das Gericht zudem den nachfolgenden Ausführungen der 22. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf an:
67
„Vielmehr wurden und werden die staatlichen Unterbringungskapazitäten für Flüchtlinge in Italien in den vergangenen Jahren beträchtlich ausgebaut bis hin zur Schaffung von Notunterkünften für die zunehmende Anzahl der auf dem Seeweg ankommenden Migranten,
68
vgl. AIDA (Asylum Information Database), Country Report Italy, third update, Stand: Januar 2015, S. 58 ff., abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
69
Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind zudem diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
70
vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rd. 130.
71
Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die – wie der Kläger – nach dem vom Bundesamt gemäß Art. 8 ff der Durchführungsverordnung zur Dublin-VO,
72
Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013,
73
einzuhaltenen Verfahren nach Italien überstellt werden.
74
Gerade für Dublin-Rückkehrer wurde in Italien seit dem Jahr 2012 – unterstützt mit Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds – ein besonderes Aufnahmesystem geschaffen. Derzeit stehen hierfür elf Übergangseinrichtungen mit insgesamt 443 Plätzen zur Verfügung; sieben Einrichtungen dienen speziell der Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personen,
75
AIDA (Asylum Information Database) Country Report Italy, 3. update, Stand: Januar 2015, S. 59, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
76
Dass diese Aufnahmekapazitäten derzeit durch die steigende Anzahl von Bootsflüchtlingen geschmälert werden, lässt sich nicht feststellen.“
77
VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Mai 2015 – 22 L 420/15.A –, S. 6 f. des Beschlussabdrucks.
78
2. Schließlich sind auch keine zielstaatsbezogenen (b) oder in der Person des Klägers, also inlandsbezogenen (a), Abschiebungshindernisse ersichtlich.
79
a) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegt nicht vor. Gemäß § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Gesundheitszustand eines Ausländers so kritisch ist, dass eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr durch den Abschiebungsvorgang selbst zu befürchten ist. Eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn schon keine Transportfähigkeit besteht (Reisefähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reisefähigkeit im weiteren Sinne).
80
Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier beim Kläger in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
81
. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N
82
Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, hat der Kläger nicht erbracht. Zwar wird dem Kläger im dem eingereichten ärztlichen Attest vom 3. März 2015 eine schwere Depression diagnostiziert, die eine langfristige psychotherapeutische Behandlung erfordere. Indes erfüllt das Attest bereits nicht die Mindestanforderungen, die in der Rechtsprechung an ärztliche Atteste gestellt werden. Zur Substantiierung eines Vorbringens einer psychischen Erkrankung gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
Zunächst ist bereits nicht ersichtlich, dass der den Kläger untersuchenden Dr. I. K. über die erforderliche Ausbildung verfügt, um fundiert eine am ICD-10 orientierte Diagnose einer Depression bei dem Kläger stellen zu können. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass Dr. I. K. über eine Facharztausbildung, die ihn zur Feststellung einer etwaigen Reiseunfähigkeit befähigen könnte, verfügt.
85
Vgl. hierzu VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – Au 7 S 14.50094 –, juris, Rn. 56 m.w.N.
86
Zwar sind neben Fachärzten auch Psychologische Psychotherapeuten aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befähigt, psychische Erkrankungen zu diagnostizieren.
87
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezemberr 2008 –8 A 3053/08.A –, juris, Rn. 13 f.
88
Allerdings vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, dass der den Kläger behandelnde Arzt (erfolgreich) eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten absolviert hat.
89
Hinzu kommt, dass es an einer ausreichenden Exploration fehlt, da die Diagnose ausschließlich auf der Grundlage eines einzigen Gesprächstermins getroffen worden ist und allein auf den nicht weiter überprüften und hinterfragten Angaben des Klägers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal beruht, die dieser erstmals ihm gegenüber geltend gemacht hat und denen er ohne weiteres Glauben geschenkt hat.
90
Ungeachtet dessen lässt sich dem Attest nicht entnehmen, dass der Kläger reiseunfähig im engeren Sinne ist oder dass sich sein Gesundheitszustand unmittelbar durch die Abschiebung nach Italien wesentlich verschlechtern wird. Zwar heißt es in dem vorgelegten Attest, der Kläger benötige eine langfristige psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung. Insoweit fehlt es aber an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger auf eine unmittelbar nach der Ankunft einsetzende Behandlung angewiesen wäre und andernfalls eine Gefährdung an Leib und Leben droht. Eine akute Suizidgefahr wird gerade verneint.
91
Die zwischenzeitlich eingereichte ärztliche Bescheinigung vom 13. August 2015 begegnet denselben rechtlichen Bedenken. Insbesondere enthält sie ebenfalls keine weitergehende Begründung für die Diagnose einer schweren Depression.
92
b) Schließlich liegen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vor.
93
Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
94
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris, Rn. 15.
95
Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
96
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
97
Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Substantiierung der psychischen Erkrankung Bezug genommen (S. 12). Der zweite Hilfsbeweisantrag des Klägers, hilfsweise über die Tatsache, dass die Fortführung der begonnenen psychotherapeutischen Maßnahmen erforderlich ist, um eine Destabilisierung seines Zustandes zu verhindern und um die vorliegende Störung langfristig beheben zu können durch Zeugnis des Arztes für Psychotherapie Dr. I. K. Beweis zu erheben, ist daher bereits mangels hinreichender Substantiierung einer psychischen Erkrankung abzulehnen.
98
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007, – 10 C 8.07 – juris, Seite 9.
99
Überdies fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass der Abbruch der begonnenen Psychotherapie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben des Klägers führen würde. Insbesondere lassen sie sich nicht dem ärztlichen Attest vom 3. März 2015 bzw. der Bescheinigung vom 13. August 2015 entnehmen.
100
Ungeachtet dessen sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine – gegebenenfalls erforderliche – Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Behandlung einer psychischen Erkrankung des Klägers auch in Italien in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen.
101
VG Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 2015 – 13 K 606/14.A –, zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen; VG Ansbach, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AN 14 K 14.50187b, AN 14 SAN 14 S 14.50186 –, juris, Rn. 33 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 5a K 2360/13.A –, Rn. juris, 51 ff. m.w.N.
102
Für die Registrierung und den Erhalt des Gesundheitsausweises benötigten die Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis (die sie in einer Aufnahmeeinrichtung erhalten), eine Steuernummer (die sie bei der Einreise-Agentur erhalten) sowie eine feste Adresse. Da nach den vorstehenden Ausführungen für Dublin-III Rückkehrer genügend Unterkünfte zur Verfügung stehen, ist nicht ersichtlich, dass der Kläger keine Wohnsitznahme wird vorweisen können. Aber auch bei fehlendem festen Wohnsitz kann der Kläger sich um eine Sammeladresse bemühen. Denn die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch u. a. für den für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Im Übrigen steht nach zitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei. Der Kläger hat damit in Italien Zugang zur angemessenen medizinischen Versorgung
103
VG Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 2015 – 13 K 606/14.A –, zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen; VG München, Beschluss vom 5. November 2014 – M 18 S 14.50356 –, juris, Rn. 22 m.w.N.
104
Da hiernach zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Kläger auch in Italien eine ausreichende psychotherapeutische Behandlung erlangen kann, ist der zweite Hilfsbeweisantrag des Klägers, ungeachtet der bereits fehlenden Substantiierung einer psychischen Erkrankung, jedenfalls aufgrund der eigenen Sachkunde des Gerichts abzulehnen (§ 244 Absatz 4 Satz 1 Strafprozessordnung – StPO).
105
Hieran vermag auch der Vortrag des Klägers, in Italien fehle es – anders als in der Bundesrepublik Deutschland – an der Erreichbarkeit persischsprachiger Fachärzte und die Zwischenschaltung von Dolmetschern führe zu einer Verzerrung der Kommunikation, nichts zu ändern. Der erste Hilfsbeweisantrag des Klägers, Beweis zu erheben über die Tatsache, dass eine muttersprachliche psychotherapeutische Behandlung in der Sprache Farsi für ihn in Italien aufgrund der geringen Zahl iranischer Migranten in Italien und einer entsprechend geringen Zahl farsi-sprachiger Ärzte in Italien unerreichbar ist, ist ebenfalls als unsubstantiiert abzulehnen. Es handelt sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag da es an tatsächlichen, eine solche Vermutung rechtfertigenden Anhaltspunkten fehlt.
106
Ungeachtet dessen ist der erste Hilfsbeweisantrag unerheblich. Denn es kann als wahr unterstellt werden, dass eine muttersprachliche psychotherapeutische Behandlung in der Sprache Farsi in Italien für den Kläger nicht erreichbar wäre, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändern würde. Zum einen fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger überhaupt auf eine psychotherapeutische Behandlung angewiesen ist (s.o.). Zum anderen erschließt sich dem Gericht jedenfalls nicht, inwieweit das Zwischenschalten eines Dolmetschers der Behandlung einer psychischer Erkrankungen entgegensteht. Auch insoweit fehlt es an einem hinreichend substantiierten Vortrag des Klägers.
107
Sollte sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Italien, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies dem Kläger nicht möglich sein soll.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 25. Aug. 2015 - 13 K 1723/15.A zitiert 15 §§.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsache
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 25. Aug. 2015 - 13 K 1723/15.A zitiert oder wird zitiert von 27 Urteil(en).
Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 25. Aug. 2015 - 13 K 1723/15.A zitiert 13 Urteil(e) aus unserer Datenbank.
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben pakistanischer Staat
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sich
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1Gründe:
2Der am 11. Februar 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 1015/15.A gegen
Tenor
Das angegriffene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstrec
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1Gründe:
2Der am 4. März 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 1723/15.A gegen d
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1Gründe:
2Der am 16. März 2015 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3den Beschluss des Verwaltungsgerichts D
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweil
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Be klagte darf die Vollstreckung
Tenor
Der Antrag des Antragstellers, in Abänderung des Beschlusses der Kammer 27. Februar 2014 – 5 L 233/14.TR die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage 5 K 232/14.TR anzuordnen, wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ode
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.Die Revisio
Tenor
1. Der Antrag vom 2. April 2014 wird abgelehnt.
2. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Gründe
I.
1
Die Antragsteller begehren die Abänderung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v.
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Italie
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Über-stellung nach I
Tenor
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... wird für dieses Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie für das Klageverfahren (Az.: Au 7 K 17.50040) abgelehnt.
II. Der
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Über-stellung nach Itali
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2
Der am 4. März 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3
die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 1723/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Februar 2015 anzuordnen,
4
zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
5
Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
6
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Italien für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
7
Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf den Asylantrag des Antragstellers vom 6. November 2014.
8
Gemäß Artikel 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Dublin III-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags. Die vom Bundesamt durchgeführte Abfrage in der VIS-Datenbank vom 7. November 2014 ergab, dass der Antragsteller am 9. September 2014 ein von Italien mit der Nr. ITA023096841 ausgestelltes Kurzaufenthalts-Visum für den Zeitraum vom 20. September bis zum 15. Oktober 2014 erhalten hat.
9
Dementsprechend hat das Bundesamt unter dem 22. Dezember 2014 an Italien ein Übernahmeersuchen gerichtet. Da die italienischen Behörden nicht innerhalb der in Artikel 25 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO geregelten Frist von einem Monat nach Stellung des Wiederaufnahmegesuchs ihre Zuständigkeit erklärt haben, ist nach Artikel 25 Absatz 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass Italien die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert hat. Italien ist daher gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
10
Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich der Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnte, da die Vorschrift ihm kein subjektives Recht einräumt.
11
Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
12
Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Italien zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
15
Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Italiens eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Italien abzuschieben.
16
Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
17
Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
18
Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
19
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
20
der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Entgegen der Ansicht des Antragstellers können systemische Mängel in diesem Sinne erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
21
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
22
Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände besonders zu berücksichtigen, die auf die Situation des jeweiligen Antragstellers zutreffen. Die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Situationen spielt hingegen keine unmittelbare Rolle und kann allenfalls ergänzend zur Beurteilung der Situation herangezogen werden.
23
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 130.
24
Vorliegend ist danach hier besonders die Situation von Dublin-Rückkehrern in den Blick zu nehmen, die – wie der Antragsteller – in Italien noch keinen Asylantrag gestellt haben.
25
Insoweit macht sich das Gericht die Einschätzung und Ausführungen des OVG NRW in dessen vorstehend zitiertem Urteil vom 7. März 2014 zu eigen, wonach mit Blick auf das Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis des Asylverfahrens davon auszugehen ist, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass rücküberstellte Asylbewerber – darunter speziell Dublin-Rückkehrer – „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen im Sinne der Gewährleistung aus Artikel 4 EU-GR-Charta, rechnen müssen. Insbesondere müssen Dublin-Rückkehrer nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der (weiteren) Durchführung ihres Asylverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 EU-GR-Charta verletzt werden, indem ihnen durch den italienischen Staat wegen von der Zahl her offensichtlich nicht ausreichender angemessener Unterkunftsmöglichkeiten ein Leben "auf der Straße" oder in "Elendsquartieren" (bekanntermaßen) zugemutet würde und damit ihr Recht auf Unterkunft (vgl. hierzu Artikel 17 Absatz 1 i.V.m. Artikel 2 Buchstabe g der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen) systematisch unbeachtet bliebe. Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen. Im Ergebnis unerheblich ist dabei, dass es in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigende Mängel und Defizite gibt, auf die verbreitet hingewiesen wird und deren Abstellen bzw. (weiteres) Verringern sicherlich wünschenswert ist. In diese Richtung hat die italienische Regierung aber auch bereits von den Flüchtlingsorganisationen gewürdigte Schritte unternommen.
26
OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A – juris, Rn. 131 ff., 146 ff., 176 ff., 186; Nach Ablehnung des Asylantrags stellt der Verlust des Anspruchs auf staatliche Leistungen von vornherein keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2014 – 13 L 1139/14.A –, juris, Rn. 24 m.w.N.
27
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des
28
EGMR vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) –, juris.
29
In dieser Entscheidung hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich an seiner früheren Einschätzung fest, dass systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen in Italien nicht bestehen (Rn. 115 und 117). Lediglich für Kinder schätzt er die Situation differenzierend ein (Rn. 119), was hier angesichts der Volljährigkeit des Antragstellers ohne Bedeutung ist.
30
Unabhängig von der allgemeinen Situation bestehen zur Überzeugung des Gerichts auch sonst in der Person des Antragstellers selbst keine besonderen Gründe, die es vorliegend verbieten, den Antragsteller nach Italien zu überstellen. Der Antragsteller hat keine beachtlichen Umstände vorgetragen, die ihn als eine innerhalb der Gruppe der Dublin-Rückkehrer besonders gefährdete oder verletzliche Person erscheinen lassen. Es bestehen insbesondere auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Dublin-Rückkehrern der Zugang zum Asylverfahren verwehrt und entgegen des Refoulement-Verbots direkt oder indirekt in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, ohne dass die Gefahr, die dadurch für den betroffenen Asylbewerber entsteht, unter dem Gesichtspunkt von Artikel 3 EMRK geprüft worden ist.
31
Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris, Rn. 59; Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 19. Juni 2014 – 6 L 474/14.A –, juris, Rn. 12 m.w.N.
32
Gegen die Rechtmäßigkeit der auf § 34a Absatz 1 AsylVfG beruhenden Abschiebungsanordnung bestehen nach alledem ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 a. E. AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG voraus, dass sie auch durchgeführt werden kann. Es sind weder zielstaatsbezogene noch in der Person des Ausländers bestehende, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
33
Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
34
Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
35
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
36
Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, hat der Antragsteller nicht erbracht.
37
Zwar diagnostiziert der den Antragsteller untersuchende Arzt für Naturheilverfahren und Psychotherapie Dr. H. K. das Vorliegen einer schweren Depression. Allerdings genügt diese Bescheinigung schon nicht den Anforderungen, die an die Substantiierung eines Vorbringens einer solchen Erkrankung zu stellen sind.
38
Zur Substantiierung eines Vorbringens einer psychischen Erkrankung gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
Zunächst ist bereits nicht ersichtlich, dass der den Antragsteller untersuchenden Dr. H. K. über die erforderliche Ausbildung verfügt, um fundiert eine am ICD-10 orientierte Diagnose einer Depression bei dem Antragsteller stellen zu können. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass Dr. H. K. über eine Facharztausbildung, die ihn zur Feststellung einer etwaigen Reiseunfähigkeit befähigen könnte, verfügt.
41
Vgl. hierzu VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – Au 7 S 14.50094 –, juris, Rn. 56 m.w.N.
42
Hinzu kommt, dass es an einer ausreichenden Exploration fehlt, da die Diagnose ausschließlich auf der Grundlage eines einzigen Gesprächstermins getroffen worden ist und allein auf den nicht weiter überprüften und hinterfragten Angaben des Antragstellers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal beruht, die dieser erstmals ihm gegenüber geltend gemacht hat und denen er ohne weiteres Glauben geschenkt hat.
43
Ungeachtet dessen lässt sich dem Attest nicht entnehmen, dass der Antragsteller reiseunfähig im engeren Sinne ist oder dass sich sein Gesundheitszustand unmittelbar durch die Abschiebung nach Italien wesentlich verschlechtern wird. Zwar heißt es in dem vorgelegten Attest, der Antragsteller benötige eine langfristige psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung. Insoweit fehlt es aber an Anhaltspunkten dafür, dass der Antragsteller auf eine unmittelbar nach der Ankunft einsetzende Behandlung angewiesen wäre und andernfalls eine Gefährdung an Leib und Leben droht. Eine akute Suizidgefahr wird gerade verneint.
44
Dem ärztlichen Attest lässt sich auch nichts für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG entnehmen.
45
Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
46
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
47
Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
48
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
49
Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Insoweit wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Substantiierung der psychischen Erkrankung Bezug genommen. Überdies sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine – gegebenenfalls erforderliche – Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Behandlung einer psychischen Erkrankung des Antragstellers auch in Italien in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen.
50
VG Ansbach, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AN 14 K 14.50187b, AN 14 SAN 14 S 14.50186 –, juris, Rn. 33 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 5a K 2360/13.A –, Rn. juris, 51 ff. m.w.N.
51
Hieran vermag auch der Vortrag des Antragstellers, in Italien fehle es – anders als in der Bundesrepublik Deutschland – an der Erreichbarkeit persischsprachiger Fachärzte und die Zwischenschaltung von Dolmetschern führe zu einer Verzerrung der Kommunikation, nichts zu ändern. Dahingestellt bleiben kann, ob die Behauptung des Antragstellers, in Italien gebe es keine persischsprachigen Fachärzte, zutrifft. Dem Gericht erschließt sich jedenfalls nicht, inwieweit das Zwischenschalten eines Dolmetschers der Behandlung einer psychischer Erkrankungen entgegensteht. Auch insoweit fehlt es an einem hinreichend substantiierten Vortrag des Antragstellers. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass eine Nichtbehandlung des Antragstellers zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität führt (s.o.).
52
Sollte sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Italien, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies dem Antragsteller nicht möglich sein soll.
53
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 27. Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 2. Juli 2013 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3
Er hat nach eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits am 6. Dezember 2012 in Belgien Asyl beantragt; der Antrag ist abgelehnt worden.
4
Das Bundesamt richtete am 10. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO.
5
Mit Bescheid vom 16. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 23. Januar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6
Am 3. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
7
Er ist der Ansicht, das Selbsteintrittsrecht des Bundesamtes sei wegen einer unangemessen langen Dauer seines Asylverfahrens zur Selbtseintrittspflicht erstarkt.
8
Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.
9
Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts, beantragt er nunmehr,
10
den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 aufzuheben.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes. Überdies bestehe keine Selbsteintrittspflicht, da die dreimonatige Frist in Artikel 17 Dublin II-VO nur für Aufnahme- und nicht für Wiederaufnahmeersuchen gelte. Vorliegend handle es sich aber um ein Wiederaufnahmeersuchen, da der Kläger zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt habe.
14
Am 5. März 2014 ist der Kläger nach Belgien überstellt worden.
15
Die Beteiligten haben übereinstimmend am 9. April und 11. April 2014 auf mündliche Verhandlung verzichtet (Bl. 25 und Bl. 29 d. Gerichtsakte).
16
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
22
Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. unter 1.). Der Kläger genießt ‑ trotz der Überstellung nach Belgien – Rechtsschutzbedürfnis (vgl. unter 2.). Ob die Klage in Ermangelung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers unzulässig ist, kann offen bleiben (vgl. unter 3.).
23
1. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es nicht. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO.
24
Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 16. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
25
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15. Januar 2010, 11 K 8136/09.A, S. 4; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, 5 K 198/11.TR, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
26
Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Aufhebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
27
Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
28
Ergänzend hierzu weist das Gericht – ohne dass es vorliegend darauf ankäme – auf Folgendes hin: Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
29
BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
30
Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
31
Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
32
Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
33
VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
34
Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
35
VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
36
Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
37
2. Die Klage ist im Übrigen zulässig. Obschon der Kläger am 5. März 2014 nach Belgien überstellt worden ist, fehlt ihm nicht das Rechtschutzbedürfnis. Weder die Unzulässigkeitserklärung des Asylantrags (Ziffer 1 des Bescheides) noch die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bescheides) haben sich durch die Überstellung nach Belgien erledigt.
38
VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. April 2013 – 19a K 878/11.A –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck ´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
39
Nach § 43 Absatz 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Erledigung in anderer Weise im Sinne dieser Vorschrift tritt ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
Dies ist jedenfalls solange nicht der Fall, wie der mit einer behördlichen Maßnahme erstrebte Erfolg noch nicht endgültig eingetreten ist. Der zwangsweise Vollzug eines Verwaltungsakts führt nicht stets schon für sich genommen zu einer Zweckerreichung. Im vorliegenden Fall entfalten sowohl die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, als auch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 16. Januar 2014 insoweit noch Regelungswirkung, als sie nach wie vor die Rechtsgrundlage für die Abschiebung des Klägers nach Belgien bildet.
42
Gegen die in der Rechtsprechung zum Teil vertretene Gegenauffassung,
43
vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 26 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 23; VG München, Urteil vom 2. Juli 2012 – M 15 K 12.30110 –, juris, Rn. 15,
44
spricht bereits die Regelung über den Folgeantrag nach § 71 Absatz 5 Satz 1, Absatz 6 Satz 1 AsylVfG, wonach es im Fall der Ablehnung eines Folgeantrags keiner erneuten Abschiebungsanordnung bedarf, um den Aufenthalt des Ausländers, der zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte, zu beenden. Zudem wäre es einer effektiven Durchsetzung der (sofort) vollziehbaren Abschiebungsanordnung hinderlich, wenn sich deren Wirkungen verbrauchen würden, sobald der Ausländer auch nur für einen kurzen Moment in dem aufnehmenden Staat aufhältig gewesen und sodann unverzüglich wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
45
Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
46
Für diese Ansicht spricht ebenso die in Artikel 29 Absatz 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
47
Schließlich würde es dem Sinn und Zweck des Rechtsbehelfs widersprechen, wenn durch die Überstellung eine Erledigung der Hauptsache eintreten würde, denn damit würde der Rechtsbehelf, dem vorliegend sowohl nach Artikel 19 Absatz 2 Satz 4 Dublin II-VO keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung als auch nach nationalem Recht nach § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt völlig nutzlos.
48
VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24.
49
Ebenso wenig lässt sich allein aus der fehlenden Erreichbarkeit des Klägers infolge seiner Überstellung schlussfolgern, dass er kein Interesse mehr am Ausgang des Verfahrens hat.
50
Ortloff/Riese, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band II, Stand: 25. Erg.lieferg. April 2013, § 82, Rn. 4b m.w.N.; A.A.: VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 25.
51
Für diese Vermutung besteht zumindest dann, wenn sich der Ausländer anwaltlich vertreten lassen hat und der Prozessbevollmächtigte das Verfahren für ihn weiterführen kann und auch weiterführen will, keine tragfähige Grundlage. Vielmehr ist insoweit zu berücksichtigen, dass eine Überstellung – anders als ein Untertauchen – nicht freiwillig seitens des Ausländers erfolgt und dieser trotz dessen am Ausgang des Verfahrens interessiert bleiben dürfte. Denn wenn er schon eine Überstellung in den – jedenfalls aus Sicht des Bundesamtes zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern sucht – so wird er nach der erfolgten Überstellung in der Regel zumindest noch an einer Rückkehr in die Bundesrepublik – infolge einer erfolgreichen Klage – interessiert sein.
52
3. Ob die Klage mangels ladungsfähiger Anschrift des Klägers nach § 82 Absatz 1 Satz 1 VwGO unzulässig ist,
53
vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 24; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 4,
54
oder infolge der Überstellung des Klägers nach Belgien ausnahmsweise – mit Blick auf den in Artikel 19 Absatz 4 GG verankerten Grundsatz effektiven Rechtschutzes – die Möglichkeit der Zustellung an die Anschrift seiner Prozessbevollmächtigten genügt, kann dahingestellt bleiben, da es jedenfalls an ihrer Begründetheit fehlt. Das Gericht hält es aber zumindest für nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall infolge der Überstellung unüberwindliche oder schwer zu beseitigende Schwierigkeiten hinsichtlich der Übermittlung einer ladungsfähigen Anschrift eintreten können.
55
II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
56
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Belgien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
57
Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Dublin III-VO, bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt. Belgien hat auf das am 10. Dezember 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Klägers nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO bereits am 17. Dezember 2013, und damit innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für den Asylantrag des Klägers erklärt. Belgien ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Die Überstellung nach Belgien – am 5. März 2014 – ist danach fristgerecht erfolgt.
60
Der Überstellung nach Belgien steht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 2. Juli 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 fünf Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
61
vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris, Rn. 40 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 14; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris, Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris, Rn. 8.
62
Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
63
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 108.
64
Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
65
vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 18; VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris, Rn. 10; A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris, Rn. 8.
66
Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
67
vgl. VG Düsseldorf Beschlüsse vom 26. Februar 2014 – 13 L 396/14.A –, vom 31. März 2014 – 13 L 119/14 – und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, alle juris und NRWE.
68
Hier sind seit der Asylantragstellung am 2. Juli 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 noch keine sechs Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
69
Die Beklagte ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Klägers nach Belgien gehindert (gewesen) und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
70
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
71
Solche Mängel bestehen mit Blick auf Belgien nicht.
72
Vgl. mit ausführlicher Begründung VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris und www.NRWE.de.
73
Der Kläger hat solche auch nicht vorgetragen.
74
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken.
75
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2
Der am 0. Oktober 1983 geborene Kläger zu 1. behauptet syrischer Staatsangehörigkeit kurdischer Volkszugehörigkeit zu sein. Er reiste nach eigenen Angaben zusammen mit seiner Ehefrau, der am 10. Oktober 1986 geborenen Klägerin zu 2., und dem gemeinsamen am 25. Februar 2010 geborenen Kind, dem Kläger zu 3., am 29. Juli 2011 auf dem Landweg über Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte – wie auch die Klägerin zu 2. – am 3. August 2011 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
3
Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 4. August 2011 gab der Kläger zu 1. an, er fühle sich gesund, sei aber behandlungsbedürftig erkrankt. Er nehme Medikamente wegen einer Herzmuskelschwellung. Hier in Deutschland habe er noch keinen Arzt aufgesucht. Er kündigte an, sobald er in Deutschland ärztlich behandelt werde, dem Bundesamt ein Attest zukommen zu lassen, aus dem die genaue Diagnose und die notwendige Behandlung hervorgingen. Er habe bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Auf die Frage, ob Einwände dagegen bestünden, das Asylverfahren z.B. in Italien durchzuführen, antwortete der Kläger zu 1., in Deutschland sei die Sicherheit größer und man kümmere sich um die Asylbewerber. Persönliche Hinderungsgründe hätte er aber nicht. Die Klägerin zu 2. führte aus, sie fühle sich gesund und sei nicht behandlungsbedürftig erkrankt. Das gleiche gelte für ihr Kind. Sie habe bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wollten aber von Anfang an nicht in Italien, sondern in Deutschland bleiben. Im Übrigen machten die Kläger Ausführungen zu ihren Fluchtgründen aus Syrien.
4
Das Bundesamt stellte am 13. März 2012 ein Wiederaufnahmegesuch an das italienische Innenministerium, worüber die Kläger mit Schreiben vom selben Tag in Kenntnis gesetzt wurden. Mit Schreiben vom 19. März 2012 erklärten sich die italienischen Behörden gestützt auf Art. 16 Abs. 1 c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (Dublin II VO) für zuständig.
5
Am 15. Mai 2012 suchten die Kläger gerichtlichen Eilrechtsschutz nach und beantragten den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 23. Mai 2012 (Az.: 21 L 851/12.A) gab das VG Düsseldorf der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung auf, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung der Antragsteller nach Italien vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen.
6
Am 26. Juni 2012 haben die Kläger zunächst Untätigkeitsklage erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, das ihr durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO eröffnete Selbsteintrittsrecht auszuüben und das Asylverfahren durchzuführen.
7
Mit Bescheid vom 3. Juli 2012 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Italien an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) unzulässig, weil die Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hätten und deshalb Italien nach den Vorschriften der Dublin II VO zuständig sei. Außergewöhnliche humänitäre Gründe, die die Beklagte zur Ausübung eines Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin II VO veranlassen könnten, bestünden nicht.
8
Zur Begründung der nach Bescheiderlass fortgeführten Klage verweisen die Kläger im Wesentlichen auf den Beschluss des VG Cottbus vom 8. März 2013 (Az.: VG 1 L 54/13), mit dem eine Abschiebung von Asylbewerbern nach Italien vorläufig ausgesetzt wurde. Im Übrigen sei der Kläger zu 1. herzkrank. Eine Reisefähigkeit des Klägers zu 1. sei nicht gegeben. Eine Abschiebung mit den damit verbundenen Aufregungen würde für den Kläger zu 1. eine große Gefahr darstellen, da er aufgrund seiner Erkrankung Infarkt gefährdet sei.
9
Die Kläger beantragen sinngemäß,
10
den Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juli 2012 aufzuheben.
11
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
12
die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung nimmt sie auf die Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes Bezug.
14
Nachdem die Kläger unter dem 13. November 2012 erneut gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht hatten, ordnete das Gericht mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 (Az.: 21 L 2103/12.A) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 3. Juli 2012 an.
15
In der mündlichen Verhandlung sind die Kläger zu 1. und 2. ergänzend befragt worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie den der Ausländerakten ergänzend Bezug genommen.
17
Entscheidungsgründe:
18
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (A.), aber unbegründet (B.).
19
A. Die Klage gegen den Bescheid vom 3. Juli 2012 ist als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft. Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags ist § 27a AsylVfG, wonach ein in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abzulehnen ist, wenn die Zuständigkeit eines anderen Staates aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens vorliegt. Die mit diesem Ausspruch regelmäßig verbundene Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidungen nach §§ 27a und 34a Abs. 1 AsylVfG stellen belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der - einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorrangigen - Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens der Kläger zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen. Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach §§ 33, 32 AsylVfG, in der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft ist,
20
vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn 12, 14.
21
Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Aufhebung des den begünstigenden Verwaltungsakt ablehnenden Bescheids beschränken darf, was im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme,
22
vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn. 15.
23
Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz findet allerdings auf behördliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung. Denn ist - wie dargelegt - das Asylbegehren in der Sache noch gar nicht geprüft worden und wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge den Asylbewerbern eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie zur Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgesehen ist. Ungeachtet dessen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern sich anstelle der Exekutive erstmalig selbst mit dem Antrag sachlich auseinandersetzte und entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz zumindest bedenklich wäre, da eine Entscheidung, die der Gesetzgeber mit dem Asylverfahrensgesetz der Exekutive zur Prüfung zugewiesen hat, übergangen würde,
24
vgl. zum Vorstehenden auch VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 1506/12.A –, juris Rn. 18.
25
Vor diesem Hintergrund war das im Klageantrag enthaltene Begehren, neben der Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 2012 ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen, als bloßer Hinweis auf die (nach der begehrten Aufhebung des angefochtenen Bescheides) geltende Rechtslage zur verstehen, § 88 VwGO.
26
B. Die Klage ist unbegründet.
27
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juli 2012 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
28
Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Recht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt (I.). Die auf § 34a AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig (II.).
29
I. Zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens ist nicht die Beklagte, sondern die Republik Italien (1.). Die Beklagte ist auch nicht zur Ausübung des eigenen Prüfrechts (sog. Selbsteintrittsrecht) nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO verpflichtet (2.).
30
Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung, Dublin III VO), findet hier nach Art. 49 Abs. 2 (noch) keine Anwendung, weil der Antrag vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach dem Inkrafttreten der Dublin III VO am 19. Juli 2013 gestellt wurde.
31
1. Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO begründet worden (a.). Ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ist später weder über Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO (b.) noch gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO erfolgt (c.).
32
a. Die Zuständigkeit Italiens folgt, da die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 dieser Verordnung nicht einschlägig sind, aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO, wonach ein Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, wenn ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat. Nach eigenen Angaben reisten die Kläger zunächst illegal nach Italien und stellten dort einen Asylantrag. Auf Grundlage dieser Feststellungen hat das Bundesamt mit Schreiben vom 13. März 2012 Italien um die Aufnahme der Asylbewerber ersucht. Italien hat sich sechs Tage später, am 19. März 2012 unter Verweis auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) Dublin II VO für zuständig erklärt.
33
b. Die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO auf die Beklagte übergegangen. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO hat der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, der einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, diesen in jedem Fall innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags zu ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen. Bei Überschreitung der Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO geht nach Satz 2 die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über. Zwar hat das Bundesamt hier erst am 13. März 2012 – also über sieben Monate nach Stellung des Asylantrages am 3. August 2011 in Deutschland – ein Übernahmegesuch an Italien gestellt. Die Fristüberschreitung führt aber deshalb nicht zur Zuständigkeit der Beklagten, weil die Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO unmittelbar nur im Rahmen des Aufnahmeverfahrens, nicht aber in Fällen des – hier gegebenen – Wiederaufnahmeverfahrens Anwendung findet (aa.). Ungeachtet dessen führte die Klage aufgrund der Nichteinhaltung der Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO bzw. der Folge gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO aber auch deshalb nicht zum Klageerfolg, weil die Vorschrift den Klägern kein subjektives Recht vermittelt (bb.).
34
aa. Die Dublin II VO unterscheidet gerade in Art. 16 Abs. 1 lit. a) einerseits und lit. c), d) und e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 der Dublin II VO und einer Überstellung des Asylsuchenden im Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 20 Dublin II VO. Durch Art. 16 Dublin II VO wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin II VO bestimmt. Aus der Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass – weil Art. 20 Dublin II VO weder eine Frist nennt, noch auf die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO Bezug nimmt – für das Wiederaufnahmeverfahren eine Übernahmeersuchensfrist nicht vorgesehen ist. Es ist gerade nicht so, dass Art. 20 Dublin II VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis Art. 19 Dublin II VO anwendbar wären,
35
vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris; VG Potsdam, Urteil vom 5. Februar 2013 – 6 K 2512/12.A –, juris Rn. 21; VG Hamburg, Beschluss vom 22. September 2005 ‑ 13 AE 555/05 ‑, juris; VG Augsburg, Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2011 ‑ Au 3 K 10.3046 – , juris; so auch Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Auflage 2010, S. 138 K1; a.A. VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2012 – 22 L 1158/12.A – , juris Rn. 24.
36
bb. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO vermittelt den Klägern kein subjektives Recht, weshalb es auf die Frage, ob die Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO auf das Wiederaufnahmeverfahren analog anzuwenden ist,
37
wofür insbesondere die Regelung in der Neufassung der Dublin II VO durch die Dublin III VO vom 26. Juni 2013 spräche, die in Art. 23 Abs. 2 ausdrücklich auch für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs eine Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht,
38
im Ergebnis hier nicht entscheidungserheblich ankommt.
39
Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem Inhalt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Hoheitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Dublin II VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Art. 78 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asylsystems besteht, vgl. auch Art. 78 Abs. 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der Dublin II VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (3 und 16), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objektiven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten. Im Vordergrund steht daher das Interesse, einen Mitgliedstaat zeitnah für zuständig zu erklären, damit es zu einer Überprüfung des Asylantrags durch einen einzigen Mitgliedstaat kommt, nicht aber, dass ein ganz bestimmter Mitgliedstaat die Antragsprüfung durchführt – jedenfalls wenn es wie hier nicht um eine spezielle Zuständigkeit nach den Art. 6 bis 9 der Dublin II VO geht. Würde man außerhalb dieser besonderen Fallkonstellationen dem Einzelnen ein subjektives Recht auf Prüfung des Asylantrags in einem bestimmten ‑ nach der Dublin II VO (möglicherweise) zuständigen ‑ Mitgliedstaat zuerkennen, würde dies den Zweck der Verordnung konterkarieren, auch deshalb, weil die uneingeschränkte Klärung von Zuständigkeitsfragen im Rahmen eines (einstweiligen) Rechtsschutzverfahrens von nationalen Gerichten erhebliche Verfahrensverzögerungen zur Folge hätte,
40
so auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris; VG Potsdam, Urteil vom 5. Februar 2013 – 6 K 2512/12.A –, juris Rn. 24; VG München, Beschluss vom 28. November 2012 - M 15 E 12.30871 –, juris Rn. 25 ff.; VG Regensburg, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – RN 9 E 12.30323 –, juris Rn. 27.
41
Allenfalls Italien könnte sich auf die Nichteinhaltung der Frist berufen, da es die materiellen Lasten einer Aufnahme der Kläger zu tragen hat.
42
Im Einzelfall kann es bei beachtlicher Überschreitung der Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO dem ersuchenden Mitgliedstaat indes verwehrt sein, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen,
43
vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris.
44
Insbesondere auch unter Berücksichtigung von Art. 18 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) wird daher nicht in jedem Fall der Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO und damit jegliche Außerachtlassung der Obliegenheit, ein Übernahmeersuchen binnen drei Monaten nach Asylantragstellung an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat zu richten, konsequenzlos bleiben.
45
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird,
46
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 – juris, Rn. 98, 108.
47
Soweit die Überschreitung der in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO vorgesehenen Frist zu einem unangemessen langen Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates führt, ist es demnach dem ersuchenden Mitgliedstaat verwehrt, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates zu berufen. Aus der Entscheidung selbst, den einschlägigen Normen und den dazugehörigen Materialien lassen sich Anhaltspunkte dafür, wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, nicht ausmachen.
48
Dies gilt vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die wiedergegebene Aussage aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof im Anschluss an die Feststellung getroffen wurde, dass ein Mitgliedstaat - wenn die Überstellung in den nach der Dublin II VO primär zuständigen Mitgliedstaat wegen beachtlicher systemischer Mängel nicht möglich ist - anhand der Kriterien des Kapitels III der Dublin II VO zu prüfen hat, ob gemäß eines der nachrangigen Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann und daher schon nicht unmittelbar auf die hiesige Fallkonstellation übertragbar ist.
49
Indes führt nicht jede Fristüberschreitung zugleich zu einer unangemessen langen Verfahrensdauer; vielmehr bedarf es des Hinzutretens eines weiteren Zeitmoments. Unter Berücksichtigung der für die Asylbewerber aus der Nichteinhaltung der Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO resultierenden Folgen einerseits, die nicht zuletzt in einem für den Einzelnen belastenden Zustand der Ungewissheit liegen, und dem Charakter der Zuständigkeitsbestimmungen als objektive, eine Obliegenheit begründende Verfahrensvorschriften andererseits, ist von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ohne hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalls in aller Regel erst dann auszugehen, wenn eine Fristüberschreitung von mehr als sechs Monaten vorliegt, also zwischen Asylantragstellung und Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs mehr als neun Monate vergangen sind,
50
anders vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2012 – 22 L 1158/12.A – juris.
51
Da die hier gegebene Überschreitung der Dreimonatsfrist gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO von etwa vier Monaten demgemäß nicht zu einer unangemessen langen Verfahrensdauer führt, ist es der Beklagten nicht verwehrt, sich auf die Zuständigkeit Italiens zu berufen.
52
c. Die Zuständigkeit ist schließlich nicht gemäß Art. 20 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 lit. d) Satz 2 Dublin II VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 Dublin II VO erfolgt die Überstellung des Asylsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der (zweite) Asylantrag gestellt wurde, in den Mitgliedstaat, der die Wiederaufnahme akzeptiert, gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der (zweite) Asylantrag eingereicht wurde.
53
Hier hat Italien das Wiederaufnahmegesuch vom 13. März 2012 ausdrücklich am 19. März 2012 angenommen. Zwar sind seit Annahme des Gesuchs bis heute mehr als sechs Monate verstrichen. Dies ist jedoch unschädlich und führt nicht zu einer Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung des Asylverfahrens nach Art. 20 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 lit d) Dublin II VO. Denn die Überstellungsfrist beginnt frühestens mit der Entscheidung im Hauptsacheverfahren über den Rechtsbehelf des Asylsuchenden gegen die Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nicht zu prüfen, sofern der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat,
54
vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 –, juris; - zur vergleichbaren Norm des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II VO - Nds.OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris Rn. 14 ff.
55
Auf die vorläufige Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist nicht abzustellen. Die in Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 2. Alt. Dublin II VO normierte Sechsmonatsfrist verfolgt vom Sinn und Zweck der Regelung her in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates erfolgen. Diese Zielsetzung liefe leer, wenn die Frist schon zu einem Zeitpunkt begönne, in dem noch nicht sicher ist, dass die Überstellung überhaupt in Zukunft erfolgen wird, weil lediglich vorläufig die Vollziehung der Überstellung ausgesetzt wurde und die Entscheidung in der Hauptsache noch aussteht,
56
vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 – juris, UA Rn. 40, 45.
57
Inwieweit es aus denselben Erwägungen nicht auf die Hauptsacheentscheidung, sondern erst auf deren Rechtskraft ankäme, kann für die hier zu treffende Entscheidung mangels Erheblichkeit dahinstehen.
58
Der von den Klägern eingelegte Rechtsbehelf – die Klage – hatte schließlich aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 2. Alt. Dublin II VO. Denn das Gericht hat zunächst mit Beschluss vom 23. Mai 2012 der seinerzeitigen Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufgegeben, Maßnahmen zum Vollzug der Überstellung nach Italien für die Dauer von sechs Monaten vorläufig auszusetzen (Az.: 21 L 855/12.A). Mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 (Az.: 21 L 2103/12.A) ordnete das Gericht sodann die aufschiebende Wirkung der hiesigen Klage gegen den Bescheid vom 3. Juli 2012 an. Darauf, ob das mitgliedstaatliche Recht die Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsanordnung grundsätzlich normativ vorsieht oder - wie der zum Zeitpunkt der Entscheidung (noch) geltende § 34a Abs. 2 AsylVfG - nicht, kommt es nicht an.
59
Der mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 geänderte § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F., wonach Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen – und damit grundsätzlich zulässig – sind, ist zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht Inkraftgetreten.
60
Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 2. Alt. Dublin II VO stellt schon nach seinem Wortlaut ausdrücklich darauf ab, ob dem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt („... aufschiebende Wirkung hat;“) und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen,
61
vgl. - zur vergleichbaren Norm des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II VO - Nds.OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris Rn. 17 m.w.N.
62
Im Übrigen ist es nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland nicht unzulässig, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung anzuordnen. Denn der generelle legislative Ausschluss vorläufigen Rechtsschutzes wird in Fortführung des zu § 26a AsylVfG ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts und unter Beachtung der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für den Fall einer auf § 34a Abs. 1 in Verbindung mit § 27a AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung insoweit (verfassungs- und unionsrechtskonform) teleologisch dahingehend reduziert, dass in eng umgrenzten Ausnahmefällen ebensolcher in Betracht kommt,
63
so auch OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A –, juris Rn. 8 ff. mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94 und auf BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris.
64
Insoweit macht es hier keinen Unterschied, ob die zu Gunsten der Kläger angeordnete Aussetzung der Abschiebung auf geschriebenem Gesetzesrecht oder auf einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung beruht,
65
insoweit sind die Erwägungen des EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 –, juris, zum Beginn der Überstellungsfrist jedenfalls ab Hauptsacheentscheidung auf die hiesige nationale Rechtslage übertragbar auch wenn, anders als in dem entschiedenen Fall offenbar in Schweden, das geschriebene Recht einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung hier nicht vorsieht.
66
Einer Entscheidung, ob Art. 20 Abs. 1 lit. d), Abs. 2 Dublin II VO den Klägern überhaupt ein subjektives Recht vermittelt,
67
verneinend etwa VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 - RN 9 K 11.30445 -, juris Rn. 18,
68
bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
69
2. Die Beklagte ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO zur Ausübung des eigenen Prüfrechts (sog. Selbsteintrittsrecht) verpflichtet.
70
Nach dieser Norm kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem hier sachgerecht ausgeübten Ermessen. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist nicht gegeben.
71
Der durch die Dublin II VO geschaffenen Zuständigkeitsregelung zwecks Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems, vgl. Art. 78 AEUV, liegt die Annahme zugrunde, in allen Mitgliedstaaten sei die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sichergestellt, sog. „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Eine Durchbrechung dieser Zuständigkeitsordnung aufgrund einer Reduzierung des Ermessens eines Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO auf Null kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem Sonderfall betroffen ist, der von dem vorgenannten Konzept / Prinzip nicht aufgefangen wird.
72
Von einem solchen Ausnahmefall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird. Im Hinblick auf die Ziele und das System der Dublin II VO genügt hierfür aber nicht jeder Verstoß gegen die GFK, die EMRK, die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten einschließlich deren zum Teil bereits in Kraft getretener Neufassung, der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, ferner gegen die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, einschließlich deren Neufassung, der bereits zum Teil in Kraft getretenen Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes. Erforderlich ist vielmehr, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta (vgl. zur Tragweite der garantierten Rechte der Charta Art. 52 Abs. 3 Satz 1 Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
73
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94; OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A –, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 1506/12.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 - 17 L 660/13.A und vom 6. Februar 2013 - 17 L 150/13.A –, juris; vgl. auch die vom BVerfG im Urteil vom 14. Mai 1996 ‑ 2 BvR 1938/93 ‑, juris Rn. 189 herausgearbeiteten Fallgruppen der schlagartigen Veränderung der für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat bzw. der generellen Lösung von den Konventionsverpflichtungen.
74
a. In Anbetracht dieser Rechtsprechung besteht derzeit keine Verpflichtung der Beklagten, den Asylantrag der Kläger in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Auf Grundlage des dem Gericht gegebenen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Italien ist aktuell nicht zu befürchten, dass systemische Mängel betreffend das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen vorliegen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat Italien ausgesetzt zu werden.
75
Hinweise etwa dergestalt, dass dort Schutzgesuche zunächst schon überhaupt nicht geprüft würden, sind nicht ernstlich ersichtlich. Das Auswärtige Amt kommt in seiner im Rahmen eines Amtshilfeersuchens abgegebenen jüngsten ausführlichen Stellungnahme an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013 (Ziff. 1, 2) zu dem Ergebnis, dass keine neueren Fälle bekannt wären, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende, die in Italien um Schutz nachsuchen wollen, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder dem Landweg die Einreise bzw. der Aufenthalt in Italien verweigert worden sei. Es seien auch keine jüngeren Fälle ersichtlich, in denen sie nach ihrer Einreise in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden seien, ohne dass sie in Italien – wie von ihnen beabsichtigt – einen Asylantrag hätten stellen können oder in denen sie nach ihrer Einreise trotz eines in Italien gestellten Asylantrags zurückgeführt bzw. abgeschoben worden seien. Bei sog. „Dublin-II-Rückkehrern“ - wie hier - sei gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihren bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen könnten. Demnach wird Asylbewerbern ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt,
76
vgl. hierzu auch die früheren Feststellungen in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das VG Freiburg vom 11. Juli 2012, S. 5 sowie die Feststellungen im Urteil des VG Augsburg vom 11. Januar 2013 ‑ Au 6 K 12.30358 ‑, juris Rn. 25 unter Auswertung weiterer Erkenntnisse, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
77
Diese Annahme wird insbesondere durch das Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. aus Dezember 2012 zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012 nicht durchgreifend erschüttert, da sich dieses in erster Linie mit den Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge der Asylsuchenden in Italien beschäftigt.
78
Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge lassen sich in Italien zwar Mängel ausmachen. Insbesondere die durch überlastete Aufnahmeeinrichtungen bestehende Gefahr der Obdachlosigkeit, die etwa durch das vorzitierte Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe oder die Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI) an das VG Darmstadt vom 20. November 2012 geschildert wird, ist vor dem Hintergrund der Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten bzw. Art. 17 Abs. 2 und Art. 18 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, durchaus zu beachten. Allerdings handelt es sich unter Würdigung weiterer Erkenntnisse derzeit nicht um einen systemischen Mangel charakterisierende strukturelle landesweite Missstände, die eine individuelle Gefährdung eines jeden Einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien begründeten und die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würden. Eine – unmenschliche oder erniedrigende Behandlung herbeiführende – beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen kann vielmehr nicht ausgemacht werden.
79
Das Auswärtige Amt stellt in der vorzitierten Auskunft vom 21. Januar 2013 unter Ziff. 4. denn auch fest, derzeit könnten alle Asylbewerber/Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Wie auch in der an das VG Freiburg vom 11. Juli 2012 ergangenen Stellungnahme wird erneut betont, es gebe gegebenenfalls lokale/regionale Überbelegungen (in Teilen Süditaliens), landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale (und karitative) Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Zudem würden Dublin-II Rückkehrer von der Polizei bei Ankunft auf dem Flughafen in Empfang genommen und es werde ihnen sodann eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt bzw. das Asylverfahren noch weitergeführt werde (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013, Ziff. 1.4).
80
Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) stellt in seiner gutachterlichen Stellungnahme an das VG Braunschweig vom 24. April 2012 auf Seite 3 ff. fest, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden hätten und davon auszugehen sei, dass Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt wurde, so lange der Zeitraum von 6 Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und soweit die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten nicht überstiegen.
81
Der bereits ältere Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe über das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien vom Mai 2011 weist zwar auf seinerzeitige Schwierigkeiten bei der Unterbringung und der Information über den bestehenden Anspruch auf Gesundheitsversorgung hin, eine grundsätzliche Abkehr Italiens von seiner Völker- und europarechtlicher Verpflichtung gegenüber Flüchtlingen kann darin jedoch nicht gesehen werden,
82
so auch Nds. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2012 – 13 MC 22/12 –, juris UA S. 8.
83
Sollten kurzfristige Überlastungen der Aufnahmeeinrichtungen – etwa durch ein aufgrund aktueller politischer Ereignisse hervorgerufenes hohes Flüchtlingsaufkommen – vorkommen, stellte dies ebenso keinen systemischen Mangel dar, wie eine nur örtlich begrenzte Kapazitätenüberschreitung. Denn nicht jede partielle Unterschreitung des unionsrechtlich gebotenen Schutzniveaus rechtfertigt bereits die Annahme eines systemischen Mangels,
84
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 84 ff.
85
Etwas anderes würde heißen, die betreffenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in der Dublin II VO in ihrem Kern auszuhöhlen und die Verwirklichung des Ziels zu gefährden, rasch den Mitgliedsstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Maßgeblich ist auch, dass die italienischen Behörden gegen die Beseitigung der Missstände Maßnahmen ergreifen. So wurde etwa die Notstandsgesetzgebung, durch die die Unterbringung einer erheblichen Anzahl aus den nordafrikanischen Ländern kommenden Asylsuchenden seinerzeit innerhalb kürzester Zeit erreicht werden sollte, bis Ende Februar 2013 verlängert,
86
vgl. den unter www.proasyl.de abrufbaren Newsletter Italien Dezember 2012, Seite 1,
87
und es wurden kurzfristig im Jahre 2011/2012 20.000 Aufnahmeplätze in kleinen bis mittleren Einrichtungen in Italien geschaffen,
88
vgl. ASGI-Bericht an das VG Darmstadt vom 20. November 2012, S. 10.
89
Anlässlich des Ende Februar 2013 ausgelaufenen Notstandes ist in einem internen Runderlass der Regierung vom 18. Februar 2013 festgelegt worden, die Präfekturen (Regierungspräsidien), die die Leitung des Notstandes vom Zivilschutz übernommen haben, müssten dafür Sorge tragen, dass besonders schutzbedürftige Personen nicht obdachlos würden, sondern in einem Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR-Projekt) untergebracht würden,
90
vgl. den unter www.proasyl.de abrufbaren Newsletter Italien März 2013, Seite 1.
91
Angesichts dessen kann von einem Untätig bleiben oder gar einer Gleichgültigkeit der italienischen Behörde keine Rede sein.
92
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnislage und der gegenwärtig nicht ansteigenden Zuströme von Asylbewerbern nach Italien (Anlandungen im Süden Italiens nach vorzitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013, Ziff. 9: 2011: 62.692; 2012: 13.267 Personen; Beruhigung der Lage in den nordafrikanischen Staaten) kann eine – die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung „implizierende“ – beachtliche, systemische Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt insgesamt nicht ausgemacht werden,
93
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 1506/12.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –; VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 - 6 K 2643/12.A; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2013 – OVG 7 S 33.13 –, juris Rn. 13 ff.; VG Regensburg, Gerichtsbescheide vom 26. Februar 2013 ‑ RN 9 K 11.30445 ‑ und vom 8. Januar 2013 – RN 7RN 7 K 12.30397 -; VG Augsburg, Urteil vom 11. Januar 2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Schwerin, Beschluss vom 27. September 2012 ‑ 8 B 434/12 As ‑, juris; VG Osnabrück, Urteil vom 23. Januar 2012 – 5 A 212/11 -, juris; siehe auch den Nichtannahmebeschluss, BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2012 – 2 BvR 285/12 –, juris; a.A. u.a. VG Cottbus, Beschluss vom 8. März 2013 ‑ VG 1 L 54/13.A ‑ n.v.; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A, juris.
94
b. Auch unter Berücksichtigung der Situation der Kläger selbst ist keine andere Bewertung geboten. Ungeachtet der unter a. gemachten Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person des Asylsuchenden liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob die Kläger zu den in Art. 17 Abs. 1 Richtlinie 2003/9/EG bzw. Art. 21 Richtlinie 2013/33/EU aufgeführten - nach Einzelfallprüfung gem. Art. 17 Abs. 2 Richtlinie 2003/9/EG / Art. 22 Richtlinie 2013/33/EU entsprechend anerkannten - besonders schutzbedürftigen Personengruppen zählen (z.B. Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern).
95
Beachtliche, in der Person der Kläger liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor. Die von dem Kläger zu 1. behauptete Herzerkrankung stellt – selbst bei deren Wahrunterstellung – einen solchen beachtlichen Grund nicht dar.
96
Hinsichtlich der behaupteten Erkrankung ist schon nicht vorgetragen, dass diese in Italien nicht behandelbar bzw. eine Medikamentation nicht möglich wäre. Entsprechendes ist nach der derzeitigen Erkenntnislage auch nicht ersichtlich. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Italien ist für Asylsuchende - trotz zuweilen auftretender praktischer Erschwernisse - grundsätzlich hinreichend gewährleistet. Ausweislich der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013 haben Asylbewerber während des Asylverfahrens Anspruch auf freie medizinische Versorgung, Ziff. 5.1; dies wird auch von dem vorzitierten Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe aus Dezember 2012, S. 45, 58 im Wesentlichen bestätigt. Das Auswärtige Amt geht weiter davon aus, Asylbewerber seien in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt, Ziff. 6. Die Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst) sei obligatorisch und ermögliche die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtige. Für die Registrierung und den Erhalt des Gesundheitsausweises benötigten die Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis (die sie in einer Aufnahmeeinrichtung erhielten), eine Steuernummer (die sie bei der Einreise-Agentur erhielten) sowie eine feste Adresse (Ziff. 6.2 des Gutachtens des Auswärtigen Amtes sowie S. 45f. des Gutachtens von borderline-europe). Da nach dem jüngsten Gutachten des Auswärtigen Amtes derzeit grundsätzlich alle Asylbewerber - wie dargelegt - untergebracht werden können und insbesondere Dublin-II Rückkehren eine Unterkunft zugewiesen wird, ist nicht ersichtlich, dass die Kläger keine Wohnsitznahme werden vorweisen können. Ungeachtet dessen können sie sich selbst bei fehlendem festen Wohnsitz um eine Sammeladresse bemühen. Denn die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch u.a. für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes, Ziff. 6.2). Eine solche „virtuelle Wohnsitznahme“ ist insbesondere in Rom recht umfangreich möglich (vgl. S. 46 Gutachten borderline-europe). Im Übrigen steht nach zitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes (Ziff. 6.2) eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die stets bestehende Notambulanz sei - ungeachtet einer Registrierung - für alle Personen in Italien kostenfrei zugänglich. Aktuell sei die Not- und Grundversorgung (vgl. Art. 15 Richtlinie 2003/9/EG) selbst für illegal aufhältige Personen garantiert. Daneben sei u.a. für kranke Personen eine spezielle Versorgung und Betreuung vorgesehen (Ziff. 8). Für sie gebe es speziell zusammengesetzte Teams bestehend aus Sozialarbeitern, Erziehern, Psychologen und Psychotherapeuten.
97
Es ist nach alledem nicht ersichtlich, dass der Kläger zu 1. in Italien nicht hinreichend medizinisch versorgt werden könnte oder keinen Zugang zu einer solchen Versorgung hätte; auch kann ihm zugemutet werden, sich beim Nationalen Gesundheitsdienst registrieren zu lassen. Einschränkungen oder sonstige Gebrechlichkeiten des Klägers zu 1., die ihm dies verwehrt sein ließen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies hat sich auch nach der Befragung des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Außer der Tatsache, dass er Atemnot bekomme, wenn er sich anstrenge, benannte er keine weiteren Symptome seiner Krankheit, die ihn im Alltag oder bei besonderen Situationen einschränken. Sein Gesundheitszustand wurde von den Klägern zu keinem Zeitpunkt als Grund angeführt, der einer Rückkehr nach Italien entgegenstehe. Vielmehr wurde von beiden Klägern sowohl in der Befragung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung betont, es sei von Anfang ihr Ziel gewesen, nach Deutschland zu kommen, da hier Familie bzw. Angehörige lebten. Sonstige Umstände, die eine besondere Schutzbedürftigkeit – auch der Kläger zu 2. oder 3. – begründen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.
98
Scheidet ein Anspruch der Kläger auf Ausübung des sog. Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO und schon damit eine Verletzung ihrer Rechte aus, kann dahin stehen, ob die Vorschrift über die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen nach der Dublin II VO überhaupt subjektive Rechte begründet,
99
vgl. dazu Nds.OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris, m.w.N.; Vorlagebeschluss des Hessischen VGH vom 22. Dezember 2010 - 6 A 2717/09.A - an den Europäischen Gerichtshof, juris -, Rechtssache C-4/11 EuGH.
100
II. Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor.
101
1. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote hinsichtlich Italiens bestehen nicht. Soweit eine Erkrankung des Klägers zu 1. geltend gemacht wird, handelt es sich jedenfalls nicht um eine solche die – wie ausgeführt – nicht in Italien behandelt werden könnte bzw. die zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führte.
102
2. Soweit im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (nur) vom Bundesamt inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen sein sollten,
103
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4,
104
stünden solche der Aufenthaltsbeendigung hier ebenfalls nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die behauptete Erkrankung des Klägers zu 1. Diese begründet – als wahr unterstellt – nicht dessen Reiseunfähigkeit. Ein inlandsbezogenes Ausreisehindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern wird. Im Hinblick auf den Kläger zu 1. sind eine im vorgenannten Sinne beachtliche Erkrankung und das ernsthafte Risiko, dass sich sein Zustand bei einer Abschiebung wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern wird, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. In dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attest des Dr. Simon vom 4. Mai 2012 werden dem Kläger eine familiäre HCM (Hypertrophe Kardiomyopathie – eine Erkrankung der Herzmuskulatur) und eine massive Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse) attestiert, die derzeit behandelt würden. Das – über ein Jahr alte – Attest vom 4. Mai 2012 belegt schon zum einen nicht den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers zu 1. Zum anderen benennt das Attest lediglich eine Diagnose (HCM) und verweist im Übrigen auf einen – dem Gericht nicht vorliegenden – Befundbericht. Dem Attest sind keine konkreten Angaben über den Grad der Erkrankung, die Symptome, bzw. über die Reise(un)fähigkeit des Klägers zu 1. zu entnehmen. Gleiches gilt für die gestellte Diagnose einer massiven Hyperthyreose. Auch während der Befragung des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung wurde eine Reiseunfähigkeit vom Kläger zu 1. selbst nicht thematisiert. Die Kläger bzw. ihr Prozessbevollmächtigter haben keine konkreten Umstände benannt, aus denen sich die Reiseunfähigkeit ergibt. Eine behandelte Erkrankung – auch des Herz- Kreislaufsystems – führt nicht zwingend zur Reiseunfähigkeit. Die – ohne nähere Begründung – behauptete Infarktgefahr ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.
105
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Prozessbevollmächtigten der Kläger, Beweis über die Tatsache zu erheben, dass bei dem Kläger zu 1. Reiseunfähigkeit vorliegt durch Einholung eines fachärztlichen kardiologischen Gutachters, unterlag bereits gemäß § 87b Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO der Präklusion. Demnach können nach Ablauf einer gesetzten Frist verspätet vorgebrachte Beweismittel zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (a.), der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt (b.) und er über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt worden ist (c.).
106
a. Mit der Ladung vom 31. Juli 2013 hat das Gericht die Kläger aufgefordert, bis zum 23. August 2013 (Eingang bei Gericht) etwaige neue Tatsachen und Beweismittel anzugeben, sowie Urkunden vorzulegen, auf die sie sich zur Begründung der Klage stützen wollen, insbesondere Nachweise über die Herzerkrankung des Klägers zu 1., die zur Reiseunfähigkeit des Klägers führen soll. Innerhalb der Frist reichten die Kläger keine Nachweise zu den Akten, bzw. kündigten keinen Beweisantrag an. Die Zulassung des erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags würde nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits auch verzögern, weil der Prozess bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Da das Einholen eines Sachverständigengutachtens und die erneute Durchführung einer mündlichen Verhandlung voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen dürften, ist von einer nicht unerheblichen Verzögerung auszugehen, die auch kausal durch den verspäteten Beweisantrag herbeigeführt worden wäre.
107
b. Die Verspätung des Vorbringens wurde auch nicht genügend entschuldigt, § 87b Abs. 3 Nr. 2 VwGO. Ähnlich wie bei § 60 Abs. 1 VwGO ist darauf abzustellen, ob die Beteiligten diejenige Sorgfalt angewendet haben, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls zuzumuten war. Die Kläger haben sich das Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen zu lassen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat es ohne nachvollziehbaren Grund versäumt, ein aktuelles Attest über die Erkrankung des Klägers zu 1. zu den Akten zu reichen, aus denen sich Anhaltspunkte für die Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1. ergeben, bzw. einen Beweisantrag anzukündigen. Zwischen Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Kläger Mitte Juni 2013 und der Ladung, mit der die Kläger zur Angabe von Tatsachen und Beweismittel zwecks Nachweis insbesondere der Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1. bis zum 23. August 2013 aufgefordert wurden, lag ein angemessener Zeitraum, der ‑ selbst unter Berücksichtigung des Sommerurlaubs des Prozessbevollmächtigten ‑ ausreichend Zeit ließ, tätig zu werden.
108
c. Die Kläger wurden auch bei Setzung der Frist gemäß § 87b Abs. 2 VwGO in der Ladung vom 31. Juli 2013 über die Möglichkeit des Zurückweisens von Vorbringen oder Beweismitteln nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist entsprechend § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO belehrt.
109
d. Es ist dem Gericht schließlich nicht möglich, ohne besonderen Aufwand den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln, § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Gericht hat deshalb unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles sein ihm zustehendes Ermessens dahingehend ausgeübt, von der Präklusionsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Die Folgen der Präklusion sind dabei nicht all zu gewichtig, weil der Beweisantrag ohnehin aus den nachfolgend ausgeführten Gründen als unsubstantiiert abzulehnen war.
110
Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten, aus denen die Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1. folgen soll. Aus dem vorgelegten Attest vom 4. Mai 2012 – welches überdies keine Auskunft über den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers zu 1. gibt – geht lediglich die Diagnose von zwei Krankheiten hervor, die zum Zeitpunkt der Attestausstellung behandelt wurden. Auch aus der Befragung des Klägers zu 1. haben sich keine Anhaltspunkte für seine Reiseunfähigkeit ergeben. Es handelt sich um einen reinen Ausforschungsbeweis, der erst dazu dient, das Begehren schlüssig zu machen.
111
Für sonstige Abschiebungshindernisse sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Entsprechendes wurde auch nicht vorgetragen.
112
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich aus § 30 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Be klagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterle gung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils voll streckbaren Be trages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll streckung Si cherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu voll streckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 15. November 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 4.
Dezember 2012 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3
Er hatt
t
e
nach eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 23. April 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesam tes in der Eurodac-Datenbank bereits am 13. Mai 2012 in Belgien Asyl beantragt; der An trag ist
war
abgelehnt worden.
4
Das Bundesamt richtete am 26. November 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO.
5
Mit Bescheid vom 30. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 5. Februar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6
Am 18. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
7
Er ist der Ansicht, dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer vorliege, da seit der Antragstellung am 4. Dezember 2012 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 26.
November 2013 knapp 12 Monate verstrichen seien.
8
Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerken nen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen.
9
Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts,
beantragt er nunmehr,
10
den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 aufzuheben.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung bezieht sie
sichdie Beklagte
auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes.
14
Die Beteiligten haben übereinstimmend am 22. Juli und 7. August 2014 auf mündliche Ver handlung verzichtet (Bl. 37 und Bl. 39 d. Gerichtsakte).
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge richtsakte sowie der beigezogenen VerwaltungsvorgängeBezug
genommen.
Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
Die Klage ist zulässig (vgl. unter I.) und begründet (vgl. unter II.).
21
I. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage bedarf es nicht.
22
Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 30. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abge lehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungs begehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegeh rens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formel len und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundes amt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvor schriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zustän dig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegeh rens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
23
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 ‑
–
1
A
21/12.A
–, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.
Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15. Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, S. 4; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Urteil vom 15.
März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, –
5 K 198/11.TR–
, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn.
21, § 34a Rn. 64 f.
24
Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschie bungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundes amt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
25
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
26
Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutz begehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
27
Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
28
Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entschei dungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwen dung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als un zulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruch reif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verlo ren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergeb nis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, son dern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Ge waltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
29
VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, Urteil vom 26. April 2013 ‑
–
17
K
1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn.
15 ff.
30
Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Ge langt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergeb nis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtli chen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgespro chen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
31
VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
32
Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Beschei des ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
33
II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
34
Anders als von der Beklagten angenommen ist nicht Belgien, sondern (inzwischen) die Beklagte zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Eu ropäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
35
Eine Zuständigkeit Belgiens besteht indes nicht (mehr). Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Arti kel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylan träge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Ge suchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO).
36
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, juris, Rn.
27, sowie
bereits VG Düsseldorf, Be schluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris Rn. 13 = NRWE.
37
Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Übernahmeersuchen wurde am 26. November 2013 an Belgien gestellt. Der Überstellung an Belgien und damit seiner Zuständigkeit für die Durchführung des Asyl verfahrens steht entgegen, dass seit der Stellung des Asylantrags am 4. Dezember 2012 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens an Belgien am 26.
November 2013 knapp zwölf Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit zwar allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat – vorliegend ausweislich des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 und der eige nen Angaben des Antragstellers in der Anhörung beim Bundesamt am 23. April 2013 in Belgien – ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asyl bewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt.
38
Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 13 und vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
39
Es liegt aber ein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zu ständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Euro päischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständi gen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
40
Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 108.
41
Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
42
Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 17 und vom 24.
Februar 2014 – 13 L 2685/13.A – juris und www.nrwe.de; VG Göttingen, Beschluss vom 11.
Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10; A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 ‑
–
33
L 450.13 A –, juris Rn. 8.
43
Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wie deraufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichts hof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unange messen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeit raums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asyl antrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Mo naten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
Hier sind zwischen der Stellung des Asylantrags und der Stellung des Übernahmeersuchens durch die Beklagte knapp zwölf Monate vergangen. Es sind auch keine Um stände erkennbar, die diese ungewöhnlich lange, nach der zitierten Rechtsprechung des Europäi schen Gerichtshofs die Grundrechte des Klägers verletzende Verfahrens dauer im Einzel fall rechtfertigen könnte. Die Beklagte ist daher verpflichtet, nach den Modalitäten des Arti kel 3 Absatz 2 Dublin II-VO den Asylantrag des Klägers selbst zu prüfen.
46
Dem Kläger ist es auch nicht verwehrt sich hierauf zu berufen. Dahingestellt bleiben kann, ob und wann sich ein Asylbewerber auf die Nichtbeachtung der in der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO geregelten Fristen (vgl. Artikel 17 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Dublin II-VO) berufen kann.
47
Vgl. zu dieser Problematik den Nachtrag des Vorsitzenden Richters am BVerwG, Prof. Dr. Uwe Berlit, zum Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.
/
14 –, juris.
48
Jedenfalls besteht bei einer unangemessen langen Verfahrensdauer nach der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH
einunmittelbar aus den Grundrechten abzuleitendes
subjekti ves Recht des Asylbewerbersauf Durchführung des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat, welcher die Verzögerung zu verantworten hat
. Auch
unter Berücksichtigung von Artikel 18 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) und den der Dublin II-VO vorangestellten Erwägungen 4 und 15 kann nicht jegliche Außerachtlassung der Oblie genheit, ein Übernahmeersuchen in angemessener Zeit nach Asylantragstellung an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat zu richten, konsequenzlos bleiben.
Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn.
7
52
a
us, dass der Asylbewerber nach der Zustimmung zur Aufnahme durch den aufnehmen
den Mitgliedstaat der
auf Art
ikel
10 Dublin II-VO gegründeten Zuständigkeit (Zuständigkeit wegen illegalen Grenzübertritts) n
ur entgegenhalten kann, dass in dem übernehmenden Staat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen
bestehen.
Hierbei geht es aber nur um Abwehrrechte gegen die Überstellung in den konkreten Staat.
Die Frage einer grundrechtsrelevanten unangemessenen Verfahrensdauer war dort nicht Gegenstand des Verfahrens und ist konsequenterweise vom BVerwG
von vornherein nicht beantwortet worden.
53
Ein
anderes Verständnisstünde
auch der Rechtsprechung des EuGH entgegen, von der sich das BVerwG nicht abgegrenzt hat
. Danach hat
54
„der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, […] jedoch darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt wer den, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zustän digen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 343/2003 selbst prüfen“
55
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 98 und 108.
56
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des EuGH,
57
vgl. Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris,
58
auf die sich das BVerwG in seiner Entscheidung vom 19. März 2014 indes ausdrücklich stützt.
Mit der Problematik einer unangemessenen Verfahrensdauer setzt sich der EuGH in die ser Entscheidung nicht auseinander. Zwar heißt es in den Entscheidungsgründen, dass Artikel 19 Absatz 2 Dublin II-VO dahin auszulegen sei, dass in einem Fall, in dem ein Mit gliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Unionsgebiet, der Asylbewerber der Heranzie hung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden.
61
EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
62
Indes ist diese Antwort in den Kontext des von dem vorlegenden Gericht zu entscheiden den Ausgangsverfahrens und der damit einhergehenden Vorlagenfrage zu setzen. Das von dem vorlegenden Gericht, dem österreichischen
Asylgerichtshof, zu entscheidende Ausgangsverfahren betraf – vereinfacht dargestellt – die Situation, dass die Asylbewerbe rin, nachdem Ungarn einer Überstellung zugestimmt und das österreichische Bundesasyl amt daher ihren Asylantrag als unzulässig abgelehnt hatte, erstmals vorgetragen hat, dass nicht Ungarn sondern Griechenland der zuständige Mitgliedstaat sei. Dementsprechend hatte der vorlegende Asylgerichtshof im Ergebnis allein die Frage zu entscheiden, ob sich die Antragstellerin, nachdem Ungarn der Aufnahme der Asylbewerberin zugestimmt hat, noch darauf berufen konnte, dass die Voraussetzungen des Artikel 10 Absatz 1 Dublin II-VO im Hinblick auf den aufnahmebereiten Staat gar nicht erfüllt seien. Die vorliegend zu entscheidende Frage, ob eine unangemessen lange Verfahrensdauer ein subjektives Recht des Asylbewerbers begründet, lag dem Vorlageverfahren danach nicht zu Grunde. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass der EuGH diese Konstellation mitentscheiden und insofern von seiner vorherigen Rechtsprechung abweichen wollte. Dies schon deshalb nicht, weil es bei der Frage nach einer unangemessenen Verfahrensdauer nicht darum geht, welcher (andere) Mitgliedstaat nach der Dublin-
Verordnung für die Prüfung eines Asylbegehrens zuständig ist. Es geht vielmehr um die Problematik, dass ein Mitgliedstaat bei einer unangemessen langen Verfahrensdauer zum Schutz der Grundrechte des Asyl bewerbers von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen muss. Der Asylbewerber macht mit anderen Worten nicht geltend, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig (gewor den) ist, sondern dass sich ein Mitgliedstaat infolge einer unangemessenen Verfahrens dauer nicht mehr auf die Zuständigkeitsregeln berufen kann und selbst
über das Asylbegeh ren zu befinden hat.
63
Vgl. auch VG Cottbus, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 1 L 174/14.A –, juris, Rn. 21; VG
Oldenburg
(Oldenburg), Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, juris, Rn. 39 ff.; VG Göttingen, Beschluss vom 30.
Juni 2014 – 2 B 86/14 –, juris, Rn. 22; VG Münster, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 9 L 465/14.A –, juris, Rn. 12 ff. m.w.N.
64
Liegen die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG demnach nicht vor, ist die auf § 34a Ab satz 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ebenfalls rechtswidrig.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegen stands wert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
2
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
3
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
4
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
5
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
6
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
7
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
8
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
9
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10
Die Beklagte beantragt,
11
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12
Der Kläger beantragt,
13
die Berufung zurückzuweisen.
14
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.
Entscheidungsgründe
16
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
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aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
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Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
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Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.
Gründe
16
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.
Der Antrag des Antragstellers, in Abänderung des Beschlusses der Kammer 27. Februar 2014 – 5 L 233/14.TR die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage 5 K 232/14.TR anzuordnen, wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - können Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar grundsätzlich jederzeit aufgehoben und geändert werden. Hierbei handelt es sich indessen um ein selbständiges Verfahren, das nicht dazu dient, die Richtigkeit eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses zu überprüfen. Vielmehr soll das Gericht lediglich in die Lage versetzt werden, den jeweiligen - veränderten - Erfordernissen der augenblicklichen Situation Rechnung zu tragen. Von daher kann ein Beteiligter gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO eine Abänderung eines auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen gerichtlichen Beschlusses nur dann mit Aussicht auf Erfolg beantragen, wenn veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgetragen werden, die geeignet sind, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1999 - 11 VR 13/98 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 8 ME 184/11 -, beide veröffentlicht bei juris). Vorliegend fehlt es indessen an einer dahingehenden Veränderung.
Insoweit macht sich die Kammer die nachfolgend wiedergegebenen Gründe des Beschlusses des VG Würzburg vom 11. Juni 2014 - W 6 S 14.50065 -, juris, zu eigen, die auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar sind:
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO war nach diesen Vorgaben aus zwei sich selbständig tragenden Gründen abzulehnen. Die Regelungen zur Überstellungsfrist in der Dublin-II-VO berühren zum einen weder subjektive Rechte der zu überstellenden Antragsteller, noch vermögen sie solche zu begründen. Zum anderen begann die sechsmonatige Überstellungsfrist nicht schon mit der Wiederaufnahmeerklärung der norwegischen Behörden vom 28. November 2013, sondern mit den zurückweisenden Beschlusses vom 17. Dezember 2013, der der Antragsgegnerin laut Empfangsbekenntnis am 23. Dezember 2013 zugestellt wurde, zu laufen. Die Überstellungsfrist ist damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen Entscheidung noch nicht abgelaufen.
Eine mögliche Überschreitung der Überstellungsfrist wäre unerheblich, da allein ein Verstoß gegen die Fristenregelungen der Dublin-II-VO für sich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber verletzt, sofern damit keine Grundrechtsverletzung einhergeht. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 10.12.2013 – C-394/12 – NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich die Antragsteller nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-II-VO gewährt den Antragstellern keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihr Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft wird, den sie für zuständig halten. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem nur insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung der Asylgewährung verpflichtet sein muss. Die Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen indes einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der Europäische Gerichtshof hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (vgl. allgemein BVerwG, B.v. 15.4.2014 – 10 B 16/14 – juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris; OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13 – juris sowie VG Ansbach, U.v. 19.5.2014 – AN 1 K 14.30087 – juris; VG Augsburg, B.v. 21.2.2014 – AU 7 S 14.30093 – juris; VG Osnabrück, B.v. 19.2.2014 – 5 B 12/14 – juris).
Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz der Antragsteller, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedsstaat. Die Dublin-II-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme. Ansonsten würden selbst bei einer Überschreitung der Überstellungsfrist keine subjektiven Rechte der Antragsteller verletzt (a. A. VG Magdeburg, U.v. 28.2.2014 – 1 A 413/13 – juris). Das Gericht folgt damit der Rechtsauffassung, die konkret in Bezug auf die Überschreitung der Überstellungsfristen eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller verneint (so VG Hamburg, B.v. 8.4.2014 – 17 AE 1762/14 – juris; VG Berlin, B.v. 19.3.2014 – 33 L 90.14 A; offen gelassen von VG München, G.v. 28.4.2014 – M 21 K 13.31396 – juris; VG Düsseldorf, B.v 7.4.2014 – 2 L 55/14.A – juris; VG Regensburg, B.v. 13.12.2013 – RO 9 S 13.30618 – juris).
Unabhängig von den vorstehenden Gründen ist festzustellen, dass die Überstellungsfrist nicht abgelaufen ist. Zwar sind seit der Wiederaufnahmeerklärung der norwegischen Behörden mit Schreiben vom 28. November 2013 mehr als sechs Monate vergangen, jedoch ist für den Beginn der sechsmonatigen Überstellungsfrist auf die Entscheidung im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 17. Dezember 2013 (W 6 S 13.30520 – juris) abzustellen, die der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2013 zugestellt wurde und ihr eine Abschiebung ermöglichte.
Das Gericht teilt nicht die gegenteilige Auffassung, die mit Hinweis auf Wortlaut sowie Sinn und Zweck und Systematik der Dublin-Verordnungen von einer Reihe von Gerichten vertreten wird (siehe etwa VG Hannover, B.v. 13.5.2014 – 6 B 9277/14 – juris; B.v. 31.3.2014 – 1 B 6483/14 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 15.4.2014 – A 1 K 25/14 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 24.3.2014 – 13 L 644/14.A; VG Magdeburg, U.v. 28.2.2014 – 1 A 413/13 – juris; VG Oldenburg, B.v. 21.1.2013 – 3 B 7136/13 – Asylmagazin 2014, 79 – juris).
Denn nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung, sobald es materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Entsprechend diesem Wortlaut ist mit der „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ nicht nur die Entscheidung über die Klage in der Hauptsache zu verstehen, sondern auch die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO im Sofortverfahren. Der Rechtsbehelf (Sofortantrag) hat nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 AsylVfG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Das Gericht trifft mit dem daraufhin ergehenden Beschluss im Sofortverfahren in der Sache (auch) eine individuelle Entscheidung über den Fortbestand der aufschiebenden Wirkung. Denn bei rechtzeitiger Antragstellung erklärt § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung einstweilen bis zu einer gerichtlichen Entscheidung für nicht zulässig. Der Sofortantrag hat so selbst „aufschiebende Wirkung“ im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO hat, weil der Begriff der aufschiebenden Wirkung im Europarecht unabhängig von der differenzierenden nationalen Terminologie in einem weiten Sinn zu verstehen ist. Nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ist die Antragsgegnerin ist gehindert, die Abschiebung des Betroffenen an den zuständigen Mitgliedsstaat zu organisieren und durchzuführen. Diese Wirkung erfüllt den unionsrechtlichen Begriff der aufschiebenden Wirkung. Vor diesem Hintergrund bedingt auch die Formulierung in Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin-III-VO, die hier ohnehin nicht gilt, keine andere Auslegung (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a AsylVfG, 94. Ergänzungslieferung Juni 2012 Rn. 193 sowie 98. Ergänzungslieferung November 2013 Rn. 227 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, 83. Aktualisierung Dezember 2013, § 34a AsylVfG Rn. 47; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 313 ff.).
Weiter sprechen die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelungen zur Überstellungsfrist für einen Fristlauf in Abhängigkeit von der Entscheidung in der Sofortsache. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Januar 2009 (C-19/08 – Slg. 2009, I-495) betrifft zwar nicht die vorliegende Fallkonstellation, jedoch hat der Europäische Gerichtshof übergreifend ausdrücklich festgehalten, dass die Europäische Kommission gerade deshalb die sechsmonatige Frist vorgeschlagen hat, um den für die Mitgliedsstaaten bei der Durchführung der Überstellung bestehenden praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen. Die zunächst auf einen Monat festgesetzte Überstellungsfrist wurde in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO ausdrücklich auf sechs Monate erhöht. Der Europäische Gerichtshof führt weiter aus, dass den betroffen Mitgliedsstaaten in jeder Konstellation die Frist von sechs Monaten in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung zur Verfügung stehen soll. Dieses explizite Ziel des Dublin-Verordnungsgebers würde verfehlt, wenn man missachten würde, dass die Antragsgegnerin mit der Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG für einen gewissen Zeitraum innerhalb der sechs Monate rechtlich gehindert wäre, die notwendigen Maßnahmen für die Überstellung zu treffen und die Überstellung (Abschiebung) durchzuführen. Das dagegen vereinzelt ins Feld geführte Argument, dass die Antragsgegnerin intern die Überstellung vorbereiten könnte (vgl etwa VG Hannover, B.v. 31.3.2014 – 1 B 6483/14 – juris), ändert nichts an der Tatsache, dass sie von Rechts wegen gehindert ist, in dieser Phase des anhängigen Sofortantrags außenwirksame Maßnahmen zur Abschiebung zu treffen oder eine Abschiebung gar durchzuführen. Bei einer gegenteiligen Auslegung könnte ein Antragsteller gerade durch die Einlegung von Rechtsbehelfen die vom Verordnungsgeber der Dublin-II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten verkürzen. Jedenfalls soweit der Aufnahmestaat weiterhin zur Aufnahme bereits ist, kann dem Antragsteller die Stellung eines erfolglosen Sofortantrages nicht zugute kommen.
Am Rande wird angemerkt, ohne dies weiter zu vertiefen, dass bei der gegenteiligen Rechtsauffassung, die einer Klage im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nunmehr aufschiebende Wirkung zuerkennt, damit nun formal die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 letzter Halbsatz Dublin-II-VO erfüllt und die Überstellungsfrist bei wörtlicher Auslegung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlängert würde. Dies wäre ein in sich widersprüchliches und nicht nachvollziehbares Ergebnis (und wird auch von der gegenteiligen Auffassung so nicht vertreten).“
Von daher ist die Kammer der Auffassung, dass im Fall des Antragstellers die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist, da mit der Bekanntgabe des Beschlusses vom 27. Februar 2014 eine neue Frist in Lauf gesetzt wurde, die bislang noch nicht abgelaufen ist.
Des Weiteren vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass das nunmehr vorgelegte ärztliche Attest vom 2. Juli 2014 eine Abänderung des Beschlusses vom 27. Februar 2014 gebieten würde, denn der Antragsteller hat seine gesundheitlichen Probleme bereits im Verfahren 5 L 233/14.TR geltend gemacht, wobei das nunmehr vorgelegte Attest keine wesentliche Veränderung im Verhältnis zu dem in dem vorgenannten Verfahren vorgelegten Attest vom 6. Februar 2014 beinhaltet.
Von daher kann der Abänderungsantrag mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenentscheidung keinen Erfolg haben; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
Die Antragsteller, Mutter und Vater mit zweien ihrer drei Kinder, Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volkszugehörigkeit, beantragten am 3. Mai 2013 in der Republik Polen Asyl. Sie reisten weiter in die Bundesrepublik Deutschland und stellten dort am 15. Mai 2013 ebenfalls Asylanträge. Daraufhin ersuchte die Antragsgegnerin die Republik Polen am 18. Juni 2013 um Wiederaufnahme der Antragsteller. Hiermit erklärte sich die Republik Polen mit Schreiben vom 21. Juni 2013 einverstanden.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2013 erklärte die Antragsgegnerin die Asylanträge der Antragsteller für unzulässig und ordnete deren Abschiebung nach Polen an. Für die Behandlung der Asylanträge sei Polen aufgrund des dort anhängigen Asylverfahrens zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Polen als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) festgesetzten Fristen durchzuführen.
Am 22. Juli 2013 erhoben die Antragsteller gegen den Bescheid vom 27. Juni 2013 Klage (Az. 17 A 2892/13). Zudem beantragten sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. 17 AE 2893/13). Das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 13. August 2013, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ab.
Die Antragsgegnerin teilte der Republik Polen mit Schreiben vom 21.Oktober 2013 mit, dass eine Überstellung der Antragsteller derzeit nicht möglich sei, weil diese untergetaucht seien. Die Überstellung erfolge spätestens bis zum 21. Dezember 2014.
Am 19. November 2013 beantragten die Antragsteller die Abänderung des Beschlusses vom 13. August 2013 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Az. 17 AE 4953/13). Das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 12. Dezember 2013 ab. Die dagegen erhobene Anhörungsrüge wies das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 8. Januar 2014 zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlüsse vom 12. Dezember 2013 und 8. Januar 2014 verwiesen.
Am 18. Februar 2014 ersuchte die Antragsgegnerin die Republik Polen unter Verweis auf das Verfahren der Antragsteller um Aufnahme des am 11. August 2013 geborenen jüngsten Kindes der Antragsteller zu 1. und 2., dessen Geburtsurkunde am 28. Januar 2014 ausgestellt worden war. Die Republik Polen nahm das Aufnahmeersuchen mit Schreiben vom 21. Februar 2014 an. Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 erklärte die Antragsgegnerin den Asylantrag des jüngsten Kindes der Antragsteller zu 1. und 2. für unzulässig und ordnete dessen Abschiebung nach Polen an. Polen sei für die Behandlung des Asylantrages nach Art. 20 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) zuständig.
Am 3. März 2013 wurde für das jüngste Kind der Antragsteller zu 1. und 2. Klage gegen den Bescheid vom 24. Februar 2014 Klage erhoben (Az. 17 A 1003/14) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt (Az. 17 AE 1004/14). Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die für die Antragsteller abgelaufene Überstellungsfrist verwiesen.
Am 2. April 2014 haben die Antragsteller erneut um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie beantragen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter Abänderung der Beschlüsse vom 13. August 2013, 12. Dezember 2013 und 8. Januar 2014, hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ihre Überstellung nach Polen einstweilen nicht statthaft ist. Zur Begründung tragen sie vor, die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf Deutschland übergegangen, da die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei. Die Frist sei auch aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht verlängert worden. Die Behauptung der Antragsgegnerin, sie seien „untergetaucht“ bzw. „flüchtig“ sei ohne Halt und widerlegt.
Die Sachakten der Antragsgegnerin, die Ausländerakten der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Gerichtsakten zu den Verfahren 17 A 2892/13, 17 AE 2893/13, 17 AE 4953/13, 17 A 1003/14, 17 AE 1004/14, 17 E 800/14 und 17 K 698/14 haben bei der Entscheidung vorgelegen.
1. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidet nach § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG die Kammer, weil der Einzelrichter die Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom heutigen Tage auf die Kammer übertragen hat.
a) Der auf Abänderung der Beschlüsse vom 13. August 2013, 12. Dezember 2013 und 8. Januar 2014 gerichtete Hauptantrag ist nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO unbegründet. Es liegen keine veränderten Umstände vor, welche die Änderung der ergangenen Beschlüsse rechtfertigen könnten.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Zuständigkeit für die Durchführung ihres Asylverfahrens nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist von der Republik Polen auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d der Dublin II-VO erfolgt die Überstellung gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dublin II-VO die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO höchstens auf 18 Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist.
Im Verfahren der Antragsteller wurde nach Sachaktenlage die Überstellungsfrist wirksam bis zum 21. Dezember 2014 verlängert. Aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO („kann […] verlängert werden“) ergibt sich, dass die Fristverlängerung nicht automatisch erfolgt. Erforderlich ist hierfür nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 (besser 3) der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin II-DVO) vielmehr, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung aus einem der in Art. 20 Abs. 2 der Dublin II-VO genannten Gründe nicht innerhalb der in Art. 20 Abs. 1 lit. d. der Dublin II-VO vorgesehenen regulären Frist von sechs Monaten vornehmen kann, den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist unterrichtet. Eine derartige Unterrichtung hat die Antragsgegnerin der Republik Polen mit ihrem Schreiben vom 21.Oktober 2013 zukommen lassen, in dem sie ausgeführt hat, dass eine Überstellung der Antragsteller derzeit nicht möglich sei, weil diese untergetaucht seien, und die Überstellung spätestens bis zum 21. Dezember 2014 erfolge.
Es kann dahinstehen, ob die Antragsteller „flüchtig“ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO waren. Die einschränkenden Voraussetzungen für die Verlängerung der Überstellungsfrist berühren nämlich weder subjektive Rechte der zu überstellenden Asylbewerber noch vermögen sie solche zu begründen. Sie bezwecken nicht den Schutz der Betroffenen, sondern dienen allein objektiven Zwecken, einer (sach)gerechten Verteilung der mit der Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaat.
Die Dublin II-VO, in der die Kriterien und das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats festgelegt sind, beinhaltet vor allem Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander. Dies gilt auch für die Fristen in Kapitel V (Art. 17 Abs. 1, 18 Abs. 1, Abs. 6 und Abs. 7, 19 Abs. 3 und Abs. 4, 20 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Dublin II-VO), das das Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten regelt.
Zwar sind als Reflex des Zuständigkeitsübergangs nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO ausnahmsweise auch subjektive Rechte der Asylbewerber betroffen, wenn die Überstellungsfristen nach Art. 19 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 Dublin II-VO ohne Überstellung der Asylbewerber abgelaufen sind und der ersuchte Mitgliedstaat nunmehr nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit ist. Denn könnten Asylbewerber in einer solchen Situation die Aufhebung eines von der Antragsgegnerin erlassenen Dublin-Bescheides gerichtlich nicht durchsetzen, bestände die Gefahr, dass die Asylanträge in keinem Mitgliedstaat materiell geprüft würden. Dies wäre weder mit dem nach Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRCh) gewährleisteten Asylrecht noch mit dem Grundsatz in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin II-VO, wonach die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen materiell prüfen, vereinbar und sollte mit den Regelungen zum Zuständigkeitsübergang – die im zuvor maßgeblichen Dubliner Übereinkommen nicht enthalten waren – ausdrücklich vermieden werden (s. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, KOM/2001/0447 endg., Nr. 4 zu Art. 20, juris: Vermeidung der Kategorie sog. „refugees in orbit“).
Anders stellt es sich jedoch bei den hier in Rede stehenden Voraussetzungen für die Fristverlängerung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO dar. Diese einschränkenden Voraussetzungen dienen, wie eingangs festgestellt, nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht dem Schutz der zu überstellenden Asylbewerber, sondern den genannten öffentlichen Belangen. Bestreitet der Mitgliedstaat, der die Wiederaufnahme zugesagt hat, das Vorliegen eines zur Fristverlängerung berechtigenden Grundes – wie hier die Republik Polen – nicht, bleiben die Rechte der Asylbewerber gewahrt. Denn es ist im Einklang mit Art. 18 GRCh und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin II-VO gewährleistet, dass die materielle Prüfung ihrer Asylanträge erfolgen wird.
Im Übrigen sprächen selbst bei Ablauf der Überstellungsfrist, die Bereitschaft der Republik Polens zur Wiederaufnahme der Antragsteller vorausgesetzt, der auch das Öffentliche Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gegen die Annahme einer Verletzung der Antragsteller in einer subjektiven Rechtsposition. Als positivrechtliche Ausprägung dieses Grundsatzes ist der in § 162 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke anzusehen. Nach § 162 Abs. 2 BGB gilt der Eintritt einer Bedingung als nicht erfolgt, wenn deren Eintritt von der Partei, zu deren Vorteil sie gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird. So dürfte es sich bei den Antragstellern im Hinblick auf die eine Einhaltung der regulären Überstellungsfrist verhindernden Umstände verhalten. Nach den Angaben in den Ausländerakten der Freien und Hansestadt Hamburg für die Antragsteller spricht vieles dafür, dass diese ihren Mitwirkungspflichten bei der Beantragung einer Geburtsurkunde für das am 11. August 2013 geborene Kind treuwidrig nicht nachgekommen sind. Ohne Geburtsurkunde konnte jedoch, wie den Antragstellern zu 1. und 2. offenbar bekannt war, eine Überstellung des neugeborenen Kindes und damit auch der übrigen Antragsteller nicht erfolgen. Die Antragsteller wurden seitens des Einwohnerzentralamts der Freien und Hansestadt Hamburg wiederholt – so sind Aufforderungen vom 17. Juli 2013, 19. August 2013, 23. September 2013, 1. Oktober 2013, 7. November 2013 und 19. November 2013 dokumentiert – aufgefordert, eine Geburtsurkunde zu beantragen. Diesen Aufforderungen sind sie indes nicht nachgekommen. Der Antragsteller zu 1. äußerte ausweislich eines Aktenvermerks vom 19. November 2013 gegenüber dem Dolmetscher Herrn G. sogar, dass er die Geburtsurkunde für das Kind nicht vorlegen werde, da die Familie sonst abgeschoben würde. Eine Geburtsurkunde wurde erst am 28. Januar 2014 auf Antrag des Einwohnerzentralamts der Freien und Hansestadt Hamburg ausgestellt, nachdem dieses die Pässe und Eheurkunde der Antragsteller zu 1. und 2. aus Polen angefordert und deren Übersetzung veranlasst hatte.
b) Der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gerichtete Hilfsantrag - Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Überstellung der Antragsteller nach Polen einstweiligen nicht statthaft ist - ist bereits unzulässig. Dies ergibt sich aus § 123 Abs. 5 VwGO. Danach gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle des § 80 VwGO. Hier aber liegt ein solcher Fall vor. Das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller ist nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu beurteilen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger, ein 23jähriger lediger Kurde yezidischen Glaubens mit syrischer Staatsangehörigkeit, beantragte am 7.7.2011 gegenüber der Beklagten die Gewährung von Asyl. In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 28.7.2011 gab er an, von der Türkei mit einem Schiff nach Italien und von dort mit dem Zug nach Deutschland gefahren zu sein. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, nicht den sonst bevorstehenden Wehrdienst leisten zu wollen, weil er dann auf das unschuldige Volk zu schießen habe. Er habe auch an einigen Demonstrationen in Hassake teilgenommen, was die Polizei aber festgestellt und ihm eine Vorladung geschickt habe, zu der er nicht hingegangen sei.
3
Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten erklärte Italien unter dem 6.10.2011 seine Übernahmebereitschaft. Mit Bescheid vom 11.10.2011 stufte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ein und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Der Asylantrag sei gemäß § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig, da nach § 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L 50/1 vom 25.2.2003 ‑ Dublin II‑VO ‑) Italien für die Prüfung des Asylantrags zuständig sei. Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
4
Mit der am 26.1.2011 erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen diesen Bescheid gewandt und vorgetragen: Er erhalte in Italien wegen der dortigen Überlastung der Behörden keinen Schutz entsprechend der europaweit vereinbarten Mindeststandards. Im Fall der Abschiebung drohe ihm, dem Kläger, in Italien ein menschenrechtswidriges und europäisches Recht verletzendes Verfahren. Das Konzept normativer Vergewisserung bei der Einstufung sicherer Drittstaaten greife hier nicht. Es lägen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe vor, dass er aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die Beklagte sei daher zum Selbsteintritt gemäß § 3 Abs. 2 Dublin II‑VO verpflichtet.
5
Er könne auch über eine bloße Aufhebung des Bescheides die Verurteilung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. zur Feststellung von Abschiebungshindernissen beanspruchen, da das Gericht durchzuentscheiden habe und nicht etwa bloß an die Asylbehörde zurückverweisen dürfe. Er habe einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da ihm generell wegen zu erwartender Verhöre bei Rückkehr, seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung und des längeren Auslandsaufenthalts, aber auch wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit und der von Kurden organisierten Demonstrationen in Hassake, an denen er teilgenommen habe, politische Verfolgung drohe.
6
Der Kläger hat beantragt,
7
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2011 zu verpflichten,
8
1. dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie
9
2. hilfsweise festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG vorliegen.
10
Die Beklagte hat beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Sie hat vorgetragen, dass kein Fall einer Ausnahme vom Konzept der normativen Vergewisserung vorliege.
13
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt: In Italien lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung vor, die einer Abschiebung dorthin entgegenstünden.
14
Sie beantragt,
15
unter Abänderung des angegriffenen Urteils die Klage abzuweisen.
16
Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
Die Klage umfasst im Anfechtungsteil jedenfalls die Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2011 und ist darüber hinaus auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung internationalen Schutzes gerichtet. Die zulässige Berufung ist begründet. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), der Kläger hat auch keinen Anspruch (§ 113 Abs. 5 VwGO) auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch die Beklagte oder auf deren Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes.
21
Der Asylantrag vom 7.7.2011 ist nämlich gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschiften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das ist hier nach Art. 10 Abs. 1, 5 Abs. 2 Dublin II‑VO Italien, da der Kläger über Italien eingereist, hier den Asylantrag gestellt und Italien seine Übernahmebereitschaft nach Art. 18 Dublin II‑VO erklärt hat. Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (ABl. L 180/31 vom 29.6.2013 ‑ Dublin III‑VO ‑), wonach diese Nachfolgeverordnung erst für Anträge auf internationalen Schutz gilt, die im Laufe des Jahres 2014 gestellt werden. Aus der Unzulässigkeit des Asylantrags folgt, dass die Beklagte befugt war, gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin II‑VO die Überstellung des Klägers an den zuständigen Mitgliedstaat Italien zu betreiben. Nach Art. 19 Abs. 1 Dublin II‑VO war die Beklagte daher unionsrechtlich befugt, dem Kläger durch den angefochtenen Bescheid die Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen, sowie die Verpflichtung, den Kläger an den zuständigen Mitgliedstaat Italien zu überstellen, mitzuteilen. Die Abschiebungsanordnung rechtfertigt sich aus § 34a Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist mit der Übernahmeerklärung Italiens vom 6.10.2011 der Fall.
22
Gegen den so unionsrechtlich legitimierten Bescheid kann zwar nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II‑VO der vorliegende Rechtsbehelf eingelegt werden. Entgegen dem angegriffenen Urteil besteht jedoch die Zuständigkeit Italiens und stehen einer Überstellung nach Italien keine Hinderungsgründe entgegen. Das wäre unionsrechtlich nur dann nicht der Fall, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCharta) (= Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ‑ EMRK ‑) ausgesetzt zu werden. Dabei berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten, die Dublin II‑VO zu beachten. Denn auf Grund des Konzepts der sicheren europäischen Drittstaaten (Art. 36 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 ‑ ABl. L 326/13 vom 13.12.2005 ‑, heute Art. 39 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 ‑ ABl. L 180/60 vom 29.6.2013 ‑) und des Prinzips gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GRCharta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.
23
EuGH, Urteil vom 21.12.2011 ‑ C‑411 und 493/10, NVwZ 2012, 417 Rn. 78 - 80, 82, 94; Urteil vom 14.11.2013 ‑ C‑4/11 ‑, NVwZ 2014, 129 Rn. 36; Urteil vom 10.12.2013 ‑ C‑394/12 ‑, NVwZ 2014, 208 Rn. 60, 62.
24
Ein Asylbewerber kann der Überstellung in den nach der Dublin II‑VO für ihn zuständigen Mitgliedstaat daher nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCharta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann.
25
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.6.2014 ‑ 10 B 35.14 ‑, NVwZ 2014, 1677.
26
Dieser unionsrechtlichen Lage, die ohnehin Vorrang vor nationalem Recht hat, entspricht auch im Kern die nationale Rechtslage. Dass Italien als Mitglied der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat ist, steht kraft normativer Vergewisserung des Verfassungsgesetzgebers fest (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes). Dem kann nur damit entgegengetreten werden, dass es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Kläger von einem der vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist, wobei an diese Darlegung strenge Anforderungen zu stellen sind.
27
Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93, ‑, BVerfGE 94, 49 (99 f.); zu den Fallgruppen vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl., § 26a Rn. 3 ff.
28
Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind ‑ hier allenfalls in Betracht kommende ‑ Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK = Art. 4 GRCharta) greift. Dabei ist der Asylbewerber ‑ wie im Unionsrecht ‑ mit dem Einwand ausgeschlossen, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden.
Maßgebend für die gerichtliche Verneinung des Status eines sicheren Drittstaates ist nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, ob die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Italien an die zu fordernden und bei Einführung des § 27a AsylVfG vorausgesetzten unions- bzw. völkerrechtlichen Standards reichen oder ob eine prekäre Situation von Asylbewerbern im Hinblick auf die materiellen Aufnahmebedingen gegeben ist, sondern ob wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
31
Für den Schutzumfang ist dabei zu berücksichtigen, dass Art. 4 GRCharta bzw. Art. 3 EMRK zuvörderst eine Unterlassenspflicht für Italien begründen (Verbot, jemanden einer bestimmten Behandlung zu unterwerfen). Dass Italien seine Asylbewerber aktiv unmenschlich oder erniedrigend behandelt, und zwar nicht in Einzelfällen, sondern systemisch, wird von keiner Erkenntnisquelle gestützt und auch vom angegriffenen Urteil nicht behauptet. Vielmehr geht es darum, dass Italien materielle Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nicht in ausreichendem Maße gewährleisten soll. Es geht also nicht um einen Verstoß gegen Unterlassenspflichten, sondern um einen Verstoß gegen Gewährleistungsrechte, insbesondere Schutzpflichten, soweit sie aus Art. 4 GRCharta bzw. Art. 3 EMRK abgeleitet werden können.
32
Vgl. zum Unterschied in der Beeinträchtigungsform Jarass, GRCharta, 2. Aufl., Art. 4 Rn. 7; Höfling in: Tettinger/Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur GRCharta, Art. 4 Rn. 3; Borowsky in: Meyer, GRCharta, 4. Aufl., Art. 4 Rn. 20.
33
Im Bereich von medizinischer und sozialer Fürsorge kann es unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Verbot, jemanden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu unterwerfen, von vorneherein nur um die Gewährleistung einer unabdingbaren Grundversorgung gehen. Dagegen würde etwa verstoßen, wenn Asylbewerber aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen monatelang obdachlos und ohne Zugang zu jeder Versorgung wären.
Die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCharta wird durch Missstände im sozialen Bereich nur unter strengen Voraussetzungen überschritten.
36
Vgl. die Rechtsprechungsnachweise für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bei Iliopoulos-Strangas in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. VI/1, § 145 Rn. 72; Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Art. 27 Anm. K9: hinsichtlich Gesundheitsversorgung und Unterbringung nur bei gänzlicher Versorgungsverweigerung mit existenzbedrohenden oder unmenschlicher Behandlung gleichkommenden Folgen.
37
Nach diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, die die Annahme erlaubten, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Das ist in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts geklärt.
38
Vgl. das den Beteiligten mitgeteilte Urteil vom 7.3.2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, NRWE; zuletzt Beschluss vom 28.1.2015 ‑ 11 A 2550/14.A ‑, S. 5 f. des Beschlussabdrucks; zuletzt durch den beschließenden Senat Beschluss vom 18.8.2014 ‑ 14 A 1613/13.A ‑, S. 2 f. des Beschlussabdrucks.
39
Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung anderer Bundesländer,
40
vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2014 ‑ 2 LA 308/13 ‑, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.4.2014 ‑ A 11 S 1721/13 ‑, InfAuslR 2014, 293; Bay. VGH, Urteil vom 28.2.2014 ‑ 13a B 13.30295 ‑, BayVBl. 2014, 628; Hess. VGH, Beschluss vom 28.2.2014 ‑ 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21.2.2014 ‑ 10 A 10656/13 ‑, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14.11.2013 ‑ 4 L 44/13 ‑, juris,
41
und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
42
vgl. zuletzt Decision vom 13.1.2015 ‑ 51428/10 ‑, juris.
43
Nach der im hiesigen Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.1.2015 (dort irrtümlich 6.1.2014) hat sich an der Erkenntnislage, die der Entscheidung des beschließenden Gerichts vom 7.3.2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑ zu Grunde lag, nichts geändert. Auch sonst liegen dem Senat keine Erkenntnisse über relevante Veränderungen vor. Insbesondere stellt die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, der eine veränderte Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden. Davon kann nicht ausgegangen werden.
44
Stellt sich die verfügte Unzulässigkeit des Asylantrags als rechtmäßig dar, besteht der im Verpflichtungswege verfolgte Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und hilfsweise subsidiären Schutz durch die Beklagte nicht.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2
Der am 11. Februar 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3
die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 1015/15.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2015 anzuordnen,
4
hat keinen Erfolg.
5
Der Antrag nach § 80 Absatz 5 VwGO ist gemäß § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG statthaft.
6
Ferner ist die in § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe gewahrt. Eine wirksame Bekanntgabe kann hier erst für den 7. Februar 2015 festgestellt werden. Der Nachweis, dass und gegebenenfalls wann eine Zustellung des streitgegenständlichen Bescheides an den Antragsteller erfolgt ist, lässt sich den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin und der Ausländerbehörde der Stadt S. nicht entnehmen. Der Mangel der förmlichen Zustellung ist hier aber gemäß § 8 VwZG geheilt worden. Nach dieser Vorschrift gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. Empfangsberechtigter ist derjenige, an den die Zustellung des Bescheids nach dem Gesetz zu richten war – hier also nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG der Antragsteller. Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück im Sinne von § 8 VwZG erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht zu fordern,
7
BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 – juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 14. November 2013 – 3 B 6286/13 – Rdn. 5, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 ‑ 13 L 2168/13.A ‑, Rdn. 8, juris.
8
Zudem setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, den Bescheid bekannt zu geben,
9
vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 6 B 65.05 - juris, Rdn. 7 und Urteil vom 18. April 1997 ‑ 8 C 43.95 - juris, Rdn. 29; VG Oldenburg, Beschluss vom 14. November 2013 – 3 B 6286/13 – Rdn. 5, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 ‑ 13 L 2168/13.A ‑, Rdn. 10, juris.
10
Dies zu Grunde gelegt ist der Zustellungsmangel geheilt und damit der streitgegenständliche Bescheid gegenüber dem Antragsteller gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG (spätestens) am 7. Februar 2015 wirksam geworden. Denn der Bescheid wurde ihm nach eigenen Angaben am 6. oder 7. Februar 2015 durch Bekannte aus der Unterkunft übergeben. Aus dem im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin enthaltenen Anschreiben vom 28. Januar 2015 an den Antragsteller geht auch hervor, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Willen hatte, den Bescheid dem Antragsteller bekannt zu geben.
11
Die in § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG bestimmte Wochenfrist war damit bei Antragstellung am 11. Februar 2015 noch nicht abgelaufen.
12
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
13
Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
14
vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR ‑, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 ‑, juris Rn 3 f.; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A ‑ und 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A ‑, juris.
15
Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Sonstige greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen könnten, sind nicht ersichtlich.
16
Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
17
Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG.
18
Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III‑VO). Diese findet gemäß ihres Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den vom Antragsteller im November 2014 gestellten Asylantrag.
19
Nach Art. 13 Abs. 1 der Dublin III‑VO ist Italien für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Die Anfrage im EURODAC-Verzeichnis hat ausweislich des Übermittlungsprotokolls vom 25. November 2014 ergeben, dass sich der Antragsteller vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Italien aufgehalten hat und dort einen Asylantrag gestellt hat.
20
Die damit nach Art.13 Abs. 1 Dublin III‑VO für Italien anzunehmende Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Insbesondere hat das Bundesamt innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Frist am 7. Januar 2015 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet. Italien hat hierauf nicht reagiert, sodass gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 der Dublin III-VO seit Ablauf des 21. Januar 2015 davon auszugehen ist, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung Italiens zur Wiederaufnahme des Antragstellers begründet.
21
Ferner ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Die (hier fingierte) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Italien liegt weniger als sechs Monate zurück.
22
Ferner kann sich der Antragsteller auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, weil seiner Überstellung nach Italien rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
23
vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rdn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rdn. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rdn. 7.
24
Davon abgesehen ist die Antragsgegnerin aber auch nicht - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO - nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, den Antragsteller nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
25
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,
26
der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
27
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 94.
28
Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
29
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rdn. 86.
30
Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
31
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rdn. 6 ff. m.w.N.
32
Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Antragsteller drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh, Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Italien nach sich ziehen könnten.
33
Insbesondere stellt die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, der eine dahingehende Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei oder nur offensichtlich unzureichende Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden. Davon kann nicht ausgegangen werden.
34
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 ‑ 14 A 2356/12.A ‑, juris.
35
Vielmehr wurden und werden die staatlichen Unterbringungskapazitäten für Flüchtlinge in Italien in den vergangenen Jahren beträchtlich ausgebaut bis hin zur Schaffung von Notunterkünften für die zunehmende Anzahl der auf dem Seeweg ankommenden Migranten,
36
vgl. AIDA (Asylum Information Database), Country Report Italy, third update, Stand: Januar 2015, S. 58 ff., abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
37
Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind zudem diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
38
vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rdn. 130.
39
Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die ‑ wie der Antragsteller ‑ nach dem vom Bundesamt gemäß Art. 8 ff der Durchführungsverordnung zur Dublin-VO,
40
Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013,
41
einzuhaltenden Verfahren nach Italien überstellt werden.
42
Gerade für Dublin-Rückkehrer wurde in Italien seit dem Jahr 2012 – unterstützt mit Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds – ein besonderes Aufnahmesystem geschaffen. Derzeit stehen hierfür elf Übergangseinrichtungen mit insgesamt 443 Plätzen zur Verfügung; sieben Einrichtungen dienen speziell der Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personen,
43
AIDA (Asylum Information Database) Country Report Italy, 3. update, Stand: Januar 2015, S. 59, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
44
Dass diese Aufnahmekapazitäten derzeit durch die steigende Anzahl von Bootsflüchtlingen geschmälert werden, lässt sich nicht feststellen.
45
Unter diesen Umständen steht gegenwärtig auch im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,
46
vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 -18 B 1060/11 -, juris Rn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012- 2 LB 163/10 -, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 ‑ OVG 2 S 6.12 -, juris Rn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris Rn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris Rn. 9 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004- 2 M 299/04 -, juris Rn. 9 ff.
47
Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,
48
vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris m.w.N.
49
Derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Insbesondere lassen sich dem Vorbringen des Antragstellers, er habe sich ab dem 28. Januar 2015 vorübergehend in stationärer medizinischer Behandlung befunden (wegen Peritonitis und Verdacht auf abdominelle Tbc) und werde nunmehr ambulant medikamentös behandelt, keine Hinweise auf eine bestehende Reiseunfähigkeit entnehmen. Auf die gerichtliche Aufforderung vom 23. März 2015, zu seinem aktuellen Gesundheitszustand substantiiert vorzutragen, hat der Antragsteller nicht reagiert.
50
Sonstige Gründe für ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse sind nicht erkennbar.
51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäߧ 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2
Der am 16. März 2015 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2015 (13 L 3236/14.A) abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 8755/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Dezember 2014 anzuordnen,
4
zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig (I.), und hat auch in der Sache keinen Erfolg (II.).
Gemäß § 80 Absatz 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache jederzeit, d.h. ohne Bindung an Fristen, von Amts wegen oder – wie hier – auf Antrag eines Beteiligten einen Beschluss über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ändern oder aufheben. Das Verfahren trägt dem Umstand Rechnung, dass Veränderungen während des Hauptsacheverfahrens eintreten, auf die trotz Rechtskraft des Beschlusses zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes reagiert werden muss. Es dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Maßgeblich ist somit eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist. Soweit ein Beteiligter den Antrag stellt, kann der Antrag nur damit begründet werden, dass sich entscheidungserhebliche Umstände, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, geändert haben oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (§ 80 Absatz 7 Satz 2 VwGO). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht der Hauptsache eröffneten Abänderungsbefugnis ist somit eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf die die frühere Entscheidung gestützt war. Liegt eine derartige Änderung nicht vor, ist dem Gericht eine Entscheidung in der Sache verwehrt, weil sie auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinausliefe.
7
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschlüsse vom 25. August 2008 – 2 VR 1.08 –, juris, Rn. 4 ff. und 29. Januar 1999, – 11 VR 13.98 – , juris; VG Augsburg, Beschluss vom 25. Juli 2014– Au 7 S 14.50183 –, juris, Rn. 15; VG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 20. Juni 2014 – 12 B 1903/14 –, juris, Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 80 Rn. 197.
8
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist bereits nicht ersichtlich, dass der Antragsteller eine etwaige psychische Erkrankung ohne Verschulden im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht hat. Der Antragsteller hat erst mit Schriftsatz vom 16. März 2015 unter Vorlage einer „Bestätigung“ des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge Düsseldorf vom 10. März 2015 auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und depressiven Symptomatik hingewiesen. Weder im gerichtlichen Verfahren noch beim Bundesamt hat er auf seinen Gesundheitszustand aufmerksam gemacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm ein dahingehender Vortrag nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre.
9
II. Ungeachtet dessen ist der Antrag auch nicht begründet, da die im Rahmen des Änderungsverfahrens vorgebrachten Gründe zu keinem anderen Ergebnis führen. Insoweit kommt auch keine Abänderung des Beschlusses vom 22. Januar 2015 nach § 80 Absatz 7 Satz 1 VwGO von Amts wegen in Betracht.
10
Trotz der in der „Bestätigung“ des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge E. vom 10. März 2015 benannten Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) ist weder ein inlandsbezogenes (1.) noch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis (2.) ersichtlich.
11
1. Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
12
Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
13
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
14
Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, hat der Antragsteller nicht erbracht. Zwar diagnostiziert die den Antragsteller untersuchende Frau Dr. des. E1. A. ihm eine schwere Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine starke depressive Symptomatik und schätzt ihn als nicht reisefähig an. Allerdings genügt diese Bescheinigung schon nicht den Anforderungen, die an die Substantiierung eines Vorbringens einer solchen Erkrankung zu stellen sind.
15
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung (sowie eines entsprechenden Beweisantrages) angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
16
Die vorgelegte „Bestätigung“ des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge E. vom 10. März 2015 vermag diese Anforderungen ersichtlich nicht zu erfüllen.
17
Zunächst ist bereits nicht ersichtlich, dass die den Antragsteller untersuchende Frau Dr. des. E1. A. als eine „Systemsiche Traumatherapeutin und Traumatherapeutin für Kinder und Jugendliche, Systemische Therapeutin und Famlientherapeutin (DGSF), Heilpraktikerin für Psychotherapie“ über die erforderliche Ausbildung verfügt, um fundiert eine am ICD-10 orientierte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und/oder Depression bei dem Antragsteller stellen zu können. Über eine Facharztausbildung, die sie zur Feststellung einer etwaigen Reiseunfähigkeit befähigen könnte, verfügt sie nicht.
18
Vgl. hierzu VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – Au 7 S 14.50094 –, juris, Rn. 56 m.w.N.
19
Ungeachtet dessen fehlt es an einer ausreichenden Exploration, da die Diagnose ausschließlich auf der Grundlage eines einzigen Gesprächstermins getroffen worden ist und allein auf den nicht weiter überprüften und hinterfragten Angaben des Antragstellers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal beruht, die dieser erstmals ihr gegenüber gemacht hat und denen sie ohne weiteres Glauben geschenkt hat. Dies wird durch die in der „Bestätigung“ verwendeten Formulierungen der Heilpraktikerin für Psychotherapie veranschaulicht. So heißt es im Anschluss an die Wiedergabe der Schilderung des Antragstellers:
20
„Herr H. berichtet von massiven, kumulativen traumatogenen Situationen (Erwartung der Hinrichtung in Somalia, Misshandlung in Lybien, Lebensgefahr und Zeugenschaft beim Tod von Menschen während der Überfahrt nach Italien), die geeignet sind, die Symptomatik auszulösen. Dies lässt auf das Vorliegen einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, F 43.1) schließen. Dieser Eindruck deckt sich mit der Verhaltensbeobachtung (starke Unruhe, der immer wieder abwesende Blick lässt auf Dissoziationen schließen). Darüber hinaus berichtet Herr H. von einer starken depressiven Symptomatik (extreme Schlaflosigkeit, deutlicher Gewichtsverlust, ständiges Grübeln…).“
21
Gleichfalls fehlt es an einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung hinsichtlich der Einschätzung der Heilpraktikerin für Psychotherapie des Antragstellers als reiseunfähig. Dem Gericht erschließt sich nicht ohne weiteres, weshalb eine Rückführung des Antragstellers nach Italien „extrem angstbesetzt“ und „eine psychische Dekompensation mit möglicherweise lebensbedrohlichen Folgen […] mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl kurz vor als auch alsbald nach einer zwangsweisen Rückführung vorzusehen“ sei. Diese völlig unsubstaniierte Einschätzung bzw. Vorausschau der Heilpraktikerin für Psychotherapie lässt sich insbesondere auch nicht aus den vom Antragsteller geschilderten Erlebnissen ableiten, da diese den Bezug zu Italien vermissen lassen. Insoweit hat der Antragsteller lediglich geschildert, dass er auf der Straße habe leben müssen und die Situation schrecklich gewesen sei. Dass diese Erlebnisse zu einer etwaigen psychischen Erkrankung beigetragen haben, ist dagegen nicht ersichtlich. Auch führt die Heilpraktikerin im Rahmen der Aufzählung der traumatogenen Situationen die Erlebnisse des Antragstellers in Italien nicht mit auf.
22
Schließlich fehlt es auch an einer Begründung des Antragstellers, warum er seine Erkrankung nicht früher geltend gemacht hat. Während er gegenüber dem Bundesamt in seiner Anhörung vom 11. Juni 2014 keinerlei Gründe geltend gemacht hat, die seiner Rückführung nach Italien entgegenstünden, hat er gegenüber dem Gericht lediglich vorgetragen, dass er die erneute Obdachlosigkeit fürchte und es in Italien derzeit kalt sei. Indes wäre zu erwarten gewesen, dass Ausführungen zum Gesundheitszustand des Antragstellers bei einer tatsächlichen psychischen Erkrankung bereits in diesem Rahmen erfolgt wären und nicht erst kurz vor der bevorstehenden Überstellung nach Italien erstmalig geltend gemacht werden.
23
2. Dem ärztlichen Attest lässt sich auch nichts für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG entnehmen.
24
Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
25
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
26
Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
27
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
28
Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Insoweit wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Substantiierung der psychischen Erkrankung Bezug genommen. Überdies sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine - gegebenenfalls erforderliche - Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Behandlung einer psychischen Erkrankung des Antragstellers auch in Italien in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen.
29
VG Ansbach, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AN 14 K 14.50187b, AN 14 SAN 14 S 14.50186 –, juris, Rn. 33 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 5a K 2360/13.A –, Rn. juris, 51 ff. m.w.N.
30
Soweit die Heilpraktikerin für Psychotherapie ausführt, der Antragsteller sei aufgrund seiner schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage, die Lebensbedingungen in Italien zu bewältigen, die bereits für einen gesunden Menschen überfordernd sein können, bleibt es bei einer bloßen Behauptung, die erneut allein auf der Grundlage der Schilderungen des Antragstellers aufgestellt wird. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die rechtliche Bewertung der Lebensbedingungen für Asylbewerber in Italien dem Gericht obliegt. Dieser Aufgabe ist das Gericht in seinem Beschluss vom 22. Januar 2015 bereits hinreichend nachgekommen.
31
Sollte sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Italien, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies dem Antragsteller nicht möglich sein soll.
32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Am 14. Mai 2013 beantragte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3
In der Befragung beim Bundesamt vom 14. August 2013 gab er unter anderem an, 2011 nach Italien gereist zu sein.
4
Das Bundesamt richtete nach einer Eurodac-Treffermeldung vom 16. Mai 2013 am 5. November 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Italien.
5
Mit Bescheid vom 28. Januar 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an.
Der Kläger ist der Ansicht, Deutschland sei für die Prüfung seines Asylantrags zuständig, da in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorlägen. Überdies sei er aufgrund seiner schweren Herzerkrankung besonders schutzbedürftig.
8
Der Kläger beantragt,
9
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 28. Januar 2014 zu verpflichten, für den Kläger ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Italien festzustellen.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
13
Das Gericht hat mit Beschluss vom 6. Mai 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet (13 L 213/14.A). Mit Beschluss vom 2. Juli 2014 hat das Gericht durch Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens des Gesundheitsamtes der Stadt E. Beweis erhoben (Bl. 43 f. der Gerichtsakte). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das amtsärztliche Gutachten vom 15. September 2014 (Bl. 54 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
14
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Klage- und des Eilverfahrens sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15
Entscheidungsgründe:
16
Über die Klage entscheidet die Einzelrichterin, nachdem ihr die Sache durch Beschluss der Kammer vom 2. Juli 2014 übertragen worden ist (§ 76 Absatz 1 AsylVfG).
17
Die Klage ist teilweise unzulässig (I.) und soweit sie zulässig ist unbegründet (II.).
18
I. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist teilweise unzulässig.
19
Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In dem vom Kläger geltend gemachten Verpflichtungsbegehren ist das – zulässige – Anfechtungsbegehren, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2014 enthalten. Mit diesem Teil ist die Klage zulässig. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte feststellt, das für den Kläger hinsichtlich Italien ein Abschiebungsverbot besteht – bedarf es hingegen nicht. Insoweit ist die Klage unzulässig.
20
Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 28. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages bzw. Nichtabschiebung und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
21
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 22, ; 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und 15. Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, Seite 4; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VerwaltungsgerichtHamburg, Urteil vom 15. März 2012 – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; Verwaltungsgericht Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, Seite 5;Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 18. Mai 2011 – 5 K 198/11.TR –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010 – A 4 K 4052/08 –, Seite 4; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
22
Im Falle einer isolierten Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides – beispielsweise aufgrund eines bestehenden Abschiebungshindernisses – ist das Bundesamt gehindert, den Kläger nach Italien abzuschieben. Einer Verpflichtung des Bundesamtes, ein Abschiebungshindernis festzustellen, bedarf es daher ebenfalls nicht.
23
II. Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
24
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
25
Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass Italien grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Mitgliedstaat ist (1.). Auch steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Überstellung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann (2.).
26
1. Italien ist für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
27
Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
28
vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 55; Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und 8. Mai 2014 ‑ 13 L 126/14.A ‑, juris, Rn. 11.
29
Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
30
Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Der Kläger hat sich nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt am 14. August 2013 vor seiner Einreise nach Deutschland in Italien aufgehalten. Dies wird bestätigt durch das Ergebnis der Abfrage der Eurodac-Datenbank durch das Bundesamt vom 16. Mai 2013. Die Beklagte hat am 5. November 2013 Italien um Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Nachdem Italien nicht innerhalb der nach Artikel 18 Absatz 1 Dublin II-VO maßgeblichen Frist von zwei Monaten nach Stellung des Wiederaufnahmegesuchs geantwortet hat, ist nach Artikel 18 Absatz 7 Dublin II-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmeersuchen stattgegeben wird. Italien ist daher grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen (Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d) Dublin II-VO). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen, da das Gericht mit Beschluss vom 6. Mai 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
31
Zum fehlenden subjektiven Recht bei Ablauf der Überstellungsfrist vgl. ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, juris.
32
Der Überstellung des Klägers nach Italien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 14. Mai 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Italien am 5. November 2013 etwas mehr als sechs Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Ungarn) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
33
vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
34
Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
35
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
36
Dahingestellt bleiben kann, ob diese Vorgabe des EuGH auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, noch dazu in Fällen, in denen sich der Asylbewerber –wie vorliegend der Kläger – während der Überprüfung seines Asylbegehrens durch den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begibt, zu beachten ist. Denn jedenfalls lag keine unangemessen lange Verfahrensdauer vor.
37
Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
38
vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 9. Dezember 2014 – 13 K 399/14.A –, S. 5 f. des Urteilsabdrucks, 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v; Beschlüsse vom 26. Februar 2013 – 13 L 396/14.A. – und vom 31. März 2014 – 13 L 119/14.A – beide juris.
39
Hier sind seit der Asylantragstellung am 14. Mai 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 5. November 2013 erst etwas mehr als sechs Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
40
2. Überdies begegnet auch die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides geregelte Abschiebungsanordnung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist hier der Fall. Insbesondere leidet das italienische Asylverfahren nicht an systemischen Mängeln (a) und es sind weder zielstaatsbezogene noch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse ersichtlich (b).
41
a) Entgegen der Ansicht des Klägers liegen keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Italiens eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Italien abzuschieben.
42
Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 8 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der Dublin III VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten.
43
Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
44
Die Beklagte ist – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO zugunsten des Klägers – nicht gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
45
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
46
der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben syste-misch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
47
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
48
Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
49
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
50
Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
51
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 ff. m.w.N.
52
Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Kläger drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta, Artikel 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Italien nach sich ziehen könnten.
53
Soweit der EGMR in seinem Urteil vom 4. November 2014 die Rückführung einer Familie mit Kindern nach Italien davon abhängig gemacht hat, dass der abschiebende Staat zunächst die individuelle Garantie seitens der italienischen Behörden erhalten hat, dass die Familie in einer Art und Weise in Obhut genommen wird, die dem Alter der Kinder angepasst ist, und dass die Familie zusammengehalten wird,
54
vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, – 29217/12 – (Tarakhel . /. Schweiz), juris,
55
kann der Kläger als alleinstehender Mann daraus für sich nichts herleiten. Der EGMR stützt seine Entscheidung auf die besondere Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, insbesondere auf die spezifische Schutzbedürftigkeit von Kindern und das Gebot der Wahrung der Familieneinheit. Die allgemeinen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien stehen nach Auffassung des EGMR – anders als diejenigen in Griechenland – für sich genommen einer Rückführung von Asylbewerbern dorthin gerade nicht entgegen,
56
vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, – 29217/12 – (Tarakhel . /. Schweiz), Rn. 114 f., juris und Entscheidung vom 13. Januar 2015, – 51428/10 – (A.M.E. ./. Niederlande), Rn. 35, juris (in englischer Sprache).
57
Im Falle eines jungen männlichen Asylbewerbers sieht der EGMR gerade keine Grundlage für die Vermutung, ihm drohe im Falle der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK.
58
EGMR, Entscheidung vom 13. Januar 2015, – 51428/10 – (A.M.E. ./. Niederlande), juris (in englischer Sprache).
59
Auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in seinem Urteil vom 24. April 2015 (14 A 2356/12.A) unter Bezugnahme auf die vorstehend genannte Entscheidung des EGMR und eine seinerseits eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2015 entschieden, dass nicht festgestellt werden kann, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, die die Annahme erlaubten, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Zur Begründung führt es unter anderem folgendes aus:
60
„Nach der im hiesigen Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.1.2015 (dort irrtümlich 6.1.2014) hat sich an der Erkenntnislage, die der Entscheidung des beschließenden Gerichts vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - zu Grunde lag, nichts geändert. Auch sonst liegen dem Senat keine Erkenntnisse über relevante Veränderungen vor. Insbesondere stellt die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, der eine veränderte Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden. Davon kann nicht ausgegangen werden.“
Das erkennende Gericht schließt sich diesen überzeugenden obergerichtlichen Ausführungen an. Hieran angeknüpft schließt sich das Gericht zudem den nachfolgenden Ausführungen der 22. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf an:
63
„Vielmehr wurden und werden die staatlichen Unterbringungskapazitäten für Flüchtlinge in Italien in den vergangenen Jahren beträchtlich ausgebaut bis hin zur Schaffung von Notunterkünften für die zunehmende Anzahl der auf dem Seeweg ankommenden Migranten,
64
vgl. AIDA (Asylum Information Database), Country Report Italy, third update, Stand: Januar 2015, S. 58 ff., abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
65
Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind zudem diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
66
vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rd. 130.
67
Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die ‑ wie der Antragsteller ‑ nach dem vom Bundesamt gemäß Art. 8 ff der Durchführungsverordnung zur Dublin-VO,
68
Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013,
69
einzuhaltenen Verfahren nach Italien überstellt werden.
70
Gerade für Dublin-Rückkehrer wurde in Italien seit dem Jahr 2012 – unterstützt mit Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds – ein besonderes Aufnahmesystem geschaffen. Derzeit stehen hierfür elf Übergangseinrichtungen mit insgesamt 443 Plätzen zur Verfügung; sieben Einrichtungen dienen speziell der Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personen,
71
AIDA (Asylum Information Database) Country Report Italy, 3. update, Stand: Januar 2015, S. 59, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
72
Dass diese Aufnahmekapazitäten derzeit durch die steigende Anzahl von Bootsflüchtlingen geschmälert werden, lässt sich nicht feststellen.“
73
VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Mai 2015 – 22 L 420/15.A –, S. 6 f. des Beschlussabdrucks.
74
Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger nicht von diesem besonderen Aufnahmesystem für Dublin-Rückkehrer wird profitieren können, auch wenn er vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bereits für mehr als sechs Monate in einer Unterkunft in Italien gelebt hat. Zwar besteht eine maximale Verweildauer in den Aufnahmezentren für Asylsuchende („CARAs“). Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen dürften Asylbewerber, die keine Reise- oder Identitätsdokumente bzw. gefälschte Dokumente haben, nur 20 bzw. 35 Tage in den CARAs bleiben. Der tatsächliche Aufenthalt liege aber bei sechs Monaten und mehr, da das Asylverfahren mehrere Monate dauert und Asylbewerber das Recht hätten, während der Dauer des Asylverfahrens in der Einrichtung zu bleiben. Auch dürften Dublin-Rückkehrer nur dann in eine der CARAs untergebracht werden, wenn sie nicht schon während ihres ersten Aufenthalts in Italien einer solchen Einrichtung untergebracht gewesen seien. Allerdings gebe es eigens für Dublin-Rückkehrer geschaffene vorübergehende Aufnahmeeinrichtungen, in denen diese untergebracht würden, bis die rechtliche Situation geklärt ist oder bis bei besonders schutzbedürftigen Personen eine alternative Unterbringungsmöglichkeit gefunden werde.
75
AIDA (Asylum Information Database) Country Report Italy, 3. update, Stand: Januar 2015, S. 44 und 46, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
76
Dass auch hinsichtlich der speziellen Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer eine Anrechnung der Zeit erfolgt, in der der Asylbewerber in Italien bereits in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht gewesen ist, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht. Ebenso wenig vermag das Gericht zu erkennen, dass Dublin-Rückkehrer, deren Asylantrag bereits in Italien abgelehnt worden ist, nicht in eine solche Unterkunft untergebracht werden. Auch insoweit fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers.
77
Ungeachtet dessen weist das Gericht darauf hin, dass das Asylverfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, wenn auch erkennbar mit einem von ihm nicht erwünschten Ergebnis. Ist aber wie hier der Asylantrag des Klägers abgelehnt worden, folgt daraus für den Kläger auch die Ausreisepflicht,
78
vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.
79
Der Verlust des Anspruchs auf staatliche Leistungen stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar,
80
vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13. Juni 2014 – 13 L 1139/14.A –, juris, Rn. 22, 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris und NRWE, 23. Juli 2013 – 25 L 1342/13.A –, n.v.
81
Das zeigt auch schon die Wertung, welche in Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie n.F.) zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Absatz 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die „Versorgung einzustellen“, wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt.
b) Schließlich liegen auch keine zielstaatsbezogenen (bb), oder in der Person des Klägers bestehenden, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse (aa) vor.
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aa) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegt nicht vor. Gemäß § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Gesundheitszustand eines Ausländers so kritisch ist, dass eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr durch den Abschiebungsvorgang selbst zu befürchten ist. Eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn schon keine Transportfähigkeit besteht (Reisefähigkeit im engeren Sinne, (1)) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reisefähigkeit im weiteren Sinne (2)). Weder für das Eine noch für das Andere bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hinreichende Anhaltspunkte. Im Einzelnen:
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(1) Eine Reiseunfähigkeit im engeren Sinne ist nicht gegeben. Die im Beweisbeschluss gestellte Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Herzerkrankung bzw. einer sonstige Erkrankung insbesondere für eine Ausreise nach Italien nicht reisefähig ist, hat Dr. T. in seinem Gutachten vom 15. September 2014 dahingehend beantwortet, dass dies nicht der Fall sei. Der Kläger befinde sich unter der von ihm eingenommenen Medikation in einem kardial kompensierten guten Allgemeinzustand. Es bedürfe auch keiner ärztlichen Betreuung während der Ausreise. Das Gericht folgt diesen in sich schlüssigen Ausführungen des Gutachters, die der Kläger auch in der Folgezeit nicht substantiiert in Frage gestellt hat.
86
(2) Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne sind ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar ist der Kläger auf eine dauerhafte Einnahme seiner Medikamente angewiesen. Eine kurzeitige oder mehrwöchige Unterbrechung der medikamentösen Therapie sei aus medizinischer Sicht kontraindiziert. Hierbei könne es zu Blutdruckentgleisung und zum Auftreten von Durchblutungsstörungen am Herzen mit Angina pectoris Beschwerden bis hin zum Herzinfarkt kommen. Indes ist durch die Anweisung des Bundesamtes an die Ausländerbehörde vom 23. Juli 2015 sichergestellt, dass der Kläger mit ausreichend Medizin versorgt wird, damit eine Unterbrechung seiner medikamentösen Therapie infolge der Überstellung nach Italien nicht eintritt (Bl. 93 f. der Gerichtsakte).
87
Entgegen der Ansicht des Klägers bedurfte es auch keiner weitergehenden Sachverhaltsaufklärung dahingehend, ob es infolge einer zwangsweisen Überstellung des Klägers nach Italien zu einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kommt. Nach § 86 Absatz 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten zwar die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtstreits erforderlich ist. Dabei entscheidet das Tatsachengericht über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen.
88
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 12. Dezember 2014 – 13 K 6791/13 –, juris, Rn. 50 und 24. Januar 2014 – 13 K 1563/11 –, juris, Rn. 58.
89
Indes bedurfte es keiner ergänzenden Befragung des Amtsarztes der Stadt E. Dr. T. , da es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es im Falle einer zwangsweisen Überstellung des Klägers nach Italien zu einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kommt. Insbesondere fehlt es auch an einem substantiierten Vortrag des Klägers in diese Richtung. Insoweit handelt es sich daher um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag.
90
Ungeachtet dessen war der Hilfsbeweisantrag auch aufgrund der bereits bestehenden Sachkunde des Gerichts abzulehnen (§ 244 Absatz 4 Satz 1 Strafprozessordnung [StPO]). Aus dem eingeholten schriftlichen Gutachten vom 15. September 2014 ergibt sich zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts, dass es – auch unter Berücksichtigung der besonderen Stresssituation einer zwangsweisen Abschiebung – an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers eintreten wird. Denn dem Gutachter war bekannt, dass dem Gutachtenauftrag eine unfreiwillige Ausreise des Klägers nach Italien zu Grunde lag. Dass eine solche Situation besonderen Stress auslöst, versteht sich von selbst und bedurfte daher keiner besonderen Erwähnung. Gleichwohl hat der Gutachter die Reisefähigkeit des Klägers für Bus, Bahn oder Flugzeug bejaht und das Erfordernis einer ärztlichen Betreuung verneint. Wichtig ist aus seiner Sicht einzig und allein, dass während der Überstellung eine hinreichende medikamentöse Versorgung des Klägers erfolgt. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen aber gerade der Fall. Eine andere Frage ist, ob dann über die unmittelbare Anschlussbetreuung hinaus mittel- und langfristig eine Weiterbehandlung im Gesundheitssystem des Zielstaates gewährleistet ist. Dieser Frage ist erst im Rahmen der nachstehenden Überprüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nachzugehen.
91
Vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand: März 2015, § 60a, Rn. 142.
92
bb) Ebenfalls lässt sich nicht feststellen, dass ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
93
Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
94
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
95
Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
96
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A
97
Eine derart wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes steht nicht schon bei jeder ungünstigen Entwicklung des Krankheitsbildes zu befürchten, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden oder existenzbedrohenden Zuständen.
98
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 – 9 C 13.96 –, NVwZ 1998, 526; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2004 – 13 A 3598/04.A –, juris.
99
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da nicht ersichtlich ist, dass die ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens notwendige medikamentöse Dauerbehandlung des Klägers gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Denn nach der bestehenden Auskunftslage, auf die der Kläger mit Verfügung vom 25. Juni 2015 hingewiesen worden ist, sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen.
100
VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 30. März 2015 – 6 L 84/15.A –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Ansbach, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AN 14 K 14.50187b, AN 14 SAN 14 S 14.50186 –, juris, Rn. 33 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 5a K 2360/13.A –, Rn. juris, 51 ff. m.w.N.; Asylum Information Database, Country Report Italy, April 2014, S. 61 f.; Bundesamt, Leitfaden Italien, Aktualisierte Fassung von Oktober 2014 S. 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 49; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, S. 9.
101
Für die Registrierung und den Erhalt des Gesundheitsausweises benötigten die Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis (die sie in einer Aufnahmeeinrichtung erhalten), eine Steuernummer (die sie bei der Einreise-Agentur erhalten) sowie eine feste Adresse. Da nach dem jüngsten Gutachten des Auswärtigen Amtes derzeit grundsätzlich alle Asylbewerber untergebracht werden können und insbesondere Dublin-II Rückkehren eine Unterkunft zugewiesen wird,
102
Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11. September 2013, Ziffer 6.2.
103
ist nicht ersichtlich, dass der Kläger keine Wohnsitznahme wird vorweisen können. Ungeachtet dessen kann er sich selbst bei fehlendem festen Wohnsitz um eine Sammeladresse bemühen. Denn die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch u. a. für den für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Im Übrigen steht nach zitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei. Der Antragsteller hat damit in Italien Zugang zur angemessenen medizinischen Versorgung.
104
VG München, Beschluss vom 5. November 2014 – M 18 S 14.50356 –, juris, Rn. 22; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11. September 2013, Ziffer 6.3.
105
Da nach den vorstehend genannten Auskünften zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Kläger jedenfalls aufgrund der Möglichkeit, sich um eine Sammeladresse zu bemühen, in Italien eine hinreichende und kostenfreie medizinische Versorgung erhalten wird, und zwar selbst dann, wenn er nach seiner Rückkehr keine Wohnung erhalten sollte, wofür ausweislich der Ausführungen auf Seite 11 und 12 überhaupt keine Anhaltspunkte bestehen, war der Beweisantrag ebenfalls wegen eigener Sachkunde des Gerichts nach § 244 Absatz 4 Satz 1 StPO abzulehnen.
106
Überdies fehlt es auch hier an einem über die bloße Behauptung hinausgehenden Vortrag, dass sich die Situation für den Kläger anders darstellt, da sein Asylverfahren in Italien bereits durchgeführt und sein Asylantrag abgelehnt worden ist, sodass es sich auch insoweit um einen unzulässigen Ausforschungsantrag handelt. Es fehlen tatsächliche, eine dahingehende Vermutung rechtfertigende Anhaltspunkte. Insbesondere folgen solche auch nicht aus der E-Mail der Liasonbeamtin des Bundesamtes vom 1. Juli 2015. Darin heißt es, dass der Kläger ggfls. in ein Projekt für Vulnerable Case untergebracht werden könne, wenn er noch Asylbewerber oder bereits anerkannt worden sei. Da der Asylantrag des Klägers bereits abgelehnt worden ist, kann er zwar nicht in das Projekt für Vulnerable Case aufgenommen werden. Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass Asylbewerbern, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, keine Unterkunft und keine medizinische Betreuung erhalten werden. Vielmehr sichert die Liasonbeamtin zu, dass Italien den EU Standart einhalte.
107
Schließlich hat das Bundesamt die italienischen Behörden über die Herzerkrankung des Klägers und die Notwendigkeit einer dauerhaften medikamentösen Behandlung informiert (Bl. 95 f. der Gerichtsakte), sodass das Gericht davon auszugeht, dass die italienischen Behörden den besonderen Bedürfnissen des Klägers in geeigneter Weise – insbesondere auch durch eine ggfls. erforderliche medizinische Erstversorgung – Rechnung tragen werden (vgl. auch Artikel 32 Absatz 1 Satz 3 Dublin III-VO).
108
Sollte sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Italien, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies dem Kläger nicht möglich sein soll.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2
Der am 11. Oktober 1983 in N. , Afghanistan, geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, paschtunischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens.
3
Der Kläger reiste am 13. August 2012 von Pakistan, dem Iran, der Türkei und Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 21. August 2012 einen Asylantrag stellte.
4
Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – am 18. September 2012 gab der Kläger im Wesentlichen an, sein Vater sei Kommandeur und Offizier zur Zeit der Regierung von Dr. Najibullah gewesen und bevor Präsident Karsai an die Macht gekommen sei, getötet worden. Deshalb habe er fliehen müssen. Er sei als Zehnjähriger zunächst mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Pakistan ausgereist. Dort habe er sich fünf Jahre aufgehalten. Von dort aus seien sie weiter in den Iran gereist, wo sie sich acht Jahre aufgehalten hätten. Alleine sei er schließlich weiter in die Türkei gereist, wo er sich sieben Jahre illegal aufgehalten habe. Seit seiner damaligen Ausreise sei er nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Von der Türkei aus sei er mit einem Boot in ein ihm unbekanntes Land gekommen. Er habe sich etwa zwei bis drei Tage in einem Flüchtlingslager aufgehalten, wo es ihm sehr schlecht gegangen sei. Man habe ein Foto von ihm gemacht und Fingerabdrücke genommen.
5
Aus einer im Anschluss an die Anhörung vorgenommenen EURODAC-Abfrage des Bundesamtes geht hervor, dass der Kläger am 26. Juli 2012 in Italien erkennungsdienstlich behandelt wurde. Sodann richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Italien. Am 29. November 2012 stimmte Italien der Übernahme zu.
6
Mit Bescheid vom 9. April 2013 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2). Zur Begründung führte sie aus, der Asylantrag sei unzulässig, da Italien gem. Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zuständig sei und außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland nicht ersichtlich seien.
7
Der Kläger hat am 9. Mai 2013 Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
8
Er behauptet, der Bescheid sei ihm am 6. Mai 2013 übergeben worden, als er zum Zweck der Abschiebehaft der Justizvollzugsanstalt (JVA) C. übergeben worden sei. Ihm sei jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da eine möglicherweise vorher erfolgte Zustellung die Rechtsbehelfsfrist nicht in Gang gesetzt habe. Aufgrund des Umstands, dass er bereits als 10-jähriger auf der Flucht gewesen sei und daher nur eingeschränkt das Lesen beherrsche, habe er den Inhalt und die Bedeutung einer förmlich zugestellten Rechtsbehelfsbelehrung nicht verstehen können. Erst durch die Hilfe eines Sozialarbeiters in der JVA habe er ansatzweise nachvollziehen können, dass die Möglichkeit bestehe, gegen den Bescheid vorzugehen und anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Abschiebung nach Italien würde zudem für ihn den Tod bedeuten, da nicht sichergestellt sei, dass er in Italien den notwendigen Schutz erfahre. Abgesehen von den unzureichenden materiellen Aufnahmebedingungen, müsse er befürchten von verfeindeten Gruppierungen innerhalb eines Lagers umgebracht zu werden.
9
Die für den 13. Mai 2013 gebuchte Abschiebung des Klägers von Düsseldorf nach Mailand wurde aufgrund des Beschlusses vom 10. Mai 2013 (5a L 547/13.A), mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage bis zum Abschluss des Eilverfahrens vorläufig angeordnet wurde, nicht durchgeführt.
10
Am 15. Mai 2013 wurde der Kläger aus der Abschiebehaft entlassen.
11
Durch Beschluss vom 16. Mai 2013 (5a L 547/13.A) ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage vom 9. Mai 2013 an, da die Frage, ob eine Abschiebung nach Italien nicht vorgenommen werden dürfe, da aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für den Asylbewerber ernsthafte Gründe für die Annahme bestünden, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden, nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden könne.
12
Im Laufe des Hauptsacheverfahrens bekräftigte der Kläger zunächst seine Ansicht, dass Italien nicht für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig sei, da jedenfalls inzwischen die Überstellungsfrist von 12 Monaten nach Art. 10 Abs. 1 Dublin II- VO abgelaufen sei.
13
Mit Verfügung vom 24. März 2014 hat die Berichterstatterin den Kläger darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtige, der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 7. März 2014 (1 A 21/12.A) zu folgen, nach der die Gefahr für Asylbewerber im Falle einer Überstellung nach Italien, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen ausgesetzt zu werden, verneint wurde.
14
Der Kläger vertritt auch im weiteren Verfahren die Ansicht, trotz der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des OVG NRW sei eine Abschiebung nach Italien unzulässig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe in mehreren Fällen die angeordnete Abschiebung nach Italien vorläufig ausgesetzt. Eine grundsätzliche Entscheidung durch den EGMR sei in dem Verfahren Tarakhel vs. Schweiz zu erwarten. Jedenfalls handele es sich bei der Person des Klägers um eine besonders schutzbedürftige Person. Er habe sich in Italien verfolgt und mit dem Tode bedroht gefühlt. Diese Erfahrungen hätten ihn derart traumatisiert, dass er einer intensiven psychologischen Behandlung bedürfe.
15
Zur Glaubhaftmachung legt der Kläger eine „Bescheinigung zur Vorlage bei der zuständigen Behörde“ vom 12. Mai 2014 sowie eine „klinisch-psychologische gutachterliche Stellungnahme“ vom 29. September 2014 jeweils der Diplom-Psychotherapeutin S. O. vor. Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass der Kläger seit 22 Jahren auf der Flucht sei. Nach seiner Flucht in den Iran sei er von „Usbeken“ überfallen und von diesen mit Messern am Kopf und an den Füßen verletzt worden. Nach einem Krankenhausaufenthalt sei er in ein Gefängnis gekommen, da er keine Aufenthaltsgenehmigung für den Iran gehabt habe. Als er erfahren habe, dass er nach Afghanistan abgeschoben werden solle, sei er in die Türkei geflohen. Auch dort sei er schließlich von „Usbeken“ aufgespürt worden, so dass er nach Italien geflohen sei. In dem Flüchtlingslager habe er bei dem Anblick der vielen Afghanen Todesangst verspürt. Jeder Afghane sei für ihn ein potentieller „Usbeke“. In Deutschland lebe er sehr zurückgezogen und leide unter Schlafstörungen und Herzrasen. Die Psychotherapeutin gelangt dabei zu der Diagnose, dass bei dem Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sowie eine rezidivierende Depression vorlägen, die dringend behandlungsbedürftig seien. Es sei davon auszugehen, dass sich die Beschwerden der PTBS im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Italien erheblich verschlimmern und zu einer Retraumatisierung sowie zu einer Erhöhung des Suizidrisikos führen könnten. Selbst wenn in Italien objektiv Behandlungsmöglichkeiten für eine PTBS vorhanden seien, sei aus subjektiven Gründen keine erfolgversprechende Behandlung des Klägers möglich, da er gerade in Italien Todesangst verspürt habe und sich von „Usbeken“ verfolgt gefühlt habe. Zudem sei der Kläger nicht reisefähig.
16
Der Kläger beantragt,
17
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. April 2013 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
18
hilfsweise,
19
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. April 2013 zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren,
20
äußerst hilfsweise,
21
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. April 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.
22
Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
23
die Klage abzuweisen.
24
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend trägt sie vor, die Überstellungsfrist sei nicht abgelaufen, da sie gemäß Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO sechs Monate nach der Entscheidung in der Hauptsache ende.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26
Entscheidungsgründe:
27
Das Gericht entscheidet trotz des Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, da diese in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
28
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gemäß § 77 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, noch auf Gewährung subsidiären Schutzes, noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), § 113 Abs. 5 VwGO.
29
Die Klage ist zunächst insgesamt zulässig. Sie ist insbesondere nicht verfristet. Nach § 74 Abs. 1 AsylVfG muss die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylverfahrensgesetz innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Ausweislich der Empfangsbestätigung erhielt der Kläger den angefochtenen Bescheid am 6. Mai 2013. Die Klageerhebung am 9. Mai 2013 erfolgte damit innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist. Dass der Kläger den Bescheid möglicherweise schon zu einem früheren Zeitpunkt erhalten hat, geht weder aus dem Verwaltungsvorgang des Bundesamtes, noch liegen sonstige Anhaltspunkte für eine frühere Zustellung vor. Auf eine mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.
30
Lehnt das Bundesamt die Durchführung eines Asylverfahrens in rechtswidriger Weise ab, so hat das gegen diese Entscheidung angerufene Gericht im Umfang der gestellten Anträge die Sache spruchreif zu machen und selbst darüber zu entscheiden, ob dem Kläger Verfolgungsschutz zu gewähren ist.
31
Vgl. zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Mai 2014 – 5a K 5709/13.A -; VG Köln, Urteil vom 6. März 2014 – 20 K 4905/13.A -; VG Göttingen, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 A 652/12 -; a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2014 – 17 K 592/14.A -; VG Köln, Urteil vom 23. Januar 2014 – 1 K 4245/13.A -; jeweils zitiert nach juris.
32
Eine andere Bewertung folgt nicht aus der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, nach der die Frage des für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaates der Prüfung des Asylantrags vorgelagert sei und daher selbständiger Streitgegenstand zu sein habe. Dem folgt die Kammer nicht. Das OVG NRW weist in der zitierten Entscheidung zutreffend darauf hin, dass „die Bestimmungen der Dublin II-Verordnung die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln“. Ist – bezogen auf den vorliegenden Fall – die Beziehung zu Italien dahin zu regeln, dass die Bundesrepublik das Asylverfahren durchzuführen hat, ist der Schutzanspruch der Kläger unter Berücksichtigung auch des nationalen Rechts der Bundesrepublik umzusetzen. Die Kammer hält daher die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der sich die Verwaltungsgerichte nicht auf die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung des Folgeverfahrens beschränken dürfen, auch hier für anwendbar. Denn eine Beschränkung der gerichtlichen Prüfung auf die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates, ohne auch über den Asylantrag in der Sache zu entscheiden, liefe dem Konzentrations- und Beschleunigungsgrundsatz, der der Durchführung von Asylverfahren zugrunde liegt, deutlich zuwider. Insbesondere stünde es mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang, müsste der betroffene Asylbewerber nach Durchlaufen eines Gerichtsverfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates erneut das behördliche Verfahren zur Prüfung des Asylantrags in der Sache anstrengen, an welches sich möglicherweise erneut ein gerichtliches Verfahren anschließen würde. Vielmehr bleibt es auch in Konstellationen wie der vorliegenden dabei, dass das Gericht nach § 86 Abs. 1 VwGO im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen und die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif zu machen hat.
33
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 10. Februar 1998 – 9 C 28/97 -, zitiert nach juris.
34
Der Bescheid des Bundesamtes vom 9. April 2013 ist jedoch insgesamt rechtmäßig ergangen.
35
Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist. Vorliegend ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
36
Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 17. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (Dublin II-VO) ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat, sofern dies auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß Art. 18 Abs. 3 der Verordnung oder Daten nach Kapitel III der Verordnung Nr. 2752/2000 festgestellt wurde. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aufgrund der EURDAC-Abfrage stellte das Bundesamt fest, dass der Kläger am 26. Juli 2012 in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden ist. Da keine vorrangige Zuständigkeitsregelung nach Kapitel III der Dublin II-VO einschlägig ist, vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO, ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
37
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO. Nach dieser Regelung kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
38
Zwar begründet die Dublin II-VO grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Denn die Dublin II-VO sieht ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie ist nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen.
39
Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 14. November 2013 – C 4/11 – und vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 -; jeweils zitiert nach juris.
40
Vor dem Hintergrund des dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens kann daher ein Asylbewerber in einer Situation, in der ein Mitgliedstaat einem Übernahmeersuchen zustimmt, gegen die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Argument entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden.
41
Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 -, Rn. 60; zitiert nach juris.
42
Sofern der Kläger die Ansicht vertritt, das Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-VO habe sich aufgrund der gegenwärtig bestehenden systemischen Mängel hinsichtlich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet, kann dem nicht gefolgt werden.
43
Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien können insbesondere für Dublin-Rückkehrer nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit festgestellt werden.
44
Die Kammer macht sich diesbezüglich zunächst die Ausführungen des OVG NRW vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A – bezüglich der Aufnahmebedingungen Italiens für Rückkehrer nach dem Dublin-Verfahren zu Eigen. Das Oberverwaltungsgericht ist nach umfassender Auswertung der aktuell zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu dem Schluss gelangt, dass obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus Mängel und Defizite nicht ganz unwesentlicher Art feststellen lassen, diese weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten sind, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK mit dem notwendigen Schweregrad impliziert.
Insbesondere stellt der Senat fest, dass Dublin-Rückkehrer in Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen, dass sie in ihrem Grundrecht aus Art. 4 der Grundrecht-Charta dadurch verletzt werden, indem ihnen durch den italienischen Staat wegen von der Zahl her offensichtlich nicht ausreichender angemessener Unterkunftsmöglichkeiten ein Leben „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ zugemutet würde und damit ihre Recht auf Unterkunft systematisch unbeachtet bliebe. Eine solchermaßen dramatische Lage lasse sich aktuell für Italien nicht feststellen.
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Situation angesichts der drastisch steigenden Zahlen der ankommenden Flüchtlinge in Italien im Laufe des Jahres 2014 wesentlich verändert hat, liegen nicht vor. Trotz weiterhin bestehender Mängel, vor allem im Hinblick auf die Unterbringungsmöglichkeit in dem Zeitraum zwischen der Asylantragstellung und der Registrierung des Antrags (sog. verbalizzazione), der je nach zuständigem Bezirk unterschiedlich lang und teilweise mehrere Monate erfassen kann,
49
vgl. Asylum Information Database, Country Report Italy, April 2014, S. 43, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/Italy.
50
handelt es sich hierbei um punktuelle Missstände, die nicht zu der Annahme struktureller Funktionsstörungen und systembedingter Fehler in den Aufnahmebedingungen Italiens führen.
51
Dass ein Asylbewerber in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen derzeit keine Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden, entspricht im Übrigen auch dem überwiegenden Teil der nach der Entscheidung des OVG NRW vom 7. März 2014 ergangenen Rechtsprechung:
52
Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 2 LA 308/13 -; OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 9 A 233/13.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 -; VG Augsburg, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – Au 5 S 14.50255 -; VG Aachen, Urteil vom 5. September 2014 – 7 K 2917/13.A – und Beschluss vom 27. August 2014 – 4 L 559/14.A -; VG Ansbach, Beschluss vom 25. August 2014 – AN 4 S 14.50140 -; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 13 L 1645/14.A – und vom 17. Juli 2014 – 17 L 1018/14.A -; VG München, Beschluss vom 6. August 2014 – M 18 S 14.50352 -; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6. August 2014 – 6 L 331/14.A -; VG Bremen, Beschluss vom 31. Juli 2014 – 1 V 495/14 -; VG Würzburg, Urteil vom 23. Juli 2014 – W 6 K 14.30291 -; VG Trier, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 5 L 1226/14.TR -; VG Bayreuth, Urteil vom 9. Juli 2014 – B 3 K 14.50001G-; VG Stuttgart, Urteil vom 9. Juli 2014 – A 12 K 868/14 -; VG Stade, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 6 B 1153/14 -; VG Magdeburg, Urteil vom 26. Juni 2014 – 9 A 158/13 -; VG Berlin, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 9 L 145.14 A -; VG Frankfurt, Beschluss vom 4. Juni 2014 – 7 L 1091/14.F.A -; a.A. VG Schwerin, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – 3 B 915/14 As -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7. August 2014 – 7a K 1304/14.A -; VG Leipzig, Beschluss vom 1. Juli 2014 – A 5 L 169/14 -; jeweils zitiert nach juris.
53
Soweit der vorliegende Fall insofern von dem Ausgangspunkt der Entscheidung des OVG NRW vom 7. März 2014, der die Beurteilung der Aufnahmebedingungen Italiens hinsichtlich eines gesunden und alleinstehenden jungen Mannes betrifft, abweicht, da der Kläger glaubhaft gemacht hat, an einer Porttraumatischen Belastungsstörung zu leiden, ergibt sich hinsichtlich der Rückführung nach Italien kein anderes Ergebnis. Die Kammer geht davon aus, dass die Behandlung der psychischen Erkrankung des Klägers auch in Italien in ausreichendem Umfang gewährleistet ist und insofern auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung keine systemischen Mängel in Italien festzustellen sind.
54
Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei.
55
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013.
56
Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisation oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen.
57
Vgl. Asylum Information Database, Country Report Italy, April 2014, S. 62, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/Italy; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 50.
58
Insofern kann auch hinsichtlich der notwendigen Behandlung der psychischen Erkrankung des Klägers mangels entgegenstehender Erkenntnisse nicht davon ausgegangen werden, dass in Italien systemische Mängel hinsichtlich der medizinischen Versorgung bestehen.
59
Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juli 2014 – 17 L 1018/14.A; VG Stuttgart, Urteil vom 9. Juli 2014 – A 12 K 868/14 -; VG Regensburg, Beschluss vom 30. April 2014 – RN 5 S 14.50067 -; jeweils zitiert nach juris.
60
Sonstige Anhaltspunkte, aufgrund derer der Kläger einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bunderepublik Deutschland gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO hätte, liegen nicht vor. Insbesondere droht dem Kläger in Italien nicht die Ermordung durch andere Afghanen. Sofern der Kläger vorträgt, die Schleuserbanden seien in Italien, im Iran und in der Türkei miteinander in Kontakt und man werde ihn sofort nach seiner Ankunft in Italien ausfindig machen und töten, vermag das Gericht vor allem vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger lediglich zwei Tage in Italien aufgehalten hat und er dort weder bedroht noch in sonst irgendeiner Weise von Afghanen belästigt wurde, keine Lebensgefahr bei einer Rückkehr zu erkennen. Die von ihm geltend gemachte Angst vor der Ermordung schätzt das Gericht vielmehr als Ausdruck seiner psychischen Erkrankung ein.
61
Die Abschiebungsanordnung ist im nach § 77 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ebenfalls rechtmäßig.
62
Nach § 34 a AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den Staat, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Im Rahmen der Abschiebungsanordnung hat das Bundesamt demnach die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen.
63
Vgl. BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 10 CE 14.427, mit weiteren Nachweisen; OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 -; jeweils zitiert nach juris.
64
Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis liegt unter anderem dann vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche – außerhalb des Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn).
65
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 -; BayVGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 10 CE 14.1523 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 2014 – 13 L 1834/14.A -; jeweils zitiert nach juris.
66
Der Abschiebung nach Italien steht nicht bereits die vom Kläger glaubhaft gemachte psychische Erkrankung als solche entgegen. Selbst vor dem Hintergrund, dass es aufgrund des nicht absehbaren Zeitraumes, bis der Kläger nach der Registrierung seines Asylantrages einen Wohnsitz anmeldet und sodann in den Besitz einer Gesundheitskarte kommt, gegebenenfalls mehrere Monate vergehen können bis der Kläger mit der Behandlung seiner Krankheit beginnen kann, ist davon auszugehen, dass die Abschiebung nach Italien nicht zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr für den Kläger führt. Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung befindet sich der Kläger derzeit weder in psychotherapeutischer Behandlung noch nimmt er Medikamente ein. Die Abschiebung nach Italien würde also nicht etwa zu einem Behandlungsabbruch, der erhebliche Folgen für den Gesundheitszustand des Klägers haben könnte, führen. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers erheblich verschlechtern würde, wenn der Behandlungsbeginn nicht unmittelbar, sondern erst nach ein paar Monaten erfolgt.
67
Der Kläger konnte ferner nicht zur Überzeugung des Gerichts seine Reiseunfähigkeit glaubhaft machen. Nach dem Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat, ist die Kammer vielmehr davon überzeugt, dass der Kläger reisefähig ist.
68
Der Kläger machte in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass er bei einer Rückkehr nach Italien davon ausgehe, von Afghanen, die ihn suchen würden, getötet zu werden. Selbst auf mehrfache Nachfrage durch das Gericht sowie seiner Prozessbevollmächtigten, was genau passieren würde, wenn er nach Italien abgeschoben werden würde, beschränkte sich sein Vortrag auf die Aussage, dass er alsbald nach seiner Rückkehr umgebracht werden würde. Der Kläger vermochte dagegen nicht darzulegen, wie er konkret reagieren würde, falls er abgeschoben werden würde und welche emotionalen und gegebenenfalls physischen Folgen die Abschiebung als solche für ihn persönlich hätte.
69
Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten der Psychotherapeutin S. O. vom 29. September 2014, welches zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht reisefähig sei, führt zu keiner anderen Entscheidung. Für die Kammer ist es nicht nachvollziehbar, wie die Psychotherapeutin in dem Gutachten zu dem Schluss der Reiseunfähigkeit gelangt.
70
Dem Gutachten liegt zunächst die Annahme zugrunde, dass der Kläger Angst vor allen Afghanen habe. Dem kann nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht gefolgt werden. Der Kläger schilderte anschaulich, dass er sich an seinem derzeitigen Wohnort in X. mit einem Afghanen das Zimmer teile und sie friedlich miteinander leben würden. Der Kläger geht also selbst davon aus, dass nicht alle Afghanen ihn verfolgen, sondern er sogar in der Lage ist, mit einem Afghanen zusammen zu leben. Auch die Annahme, der Kläger habe nach zwei Gesprächsterminen nicht mehr zur Begutachtung nach I. fahren wollen, da er Angst habe, auf der Fahrt von anderen Afghanen gesehen zu werden, wurde in der mündlichen Verhandlung nicht bestätigt. Auf ausdrückliche Nachfrage der Prozessbevollmächtigten erklärte der Kläger vielmehr, es habe ihm Angst gemacht, dass er den Weg nach I. nicht gekannt habe. Von einer Angst vor dem Entdecktwerden durch andere Afghanen war dagegen nicht die Rede.
71
Ferner setzt sich das Gutachten nicht mit dem Umstand auseinander, dass der Kläger bereits zuvor mit der Abschiebesituation nach Italien konfrontiert war, als er zum Zwecke der Abschiebung in Abschiebehaft genommen wurde. Hier hätte es nahe gelegen, die damaligen Reaktionen und Äußerungen des Klägers, der befürchtet, in Italien umgebracht zu werden, zu beleuchten und in die Beurteilung seines jetzigen Zustands einzubeziehen. Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung lediglich an, in der JVA viel geweint zu haben. Die Kammer geht jedoch davon aus, dass eine Person, die sich bereits zum zweiten Mal mit der Abschiebesituation konfrontiert und – nach ihrer Vorstellung – dem Tod unmittelbar ausgeliefert sieht, die darüber empfundene Angst und Verzweiflung auch durch verstärkte Emotionen und Reaktionen zum Ausdruck bringen würde. Die in dem Gutachten dargelegte angeblich von dem Kläger empfundene „Todesangst“ konnte die Kammer dagegen aufgrund der ruhigen und gar distanzierten Haltung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht erkennen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Maß an sichtbaren Emotionen aufgrund der Situation einer förmlichen mündlichen Verhandlung sowie des kulturellen Hintergrundes des Klägers durchaus begrenzt sein kann. Bereits aus den Ausführungen des Klägers als solche ohne Anzeichen einer emotionalen Berührtheit konnte jedoch eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit und das Leben des Klägers im Falle der Abschiebung nicht festgestellt werden.
72
Schließlich ist die im dem Gutachten prognostizierte Suizidgefahr nach dem Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar. Auch hier erscheint bereits fraglich, warum die Gutachterin nicht mögliche suizidale Äußerungen im Rahmen der ersten angekündigten Abschiebung hinterfragt. Vielmehr bleibt es bei der bloßen Wiedergabe des Berichts des Klägers, er habe im Iran, in der Türkei und auch in der JVA C. an Suizid gedacht. Eine Auseinandersetzung mit diesen formulierten Gedanken erfolgt an keiner Stelle. Das Gutachten beschränkt sich vielmehr auf eine Mitteilung über das Ergebnis eines Fragebogens zur Feststellung der Suizidalität, in welchem der Kläger 14 von 16 Fragen im Sinne eines bestehenden Suizidrisikos beantwortet habe. Eine Erläuterung oder Auseinandersetzung mit dem Testergebnis erfolgt dagegen nicht. Der Kläger erwähnte dagegen im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch auf mehrfache Nachfrage zu den konkreten Folgen einer Abschiebung weder bereits vollzogene Suizidversuche noch suizidale Gedanken jeglicher Art. Der Vortrag beschränkte sich ausschließlich auf die von dem Kläger befürchtete Gefahr, in Italien getötet zu werden. Das Vorliegen einer Lebensmüdigkeit war für das Gericht nicht zu erkennen. Der in dem Gutachten gezogene Schluss auf die „drastische Erhöhung“ der Suizidalität des Klägers im Falle der Abschiebung bleibt schließlich ohne jegliche Begründung und kann damit nicht nachvollzogen werden.
73
Für die Annahme, dass dem Kläger keine erheblichen Gesundheitsgefahren im Falle der Abschiebung drohen, spricht schließlich auch, dass der Kläger bereits zu Beginn seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung über sich selbst sagte, er sei gesund.
74
Vor diesem Hintergrund drängt sich keine Beweiserhebung auf, so dass der in der mündlichen Verhandlung gestellte bedingte Beweisantrag abzulehnen war. Der Beweisantrag bezog sich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Frage, ob der Kläger reisefähig sei. Ungeachtet der Frage, ob der so gestellte Beweisantrag hinreichend substantiiert ist, war das Gericht angesichts des bereits vorliegenden Gutachtens sowie des Gesamteindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung, nicht gehalten, weitere Ermittlungen hinsichtlich der Reisefähigkeit des Klägers anzustellen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Am 14. Mai 2013 beantragte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3
In der Befragung beim Bundesamt vom 14. August 2013 gab er unter anderem an, 2011 nach Italien gereist zu sein.
4
Das Bundesamt richtete nach einer Eurodac-Treffermeldung vom 16. Mai 2013 am 5. November 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Italien.
5
Mit Bescheid vom 28. Januar 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an.
Der Kläger ist der Ansicht, Deutschland sei für die Prüfung seines Asylantrags zuständig, da in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorlägen. Überdies sei er aufgrund seiner schweren Herzerkrankung besonders schutzbedürftig.
8
Der Kläger beantragt,
9
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 28. Januar 2014 zu verpflichten, für den Kläger ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Italien festzustellen.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
13
Das Gericht hat mit Beschluss vom 6. Mai 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet (13 L 213/14.A). Mit Beschluss vom 2. Juli 2014 hat das Gericht durch Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens des Gesundheitsamtes der Stadt E. Beweis erhoben (Bl. 43 f. der Gerichtsakte). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das amtsärztliche Gutachten vom 15. September 2014 (Bl. 54 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
14
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Klage- und des Eilverfahrens sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15
Entscheidungsgründe:
16
Über die Klage entscheidet die Einzelrichterin, nachdem ihr die Sache durch Beschluss der Kammer vom 2. Juli 2014 übertragen worden ist (§ 76 Absatz 1 AsylVfG).
17
Die Klage ist teilweise unzulässig (I.) und soweit sie zulässig ist unbegründet (II.).
18
I. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist teilweise unzulässig.
19
Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In dem vom Kläger geltend gemachten Verpflichtungsbegehren ist das – zulässige – Anfechtungsbegehren, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2014 enthalten. Mit diesem Teil ist die Klage zulässig. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte feststellt, das für den Kläger hinsichtlich Italien ein Abschiebungsverbot besteht – bedarf es hingegen nicht. Insoweit ist die Klage unzulässig.
20
Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 28. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages bzw. Nichtabschiebung und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
21
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 22, ; 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und 15. Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, Seite 4; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VerwaltungsgerichtHamburg, Urteil vom 15. März 2012 – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; Verwaltungsgericht Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, Seite 5;Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 18. Mai 2011 – 5 K 198/11.TR –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010 – A 4 K 4052/08 –, Seite 4; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
22
Im Falle einer isolierten Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides – beispielsweise aufgrund eines bestehenden Abschiebungshindernisses – ist das Bundesamt gehindert, den Kläger nach Italien abzuschieben. Einer Verpflichtung des Bundesamtes, ein Abschiebungshindernis festzustellen, bedarf es daher ebenfalls nicht.
23
II. Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
24
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
25
Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass Italien grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Mitgliedstaat ist (1.). Auch steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Überstellung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann (2.).
26
1. Italien ist für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
27
Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
28
vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 55; Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und 8. Mai 2014 ‑ 13 L 126/14.A ‑, juris, Rn. 11.
29
Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
30
Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Der Kläger hat sich nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt am 14. August 2013 vor seiner Einreise nach Deutschland in Italien aufgehalten. Dies wird bestätigt durch das Ergebnis der Abfrage der Eurodac-Datenbank durch das Bundesamt vom 16. Mai 2013. Die Beklagte hat am 5. November 2013 Italien um Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Nachdem Italien nicht innerhalb der nach Artikel 18 Absatz 1 Dublin II-VO maßgeblichen Frist von zwei Monaten nach Stellung des Wiederaufnahmegesuchs geantwortet hat, ist nach Artikel 18 Absatz 7 Dublin II-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmeersuchen stattgegeben wird. Italien ist daher grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen (Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d) Dublin II-VO). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen, da das Gericht mit Beschluss vom 6. Mai 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
31
Zum fehlenden subjektiven Recht bei Ablauf der Überstellungsfrist vgl. ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, juris.
32
Der Überstellung des Klägers nach Italien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 14. Mai 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Italien am 5. November 2013 etwas mehr als sechs Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Ungarn) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
33
vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
34
Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
35
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
36
Dahingestellt bleiben kann, ob diese Vorgabe des EuGH auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, noch dazu in Fällen, in denen sich der Asylbewerber –wie vorliegend der Kläger – während der Überprüfung seines Asylbegehrens durch den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begibt, zu beachten ist. Denn jedenfalls lag keine unangemessen lange Verfahrensdauer vor.
37
Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
38
vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 9. Dezember 2014 – 13 K 399/14.A –, S. 5 f. des Urteilsabdrucks, 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v; Beschlüsse vom 26. Februar 2013 – 13 L 396/14.A. – und vom 31. März 2014 – 13 L 119/14.A – beide juris.
39
Hier sind seit der Asylantragstellung am 14. Mai 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 5. November 2013 erst etwas mehr als sechs Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
40
2. Überdies begegnet auch die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides geregelte Abschiebungsanordnung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist hier der Fall. Insbesondere leidet das italienische Asylverfahren nicht an systemischen Mängeln (a) und es sind weder zielstaatsbezogene noch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse ersichtlich (b).
41
a) Entgegen der Ansicht des Klägers liegen keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Italiens eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Italien abzuschieben.
42
Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 8 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der Dublin III VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten.
43
Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
44
Die Beklagte ist – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO zugunsten des Klägers – nicht gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
45
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
46
der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben syste-misch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
47
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
48
Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
49
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
50
Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
51
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 ff. m.w.N.
52
Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Kläger drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta, Artikel 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Italien nach sich ziehen könnten.
53
Soweit der EGMR in seinem Urteil vom 4. November 2014 die Rückführung einer Familie mit Kindern nach Italien davon abhängig gemacht hat, dass der abschiebende Staat zunächst die individuelle Garantie seitens der italienischen Behörden erhalten hat, dass die Familie in einer Art und Weise in Obhut genommen wird, die dem Alter der Kinder angepasst ist, und dass die Familie zusammengehalten wird,
54
vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, – 29217/12 – (Tarakhel . /. Schweiz), juris,
55
kann der Kläger als alleinstehender Mann daraus für sich nichts herleiten. Der EGMR stützt seine Entscheidung auf die besondere Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, insbesondere auf die spezifische Schutzbedürftigkeit von Kindern und das Gebot der Wahrung der Familieneinheit. Die allgemeinen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien stehen nach Auffassung des EGMR – anders als diejenigen in Griechenland – für sich genommen einer Rückführung von Asylbewerbern dorthin gerade nicht entgegen,
56
vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014, – 29217/12 – (Tarakhel . /. Schweiz), Rn. 114 f., juris und Entscheidung vom 13. Januar 2015, – 51428/10 – (A.M.E. ./. Niederlande), Rn. 35, juris (in englischer Sprache).
57
Im Falle eines jungen männlichen Asylbewerbers sieht der EGMR gerade keine Grundlage für die Vermutung, ihm drohe im Falle der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK.
58
EGMR, Entscheidung vom 13. Januar 2015, – 51428/10 – (A.M.E. ./. Niederlande), juris (in englischer Sprache).
59
Auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in seinem Urteil vom 24. April 2015 (14 A 2356/12.A) unter Bezugnahme auf die vorstehend genannte Entscheidung des EGMR und eine seinerseits eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2015 entschieden, dass nicht festgestellt werden kann, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, die die Annahme erlaubten, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Zur Begründung führt es unter anderem folgendes aus:
60
„Nach der im hiesigen Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.1.2015 (dort irrtümlich 6.1.2014) hat sich an der Erkenntnislage, die der Entscheidung des beschließenden Gerichts vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - zu Grunde lag, nichts geändert. Auch sonst liegen dem Senat keine Erkenntnisse über relevante Veränderungen vor. Insbesondere stellt die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, der eine veränderte Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden. Davon kann nicht ausgegangen werden.“
Das erkennende Gericht schließt sich diesen überzeugenden obergerichtlichen Ausführungen an. Hieran angeknüpft schließt sich das Gericht zudem den nachfolgenden Ausführungen der 22. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf an:
63
„Vielmehr wurden und werden die staatlichen Unterbringungskapazitäten für Flüchtlinge in Italien in den vergangenen Jahren beträchtlich ausgebaut bis hin zur Schaffung von Notunterkünften für die zunehmende Anzahl der auf dem Seeweg ankommenden Migranten,
64
vgl. AIDA (Asylum Information Database), Country Report Italy, third update, Stand: Januar 2015, S. 58 ff., abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
65
Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind zudem diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
66
vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rd. 130.
67
Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die ‑ wie der Antragsteller ‑ nach dem vom Bundesamt gemäß Art. 8 ff der Durchführungsverordnung zur Dublin-VO,
68
Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013,
69
einzuhaltenen Verfahren nach Italien überstellt werden.
70
Gerade für Dublin-Rückkehrer wurde in Italien seit dem Jahr 2012 – unterstützt mit Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds – ein besonderes Aufnahmesystem geschaffen. Derzeit stehen hierfür elf Übergangseinrichtungen mit insgesamt 443 Plätzen zur Verfügung; sieben Einrichtungen dienen speziell der Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personen,
71
AIDA (Asylum Information Database) Country Report Italy, 3. update, Stand: Januar 2015, S. 59, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
72
Dass diese Aufnahmekapazitäten derzeit durch die steigende Anzahl von Bootsflüchtlingen geschmälert werden, lässt sich nicht feststellen.“
73
VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Mai 2015 – 22 L 420/15.A –, S. 6 f. des Beschlussabdrucks.
74
Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger nicht von diesem besonderen Aufnahmesystem für Dublin-Rückkehrer wird profitieren können, auch wenn er vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bereits für mehr als sechs Monate in einer Unterkunft in Italien gelebt hat. Zwar besteht eine maximale Verweildauer in den Aufnahmezentren für Asylsuchende („CARAs“). Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen dürften Asylbewerber, die keine Reise- oder Identitätsdokumente bzw. gefälschte Dokumente haben, nur 20 bzw. 35 Tage in den CARAs bleiben. Der tatsächliche Aufenthalt liege aber bei sechs Monaten und mehr, da das Asylverfahren mehrere Monate dauert und Asylbewerber das Recht hätten, während der Dauer des Asylverfahrens in der Einrichtung zu bleiben. Auch dürften Dublin-Rückkehrer nur dann in eine der CARAs untergebracht werden, wenn sie nicht schon während ihres ersten Aufenthalts in Italien einer solchen Einrichtung untergebracht gewesen seien. Allerdings gebe es eigens für Dublin-Rückkehrer geschaffene vorübergehende Aufnahmeeinrichtungen, in denen diese untergebracht würden, bis die rechtliche Situation geklärt ist oder bis bei besonders schutzbedürftigen Personen eine alternative Unterbringungsmöglichkeit gefunden werde.
75
AIDA (Asylum Information Database) Country Report Italy, 3. update, Stand: Januar 2015, S. 44 und 46, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf.
76
Dass auch hinsichtlich der speziellen Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer eine Anrechnung der Zeit erfolgt, in der der Asylbewerber in Italien bereits in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht gewesen ist, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht. Ebenso wenig vermag das Gericht zu erkennen, dass Dublin-Rückkehrer, deren Asylantrag bereits in Italien abgelehnt worden ist, nicht in eine solche Unterkunft untergebracht werden. Auch insoweit fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers.
77
Ungeachtet dessen weist das Gericht darauf hin, dass das Asylverfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, wenn auch erkennbar mit einem von ihm nicht erwünschten Ergebnis. Ist aber wie hier der Asylantrag des Klägers abgelehnt worden, folgt daraus für den Kläger auch die Ausreisepflicht,
78
vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.
79
Der Verlust des Anspruchs auf staatliche Leistungen stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar,
80
vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13. Juni 2014 – 13 L 1139/14.A –, juris, Rn. 22, 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris und NRWE, 23. Juli 2013 – 25 L 1342/13.A –, n.v.
81
Das zeigt auch schon die Wertung, welche in Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie n.F.) zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Absatz 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die „Versorgung einzustellen“, wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt.
b) Schließlich liegen auch keine zielstaatsbezogenen (bb), oder in der Person des Klägers bestehenden, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse (aa) vor.
84
aa) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegt nicht vor. Gemäß § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Gesundheitszustand eines Ausländers so kritisch ist, dass eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr durch den Abschiebungsvorgang selbst zu befürchten ist. Eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn schon keine Transportfähigkeit besteht (Reisefähigkeit im engeren Sinne, (1)) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reisefähigkeit im weiteren Sinne (2)). Weder für das Eine noch für das Andere bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hinreichende Anhaltspunkte. Im Einzelnen:
85
(1) Eine Reiseunfähigkeit im engeren Sinne ist nicht gegeben. Die im Beweisbeschluss gestellte Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Herzerkrankung bzw. einer sonstige Erkrankung insbesondere für eine Ausreise nach Italien nicht reisefähig ist, hat Dr. T. in seinem Gutachten vom 15. September 2014 dahingehend beantwortet, dass dies nicht der Fall sei. Der Kläger befinde sich unter der von ihm eingenommenen Medikation in einem kardial kompensierten guten Allgemeinzustand. Es bedürfe auch keiner ärztlichen Betreuung während der Ausreise. Das Gericht folgt diesen in sich schlüssigen Ausführungen des Gutachters, die der Kläger auch in der Folgezeit nicht substantiiert in Frage gestellt hat.
86
(2) Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne sind ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar ist der Kläger auf eine dauerhafte Einnahme seiner Medikamente angewiesen. Eine kurzeitige oder mehrwöchige Unterbrechung der medikamentösen Therapie sei aus medizinischer Sicht kontraindiziert. Hierbei könne es zu Blutdruckentgleisung und zum Auftreten von Durchblutungsstörungen am Herzen mit Angina pectoris Beschwerden bis hin zum Herzinfarkt kommen. Indes ist durch die Anweisung des Bundesamtes an die Ausländerbehörde vom 23. Juli 2015 sichergestellt, dass der Kläger mit ausreichend Medizin versorgt wird, damit eine Unterbrechung seiner medikamentösen Therapie infolge der Überstellung nach Italien nicht eintritt (Bl. 93 f. der Gerichtsakte).
87
Entgegen der Ansicht des Klägers bedurfte es auch keiner weitergehenden Sachverhaltsaufklärung dahingehend, ob es infolge einer zwangsweisen Überstellung des Klägers nach Italien zu einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kommt. Nach § 86 Absatz 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten zwar die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtstreits erforderlich ist. Dabei entscheidet das Tatsachengericht über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen.
88
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 12. Dezember 2014 – 13 K 6791/13 –, juris, Rn. 50 und 24. Januar 2014 – 13 K 1563/11 –, juris, Rn. 58.
89
Indes bedurfte es keiner ergänzenden Befragung des Amtsarztes der Stadt E. Dr. T. , da es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es im Falle einer zwangsweisen Überstellung des Klägers nach Italien zu einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kommt. Insbesondere fehlt es auch an einem substantiierten Vortrag des Klägers in diese Richtung. Insoweit handelt es sich daher um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag.
90
Ungeachtet dessen war der Hilfsbeweisantrag auch aufgrund der bereits bestehenden Sachkunde des Gerichts abzulehnen (§ 244 Absatz 4 Satz 1 Strafprozessordnung [StPO]). Aus dem eingeholten schriftlichen Gutachten vom 15. September 2014 ergibt sich zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts, dass es – auch unter Berücksichtigung der besonderen Stresssituation einer zwangsweisen Abschiebung – an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers eintreten wird. Denn dem Gutachter war bekannt, dass dem Gutachtenauftrag eine unfreiwillige Ausreise des Klägers nach Italien zu Grunde lag. Dass eine solche Situation besonderen Stress auslöst, versteht sich von selbst und bedurfte daher keiner besonderen Erwähnung. Gleichwohl hat der Gutachter die Reisefähigkeit des Klägers für Bus, Bahn oder Flugzeug bejaht und das Erfordernis einer ärztlichen Betreuung verneint. Wichtig ist aus seiner Sicht einzig und allein, dass während der Überstellung eine hinreichende medikamentöse Versorgung des Klägers erfolgt. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen aber gerade der Fall. Eine andere Frage ist, ob dann über die unmittelbare Anschlussbetreuung hinaus mittel- und langfristig eine Weiterbehandlung im Gesundheitssystem des Zielstaates gewährleistet ist. Dieser Frage ist erst im Rahmen der nachstehenden Überprüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nachzugehen.
91
Vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand: März 2015, § 60a, Rn. 142.
92
bb) Ebenfalls lässt sich nicht feststellen, dass ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
93
Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
94
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
95
Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
96
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A
97
Eine derart wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes steht nicht schon bei jeder ungünstigen Entwicklung des Krankheitsbildes zu befürchten, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden oder existenzbedrohenden Zuständen.
98
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 – 9 C 13.96 –, NVwZ 1998, 526; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2004 – 13 A 3598/04.A –, juris.
99
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da nicht ersichtlich ist, dass die ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens notwendige medikamentöse Dauerbehandlung des Klägers gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Denn nach der bestehenden Auskunftslage, auf die der Kläger mit Verfügung vom 25. Juni 2015 hingewiesen worden ist, sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen.
100
VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 30. März 2015 – 6 L 84/15.A –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Ansbach, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AN 14 K 14.50187b, AN 14 SAN 14 S 14.50186 –, juris, Rn. 33 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 5a K 2360/13.A –, Rn. juris, 51 ff. m.w.N.; Asylum Information Database, Country Report Italy, April 2014, S. 61 f.; Bundesamt, Leitfaden Italien, Aktualisierte Fassung von Oktober 2014 S. 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 49; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, S. 9.
101
Für die Registrierung und den Erhalt des Gesundheitsausweises benötigten die Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis (die sie in einer Aufnahmeeinrichtung erhalten), eine Steuernummer (die sie bei der Einreise-Agentur erhalten) sowie eine feste Adresse. Da nach dem jüngsten Gutachten des Auswärtigen Amtes derzeit grundsätzlich alle Asylbewerber untergebracht werden können und insbesondere Dublin-II Rückkehren eine Unterkunft zugewiesen wird,
102
Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11. September 2013, Ziffer 6.2.
103
ist nicht ersichtlich, dass der Kläger keine Wohnsitznahme wird vorweisen können. Ungeachtet dessen kann er sich selbst bei fehlendem festen Wohnsitz um eine Sammeladresse bemühen. Denn die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch u. a. für den für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Im Übrigen steht nach zitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei. Der Antragsteller hat damit in Italien Zugang zur angemessenen medizinischen Versorgung.
104
VG München, Beschluss vom 5. November 2014 – M 18 S 14.50356 –, juris, Rn. 22; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11. September 2013, Ziffer 6.3.
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Da nach den vorstehend genannten Auskünften zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Kläger jedenfalls aufgrund der Möglichkeit, sich um eine Sammeladresse zu bemühen, in Italien eine hinreichende und kostenfreie medizinische Versorgung erhalten wird, und zwar selbst dann, wenn er nach seiner Rückkehr keine Wohnung erhalten sollte, wofür ausweislich der Ausführungen auf Seite 11 und 12 überhaupt keine Anhaltspunkte bestehen, war der Beweisantrag ebenfalls wegen eigener Sachkunde des Gerichts nach § 244 Absatz 4 Satz 1 StPO abzulehnen.
106
Überdies fehlt es auch hier an einem über die bloße Behauptung hinausgehenden Vortrag, dass sich die Situation für den Kläger anders darstellt, da sein Asylverfahren in Italien bereits durchgeführt und sein Asylantrag abgelehnt worden ist, sodass es sich auch insoweit um einen unzulässigen Ausforschungsantrag handelt. Es fehlen tatsächliche, eine dahingehende Vermutung rechtfertigende Anhaltspunkte. Insbesondere folgen solche auch nicht aus der E-Mail der Liasonbeamtin des Bundesamtes vom 1. Juli 2015. Darin heißt es, dass der Kläger ggfls. in ein Projekt für Vulnerable Case untergebracht werden könne, wenn er noch Asylbewerber oder bereits anerkannt worden sei. Da der Asylantrag des Klägers bereits abgelehnt worden ist, kann er zwar nicht in das Projekt für Vulnerable Case aufgenommen werden. Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass Asylbewerbern, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, keine Unterkunft und keine medizinische Betreuung erhalten werden. Vielmehr sichert die Liasonbeamtin zu, dass Italien den EU Standart einhalte.
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Schließlich hat das Bundesamt die italienischen Behörden über die Herzerkrankung des Klägers und die Notwendigkeit einer dauerhaften medikamentösen Behandlung informiert (Bl. 95 f. der Gerichtsakte), sodass das Gericht davon auszugeht, dass die italienischen Behörden den besonderen Bedürfnissen des Klägers in geeigneter Weise – insbesondere auch durch eine ggfls. erforderliche medizinische Erstversorgung – Rechnung tragen werden (vgl. auch Artikel 32 Absatz 1 Satz 3 Dublin III-VO).
108
Sollte sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Italien, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies dem Kläger nicht möglich sein soll.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger und ebenfalls nach eigenen Angaben am .... Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Am .... Dezember 2013 stellte er Asylantrag.
Im persönlichen Gespräch im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am .... Februar 2014 führte der Antragsteller unter anderem aus, dass er von Pakistan aus über Griechenland und Italien nach Deutschland gelangt sei. In Griechenland habe man ihm gesagt, dass seine Hautkrankheit nur in Deutschland behandelt werden könne. Zudem sehe er in Italien und Griechenland keine Lebensperspektive.
Nach Feststellung eines entsprechenden EURODAC-Ergebnisses ersuchte die Antragsgegnerin am .... März 2014 die zuständige italienische Behörde um Übernahme; die italienische Behörde äußerte sich nicht innerhalb zweier Monate zur Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
Mit Bescheid vom .... Juni 2014, ausweislich Postzustellungsurkunde dem Antragsteller zugestellt am .... Juni 2014, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Am 20. Juni 2014 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München Klage gegen den Bescheid vom .... Juni 2014 (M 18 K 14.50355) und beantragte weiter,
Zur Begründung verwies der Antragsteller auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt und brachte ergänzend vor, dass eine angemessene Behandlung seiner Hautkrankheit in Italien nicht sichergestellt sei.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom .... Juni 2014 und .... Juli 2014 die Behördenakte vor und äußerte sich im Übrigen nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom .... Juni 2014 angeordnete Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist zulässig (§ 34a Abs. 2 AsylVfG), aber nicht begründet.
Entfaltet ein Rechtsbehelf wie hier von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylVfG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides, da nach vorläufiger Prüfung davon auszugehen ist, dass der angefochtene Bescheid sich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen wird und die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
1. Mit der am 6. September 2013 in Kraft getretenen Neuregelung des § 34a Abs. 2 AsylVfG ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO im vorliegenden Fall statthaft; er wurde auch fristgerecht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids gestellt.
2. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, und sie gilt ferner – ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung – ab dem 1. Januar 2014 für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der – wie hier – vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, erfolgt nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-III-VO die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates weiterhin nach der Vorgängerregelung, also der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO).
2.1. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, und zwar von demjenigen, der durch die Dublin-II-VO bestimmt wird. Die grundsätzliche Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die italienischen Behörden haben sich auf das auf den EURODAC-Treffer gestützte Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin binnen zweier Monate nicht geäußert, so dass die Zustimmungsfiktion des Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO eingetreten ist.
2.2. Es besteht keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-VO aus humanitären Gründen den Asylantrag des Antragstellers selbst zu prüfen bzw. von einer Abschiebung nach Italien abzusehen (EuGH, U.v. 14.11.2013 – C-4/11 – juris).
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 - juris m.w.N.). Dabei begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbar landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 - juris). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich die Verhältnisse in Italien zwischenzeitlich maßgeblich geändert hätten.
2.3. Unabhängig von der allgemeinen Situation bestehen nach der gebotenen summarischen Prüfung auch in der Person des Antragstellers keine beachtlichen Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO vorlägen bzw. eine Ermessensreduzierung zu seinen Gunsten geboten wäre.
Zwar kann es im Einzelfall aus individuellen, in der Person des Asylsuchenden liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen.
Beachtliche, in der Person des Antragstellers liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor. Die vom Antragsteller behauptete Hautkrankheit stellt einen solchen beachtlichen Grund nicht dar.
Aus den Unterlagen über die ärztliche Behandlung im Dezember 2013 bzw. Januar 2014 in der Klinik ... Str. in ... geht hervor, dass beim Antragsteller eine erythrodermen Form einer Psoriasis vulgaris (sog. Schuppenflechte) und einer Pityriasis rubra pilaris (sog. Stachelflechte) diagnostiziert wurden. Des Weiteren ist den Unterlagen zu entnehmen, dass die Fortführung der Behandlung mit Salben sowie eine UV-Therapie empfohlen werden. Der Antragsteller hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass diese Erkrankung in Italien nicht behandelbar bzw. eine Medikation nicht möglich wäre. Entsprechendes ist nach der derzeitigen Erkenntnislage auch nicht ersichtlich. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Italien ist für Asylsuchende - trotz zuweilen auftretender praktischer Erschwernisse - grundsätzlich hinreichend gewährleistet. Ausweislich der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013 haben Asylbewerber während des Asylverfahrens Anspruch auf freie medizinische Versorgung, Ziff. 5.1. Das Auswärtige Amt geht weiter davon aus, Asylbewerber seien in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt, Ziff. 6. Die Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst) sei obligatorisch und ermögliche die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtige. Für die Registrierung und den Erhalt des Gesundheitsausweises benötigten die Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis (die sie in einer Aufnahmeeinrichtung erhielten), eine Steuernummer (die sie bei der Einreise-Agentur erhielten) sowie eine feste Adresse (Ziff. 6.2). Da nach dem jüngsten Gutachten des Auswärtigen Amtes derzeit grundsätzlich alle Asylbewerber untergebracht werden können und insbesondere Dublin-II Rückkehren eine Unterkunft zugewiesen wird, ist nicht ersichtlich, dass die Antragsteller keine Wohnsitznahme werden vorweisen können. Ungeachtet dessen können sie sich selbst bei fehlendem festen Wohnsitz um eine Sammeladresse bemühen. Denn die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch u. a. für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes, Ziff. 6.2). Im Übrigen steht nach zitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes (Ziff. 6.2) eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei. Der Antragsteller hat damit in Italien Zugang zur angemessenen medizinischen Versorgung (vgl. VG München, B.v. 12.8.2014 – M 22 S 14.50426; B.v. 1.8.2014 – M 17 S7 14.50415; VG Ansbach, B.v. 4.8.2014 – AN 4 S 14.50068 – juris Rn. 16).
Es ist nach alledem nicht ersichtlich, dass der Antragsteller in Italien nicht hinreichend medizinisch versorgt werden könnte oder keinen Zugang zu einer solchen Versorgung hätte; auch kann ihm zugemutet werden, sich beim Nationalen Gesundheitsdienst registrieren zu lassen. Nach seinen eigenen Angaben konnte die erforderliche Behandlung auch in seiner Heimat durchgeführt werden. Einschränkungen oder sonstige Gebrechlichkeiten des Antragstellers, die ihm dies verwehrt sein ließen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Sonstige Umstände, die eine besondere Schutzbedürftigkeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
Damit verbleiben nach summarischer Prüfung keine Zweifel an der Zuständigkeit Italiens für die Behandlung des Asylantrags des Antragstellers.
Da die Rückführung des Antragstellers nach Italien möglich ist, durfte das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Italien anordnen.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.