Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2015 - 13 K 537/14.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 26. August 2013 in die Bundesrepublik Deutschland und beantragte am 31. Juli 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3In der Befragung beim Bundesamt vom 22. Oktober 2013 gab er unter anderem an, er habe am 24. Oktober 2012 sein Heimatland verlassen. Er sei von B. in die Türkei geflogen. Am 5. Mai 2013 sei er nach Griechenland gereist. Von dort sei er mit dem Auto nach Ungarn gefahren, wo er festgenommen worden sei.
4Das Bundesamt richtete am 4. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c) Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 21. Januar 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an.
6Am 29. Januar 2014 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt (13 L 190/14.A).
7Er ist der Ansicht Deutschland sei für die Prüfung seines Asylbegehrens zuständig. Zum einen sei die Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs verstrichen. Zum anderen lägen in Ungarn systemische Mängel vor. Er sei in einem Zelt untergebracht gewesen, wo es nachts entweder zu schwül oder zu kalt zum Schlafen gewesen sei. Die meisten Speisen habe er aufgrund seines muslimischen Glaubens nicht verzehren können, da überwiegend Schweinefleisch angeboten worden sei. Als er sich zwei Mal beschwert habe, sei er von den Bediensteten tätlich angegriffen und bedroht worden. Auch sei ihm ärztliche Behandlung verweigert worden. In Deutschland befinde er sich wegen eines chronisch reaktiven Hepatitis B-Virusinfekts in ärztlicher Behandlung.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie ist der Ansicht, es lägen keine systemischen Mängel in Ungarn vor.
13Das Gericht hat in dem Parallelverfahren 13 K 501/14.A mit Beschluss vom 28. Mai und 23. Juni 2014 Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des UNHCR und von Pro Asyl zu den in den Beweisbeschlüssen genannten Fragen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe teilte dem Gericht mit Schreiben vom 6. Juni 2014 mit, dass sie aus Kapazitätsgründen keine Anfragen zu den sog. „Dublin-Ländern“ bearbeite. Auf den Inhalt der erstatteten Gutachten vom 30. September 2014 (UNHCR), 31. Oktober 2014 (Pro Asyl) und 19. November 2014 (Auswärtiges Amt) wird Bezug genommen.
14Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Über die Klage entscheidet die Einzelrichterin, nachdem ihr die Sache durch Beschluss der Kammer übertragen worden ist (§ 76 Absatz 1 AsylVfG).
17Die zulässige Anfechtungsklage,
18vgl. hierzu VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.,
19ist nicht begründet.
20Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
21Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Ungarn angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
22Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ungarn grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Mitgliedstaat ist (I.). Auch steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Überstellung des Klägers nach Ungarn durchgeführt werden kann; das ungarische Asylverfahren insbesondere nicht an systemischen Mängeln leidet (II.).
23I. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
24vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 55; Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
25Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Ungarn der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags.
26Nach einem Treffer in der Eurodac-Datenbank (HU0000000000000) und einem an Ungarn gerichteten Übernahmeersuchen der Beklagten vom 4. Dezember 2013 wurde die Übernahme unter dem 10. Dezember 2013 unter Bezugnahme auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c) Dublin II-VO akzeptiert. Ungarn ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d) Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen, da das Gericht mit Beschluss vom 28. Mai 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
27Zum fehlenden subjektiven Recht des Ausländers sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist zu berufen siehe VG Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, juris.
28Entgegen der Ansicht des Klägers steht seiner Überstellung nach Ungarn auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 31. Juli 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Ungarn am 4. Dezember 2013 etwas mehr als 4 Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Ungarn) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
29vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
30Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
31vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
32Dahingestellt bleiben kann, ob diese Vorgabe des EuGH auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, noch dazu in Fällen, in denen sich der Asylbewerber – wie vorliegend der Kläger – während der Überprüfung seines Asylbegehrens durch den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begibt, zu beachten ist. Denn jedenfalls lag keine unangemessen lange Verfahrensdauer vor.
33Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
34vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 9. Dezember 2014 – 13 K 399/14.A –, S. 5 f. des Urteilsabdrucks, 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v; Beschlüsse vom 26. Februar 2013 – 13 L 396/14.A. – und vom 31. März 2014 – 13 L 119/14.A – beide juris.
35Hier sind seit der Asylantragstellung am 31. Juli 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 4. Dezember 2013 erst etwas mehr als 4 Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
36II. Es steht auch zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass die Abschiebung im Sinne von § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG durchgeführt werden kann. Weder leidet das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln (1.) noch fehlt es an der erforderlichen Übernahmebereitschaft Ungarns (2.). Schließlich sind auch keine Abschiebungshindernisse ersichtlich (3.).
371. Es liegen keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Ungarns eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Ungarn abzuschieben.
38Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin‑Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 8 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen – wie die der Dublin III‑VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten,
39vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
40Die Beklagte ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO zugunsten des Klägers –gehindert, diesen nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
41EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
42der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
43EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
44Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
45EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
46Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
48Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken (können),
49vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
50Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie der Kläger vor der Ausreise aus Ungarn dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben, über den materiell noch nicht entschieden worden ist.
51Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
52vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. –, juris, Rn. 90 ff.
53Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu. Dies entspricht der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, wobei letztere bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist,
54vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, juris, Rn. 44.
55Für die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung vorliegen, kommen dabei allerdings vorliegend von vorne herein nur solche Auskünfte und Berichte der genannten Organisationen in Betracht, die sich mit der Sach- und Rechtslage in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 befassen. Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind,
56vgl. EGMR, Urteil vom 6. Juni 2013 – 2283/12 –, juris, Rn. 105, Mohammed gegen Österreich, in Auszügen veröffentlicht unter asyl.net.
57Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns allerdings erneut verändert. Insbesondere wurden erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention – eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft – in das Asylrecht aufgenommen.
58Der EGMR, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann,
59vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, juris, Rn. 32,
60hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage verneint. Zur Begründung führte es aus:
61„The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.
62Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum‑seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).
63Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.”
64EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 –, Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68 bis 70.
65Auch das erkennende Gericht vermag nach Auswertung der in einem anderen Klageverfahren (13 K 501/14.A) eingeholten aktuellen Auskünfte des UNHCR vom 30. September 2014, des Auswärtigen Amtes vom 19. November 2014 und von Pro Asyl vom 31. Oktober 2014 – welche dem EGMR bei seiner Entscheidung nicht vorlagen – nicht festzustellen, dass der Kläger Gefahr liefe, nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen:
66Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK normieren das Verbot der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Eine Behandlung ist „unmenschlich”, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend” ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
67EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
68Eine Behandlung in diesem Sinne kann nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen auch unter Berücksichtigung der neusten Entscheidungen des VG Köln vom 15. Juli 2015 (3 K 2005/15.A) und des VG Münster vom 8. Juli 2015 (2 L 858/15.A), in denen insbesondere auch keine aktuelleren Erkenntnisse zu Grunde gelegt wurden, zumindest nicht positiv festgestellt werden.
69Zwar hat sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer flächendeckend – so der UNHCR – bzw. regelmäßig – so Pro Asyl – inhaftiert werden.
70Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 3, Seite 2; Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 3 b).
71Indes begründet die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 – wieder – Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn auf dieser Grundlage praktische alle Dublin-Rückkehr – so der UNHCR – bzw. regelmäßig, allerdings nicht sämtliche Dublin-Rückkehrer – so Pro Asyl – inhaftiert, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Vielmehr verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
72Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, juris, Rn. 221, und 15. Juli 2002 – 47095/99 –, Rn. 95.
73Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mindeststandards ihrerseits nicht genügen, um die Asylbewerber vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu schützen, liegen dem Gericht nicht vor. Danach darf Haft nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, im Falle notwendiger Beweissicherung, insbesondere bei Fluchtgefahr, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
74Dahingestellt bleiben kann, wann ein Verstoß gegen diese Mindeststandards die Annahme systemischer Mängel indiziert, da die gesetzlichen Regelungen Ungarns zur Inhaftierung von Asylbewerbern (Act LXXX of 2007 on Asylum, im Folgenden: Asylum Act Hungary) den vorstehend genannten Vorgaben im Wesentlichen gerecht werden:
75Gemäß § 31/B Absatz 1 Asylum Act Hungary darf eine Inhaftierung nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben. Die in § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Artikel 8 Absatz 3 der AufnahmeRL; insbesondere wird auch die Fluchtgefahr als ein Haftgrund genannt (Buchstabe c). Dabei darf entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRL nach § 31/A Absatz 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Unbegleitete Minderjährige dürfen gemäß § 31/B Absatz 2 Asylum Act Hungary nicht inhaftiert werden; Familien mit Minderjährigen dürfen nur als ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß § 31/A Absatz 10 Asylum Act Hungary soll Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden. Dabei soll die Inhaftierung von Männern und Frauen sowie Familien mit Minderjährigen jeweils getrennt erfolgen (§ 31/F Absatz 1 Asylum Act Hungary). Die zulässige Höchstdauer von Asylhaft regelt § 31/A Absatz 7 Asylum Act Hungary. Danach soll die Haft maximal 6 Monate dauern; bei Familien mit Kindern nicht länger als 30 Tage. Gemäß § 31/A Absatz 6 Asylum Act Hungary kann die Flüchtlingsbehörde innerhalb von 24 Stunden seit der Haftanordnung die Verlängerung der Inhaftierung auf mehr als 72 Stunden bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht beantragen. Das Gericht kann die Haftdauer sodann auf höchstens 60 Tage verlängern. Eine Verlängerung auf weitere 60 Tage ist nach einem erneuten Antrag der Flüchtlingsbehörde durch das zuständige Amtsgericht möglich. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Absatz 3 Asylum Act Hungary die Möglichkeit gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen. Gemäß § 31/E Absatz 1 Asylum Act Hungary sollen inhaftierte Asylbewerber über ihre Rechte und Pflichten in ihrer Muttersprache oder einer anderen Sprache, die sie verstehen können, informiert werden. Gemäß § 31/D Absatz 4 Asylum Act Hungary soll das Gericht einen Vormund bestellen, wenn der Asylbewerber kein ungarisch spricht und nicht in der Lage ist, seine Vertretung durch einen Bevollmächtigten sicherzustellen. § 31/A Absatz 8 Asylum Act Hungary zählt schließlich auf, in welchen Fällen die Inhaftierung unverzüglich zu beenden ist. Danach endet die Haft unter anderem, wenn der Haftgrund entfallen ist.
76Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden diese Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern – speziell Dublin-Rückkehrern – nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch nicht beachten und sich hieraus eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im oben genannten Sinne ergibt, liegen nach den vorhandenen Erkenntnissen nicht vor.
77Pro Asyl etwa gab an, dass laut dem Hungarian Helsinki Committee (HHC) in der Praxis vor allem der Haftgrund „risk of absconding“ (c) bzw. der Haftgrund „risk of absconding“ in Verbindung mit „esablishment of identiy“ (a) Anwendung finde. Weiterhin würden Inhaftierungen auf dem Haftgrund „previous absconding“ (b) basieren.
78Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 4, Seite 3.
79Bei diesen Haftgründen, welche dazu dienen, einer bestehende Fluchtgefahr zu begegnen oder die Identität des Asylbewerbers festzustellen, handelt es sich um Haftgründe, die den in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL genannten entsprechen. Allerdings hat Pro Asyl unter Bezugnahme auf die Ausführungen des HHC angegeben, dass in der Mehrheit der Haftanordnungen weiterhin auf Gründe verwiesen werde, die nicht unter die im „Asylum Act“ definierten Haftgründe fallen würden. Das HHC führt diesbezüglich auf Seite 6 der „INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“ von May 2014 aus, dass viele Entscheidungen verschiedene Umstände und Gründe benennen würden, die oftmals über die zulässigen Haftgründe nach dem Asylum Act Hungary hinausgingen. Beispielsweise genannt werden der unrechtmäßige Aufenthalt, die Einreise auf irreguläre Weise, das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts und das Fehlen von Verbindungen nach Ungarn. Dahingestellt bleiben kann, inwieweit die vorstehend genannten Beispiele unter einen der in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL bzw. § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe subsumiert werden können. Zunächst liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, wonach diese Haftgründe auch bei Dublin-Rückkehrern angewandt werden. Sodann bestehen nach dem oben Ausgeführten tragfähige Anhaltspunkte, die die häufige Heranziehung des auch in der AufnahmeRL aufgeführten Haftgrundes der Fluchtgefahr belegen. Schließlich lässt sich jedenfalls nicht allein aus einer etwaigen europarechtswidrigen Annahme eines Haftgrundes ohne weiteres auf das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta schließen. Entscheidend ist vielmehr, dass das ungarische Recht den Asylbewerbern in solchen Fällen ermöglicht, sich gegen eine unrechtmäßige Inhaftierung zu wehren.
80Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.
81Vgl auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 9 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
82Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL – der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält – verstoßen und/oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.
83Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 10 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
84Zum einen konnte keiner der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.
85Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.
86Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; zumal die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar erscheint.
87Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 – W 1 K 14.50050 –, juris, Rn. 37.
88Gleichfalls steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern in der Praxis entgegen den Vorgaben des Artikel 8 Absatz 2 AufnahmeRL und § 31/A Absatz 2 Asylum Act Hungary erfolgt; die Annahme eines Haftgrundes durch die zuständigen ungarischen Behörden also nicht auf einer individuellen Einzelfallentscheidung beruht und eine Prüfung, ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht kommen, unterbleibt.
89Zwar spricht vieles dafür, dass die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt und eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Argumentation unter Abwägung der Rechts- bzw. Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht stattfindet.
90Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 9, Seite 8.
91Indes lässt sich daraus bereits nicht ableiten, dass eine Einzelfallprüfung auch tatsächlich nicht stattgefunden hat. Vielmehr erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass die Haftanordnungen größtenteils inhaltlich identisch aussehen und von einer individuellen Begründung absehen, da die Haftanordnung bei Dublin Rückkehrern regelmäßig auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt wird. Vor dem Hintergrund, dass die Dublin-Rückkehr bereits einmal aus Ungarn geflohen sind, erscheint diese Annahme auch nicht willkürlich (s.o.).
92Ungeachtet dessen widerlegt die Tatsache, dass es auch Fälle gibt, in denen die Haftanordnung auch individuelle Einzelheiten berücksichtigt,
93vgl. HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, Seite 6,
94die Annahme der fehlenden individuellen Einzelfallprüfung. Auch spricht für die Durchführung einer Einzelfallprüfung, dass Familien und besonders schutzbedürftige Personen in der Regel nicht inhaftiert werden, obwohl die Inhaftierung dieser Personengruppen ebenfalls rechtlich möglich wäre.
95Vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 6, Seite 6.
96Zudem wird zumindest auch in vereinzelten Fällen von den im ungarischen Recht vorgesehenen Haftalternativen Gebrauch gemacht. Laut dem HHC sei in 13 der 107 untersuchten Haftentscheidungen begründet worden, warum nicht auf Haftalternativen zurückgegriffen worden sei. Im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 17. April 2014 sei in 32 Fällen eine Kaution angeordnet worden. Die Betroffenen seien vorab gefragt worden, ob sie Geld besäßen bzw. jemand Geld schicken könne.
97Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9; dem UNHCR liegen hierzu keine Informationen vor.
98Daraus geht hervor, dass die gesetzlich vorgesehenen Haftalternativen in der Praxis –wenn auch nur in Ausnahmefällen – tatsächlich angewendet werden. Dass die Anzahl von Fällen, in denen eine Kaution angeordnet wurde, gering ausfällt, überrascht das Gericht nicht, da Flüchtlinge in der Regel nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen werden, um eine Kaution bezahlen zu können. Bedenken bestehen auch nicht gegen die Höhe der geforderten Kaution, welche zwischen 962 und 2.000 Euro liege.
99Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9.
100Unter Berücksichtigung der Funktion einer Kaution als eine Sicherheitsleistung, welche nur bei einer gewissen – für den Betroffenen spürbaren – Höhe erfüllt werden kann, bestehen keine Bedenken gegen die geforderte Höhe. Auch spricht der Umstand, dass die Höhe der geforderten Kaution variiert, dafür, dass die Höhe der Kaution im jeweiligen Einzelfall entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen des Inhaftierten festgesetzt wird.
101Aus den vorstehenden Ausführungen folgt überdies, dass die Haftanordnung in Übereinstimmung mit Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft, die letztlich eine Überprüfbarkeit gewährleisten, ergeht. Diese werden den Asylsuchenden auch verbal übersetzt.
102Vgl. Auskunft Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 30. Oktober 2014 zu Frage 1.
103Damit wird dem durch Artikel 5 Absatz 2 EMRK gewährleisteten Recht eines jeden Festgenommenen auf Unterrichtung hinreichend entsprochen. Eine mündliche Unterrichtung genügt insoweit.
104Vgl. Dörr, in: Grote/Marahun, EMRK/GG, S. 574, Rn. 36.
105Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmittel eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.
106vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2 Buchstabe, Seite 2.
107Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr – bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung – fortlaufend gegeben ist.
108Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 1 B 862/14 –, juris, Rn. 15.
109Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s.o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.
110Schließlich kann das Gericht den aktuellen Auskünften nicht entnehmen, dass die konkreten Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen.
111Hinsichtlich der Haftbedingungen in den Asylhaftanstalten liegen dem Gericht im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse vor:
112Die Asylhafteinrichtungen seien nicht überbelegt. Die gesetzliche Mindestvorgabe von 5 m² pro Person werde in allen Einrichtungen gewahrt. Asylbewerber könnten sich innerhalb der Hafteinrichtungen zwischen 6 und 23 Uhr frei bewegen. Zur Freizeitgestaltung gebe es in den Hafteinrichtungen Computerräume mit Internetzugang, Fitnessräume und Gemeinschaftsräume, in denen ein Fernseher stehe. Bezüglich der hygienischen Verhältnisse in den Asylhafteinrichtungen lägen Mängel vor. In Békéscaba hätten einige der Toiletten keine Türen gehabt und einige Wasserhähne würden nicht funktionieren, weshalb der Zugang zu warmem Wasser nicht immer gewährleistet sei. In Nyírbátor habe eine unzureichende Versorgung mit Putzutensilien und Reinigungsmitteln zur Reinigung der Toiletten und Duschen stattgefunden. Der Waschraum im ersten Stock sei permanent dreckig gewesen und würde stinken. Auch sei das Wasser von mangelhafter Qualität gewesen, was zu Hautausschlägen geführt habe. In Debrecen seien Duschen im zweiten Stock häufig verstopft und daher unbenutzbar gewesen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln erfolge entsprechend einer Verordnung des Innenministeriums. Religiöse und medizinische Besonderheiten würden in der Regel berücksichtigt. Kritisiert werde aber die schlechte Qualität des Essens. Eine medizinische Grundversorgung werde gewährleistet, auch wenn diese oft als unzureichend empfunden werde. Sanitäter bzw. Krankenschwestern seien permanent anwesend; Allgemeinmediziner würden die Einrichtungen zweitweise besuchen. In schwerwiegenden Fällen könne eine Zuweisung zu den Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des Gesundheitssystems erfolgen. Die Kosten der Behandlung trage der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtung. In der Aufnahmeeinrichtung Békéscaba werde zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung gewährt.
113Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 ff.; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. November 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 15 ff.
114Obschon das Gericht nicht verkennt, dass Defizite in den Haftbedingungen bestehen, erreichen diese jedenfalls nicht das erforderliche Mindestmaß an Schwere, um von systemischen Mängeln ausgehen zu können. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab (etwa Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers).
115Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – M.S. S./Belgien u. Griechenland, Rn. 219.
116Die vorstehend genannten hygienischen, medizinischen und sonstigen Mängeln in den Asylhaftanstalten, insbesondere auch die Vorfälle, in denen Asylbewerber von „armed security guards“ misshandelt worden sind, sind zwar nicht zu vernachlässigen. Indes lässt sich daraus nicht ableiten, dass die inhaftierten Asylbewerber in Ungarn nicht nur vereinzelt, sondern gerade systematisch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterliegen. Vielmehr zeigt ein Vergleich mit der früheren Lage in Ungarn, dass zwischenzeitlich weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen eingetreten sind.
117So auch EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68.
118Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Ungarn deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
119Vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 69; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Januar 2015 – 13 L 58/15.A –, juris, Rn. 43 m.w.N.
120Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der UNHCR – auch nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Inhaftierungspraxis Ungarns infolge der durch das Gericht veranlassten Beweisaufnahme – keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant.
121So auch Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 26. Januar 2015 – Au 7 S 15.50015 –, juris, Rn. 31.
122Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer entgegen des Refoulement-Verbots ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn – wie vorliegend – über den Asylantrag des Asylbewerbers noch nicht entschieden worden ist, weil dieser infolge des Verlassens Ungarns während des Asylverfahrens als zurückgenommen gilt.
123Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2, Seite 2 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 20.
124Dass das Asylverfahren des Klägers in Ungarn eingestellt worden ist, ohne dass über seinen Asylantrag entschieden worden ist steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c) Dublin II-VO gestützten Zustimmung Ungarns zur Übernahme des Klägers fest. Danach ist ein Mitgliedstaat verpflichtet einen Drittstaatangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates befindet nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.
125Steht nach alldem nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das ungarische Asylverfahren an systemischen Mängeln leidet, geht dieser Umstand – nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast – zu Lasten des Klägers. Bereits aus dem eingangs dargestellten Erfordernis, dass sich das Gericht zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (S. 10),
126BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, S. 5,
127folgt, dass es zu Lasten des Asylbewerbers geht, wenn das Gericht – wie vorliegend – nicht zu dieser Überzeugung gelangt. Gleiches ergibt sich auch aus der Diktion des EuGH, wonach ein Asylbewerber seiner Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (Hervorhebung durch das Gericht), die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta ausgesetzt zu werden.
128Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
1292. Überdies fehlt es auch nicht an der erforderlichen Übernahmebereitschaft Ungarns. Zwar hat Ungarn unter dem 23. Juni 2015 mitgeteilt, dass es das EU-Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen einseitig außer Kraft setze und bis auf Weiteres keine Flüchtlinge mehr zurücknehme, die aufgrund der Dublin III-VO abgeschoben werden sollen.
130http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-06/ungarn-ruecknahme-stop-fluechtlinge-eu; http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/ungarn-will-keine-fluechtlinge-mehr-aufnehmen-13664323.html; http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-in-europa-ungarn-schottet-sich-ab-1.2534693.
131Insoweit hat Ungarn aber bereits am Folgetag klargestellt, dass man sich nur weigere, Flüchtlinge aufzunehmen, die andere EU-Staaten irrtümlich nach Ungarn abschieben wollten. Es gehe um solche Flüchtlinge, die bei ihrer Flucht als erstes Land Griechenland betreten hätten und daher zu Unrecht nach Ungarn abgeschoben würden.
132http://www.tagesschau.de/ausland/ungarn-fluechtlinge-119.html; http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/dublin-iii-abkommen-ungarn-nimmt-fluechtlinge-weiter-auf-13665801.html.
133Dem Gericht liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Ungarn sich seitdem weigert Dublin-Rückkehrer – und zwar auch solche, die über Griechenland nach Ungarn eingereist sind –, deren Aufnahme – wie hier – im Rahmen der Regelungen der Dublin II‑VO bereits ausdrücklich zugestimmt wurde, wiederaufzunehmen. Im Gegenteil: Dem Gericht liegen Erkenntnisse vor, wonach Überstellungen nach Ungarn weiterhin tatsächlich durchgeführt werden, wenngleich die Zahl der Übernahmeersuchen deutlich höher ist als die Zahl der überstellten Personen.
134Vgl. auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2015 – 15 L 2370/15.A –, S. 6 des Beschlussabdrucks; http://bordermonitoring.eu/ungarn/2015/06/uebernahmeersuchen-an-ungarn-und-tatsaechliche-ueberstellungen/
1353. Es sind auch keine zielstaatsbezogenen (b) oder in der Person des Klägers, also inlandsbezogenen (a), Abschiebungshindernisse hinreichend substantiiert geltend gemacht worden.
136a) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegt nicht vor. Gemäß § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Gesundheitszustand eines Ausländers so kritisch ist, dass eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr durch den Abschiebungsvorgang selbst zu befürchten ist. Eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn schon keine Transportfähigkeit besteht (Reisefähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reisefähigkeit im weiteren Sinne).
137Weder eine Reiseunfähigkeit im engeren, noch eine im weiteren Sinne ist ersichtlich. Zwar trägt der Kläger vor, er leide an Hepatitis B und müsse behandelt werden. Insoweit hat der Kläger zwei ärztliche Bescheinigungen des Universitätsklinikums E. vom 13. Dezember 2013 und 22. Mai 2015 vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass er an einer chronisch replikativen Hepatitis B mit moderater Viruslast leide. In der Bescheinigung vom 13. Dezember 2013 heißt es, dass bei normwertigen Transaminasen, minimaler Virusreplikation und fehlenden Zeichen eines relevanten Leberparenchymschadens aktuell keine antivirale Therapie erforderlich sei. Eine serologische und sonographische Verlaufskontrolle alle sechs Monate werde empfohlen. In der aktuellen Bescheinigung vom 22. Mai 2015 heißt es zwar, dass die Transaminasen und die LDH aktuell deutlich erhöht seien. Dies sei jedoch nicht durch die Hepatitis B allein zu erklären, sondern am ehesten durch starke körperliche Belastung (Sport, Arbeit). Bei geringer Viruslast und fehlenden Hinweisen sei eine antivirale Therapie derzeit weiterhin nicht zwingend indiziert. Diese Ausführungen des Universitätsklinikums sprechen gegen eine Transportunfähigkeit oder eine lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterung des Klägers als unmittelbare Folge der Abschiebung. Dass sich der Zustand des Klägers zwischenzeitlich derart akut verschlechtert hat, dass keine Reiseunfähigkeit besteht, hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich insbesondere auch nicht aus der ärztlichen Auskunft des Hausarztes Dr. med. N. L. vom 3. Juli 2015. Eine andere Frage ist, ob eine gegebenenfalls erforderliche Weiterbehandlung des Klägers im Gesundheitssystem des Zielstaates gewährleistet ist. Dieser Frage ist erst im Rahmen der nachstehenden Überprüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nachzugehen.
138Vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand: März 2015, § 60a, Rn. 142.
139b) Ebenso wenig liegt ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG vor. Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
140BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris, Rn. 15.
141Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
142vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 –13 A 4611/04.A –, juris, Rn. 32 = NRWE.
143Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Bei einem Teil der an einer chronischen Hepatitis B leidenden Patienten entwickelt sich zwar eine Schrumpfleber (Leberzirrhose), die zu einem Versagen der Leberfunktionen oder Leberkrebs führen kann, wobei zwischen der Ansteckung und der Entwicklung einer Schrumpfleber durchschnittlich 20 Jahre vergehen. Indes kann eine chronische Hepatitis B auch komplett ohne Beschwerden verlaufen oder mit einer Reihe von Symptomen wie u.a. Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Druckgefühlen unter dem rechten Rippenbogen einhergehen.
144VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Dezember 2014 – 13 L 2781/14.A –, juris, Rn. 20.
145Es liegen schon keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die chronische Hepatitis B Erkrankung des Klägers zu einer Schrumpfleber führen wird. Vielmehr sprechen die vorstehend genannten Ausführungen der Universitätsklinik E. gegen einen solchen Verlauf. Anderes folgt auch nicht aus der ärztlichen Auskunft des Hausarztes des Klägers Dr. med. N. L. vom 3. Juli 2015. Zwar heißt es darin, dass ein massiver Leberschaden, Koma bis hin zum Tod zu befürchten seien, wenn die Behandlung abgesetzt oder nicht weiter geführt werde (vgl. Antwort auf Frage 4). Es fehlt aber an einer substantiierten und nachvollziehbaren Begründung für diese Prognose. Diese ist insbesondere mit Blick auf die Ausführungen der Universitätsklinik E. ohne Weiteres nicht plausibel und verständlich. Darin heißt es gerade, dass ein Leberschaden nicht vorliege und eine antivirale Therapie nicht indiziert sei. Soweit der Hausarzt weiter ausführt, dass bei einer Unterbrechung der Behandlung für wenige Wochen oder für einen kürzeren Zeitraum mit einer irreparablen Verschlechterung der Gesamtsituation gerechnet werden müsse (vgl. Antwort auf Frage 5), setzt er sich zudem in unauflösbaren Widerspruch zu der Behandlungsempfehlung, dass sich der Kläger lediglich alle drei Monate zur Kontrolle in der Universitätsklinik E. einfindet (vgl. Antwort zu Frage 2.). Dem Gericht erschließt sich insbesondere nicht, inwieweit bei ausbleibender Kontrolle eine derartige Gesundheitsverschlechterung zu befürchten ist. Konkrete Behandlungsmaßnahmen, auf die der Kläger angewiesen ist, werden weder vom Universitätsklinikum noch vom Hausarzt des Klägers benannt.
146Ungeachtet dessen besteht in Ungarn, und zwar auch bei einer Inhaftierung des Klägers, die Möglichkeit, fachärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Insoweit wird auf die vorausgegangen Ausführungen des Gerichts zur medizinischen Versorgung der Asylbewerber in den Haftanstalten Bezug genommen. Selbst wenn der Kläger bei seinem ersten Aufenthalt in Ungarn nicht hinreichend behandelt worden ist, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger erneut nicht die erforderliche medizinische Behandlung erfahren würde. Vielmehr werden die ungarischen Behörden von der Beklagten gemäß Artikel 32 Absatz 1 Satz 1 und 2 Dublin III-VO über den Gesundheitszustand des Klägers unterrichtet und sind sodann gemäß Artikel 32 Absatz 1 Satz 3 Dublin III-VO verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass diesen besonderen Bedürfnissen in geeigneter Weise – insbesondere auch, sofern erforderlich, durch eine medizinische Erstversorgung – Rechnung getragen wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Übermittlung der Gesundheitsdaten des Klägers nicht nachkommt oder Ungarn seine Pflicht zur Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des Klägers nicht erfüllen wird, sind weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
147Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
148Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2015 - 13 K 537/14.A
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2015 - 13 K 537/14.A
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2015 - 13 K 537/14.A zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 15. August 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3In der Befragung beim Bundesamt vom 28. Oktober 2013 gab er unter anderem an, er habe im Jahr 2009 sein Heimatland verlassen und sei über die Türkei nach Griechenland gereist. Nach etwa drei Jahren sei er über Mazedonien und Serbien nach Ungarn weitergereist. In Ungarn beantragte der Kläger ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank am 15. Juni 2013 Asyl.
4Das Bundesamt richtete am 12. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 16. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 21. Januar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an.
6Am 28. Januar 2014 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt (13 L 172/14.A).
7Er ist der Ansicht Deutschland sei für die Prüfung seines Asylantrags zuständig, da er Ungarn für mehr als drei Monate verlassen habe. Im Übrigen lägen in Ungarn systemische Mängel vor. Sog. Dublin-Rückkehrer müssten in Ungarn mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2014 zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
13Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 28. Mai und 23. Juni 2014 Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des UNHCR und von Pro Asyl zu den in den Beweisbeschlüssen genannten Fragen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe teilte dem Gericht mit Schreiben vom 6. Juni 2014 mit, dass sie aus Kapazitätsgründen keine Anfragen zu den sog. „Dublin-Ländern“ bearbeite. Auf den Inhalt der erstatteten Gutachten vom 30. September 2014 (UNHCR), 31. Oktober 2014 (Pro Asyl) und 19. November 2014 (Auswärtiges Amt) wird Bezug genommen.
14Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen worden sind und in den Ladungen vom 27. Januar 2015 zudem gemäß § 102 Absatz 2 VwGO darauf hingewiesen worden sind, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
17Die Klage ist teilweise unzulässig (I.) und soweit sie zulässig ist unbegründet (II.).
18I. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist teilweise unzulässig.
19Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. In dem vom Kläger geltend gemachten Verpflichtungsbegehren ist das – zulässige – Anfechtungsbegehren, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2014 enthalten. Mit diesem Teil ist die Klage zulässig. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es hingegen nicht. Insoweit ist die Klage unzulässig.
20Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 16. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
21Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 22, ; 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und 15. Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, Seite 4; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VerwaltungsgerichtHamburg, Urteil vom 15. März 2012 – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; Verwaltungsgericht Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, Seite 5;Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 18. Mai 2011 – 5 K 198/11.TR –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010 – A 4 K 4052/08 –, Seite 4; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
22Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Aufhebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
24Ergänzend hierzu weist das Gericht – ohne dass es vorliegend darauf ankäme – auf Folgendes hin: Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
25BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
26Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
28Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
29Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 30, 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 18 und 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VerwaltungsgerichtHamburg, Urteil vom 15. März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16;Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, Seite 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
30Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
31Verwaltungsgericht München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
32Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
33II. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
34Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Ungarn angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
35Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ungarn grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Mitgliedstaat ist (1.). Auch steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Überstellung des Klägers nach Ungarn durchgeführt werden kann; das ungarische Asylverfahren leidet insbesondere nicht an systemischen Mängeln (2.).
361. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
37vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 55; Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
38Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Ungarn der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Der Kläger hat ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank sowie nach seinen eigenen Angaben im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt am 28. Oktober 2013 bereits am 15. Juni 2013 in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Ungarn hat auf das am 12. Dezember 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Klägers nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c Dublin II-VO bereits am 19. Dezember 2013, und damit innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe c Dublin II-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers erklärt. Ungarn ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen, da das Gericht mit Beschluss vom 28. Mai 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
39Zum fehlenden subjektiven Recht des Ausländers sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist zu berufen siehe Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, juris.
40Der Überstellung des Klägers nach Ungarn steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 15. August 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Ungarn am 12. Dezember 2013 knapp 4 Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Ungarn) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
41vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
42Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
43vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
44Dahingestellt bleiben kann, ob diese Vorgabe des EuGH auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, noch dazu in Fällen, in denen sich der Asylbewerber – wie vorliegend der Kläger – während der Überprüfung seines Asylbegehrens durch den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begibt, zu beachten ist. Denn jedenfalls lag keine unangemessen lange Verfahrensdauer vor.
45Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
46vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 9. Dezember 2014 – 13 K 399/14.A –, S. 5 f. des Urteilsabdrucks, 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v; Beschlüsse vom 26. Februar 2013 – 13 L 396/14.A. – und vom 31. März 2014 – 13 L 119/14.A – beide juris.
47Hier sind seit der Asylantragstellung am 15. August 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 12. Dezember 2013 erst knapp 4 Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
48Schließlich ist die Pflicht Ungarns zur Wiederaufnahme des Klägers auch nicht gemäß Artikel 16 Absatz 3 Dublin II-VO erloschen. Danach erlöschen die Verpflichtungen nach Absatz 1, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Entgegen der Ansicht des Klägers erlischt die Pflicht eines eigentlich zuständigen Mitgliedstaats zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers nicht bereits durch das Verlassen des Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats. Vielmehr muss der Ausländer das Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten für diesen Zeitraum verlassen haben. Hierfür ist aber nichts ersichtlich.
492. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Ungarns eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Ungarn abzuschieben.
50Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin‑Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 8 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen – wie die der Dublin III‑VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten,
51vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.; BVerwG, Beschluss 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
52Die Beklagte ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO zugunsten des Klägers –gehindert, diesen nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
53EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
54der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
55EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
56Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
57EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
58Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
60Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken (können),
61vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
62Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie der Kläger vor der Ausreise aus Ungarn dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben, über den materiell noch nicht entschieden worden ist.
63Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
64vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. –, juris, Rn. 90 ff.
65Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu. Dies entspricht der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, wobei letztere bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist,
66vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, juris, Rn. 44.
67Für die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung vorliegen, kommen dabei allerdings vorliegend von vorne herein nur solche Auskünfte und Berichte der genannten Organisationen in Betracht, die sich mit der Sach- und Rechtslage in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 befassen. Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind,
68vgl. EGMR, Urteil vom 6. Juni 2013 – 2283/12 –, juris, Rn. 105, Mohammed gegen Österreich, in Auszügen veröffentlicht unter asyl.net.
69Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns allerdings erneut verändert. Insbesondere wurden erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention – eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft – in das Asylrecht aufgenommen.
70Der EGMR, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann,
71vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, juris, Rn. 32,
72und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage verneint. Zur Begründung führte er aus:
73„The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.
74Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum‑seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).
75Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.”
76EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 –, Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68 bis 70.
77Auch das erkennende Gericht vermag nach Auswertung der im vorliegenden Verfahren eingeholten aktuellen Auskünfte des UNHCR, des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl – welche dem EGMR bei seiner Entscheidung nicht vorlagen – nicht festzustellen, dass der Kläger Gefahr liefe, nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen:
78Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK normieren das Verbot der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Eine Behandlung ist „unmenschlich”, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend” ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
79EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
80Eine Behandlung in diesem Sinne kann nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme zumindest nicht positiv festgestellt werden.
81Zwar hat sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer flächendeckend – so der UNHCR – bzw. regelmäßig – so Pro Asyl – inhaftiert werden.
82Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 3, Seite 2; Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 3 b), Seite.
83Indes begründet die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 – wieder – Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn auf dieser Grundlage praktisch alle Dublin-Rückkehr – so der UNHCR – bzw. regelmäßig, allerdings nicht sämtliche Dublin-Rückkehrer – so Pro Asyl – inhaftiert, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Vielmehr verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
84Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, juris, Rn. 221, und 15. Juli 2002 – 47095/99 –, Rn. 95.
85Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards, zu denen auch die Benennung von Haftgründen gehört. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mindeststandards ihrerseits nicht genügen, um die Asylbewerber vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu schützen, liegen dem Gericht nicht vor. Danach darf Haft nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, im Falle notwendiger Beweissicherung, insbesondere bei Fluchtgefahr, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
86Dahingestellt bleiben kann, wann ein Verstoß gegen diese Mindeststandards die Annahme systemischer Mängel indiziert, da die gesetzlichen Regelungen Ungarns zur Inhaftierung von Asylbewerbern (Act LXXX of 2007 on Asylum, im Folgenden: Asylum Act Hungary) den vorstehend genannten Vorgaben im Wesentlichen gerecht werden:
87Gemäß § 31/B Absatz 1 Asylum Act Hungary darf eine Inhaftierung nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben. Die in § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Artikel 8 Absatz 3 der AufnahmeRL; insbesondere wird auch die Fluchtgefahr als ein Haftgrund genannt (Buchstabe c). Dabei darf entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRL nach § 31/A Absatz 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Unbegleitete Minderjährige dürfen gemäß § 31/B Absatz 2 Asylum Act Hungary nicht inhaftiert werden; Familien mit Minderjährigen dürfen nur ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß § 31/A Absatz 10 Asylum Act Hungary soll Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden. Dabei soll die Inhaftierung von Männern und Frauen sowie Familien mit Minderjährigen jeweils getrennt erfolgen (§ 31/F Absatz 1 Asylum Act Hungary). Die zulässige Höchstdauer von Asylhaft regelt § 31/A Absatz 7 Asylum Act Hungary. Danach soll die Haft maximal sechs Monate dauern; bei Familien mit Kindern nicht länger als 30 Tage. Gemäß § 31/A Absatz 6 Asylum Act Hungary kann die Flüchtlingsbehörde innerhalb von 24 Stunden seit der Haftanordnung die Verlängerung der Inhaftierung auf mehr als 72 Stunden bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht beantragen. Das Gericht kann die Haftdauer sodann auf höchstens 60 Tage verlängern. Eine Verlängerung auf weitere 60 Tage ist nach einem erneuten Antrag der Flüchtlingsbehörde durch das zuständige Amtsgericht möglich. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Absatz 3 Asylum Act Hungary die Möglichkeit gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen. Gemäß § 31/E Absatz 1 Asylum Act Hungary sollen inhaftierte Asylbewerber über ihre Rechte und Pflichten in ihrer Muttersprache oder einer anderen Sprache, die sie verstehen können, informiert werden. Gemäß § 31/D Absatz 4 Asylum Act Hungary soll das Gericht einen Vormund bestellen, wenn der Asylbewerber kein ungarisch spricht und nicht in der Lage ist seine Vertretung durch einen Bevollmächtigten sicherzustellen. § 31/A Absatz 8 Asylum Act Hungary zählt schließlich auf, in welchen Fällen die Inhaftierung unverzüglich zu beenden ist. Danach endet die Haft unter anderem, wenn der Haftgrund entfallen ist.
88Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden diese Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern – speziell Dublin-Rückkehrern – nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch nicht beachten und sich hieraus eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im oben genannten Sinne ergibt, liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.
89Das Gericht hat im Rahmen der Beweisaufnahme unter anderem danach gefragt, auf welche konkreten Haftgründe die Inhaftierungen seit dem 1. Juli 2013 gestützt werden (Frage 4).
90Pro Asyl gab an, dass laut dem Hungarian Helsinki Committee (HHC) in der Praxis vor allem der Haftgrund „risk of absconding“ (c) bzw. der Haftgrund „risk of absconding“ in Verbindung mit „establishment of identiy“ (a) Anwendung finde. Weiterhin würden Inhaftierungen auf dem Haftgrund „previous absconding“ (b) basieren.
91Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 4, Seite 3.
92Bei diesen Haftgründen, welche dazu dienen, einer bestehende Fluchtgefahr zu begegnen oder die Identität des Asylbewerbers festzustellen, handelt es sich um Haftgründe, die den in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL genannten entsprechen. Allerdings hat Pro Asyl im Rahmen der Beantwortung von Frage 9 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des HHC angegeben, dass in der Mehrheit der Haftanordnungen weiterhin auf Gründe verwiesen werde, die nicht unter die im „Asylum Act“ definierten Haftgründe fallen würden. Das HHC führt diesbezüglich auf Seite 6 der „INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“ von Mai 2014 aus, dass viele Entscheidungen verschiedene Umstände und Gründe benennen würden, die oftmals über die zulässigen Haftgründe nach dem Asylum Act Hungary hinausgingen. Beispielsweise genannt werden der unrechtmäßige Aufenthalt, die Einreise auf irreguläre Weise, das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts und das Fehlen von Verbindungen nach Ungarn. Dahingestellt bleiben kann, inwieweit die vorstehend genannten Beispiele unter einen der in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL bzw. § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe subsumiert werden können. Zunächst liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, wonach diese Haftgründe auch bei Dublin-Rückkehrern angewandt werden. Sodann bestehen nach dem oben Ausgeführten tragfähige Anhaltspunkte, die die häufige Heranziehung des auch in der AufnahmeRL aufgeführten Haftgrundes der Fluchtgefahr belegen. Schließlich lässt sich jedenfalls nicht allein aus einer etwaigen europarechtswidrigen Annahme eines Haftgrundes ohne weiteres auf das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta schließen. Entscheidend ist vielmehr, dass das ungarische Recht den Asylbewerbern in solchen Fällen ermöglicht, sich gegen eine unrechtmäßige Inhaftierung zu wehren.
93Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.
94Vgl auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 9 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
95Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL – der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält – verstoßen und/oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.
96Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 10 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
97Zum einen konnte keine der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.
98Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.
99Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, erscheint dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar.
100Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 – W 1 K 14.50050 –, juris, Rn. 37.
101Gleichfalls steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern in der Praxis entgegen den Vorgaben des Artikel 8 Absatz 2 AufnahmeRL und § 31/A Absatz 2 Asylum Act Hungary erfolgt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen es erforderlich ist, auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
102Zwar spricht vieles dafür, dass die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt und eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Argumentation unter Abwägung der Rechts- bzw. Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht stattfindet.
103Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 9, Seite 8.
104Indes lässt sich daraus bereits nicht ableiten, dass eine Einzelfallprüfung auch tatsächlich nicht stattgefunden hat. Vielmehr erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass die Haftanordnungen größtenteils inhaltlich identisch aussehen und von einer individuellen Begründung absehen, da die Haftanordnung bei Dublin Rückkehrern regelmäßig auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt wird. Vor dem Hintergrund, dass die Dublin-Rückkehr bereits einmal aus Ungarn geflohen sind, erscheint diese Annahme auch nicht willkürlich (s.o.).
105Ungeachtet dessen widerlegt die Tatsache, dass es auch Fälle gibt, in denen die Haftanordnung auch individuelle Einzelheiten berücksichtigt,
106vgl. HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, Seite 6,
107die Annahme der fehlenden individuellen Einzelfallprüfung. Auch spricht für die Durchführung einer Einzelfallprüfung, dass Familien und besonders schutzbedürftige Personen in der Regel nicht inhaftiert werden, obwohl die Inhaftierung dieser Personengruppen ebenfalls rechtlich möglich wäre.
108Vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 6, Seite 6.
109Zudem wird zumindest auch in vereinzelten Fällen von den im ungarischen Recht vorgesehenen Haftalternativen Gebrauch gemacht. Laut dem HHC sei in 13 der 107 untersuchten Haftentscheidungen begründet worden, warum nicht auf Haftalternativen zurückgegriffen worden sei. Im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 17. April 2014 sei in 32 Fällen eine Kaution angeordnet worden. Die Betroffenen seien vorab gefragt worden, ob sie Geld besäßen bzw. jemand Geld schicken könne.
110Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9; dem UNHCR liegen hierzu keine Informationen vor.
111Daraus geht hervor, dass die gesetzlich vorgesehenen Haftalternativen in der Praxis –wenn auch nur in Ausnahmefällen – tatsächlich angewendet werden. Dass die Anzahl von Fällen, in denen eine Kaution angeordnet wurde, gering ausfällt überrascht das Gericht nicht, da Flüchtlinge in der Regel nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen werden, um eine Kaution in Höhe von 962,00 und 2.000,00 Euro bezahlen zu können.
112Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9.
113Unter Berücksichtigung der Funktion einer Kaution als eine Sicherheitsleistung, welche nur bei einer gewissen – für den Betroffenen spürbaren – Höhe erfüllt werden kann, bestehen keine Bedenken gegen die geforderte Höhe. Auch spricht der Umstand, dass die Höhe der geforderten Kaution variiert, dafür, dass die Höhe der Kaution im jeweiligen Einzelfall entsprechend der wirtschaftlichen Verhältnisse des Inhaftierten festgesetzt wird.
114Aus den vorstehenden Ausführungen folgt überdies, dass die Haftanordnung in Übereinstimmung mit Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft, die letztlich eine Überprüfbarkeit gewährleisten, ergeht. Diese werden den Asylsuchenden auch verbal übersetzt.
115Vgl. Auskunft Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 30. Oktober 2014 zu Frage 1.
116Damit wird dem durch Artikel 5 Absatz 2 EMRK gewährleisteten Recht eines jeden Festgenommenen auf Unterrichtung hinreichend entsprochen. Eine mündliche Unterrichtung genügt insoweit.
117Vgl. Dörr, in: Grote/Marahun, EMRK/GG, S. 574, Rn. 36.
118Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmitte eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.
119vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2 Buchstabe, Seite 2.
120Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr – bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung – fortlaufend gegeben ist.
121Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 1 B 862/14 –, juris, Rn. 15.
122Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s.o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.
123Schließlich kann das Gericht den aktuellen Auskünften nicht entnehmen, dass die konkreten Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen.
124Hinsichtlich der Haftbedingungen in den Asylhaftanstalten liegen dem Gericht im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse vor:
125Die Asylhafteinrichtungen seien nicht überbelegt. Die gesetzliche Mindestvorgabe von 5 m² pro Person werde in allen Einrichtungen gewahrt. Asylbewerber könnten sich innerhalb der Hafteinrichtungen zwischen 6 und 23 Uhr frei bewegen. Außerhalb der Einrichtungen, auf dem Weg zum Krankenhaus oder zum Gericht, würden die Asylbewerber hingegen an einer Leine geführt. Zur Freizeitgestaltung gebe es in den Hafteinrichtungen Computerräume mit Internetzugang, Fitnessräume und Gemeinschaftsräume, in denen ein Fernseher stehe. Bezüglich der hygienischen Verhältnisse in den Asylhafteinrichtungen lägen Mängel vor. In Békéscaba hätten einige der Toiletten keine Türen gehabt und einige Wasserhähne würden nicht funktionieren, weshalb der Zugang zu warmen Wasser nicht immer gewährleistet sei. In Nyírbátor habe eine unzureichende Versorgung mit Putzutensilien und Reinigungsmitteln zur Reinigung der Toiletten und Duschen stattgefunden. Der Waschraum im ersten Stock sei permanent dreckig gewesen und würde stinken. Auch sei das Wasser von mangelhafter Qualität gewesen, was zu Hautausschlägen geführt habe. In Debrecen seien Duschen im zweiten Stock häufig verstopft und daher unbenutzbar gewesen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln erfolge entsprechend einer Verordnung des Innenministeriums. Religiöse und medizinische Besonderheiten würden in der Regel berücksichtigt. Kritisiert werde aber die schlechte Qualität des Essens. Eine medizinische Grundversorgung werde gewährleistet, auch wenn diese oft als unzureichend empfunden werde. Sanitäter bzw. Krankenschwestern seien permanent anwesend; Allgemeinmediziner würden die Einrichtungen zweitweise besuchen. In schwerwiegenden Fällen könne eine Zuweisung zu den Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des Gesundheitssystems erfolgen. Die Kosten der Behandlung trage der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtung. In der Aufnahmeeinrichtung Békéscaba werde zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung gewährt.
126Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 ff.; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. November 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 15 ff.
127Obschon das Gericht nicht verkennt, dass Defizite in den Haftbedingungen bestehen, erreichen diese jedenfalls nicht das erforderliche Mindestmaß an Schwere, um von systemischen Mängeln in dem geschilderten Sinne ausgehen zu können. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers.
128Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – M.S. S./Belgien u. Griechenland, Rn. 219.
129Die vorstehend genannten hygienischen, medizinischen und sonstigen Mängel in den Asylhaftanstalten, insbesondere auch die Vorfälle, in denen Asylbewerber von „armed security guards“ misshandelt worden sind, sind zwar nicht zu vernachlässigen. Indes lässt sich daraus nicht ableiten, dass die inhaftierten Asylbewerber in Ungarn nicht nur vereinzelt, sondern gerade systematisch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterliegen. Vielmehr zeigt ein Vergleich mit der früheren Lage in Ungarn, dass zwischenzeitlich weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen eingetreten sind.
130So auch EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68.
131Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Ungarn deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
132Vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 69; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Januar 2015 – 13 L 58/15.A –, juris, Rn. 43 m.w.N.
133Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der UNHCR – auch nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Inhaftierungspraxis Ungarns infolge der durch das Gericht veranlassten Beweisaufnahme – keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant.
134So auch Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 26. Januar 2015 – Au 7 S 15.50015 –, juris, Rn. 31.
135Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer entgegen des Refoulement-Verbots ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn – wie vorliegend – über den Asylantrag des Asylbewerbers noch nicht entschieden worden ist, weil dieser infolge des Verlassens Ungarns während des Asylverfahrens als zurückgenommen gilt.
136Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2, Seite 2 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 20.
137Dass das Asylverfahren des Klägers in Ungarn eingestellt worden ist, ohne dass über seinen Asylantrag entschieden worden ist, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c) Dublin II-VO gestützten Zustimmung Ungarns zur Übernahme des Klägers fest. Danach ist ein Mitgliedstaat verpflichtet einen Drittstaatangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats befindet nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.
138Steht nach alldem nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das ungarische Asylverfahren an systemischen Mängeln leidet, geht dieser Umstand – nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast – zu Lasten des Klägers. Bereits aus dem eingangs dargestellten Erfordernis, dass sich das Gericht zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (S. 10),
139BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, S. 5,
140folgt, dass es zu Lasten des Asylbewerbers geht, wenn das Gericht – wie vorliegend – nicht zu dieser Überzeugungsgewissheit gelangt. Gleiches ergibt sich auch aus der Diktion des EuGH, wonach ein Asylbewerber seiner Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (Hervorhebung durch das Gericht), die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta ausgesetzt zu werden.
141Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
142Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen im Ergebnis daher keine Bedenken. Es sind auch keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Klägers liegenden, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
143Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 27. Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 2. Juli 2013 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3Er hat nach eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits am 6. Dezember 2012 in Belgien Asyl beantragt; der Antrag ist abgelehnt worden.
4Das Bundesamt richtete am 10. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 16. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 23. Januar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6Am 3. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, das Selbsteintrittsrecht des Bundesamtes sei wegen einer unangemessen langen Dauer seines Asylverfahrens zur Selbtseintrittspflicht erstarkt.
8Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.
9Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts, beantragt er nunmehr,
10den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes. Überdies bestehe keine Selbsteintrittspflicht, da die dreimonatige Frist in Artikel 17 Dublin II-VO nur für Aufnahme- und nicht für Wiederaufnahmeersuchen gelte. Vorliegend handle es sich aber um ein Wiederaufnahmeersuchen, da der Kläger zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt habe.
14Am 5. März 2014 ist der Kläger nach Belgien überstellt worden.
15Die Beteiligten haben übereinstimmend am 9. April und 11. April 2014 auf mündliche Verhandlung verzichtet (Bl. 25 und Bl. 29 d. Gerichtsakte).
16Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
19Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
20Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
21Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
22Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. unter 1.). Der Kläger genießt ‑ trotz der Überstellung nach Belgien – Rechtsschutzbedürfnis (vgl. unter 2.). Ob die Klage in Ermangelung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers unzulässig ist, kann offen bleiben (vgl. unter 3.).
231. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es nicht. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO.
24Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 16. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
25Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15. Januar 2010, 11 K 8136/09.A, S. 4; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, 5 K 198/11.TR, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
26Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Aufhebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
28Ergänzend hierzu weist das Gericht – ohne dass es vorliegend darauf ankäme – auf Folgendes hin: Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
29BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
30Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
32Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
33VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
34Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
35VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
36Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
372. Die Klage ist im Übrigen zulässig. Obschon der Kläger am 5. März 2014 nach Belgien überstellt worden ist, fehlt ihm nicht das Rechtschutzbedürfnis. Weder die Unzulässigkeitserklärung des Asylantrags (Ziffer 1 des Bescheides) noch die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bescheides) haben sich durch die Überstellung nach Belgien erledigt.
38VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. April 2013 – 19a K 878/11.A –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck ´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
39Nach § 43 Absatz 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Erledigung in anderer Weise im Sinne dieser Vorschrift tritt ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
40Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113, Rn. 102 m.w.N.
41Dies ist jedenfalls solange nicht der Fall, wie der mit einer behördlichen Maßnahme erstrebte Erfolg noch nicht endgültig eingetreten ist. Der zwangsweise Vollzug eines Verwaltungsakts führt nicht stets schon für sich genommen zu einer Zweckerreichung. Im vorliegenden Fall entfalten sowohl die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, als auch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 16. Januar 2014 insoweit noch Regelungswirkung, als sie nach wie vor die Rechtsgrundlage für die Abschiebung des Klägers nach Belgien bildet.
42Gegen die in der Rechtsprechung zum Teil vertretene Gegenauffassung,
43vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 26 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 23; VG München, Urteil vom 2. Juli 2012 – M 15 K 12.30110 –, juris, Rn. 15,
44spricht bereits die Regelung über den Folgeantrag nach § 71 Absatz 5 Satz 1, Absatz 6 Satz 1 AsylVfG, wonach es im Fall der Ablehnung eines Folgeantrags keiner erneuten Abschiebungsanordnung bedarf, um den Aufenthalt des Ausländers, der zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte, zu beenden. Zudem wäre es einer effektiven Durchsetzung der (sofort) vollziehbaren Abschiebungsanordnung hinderlich, wenn sich deren Wirkungen verbrauchen würden, sobald der Ausländer auch nur für einen kurzen Moment in dem aufnehmenden Staat aufhältig gewesen und sodann unverzüglich wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
45Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
46Für diese Ansicht spricht ebenso die in Artikel 29 Absatz 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
47Schließlich würde es dem Sinn und Zweck des Rechtsbehelfs widersprechen, wenn durch die Überstellung eine Erledigung der Hauptsache eintreten würde, denn damit würde der Rechtsbehelf, dem vorliegend sowohl nach Artikel 19 Absatz 2 Satz 4 Dublin II-VO keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung als auch nach nationalem Recht nach § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt völlig nutzlos.
48VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24.
49Ebenso wenig lässt sich allein aus der fehlenden Erreichbarkeit des Klägers infolge seiner Überstellung schlussfolgern, dass er kein Interesse mehr am Ausgang des Verfahrens hat.
50Ortloff/Riese, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band II, Stand: 25. Erg.lieferg. April 2013, § 82, Rn. 4b m.w.N.; A.A.: VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 25.
51Für diese Vermutung besteht zumindest dann, wenn sich der Ausländer anwaltlich vertreten lassen hat und der Prozessbevollmächtigte das Verfahren für ihn weiterführen kann und auch weiterführen will, keine tragfähige Grundlage. Vielmehr ist insoweit zu berücksichtigen, dass eine Überstellung – anders als ein Untertauchen – nicht freiwillig seitens des Ausländers erfolgt und dieser trotz dessen am Ausgang des Verfahrens interessiert bleiben dürfte. Denn wenn er schon eine Überstellung in den – jedenfalls aus Sicht des Bundesamtes zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern sucht – so wird er nach der erfolgten Überstellung in der Regel zumindest noch an einer Rückkehr in die Bundesrepublik – infolge einer erfolgreichen Klage – interessiert sein.
523. Ob die Klage mangels ladungsfähiger Anschrift des Klägers nach § 82 Absatz 1 Satz 1 VwGO unzulässig ist,
53vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 24; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 4,
54oder infolge der Überstellung des Klägers nach Belgien ausnahmsweise – mit Blick auf den in Artikel 19 Absatz 4 GG verankerten Grundsatz effektiven Rechtschutzes – die Möglichkeit der Zustellung an die Anschrift seiner Prozessbevollmächtigten genügt, kann dahingestellt bleiben, da es jedenfalls an ihrer Begründetheit fehlt. Das Gericht hält es aber zumindest für nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall infolge der Überstellung unüberwindliche oder schwer zu beseitigende Schwierigkeiten hinsichtlich der Übermittlung einer ladungsfähigen Anschrift eintreten können.
55II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
56Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Belgien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
57Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Dublin III-VO, bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
58vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
59Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt. Belgien hat auf das am 10. Dezember 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Klägers nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO bereits am 17. Dezember 2013, und damit innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für den Asylantrag des Klägers erklärt. Belgien ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Die Überstellung nach Belgien – am 5. März 2014 – ist danach fristgerecht erfolgt.
60Der Überstellung nach Belgien steht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 2. Juli 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 fünf Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
61vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris, Rn. 40 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 14; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris, Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris, Rn. 8.
62Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
63EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 108.
64Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
65vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 18; VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris, Rn. 10; A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris, Rn. 8.
66Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
67vgl. VG Düsseldorf Beschlüsse vom 26. Februar 2014 – 13 L 396/14.A –, vom 31. März 2014 – 13 L 119/14 – und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, alle juris und NRWE.
68Hier sind seit der Asylantragstellung am 2. Juli 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 noch keine sechs Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
69Die Beklagte ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Klägers nach Belgien gehindert (gewesen) und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
70EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
71Solche Mängel bestehen mit Blick auf Belgien nicht.
72Vgl. mit ausführlicher Begründung VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris und www.NRWE.de.
73Der Kläger hat solche auch nicht vorgetragen.
74Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
76Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 27. Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 2. Juli 2013 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3Er hat nach eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits am 6. Dezember 2012 in Belgien Asyl beantragt; der Antrag ist abgelehnt worden.
4Das Bundesamt richtete am 10. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 16. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 23. Januar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6Am 3. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, das Selbsteintrittsrecht des Bundesamtes sei wegen einer unangemessen langen Dauer seines Asylverfahrens zur Selbtseintrittspflicht erstarkt.
8Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.
9Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts, beantragt er nunmehr,
10den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes. Überdies bestehe keine Selbsteintrittspflicht, da die dreimonatige Frist in Artikel 17 Dublin II-VO nur für Aufnahme- und nicht für Wiederaufnahmeersuchen gelte. Vorliegend handle es sich aber um ein Wiederaufnahmeersuchen, da der Kläger zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt habe.
14Am 5. März 2014 ist der Kläger nach Belgien überstellt worden.
15Die Beteiligten haben übereinstimmend am 9. April und 11. April 2014 auf mündliche Verhandlung verzichtet (Bl. 25 und Bl. 29 d. Gerichtsakte).
16Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
19Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
20Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
21Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
22Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. unter 1.). Der Kläger genießt ‑ trotz der Überstellung nach Belgien – Rechtsschutzbedürfnis (vgl. unter 2.). Ob die Klage in Ermangelung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers unzulässig ist, kann offen bleiben (vgl. unter 3.).
231. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es nicht. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO.
24Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 16. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
25Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15. Januar 2010, 11 K 8136/09.A, S. 4; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, 5 K 198/11.TR, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
26Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Aufhebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
28Ergänzend hierzu weist das Gericht – ohne dass es vorliegend darauf ankäme – auf Folgendes hin: Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
29BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
30Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
32Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
33VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
34Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
35VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
36Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
372. Die Klage ist im Übrigen zulässig. Obschon der Kläger am 5. März 2014 nach Belgien überstellt worden ist, fehlt ihm nicht das Rechtschutzbedürfnis. Weder die Unzulässigkeitserklärung des Asylantrags (Ziffer 1 des Bescheides) noch die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bescheides) haben sich durch die Überstellung nach Belgien erledigt.
38VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. April 2013 – 19a K 878/11.A –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck ´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
39Nach § 43 Absatz 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Erledigung in anderer Weise im Sinne dieser Vorschrift tritt ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
40Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113, Rn. 102 m.w.N.
41Dies ist jedenfalls solange nicht der Fall, wie der mit einer behördlichen Maßnahme erstrebte Erfolg noch nicht endgültig eingetreten ist. Der zwangsweise Vollzug eines Verwaltungsakts führt nicht stets schon für sich genommen zu einer Zweckerreichung. Im vorliegenden Fall entfalten sowohl die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, als auch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 16. Januar 2014 insoweit noch Regelungswirkung, als sie nach wie vor die Rechtsgrundlage für die Abschiebung des Klägers nach Belgien bildet.
42Gegen die in der Rechtsprechung zum Teil vertretene Gegenauffassung,
43vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 26 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 23; VG München, Urteil vom 2. Juli 2012 – M 15 K 12.30110 –, juris, Rn. 15,
44spricht bereits die Regelung über den Folgeantrag nach § 71 Absatz 5 Satz 1, Absatz 6 Satz 1 AsylVfG, wonach es im Fall der Ablehnung eines Folgeantrags keiner erneuten Abschiebungsanordnung bedarf, um den Aufenthalt des Ausländers, der zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte, zu beenden. Zudem wäre es einer effektiven Durchsetzung der (sofort) vollziehbaren Abschiebungsanordnung hinderlich, wenn sich deren Wirkungen verbrauchen würden, sobald der Ausländer auch nur für einen kurzen Moment in dem aufnehmenden Staat aufhältig gewesen und sodann unverzüglich wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
45Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
46Für diese Ansicht spricht ebenso die in Artikel 29 Absatz 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
47Schließlich würde es dem Sinn und Zweck des Rechtsbehelfs widersprechen, wenn durch die Überstellung eine Erledigung der Hauptsache eintreten würde, denn damit würde der Rechtsbehelf, dem vorliegend sowohl nach Artikel 19 Absatz 2 Satz 4 Dublin II-VO keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung als auch nach nationalem Recht nach § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt völlig nutzlos.
48VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24.
49Ebenso wenig lässt sich allein aus der fehlenden Erreichbarkeit des Klägers infolge seiner Überstellung schlussfolgern, dass er kein Interesse mehr am Ausgang des Verfahrens hat.
50Ortloff/Riese, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band II, Stand: 25. Erg.lieferg. April 2013, § 82, Rn. 4b m.w.N.; A.A.: VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 25.
51Für diese Vermutung besteht zumindest dann, wenn sich der Ausländer anwaltlich vertreten lassen hat und der Prozessbevollmächtigte das Verfahren für ihn weiterführen kann und auch weiterführen will, keine tragfähige Grundlage. Vielmehr ist insoweit zu berücksichtigen, dass eine Überstellung – anders als ein Untertauchen – nicht freiwillig seitens des Ausländers erfolgt und dieser trotz dessen am Ausgang des Verfahrens interessiert bleiben dürfte. Denn wenn er schon eine Überstellung in den – jedenfalls aus Sicht des Bundesamtes zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern sucht – so wird er nach der erfolgten Überstellung in der Regel zumindest noch an einer Rückkehr in die Bundesrepublik – infolge einer erfolgreichen Klage – interessiert sein.
523. Ob die Klage mangels ladungsfähiger Anschrift des Klägers nach § 82 Absatz 1 Satz 1 VwGO unzulässig ist,
53vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 24; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 4,
54oder infolge der Überstellung des Klägers nach Belgien ausnahmsweise – mit Blick auf den in Artikel 19 Absatz 4 GG verankerten Grundsatz effektiven Rechtschutzes – die Möglichkeit der Zustellung an die Anschrift seiner Prozessbevollmächtigten genügt, kann dahingestellt bleiben, da es jedenfalls an ihrer Begründetheit fehlt. Das Gericht hält es aber zumindest für nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall infolge der Überstellung unüberwindliche oder schwer zu beseitigende Schwierigkeiten hinsichtlich der Übermittlung einer ladungsfähigen Anschrift eintreten können.
55II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
56Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Belgien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
57Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Dublin III-VO, bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
58vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
59Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt. Belgien hat auf das am 10. Dezember 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Klägers nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO bereits am 17. Dezember 2013, und damit innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für den Asylantrag des Klägers erklärt. Belgien ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Die Überstellung nach Belgien – am 5. März 2014 – ist danach fristgerecht erfolgt.
60Der Überstellung nach Belgien steht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 2. Juli 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 fünf Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
61vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris, Rn. 40 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 14; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris, Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris, Rn. 8.
62Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
63EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 108.
64Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
65vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 18; VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris, Rn. 10; A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris, Rn. 8.
66Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
67vgl. VG Düsseldorf Beschlüsse vom 26. Februar 2014 – 13 L 396/14.A –, vom 31. März 2014 – 13 L 119/14 – und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, alle juris und NRWE.
68Hier sind seit der Asylantragstellung am 2. Juli 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 noch keine sechs Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
69Die Beklagte ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Klägers nach Belgien gehindert (gewesen) und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
70EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
71Solche Mängel bestehen mit Blick auf Belgien nicht.
72Vgl. mit ausführlicher Begründung VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris und www.NRWE.de.
73Der Kläger hat solche auch nicht vorgetragen.
74Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
76Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterle gung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils voll streckbaren Be trages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Si cherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 nach Melilla, wo er am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Bereits am 14. Januar 2013 beantragte der Kläger unter dem Namen U. E. in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Den Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ord nete die Abschiebung nach Spanien an. Die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.
3Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und be antragte am 7. Juni 2013 – unter dem im Rubrum angegebenen Namen – Asyl. Ausweis lich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013 ist der Kläger zuvor in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden.
4Das Bundesamt richtete am 29. August 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Spanien. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
5Mit Bescheid vom 4. Oktober 2013, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels Ein schreiben vom 17. Oktober 2013 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Der Kläger erhielt am 23. Oktober 2012 im Rahmen eines Besprechungstermins eine Kopie des Bescheides von seinem Prozessbevollmächtigten.
6Am 25. Oktober 2013 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, die Vermutung, dass in Spanien ein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt werde, könne widerlegt werden. Dort sei ihm die Asylantragstellung verwei gert worden. Zudem sei die Überstellungsfrist abgelaufen. Hierauf könne sich der Kläger auch berufen. Die Verfahrensverschleppung stelle einen Grundrechtseingriff dar und Grundrechte seien unstreitig subjektiv-rechtlicher Natur.Ihm werde sein Recht auf Durch führung eines Asylverfahrens abgesprochen, hielte sich Spanien im Zeitpunkt der gerichtli chen Entscheidung nicht mehr für zuständig. Ob die spanischen Behörden sich noch an ihre Zustimmung gebunden fühlen, sei völlig offen.
8Ursprünglich hat der Kläger sinngemäß beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Be scheides des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 zu verpflichten subsidiären Schutz ge mäß § 4 AsylVfG zuzuerkennen und Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festzustellen,
;
hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten,
,
das Asylverfahren durchzuführen.
Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts beantragt er nunmehr,
10den Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung des Bun desamtes. Überdies ist sie der Ansicht, dass die Überstellungsfrist mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2014 (13 L 2168/13.A) neu zu laufen be ginne bzw. die Überstellungsfrist auf Grund des gemäß § 80 Absatz 7 Verwaltungsge richtsordnung (VwGO) erlassenen Eilbeschlusses vom 24. März 2014 bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens ausgesetzt sei.
14Der am 25. Oktober 2013 vom Kläger gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Be schluss vom 7. Januar 2014 abgelehnt (13 L 2168/13.A) .
15Auf den weiteren , unter dem 18. März 2014 gestellten Antrag des Klägers gemäß § 80 Ab s atz . 7 VwGO hat das Gericht mit Beschluss vom 24. März 2014 unter Abänderung des Beschlusses vom 7. Januar 2014 die angestrebte aufschiebende Wirkung angeordnet. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass bereits mehr als sechs Mo nate vergangen seien, seit Spanien seine Bereitschaft z ur Übernahme des Klägers erklärt habe (13 L 644/14.A) .
16Die Beteiligten haben übereinstimmend am 18. Juni und 23. Juni 2014 auf mündliche Verhandlung verzichtet (Bl. 50 und Bl. 51 d. Gerichtsakte).
17Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 VwGO über die Klage ohne mündliche Ver handlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
20Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
21Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
22Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig (vgl. unter I.), aber unbegründet (vgl. unter II.).
23I. Die Klage ist zulässig. Sie ist statthaft (vgl. unter 1.) und auch fristgerecht erhoben wor den (vgl. unter 2.).
241. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechts schutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es nicht.
25Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 4. Oktober 2013, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abge lehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungs begehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegeh rens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formel len und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundes amt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvor schriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zustän dig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegeh rens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
26Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.
Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Düsseldorf, Urteile
vom 27. Juni 2014 ‑
–
13
K
654/14.A –, juris, Rn. 22, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15.
Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, S. 4; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, –10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S.
5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, – 5 K 198/11.TR –, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3.
März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn.
21, § 34a Rn. 64 f.
Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfech tungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Auf hebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
28Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
29Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschie bungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltgesetzes AufenthG)
gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Auslän der“ den Klageweg beschreitet.
BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
31Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutz begehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
33Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entschei dungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als un zulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruch reif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verlo ren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Ab satz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Er gebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
34VG Düsseldorf, Urteile
vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 30, vom
26. April 2013 ‑
–
17
K
1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG
München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 ‑
–
RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 ‑
–
A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn.
16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Ge langt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergeb nis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtli chen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgespro chen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
36VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 32; VG München, Gerichtsbe scheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
37Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Beschei des ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
382. Der Kläger hat die Klage auch innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des an gegriffenen Bescheides des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 und damit fristgerecht im Sinne von § 74 Absatz 1 AsylVfG erhoben.
39Dabei ist die Bekanntgabe vorliegend allerdings noch nicht durch die mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 erfolgte Übersendung des Bescheides an den Prozess bevollmächtigten des Klägers bewirkt worden. Denn der Prozessbevollmächtigte war insoweit kein Empfangsberechtigter des Klägers im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszu stellungsgesetzes (VwZG). Wird ein Asylantrag – wie vorliegend – nur nach § 27a AsylVfG abgelehnt, ist nach § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG die Entschei dung zusammen mit der Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylVfG dem Ausländer persönlich zuzustellen und kommt mithin eine Empfangsvertretung durch den Prozessbe vollmächtigten nicht in Be tracht. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem nach § 31 Absatz 1 Satz 6 AsylVfG auch lediglich ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden. Dieser Mangel der förmlichen Zustellung wurde aber vorliegend gemäß § 8 VwZG geheilt. Nach dieser Vorschrift gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt, oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Empfangsberechtigter ist dabei derjenige, an den die Zustel lung nach dem Gesetz zu richten war,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, BVerwGE 104, 301 und = juris, Rn. 27; Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Oktober 1986 – VII R 58/83 –, juris, Rn. 24,
41vorliegend also nach § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG der Kläger selbst, der im Übri gen auch tatsächlich als Adressat in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 benannt ist.
42Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück im Sinne von § 8 VwZG erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht erforderlich,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, a.a.O., m.w.N.
44Darüber hinaus setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, den Bescheid bekannt zu geben,
45BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 29 und Beschluss vom 31. Mai 2006 – 6 B 65.05 –, NVwZ 2006, 943 = juris, Rn. 7, m.w.N.
46Nach diesen Maßgaben gilt der Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 als dem Kläger am 23. Oktober 2013 mit heilender Wirkung im Sinne von § 8 VwZG zuge stellt. Nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers fand an diesem Tag ein Be sprechungstermin wegen des mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 an die Kanzlei über mittelten Bescheides statt, bei dem der Kläger vom Erlass des Bescheides Kenntnis er halten hat. Zwar reicht die bloße (mündliche) Übermittlung des In halts des Bescheides an den Empfangsberechtigten durch eine Ersatzperson nicht aus, um dem Empfangsberech tigten die nach § 8 VwZG erforderliche zuverlässige Kenntnis des zuzustellenden Schrift stücks zu verschaffen,
47vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 27.
48Allerdings wurde dem Kläger nach Angaben seines Prozessbevollmächtigten am 23. Oktober 2013 anlässlich des Besprechungstermins zugleich auch eine Kopie des Bescheides ausgehändigt. Die Aushändigung der Bescheidkopie war zur Vermittlung der erforderlichen Kenntnis aber geeignet, da sie das Original nach Inhalt und Fassung wiedergibt.
49Die Beklagte hatte schließlich hinsichtlich des Bescheides auch den erforderlichen Bekanntgabewillen. Der Bescheid ist mit Wissen und Wollen der Beklagten und in der Ab sicht, Rechtsfolgen gegenüber dem Kläger auszulösen, aus dem internen behördlichen Bereich herausgegeben worden. Dass Anschreiben und Bescheid willentlich den internen Bereich des Bundesamtes verlassen haben, folgt unzweifelhaft aus der be wussten Wahl des Übermittlungswegs per Einschreiben und dem Vorliegen eines hierüber gesondert gefertigten Aktenvermerks nach § 4 Absatz 2 Satz 4 VwZG (Bl. 67 der Beiakte Heft 1) so wie der zeitgleichen gesonderten Übermittlung des Bescheides auch noch an die zustän dige Ausländerbehörde (Bl. 64 der Beiakte Heft 1). Der Wille, hinsichtlich des Klägers Rechtsfolgen herbeizuführen, ergibt sich ohne weiteres aus dem an den Prozessbevoll mächtigten gerichteten Begleitschreiben vom 17. Oktober 2013, das in der Betreffzeile ausdrücklich den Namen des Klägers und den Bezug zu seinem Asyl verfahren und zudem die Mitteilung enthält, dass dem Prozessbevollmächtigten – der aus der Sicht des Bun desamtes der Empfangsberechtigte des Klägers war – der Be scheid vom 4. Oktober 2013 „zugestellt“ werde. Zur Heilung nicht erforderlich ist, dass ge rade auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten vom Willen der Be hörde umfasst ist,
50vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 29.
51Die zweiwöchige Klagefrist begann mithin am Tag nach der Bekanntgabe, also am Donnerstag, den 24. Oktober 2013, § 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO, § 187 Absatz 1 BGB und endete gemäß § 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO, § 188 Absatz 2 BGB am Mittwoch, den 6. November 2013. Die Klage ist bereits am Freitag, den 25. Oktober 2013 und damit fristgerecht bei Gericht eingegangen.
52II. D Indes ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Absatz 1 VwGO.
53Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Ab schiebung des Klägers nach Spanien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylan trag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäi schen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchfüh rung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
54Maßgebliche Rechtsvor schrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verord nung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Dritt staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Ver handlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist. Zwar ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitglied staats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist ( Dublin III-VO) , bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist . Denn Gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO aber für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden, anwendbar . Anderes gilt allen falls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
55vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
561. Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Spanien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschrit ten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 23. August 2013 vor seiner Einreise in die Bundes republik in Spanien gewesen. Überdies folgt aus der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013, dass er bereits am 25. Oktober 2012 im spani schen Melilla erkennungsdienstlich behandelt worden ist. Der Kläger hat die Grenze Spa niens auch illegal überschritten, da er nach seinen eigenen Angaben ohne Ausweispapiere und Aufenthaltsberechtigung eingereist ist und zudem die vom Bundesamt durchgeführte Visa-Abfrage für ihn keinen Treffer ergeben hat.
572. Die danach vorliegende Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht nach Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO erloschen. Danach endet die Zuständigkeit zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Offen bleiben kann insoweit, ob der Kläger erst am Tag der erkennungsdienstlichen Behandlung, also am 25. Oktober 2012 erstmals in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist und von den Behörden aufgegriffen worden ist oder ob die Einreise – wie der Kläger erstmals im gerichtlichen Verfahren vorträgt – bereits Anfang Oktober 2012 erfolgt ist. Denn der illegale Grenzübertritt lag in jedem Fall zum Zeitpunkt der für die Anwendung der Kriterien des Kapitels III maßgeblichen Zuständigkeitsbestim mung, die spätestens mit der Entscheidung Spaniens über das Aufnahmegesuch mit Schreiben vom 17. September 2013 ihren Abschluss fand (Artikel 19 Absatz 1Dublin II-VO ), noch keine zwölf Monate zurück.
58Dass diese Frist – unterstellt der Kläger sei wie behauptet bereits Anfang Oktober 2012 nach Spanien eingereist – im Zeitpunkt der nach obigen Ausführungen erst am 23. Oktober 2013 erfolgten Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes abgelaufen war, würde ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung führen.
59Nach Artikel 3 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO finden die Regelungen des Kapitels III, zu de nen Artikel 10 gehört, ausschließlich im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung des zu ständigen Mitgliedstaates Anwendung. Daher berechtigt Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO zwar einen Mitglied staat, ein an ihn gerichtetes Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaates abzulehnen, sofern der illegale Grenzübertritt im Zeitpunkt des Ersuchens bereits mehr als zwölf Monate zurückliegt. Nach Abschluss des Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung ist der Anwendungsbe reich des Kapitels III dagegen nicht mehr eröffnet und führt Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO daher nicht zu einem nachträglichen Wegfall der be reits nach der Dublin II-Verordnung bestimmten Zuständigkeit. Dementsprechend regelt Kapitel V, dass die nach den Kriterien des Kapitels III bestehende Zuständigkeit eines er suchten Mitgliedstaates nachträglich nur unter den Voraussetzungen von Artikel 16 Absatz 3 und 4 Dublin II-VO erlöschen oder wegen eines Fristversäumnisses des ersuchenden Mitgliedstaates nach Artikel 17 Absatz 1 Satz 2, Artikel 19 Absatz 4 oder Artikel 20 Absatz 2 Dublin II-VO auf den ersuchenden Mitgliedstaat selbst übergehen kann. Überdies sieht Artikel 5 Absatz 2 Dublin II-VO vor, dass bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mit gliedstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
603. Die Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht nach Maßgabe der Artikel 16 ff. Dublin II-VO wieder erloschen oder auf Deutschland übergegangen. Die Pflicht Spaniens, den Kläger aufzunehmen, folgt aus Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a) Dublin II-VO, wonach der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedsstaat gehalten ist, einen Asylbewerber, der einen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, nach Maß gabe der Artikel 17 bis 19 Dublin II-VO aufzunehmen.
61Nachdem die am 27. August 2013 erfolgte Recherche der Beklagten in der Eurodac-Da tenbank für den Kläger einen Treffer ergab und damit Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrags des Klägers bestanden, hat die Beklagte bereits am 29. August 2013 via DubliNet rechtzeitig inner halb der Frist nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin II-VO von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags am 7. Juni 2013 das Aufnahmeersuchen an Spanien gerichtet. Spanien hat seinerseits am 17. September 2013 und mithin innerhalb von zwei Monaten nach seiner Befassung mit dem Gesuch im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Dublin II-VO entschieden.
62Der Kläger kann nicht geltend machen, dass die in Art . ikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO geregelte Sechs-Monatsfrist zu einem Übergang der Zuständigkeit von Spanien auf die Beklagte geführt hat.
63a) Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Sie beginnt im vorliegenden Fall erst zu laufen, nachdem das Gericht in der Hauptsache über die Klage entschieden hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO. Da nach erfolgt die Überstellung , sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wideraufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Mit dem in der zweiten Alternative dieser Vorschrift in Bezug genommenen Rechtsbehelf ist das gegen die Abschiebung gerichtete Hauptsacheverfah ren gemeint, nicht schon das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz, auch wenn bereits während dessen Anhängigkeit gemäß § 34a Abs atz . 2 Satz 2 AsylVfG eine Abschiebung zu unterbleiben hat.
64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53; Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, juris, Rn. 5 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss im Verfahren gleichen Rubrums vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris, Rn. 12 ff.
65Dieser Rechtsbehelf hatte aufgrund der gerichtlichen Anordnung vom 24. März 2014 im Verfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO (13 L 644/14.A) aufschiebende Wirkung. Deshalb kann die Frist zur Überstellung und damit auch eine mögliche Frist, deren Ablauf zu einer unzumutbar langen Verfahrensdauer führen kann, erst mit der Entscheidung über diesen Rechtsbehelf – mithin mit Rechtskraft dieses Urteils – zu laufen beginnen. Artikel 19 Ab s atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO benennt insoweit zwar nicht die Rechtskraft, sondern die „Entscheidung über den Rechtsbehelf“. Da diese Formulierung jedoch in unmittelbarem Zusammenhang zur der diesem Rechtsbehelf beizumessenden aufschiebenden Wirkung verwendet wird, kann dies nur im Sinne einer rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbehelf verstanden werden.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, juris, Rn. 5.
67Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Kammer im vorgenannten Beschluss vom 24. März 2014 – anders als hier – zu der Annahme gelangt ist, die maßgebliche Frist sei bereits ab gelaufen. Denn Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO ermöglicht jedenfalls auch eine Überstellung innerhalb der hier noch nicht laufenden Frist von sechs Monaten ab der Entscheidung über den Rechtsbehelf. Im Übrigen hält die Kammer an ihrer allein im sum marischen Verfahren nach § 80 Absatz 5 und 7 VwGO vertretenen Auffassung, wonach sich der Kläger auf den Ablauf dieser Frist beruf en kann, nicht länger fest (s. hierzu unten, b) ).
68Dasselbe Ergebnis ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Überstellungsfrist. Durch die in Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO geregelte Überstellungsfrist soll es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden , die Überstellung mitsamt ihren technischen Prob leme n zu bewerkstelligen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Über stellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass diese Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt hat, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern, den die Mitgliedstaaten gewährleisten, deren Gerichte die Durchführung einer Überstellungsentscheidung aussetzen können und es somit dem Asylbewerber er möglichen, die ihn betreffenden Entscheidungen wirksam anzugreifen. Andernfalls be fände sich der Mitgliedstaat, der im Rahmen des Überstellungsverfahrens beschlossen hat, gegebenenfalls mit aufschiebender Wirkung versehene Rechtsbehelfe zu schaffen, und der daher hinnehmen müsste, dass die Frist, über die er für die Ausweisung des Asyl bewerbers verfügt, um die Zeit verkürzt wird, die die innerstaatlichen Gerichte benötigen, um über den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, in einer misslichen Lage, da er, wenn es ihm nicht gelänge, die Überstellung des Asylbewerbers innerhalb des sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, der zwischen der Entscheidung des Tatrichters und dem Ablauf der Frist für die Durchführung der Überstellung liegt, Gefahr liefe, letztlich als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig bestimmt zu werden.
69Vgl. Europäische r Gerichtshof ( EuGH ) , Urteil vom 29. Januar 2009, – C-19/08 –, juris, S . 11, Rn. 44 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, Rn. 12 ff., und Be schluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, juris, Rn. 3.
70Vor diesem Hintergrund geht auch die im klägerischen Schriftsatz vom 11. September 2014 geäußerte Ansicht fehl, es bedürfe zunächst einer aktuellen Bestätigung der Über nahmebereitschaft Spaniens. Denn bei der Fristberechnung ab der Rechtskraft dieser Ent scheidung handelt es sich um eine von zwei gleichwertig nebeneinander bestehenden Al ternativen innerhalb der Vorschrift des Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO. Da ein Fristablauf objektiv nicht gegeben ist, kann auch Spanien sich nicht hierauf berufen. Im Übrigen würde auch die Möglichkeit, dass sich der übernehmende Staat auf den Ablauf der Frist beruft, dem Kläger nicht den entsprechenden Einwand in Form eines subjektiven Rechts an die Hand geben. Sollte der an sich übernehmende Staat die Aufnahme verwei gern, deckt sich dies mit dem vom Kläger verfolgten Interesse, im Bundesgebiet zu ver bleiben und – sollte kein anderer, dritter Staat zuständig sein – eine Prüfung seines An trags durch die Beklagte zu erreichen. Wäre der übernehmende Staat hingegen noch im mer zur Aufnahme bereit, würden hierdurch – wie nachstehend ausgeführt – keine subjektiven Rechte des Klägers verletzt.
71Die Beklagte ist vorliegend bis zur Entscheidung über die Hauptsache auf Grund des stattgebenden Beschlusses vom 24. März 2014, worin die aufschiebende Wirkung der vor liegenden Klage angeordnet worden ist , an der Überstellung des Klägers nach Spanien rechtlich und daher nicht nur aufgrund der erforderlichen Modalitäten für eine Überstellung gehindert gewesen . Die Überstellungsfrist beginnt erst mit Rechtkraft dieses Urteils zu laufen.
72b) Selbst wenn es hier jedoch auf den Ablauf der Sechs-Monatsfrist in der ersten Altern
a
tive des Art
ikel
.
19 Abs
atz
.
3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO ankäme, also beginnend mit der Annahme des Antrags auf Aufnahme durch Spanien
,
am
17.
Septem
ber 2013, könnte sich der Kläger nicht auf den Ablauf dieser Frist berufen.
Zwar endete die Frist zur Überstellung des Klägers zunächst
,
mit Ablauf des 17. März 2014, da Spanien der Aufnahme bereits am 17. September 2013 zugestimmt hatte
.
Der Kläger kann sich auf einen möglichen Verstoß gegen die Überstellungsfristjedoch nicht berufen. Allein ein Verstoß gegen die Fristenre gelungen der Dublin II-VO verletzt für sich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, sofern damit keine Grundrechtsverletzung einhergeht. Insoweit gibt die Kammer auf der Grundlage der sog. Abdullahi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs,
74Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris; vgl.
,
nachfolgend
auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7,
ihre bisherige Rechtsprechungim Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A – auf und geht davon aus, dass sich der Kläger nicht auf die Versäumung der Überstellun g s f rist berufen kann. Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem In halt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Ho heitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der DublinII-VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Artikel 78 Absatz 1 Vertrag über die Arbeits weise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asyl systems besteht, vgl. auch Artikel 78 Absatz 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der DublinII-VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (3 und 16), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objekti ven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten.
76EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 18. April 2013, – C-4/11 –, juris, Rn. 57 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, juris, Rn. 37.
77Die Fristbestimmungen der Dublin II-VO dienen dementsprechend einer zeitnahen Fest stellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber dem Kläger (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen be stimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der EuGH hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Über stellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnah mebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann.
78EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.
/
14 –, juris, Rn. 12; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 ‑
–
W
6
S
14.50065 –, juris, Rn. 18 m.w.N.
Obschon der Abdullahi- Entscheidung keine generelle Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu nehmen ist,
80vgl. hierzu auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 – 13 K 1117/14.A – Seite 9 und 10 des Urteilsabdrucks m.w.N.,zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen,
81gelten die vorstehenden Erwägungen auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz des Klägers, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um (Wieder-)Aufnahme ersuchten Mitglieds
staat. Die Dublin II-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitglieds
staaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme (s.u.). Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-Ver ordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; Rn.
25; Offen gelassen vom OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 ‑
–
14
A
1943/11.A
–, juris, Rn. 24; VG Trier, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 5 L 1271/14.TR –, juris, Rn.
6 f.; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, juris, Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2014 – 33 L 90.14 A –, juris; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 – RN 9 K 11.30445 –, juris, Rn. 18; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 234.
Dieses Ergebnis wird zudem durch folgende Überlegung bestätigt: Dem Asylbewerber bleibt es in jedem Fall unbenommen, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des ande ren Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. In soweit regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe 1) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (DVO Dublin II-VO), dass die Überstel lung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
84Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
85Hat es der Asylbewerber aber selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgtund dass sie überhaupt erfolgt
,
kann er mithin
selbst zu einer von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet
schon der
allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach §
242 BGB abgeleiteten
– Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) sich
auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschlandzu
berufen. Insoweit ist es ihm auch nicht unzumutbar, sich zunächst in den anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort den Ausgang des Hauptsacheverfahrens ab zuwarten.
OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 14 B 1011/11.A –, juris, Rn. 16.
874. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Spaniens eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Spanien abzuschieben.
88a) Zwar besteht bei einer unangemessenen Verfahrensdauer ein aus den Grundrechten abzuleitendes subjektives Recht des Asylbewerbers auf Durchführung des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat, welcher die Verzögerung zu verantworten hat.
89EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris, Rn. 35 und Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑
–
C-411/10 et al. –, juris, Rn. 98 und 108; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 ‑
–
13
K
1117/14.A
– m.w.N.
Das kann aber ohnehin nur dann gelten, wenn der Antragsteller durch zu langes Zuwarten des Bundesamtes um den zeitnah en Fortgang des Verfahrens auf Feststellung seiner Asylberechtigung bzw. seiner internationalen Schutzberechtigung gebracht wird. Hat der Kläger es jedoch selbst in der Hand, die Prüfung seines Antrags dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt, ist eine Grundrechts verletzung wegen zu langer Verfahrensdauer ausgeschlossen (s.o. , 3. b) ) .
91Selbst
wenn der Grund für die verzögerte Einreise bzw. Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat allein in die Sphäre der Beklagten fiele, wofür vorliegend nichts spricht, fehlt
e
es i
ndes schon
an einer solch unangemessen langen Verfahrensdauer. Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäi schen
Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO vor sieht, dass die Überstellung spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Annahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, erfolgt. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleich gesetzt werden mit der vom EuGH angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO von sechs Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die inner staatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von zwölf Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
Vgl. zur Stellung eines Aufnahmeantrags VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 ‑ 13 L 2685/13.A –, juris, Rn. 22.
93Damit einhergehend sieht auch Artikel 19 Absatz 4 Satz 2, 1. Alternative Dublin II-VO vor, dass die Frist zur Überstellung höchstens auf ein Jahr verlängert werden kann, wenn diese aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte.
94Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen.
95b) Die Beklagte ist schließlich auch nicht gehindert, den Kläger nach Spanien zu überstel len, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwach stellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behand lung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
96EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
97der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sine können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
98EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
99Gemessen hieran ist nicht ersichtlich, dass der Kläger Gefahr liefe, nach der Rück über stellung nach Spanien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Es liegen dem erkennenden Gericht keinerlei Erkenntnismittel vor, die die Befürchtung recht fertigen könnten, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im oben genannten Sinne bestehen,
100vgl. Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 4 L 398/14.A –, juris, Rn. 23 f. m.w.N.; Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 6 L 551/14.A –, juris, Rn. 11; Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – Au 7 S 14.50094 –, juris, Rn. 50.
101Es ergeben sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Spanien das Asylgesuch des Klägers nicht in einem ordnungsgemäßen Asylverfahren prüfen wird. Denn Spanien hat unter Wahrung seiner aus der Dublin II-VO folgende Obliegenheiten bereits zweimal fristgerecht seine Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers an erkannt. Soweit der Kläger demgegenüber im gerichtlichen Verfahren vorgebracht hat, ihm sei in Spanien sowohl bei seiner Ersteinreise im Oktober 2012 als auch nach der Über stellung aus Deutschland im April 2013 jeweils die Stellung eines Asylantrags tatsächlich verweigert worden, ist dieses unsubtsantiierte Vorbringen nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht glaubhaft. Der Kläger hat hierzu schon selbst keine widerspruchsfreien Angaben gemacht. Im Rahmen der Anhörung beim Bun desamt am 23. Januar 2013 hat er ausdrücklich angegeben, noch in keinem europäischen Land einen Asylantrag gestellt zu haben (Bl. 39 Beiakte Heft 2). Anlässlich seiner erneuten Asylantragstellung in Deutschland am 7. Juni 2013 hat er zwar in der Anhörung am 23. August 2013 angegeben, er habe in Spanien gefragt, ob er Asyl beantragen könne, was aber abgelehnt worden sei. Allerdings schilderte er diese angebliche Verweigerung der Asylantragstellung als eine solche im Zusammenhang mit der Ersteinreise und damit im Widerspruch zu seinem Vorbringen vom 23. Januar 2013. Zudem legte er nicht offen, dass er unter einem Aliasnamen bereits zuvor in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte und nach Spanien zurückgeführt worden war. Da gerade die Verweigerung eines Asylverfahrens nach der Rücküberstellung nach Spanien nach den Angaben des Klägers im gerichtlichen Verfahren aber der wesentliche Anlass der erneuten Einreise nach Deutschland im Juni 2013 gewesen sein soll, wäre zu erwarten gewesen, dass er diesen für ihn so ent scheidenden Umstand dann auch in der Anhörung am 23. August 2013 schildert. Dies umso mehr, als der Rücküberstellung vom 10. April 2013 eine ausdrückliche Aufnahmeer klärung Spaniens vom 7. März 2013 zugrunde lag. Die Einschätzung, dass dem diesbe züglichen Vorbringen des Klägers kein Glauben geschenkt werden kann, stützt das Ge richt ergänzend darauf, dass der Kläger auch zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal in beiden Anhö rungen vollkommen unterschiedliche und nicht miteinander in Einklang zu bringende An gaben gemacht hat und zudem seinen ersten Asylantrag unter einem falschen Namen gestellt hat, sich mithin insgesamt nicht als glaubwürdig erweist.
102Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht auch kein Abschiebungshin der nis. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 a. E. AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG voraus, dass sie auch durch geführt werden kann. Es sind weder zielstaatsbezogene, noch in der Person des Klägers bestehende, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersicht lich.
103Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichts k osten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30Ab satz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
104Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden
1
Gründe:
2Der am 22. Januar 2014 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 387/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichtern gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg.
5Er ist zwar zulässig aber unbegründet.
6Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG in seiner durch Artikel 1 Nummer 27 Buchstabe b des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Absatz 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsanordnung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
7Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde am 17. Januar 2014 gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 22. Januar 2014 innerhalb der Wochenfrist den Eilantrag gestellt und Klage erhoben.
8Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.
9Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
10vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris, Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 – juris, Rn 3 f; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf , Beschlüsse vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A – und vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A -, beide juris.
11Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich nach summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zurecht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Italiens für dessen Prüfung aus. Gemäߠ § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
13Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO weiter anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt nur im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die – anders als vorliegend – ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO),
14vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf , Beschlüsse vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/14.A-, vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A – und vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A -, juris.
15Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Der Antragsteller hat ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits am 13. September 2011 in Italien einen Asylantrag gestellt und bei der zuständigen Ausländerbehörde in E. zwischenzeitlich einen am 15. Dezember 2012 in C. ausgestellten italienischen Reiseausweis mit Gültigkeit bis zum 15. Dezember 2013 sowie eine italienische Aufenthaltserlaubnis mit gleicher Gültigkeitsdauer vorgelegt. Nachdem Italien auf das am 27. November 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Antragstellers nach Artikel 16 Absatz 1 Bst c Dublin II-VO nicht innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst c Dublin II-VO im Falle eines EURODAC-Treffers maßgeblichen Frist von zwei Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, mithin bis zum 11. Dezember 2013, seine Zuständigkeit erklärt hat, ist nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst d Dublin II-VO davon auszugehen, dass Italien die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert hat. Italien ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ebenfalls noch nicht abgelaufen.
16Der Überstellung des Antragstellers nach Italien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 7. März 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Italien am 27. November 2013 mehr als 8 Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Italien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegnerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
17vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf , Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A -, juris Rn 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273-, juris Rn 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A -, juris Rn 8.
18Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen.,
19vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. -, juris Rn 108.
20Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
21vgl. Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 -, juris, Rn 10; a.A. Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A – juris, Rn 8.
22Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin-III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehene Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
23vgl. i.E. VG Düsseldorf , Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A -, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v.
24Hier sind seit der Asylantragstellung am 7. März 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 27. November 2013 erst gut 8 ½ Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
25Die Antragsgegnerin ist vorliegend auch nicht deshalb an der Überstellung des Antragstellers nach Italien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das italienische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C/411/10 et al. -, juris Rn 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
27Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
28vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11-, juris Rn 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11-, juris Rn 57 f.
29Die Antragsgegnerin ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO zugunsten des Antragstellers – gehindert, diesen nach Italien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
30EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10- et al. -, juris Rn 83 ff., 99, EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09-, NVwZ 2011, 413,
31der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche der erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 der Grundrechtecharta implizieren,
32EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2911 – C-411/10 et al. -, juris Rn 86.
33Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
34EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al.-, juris Rn 94.
35Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen.
36Diese Voraussetzungen sind aus den in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. März 2014 dargelegten Gründen,
37OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A - , juris.
38denen sich das erkennende Gericht anschließt, für Italien nicht gegeben. Sowohl mit Blick auf das Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis des Asylverfahrens ist danach davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen i.S.d. Gewährleistung aus Artikel 4 GRCh, rechnen muss. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Asylverfahren des Antragstellers - die Eurodac-Kennziffer 1 wird nach Artikel 2 Absatz 3 Satz 5 der VO (EG) Nr. 407/2002 für den Fall der Asylantragstellung vergeben - in Italien bereits abgeschlossen ist. Gründe, aus denen die Ausführungen in der Entscheidung des OVG NRW auf die konkrete Situation des Antragstellers nicht zutreffen, sind daher für das Gericht weder ersichtlich, noch vom Antragsteller selbst vorgetragen.
39Da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet, war auch der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, §§ 166 VwGO, § 114 ZPO.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 17.3.2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
T a t b e s t a n d :
2Der am 00.00.0000 in Singar, Kreis Mosul geborene Kläger ist irakischer Staatsangehhöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 12.01.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 23.02.2015 einen Asylantrag. Bei seiner Erstbefragung am 23.02.2015 gab er an, er habe den Irak am 31.12.2014 verlassen. Er sei über Syrien, die Türkei und unbekannte Länder nach Deutschland gereist. Er sei in die Bundesrepublik Deutschland gekommen, weil hier die Menschenrechte gewahrt würden. Er sei körperlich behindert und erhoffe sich in Deutschland bessere Möglichkeiten.
3Die anschließend durchgeführte EURODAC-Anfrage ergab Treffer für Ungarn und Österreich. Daraufhin teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Kläger mit Schreiben vom 27.02.2015 mit, dass ein Dublin-Verfahren mit dem Ziel der Rückführung nach Ungarn eingeleitet werde. Unter demselben Datum richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 18 Abs. 1 b der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) unter Hinweis auf den dort am 10.01.2015 gestellten Asylantrag des Klägers an Ungarn. Am 12.03.2015 stimmte Ungarn der Rückführung des Klägers zu.
4Mit Bescheid vom 17.03.2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des bereits dort gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
5In den Verwaltungsvorgängen des Bundesamtes ist kein Zustellungsnachweis enthalten.
6Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 02.04.2015 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sein Prozessbevollmächtigter vorgetragen hat: Der Kläger habe bei einem Bombenattentat im Irak ein Bein und ein Auge verloren. Seitdem leide er unter einem Traumata, das ihn nachts nicht schlafen lasse. In Ungarn sei er medizinisch nicht ausreichend behandelt worden. Außerdem habe man ihn mehrere Tage lang in ein Gefängnis gesperrt. Bei einer Rückführung nach Ungarn müsse der Kläger mit erneuter Inhaftierung rechnen. Das ungarische Asylverfahren leide an systemischen Mängeln. Die Durchführung eines fairen Verfahrens sei dort nicht gewährleistet.
7Der Kläger beantragt,
8den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2015 aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
12Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten über die Klage ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
16Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und auch begründet.
17Der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2015 ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylVfG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Unrecht nach § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Ungarn angeordnet.
18Gemäß § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
19Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin III-VO).
20Danach bestand zwar gemäß Art. 18 Abs. 1 b Dublin III-VO eine Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des (erneuten) Asylantrags des Klägers, weil dieser zuvor dort einen Asylantrag gestellt hatte und die ungarischen Behörden einer Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hatten. Gleichwohl ist nunmehr die Beklagte aufgrund der Auffangzuständigkeit des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO für die Entscheidung über das Asylbegehren des Klägers zuständig, weil einer Überstellung nach Ungarn systemische Mängel des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegenstehen und eine weitere Prüfung nach einem zuständigen Mitgliedstaat nach Ablauf der Fristen für die Stellung von Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchen keinen Erfolg verspricht.
21Die Dublin III-VO beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtecharta (im Folgenden: GrCh) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine unwiderlegbare Vermutung. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten nicht vereinbar ist. Zwar genügt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat und nicht jeder geringste Verstoß gegen die Richtlinien, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Ist jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GrCh implizieren, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. In solchen Situationen obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh ausgesetzt zu werden.
22Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – Rs C-411/10 und C-493/10, N.S. und M.E. –, juris; EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 – M.S.S. / Belgien und Griechenland – und Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel / Italien –.
23Der Begriff des systemischen Mangels ist weit zu verstehen. Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“ ist der Gesamtkomplex des Asylsystems im Zielstaat gemeint. Dieses umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Asylverfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung.
24Vgl. Lübbe. „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105 ff; Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182 ff.
25Systemische Mängel im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH sind dabei nicht auf flächendeckende gravierende Systemausfälle (wie etwa für Griechenland festgestellt) beschränkt, sondern erfassen generell solche, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen und deshalb den Einzelnen vorhersehbar und regelhaft treffen. Auch tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem – aus welchen Gründen auch immer – faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird, können einen systemischen Mangel darstellen. Nicht systemisch ist demgegenüber ein Mangel dann, wenn es lediglich in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK kommt.
26Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 – und vom 06.06.2014 – 10 B 35.14 –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 –, alle: juris.
27Nicht erforderlich ist, dass sich der systemische Mangel bzw. die strukturelle – systemische – Schwachstelle auf eine unüberschaubare Vielzahl, die Mehrheit aller Asylbewerber oder gar auf alle Asylbewerber auswirkt. Ein systemischer Mangel kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn nur eine geringe Anzahl von Asylbewerbern betroffen ist, soweit dies vorhersehbar und regelhaft geschieht.
28Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 18.03.2015 – A 11 S 2042/14 – und vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 –, juris; Lübbe, a. a. O..
29Im Falle des Vorliegens systemischer Mängel ist es ferner erforderlich, dass der einzelne Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, hiervon im Falle einer Überstellung in den Zielstaat selbst betroffen zu sein. Bei flächendeckenden systemischen Mängeln bedarf dies keiner besonderen Darlegung. Bei systemischen Mängeln, die sich nur auf Teilgruppen oder vereinzelt auswirken, müssen weitere besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen bzw. geltend gemacht werden, die eine Betroffenheit des Einzelnen beachtlich wahrscheinlich machen.
30Vgl. Lübbe, a. a. O.
31Bei der Beurteilung der Situation in einem Mitgliedstaat und der für einen Asylbewerber dort bestehenden tatsächlichen Risiken im Falle einer Überstellung sind Stellungnahmen des UNHCR ebenso heranzuziehen wie regelmäßige und übereinstimmende Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie sonstige Berichte der europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission.
32Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a. a. O., sowie vom 30.05.2013 – C-528/11 –, juris.
33Für die Rechtsfrage einer Verletzung des Art. 3 EMRK hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) eine Orientierungs- und Leitfunktion.
34Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und nach Auswertung der aktuellen Auskunfts- und Erkenntnislage zu Ungarn steht es zur Überzeugung der Kammer fest, dass dem Kläger bei einer Überstellung nach Ungarn bereits aufgrund der dort bestehenden Inhaftierungspraxis die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der EMRK mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
35Asylsuchende unterliegen in Ungarn einem erheblichen Risiko, für einen längeren Zeitraum in Haft genommen zu werden. Dies gilt in besonderem Maße für den Personenkreis der nach der Dublin III-VO rücküberstellten Asylsuchenden, d. h. Personen, die bereits ein Asylverfahren in Ungarn durchgeführt hatten, das entweder noch nicht abgeschlossen oder mit negativem Ausgang beendet ist. Denn diese werden nach den Erkenntnissen des UNHCR
36vgl. Auskunft vom 30.09.2014 an das VG Bremen
37mit Ausnahme von Familien oder besonders vulnerablen Personen bei Rückkehr nach Ungarn stets in Haft genommen.
38Diese Inhaftierungspraxis begegnet bereits deshalb Bedenken, weil nach den UNHCR-Richtlinien zur Inhaftierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden Asylsuchende grundsätzlich nicht in Haft genommen werden sollten und Haft immer nur das letzte Mittel darstellen darf. Da Asylsuchende meist bereits traumatisierende Erfahrungen gemacht haben, kann sie nämlich eine Inhaftierung mit besonderer Härte treffen.
39Vgl. UNHCR vom 30.09.2014 an das VG Bremen unter Hinweis auf UNHCR, Detention Guidelines, 2012.
40Diesen Anforderungen wird die in dem seit dem 01.07.2013 geltenden ungarischen Asylgesetz geregelte Möglichkeit einer Inhaftierung von Asylbewerbern bis zu sechs Monaten schon deshalb nicht gerecht, weil die dort genannten Gründe für eine Asylhaft sehr weit und teilweise vage formuliert sind und auch die Anordnung der Haft durch die Verwaltungsbehörde nach der Auskunft des UNHCR nicht mit Gründen versehen wird. Die ungarischen Behörden scheinen dabei bei Dublin-Rückkehrern generell eine Fluchtgefahr anzunehmen,
41vgl. UNHCR vom 09.05.2014 an das VG Düsseldorf.
42Ein solches Vorgehen, bei dem Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, wird den europarechtlichen Vorgaben nicht im Ansatz gerecht. Zwar sieht die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Aufenthaltsrichtlinie) in Art. 8 Abs. 2 die Möglichkeit der Inhaftierung von Asylbewerbern unter anderem bei Fluchtgefahr vor. Die Normen des europäischen Flüchtlingsrechts stehen aber einer generellen Inhaftierung von Gruppen von Asylbewerbern eindeutig entgegen, vgl. etwa § 8 Abs. 1, 2 und 4 der Aufenthaltsrichtlinie und Art. 28 Dublin III-VO. Das von diesen Normen statuierte Erfordernis einer Einzelfallprüfung und der strikten Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird in Ungarn nach allen der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnissen systematisch missachtet. Die flächendeckende Inhaftierung verstößt dabei nicht nur gegen das Verbot der unrechtmäßigen Inhaftierung des Art. 5 EMRK, sondern begründet angesichts der regelmäßig langen Dauer der Inhaftierung und der Umstände in der Haft die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit Art. 4 GrCh.
43Denn es gibt gegen die Verhängung von Asylhaft keinen effektiven Rechtsschutz des Betroffenen. Alternativen zur Haft, wie etwa das Hinterlegen einer Kaution, werden kaum in Erwägung gezogen. In der Praxis führt dies dazu, dass die Gründe für eine Inhaftierung mangels individualisierter Begründung häufig nicht nachvollziehbar sind und willkürlich erscheinen.
44Vgl. UNHCR vom 09.05.2014 an das VG Düsseldorf; Report des Kommissars für Menschenrechte des Europäischen Rates, Nils Muiznieks, vom 16.12.2014 über einen Besuch Ungarn im Juli 2014 (Muiznieks-Report), Rdnr. 155 f.
45Darüber hinaus ist die gerichtliche Überprüfung und Kontrolle von Haftgründen und Haftverlängerungen nach den vorliegenden Erkenntnissen völlig unzureichend. So verlängern die ungarischen Gerichte die Haftanordnungen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung meist um die maximal mögliche Spanne von 60 Tagen. Dabei werden die Häftlinge dem Gericht in Gruppen vorgeführt, so dass für die Bearbeitung eines Einzelfalls meist weniger als drei Minuten zur Verfügung stehen.
46Vgl. UNHCR vom 09.05.2014 an das VG Düsseldorf
47Dass bei dieser Verfahrensweise eine individuelle Prüfung von Haftgründen nicht möglich (und nach der herrschenden ungarischen Rechtsauffassung wohl auch gar nicht erforderlich) ist, liegt auf der Hand. Folge dieser Verfahrensweise ist es, dass die maximale Haftdauer in vielen Fällen voll ausgeschöpft wird.
48So PRO ASYL vom 31.10.2014 an das VG Düsseldorf.
49Hinzu kommt, dass Asylsuchende nach den gesetzlichen Bestimmungen in Ungarn zwar Anspruch auf eine kostenlose Rechtsberatung haben, in der Praxis jedoch eine qualifizierte Beratung durch das staatliche Rechtshilfesystem aber nicht zur Verfügung steht. So ist in den Haftanstalten der Zugang zu einer Rechtsberatung praktisch nur über Vertragsanwälte des Hungarian Helsinki Committee (HHC) möglich, die die Einrichtungen einmal pro Woche besuchen, was zur Folge hat, dass nur eine Minderheit der inhaftierten Asylsuchenden Rechtsberatung erhält oder anwaltlich vertreten wird.
50Vgl. UNHCR vom 30.09.2014 und PRO ASYL vom 31.10.2014, beide an das VG Düsseldorf.
51Diese Bedingungen führen dazu, dass ein Asylhäftling weitgehend rechtsschutzlos gestellt ist und zu einem reinen Objekt des Verfahrens der Haftanordnung sowie deren Überprüfung und Verlängerung herabgewürdigt wird.
52Schließlich entsprechen auch die Haftbedingungen nach den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht den Mindeststandards an eine menschenwürdige Unterbringung und Behandlung. So wird dort vielfach schlecht geschultes Wach- und Betreuungspersonal eingesetzt. Auch ist eine angemessene medizinische Betreuung nicht gewährleistet. Eine Betreuung durch Psychologen findet nicht statt. Zudem erfüllen einige Hafteinrichtungen nicht die hygienischen Mindeststandards. Hinzu kommen Berichte über Misshandlungen und Schikanen sowie Beschwerden über brutale Übergriffe.
53Vgl. UNHCR vom 09.05.2014 an das VG Düsseldorf und vom 30.09.2014 an das VG Bremen; PRO ASYL vom 31.10.2014 an das VG Düsseldorf.
54Die systematisch angewendete Praxis, Asylhäftlinge angeleint und in Handschellen bei auswärtigen Terminen (etwa bei Behörden- oder Arztbesuchen) vorzuführen, stellt bereits für sich genommen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar. Die erkennende Kammer schließt sich hierbei in vollem Umfang der Bewertung des UNHCR
55vgl. Auskünfte vom 09.05. und 30.09.2014 an das VG Düsseldorf
56an. An dieser Einschätzung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass eine derartige Behandlung bei Straftätern in Ungarn allgemein üblich ist. Denn abgesehen davon, dass es bereits fraglich erscheint, ob ein „Ausführen“ von Strafgefangenen an einer Leine – zusätzlich zu einer Sicherung durch Handschellen – noch mit den Regelungen der EMRK vereinbar ist, sind Asylsuchende keine Straftäter, so dass sich eine Gleichbehandlung bereits aus diesem Grund verbietet. Hierauf weist auch der UNHCR in seinen Detention Guidelines (a.a.O.) ausdrücklich hin. Danach sollen Asylsuchende in der Asylhaft mit Würde und entsprechend internationaler Standards behandelt werden. Insbesondere soll die Asylhaft keinen bestrafenden Charakter haben.
57Insgesamt lassen die vorstehend dargestellte Inhaftierungspraxis sowie die dabei herrschenden Haftbedingungen nach Überzeugung der Kammer nur den Schluss zu, dass das Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen in Ungarn jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung regelhaft derart defizitär sind, dass dem Kläger dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
58So unter Berücksichtigung der neueren Entwicklung im Ergebnis auch: VG Münster, Beschluss vom 07.07.2015 – 2 L 858/15.A –, VG Bremen, Beschluss vom 01.04.2015 – 3 V 145/15 –, VG München, Beschluss vom 20.02.2015 – M 24 S 15.50091 – und VG Berlin, Beschluss vom 15.01.2015 – 23 L 899.14 A – jeweils m. w. N., alle juris; a. A. u.a. VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2015 – 13 K 501/14.A – (nicht rechtskräftig), VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.06.2015 – 7a L 1208/15.A –, BayVGH, Beschluss vom 12.06.2015 – 13a ZB 15.50097 – alle juris.
59Dieser Einschätzung steht nicht der Umstand entgegen, dass der UNHCR trotz seiner Kritik an der Inhaftierungspraxis Ungarns kein Positionspapier herausgegeben hat, in dem die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgefordert werden, von Überstellungen Asylsuchender nach Ungarn gemäß der Dublin-Verordnung abzusehen. Denn der UNHCR hat in seiner Stellungnahme vom 30.09.2014 an das VG Bremen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er derartige Empfehlungen bislang lediglich in Ausnahmekonstellationen ausgesprochen habe und aus der Tatsache des Fehlens einer Äußerung in einem UNHCR-Papier, ob bestimmte Mängel einer Überstellung in den betreffenden Staat entgegenstünden, nicht geschlossen werden könne, der UNHCR vertrete die Auffassung, dass keine einer Überstellung entgegenstehenden Umstände vorlägen oder im Einzelfall vorliegen könnten. Dies sei deshalb der Fall, weil sich die betreffenden Papiere zumeist in erster Linie mit Empfehlungen zur Verbesserung des Flüchtlingsschutzes an die betreffende Regierung richteten. Nach Auffassung des UNHCR ist es die Aufgabe der Behörden und Gerichte, im Einzelfall zu entscheiden, ob drohende Verletzungen von Art. 3 EMRK eine Überstellung in einen Mitgliedstaat ausschließen.
60So UNHCR vom 30.09.2014 an das VG Bremen.
61Ebenso wenig gebietet der Umstand, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 03.07.2014 (Mohammadi / Österreich, Nr. 71932/12) entschieden hat, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-Verordnung einer Behandlung ausgesetzt zu sein, die Art. 3 EMRK verletzen würde. Denn diese Einschätzung beruhte im Wesentlichen auf der Erwartung, dass die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Gesetzesänderungen in Ungarn zu einer positiven Entwicklung des ungarischen Asylsystems führen würden. Diese Erwartungen haben sich indessen – wie die oben dargelegten aktuellen Erkenntnisse zur Inhaftierungspraxis in Ungarn sowie den dort herrschenden Haftbedingungen für Asylbewerber zeigen – nicht erfüllt.
62Unabhängig von der menschenrechtswidrigen Inhaftierungspraxis Ungarns bestehen systemische Mängel in dem oben beschriebenen Sinn zur Überzeugung der Kammer aber auch aufgrund der Entwicklungen der jüngsten Zeit.
63Denn in der ersten Jahreshälfte 2015 sind nach Angaben der Regierung bis zu 72.000 Flüchtlinge nach Ungarn eingereist. Bis zum 14.07.2015 sollen es bis zu 78.000 Flüchtlinge gewesen sein,
64vgl. Pressemitteilung des ungarischen Minstry of Foreign Affairs and Trade vom 14.07.2015 „Steady migratory pressure necessitates border fence”
65Andere Quellen sprechen von 61.000 Flüchtlingen.
66So die Pressemitteilung des UNHCR vom 02.07.2015, „UNHCR urges Hungary not to amend its asylum system in a rush, ignoring international standards“.
67Die Aufnahmekapazitäten liegen bei maximal 2.500 Plätzen für Flüchtlinge. Bei einem Verhältnis von bis zu 29 Flüchtlingen im Halbjahr für einen Aufnahmeplatz ist für die Kammer schon im Ansatz nicht mehr erkennbar, wie hier eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge gewährleistet sein soll,
68vgl. zu einer ähnlichen Überlegung zu Italien bei einem zahlenmäßig noch deutlich günstigeren Verhältnis von ca. 35.000 Aufnahmeplätzen und 7.900 Flüchtlingen in den ersten zwei Monaten 2015 VG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2015 – 8 K 1694/15.A – juris Rz. 40 ff.
69Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass zahlreiche Flüchtlinge, soweit sie nicht inhaftiert werden, untertauchen und in weitere EU-Länder weiterreisen. Denn angesichts der enorm hohen Zahl, die sich binnen weniger Jahre vervielfacht hat, sind die Aufnahmekapazitäten völlig unzureichend. Es ist ausgeschlossen, dass Unterkunft und Verpflegung in einem Mindestansprüchen genügenden Sinne vorgehalten werden, um die häufig traumatisierten Flüchtlinge ausreichend zu versorgen. Viele Flüchtlinge werden dementsprechend auf der Straße leben, wo sie einer feindseligen Umgebung und einer zunehmenden Anzahl an rassistischen Übergriffen ausgesetzt sind.
70Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner abschließenden Entscheidung, ob durch die jüngst verabschiedeten Gesetzesänderungen weitere systemische Mängel im ungarischen Asylsystem vorliegen,
71vgl. UNHCR, UNHCR urges Hungary not to amend asylum system in haste.
72Insbesondere die Gesetzesänderung, nach der ein Asylverfahren eingestellt werden kann, wenn Flüchtlinge für die Dauer von 48 Stunden nicht in der Aufnahmeeinrichtung, der sie zugewiesen worden sind, angetroffen werden, dürfte schon im Ansatz nicht mehr mit rechtstaatlichen Grundsätzen vereinbar sein. Dies gilt umso mehr, als die oben geschilderten chaotischen Zustände in den ungarischen Flüchtlingseinrichtungen eine solche Feststellung der Abwesenheit praktisch immer möglich machen werden.
73Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung, ob die Rücküberführung nach Ungarn derzeit faktisch überhaupt möglich ist. Nachdem die ungarische Regierung am 22.06.2015 angekündigt hatte, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, hat sie dies zwar schon am Folgetag revidiert. Weiterhin existieren jedoch Berichte, nach denen maximal zwölf Flüchtlinge täglich durch die ungarischen Behörden im Rahmen von Dublin-Rücküberstellungen aufgenommen werden. Bei mehreren Tausend Flüchtlingen, die allein Deutschland nach Ungarn zurücküberstellen möchte, ist sehr zweifelhaft, ob es im streitgegenständlichen Einzelfall überhaupt zu einer Rücküberstellung kommen wird.
74Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 9. Januar 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 182/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Dezember 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
5I. Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 5. Dezember 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde (Bl. 63 f. Verwaltungsvorgang) am 2. Januar 2014 gemäß §§ 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG, 10 Absatz 5 AsylVfG in Verbindung mit § 178 Absatz 1 Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) dem Antragsteller persönlich zugestellt. Die einwöchige Antragsfrist begann demnach gemäß §§ 57 Absatz 2 VwGO, 222 Absatz 1 ZPO, 187 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 3. Januar 2015 und endete gemäß §§ 57 Absatz 2 VwGO, 222 Absatz 1 ZPO, 188 Absatz 1 BGB mit Ablauf des 9. Januar 2015. Der Antragsteller hat am 9. Januar 2015 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt und Klage erhoben.
7II. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
9Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Bulgarien für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
10Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf den Asylantrag des Antragsteller vom 29. September 2014.
11Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Bulgarien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
12Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 19. September 2014 vor seiner Einreise in die Bundesrepublik in Bulgarien gewesen. Überdies folgt aus dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen Vermerk des Bundesamtes vom 26. September 2014 (Bl. 30 des Verwaltungsvorgangs), dass ein entsprechender Eurodac-Treffer vorlag. Das Gericht hat keinen Anlass hieran zu zweifeln, zumal Bulgarien das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland vom 1. November 2014 (Bl. 33 ff. des Verwaltungsvorgangs) am 1. Dezember 2014 unter Bezugnahme auf Artikel 13 Absatz 1 Dublin III-VO angenommen hat (Bl. 48 des Verwaltungsvorgangs).
13Bulgarien ist daher grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen (Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen; sie endet erst am 1. Juni 2015. Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich der Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnte, da die Vorschrift ihm kein subjektives Recht einräumt.
14Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
15Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Bulgarien zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
16Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
17Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
18Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Bulgariens eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Bulgarien abzuschieben.
19Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
20Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
21Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Bulgarien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
22EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
23der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben syste-misch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
24Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
25Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
27Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
28Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
29Im Eilverfahren bedeutet dies, dass das erkennende Gericht bei der nur möglichen summarischen Prüfung anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen hat, ob der aufnehmende Mitgliedstaat trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint.
30Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 23 L 899.14 A –, juris, Rn. 6 m.w.N. und 4. August 2014 – 34 L 78.14 A –, juris, Rn. 9.
31Bei der Bewertung der in Bulgarien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
32vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
33Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die – wie der Antragsteller – vor der Ausreise aus Belgien dort noch keinen ersten Asylantrag gestellt haben.
34Gemessen hieran und unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen.
35Das Gericht verkennt zwar nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände in Bulgarien. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. So listen Amnesty International in seinem Bericht vom März 2014 sowie European Council on Refugees and Exiles (ECRE) in seiner Stellungnahme vom 7. April 2014 – trotz Anerkennung gewisser Verbesserungen – weiterhin mangelhafte Bedingungen auf und plädieren dafür, von einer Überstellung von Flüchtlingen nach Bulgarien abzusehen. Auch Bordermonitoring führt in seinem Bericht vom 7. Juli 2014 über die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien Missstände auf und spricht sich gegen Überstellungen im Dublin-Verfahren nach Bulgarien aus, solange in Bulgarien keine menschliche Behandlung aller Asylsuchenden gewährleistet ist.
36VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris, Rn. 17.
37Indes ist für das Gericht entscheidend, dass UNHCR in seiner aktualisierten Bestandsaufnahme vom April 2014 („UNHCR Observations: Current Situation of Asylum in Bulgaria – April 2014“) nicht mehr darauf beharrt, von Dublin-Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien abzusehen. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office – EASO) hat ebenfalls keine Empfehlung ausgesprochen, von der Rückstellung nach Bulgarien abzusehen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Drittstaat, der nach den Kriterien der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind,
38vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, NVwZ-RR 2013, 660.
39Maßgebend für UNHCR war, dass die bulgarischen Behörden und ihre Partner in den letzten drei Monaten signifikante Anstrengungen mit Blick auf die Lebensbedingungen für Asylsuchende und das Asylsystem unternommen haben. Die Bedingungen in den Aufnahmezentren haben sich verbessert. Es gibt Zugang zur medizinischen Versorgung. Auch die Unterstützung durch EASO brachte erhebliche Verbesserungen. In dem Bericht des UNHCR ist ausgeführt, trotz weiter gegebener Schwächen und Defizite des Asylsystems in Bulgarien sei angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen, zahlreichen Verbesserungen eine allgemeine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien – mit Ausnahme besonders schutzwürdiger Personen – nicht mehr angezeigt. Die in den Aufnahmezentren festgestellten Bedingungen hätten sich seit Dezember 2013 spürbar verbessert; dies betreffe den Zugang zur medizinischen Primärversorgung, Unterstützung durch Dolmetscherdienste im Anmelde- und Asylverfahren, bei der Unterkunft und der finanziellen Unterstützung. Bulgarien sei von der EU finanziell, logistisch und personell unterstützt worden. Die bulgarische Regierung hab sich dem Problem nicht verschlossen, sondern konstruktiv mit UNHCR und EASO zusammengearbeitet.
40VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris Rn. 18; VG Bremen, Urteil vom 16. Juli 2014 – 1 K 152/14 –, juris Rn. 32; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30366 –, juris, Rn. 27; VG München, Beschluss vom 07. Mai 2014 – M 11 S 14.50163 –, juris, Rn. 17 ff.
41Dabei ist zu betonen, dass es sich hier bei der Beurteilung des Antragstellers nicht allgemein um einen Flüchtling handelt, der etwa erneut illegal über die Außengrenzen einreist, sondern dass es vorliegend um die Rückführung im Rahmen einer Dublin-Überstellung von der Bundesrepublik Deutschland nach Bulgarien geht. Asylbewerber, die wie der Antragsteller aus anderen Mitgliedsstaaten der EU nach Bulgarien zurückkehren, haben aber grundsätzlich keine Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren aufgrund ihrer Rückkehr. Anders mag es aussehen, wenn die Statusentscheidung in der ersten Instanz bereits in Abwesenheit getroffen und endgültig wurde,
42vgl. hierzu UNHCR, Observations On The Current Situation Of Asylum In Bulgaria vom 2. Januar 2014, S. 5; AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Bulgaria” vom April 2014, S. 24.
43Der Antragsteller hat in Bulgarien aber noch kein Asyl beantragt, weshalb er mit den in den vorstehend zitierten Berichten genannten Schwierigkeiten nicht zu rechnen braucht und das Gericht demnach im vorliegenden Verfahren auch nicht darüber zu befinden hat, ob sich hieraus hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme systemischer Mängel ergäben.
44Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse geht das Gericht im Ergebnis davon aus, dass die noch bestehenden Umstände jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
45Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris Rn. 19.
46Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG keine Bedenken. Es sind weder zielstaatsbezogene noch in der Person der Antragstellers, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
48Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Hier weiter
II.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Das am 13. Juli 2015 bei Gericht eingegangene Rechtsschutzgesuch mit dem sinngemäß (§ 88 VwGO) gestellten Antrag,
3unter Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 3. Juni 2015 in dem Verfahren 15 L 811/15.A die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 1862/15.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. Februar 2015 anzuordnen, soweit dort unter Ziffer 2 die Abschiebung der Antragsteller nach Ungarn angeordnet ist,
4hat keinen Erfolg.
5Es ist als Abänderungsgesuch im Sinne des § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.
6Nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
7Soweit die Antragsteller geltend machen, die Abschiebungsanordnung sei wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der in Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III‑VO bestimmten Frist zur Überstellung nach Ungarn nunmehr rechtswidrig, weil der Fristablauf zur Folge habe, dass entgegen den Vorgaben des § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG Ungarn als Zielstaat der Abschiebung nicht mehr der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat im Sinne von § 27 a AsylVfG sei und deshalb auch nicht feststehe, dass die Abschiebung nach Ungarn durchgeführt werden könne, rechtfertigt dieses Vorbringen den Erfolg des Abänderungsgesuchs nicht. Die ursprünglich begründet gewesene Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des im Bundesgebiet am 4. November 2014 gestellten Schutzgesuchs der Antragsteller besteht im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) fort und liegt entgegen der rechtlichen Annahme der Antragsteller (zumindest) nicht (mehr) bei der Bundesrepublik Deutschland.
8Nachdem Ungarn dem auf beide Antragsteller bezogenen Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes mit Schreiben vom 5. Januar 2015 entsprochen hatte, war der ungarische Staat verpflichtet, die Antragsteller aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für ihre Ankunft zu treffen (vgl. Art. 25 Abs. 2 Dublin III‑VO). Die sich hieraus ergebenden rechtlichen Verpflichtungen erkennt der ungarische Staat weiterhin an, obwohl die in Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III‑VO normierte Überstellungsfrist mit Ablauf des 5. Juli 2015 verstrichen war.
9Gemäß Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III‑VO erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedsstaat nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats und nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist, spätestens aber innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme‑ oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III‑Verordnung aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist nach Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin III‑VO der zuständige Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Gemäß Satz 2 der genannten Norm kann die Frist höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf 18 Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.
10Da Gründe für eine Verlängerung der Überstellungsfrist im Sinne des Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin III‑VO weder dargetan noch sonst ersichtlich sind, war die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III‑VO, die nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs am 5. Januar 2015 tags darauf zu laufen begonnen hatte, mit Ablauf des 5. Juli 2015 verstrichen.
11Auf den durch die Annahme des (Aufnahme- bzw.) Wiederaufnahmegesuchs ausgelösten Lauf der Überstellungsfrist wirkt sich dabei auch ein ‑ wie hier im Verfahren 15 L 1862/15.A ‑ fristgerecht gestellter Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO gerichtet auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung als Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Dublin III‑VO weder hemmend noch unterbrechend aus. § 34 a Abs. 2 S. 2 AsylVfG, der die Vorgabe des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) S. 2 Dublin III‑VO umsetzt, hindert zwar die Überstellung des Rechtsschutzsuchenden in den Zielstaat der Abschiebung bis zum (negativen) Abschluss des Eilverfahrens, bleibt aber im Sinne des Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III‑VO rechtlich bedeutungslos für den Lauf der Überstellungsfrist. Denn nicht dem vorläufigen Rechtsschutzgesuch selbst, sondern allein der Klage als dem Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Dublin III‑VO kann aufschiebende Wirkung zukommen, wenn denn der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg hat.
12Vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 8. September 2014, 13 A 1347/14.A, www.nrwe.de und juris.
13Im Hinblick darauf, dass Ungarn im Fall der Antragsteller von seinem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III‑VO bestimmten Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht hat, kann hier offen bleiben, ob die Ausübung dieser Befugnis durch den ungarischen Staat bereits den mit Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin III‑VO regelmäßig bewirkten Zuständigkeitsübergang rechtlich gehindert oder aber Ungarn durch den Selbsteintritt in das Verfahren der Antragsteller eine zunächst auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangene Zuständigkeit wieder an sich gezogen hat.
14Dass Ungarn das Recht auf Selbsteintritt im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Dublin III‑VO im Fall der Antragsteller ausgeübt hat, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Entsprechend den Vorgaben, die das Übernahmeschreiben der ungarischen Behörden vom 5. Januar 2015 für die Überstellung der Antragsteller nach Ungarn enthält, hat das Bundesamt Ungarn am 15. Mai 2015 schriftlich die Rücküberstellung der Antragsteller auf dem Luftweg mit dem Zielflughafen C. International Airport für den 29. Juli 2015 und damit unter Wahrung des von Ungarn erbetenen Vorlaufs (sieben Tage) angekündigt. Dabei ist aus dem Umstand, dass Ungarn dieser Überstellungsankündigung nicht widersprochen hat, die (fortbestehende) Bereitschaft des ungarischen Staates zu schlussfolgern, den Antragstellern gegenüber mit deren Übernahme am 29. Juli 2015 und im Nachgang hierzu (wieder) die aus der Dublin III‑VO folgenden staatlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Einer dies bestätigenden schriftlichen Rückäußerung der ungarischen Behörden bedarf es hierzu nicht. Soweit die Antragsgegnerin diesbezüglich ‑ im Übrigen unwidersprochen ‑ vorträgt, es entspreche der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ungarn ständig geübten Überstellungspraxis, dass die ungarischen Behörden ihre Übernahmebereitschaft auf eine Überstellungsankündigung nicht schriftlich formulierten, sondern lediglich die Ablehnung einer Übernahme im konkreten Einzelfall schriftlich anzeigten, besteht kein Anlass, die Richtigkeit des Vorbringens in Abrede zu stellen. Namentlich steht die geschilderte Überstellungspraxis, die keinen rechtlichen Vorgaben zuwider läuft und damit zulässig ist, in Einklang mit den Vorgaben, die das Übernahmeschreiben der ungarischen Behörden vom 5. Januar 2015 enthält. Danach bedarf es zwecks Überstellung der Antragsteller keiner vorherigen Bestätigung der Übernahmebereitschaft durch die ungarischen Behörden.
15Der Annahme eines durch das Schweigen auf die Überstellungsankündigung gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III‑VO (konkludent) ausgeübten Selbsteintrittsrechts des ungarischen Staates, das entweder den Eintritt der an den Ablauf der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin III‑VO geknüpften Folgen rechtlich gehindert oder aber eine Rückübertragung der Zuständigkeit auf den ungarischen Staat bewirkt hat, stehen auch die jüngsten öffentlichen Äußerungen ungarischer Regierungsstellen zur weiteren Umsetzung des Dublin III-Abkommens nicht entgegen.
16Allerdings hat die Kammer jeweils mit Beschluss vom 24. Juni 2015 in den Verfahren 15 L 1781/15. A u. a. (n. v.) die aufschiebende Wirkung der ihnen zu Grunde liegenden Klagen gegen Bundesamtsbescheide angeordnet, soweit in diesen die Abschiebung der Rechtsschutzsuchenden nach Ungarn angeordnet ist, und zur Begründung darauf verwiesen, im Zeitpunkt der Beschlussfassung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) stehe nicht länger mit der nach § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG erforderlichen Gewähr fest, dass Ungarn als Zielstaat der Abschiebung auch die Bereitschaft besitzt, die nach Maßgabe der Rechtsvorschriften der Dublin III‑VO Abzuschiebenden tatsächlich aufzunehmen. An dieser Rechtsauffassung hält die Kammer indes nicht länger fest. Den mit der vorbezeichneten Begründung ausschließlich am 24. Juni 2015 gefassten Beschlüssen der Kammer lagen Presseberichte zu Grunde, nach denen Ungarn am 24. Juni 2015 das EU-Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen einseitig außer Kraft gesetzt und mitgeteilt hatte, bis auf Weiteres keine Flüchtlinge mehr zurückzunehmen, die aufgrund der Dublin III-VO abgeschoben werden sollen.
17http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-06/ungarn-ruecknahme-stop-fluechtlinge-eu; http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/ungarn-will-keine-fluechtlinge-mehr-aufnehmen-13664323.html; http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-in-europa-ungarn-schottet-sich-ab-1.2534693.
18Nach den seither gewonnenen Erkenntnissen, die gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG der hier zu treffenden Entscheidung zu Grunde zu legen sind, ist die am 24. Juni 2015 verlautbarte Äußerung regierungsamtlicher Stellen von offizieller Seite in Ungarn öffentlich korrigiert worden. So hat der ungarische Außenminister Peter Szijjarto noch am 24. Juni 2015 auf einer Pressekonferenz öffentlich erklärt, dass die ungarische Regierung keine EU-Regel ausgesetzt und keinen Aufnahmestopp für Flüchtlinge verfügt habe und Ungarn alle EU‑Verpflichtungen und Regelungen einhalten werde.
19Vgl. etwa www.tagesschau.de/ausland/ungarn-flüchtlinge-119.html;http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-nimmt-umstrittenen-fluechtlingsstopp-offenbar-zurueck-a-1040477.html;
20Hierbei handelt es sich auch offensichtlich nicht um eine nur politisch motivierte Äußerung, der die tatsächlich geübten Verwaltungspraxis in Ungarn widerspricht. Jedenfalls ist der Kammer im Rahmen ihrer Spruchpraxis auch nach dem 24. Juni 2015 kein Fall bekannt geworden, in denen die ungarischen Behörden ihre Mitwirkung an der Überstellung solcher Personen eingestellt oder gar verweigert hätten, die gemäß den Regelungen der Dublin III‑VO nach Ungarn zurückzuführen sind und zu deren Übernahme sich Ungarn ‑ wie hier ‑ unter Bezugnahme auf die Vorschriften dieser Verordnung ausdrücklich schriftlich bereit erklärt hat. Mithin fehlt es derzeit an konkreten Anhaltspunkten, die geeignet sind, die Bereitschaft des ungarischen Staates, die Antragsteller aufzunehmen und ihnen gegenüber die aus der Dublin III‑VO folgenden rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, ernsthaft in Abrede zu stellen.
21Im Ergebnis ebenso: Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 2. Juli 2015, 8 K 513/15.A. n. v., und Beschluss vom 25. Juni 2015; 13 L 2090/15.A, www.nrwe.de,
22Nach Auffassung der Kammer gibt auch die jüngste Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse in Ungarn keinen Anlass, entgegen der dem angefochtenen Beschluss zu Grunde liegenden und entsprechend der von den Antragstellern wiederholten Rechtsauffassung von systemischen Mängeln namentlich der Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in Ungarn auszugehen oder der Frage, ob solche vorliegen, im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen.
23A.A. zu Letzterem aber etwa Verwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 7. Juli 2015, 2 L 858/15.A, www.nrwe.de.
24Nicht zu verkennen ist allerdings, dass Ungarn sich in den vergangen Monaten ‑ wie auch Italien, die Bundesrepublik Deutschland und andere Staaten der Europäischen Union ‑ einer im Vergleich zum Vorjahr jeweils deutlich gestiegenen Zahl an Schutzsuchenden gegenüber sieht. Für sich genommen lässt sich hieraus allerdings auf eine dem Antragsteller mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Rechtsverletzung im oben bezeichnete Sinne nicht schließen. Dies gilt auch dann, wenn die Zahl der in Ungarn für Schutzsuchende vorgehaltenen Unterkünfte die Zahl der um Schutz Nachsuchenden rechnerisch deutlich unterschreitet.
25Vgl. zu dem zahlenmäßigen Verhältnis: Verwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 7. Juli 2015, 2 L 858/15.A, a. a. O.
26Abgesehen davon, dass schon die aus der Feststellung einer etwaigen Überbelegung abgeleitete Gefahr einer Obdachlosigkeit und / oder sonst mangelnden Grundversorgung einer Aufschlüsselung des Zahlenmaterials bedürfte, wie viele der jährlich neu in Ungarn um Schutz Nachsuchenden solche Unterkünfte überhaupt und für welchen Zeitraum in Anspruch nehmen und ob und inwieweit dies auch für "Dublin-Rückkehrer" gilt, ließe sich ein systembedingter Mangel der Aufnahmebedingungen für "Dublin-Rückkehrer" mit den hier allein entscheidungsrelevanten erniedrigenden und unmenschlichen Folgen für den Antragsteller nur dann verifizieren, wenn der ungarische Staat nicht gewillt oder in der Lage wäre, seinen aus Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK folgenden Verpflichtungen nachzukommen. Hierfür spricht auch derzeit entscheidungserheblich nichts. Namentlich lässt sich Derartiges nicht aus den öffentlichen Bekundungen der ungarischen Regierung ableiten, dass man eine nennenswerte Zuwanderung sog. Wirtschaftsflüchtlinge nicht wünsche und Ungarn keine multikulturelle Gesellschaft werden wolle.
27Vgl. Hungarian Helsinki Committee (HHC), Bericht vom 4. März 2015; Die Welt, Bericht vom 24. Juni 2015, Flüchtlingskrise: Warum Ungarn Angst vor zu vielen Asylbewerbern hat, abrufbar unter: http://www.welt.de/143027058.
28So lassen diese zukunftsgewandten politischen Äußerungen schon nicht erkennen, dass der ungarische Staat seine Verantwortung in tatsächlicher und / oder rechtlicher Hinsicht in Bezug auf solche Personen negiert, deren Aufnahme er ‑ wie hier ‑ im Rahmen der Regelungen der Dublin III‑VO bereits ausdrücklich zugestimmt hat.
29Nicht auszuschließen ist damit zwar, dass Schutzsuchende, die als "Dublin-Rückkehrer" nach Ungarn überstellt werden, in Einzelfällen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein werden. Der Eintritt solcher Rechtsverletzungen erweist sich dabei aber nach wie vor bei der hier allein gebotenen rechtlichen Betrachtung "lediglich" als Folge verschiedener, in ihrem Zusammentreffen nicht vorab feststehender und damit nicht vorhersehbarer Einzelfallumstände und nicht als Konsequenz eines systembedingten Mangels der in Ungarn herrschenden Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge. Dies gilt auch dann, wenn die Aufnahmebedingungen in Ungarn deutlich schlechter sein sollten als in der Bundesrepublik Deutschland.
30Schließlich hat auch der UNHCR, dessen Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in einem Mitgliedsstaat für die Frage nach systembedingten Verstößen gegen Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK angesichts der Aufgabe, die ihm durch die ‑ bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtenden ‑ Genfer Flüchtlingskonvention überantwortet wird, von hervorzuhebendem Gewicht ist,
31vgl. hierzu etwa: Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2015, 13 K 501/14.A., a. a. O., und Beschluss vom 21. April 2015, 15 L 950/15.A, n. v.; Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 26. Januar 2015, Au 7 S 15.50015, juris,
32bislang kein Positionspapier erstellt, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ersucht, von einer Rückführung von Schutzsuchenden nach Ungarn nach der Dublin II-VO oder der Dublin III-VO derzeit abzusehen.
33Vgl. hierzu schon: EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014, 71932/12 (Mohammadi gegen Österreich) Nr. 69 , www.egmr.org.
34Soweit § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG den Erlass der Abschiebungsanordnung tatbestandlich daran anknüpft, dass feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, steht nach allem auch diesbezüglich ihre (andauernde) Rechtsmäßigkeit außer Zweifel.
35Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
36Der Wert des Verfahrensgegenstandes ergibt sich aus § 30 RVG.
37Der Beschluss ist unanfechtbar; § 80 AsylVfG.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.