Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Juli 2016 - 27 K 2032/15
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 (I-S-5.1-4-8-1/-2, 4 bis 12) betreffend die analogen terrestrischen Übertragungskapazitäten (UKW) in Dorsten, Essen, Bochum, Hagen, Köln, Krefeld, Mülheim, Attendorn, Lennestadt, Olpe und Herdecke wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen – mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattet werden – die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 v.H. des jeweils aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der der Verbreitung eines Hörfunkprogramms dienenden Zuweisung von insgesamt elf terrestrischen Übertragungskapazitäten durch die Beklagte an die Beigeladene bei gleichzeitiger Ablehnung des Antrags der Klägerin.
3Dieser Zuweisung lag zu Grunde, dass im Zuge eines Frequenztausches zwischen dem Netzwerk von Radio- und Fernsehsendern zum Betrieb eines Soldatensenders für die britischen Truppen (British Forces Broadcasting Service – BFBS) und dem Deutschlandradio im Jahre 2010 sieben UKW-Frequenzen in Nordrhein-Westfalen (Dorsten, Essen, Bochum, Hagen, Köln, Krefeld und Mülheim) frei wurden.
4In einem vor diesem Hintergrund angestoßenen Konsultationsprozess meldeten sich ca. 20 Interessenten bei der Beklagten, die überwiegend an einer Zuweisung des gesamten Frequenzpaketes interessiert waren. Hierüber informierte der Direktor der Beklagten die Medienkommission der Beklagten auf deren 26. Sitzung am 1. April 2011 und erstellte sodann auf deren Bitte eine schriftliche Information Nr. V-53/11 vom 12. April 2011 über die Ergebnisse des Konsultationsprozesses und das weitere Vorgehen einschließlich der Ankündigung einer Bedarfsmeldung für eine landesweite Bedeckung, die auf der folgenden Sitzung der Medienkommission vom 13. Mai 2011 zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. Daraufhin meldete der Direktor der Beklagten mit Schreiben vom 25. Mai 2011 bei der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen den Bedarf an Übertragungskapazitäten für eine landesweite private Bedeckung mit UKW-Tonrundfunk.
5Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 und 4. Februar 2013 teilte der Direktor der Beklagten der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen mit, dass unter anderem sechs weitere Übertragungskapazitäten (Erkelenz, Geilenkirchen, Attendorn, Lennestadt, Olpe und Herdecke) nicht mehr zur Verbreitung des lokalen Hörfunks benötigt würden und regte unter Bezugnahme auf die erfolgte Bedarfsmeldung an, diese Kapazitäten in die begehrte Zuordnung einzubeziehen.
6Mit Schreiben vom 29. Juli 2013 gab die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen (MBEM) dem Deutschlandradio, der Beklagten und dem Westdeutschen Rundfunk Köln gemäß § 11 Abs. 1 des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (LMG NRW) a.F. die zuvor genannten insgesamt 13 dem Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten bekannt, wies auf die diesbezügliche Bedarfsmeldung der Beklagten vom 25. Mai 2011 hin und bat um Mitteilung einer entsprechenden Zuordnung entgegenstehender Bedenken; weitere Übertragungskapazitäten würden dem Land voraussichtlich innerhalb von 18 Monaten zur Verfügung stehen. Zu Letzteren teilte die MBEM der Beklagten unter dem 7. August 2013 elf weitere, noch nicht abschließend koordinierte UKW-Frequenzen mit.
7Nach entsprechender Zustimmung durch das Deutschlandradio und den Westdeutschen Rundfunk Köln ordnete die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen mit Bescheid vom 2. September 2013 die zuvor genannten 13 Übertragungskapazitäten der Beklagten zur programmlichen Nutzung für privaten Hörfunk bis zum 31. Dezember 2028 zu.
8Im weiteren Verlauf vertrat der Direktor der Beklagten gegenüber der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen die Einschätzung, alle ihr für den landesweiten Bedarf zugeordneten Übertragungskapazitäten nunmehr als solche ausschreiben zu müssen, ohne hiervon möglicherweise künftig für den lokalen Hörfunk in Heinsberg und Olpe benötigte Kapazitäten auszunehmen. Hierzu wies die MBEM darauf hin, dass die Zuordnung vom 2. September 2013 für privaten Hörfunk keine weitere Nutzungseinschränkung enthalte, so dass eine Verwendung auch für lokalen Hörfunk möglich sei.
9Wie auf ihrer Homepage und im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Februar 2014 (MBl. NRW. 2014 S. 65) bekannt gemacht schrieb die Beklagte im Zeitraum vom 6. Februar bis zum 28. April 2014 elf der ihr zugeordneten 13 analogen terrestrischen Übertragungskapazitäten (UKW) für die landesweite Verbreitung oder Weiterverbreitung von privatem Hörfunk zur Zuweisung aus, wies dabei darauf hin, dass die der Ausschreibung zugrundeliegenden Frequenzen eine landesweite flächendeckende Versorgung in Nordrhein-Westfalen nicht ermöglichten, es sich vielmehr angesichts weiterer freier bzw. freiwerdender und in der Folge gegebenenfalls ebenso zuzuordnender Übertragungskapazitäten um einen ersten Schritt zur Realisierung eines landesweit verbreiteten Hörfunkprogramms handele; die zwei ehemaligen Lokalfunkfrequenzen für den Kreis Heinsberg (Erkelenz und Geilenkirchen), die ebenfalls von der bestehenden Zuordnung erfasst würden, seien nicht Gegenstand der Ausschreibung, da eine erneute Etablierung von lokalem Hörfunk dort nicht unwahrscheinlich erscheine.
10Bis zum Ablauf der Antragsfrist gingen bei der Beklagten zwölf Zuweisungsanträge ein, wovon einer – derjenige der O. I. S mbH & Co. KG – später zurückgenommen wurde.
11Nach entsprechender Information zum Verfahrensstand überwies die Medienkommission die Zuweisungsangelegenheit in ihrer 59. Sitzung vom 29. August 2014 zur Vorberatung an den Programmausschuss. Unmittelbar im Anschluss an die 47. Sitzung dieses Ausschusses am 27. Oktober 2014 wurden alle Antragstellenden angehört und in der folgenden Sitzung am 6. November 2014 nach Vorlage eines Berichts zu dieser Anhörung und Erläuterung eines Schaubildes zur „Versorgung UKW-Kette lt. Ausschreibung mit 11 Frequenzen“, demzufolge durch die betreffenden Übertragungskapazitäten ca. 1 Mio. Menschen sicher und weitere ca. 2,6 Mio. Menschen bedingt versorgt würden, Bilanz gezogen. Entsprechend dem einstimmigen Ergebnis dieser Sitzung wurden sodann in der 49. Sitzung des Programmausschusses am 17. November 2014 fünf Bewerber im Detail in den Blick genommen, anschließend ausführlich und teilweise kontrovers diskutiert und sich schließlich mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Direktor um die Erarbeitung einer Vorlage zu bitten, die der Medienkommission die Zuweisung der Übertragungskapazitäten an die Beigeladene empfehlen könnte. Der betreffenden, an alle Kommissionsmitglieder versandten Vorlage des Direktors Nr. V-424/14 vom 5. Dezember 2014 zur Zuweisung der Übertragungskapazitäten an die Beigeladene stimmte der Programmausschuss in seiner 50. Sitzung am 8. Dezember 2014 laut Niederschrift „bei vier Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen einstimmig zu“.
12Daraufhin wurde die Angelegenheit in der 63. Sitzung der Medienkommission am 12. Dezember 2014 – ohne Teilnahme von fünf Mitgliedern zu speziell diesem Tagesordnungspunkt – ausführlich diskutiert, die Entscheidung jedoch vertagt und auch den Kommissionsmitgliedern mit einer weiteren Information des Direktors Nr. V-184/14 der Bericht zur Anhörung der Antragstellenden zur Kenntnis gebracht.
13Zur 64. Sitzung am 23. Januar 2015 wurden die Mitglieder der Medienkommission mit Schreiben ihres Vorsitzenden vom 9. Januar 2015 geladen. In der in diesem Schreiben angeführten Tagesordnung wurde unter Punkt 15 (nach Einfügung eines Tagesordnungspunktes im weiteren Verlauf Punkt 16) die „Zuweisung von Übertragungskapazitäten gem. §§ 12, 17 LMG NRW – hier: Ausschreibung analoger terrestrischer Übertragungskapazitäten (UKW) - landesweite Kette“ angeführt. Nach der Unterschrift des Vorsitzenden wurde festgestellt, dass die Tagesordnungspunkte 10-21 voraussichtlich in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt würden. Hierzu fertigte die Rechtsabteilung der Beklagten einen Vermerk vom 19. Januar 2015 mit dem Betreff „Sitzung der Medienkommission am 23.1.2015 – Ergebnis der Prüfung zum öffentlichen/nicht-öffentlichen Teil“, in dem zu den Tagesordnungspunkten (TOP) 15-20 festgestellt wird, dass es bei sämtlichen Punkten voraussichtlich um die Erörterung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gehen werde, so dass eine Behandlung in nicht-öffentlicher Sitzung empfohlen werde. Zusammenfassend wurde am Ende des Vermerks folgender Ablauf festgehalten: „Eröffnung der Sitzung – 1. b) Genehmigung der Tagesordnung – Hinweis dass die TOPs 10-21 aufgrund von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie aus Gründen des Persönlichkeitsrechtsschutzes in nicht-öffentlicher Sitzung zu behandeln sind – in öffentlicher Sitzung Beschluss (Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der Medienkommission), dass die genannten TOPs in nicht-öffentlicher Sitzung beraten und beschlossen werden (…)“.
14Ausweislich der Niederschrift vom 10. Februar 2015 über die 64. Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015, der die genannte Tagesordnung (ohne Ausführungen zur öffentlichen Behandlung der einzelnen Punkte) vorangestellt ist, wurde nach Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden die Beschlussfähigkeit festgestellt und anschließend durch die Medienkommission „die Tagesordnung unter Berücksichtigung der Hinweise zum Ausschluss der Öffentlichkeit bei den Tagesordnungspunkten 10 bis 21 sowie 24 einstimmig“ genehmigt, wurden diese Tagesordnungspunkte sodann unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten, wobei nur zur Beratung des streitbefangenen Tagesordnungspunktes 16 zwei der damals insgesamt 28 Kommissionsmitglieder den Sitzungssaal verließen, und wurde schließlich mit 16 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen der Vorlage V-424/14 mehrheitlich zugestimmt – ebenso wie unter dem Tagesordnungspunkt 17 einstimmig der Vorlage V-433/15 zur Zulassung der Beigeladenen zur Veranstaltung von Rundfunk.
15Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 11. Februar 2015 den streitgegenständlichen – der Klägerin am 13. Februar 2015 zugestellten – Bescheid (Az.: I-S-5.1-4-8-1/-2, 4 bis 12), mit dem der Beigeladenen für die landesweite terrestrische Verbreitung des Hörfunkprogramms „N. G. “ die im einzelnen unter anderem mit Senderstandort, Frequenz und Leistung dargestellten elf Übertragungskapazitäten (Dorsten, Essen, Bochum, Hagen, Köln, Krefeld, Mülheim, Attendorn, Lennestadt, Olpe und Herdecke) für die Dauer von zehn Jahren zugeordnet wurden (Ziffer 1), den Zuweisungsanträgen der übrigen Antragsteller nicht entsprochen wurde (Ziffer 4), die sofortige Vollziehung dieses Bescheides angeordnet wurde (Ziffer 5) und der Zuweisungsnehmerin sowie den übrigen Antragstellenden die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden, die Entscheidung über die Höhe der Kosten aber einem gesonderten Bescheid vorbehalten wurde (Ziffer 6). In der Begründung werden zunächst zum Sachverhalt das Verfahren und die einzelnen Anträge der elf verbliebenen Antragsteller hinsichtlich deren Beteiligungsverhältnissen und programmlichen Angaben zu der Zielgruppe, dem Musikformat, dem Programm, den räumlichen Bezügen der Berichterstattung, dem Wort-/Musikverhältnis und den redaktionellen Mitarbeitern sowie die derzeitige programmliche Versorgung in Nordrhein-Westfalen dargestellt. Zum letztgenannten Punkt wird – ausdrücklich ohne detaillierte Berücksichtigung einiger weniger Programme mit nur sehr geringer Reichweite (neben einigen öffentlich-rechtlichen Programmen die deutschsprachigen Programme aus Belgien, die BFBS-Hörfunkprogramme, Campus- und Einrichtungsradios) – die Marktsituation der terrestrisch analog über UKW und digital über DAB+ verbreiteten und zu empfangenden Programme in Nordrhein-Westfalen beschrieben. Für die weitere Abwägung verblieben somit terrestrisch über UKW sechs private einstrahlende Hörfunkprogramme, 44 private Lokalradios, das E, acht öffentlich-rechtlich einstrahlende Programme sowie die Programme des WDR und des Deutschlandradio, über DAB+ auf dem bundesweiten Multiplex neun private und vier öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme, auf dem landesweiten Multiplex 13 öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme und/oder Dienste sowie zwei private Hörfunkprogramme und über DAB+ einstrahlend weitere zwölf öffentlich-rechtliche und sieben private Hörfunkprogramme. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung wird einleitend festgestellt, dass unter Gesamtwürdigung aller abwägungsrelevanten Kriterien das Angebot der Beigeladenen im Vergleich zu denen der anderen ebenfalls zuweisungsfähigen Antragstellenden den größtmöglichen Beitrag zur Programm- und Anbietervielfalt biete. Sodann werden die rechtlichen Grundlagen dargelegt und wird festgestellt, dass alle verbleibenden Antragstellenden ihren Antrag fristgerecht eingereicht hätten und entweder bereits zur Rundfunkveranstaltung zugelassen seien oder aber Zulassungsreife besäßen und auch die besondere Zuweisungsvoraussetzung der wirtschaftlichen und organisatorischen Befähigung zur antragsgemäßen Verbreitung des Programms erfüllten. Sodann wird zur Vorrangentscheidung ausgeführt: Hinsichtlich der Anbietervielfalt sei festzustellen, dass die Veranstalter der Programme „F. O1“ (in Bezug auf den Programmbeirat) und „S G“ (in Bezug auf das Redakteurstatut) einen etwas größeren Beitrag hierzu leisteten, während den Veranstaltern von „E“ und der Klägerin der geringste Beitrag hierzu beizumessen sei, weil Ersteres bereits ein Hörfunkprogramm über UKW-Frequenzen und DAB+ in Nordrhein-Westfalen verbreite und es sich bei den Gesellschaftern der Klägerin im wesentlichen um die Akteure des nordrhein-westfälischen Lokalfunks handele. Die Beurteilung der Programmvielfalt könne nur anhand des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung des Gesamtangebotes, nicht aber isoliert und abstrakt im Hinblick auf eines der gesetzlich vorgegebenen Kriterien erfolgen, so dass etwa grundsätzlich Vollprogramme keinen Vorrang vor Spartenprogrammen oder zielgruppenspezifische Angebote keinen Vorrang gegenüber inhaltlich breiter aufgestellten Programmen hätten. Zwar zeichneten sich einige Programme der Antragsteller durch ein inhaltlich vielfältiges Angebot für spezielle Zielgruppen aus, allerdings gebe es in Nordrhein-Westfalen zu sämtlichen dieser Programme bereits zumindest in deutlichen Teilen vergleichbare Angebote. Einzig die Beigeladene biete durch ihre Programmelemente ein den Status quo ergänzendes Angebot, das in dieser Form bislang auf dem nordrhein-westfälischen Radiomarkt nicht verfügbar sei. Die Bandbreite der als Vollprogramm zu charakterisierenden Programme der Antragsteller zeige, dass die diesbezügliche Kategorisierung im Hörfunk kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal darstelle. Gleiches gelte hinsichtlich der räumlichen Bezüge der Berichterstattung für eine Fokussierung auf Nordrhein-Westfalen oder sogar stärker regionalisierte Programmelemente, die bei zahlreichen Antragstellern festzustellen sei. Insgesamt sieben Antragsteller bewerben sich mit einem an eine junge Zielgruppe gerichteten Programm. Es könnten jedoch bereits elf „junge“ Hörfunkprogramme in einzelnen Regionen und/oder landesweit in Nordrhein-Westfalen empfangen werden (davon fünf nur einstrahlende, fünf von Nordrhein-Westfalen aus über DAB+ sowie 1LIVE). Drei der auf diese Zielgruppe ausgerichteten Antragsteller seien bereits heute zumindest in einigen Regionen in NRW über UKW und/oder DAB+ zu empfangen, so dass deren zusätzlicher Vielfaltsbeitrag am geringsten erscheine. Die drei weiteren dieser Bewerber (S G, O und F NRW) setzten keine wesentlich neuen inhaltlichen Akzente. Das Programm der Klägerin unterscheide sich in seiner Zielgruppenansprache und Musikformatierung zwar ebenfalls nicht wesentlich von den weiteren Antragstellern in diesem Segment sowie von den bereits zu empfangenden Programmen am Markt. Im Gegensatz zu den weiteren Mitbewerbern sei jedoch hinsichtlich der Klägerin festzustellen, dass das redaktionelle Programm einen deutlich größeren inhaltlichen Bezug zum landesweiten Verbreitungsgebiet und auch zu einzelnen spezifischen Regionen herstelle. Dennoch werde die Zielgruppe dieses Programms bereits über diverse weitere empfangbare Radiosender in Nordrhein-Westfalen angesprochen, so dass nicht von einem signifikanten Beitrag zur Vielfalt des Gesamtangebotes ausgegangen werden könne. Auch die rechtliche Bewertung der von der Klägerin geplanten Regionalisierung im Rahmen einer landesweiten Ausschreibung könne dahingestellt bleiben, da sich regionalisierte Ansätze bereits in den Programmen des WDR bzw. des Lokalfunks fänden. Ähnliches gelte für die speziellen Zielgruppenangebote von Radio U. (Kinder), E (christlich und sozial) und L. S NRW (Kultur und Klassik). Das Programm der Beigeladenen verfüge gegenüber den übrigen Antragstellern mit dem Angebot an die türkischstämmige Bevölkerung – abgesehen von einer singulären und im Hinblick darauf, dass ein Drittel der türkischstämmigen Bevölkerung Deutschlands in Nordrhein-Westfalen lebe, marginalen Sendestrecke im Programm von Funkhaus Europa – über ein Alleinstellungsmerkmal im derzeit existenten Hörfunkmarkt in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus wolle dieses Programm einen wichtigen Beitrag zur Integration und zur kulturellen und sprachlichen Vielfalt im Hörfunkmarkt in Nordrhein-Westfalen leisten. Aufgrund des geplanten Verhältnisses von 30 % deutscher und 70 % türkischer Sprachanteile werde zwar die Erreichbarkeit von ausschließlich deutschsprachigen Hörern eingeschränkt. Da die sprachlichen Fähigkeiten in deutscher Sprache von einzelnen Altersgruppen noch nicht umfassend entwickelt seien, sei dies jedoch im Sinne der Gesamterreichbarkeit einer breiten Altersgruppe notwendig. Auch die Musikfarbe im Programm der Beigeladenen stelle ein Alleinstellungsmerkmal dar. Durch diese Alleinstellungsmerkmale sei daher der Beigeladenen der Vorrang bei der Auswahlentscheidung zwischen den Antragstellern zu geben.
16Mit der am 13. März 2015 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor: Mehrere tatsächliche und rechtliche Fehler verletzten ihre im rundfunkrechtlichen Bewerbungsverfahren durch Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Rechte. Bereits die Zuordnung der betreffenden Übertragungskapazitäten sei rechtswidrig, was auch zur Rechtswidrigkeit der daran anknüpfenden, streitbefangenen Zuweisung führe. Die diesbezügliche Aufgabenzuweisung an die staatliche Exekutive verstoße gegen das rundfunkrechtliche Prinzip der Staatsferne. Im übrigen fehle es auch an einem entsprechenden ordnungsgemäßen Antrag der Beklagten zur Zuordnung der Übertragungskapazitäten in Form einer Bedarfsanmeldung, da hierfür intern aufgrund der Bedeutung der Angelegenheit nicht der Direktor, sondern die Medienkommission zuständig sei, ein entsprechender Beschluss der Medienkommission bereits fraglich sei, jedenfalls aber die erfolgte Bedarfsanmeldung inhaltlich hinsichtlich des Zwecks der Zuordnung für eine landesweite private Bedeckung von den Vorgaben der Medienkommission (statt des irreführenden Begriffs der landesweiten Bedeckung solle von einer Vergabe „en bloc“ gesprochen werden) abweiche. Auch der weitere Umgang der Beklagten mit den zugeordneten Übertragungskapazitäten sei rechtswidrig. Dies gelte insbesondere für die Herausnahme der zwei zugeordneten Übertragungskapazitäten zur Einrichtung von Lokalfunk im Kreis Heinsberg. Zum einen habe hierüber mangels entsprechenden Beschlusses der Medienkommission mit der Verwaltung der Beklagten intern das nicht zuständige Organ entschieden. Zum anderen fehle es aber auch an einer Rechtsgrundlage für eine entsprechende Abänderung der durch die Bedarfsanmeldung für eine landesweite private Bedeckung mit UKW-Tonrundfunk eingetretenen Zweckbindung der Zuordnung. Darüber hinaus sei auch die Ausschreibung rechtswidrig erfolgt. Insoweit würden zum einen statt – wie gesetzlich vorgesehen – Übertragungskapazitäten konkrete UKW-Frequenzen mit ihrerseits zudem noch unvollkommenen Angaben zur Leistungsstärke, Antennenbeschaffenheit und maximal zulässigen effektiven Höhe der Antenne ausgeschrieben. Zum anderen stünden der Beklagten zum Zeitpunkt der Ausschreibung und auch heute noch die terrestrischen Übertragungskapazitäten für den ausgeschriebenen landesweiten Hörfunk bereits nach eigenem Bekunden nicht zur Verfügung. Aufgrund der fehlerhaften Ausschreibung sei auch materiell der späteren Vorrangentscheidung ein fiktiver Sachverhalt zu Grunde gelegt und seien bei der angegriffenen Zuweisung in der Konsequenz des unterstellten Versorgungsbedarfs für das gesamte Land einzelne Details völlig losgelöst davon geprüft worden, dass sie für die tatsächlich ausgeschriebenen Kleinstfrequenzen völlig belanglos seien. Die aufgezeigten Fehler bei der Zuordnung und Ausschreibung der Übertragungskapazitäten könnten von ihr auch im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden, da erst die an diese früheren Verfahrensschritte anknüpfende Zuweisung für sie rechtsmittelfähig sei. Die fehlerhafte Zuordnung bzw. Ausschreibung von Übertragungskapazitäten für ein landesweites Programm verletze sie insoweit in ihren Rechten, als sie mit ihren Überlegungen, diese Ressourcen für eine starke regionale Ausrichtung zu nutzen, am Ende nicht habe durchdringen können, obwohl das dem Bestand der Ressourcen am ehesten entsprochen hätte. Auch die Herausnahme der zwei weiteren zugeordneten Frequenzen aus dem Zuweisungsverfahren sei nicht nur für die Beigeladene, sondern auch für sie belastend; es widerspreche jeglicher Prozessökonomie, ihre Rechtsschutzmöglichkeit zunächst auf eine Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten zu beschränken und sie erst in einem zweiten Prozess als aktivlegitimiert anzusehen, diesen Gesichtspunkt geltend zu machen. Des Weiteren sei der Verfahrensablauf bei der Beklagten nicht darauf ausgelegt gewesen, dass alle Mitglieder des pluralistisch zusammengesetzten Kollegialorgans die für die wertend-prognostische Abwägung erforderlichen Sachverhaltsangaben vollständig und zutreffend gekannt hätten. Aufgrund der zwischenzeitlich unklaren gesetzlichen Inkompatibilitätsregelung hätten sich zwei Mitglieder der Medienkommission an der knappen Entscheidung am 23. Januar 2015 beteiligt, ohne zuvor an den Beratungen der Kommission und ihres Programmausschusses teilgenommen zu haben, so dass sie nicht hinreichend informiert gewesen sein könnten. Darüber hinaus hätten allen Kommissionsmitgliedern zu keinem Zeitpunkt die Antragsunterlagen vollständig zur Verfügung gestanden, so dass die im Bescheid enthaltenen Wertungen und Abwägungen nicht durch die pluralistisch zusammengesetzte Kommission auf Basis eigener Kenntnis aller relevanten Tatsachen erfolgt seien. Außerdem hätten sich einige Mitglieder der Kommission auf Einladung der Beigeladenen in Berlin einen Eindruck von ihr gemacht und damit jedenfalls über weitere, nicht dokumentierte und den anderen Mitgliedern nicht zur Kenntnis gebrachte Informationen verfügt. Auch seien in der nach Aktenlage einzig breit geführten Diskussion in der Medienkommission am 12. Dezember 2014 sachfremde Erwägungen für die Beigeladene vorgebracht worden. Ferner habe der damalige Direktor der Beklagten nicht über die schon während des laufenden Zuweisungsverfahrens für sein Amt erforderliche Befähigung zum Richteramt verfügt. Außerdem habe die Beklagte jenseits allgemeiner Überlegungen nichts benannt, was im vorliegenden Verfahren zum Ausschluss der Öffentlichkeit jedenfalls hinsichtlich der Erörterung der Vielfaltsgesichtspunkte zwinge. Demgegenüber könnten die bei der Zulassung erörterungsbedürftigen Geschäftsgeheimnisse ebenso wie entsprechende Geheimnisse, die für die Beurteilung der Zuweisungsvoraussetzung der wirtschaftlichen und organisatorischen Fähigkeit zur Erfüllung der Anforderungen an die antragsgemäße Verbreitung des Programms in nicht-öffentlicher Sitzung erörtert werden. Des Weiteren fehle es im Tenor des Bescheides an dem Ausspruch einer Zuweisung; stattdessen würden in seiner Ziffer 1 die Übertragungskapazitäten fehlerhaft zugeordnet. Schließlich würden im angegriffenen Bescheid die gesetzlichen Wertungsmaßstäbe in weiten Teilen fehlerhaft angewendet. Zum zentralen Kriterium der inhaltlichen Vielfalt des Programms im Sinne der Berücksichtigung aller Strömungen der Gesellschaft enthalte der angegriffene Bescheid keine Aussagen. Das insoweit von der Beklagten hinsichtlich des jeweiligen Beitrags zur Vielfaltsicherung in den Blick genommene Gesamtangebot sei unzutreffend bestimmt worden. Insbesondere sei die Einbeziehung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht sachgerecht, da im dualen Rundfunksystem die beiden Teilbereiche des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks insoweit gesondert betrachtet werden müssten und der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits für sich ein breit gefächertes und vielfältiges Programm auf allen Verteilwegen zu gewährleisten habe. Gleichfalls nicht sachgerecht sei die Berücksichtigung in das Land Nordrhein-Westfalen einstrahlender, aber an vielen der streitgegenständlichen Frequenzstandorte nicht empfangbarer Angebote. Demgegenüber seien neben den einbezogenen Radioangeboten über UKW und DAB+ auch solche über Kabel und (mobiles) Internet zu berücksichtigen, zumal das Gesetz dies für vergleichbare Telemedien ausdrücklich vorgebe, für den Rezipienten der Verbreitungsweg völlig ohne Belang sei und sich die Bundesregierung nach eigenen Angaben im Zusammenhang mit der TKG-Novelle 2012 auf europäischer Ebene für Multinorm-Empfänger als Standard einsetzen wolle. Anders als in den frühen Zeiten von Auswahlentscheidungen für UKW-Ressourcen gehe es nicht mehr darum, dass ein Programm entweder auf UKW oder überhaupt nicht den Zugang zum Rezipienten finde. Angesichts der konkurrierenden Vertriebswege sei vielmehr maßgeblich, ob die Zuweisung gerade dieser Ressource, die darauf angelegt sei, möglichst viele Zuhörer zu erreichen, für gerade dieses Programm vor dem Hintergrund der Nutzungsgewohnheiten der Zielgruppe vielfaltssteigernd sei. Im Hinblick auf die Programmvielfalt habe daher ein inhaltlich breiter aufgestelltes Programm wie das ihrige – entgegen den diesbezüglichen Feststellungen im Bescheid – zwingend Vorrang. Stattdessen stütze sich die Auswahlentscheidung der Beklagten tragend auf das Alleinstellungsmerkmal der Beigeladenen bezüglich der – im Übrigen mit den betreffenden Übertragungskapazitäten noch nicht einmal in Köln und Duisburg gesicherten – Versorgung der türkischstämmigen Bevölkerungsgruppe in Nordrhein-Westfalen, obwohl diese bereits über Webradio, mobiles Internet und Kabelhörfunk erfolge und dadurch im Hinblick auf den weit überwiegenden Anteil der deutschsprachigen Rezipienten ein Beitrag zur Vielfalt des Gesamtangebotes gerade nicht geleistet werde. Des Weiteren werde in der Entscheidung im Ergebnis ihr zusätzliches Alleinstellungsmerkmal der Regionalisierung des Angebots ausgeblendet. Auch entspreche die vordergründige Etikettierung ihres Programms als solches für eine „junge Zielgruppe“ nicht ihrem Antrag, in dem sie ihre Zielgruppe vielmehr als urban bezeichnet habe. Jedenfalls greife angesichts des gleichrangigen Kriteriums der Anbietervielfalt die Feststellung zu kurz, dass es im öffentlich-rechtlichen Angebot bereits ein Jugendradio gebe. Auch die Erwägungen zur Anbietervielfalt hielten einer Überprüfung nicht stand. Normative Vorstellungen zur publizistischen Vielfalt seien nicht entwickelt, das Kriterium des Programmbeirats nur gestreift und auch der Einfluss der redaktionell Beschäftigten auf die Programmgestaltung und -verantwortung ebenso wenig wie die Zusammenarbeit mit unabhängigen Produzenten abgewogen worden, obwohl sie insoweit für sich günstige Umstände geltend gemacht habe.
17Die Klägerin beantragt schriftsätzlich wörtlich,
18- 1.19
den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 (Az.: I-S-5.1-4-8-1/-2, 4 bis 12) betreffend die analogen terrestrischen Übertragungskapazitäten (UKW) in Dorsten, Essen, Bochum, Hagen, Köln, Krefeld, Mülheim, Attendorn, Lennestadt, Olpe und Herdecke aufzuheben, soweit
1.1. der Beigeladenen diese Übertragungskapazitäten für die landesweite terrestrische Verbreitung des Hörfunkprogramms „N. G. “ zugeordnet wurden und
211.2. dem Zuweisungsantrag der Klägerin für diese Übertragungskapazitäten nicht entsprochen wurde,
22- 2.23
der Beklagten aufzugeben, über den Zuweisungsantrag der Klägerin für die landesweite terrestrische Verbreitung des Hörfunkprogramms „dein.fm“ unter Nutzung der analogen terrestrischen Übertragungskapazitäten (UKW) in Dorsten, Essen, Bochum, Hagen, Köln, Krefeld, Mülheim, Attendorn, Lennestadt, Olpe und Herdecke unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
- 3.24
hilfsweise zu 1. und 2., die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. Februar 2015 (Az.: I-S-5.1-4-8-1/-2, 4 bis 12) zu verpflichten, über die Anträge auf ihre Ausschreibung betreffend die Zuweisung analoger terrestrischer Übertragungskapazitäten (UKW) für die landesweite Verbreitung oder Weiterverbreitung von privatem Hörfunk betreffend die Frequenzen Dorsten, Essen, Bochum, Hagen, Köln, Krefeld, Mülheim, Attendorn, Lennestadt, Olpe und Herdecke unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
26die Klage abzuweisen.
27Sie tritt den Einwänden der Klägerin im Einzelnen entgegen und führt hierzu insbesondere aus: Die Rechtsprechung habe die Zuständigkeit staatlicher Stellen für die Zuordnung mit dem Argument akzeptiert, dass die in Reaktion auf die höchstrichterliche Rechtsprechung eingeführten Zuordnungskriterien die Gefahr einer indirekten Einflussnahme auf den Rundfunk ausschlössen. Im Vorfeld der Bedarfsmeldung habe in der Medienkommission eine lang andauernde intensive Diskussion über die zukünftige Nutzung freiwerdender Übertragungskapazitäten stattgefunden, die ihren vorläufigen Abschluss in der Entscheidung vom 13. Mai 2011 gefunden habe, mit der die entsprechende Information des Direktors zur beabsichtigten Bedarfsmeldung einstimmig zur Kenntnis genommen worden sei. Die nachfolgende Anregung zur Verwendung des Begriffs „en bloc“ statt „landesweit“ habe nicht zu einer inhaltlichen Änderung dieser Entscheidung geführt. Hinsichtlich der Herausnahme der zwei Übertragungskapazitäten für den Kreis Heinsberg, zu der die Medienkommission stets umfassend eingebunden gewesen sei und durch die jedenfalls die Klägerin auch gar nicht in ihren Rechten verletzt sein könne, sei maßgeblich, dass sich aus den gesetzlichen Vorgaben nicht zwingend eine inhaltliche Bindung der Zuordnung im Hinblick auf den angemeldeten Bedarf ergebe, zumal die Zuordnung im vorliegenden Fall lediglich neutral „zur programmlichen Nutzung für privaten Hörfunk“ erfolgt sei. Auch sei der Ausschreibungsgegenstand in jeder Hinsicht ausreichend bestimmt. Insbesondere sei keine landesweite Kette von Übertragungskapazitäten, sondern es seien lediglich elf konkret benannte Kapazitäten „für die landesweite Verbreitung oder Weiterverbreitung von privatem Hörfunk“ in Abgrenzung zur Veranstaltung eines lokalen, regionalen oder an Ballungsräumen orientierten Programms ausgeschrieben und dabei ausdrücklich auf die Unwägbarkeiten in Bezug auf eine spätere Erweiterung der Kapazitäten hingewiesen worden. Auch im Verfahrensablauf seien keine relevanten Fehler ersichtlich. Die beiden Mitglieder, die zwischenzeitlich vorsorglich an den Beratungen der Kommission nicht teilgenommen hätten, seien jedoch hinsichtlich aller schriftlichen Informationen weiter als Mitglieder der Medienkommission behandelt und dementsprechend vor der Auswahlentscheidung über alle zu Grunde liegenden Unterlagen umfassend unterrichtet gewesen. Der betreffende Verwaltungsvorgang zur Arbeit ihrer Gremien belege des weiteren die Intensität, mit der sich die Mitglieder der Medienkommission über die eingegangenen Bewerbungen unterrichtet und anschließend diskutiert hätten; eine Verpflichtung zur Vorlage weiterer Unterlagen an die Kommissionsmitglieder sei nicht ersichtlich. Auch bestehe zu einzelnen Bewerbern während des Auswahlverfahrens kein Kontaktverbot; Grundlage der Auswahlentscheidung sei jedenfalls maßgeblich die betreffende Vorlage der Verwaltung gewesen. Sachfremde Erwägungen seien auch im Übrigen nicht ersichtlich. Die veränderten gesetzlichen Anforderungen an den Direktor der Beklagten beträfen allein dessen nächste Wahl, nicht aber das bestehende Amt. Es sei auch bei der abschließenden Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015 nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen worden, mit dem sich die Medienkommission bereits in der Gesetzgebungsphase sehr intensiv beschäftigt habe. Die Medienkommission habe auch an diesem Tag unter dem Tagesordnungspunkt 1b im Zusammenhang mit der Genehmigung der Tagesordnung die einstimmige Entscheidung getroffen, unter Berücksichtigung der Hinweise zum Ausschluss der Öffentlichkeit die Öffentlichkeit bei den Tagesordnungspunkten 10-21 auszuschließen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei vielen der nach den gesetzlichen Vorgaben für die Zuweisungsentscheidung maßgeblichen Informationen um – häufig sehr sensible – Geschäftsgeheimnisse der Antragsteller handele. Der in solchen Fällen erforderliche Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Erörterung von Zulassungs- bzw. Zuweisungsverfahren zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter beschränke sich nicht auf den Teil der Beratung, bei dem es voraussichtlich konkret zur Erörterung der Geschäftsgeheimnisse komme, sondern umfasse den gesamten Tagesordnungspunkt. Eine Aufteilung in einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil entspräche nicht den gesetzlichen Vorgaben und wäre auch in der Praxis nicht umsetzbar, da sich andernfalls jeder Diskussionsteilnehmer vor einem Beitrag fragen müsse, ob dieser zu einer Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Bewerbers führen könne. Die mehrstufige Entscheidungsfindung lasse sich nicht künstlich trennen. Es sei nicht auszuschließen, dass sich im Rahmen der diesbezüglichen Erörterungen einzelne Kommissionsmitglieder abschnittsweise oder auch im gleichen Atemzug den verschiedenen Fragen zuwendeten. Dementsprechend sei nach obergerichtlicher Rechtsprechung auch den kommunalrechtlichen Vorschriften über die Sitzungsöffentlichkeit eine atomisierende Betrachtung fremd. Im Übrigen sei der nordrhein-westfälische Gesetzgeber mit der Anordnung der Sitzungsöffentlichkeit über das verfassungsrechtlich gebotene Transparenzminimum hinausgegangen. Wie in der Niederschrift dokumentiert hätten bei dieser Sitzung zwei Kommissionsmitglieder speziell zum fraglichen Tagesordnungspunkt 16 den Sitzungssaal verlassen, um der Besorgnis der Befangenheit entgegenzuwirken. Grund hierfür sei bei dem einem Mitglied gewesen, dass er sich für einen Bewerber engagiere, und bei dem anderen, dass er als Justitiar und stellvertretender Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes Nordrhein-Westfalen den hinter der Klägerin stehenden Gesellschaftern eng verbunden sei. Die fehlerhafte Formulierung in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides (Zuordnung statt Zuweisung der Übertragungskapazitäten) beruhe auf einem offenkundigen redaktionellen Versehen. Schließlich gehe die Klägerin von einem unzutreffenden Verständnis des gesetzlichen Wertungsmaßstabes in Bezug auf die zu treffende Vorrangentscheidung aus. Da sich der verfassungsrechtliche Vielfaltsanspruch in der dualen Rundfunkordnung auf das Gesamtprogramm beziehe, seien insoweit auch die öffentlich-rechtlichen Angebote mit zu berücksichtigen. Aufgrund der Zielsetzung der ausgeschriebenen Übertragungskapazitäten als Keimzelle für ein landesweites Programm seien auch die einstrahlenden Programmangebote aus anderen Bundesländern mit einzubeziehen gewesen. Zutreffend sei die Vielfaltsabwägung auf alle Hörfunkangebote bezogen worden, die über ein und dasselbe Empfangsgerät empfangen werden könnten, zumal der mobile Internetempfang nicht stabil und unter Umständen teuer sein könne und der Kabelempfang keine mobilen Empfangsmöglichkeiten biete. Die gesetzlichen Vorgaben zur Anbietervielfalt erforderten nicht, dass in der Begründung der Auswahlentscheidung jeder einzelne Aspekt auch dann abgehandelt werden müsse, wenn ihm keine ausschlaggebende Bedeutung zukomme, insbesondere wenn – wie hier – die Medienkommission davon ausgehe, dass alle Bewerber eine im wesentlichen gleiche Anbietervielfalt aufwiesen. Im Rahmen der streitbefangenen Auswahlentscheidung sei ausdrücklich festgestellt worden, dass das redaktionelle Programm der Klägerin einen deutlich größeren inhaltlichen Bezug zum landesweiten Verbreitungsgebiet und auch zu den einzelnen Regionen herstelle, diese Feststellung jedoch im weiteren dadurch relativiert worden, dass die Zielgruppe dieses Programmes bereits über diverse weitere empfangbare Radiosender in Nordrhein-Westfalen angesprochen werde und insoweit kein signifikanter Vielfaltsbeitrag vorliege. Ob ein vorrangig auf türkische Mitbürger ausgerichtetes Programm deshalb weniger vielfältig werde, weil 70 % des Programms von deutschsprachigen Mitbürgern nicht sprachlich verstanden werden könnten, obliege ausschließlich der Beurteilung der gruppenplural zusammengesetzten Medienkommission.
28Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 15. Mai 2015 erklärt, dass die Klage insgesamt abzuweisen sei, da der von der Klägerin angegriffene Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 rechtmäßig sei und weder ein Anlass für die Anfechtung des Bescheides noch für eine Verpflichtung für eine wie auch immer geartete Neubescheidung bestehe. Einen ausdrücklichen Klageantrag hat sie nicht gestellt. In der Sache hat sie sich hinsichtlich der einzelnen Einwände der Klägerin zum Teil den Ausführungen der Beklagten angeschlossen, zum Teil ergänzend vorgetragen und insoweit insbesondere geltend gemacht: Eine etwaige Rechtswidrigkeit der Zuordnung indiziere nicht die Rechtswidrigkeit der Zuweisung, da beide Verwaltungsakte mit jeweils eigenständiger Außenwirkung von verschiedenen staatlichen Stellen erlassen würden. Abgesehen davon, dass die Ministerpräsidentin durch die Zuordnung einer Übertragungskapazität auch im Fall ihres Letztentscheidungsrechts entsprechend dem Prinzip der Staatsferne keinen Einfluss auf programminhaltliche Fragen habe, sei sie hier gar nicht in Ausübung eines solchen Rechts tätig geworden, sondern habe die Kapazitäten lediglich entsprechend der Einigung der Bedarfsträger zugeordnet. Hinsichtlich der Zuweisung sei der durch die Medienkommission angeordnete Ausschluss der Öffentlichkeit auch bei ihrer letzten Sitzung am 23. Januar 2015 rechtmäßig. Die bei Antragstellung vorgelegten Angaben der einzelnen Antragsteller enthielten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die sowohl für die Prüfung der Zuweisungsvoraussetzung als auch für die Vorrangentscheidung relevant seien. Eine Aufspaltung des Verfahrens sei insoweit vom Gesetz gerade nicht vorgesehen, die Einheitlichkeit der Zuweisungsentscheidung vielmehr gerade auch im Hinblick auf die Einführung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit bewusst gewahrt worden. Die Verzahnung der verschiedenen Elemente der Zuweisungsentscheidung sei durch die Neufassung der materiellen Vorschriften zur Zuweisung noch einmal betont worden. Hinsichtlich der Vorrangentscheidung selbst sei zu berücksichtigen, dass die programmliche Behandlung von Minderheiten- und Zielgruppeninteressen im Gesetz selbst hervorgehoben werde. Das Programm der Klägerin habe die Beklagte zu Recht als jugendorientiert eingestuft. Dies stimme auch mit der Eigendarstellung der Klägerin, etwa in einem Beitrag ihres Geschäftsführers überein. In Bezug auf die Anbietervielfalt gewichte die Beklagte die starke Beteiligung der Gesellschafter der Klägerin zugleich an Radio NRW und den Lokalfunk-Betriebsgesellschaften zu Recht weit stärker zulasten der Klägerin als deren „Rettungsversuche“ Programmbeirat, Redakteurstatut und Kooperationsbereitschaft mit unabhängigen Produzenten zu ihren Gunsten.
29Das angerufene Gericht hat mit Beschluss vom 3. November 2015 (Az.: 27 L 999/15) auf einen vorläufigen Rechtsschutzantrag der Klägerin die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Ziffer 1 des Bescheides der Beklagten vom 11. Februar 2015 (I-S-5.1-4-8-1/-2, 4 bis 12) zur Zuweisung von elf UKW-Übertragungskapazitäten an die Beigeladene wiederhergestellt.
30Die Beteiligten haben auf Anfrage des Gerichts mit Schriftsätzen vom 28. April, 13. Mai und 9. Juni 2016 auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet bzw. ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
32Entscheidungsgründe:
33Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
34Die Klage hat nur im tenorierten Umfang Erfolg. Sie ist mit dem Hauptantrag unzulässig (A.), mit dem Hilfsantrag teilweise unzulässig, im Übrigen aber auch begründet (B.).
35A. Der Hauptantrag, der sich – auch unter Berücksichtigung der Formulierung der Bedingung des Hilfsantrages („ hilfsweise zu 1. und 2.“) – kumulativ aus dem Antrag zu 1. (teilweise Aufhebung der Zuweisungsentscheidung) und 2. (Neubescheidung des Zuweisungsantrags der Klägerin) zusammensetzt,
36zumal für eine Neubescheidung ohne Aufhebung der bereits erfolgten Zuweisung an die Beigeladene kein Raum wäre,
37ist mangels Teilbarkeit der Zuweisungsentscheidung der Beklagten in der von der Klägerin beantragten Art unzulässig.
38Die Klägerin begehrt mit ihrem Antrag zu 1. und 2. die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 11. Februar 2015 zur Zuweisung der streitbefangenen Übertragungskapazitäten nur, soweit der Beigeladenen diese Kapazitäten zugeordnet wurden und ihrem eigenen diesbezüglichen Zuweisungsantrag nicht entsprochen wurde, und daran anknüpfend die Neubescheidung ihres Zuweisungsantrages. Sie erstrebt also die Rückgängigmachung der Zuweisung an die Beigeladene und eine neue Entscheidung über diese Frage, bei der ausschließlich ihr eigener und der Zuweisungsantrag der Beigeladenen, nicht aber die Anträge der anderen Mitbewerber berücksichtigt werden, jedenfalls soweit sie nicht auch selbst Klage erhoben haben.
39Zwar ist eine Teilanfechtung eines Verwaltungsaktes grundsätzlich möglich. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO („Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig … ist, …“). Dies setzt jedoch voraus, dass der betreffende Verwaltungsakt insoweit teilbar ist. Der streitbefangene Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 ist jedoch entgegen der Einschätzung der Klägerin nicht hinsichtlich der Zuweisung der Übertragungskapazitäten an die Beigeladene und der Ablehnung des Antrags der Klägerin auf der einen Seite und hinsichtlich der Ablehnung der Anträge der übrigen Bewerber auf der anderen Seite teilbar. Denn aus der Struktur der Entscheidung zur Zuweisung einer Übertragungskapazität nach § 17 LMG NRW in der hier gemäß § 128 LMG NRW maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2013,
40Gesetz zur Änderung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes und weiterer Gesetze (GV. NRW. 2013 S. 875),
41die beim typischen Mangel an Übertragungskapazitäten eine Vorrangentscheidung darstellt (vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 LMG NRW in o.g. Fassung), ergibt sich, dass die Zuweisung und die Ablehnung ihrem Wesen nach lediglich zwei verschiedene Ausprägungen einer rechtlich als Einheit zu bewertenden Entscheidung darstellen und demgemäß Zuweisung und Ablehnung durch die nur einmal zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten so in ihrem Bestand miteinander rechtlich verknüpft sind, dass sie auch bei der Aufhebung ein rechtlich gemeinsames Schicksal teilen.
42Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Februar 1992 – 10 S 278/91 –, juris (Rn. 55).
43Bei der Entscheidung über die Belegung von Übertragungskapazitäten handelt es sich mithin um eine Gesamtentscheidung, gegen die ein abgelehnter Bewerber einheitlich Rechtsschutz beantragen kann. Denn mit der Zuweisung werden notwendig zugleich die Übertragungskapazitäten belegt und die Angebote aller nicht berücksichtigten Bewerber abgelehnt.
44Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 29. November 1989 – 25 CS 89.3171 –, BayVBl. 1990, 179 (180); Sächsisches OVG, Urteil vom 24. September 1996 – 3 S 228/94 –, SächsVBl. 1997, 60 (61); a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Juni 1990 – 2 B 11182/90 –, NVwZ 1990, 1087.
45Kann über den Fortbestand der Zuweisung und der Ablehnung der Anträge der Mitbewerber nur einheitlich entschieden werden, scheidet auch die – von der Klägerin mit ihrem Antrag zu 1. begehrte – Aufhebung allein der Zuweisung an den erfolgreichen Antragsteller und der Ablehnung des Antrags eines Mitbewerbers bei Fortbestehen der Ablehnung der Anträge der übrigen Mitbewerber aus. War die Gesamtentscheidung rechtswidrig, ist sie insgesamt (ex tunc)
46vgl. hierzu: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung – Kommentar, 21. Aufl., § 113 Rn. 8,
47aufzuheben, ohne dass sie inzwischen gegenüber den anderen erfolglosen Mitbewerbern in Bestandskraft erwachsen sein könnte.
48So aber trotz obiger Charakterisierung der einheitlichen Auswahlentscheidung: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Februar 1992 – 10 S 278/91 –, juris (Rn. 55).
49B. Der auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 11. Februar 2015 und Neubescheidung der Zuweisungsanträge gerichtete Hilfsantrag der Klägerin zu 3., ist hinsichtlich der Neubescheidung unzulässig (I.), hat aber hinsichtlich der Aufhebung Erfolg (II.).
50I. Für den Bescheidungsantrag fehlt das Rechtsschutzinteresse. Denn die mit dem Neubescheidungsbegehren erstrebte Situation wird bereits durch die Kassation im Wege der Anfechtungsklage bewirkt.
51Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 30. Mai 1995 – 8 S 393.95 –, ZUM-RD 1997, 31 (38); VG Berlin, Urteil vom 12. November 2010 – 27 K 240.10 –, juris (Rn. 69); VG Düsseldorf, Urteil vom 27. September 2013 – 27 K 5549/12 –, juris (Rn. 133 ff.); dass., Beschluss vom 29. Juli 1997 – 15 L 2902/97 –, ZUM 1998, 508 (512); Bumke in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 20 RStV Rn. 118; dementsprechend stellt auch der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 4. Februar 1992 – 10 S 278/91 –, juris (Rn. 55 a.E.) fest: „Mit (der Bescheidungsklage) wird freilich etwas begehrt, was mit der gerichtlichen Kassation der Zulassung für die LfK als eine selbstverständliche Verpflichtung wiederauflebt, das Auswahl- und Zuteilungsverfahren noch einmal durchzuführen.“
52Nach Rechtskraft der begehrten Aufhebung der Zuweisungsentscheidung hat die Beklagte das Zuweisungsverfahren fortzuführen und über die Zuweisung der Übertragungskapazitäten unter Einbeziehung aller fristgerecht eingegangenen Anträge – vorbehaltlich eines etwaigen Rückzugs einzelner Antragsteller – erneut zu entscheiden. Es ist auch davon auszugehen, dass die nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an Gesetz und Recht gebundene Beklagte auch ohne den Vollstreckungsdruck eines Bescheidungstenors diese Entscheidung gemäß §§ 14, 17 LMG NRW treffen wird.
53Vgl. VG Berlin, Urteil vom 12. November 2010 – 27 K 240.10 –, juris (Rn. 69).
54Ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass das Gericht bei der Bescheidungsklage nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO seine Rechtsauffassung darlegt, unter Beachtung derer die Beklagte sodann neu zu entscheiden hat. Denn nach dieser Vorschrift wäre das erkennende Gericht nicht gehalten, bindende Feststellungen zu den weiteren bezüglich des Zuweisungsverfahrens von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zu treffen, die über diejenigen hinausgehen, die zur Kassation führen. Ist es nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Bescheidung – gleichsam gutachterlich – zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, die im fortzuführenden Zuweisungsverfahren relevant werden könnten, gilt dieses umso mehr angesichts der hier gegebenen Besonderheiten: Zum einen ist nicht ersichtlich, welche der insgesamt elf bei der Zuweisungsentscheidung noch anhängigen Zuweisungsanträge heute noch aufrechterhalten werden. Zum anderen hat sich die zur Entscheidung berufene Medienkommission nach dem Auslaufen der Übergangsregelung des § 127 Abs. 1 S. 1 LMG NRW am 1. März 2015 entsprechend der veränderten Vorschriften über ihre Zusammensetzung neu konstituiert, was zu einer Aufstockung der Zahl ihrer Mitglieder auf nunmehr 41, einer Erhöhung der Zahl der vom Landtag entsandten Mitglieder, einer Entsendung von Mitgliedern durch weitere gesellschaftliche Gruppen und der erstmaligen Bestimmung eines Mitglieds durch die Medienkommission geführt hat (vgl. § 93 Abs. 1-5 LMG NRW n.F.).
55II. Der Anfechtungsantrag,
56der bereits im Hilfsantrag enthalten ist, so dass es des von der Klägerin in der Klageschrift insoweit erbetenen gerichtlichen Hinweises nicht bedarf,
57ist dagegen zulässig und begründet.
58Hinsichtlich der Zulässigkeit ist die Klägerin insbesondere nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.
59Ihr fehlt die Klagebefugnis allerdings – auch unter Berücksichtigung ihres jüngsten Vorbringens im Klageverfahren – insoweit, als sie Rechtsfehler bei der Zuordnung und Ausschreibung der Übertragungskapazitäten geltend macht, da insoweit eine Verletzung von Rechten der Klägerin unter den gegebenen Umständen nicht möglich ist.
60Die Zuordnung mit Bescheid der Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2013 erachtet die Klägerin insbesondere wegen Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage (Verstoß gegen das Prinzip der Staatsferne durch Zuweisung der Aufgabe der Zuordnung an die Ministerpräsidentin), Rechtsverstößen bei der Bedarfsmeldung durch die Beklagte sowie Vorrangs des lokalen Hörfunks für rechtswidrig. Zwar stellt eine solche Zuordnung von Übertragungskapazitäten nach §§ 10 und 11 LMG NRW aufgrund ihrer unmittelbaren Rechtswirkung nach außen einen Verwaltungsakt dar. Klagebefugt sind insoweit jedoch grundsätzlich lediglich die Bedarfsträger, d.h. der betreffende öffentlich-rechtliche Veranstalter einerseits und die Beklagte andererseits.
61Vgl. Moskob in: Schwartmann/Sporn, Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen – Kommentar, Stand: Oktober 2013, § 11 Rn. 30 ff.
62Es erscheint allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch ein einzelner privater Rundfunkveranstalter die Rechtswidrigkeit einer Zuordnung von Übertragungskapazitäten an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter geltend machen kann. Jedenfalls aber kommt eine Verletzung eigener Rechte des privaten Rundfunkveranstalters von vornherein nicht in Betracht, wenn die Zuordnung – wie hier – nicht zu Gunsten des konkurrierenden öffentlich-rechtlichen Veranstalters, sondern der Beklagten erfolgt. Denn die Zuordnung an die Beklagte wirkt insoweit zu Gunsten und nicht zulasten privater Rundfunkveranstalter. Sie ist nämlich überhaupt Voraussetzung für die Teilnahme eines jeden privaten Rundfunkveranstalters am anschließenden Zuweisungsverfahren.
63Ebenfalls scheidet die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Klägerin durch die geltend gemachten Fehler bei der Ausschreibung aus. Dass die Klägerin durch die Ausschreibung konkreter UKW-Frequenzen mit – gegebenenfalls sogar unvollkommenen – Angaben zur Leistungsstärke, Antennenbeschaffenheit und maximal zulässigen Höhe der Antenne anstelle von Übertragungskapazitäten in eigenen Rechten verletzt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegen von vornherein keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dadurch der Gegenstand der Ausschreibung nicht hinreichend bestimmt sein könnte. So hat auch die Klägerin vielmehr offensichtlich erkannt, dass sich die Ausschreibung auf die Zuweisung der betreffenden elf Übertragungskapazitäten bezieht, und verfolgt mit ihren Klageanträgen den Schutz ihrer diesbezüglichen Rechte im Zuweisungsverfahren.
64Gleiches gilt, soweit die Ausschreibung dieser Übertragungskapazitäten für die landesweite Verbreitung oder Weiterverbreitung von privatem Hörfunk erfolgt ist. Der Ausschreibungsgegenstand stellt sich nicht deswegen als unzureichend bzw. widersprüchlich bestimmt dar, weil der Beklagten für einen landesweiten privaten Hörfunk weder zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch heute ausreichende terrestrische Übertragungskapazitäten zur Verfügung standen bzw. stehen. Vielmehr war gerade auch angesichts der weiteren Ausführungen in der Ausschreibung für alle Beteiligten klar, dass die ausgeschriebenen und jetzt streitbefangenen Kapazitäten keine flächendeckende Versorgung mit Rundfunk in ganz Nordrhein-Westfalen erlauben, mit ihnen vielmehr nur einzelne örtlich verhältnismäßig eng begrenzte Gebiete versorgt werden können. So hat die Beklagte in der Ausschreibung unter I. ausdrücklich festgestellt, dass „die derzeit der Ausschreibung zu Grunde liegenden 11 terrestrischen Frequenzen (…) eine landesweite flächendeckende Versorgung in Nordrhein-Westfalen nicht (ermöglichen)“ und sie hierin lediglich „einen ersten Schritt zur Realisierung eines landesweit verbreiteten Hörfunkprogramms“ sieht; Zeitpunkt und Umfang einer möglichen Zuordnung und Zuweisung weiterer, noch nicht abschließend koordinierter Frequenzen seien derzeit noch nicht absehbar. Gleichzeitig hat die Beklagte in der Ausschreibung ausdrücklich an das Ergebnis des von ihr initiierten Konsultationsprozesses angeknüpft und darauf verwiesen, „dass eine überwiegende Mehrheit der sich beteiligenden Programmanbieter an der Verbreitung eines landesweiten Hörfunkprogramms und dementsprechend an der Zuweisung möglichst flächendeckender Übertragungskapazitäten interessiert ist“. Damit hat sie den Begriff „landesweit“ dahingehend näher konkretisiert, dass alle ausgeschriebenen Kapazitäten für die Übertragung lediglich eines einzigen Hörfunkprogramms eines Rundfunkveranstalters,
65was eine Vergabe der Übertragungskapazitäten „en bloc“ impliziert, wie sie ein Kommissionsmitglied als Begrifflichkeit in der 27. Sitzung der Medienkommission am 13. Mai 2011 alternativ angeregt hatte,
66und nicht für die Übertragung unterschiedlicher Hörfunkprogramme gegebenenfalls mehrerer Veranstalter für einzelne Städte und/oder Regionen genutzt werden sollen. Dies macht deutlich, dass die Beklagte den Begriff „landesweit“ insoweit gerade auch entsprechend seiner gesetzlichen Verwendung (vgl. § 10 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LMG NRW a.F. und § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LMG NRW n.F.) in Abgrenzung zu regional und lokal gebraucht. Dass auch die Klägerin den Begriff der landesweiten Bedeckung tatsächlich nicht falsch verstanden hat, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass sie ausweislich ihres Antrags vom 28. April 2014 die Ausstrahlung eines „landesweiten, 24-stündigen Rundfunkvollprogramms der Kategorie Hörfunk“ beabsichtigt, das lediglich während eines Zeitraums von bis zu 3 Stunden am Tag regional ausdifferenziert und zusätzlich zu mehreren, vordefinierten Zeitpunkten am Tag mit regionalen Services und Informationen ausgestaltet werden soll (vgl. Bl. 324 der Beiakte Heft 3).
67Aus den gleichen Gründen dürften auch die Einwände der Klägerin zur Fehlerhaftigkeit der „Zuordnung als landesweites Angebot“ nicht durchgreifen, selbst wenn man trotz der im Bescheid vom 2. September 2013 erfolgten, offen formulierten Zuordnung „zur programmlichen Nutzung für privaten Hörfunk“ unter Rückgriff auf die zu Grunde liegende Bedarfsmeldung vom 25. Mai 2011 eine entsprechende Zweckbindung „für eine landesweite private Bedeckung mit UKW-Tonrundfunk“ annähme.
68Schließlich kann die Klägerin mit den von ihr gestellten Anträgen von vornherein keine Rechtsverletzung infolge der Herausnahme der zwei Übertragungskapazitäten an den Senderstandorten Erkelenz und Geilenkirchen aus dem der Beklagten zugeordneten Block von Übertragungskapazitäten geltend machen. Diese Herausnahme wirft zwar jedenfalls Fragen der funktionellen Zuständigkeit auf. Etwaige Rechtsfehler in diesem Bereich berühren aber nicht die von der Klägerin vorliegend allein mit ihrem Anfechtungsantrag angegriffene Zuweisungsentscheidung der Beklagten. Denn diese bezieht sich ausschließlich auf die elf übrigen Übertragungskapazitäten in Dorsten, Essen, Bochum, Hagen, Köln, Krefeld, Mülheim, Attendorn, Lennestadt, Olpe und Herdecke, deren Zuweisung an sich selbst die Klägerin im Übrigen auch mit ihrem Bescheidungsantrag ausschließlich verfolgt. Zu den zwei Übertragungskapazitäten an den Senderstandorten Erkelenz und Geilenkirchen enthält der Zuweisungsbescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 keine die Klägerin belastende Regelung. Deshalb greift auch der im Klageverfahren erneuerte Einwand der Klägerin, dass die Herausnahme der zwei weiteren zugeordneten Frequenzen aus dem Zuweisungsverfahren für den Lokalfunk im Kreis Heinsberg auch für sie belastend sei und es jeglicher Prozessökonomie widerspräche, ihre Rechtsschutzmöglichkeit zunächst auf eine Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten zu beschränken und sie erst in einem zweiten Prozess als aktivlegitimiert anzusehen, diesen Gesichtspunkt geltend zu machen, angesichts der eigenen Begrenzung ihres Begehrens auf die elf übrigen Übertragungskapazitäten nicht durch. Ob die Klägerin überhaupt Rechtsschutzmöglichkeiten besäße, die Zuweisung auch der beiden Übertragungskapazitäten in Erkelenz und Geilenkirchen an sie zu verfolgen, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
69Klagebefugt ist die Klägerin allerdings insoweit, als sie geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein, weil sie die der Beigeladenen zugewiesenen Übertragungskapazitäten für sich beansprucht und hierzu vorträgt, infolge von Fehlern im Zuweisungsverfahren sowie bei der Vorrangentscheidung übergangen worden zu sein.
70Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. September 1993 – 2 M 8/93 –, LKV 1994, 60.
71Der Anfechtungsantrag ist auch begründet. Der Zuweisungsbescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 ist rechtswidrig (1.) und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (2.).
72Hierzu hat das erkennende Gericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in seinem Beschluss vom 3. November 2015 (Az.: 27 L 888/15) im Einzelnen ausgeführt:
73„1. Der Zuweisungsbescheid vom 11. Februar 2015 entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen für die Zuweisung von Übertragungskapazitäten. Dabei findet das LMG NRW aufgrund zwischenzeitlicher Änderungen im Laufe des Zuweisungsverfahrens zeitlich und sachlich in unterschiedlicher Fassung Anwendung: Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Dezember 2014
74Gesetz zur Zustimmung zum 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. 2015 S. 72 – ZustG zum 16. RFÄndStV)
75am 23. Januar 2015, dem Tag, an dem die Medienkommission der Antragsgegnerin die Zuweisung der streitbefangenen Übertragungskapazitäten an die Beigeladene beschlossen hat, galt für das vorliegende Zuweisungsverfahren, in dem die Ausschreibung am 28. April 2014 endete, das LMG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2013 (LMG NRW 2013).
76Gesetz zur Änderung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes und weiterer Gesetze (GV. NRW. 2013 S. 875 – ÄndG zum KorrBekG).
77Seit dem 23. Januar 2015 gelten für dieses Zuweisungsverfahren nur noch die Vorgaben der Abschnitte 2 bis 4 des LMG NRW 2013, im Übrigen jedoch die aktuellen Regelungen des LMG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 2014 (LMG NRW 12/2014). Zwar sah § 128 LMG NRW in der Fassung des 14. Rundfunkänderungsgesetzes vom 4. Juli 2014 (LMG NRW 7/2014),
78Gesetz zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen und des Telemedienzuständigkeitsgesetzes (GV. NRW. 2014 S. 387 – 14. RFÄndG),
79mit dem das LMG NRW grundlegend novelliert worden ist, zunächst vor, dass für Verfahren zur Zuweisung von Übertragungskapazitäten, in denen – wie vorliegend – die Ausschreibung vor dem 1. Juli 2014 endete, dieses Gesetz (in Gänze) in der Fassung des Gesetzes vom (1)9. Dezember 2013 gilt. Mit Art. 2 Nr. 6 ZustG zum 16. RFÄndStV ist § 128 LMG NRW jedoch dahingehend korrigiert worden, dass für diese Zuweisungsverfahren nicht „dieses Gesetz“, sondern (nur) die Vorgaben der Abschnitte 2 bis 4 dieses Gesetzes in der Fassung des Gesetzes vom (1)9. Dezember 2013 gelten. Zudem wurde bereits durch § 127 Abs. 1 LMG NRW 7/2014 die (bis) zum 1. Juli 2014 laufende Amtszeit der Medienkommission bis zum 1. März 2015 verlängert. § 127 Abs. 1 S. 2 LMG NRW 12/2014 sieht hierzu ergänzend vor, dass für die bis zum Zusammentritt der neuen Medienkommission amtierende Medienkommission die Vorschriften zur Inkompatibilität und Zusammensetzung in §§ 91 und 93 in der Fassung des LMG NRW 2013 weiterhin Anwendung finden.
80Auf dieser Grundlage ist der Zuweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 zwar formell rechtmäßig (a), materiell jedoch rechtswidrig (b).
81a) In formeller Hinsicht bestehen hinsichtlich des Zuweisungsbescheides selbst keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere ergibt sich ein Rechtsverstoß insoweit nicht – wie von der Antragstellerin geltend gemacht – daraus, dass der Direktor der Antragsgegnerin entgegen § 100 Abs. 1 S. 2 LMG NRW 12/2014 nicht die Befähigung zum Richteramt besitzt. Denn diese mit dem 14. RFÄndG eingeführte Anforderung steht systematisch im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Wahl des Direktors und führt nicht zum Verlust der Amtsstellung des aktuellen, im März 2010 nach den damaligen Vorschriften von der Medienkommission für sechs Jahre gewählten Direktors, wenn er nicht über diese Befähigung verfügt.
82b) Der Zuweisungsbescheid ist jedoch in materieller Hinsicht rechtswidrig. Denn er vollzieht einen rechtswidrigen Beschluss der Medienkommission.
83Vgl. zur ähnlichen Konstellation im Kommunalrecht: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2015 – 8 S 1386/14 –, juris (Rn. 40 und 58); dass., Beschluss vom 25. Februar 2013 – 1 S 2155/12 –, juris (Rn. 9 f.).
84Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 LMG NRW 2013 bedarf derjenige, der nach § 8 (zur Veranstaltung von Rundfunk) zugelassen ist, zur Verbreitung des Rundfunkprogramms durch terrestrische Sender der Zuweisung einer Übertragungskapazität. Nach § 13 LMG NRW 2013 darf eine Übertragungskapazität zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen nur solchen Veranstaltern zugewiesen werden, die erwarten lassen, dass sie jederzeit wirtschaftlich und organisatorisch in der Lage sind, die Anforderungen an die antragsgemäße Verbreitung des Programms zu erfüllen. Bestehen keine ausreichenden Übertragungskapazitäten für alle Antragstellenden, die die Voraussetzungen nach § 13 erfüllen, trifft die Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs. 1 LMG NRW 2013 eine Vorrangentscheidung und berücksichtigt dabei die Meinungsvielfalt in den Programmen (Programmvielfalt) und die Vielfalt der Programmanbieter (Anbietervielfalt). Die Gesichtspunkte, nach denen die Antragsgegnerin den Beitrag eines Programms zur Programmvielfalt sowie das Bestehen und den Umfang von Anbietervielfalt beurteilt, sind in § 14 Abs. 2 und 3 LMG NRW 2013 dargelegt (u.a. inhaltliche Vielfalt des Programms, Beitrag zur Vielfalt des Gesamtangebots und Beitrag des Antragstellenden zur publizistischen Vielfalt und zur Angebotsvielfalt). §§ 15 f. LMG NRW 2013 regeln Einzelheiten zur Ausschreibung und zum Zuweisungsverfahren, insbesondere zu den Antragserfordernissen. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 LMG NRW 2013 erfolgt die Zuweisung einer Übertragungskapazität durch schriftlichen Bescheid der Antragsgegnerin, der das Verbreitungsgebiet, die Verbreitungsart und die zu nutzende Übertragungskapazität bestimmt.
85Eine auf der Grundlage des § 14 LMG NRW 2013 getroffene Vorrangentscheidung zur Zuweisung einer Übertragungskapazität zur Verbreitung eines terrestrischen Rundfunkprogramms unterliegt nur einer beschränkten gerichtlichen Überprüfung. Denn die Vorrangentscheidung ist nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. §§ 94 Abs. 1, 103 LMG NRW 12/2014) durch die pluralistisch besetzte (vgl. § 93 Abs. 1-3 LMG NRW 2013) und aus weisungsunabhängigen Mitgliedern (vgl. § 95 Abs. 1 S. 2 LMG NRW 12/2014) bestehende Medienkommission der Antragsgegnerin aufgrund einer komplexen Abwägung zu treffen, welche die wertende Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen (wie z.B. die Programm- und Anbietervielfalt) verlangt. Das Gericht darf nur die Einhaltung dieses Beurteilungsspielraums überprüfen, nicht jedoch seine Wertungen an die Stelle derjenigen der Medienkommission setzen. Die gerichtliche Kontrolle muss – wie auch in anderen Fällen eines Beurteilungsspielraums – darauf beschränkt bleiben, ob das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, die Medienkommission den Sinn der gesetzlichen Auswahlkriterien zutreffend erfasst hat, von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, die normativen Maßstäbe fehlerfrei angewandt hat und sich dabei insbesondere nicht von sachfremden und willkürlichen Erwägungen hat leiten lassen.
86Vgl. allgemein: Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung – Großkommentar, 4. Aufl., § 114, Rn. 354; speziell zu medienrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10. Mai 2013 – 10 ME 21/13 –, juris (Rn. 16 f.); OVG Berlin, Beschluss vom 25. September 1996 – 8 S 280.96 –, juris (Rn. 17); OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1998 – 5 A 1816/97 –, juris (Rn. 14); VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 29. Juli 1997 – 15 L 2902/97 –, ZUM 1998, 508 (513) und 23. August 2001 – 15 L 349/01 –, S. 24 des Entscheidungsabdrucks; VG Berlin, Urteil vom 12. November 2010 – 27 K 240.10 –, juris (Rn. 74); zum sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruch im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit: BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31.01 –, juris (Rn. 17); OVG NRW, Beschluss vom 2. September 2015 – 6 B 808/15 –, juris (Rn. 4); zum gewerberechtlichen Konkurrentenstreit: OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2010 – 4 B 643/10 –, juris (Rn. 5); Bayerischer VGH, Urteil vom 22. Juli 2015 – 22 B 15.620 –, juris (Rn. 45).
87Die Medienkommission hat das Zuweisungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Der Beschluss der Medienkommission auf ihrer 64. Sitzung vom 23. Januar 2015, mit dem unter dem Tagesordnungspunkt 16
88„Zuweisung von Übertragungskapazitäten gem. §§ 12, 17 LMG NRW –hier: Ausschreibung analoger terrestrischer Übertragungskapazitäten (UKW) – landesweite Kette“
89der Vorlage Nr. V-424/14 des Direktors der Antragsgegnerin zur Zuweisung der 11 streitbefangenen UKW-Übertragungskapazitäten an die Beigeladene gemäß §§ 12 ff. LMG NRW 2013 unter Ablehnung der übrigen Zuweisungsanträge mehrheitlich zugestimmt worden ist, leidet an einem grundlegenden Verfahrensmangel.
90Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich ein Verfahrensmangel bereits daraus ergibt, dass zwei Mitglieder der Medienkommission (K. A. und D. E. ) die 64. Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015 – wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 19. August 2015 auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts eingeräumt hat – speziell und ausschließlich zum fraglichen Tagesordnungspunkt 16 vorübergehend verlassen haben, um der Besorgnis der Befangenheit entgegenzuwirken. Es besteht zwar nach dem Landesmediengesetz keine unmittelbare Pflicht der Mitglieder der Medienkommission zur Teilnahme an jeder Sitzung in voller Länge. Dementsprechend ist die Medienkommission auch bereits dann beschlussfähig, wenn zwei Drittel ihrer Mitglieder anwesend sind (vgl. § 98 Abs. 5 LMG NRW 12/2014). Allerdings ergibt sich aus dem Gesetz, dass für jedes Mitglied zugleich eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu bestimmen ist, der im Fall der Verhinderung des ordentlichen Mitglieds an den Sitzungen teilnimmt (§ 93 Abs. 6 LMG NRW 2013). Dem lässt sich entnehmen, dass das Gesetz eine möglichst umfassende Teilnahme der Mitglieder an den Sitzungen der Medienkommission sicherstellen will. Außerdem trifft § 95 Abs. 6 LMG NRW 12/2014 i.V.m. §§ 20 f. des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) eine ausdrückliche Regelung für den hier von der Antragsgegnerin geltend gemachten Fall der Besorgnis der Befangenheit eines einzelnen Mitgliedes. Danach hat das betreffende Mitglied die Vorsitzende oder den Vorsitzenden unverzüglich auf den entsprechenden Grund hinzuweisen und die Medienkommission sodann über das Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit zu entscheiden. Jedenfalls Letzteres ist hier nicht geschehen. Eine Umgehung dieser Regelung könnte die vom Gesetz ausdrücklich geforderte größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit (vgl. § 88 Abs. 2 S. 1 LMG NRW 12/2014) beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere angesichts der knappen, mit einer Mehrheit von nur zwei Stimmen getroffenen Entscheidung der Medienkommission im vorliegenden Verfahren.
91Jedenfalls aber verstößt die in nichtöffentlicher Sitzung erfolgte Beschlussfassung der Medienkommission am 23. Januar 2015 zum Tagesordnungspunkt 16
92– ausweislich der entsprechenden Feststellung auf Seite 11 der Niederschrift über die 64. Sitzung der Medienkommission (Pr.-Nr. MK V-64/15) erfolgte die Beratung ab Tagesordnungspunkt 10 (mit Ausnahme der vorgezogenen Punkte 22 und 23) nichtöffentlich –
93gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit ihrer Sitzungen: Dieser Grundsatz galt zu diesem Zeitpunkt auch für das vorliegende Zuweisungsverfahren (aa). Ein wirksamer Ausschluss der Öffentlichkeit fehlt (bb) und ein Ausschluss hätte auch nicht zwingend erfolgen müssen (cc). Dieser Verfahrensfehler ist schließlich nicht unbeachtlich (dd).
94aa) Genau zum Tag der Beschlussfassung der Medienkommission am 23. Januar 2015 zum fraglichen Tagesordnungspunkt 16 hatte der Landesgesetzgeber den mit Art. 1 Nr. 64 a) 14. RFÄndG in § 98 Abs. 2 LMG NRW allgemein zum 17. Juli 2014 eingeführten Öffentlichkeitsgrundsatz auch auf bereits laufende Zuweisungsverfahren erstreckt, indem er mit Art. 2 Nr. 6 ZustG zum 16. RFÄndStV die diesbezügliche Fortgeltung des alten Rechts auf die gesetzlichen Vorgaben zur Zulassung und Zuweisung von Übertragungskapazitäten in den Abschnitten 2 bis 4 beschränkt hat. Die gezielte Erstreckung dieses Grundsatzes auf laufende Zuweisungsverfahren ergibt sich ausdrücklich aus der Begründung des Entwurfs der Landesregierung zum ZustG zum 16. RFÄndStV, in der festgestellt wird, dass „(die) Maßgaben etwa zur Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission … von dieser Übergangsregelung unberührt (bleiben) und … unmittelbar Anwendung (finden).“
95LT-Drs. 16/7091, S. 11.
96bb) Ein wirksamer Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Behandlung des fraglichen Tagesordnungspunktes 16 der 64. Sitzung der Medienkommission vom 23. Januar 2015 fehlt. § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 sieht vor, dass die Medienkommission in begründeten Ausnahmefällen mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder den Ausschluss der Öffentlichkeit, die nach Satz 1 grundsätzlich gegeben ist, beschließen kann. Personalangelegenheiten, die aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes des Personals der Landesmedienanstalt vertraulich sind, sind stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu behandeln (S. 3). Gemäß Satz 4 kann die Öffentlichkeit durch Satzung für solche Angelegenheiten ausgeschlossen werden, bei denen die Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter unvermeidlich ist.
97Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Der Fall des gesetzlichen Ausschlusses der Öffentlichkeit in Personalangelegenheiten (§ 98 Abs. 2 S. 3 LMG NRW 12/2014) lag insoweit nicht vor. Auch griff kein Ausschluss der Öffentlichkeit durch Satzung gemäß § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 12/2014 ein. § 7 Abs. 2 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 1. April 2011 (GV. NRW. S. 205 – HauptS) führt lediglich die früheren Vorgaben des § 98 Abs. 2 LMG NRW 2013 zur grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit der Sitzung der Medienkommission mit fakultativer Ausnahme an und setzt für eine solche Ausnahme die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder voraus.
98Zwar hat die Antragsgegnerin nach der Revision des Landesmediengesetzes ihre Hauptsatzung mit der 1. Änderungssatzung vom 28. August 2015 (GV. NRW. S. 669) überarbeitet. Die Korrektur betrifft jedoch ausschließlich die funktionelle Zuständigkeit für die Aufgaben der Telemedienaufsicht nach § 59 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) sowie der Verfolgung und Ahndung bestimmter Ordnungswidrigkeiten. Die Regelungen in der Hauptsatzung zur Nichtöffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission sind dagegen trotz der gesetzgeberischen Korrekturen in diesem Bereich noch unverändert geblieben.
99Schließlich hat die Medienkommission die Öffentlichkeit für diese Sitzung zum Tagesordnungspunkt 16 auch nicht wirksam als begründeten Ausnahmefall nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 ausgeschlossen.
100Eine ausdrückliche Entscheidung der Medienkommission zu dieser Frage mit der Mehrheit ihrer Mitglieder ist insbesondere nicht in der Niederschrift über diese 64. Sitzung der Medienkommission (Pr.-Nr. MK V-64/15) enthalten, obwohl das Justiziariat der Antragsgegnerin in einem internen Vermerk vom 19. Januar 2015 zum Ablauf der Sitzung vom 23. Januar 2015 einen entsprechenden Beschluss ausdrücklich empfohlen hatte.
101Der im Protokoll zum Tagesordnungspunkt 1b) festgestellten einstimmigen Genehmigung der Tagesordnung durch die Medienkommission kommt als solches keine Aussagekraft in Bezug auf einen Ausschluss der Öffentlichkeit zu. Denn die der Niederschrift vorangestellte Tagesordnung enthält keine Feststellung zur Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit der Sitzung zu den einzelnen Punkten. Gleiches gilt hinsichtlich der den Mitgliedern der Medienkommission im Vorfeld mit ihrer Einladung mit Schreiben ihres Vorsitzenden vom 9. Januar 2015 übersandten Tagesordnung selbst. Soweit das Einladungsschreiben nach der Mitteilung der Tagesordnung und der Unterschrift in der Art eines Postskriptums den Zusatz enthält, dass die Tagesordnungspunkte 10-21 „voraussichtlich in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt (werden)“, ist eine Auflösung dieses Vorbehaltes durch eine entsprechende Mehrheitsentscheidung der Medienkommission gerade nicht ersichtlich.
102Ein Beschluss der Medienkommission zum Ausschluss der Öffentlichkeit lässt sich auch nicht dem Umstand entnehmen, dass die Genehmigung der Tagesordnung „unter Berücksichtigung der Hinweise zum Ausschluss der Öffentlichkeit bei den Tagesordnungspunkten 10 bis 21 sowie 24“ erfolgte. Die Annahme eines entsprechenden konkludenten Beschlusses erscheint bereits grundsätzlich zweifelhaft, weil sie der Bedeutung einer solchen Maßnahme nicht gerecht werden dürfte. Jedenfalls scheitert eine dahingehende Annahme hier daran, dass nicht ersichtlich ist, dass den Mitgliedern der Medienkommission bei dieser Genehmigung der Tagesordnung die Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst war, nämlich entgegen den nunmehr ab dem Tag dieser Sitzung auch für den Tagesordnungspunkt 16 geltenden Vorgaben ausnahmsweise die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Formulierung der „Berücksichtigung der Hinweise“ erweckt vielmehr den Eindruck, dass die Medienkommission den von anderer Seite festgestellten Ausschluss der Öffentlichkeit lediglich zur Kenntnis nimmt. Hinzu kommt, dass nicht zweifelsfrei ist, um welche Hinweise es sich bei dieser Bezugnahme genau handelt. Angesichts dessen geht aus der Niederschrift auch nicht hervor, aus welchem konkreten Grund der Ausschluss erfolgt sein soll, obwohl dies zur erforderlichen Dokumentation des Ablaufs, jedenfalls aber der Entscheidungen der Medienkommission im Hinblick auf eine spätere rechtliche Überprüfung naheliegt (vgl. allgemein § 11 HauptS). Dies wiegt umso schwerer, als bei einer Auslegung im oben genannte Sinne über den relevanten Tagesordnungspunkt 16 hinaus die Öffentlichkeit für eine Vielzahl von Tagesordnungspunkten ausgeschlossen worden wäre, obgleich die betreffenden Beratungsgegenstände durchaus unterschiedlicher Natur waren: u.a. Zuweisung von Übertragungskapazitäten (TOP 11 und 15), Zulassung privater Rundfunkveranstalter (TOP 17), Beanstandungsverfahren nach § 118 LMG NRW (TOP 12), J-B. e.V. (TOP 13), Q. e.V. (TOP 14).
103Vgl. zu diesem Gesichtspunkt hinsichtlich des Kommunalrechts: Hessischer VGH, Urteil vom 6. November 2008 – 8 A 674/08 –, juris (Rn. 32).
104Ein entsprechender Ausschlussgrund wird auch in der Tagesordnung, die den Mitgliedern der Medienkommission mit der Einladung übersandt worden ist, nicht inhaltlich benannt. Der Rückschluss auf einen Ausschlussgrund ließe sich allenfalls aus dem Vermerk des Justiziariats der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2015 ziehen, der eine Behandlung auch des Tagesordnungspunktes 16 in nicht-öffentlicher Sitzung empfahl, da es insoweit voraussichtlich um die Erörterung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gehen werde. Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sämtlichen Mitgliedern der Medienkommission dieser Vermerk mit den Ausschlussgründen überhaupt bekannt war, geschweige denn vorgelegen hat. Hiergegen spricht insbesondere auch, dass einem Mitglied der Medienkommission (erst) auf Nachfrage zum Ausschluss der Öffentlichkeit zu den Tagesordnungspunkten 12 und 13 der vorangegangenen 63. Sitzung vom 12. Dezember 2014 unter vergleichbaren Umständen im wesentlichen der in dem zugehörigen Vermerk des Justiziariats der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2014 benannte Ausschlussgrund mitgeteilt wurde.
105Vgl. auch insoweit Hessischer VGH, a.a.O.
106Vor diesem Hintergrund lässt sich auch der Feststellung in der Niederschrift über die 64. Sitzung vor dem Tagesordnungspunkt 10, dass die folgenden Tagesordnungspunkte – ohne Angabe von Gründen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten werden, ein dahingehender Beschluss der Medienkommission mit der erforderlichen Mehrheit ihrer Mitglieder nicht entnehmen.
107cc) Die Medienkommission hätte die Öffentlichkeit bei der Erörterung des Tagesordnungspunktes 16 ihrer 64. Sitzung vom 23. Januar 2015 auch nicht zwingend ausschließen müssen. Unabhängig von der Frage einer entsprechenden Reduzierung ihres nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 insoweit grundsätzlich bestehenden Ermessens spricht Überwiegendes dafür, dass hinsichtlich der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes in der 64. Sitzung bereits kein begründeter Ausnahmefall für den Ausschluss der Öffentlichkeit nach dieser Vorschrift vorlag.
108Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift und dem in der Gesetzgebungsgeschichte deutlich zu Tage getretenen Zweck dieser Regelung wie auch der allgemeinen Vorschriften über die Landesanstalt für Medien ergibt sich unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, dass sie eng auszulegen ist.
109Hinsichtlich des Wortlautes folgt dies bereits aus dem Umstand, dass in § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 ausdrücklich eine Ausnahme von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in Satz 1 zu Gunsten der Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission ermöglicht wird.
110Vgl. allgemein hierzu etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. April 2015 – 1 BvR 2274/12 –, juris (Rn. 15).
111Hinzu kommt, dass § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit vom Wortlaut her noch weiter dadurch einschränkt, dass nicht lediglich ein Ausnahmefall, sondern einbegründeter Ausnahmefall verlangt wird. Dies soll ersichtlich die Medienkommission dazu veranlassen, sich in jedem Einzelfall genau mit dem Für und Wider eines Ausschlusses auseinander zu setzen und die Öffentlichkeit nur dann auszuschließen, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Verfahrens aus übergeordneten Gesichtspunkten ausnahmsweise geboten ist.
112Nur eine solche enge Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Neufassung des § 98 Abs. 2 LMG NRW im speziellen wie auch der gesamten Neukonzeption der Regelungen zu den Organen der Antragsgegnerin durch das 14. RFÄndG im allgemeinen.
113Bereits im Entwurf der Landesregierung zum 14. RFÄndG ist hinsichtlich der betreffenden Änderung des § 98 Abs. 2 LMG NRW festgestellt worden, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis der Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission im Sinne von mehr Transparenz umgekehrt werden soll und ein Ausschluss der Öffentlichkeit nur in eng umgrenzten Ausnahmeverhältnissen möglich ist.
114Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 109.
115Dementsprechend ist auch die gesamte Neuregelung der Vorschriften zu den Organen der Antragsgegnerin im Zuge des 14. RFÄndG darauf ausgerichtet, Transparenz, Kommunikation, Akzeptanz, Legitimation und Kontrolle zu stärken. Dies kommt bereits darin im Gesetz selbst zum Ausdruck, dass die Antragsgegnerin durch § 88 Abs. 2 S. 1 LMG NRW 7/2014, d.h. an herausgehobener Stelle zu Beginn der diesbezüglichen allgemeinen Vorschriften programmsatzähnlich dazu verpflichtet wird, für eine größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit Sorge zu tragen. Hierzu wird bereits im allgemeinen Teil der Begründung des betreffenden Regierungsentwurfes festgehalten, dass „neben der Stärkung der Medienkommission der LfM als Vertretung der Allgemeinheit … im Gesetz zudem die Grundlage für einen möglichst hohen Grad an Transparenz der Regulierung geschaffen (wird), der zugleich die Voraussetzung für die Einbindung partizipativer Elemente bildet. Mediennutzerinnen und Mediennutzer sollen stärker als bisher in den Diskurs über die Gestaltung der Mediengesellschaft eingebunden werden. … (Die) Festlegung der grundsätzlichen Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission und die Veröffentlichung von wesentlichen Dokumenten und Entscheidungen sind Instrumente, Mediennutzerinnen und Mediennutzer stärker als bisher in den Diskurs über die Gestaltung der Mediengesellschaft einzubinden.“
116Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 87 f.
117Speziell zu den einzelnen Vorgaben zur Umsetzung des Transparenzgebotes in § 88 Abs. 2 LMG NRW 7/2014 stellt der Regierungsentwurf fest, dass diese Regelungen geschaffen werden, „um die Transparenz der Gremienarbeit zu verbessern und dadurch mehr Akzeptanz in der Bevölkerung und eine größere Legitimation der gesellschaftlichen Aufsicht zu erreichen“.
118Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 103.
119Daran anknüpfend heißt es sodann, dass speziell die Regelung, „dass die Sitzungen der Medienkommission im Regelfall öffentlich … sein sollen“, dazu dient, „die Transparenz der Gremienarbeit und die Kommunikation der Gremien mit den Mediennutzerinnen und Mediennutzern (zu verbessern), um mehr Akzeptanz in der Bevölkerung und eine größere Legitimation der gesellschaftlichen Aufsicht zu erreichen.
120Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 109.
121Diese Zielrichtung wurde auch im Gesetzgebungsverfahren – über die Parteigrenzen hinweg – positiv hervorgehoben.
122Vgl. aus der 1. Lesung des Gesetzes vom 20. Februar 2014, Plenarprotokoll 16/52, S. 5095 ff.: Redebeiträge der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien Dr. Angelica Schwall-Düren sowie der Abgeordneten Alexander Vogt (SPD), Thomas Nückel (FDP) und Daniel Schwerd (PIRATEN); aus der 2. Lesung vom 2. Juli 2014, Plenarprotokoll 16/62, S. 6212 ff.: Redebeitrag des Abgeordneten Alexander Vogt (SPD); Stellungnahme der Abgeordneten Matthi Bolte (GRÜNE) in der 26. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien vom 26. Juni 2014, Ausschussprotokoll 16/609, S. 32.
123Eine vergleichbare Zielsetzung liegt auch zahlreichen entsprechenden Regelungen in anderen Rechtsgebieten zugrunde.
124Vgl. etwa im Staatsorganisationsrecht hinsichtlich des Bundestages (Art. 42 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG): BVerfG, Urteile vom 14. Januar 1986 – 2 BvE 14/83 und 4/84 –, juris (Rn. 123) und 4. Juli 2007 – 2 BvE 1-4/06 –, juris (Rn. 270 und 349 f.); Klein in: Maunz/Dürig, Grundgesetz – Kommentar, Stand: Dezember 2014, Art. 42 Rn. 26 ff.; im Kommunalrecht hinsichtlich des Gemeinderates (§ 48 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – GO NRW): OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1978 – XV A 1031/77 –, OVGE 35, 8 ff.; Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl. 9.1; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2015 – 8 S 1386/14 –, juris (Rn. 43); im Hochschulrecht hinsichtlich des Senats, der Hochschulwahlversammlung und des Fachbereichsrates (§ 12 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen – HG): OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – 15 A 3225/08 –, juris (Rn. 7); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. August 2010 – 9 S 2315/09 –, juris (Rn. 30); im Prozessrecht hinsichtlich der Öffentlichkeit der gerichtlichen Verhandlung (§ 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG): Kissel/Mayer, GVG – Kommentar, 7. Aufl., § 169 Rn. 1 ff.
125Die besondere Bedeutung dieser Funktionen von Öffentlichkeit besteht gerade auch im hier betroffenen Bereich der Rundfunkfreiheit, die verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet ist und der freien Meinungsbildung dient, die wiederum Voraussetzung sowohl der Persönlichkeitsentfaltung als auch der demokratischen Ordnung ist.
126Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 <8. Rundfunkurteil> –, juris (Rn. 140).
127Denn insoweit ist es verfassungsrechtlich geboten, dafür Sorge zu tragen, dass der Staat zur Wahrung der Rundfunkfreiheit auch bei der Vergabe terrestrischer Übertragungskapazitäten an private Bewerber keinen Einfluss auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Rundfunkprogramme nimmt.
128Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85 und 1/88 <6. Rundfunkurteil> –, juris (Rn. 472 f.).
129Zum einen legt das Gebot der Staatsferne, das für den Rundfunk allgemein gilt, auch soweit er – was hier streitbefangen ist – privat veranstaltet wird,
130vgl. BVerfG, Urteil vom 12. März 2008 – 2 BvF 4/03
es nahe, dass bei einer Berufung staatlicher Mitglieder und staatsnaher politische Akteure, wie sie hinsichtlich der Medienkommission in § 93 Abs. 2 LMG NRW 2013 und LMG NRW 7/2014 vorgesehen war und ist, der Willensbildungsprozess dieses Gremiums hinreichend transparent ausgestaltet wird. Zum anderen ist ein bestimmtes Maß an Transparenz auch von der Art der Aufgabe der Medienkommission her geboten. Die nach dem Landesmediengesetz ihr obliegenden Entscheidungen insbesondere zur Zulassung von Rundfunkveranstaltern und Zuweisung von Übertragungskapazitäten, durch die ihre Mitglieder als Sachwalter der Allgemeinheit insoweit die Meinungs-, Angebots- und Anbietervielfalt des Rundfunks gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisten, sind Aufgaben, deren Wahrnehmung jedenfalls hinsichtlich ihrer Grundentscheidungen die Möglichkeit öffentlicher Anteilnahme erfordert. „Transparenz kann hier heilsame Vorwirkung gegen funktionswidrige Absprachen und Einflussnahmen entfalten und helfen, Tendenzen von Machtmissbrauch oder Vereinnahmungen durch Partikularinteressen frühzeitig entgegenzuwirken. Der Öffentlichkeit kommt insoweit eine wesentliche (…) Kontrollfunktion zu.“
132So zu entsprechenden Regelungen über die Arbeit der ZDF-Aufsichtsgremien: BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1 und 4/11 –, juris (Rn. 82 ff.).
133Dass der Landesgesetzgeber mit der betreffenden Regelung in § 98 Abs. 2 LMG NRW 12/2014 – wie von der Antragsgegnerin hervorgehoben – über das verfassungsrechtlich gebotene Transparenzminimum hinausgegangen ist, vermag an der gesetzlichen Ausgestaltung und der dahinter stehenden gesetzgeberischen Intention nichts zu ändern. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner zitierten Entscheidung zur Ausgestaltung der ZDF-Aufsichtsgremien festgestellt, dass durch die Verfassung nicht im Einzelnen vorgezeichnet ist, welches Maß an Transparenz für eine funktionsgerechte Aufgabenwahrnehmung sachgerecht ist. Insbesondere liegt es danach in der Entscheidung des Gesetzgebers, ob für die Arbeit der Gremien der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gelten soll.
134Vgl. BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1 und 4/11 –, juris (Rn. 85).
135Diesen Entscheidungsspielraum hat der Landesgesetzgeber wahrgenommen und sich dabei für ein deutliches Mehr als ein Mindestmaß an Transparenz, nämlich für „größtmögliche Transparenz“ entschieden.
136Ausgehend von diesen engen gesetzlichen Maßstäben spricht Überwiegendes gegen die Annahme eines begründeten Ausnahmefalls hinsichtlich der Behandlung des betreffenden Tagesordnungspunktes 16 in der 64. Sitzung der Medienkommission vom 23. Januar 2015.
137Es erscheint zwar im Grundsatz rechtlich unbedenklich, – wie von der Antragsgegnerin dargelegt – im Vorgriff auf eine insoweit noch nicht erfolgte Anpassung der (Haupt-) Satzung im Sinne des § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 12/2014 im Einzelfall einen Ausschluss der Öffentlichkeit zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter als begründeten Ausnahmefall nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 zu beschließen. Jedenfalls aber bedarf es hierzu – wie auch von der Antragsgegnerin angenommen – einer Prognose hinsichtlich des zu erwartenden Beratungsverlaufs anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls, die der Medienkommission obliegt und nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist.
138Vgl. zur ähnlichen Konstellation im Kommunalrecht bei allerdings unterschiedlichem inhaltlichen Maßstab für die Zulässigkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit (s.u.): Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl. 10.8.
139Nach dieser Prognose muss – anknüpfend an den Wortlaut des § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 12/2014 – die Erörterung von Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen unvermeidlich, das heißt mehr oder weniger zwingend sein. Für einen unterhalb dieser Schwelle liegenden Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen besteht angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben kein Raum.
140Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in diesem Sinne sind ebenso wie hinsichtlich der identischen Begrifflichkeit in den §§ 6 S. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) und 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat, weil die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches Wissen (Betriebsgeheimnisse) oder kaufmännisches Wissen (Geschäftsgeheimnisse) den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
141Vgl. zum betreffenden Schutzbereich des Grundrechtes der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087 und 2111/03 –, juris (Rn. 87); zu § 9 UIG: BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 –, juris (Rn. 50); zu § 9 UIG und § 6 IFG: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18.08 –, juris (Rn. 12 f. und 18); so auch zur betreffenden Abwägung hinsichtlich des Informationsrechts der Presse nach § 4 des Landespressegesetzes NRW: OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 2013 – 5 A 413/11 –, juris (Rn. 150).
142Eine Prognose der Medienkommission, ob es in ihrer 64. Sitzung hinsichtlich des betreffenden Tagesordnungspunktes 16 zu einer Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter kommt, liegt nicht vor. Die Sachlage stellte sich in der 64. Sitzung aber auch nicht so dar, dass die Medienkommission zwingend hätte davon ausgehen müssen, dass bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter erörtert werden. Dass eine solche Erörterung unvermeidlich war, erschließt sich der Kammer auch bei Auswertung des Inhalts der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und ihres Vorbringens im gerichtlichen Verfahren nicht.
143Der Vermerk des Justiziariats der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2015 zur Behandlung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der 64. Sitzung der Medienkommission führt keine Umstände an, die eine solche Prognose hätten begründen können; er beschränkt sich vielmehr auf die bloße Feststellung, dass es auch bei diesem Tagesordnungspunkt voraussichtlich um die Erörterung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gehen werde.
144Soweit die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren einwendet, die Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung der streitbefangenen medienrechtlichen Zuweisung einer Übertragungskapazität könne sich grundsätzlich auch auf Umstände beziehen, die ein Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnis des betreffenden Antragstellers darstellten, steht dies außer Frage. Dies mag etwa – wie von der Antragsgegnerin dargelegt – für einzelne Aspekte der als Zuweisungsvoraussetzung nach § 13 LMG NRW 2013 zu prüfenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
145vgl. hierzu § 4 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) der Satzung der Antragsgegnerin über die Zuweisungen von terrestrischen Übertragungskapazitäten für Fernseh- und Hörfunkprogramme sowie Mediendienste (Zuweisungssatzung) vom 14. November 2003, wonach zum Nachweis der wirtschaftlichen und organisatorischen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die antragsgemäße Verbreitung insbesondere die Vorlage von Wirtschafts-, Finanz- und Stellenplänen notwendig ist, denen Darlegungen zu den finanziellen Planungen in Bezug auf die Verbreitung für die Dauer der beantragten Zuweisung zu entnehmen sein müssen,
146im Sinne eines Geschäftsgeheimnisses und der im Rahmen der Prüfung der Programmvielfalt nach § 14 Abs. 2 LMG NRW 2013 zu beurteilenden geplanten programmlichen Gestaltung im Sinne eines Betriebsgeheimnisses gelten. Soweit die Antragsgegnerin insoweit auch auf die Voraussetzungen für die Zulassung zur Veranstaltung von Rundfunk nach § 5 LMG NRW 2013 abstellt, kann sich daraus für die Zuweisung der Übertragungskapazität kein Ausschlussgrund ergeben. Denn bei der Zulassung zur Veranstaltung von Rundfunk nach §§ 4 ff. LMG NRW 2013 und der Zuweisung einer Übertragungskapazität nach §§ 12 ff. LMG NRW 2013 handelt es sich um zwei voneinander getrennte Verwaltungsakte. Dementsprechend ist die Frage der Zulassung der Beigeladenen zur Rundfunkveranstaltung auch auf der 64. Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015 unter einem gesonderten Tagesordnungspunkt 17 behandelt worden, für den es eine eigene Vorlage des Direktors der Antragsgegnerin (V-433/15) gab und der ohne weiteres auch hätte vorgezogen werden können, zumal eine solche Reihenfolge auch in der Systematik des Gesetzes angelegt ist: Während die Zulassung im Abschnitt II des LMG NRW 2013 geregelt ist, wird die Zuweisung erst im Abschnitt III geregelt und setzt ausdrücklich die Zulassung voraus (§ 12 Abs. 1 S. 1 LMG NRW 2013).
147Aber auch in Bezug auf die Zuweisung stellt nicht jede Information zur aktuellen wirtschaftlichen Situation des betreffenden Antragstellers, zu den mit seinem konkreten Programmangebot verbundenen Kosten und dem Inhalt dieses Programmangebots ein Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnis dar. Es muss sich vielmehr um exklusive Informationen handeln, deren Offenlegung die Wettbewerbsposition des jeweiligen Antragstellers nachteilig beeinflussen kann. Dies mag insbesondere in Betracht kommen hinsichtlich der von den Antragstellern vorgelegten Wirtschaft-/Finanzpläne, Gewinn- und Verlustrechnungen, Darlehensverträge und Kontoauszüge sowie der Details des geplanten Programmangebotes, deren Entnahme die Mitbewerber dementsprechend vor der Vorlage der Verwaltungsvorgänge an das Gericht veranlasst haben (vgl. Beiakten Hefte 6-13). Es genügt allerdings nicht, dass die Antragsunterlagen einzelne Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse enthalten und bei der Prüfung der Erfüllung der Zuweisungsvoraussetzungen theoretisch auch ein solcher geheimhaltungsbedürftiger Umstand von Bedeutung sein könnte. Erforderlich ist vielmehr nach dem Gesetzeswortlaut, dass eine Erörterung eines solchen Geheimnisses – bei der im Zeitpunkt des Ausschlusses der Öffentlichkeit gegebenen Sachlage – unvermeidlich ist.
148Konkrete Umstände des bisherigen Verlaufs des streitbefangenen Zuweisungsverfahrens und des Stands der diesbezüglichen Beratungen, die eine dahingehende Prognose in der 64. Sitzung der Medienkommission in Bezug auf den fraglichen Tagesordnungspunkt 16 nahelegten, sind von der Antragsgegnerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht benannt worden. Ihr Vortrag beschränkt sich insoweit auf abstrakte Feststellungen. So wird ausgeführt, dass diese – nach ihrer Einschätzung tatsächlich erfolgte – prognostische Entscheidung auf der Grundlage der Beschlussvorlage und der zu erwartenden Erörterung habe getroffen werden müssen, hierin einzubeziehen gewesen sei, ob eine kontroverse Erörterung zu erwarten gewesen sei, weil gerade in solchen Diskussionen mit einer kritischen Bezugnahme auf Details der Antragsunterlagen zu rechnen sei. Alle Mitglieder der Medienkommission müssten die Möglichkeit erhalten, sich im Rahmen der Diskussion zu allen Inhalten der Beschlussvorlage und zu allen Kriterien der Vorrangentscheidung, angewendet auf die einzelnen Bewerber, zu äußern, ohne Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse einzelner Bewerber zu verletzen. Dies gelte insbesondere auch für die Fragen im Zusammenhang mit einzelnen Programmkonzepten (vgl. Schriftsatz vom 18. August 2015, S. 3). Auch im Schriftsatz vom 25. August 2015 werden insoweit lediglich Prüfungspunkte vor Erteilung einer medienrechtlichen Zuweisung benannt, bei denen Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse eine Rolle spielen können („ darüber hinaus ist keineswegs ausgeschlossen…“, „Vor allem ist es aber möglich…“).
149Die Argumentation der Antragsgegnerin läuft letztlich darauf hinaus, dass in jedem Zuweisungsverfahren unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem konkreten Verfahrensstand für jede Sitzung der Medienkommission zu diesem Tagesordnungspunkt die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann oder sogar muss: Denn die Prüfung der wirtschaftlichen und organisatorischen Fähigkeit zur antragsgemäßen Verbreitung des Programms einerseits und des Maßes des Vielfaltsbeitrags des jeweiligen Programmangebotes unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Realisierbarkeit andererseits, in deren Rahmen gegebenenfalls auch Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisse von Bedeutung sein können, ist nach den gesetzlichen Vorgaben Gegenstand eines jeden Zuweisungsverfahrens. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch bereits allgemein kaum mit der vom Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebrachten Intention der Schaffung möglichst umfassender Transparenz in Bezug auf die Medienkommission, insbesondere durch Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses hinsichtlich der Sitzungsöffentlichkeit zu vereinbaren. Vor allem aber widerspricht es der ausdrücklichen Feststellung im Entwurf der Landesregierung zum ZustG zum 16. RFÄndStV, dass die Maßgaben zur Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission speziell in Bezug auf Zuweisungsverfahren, in denen – wie vorliegend – die Ausschreibung vor dem 1. Juli 2014 endete, unmittelbar Anwendung finden.
150Lt-Drs. 16/7091, S. 11.
151Denn dem lässt sich entnehmen, dass bereits im Gesetzgebungsverfahren davon ausgegangen wurde, dass gerade auch die Sitzungen der Medienkommission in derartigen Zuweisungsverfahren fortan grundsätzlich öffentlich sein sollten.
152Gegen die prognostische Einschätzung, dass es konkret bei der 64. Sitzung der Medienkommission unvermeidlich zur Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter kommen würde, sprach, dass sich die Medienkommission bereits in ihrer 50., 55., 57. Und 59. Sitzung mit der Ausschreibung und den eingegangenen Bewerbungen beschäftigt und nach der Anhörung der Antragsteller und der Erörterung in ihrem Programmausschuss in der vorangegangenen 63. Sitzung die Zuweisung der streitbefangenen Übertragungskapazitäten, insbesondere das geplante Programmangebot schon eingehend diskutiert hatte und die Vertagung vor allem im Hinblick auf den Umfang der Entscheidungsvorlage und der ergänzend erbetenen Zusammenfassung der Anhörung der Antragsteller erfolgte. Dementsprechend hat auch die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 10. April 2015 (S. 25) geschildert, dass in der 63. Sitzung der Medienkommission am 12. Dezember 2014 in der Medienkommission Stimmen laut geworden seien, dass die Mitglieder der Kommission genügend Zeit benötigten, um sich eine eigene Meinung zu bilden und die ausführliche Vorlage verarbeiten zu können. Vor diesem Hintergrund stand zu erwarten, dass in der 64. Sitzung im Wesentlichen lediglich die Entscheidungsfindung erfolgt – so wie es ausweislich der Sitzungsniederschrift dann auch tatsächlich geschah.
153Des weiteren sprach auch der in der entsprechenden Niederschrift wiedergegebene Verlauf der Diskussion in der vorangegangenen 63. Sitzung der Medienkommission am 12. Dezember 2014 gegen die Annahme, dass hinsichtlich dieses Tagesordnungspunktes in der nun anstehenden 64. Sitzung am 23. Januar 2015 eine Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter unvermeidlich war. Am 12. Dezember 2014 behandelte die Medienkommission im Hinblick auf die zu treffende Auswahlentscheidung insbesondere die Anträge der Beigeladenen und von E. Im Vordergrund stand dabei die Erörterung des Angebots der Beigeladenen, seines Wortanteils, seines Integrationsbeitrags auch vor dem Hintergrund des geplanten Sprachverhältnisses (30 % Deutsch, 70 % Türkisch), seines allgemeinen Anspruchs und seiner Zielgruppe. Den diesbezüglichen Feststellungen und Wertungen ließ sich ein Geheimhaltungsbedürfnis und eine entsprechende Wettbewerbsrelevanz nicht entnehmen. Aber auch soweit grundsätzlich sensiblere Bereiche wie die Beteiligungsverhältnisse der Beigeladenen und die Wirtschaftlichkeit des Angebotes angesprochen wurden, war nicht ansatzweise ersichtlich, dass dabei Tatsachen, Umstände oder Vorgänge Erwähnung fanden, die nicht offenkundig waren und an deren Nichtverbreitung die Beigeladene oder ein anderer Antragsteller ein berechtigtes Interesse hatte.
154Zudem dürfte gegen die Prognose einer Unvermeidlichkeit der Erörterung von Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen der Bewerber in der 64. Sitzung der Medienkommission der von der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 10. April 2015 dargelegte damalige Kenntnisstand der Kommissionsmitglieder gesprochen haben. Dabei stellte auch nach Einschätzung der Antragsgegnerin (S. 27 des Schriftsatzes) die Vorlage der Verwaltung zur 63. Und 64. Sitzung der Medienkommission, d.h. im Wesentlichen die Vorlage Nr. V-424/14 vom 5. Dezember 2014 die maßgebliche Grundlage für die letztliche Auswahlentscheidung dar. Diese Vorlage entspricht aber fast vollständig der Begründung des späteren Zuweisungsbescheides vom 11. Februar 2015, der jedenfalls allen Bewerbern um die streitbefangenen Übertragungskapazitäten bekannt gegeben wurde und daher offensichtlich keine Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse enthielt. Dafür, dass einzelne Mitglieder der Medienkommission weitergehendere Kenntnisse, insbesondere zu den von den übrigen Antragstellern bei Vorlage der Verwaltungsvorgänge geschwärzten und gegebenenfalls geheimhaltungsbedürftigen Umständen hatten, liegen keine Anhaltspunkte vor.
155Schließlich greift der Einwand der Antragsgegnerin, dass sich ein bestimmter Beratungsgegenstand nicht in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil ausspalten lasse, sondern hinsichtlich der Frage der Sitzungsöffentlichkeit einheitlich beurteilt werden müsse, und der diesbezügliche Hinweis auf entsprechende kommunalrechtliche Rechtsprechung nicht durch. Es trifft zwar zu, dass in der kommunalrechtlichen Rechtsprechung angenommen wird, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit nicht lediglich auf Teile der Beratung beschränkt werden kann, weil eine derartige atomisierende Betrachtung den Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit fremd ist und wegen des thematischen Zusammenhangs der Angelegenheit und der Unvorhersehbarkeit der einzelnen Beiträge auch der Lebenswirklichkeit nicht gerecht wird.
156Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006 – 15 A 817/04 –, juris (Rn. 75); einschränkend insbesondere in Bezug auf Angelegenheiten mit hoher politischer oder wirtschaftlicher Bedeutung: Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl.10.1 a.E.
157Der daran anknüpfende Einwand der Antragsgegnerin berücksichtigt aber nicht, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Medienkommission offensichtlich gezielt deutlich strengere Maßstäbe hinsichtlich der Sitzungsöffentlichkeit gesetzt hat als im Kommunalrecht: Während es im Kommunalrecht nach der Rechtsprechung zur Rechtfertigung eines Ausschlusses der Öffentlichkeit einer Ratssitzung auf der Grundlage der §§ 48 Abs. 2 S. 2 und 3, 30 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) genügt, dass eine Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen durch eine Behandlung der Angelegenheit in öffentlicher Sitzungmöglich ist,
158vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006 – 15 A 817/04 –, juris (Rn. 72); Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl. 10.1.,
159verlangt das Landesmediengesetz wie gesehen die Unvermeidlichkeit der Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter. Auch dass § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 7/2014 insoweit von „Angelegenheiten“ und nicht von Teilen der Beratung spricht, für die die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann, zwingt entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin nicht zu einer einheitlichen Betrachtung für den gesamten Beratungsgegenstand. Denn der Begriff der „Angelegenheiten“ erfasst nicht zwingend einen gesamten Beratungsgegenstand, sondern kann sich auch nur auf einen Teil eines solchen Gegenstandes beziehen. Angesichts der deutlichen gesetzgeberischen Konzeption zur Schaffung größtmöglicher Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist die Medienkommission daher dazu gehalten, zu Beginn jeder Sitzung darüber zu befinden, ob hinsichtlich eines bestimmten Tagesordnungspunktes angesichts des Standes der Beratungen und des Verlaufs der vorangegangenen Sitzungen die Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter unvermeidlich ist. Sie hat diese Prognose im Verlauf der Sitzung gegebenenfalls zu korrigieren und die Öffentlichkeit nunmehr auszuschließen bzw. wieder herzustellen. Speziell für die fragliche Behandlung des Tagesordnungspunktes 16 der 64. Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015 ergibt sich dieses Erfordernis einer gesonderten Betrachtung der einzelnen Sitzung im Rahmen eines Zuweisungsverfahrens im Übrigen allein daraus, dass für ihn aufgrund des Inkrafttretens des ZustG zum 16. RFÄndStV an diesem Tage erstmals der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit nach § 98 Abs. 2 S. 1 LMG NRW 12/2014 galt und damit insoweit erstmals Veranlassung bestand, eine Entscheidung zum Ausschluss der Öffentlichkeit zu treffen.
160dd) Dieser grundlegende Verfahrensmangel ist auch im vorliegenden Verfahren der Antragstellerin beachtlich. Insbesondere steht dem nicht die entsprechende Anwendung des § 46 VwVfG NRW entgegen, der vorsieht, dass die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
161Es spricht bereits einiges dafür, den hier festgestellten Verstoß gegen die Vorschriften zur Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission als absoluten Aufhebungsgrund anzusehen, der eine Anwendung des § 46 VwVfG NRW von vornherein ausschließt.
162Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 – 13 A 1215/12 –, juris (Rn. 54); dass., Beschluss vom 19. November 2008 – 13 A 2151/06 –, juris (Rn. 19); Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Aufl., § 46 Rn. 30; Baumeister in: Obermayer/Funke-Kaiser, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 4. Aufl., § 46 Rn. 19 ff.
163Jedenfalls aber fehlt es an der für die Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG NRW erforderlichen offensichtlichen Irrelevanz des Verfahrensfehlers für die Entscheidung in der Sache. Dies setzt voraus, dass offensichtlich sein muss, dass die Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers genau dieselbe Entscheidung getroffen hätte. Bezogen auf den hypothetischen Behördenwillen bedeutet das Offensichtlichkeitsurteil, dass die Gerichte nicht in Spekulationen über Entscheidungsabsichten eintreten sollen, sondern nur dann die Kausalität des Verfahrensfehlers verneinen dürfen, wenn der hypothetische Behördenwille ohne Zweifel feststeht. Dabei sind nachträgliche Bekundungen der Behörde ohne ausschlaggebende Bedeutung.
164Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Aufl., § 46 Rn. 79 ff.
165Diese strengen Anforderungen an die Offensichtlichkeit sind vorliegend nicht erfüllt. Konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Behördenwillen fehlen. Es ist nicht ersichtlich, ob die Medienkommission auch im Falle der Öffentlichkeit ihrer 64. Sitzung vom 23. Januar 2015 in der Sache zur selben Entscheidung gekommen wäre. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der fragliche Beschluss über die Zuweisung von Übertragungskapazitäten gemäß § 98 Abs. 7 S. 2 LMG NRW 12/2014 der Zustimmung der Mehrheit der damals insgesamt 28 Mitglieder, d.h. von mindestens 15 Mitgliedern der Medienkommission bedurfte, der streitbefangenen Zuweisung aber lediglich 16 Mitglieder zustimmten, es sich mithin um eine knappe Entscheidung handelte. Hinzu kommt vorliegend, dass der Medienkommission – wie dargelegt – insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt, bei dem nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Entscheidung in der Sache besteht und sich dementsprechend regelmäßig auch gerichtlicherseits nicht feststellen lässt, dass die Entscheidung auch ohne den Verfahrensfehler offensichtlich genauso getroffen worden wäre.
166Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Aufl., § 46 Rn. 85; vgl. zu Ermessensentscheidungen insoweit: OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 – 13 A 1215/12 –, juris (Rn. 54).
1672. Als Adressatin der sie als Mitbewerberin belastenden und unter Verstoß gegen eine grundlegende Verfahrensvorschrift zustande gekommenen Zuweisung von Übertragungskapazitäten an die Beigeladene, hinsichtlich derer der Medienkommission der Antragsgegnerin ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt, ist die Antragstellerin insoweit auch in eigenen Rechten verletzt. Die Antragstellerin kann wegen des Beurteilungsspielraums keine vollständige gerichtliche Überprüfung der sie belastenden materiellen Entscheidung der Antragsgegnerin beanspruchen. Gerade deswegen hat sie aber einen Anspruch darauf, dass die der gerichtlichen Kontrolle unterworfenen Rahmenbedingungen für diese Entscheidung (ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens, zutreffende Erfassung des Sinns der gesetzlichen Auswahlkriterien, richtige und vollständige Sachverhaltsfeststellung, fehlerfreie Anwendung der normativen Maßstäbe, keine sachfremden und willkürlichen Erwägungen) eingehalten worden sind.
168Vgl. im Ergebnis ebenso für den Fall der verfahrensfehlerhaften Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, der ein Entscheidungsvorrang hinsichtlich der sachlichen Berechtigung eines Indizierungsantrags zukommt: BVerwG, Urteil vom 26. November 1992 – 7 C 21.92 –, juris (Rn. 17); vgl. hinsichtlich eines entsprechenden „Anspruch(s) auf ein rechtsfehlerfreies Bewerbungsverfahren“ auch Bayerischer VGH, Urteil vom 22. Juli 2015 – 22 B 15.620 –, juris (Rn. 45 f.).
169Dies gilt insbesondere für den hier festgestellten Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission, dem nach dem nordrhein-westfälischen Landesmedienrecht wie beschrieben besondere Bedeutung zukommt und der somit nicht lediglich eine formale Ordnungsvorschrift darstellt, sondern eine Regelung mit eigener Schutzfunktion gerade auch zu Gunsten der Bewerber um bestimmte Übertragungskapazitäten. Denn gerade auch deren verfassungsrechtliche Rechtsposition wird gezielt durch die Gewährleistung von Transparenz und Kontrolle mithilfe der Sitzungsöffentlichkeit geschützt, um einer unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen vorzubeugen und bereits den Anschein zu vermeiden, dass hinter verschlossenen Türen unsachgemäße Motive für die getroffene Entscheidung maßgebend gewesen sein könnten.
170Vgl. hinsichtlich des Prinzips der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2015 – 8 S 1386/14 –, juris (Rn. 43 und 59 ff.); OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1978 – XV A 1031/77 –, OVGE 35,8 (10).“
171An diesen Feststellungen hält die Kammer auch nach nochmaliger Überprüfung und Beratung mit den ehrenamtlichen Richtern am 19. Juli 2016 mit der für das Hauptsacheverfahren erforderlichen Überzeugung fest. Danach ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Zuweisungsbescheides und die Rechtsverletzung der Klägerin daraus, dass die dem Bescheid zugrundeliegende, in nichtöffentlicher Sitzung erfolgte Beschlussfassung der Medienkommission am 23. Januar 2015 zum Tagesordnungspunkt 16 gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit ihrer Sitzungen verstößt: Ein wirksamer Ausschluss der Öffentlichkeit fehlt, ein Ausschluss musste auch nicht zwingend erfolgen und dieser Verfahrensfehler ist schließlich nicht unbeachtlich.
172Zum weiteren Verfahren weist die Kammer in Anknüpfung an ihre diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 3. November 2015 unter Berücksichtigung des betreffenden Vorbringens der Beteiligten auf folgendes hin:
173Die Zuordnung der betreffenden Übertragungskapazitäten für die privaten Veranstalter von Rundfunk ist bestandskräftig. Nach obigen Ausführungen bedarf es auch keiner erneuten Ausschreibung dieser Kapazitäten. Nach Einschätzung der Kammer ist die Medienkommission bei ihrer Vorrangentscheidung auch nicht von einem fehlerhaften Verständnis des gesetzlichen Wertungsmaßstabes ausgegangen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin dürften nicht durchgreifen:
174Die Beklagte dürfte bei der Beurteilung des Beitrags eines Programms zur Vielfalt des Gesamtangebots im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 LMG NRW 2013 angesichts des Wortlauts der Vorschrift und der „verfassungsrechtlichen Anforderungen gleichgewichtiger Vielfalt (…) im Ergebnis durch das Gesamtangebot aller Veranstalter“
175vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85 und 1/88 <6. Rundfunkurteil Westdeutscher Rundfunk> –, juris (Rn. 403),
176zu Recht das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einbezogen haben.
177Ebenfalls dürfte es nicht zutreffen, dass bei der Auswahlentscheidung – wie von der Klägerin gefordert – alle mobil und portabel übertragenen Angebote analoger oder digitaler Art, gegebenenfalls sogar der Radioempfang über Kabel zu berücksichtigen sind. Bereits die Systematik des Landesmediengesetzes macht deutlich, dass die einzelnen Verbreitungswege gesondert zu betrachten sind. Zudem würde eine Einbeziehung insbesondere des Hörfunks über Internet (sog. Internet- oder Webradio), aber auch über Satellit aufgrund der dort deutlich größeren Übertragungskapazitäten und des dementsprechend bereits äußerst vielfältigen Angebots
178allein in Deutschland gibt es aktuell über 2000 Webradioangebote (vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/20052/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-webradioangebote-in-deutschland-seit-2006/) und auch über den Satelliten ASTRA 19,2 Grad Ost sind derzeit in Deutschland über 150 Radiosender empfangbar
179eine Prüfung unter Vielfaltsgesichtspunkten praktisch unmöglich machen. Soweit die Klägerin dem entgegenhält, dass es für den Rezipienten, aus dessen Blickwinkel die Frage einer zusätzlichen Vielfalt einzig zu bestimmen sei, völlig ohne Belang sei, ob das Radioprogramm beispielsweise über den Satellitenreceiver in den Empfänger im Wohnzimmer gelange oder aber das Kabel oder über die integrierte UKW-Antenne, so trifft diese Einschätzung derzeit noch nicht zu. Denn soweit ersichtlich ist die Konvergenz – anders als gegebenenfalls im TV-Bereich – im Hörfunkbereich zumindest noch nicht so weit fortgeschritten, dass grundsätzlich nur noch eine Komponente für den Empfang sowohl von terrestrischem (UKW- und DAB+) als auch von Satelliten- und Kabel-Hörfunk sowie Webradio erforderlich ist. Selbst wenn einzelne solcher Geräte auf dem Markt bereits verfügbar sein sollten, sind sie jedenfalls beim Rezipienten noch nicht zum Standard geworden. Im Übrigen würde auch eine weiter fortgeschrittene Konvergenz nichts an der Feststellung ändern, dass der Gesetzgeber derzeit noch von einer gesonderten Betrachtung der einzelnen Verbreitungswege ausgeht und das medienrechtliche Regelungssystem erst an eine relevante Fortentwicklung der Empfangstechnik anpassen müsste. Darüber hinaus erweist sich das Vorbringen der Klägerin insoweit als inkonsequent, als sie einerseits die Irrelevanz des Verbreitungsweges aus Sicht des Rezipienten geltend macht, andererseits aber den Vorrang ihres „breit aufgestellten Programmes“ für den UKW-Vertriebsweg beansprucht, weil gerade dieser darauf angelegt sei, möglichst viele Zuhörer zu erreichen. Auch in der Sache lässt sich ein solcher Vorrang bei der Vergabe terrestrischer Übertragungskapazitäten zugunsten eines an eine große Zielgruppe ausgerichteten Programmes gegenüber lediglich für ein kleines Segment der Gesellschaft interessanten Programmen, die eher auf „individualisierte Vertriebswege“ wie das Webradio zu verweisen seien, auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht rechtfertigen. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 LMG NRW 2013 bzw. § 14 Abs. 3 LMG NRW 12/2014 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er bei der erforderlichen Vorrangentscheidung nach Vielfaltsgesichtspunkten insbesondere auch Minderheiten- und Zielgruppeninteressen sowie Spartenvielfalt berücksichtigt sehen möchte.
180Des Weiteren dürfte der Einwand der Klägerin, dass bei der angegriffenen Entscheidung entgegen § 14 Abs. 5 S. 1 LMG NRW 2013 vergleichbare Telemedien nicht entsprechend ihres Beitrags zur Angebotsvielfalt berücksichtigt worden sind, nicht durchgreifen. Diese Vorschrift stellt lediglich sicher, dass vergleichbare Telemedien und Teleshoppingskanäle im Rahmen einer Vorrangentscheidung zur Zuweisung von terrestrischen Übertragungskapazitäten berücksichtigt werden können. Um die streitbefangenen Übertragungskapazitäten hat sich aber kein Antragsteller mit einem entsprechenden Telemedien-/Teleshoppingangebot beworben.
181Schließlich ist – entgegen der Einschätzung der Klägerin – nicht ersichtlich, dass die Beklagte deswegen falsche Auswahlkriterien zu Grunde gelegt hat, weil sie von einem „landesweit verbreiteten Programm“ ausgegangen ist. Angesichts der bereits in der Ausschreibung dargelegten
182und vom LMG NRW in seiner aktuellen Fassung in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ausdrücklich priorisierten (vgl. hierzu LT-Drs. 16/4950, S. 92)
183langfristigen Zielsetzung zur Schaffung eines (möglichst) landesweiten Hörfunkprogramms erscheint es jedenfalls sachgerecht, wenn nicht sogar zwingend, im Rahmen der Vorrangentscheidung bei der Bestimmung des vorhandenen Gesamtangebotes, zu dem das auszuwählende Programm einen Beitrag leisten soll (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 LMG NRW 2013), im Hinblick auf die angestrebte zukünftige Versorgung möglichst weiter Teile des Landes mit diesem Programm auch grundsätzlich alle in Nordrhein-Westfalen empfangbaren Programme in die Betrachtung mit einzubeziehen. Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin – wie sie in diesem Zusammenhang moniert – mit ihren Überlegungen, die betreffenden Übertragungskapazitäten für eine starke regionale Ausrichtung zu nutzen, wegen der landesweiten Ausrichtung der beabsichtigten Zuweisung am Ende nicht habe durchdringen können. Vielmehr wird im angegriffenen Zuweisungsbescheid dem Programm der Klägerin sogar ausdrücklich ein deutlich größerer inhaltlicher Bezug auch zu einzelnen spezifischen Regionen zugesprochen und dieser Gesichtspunkt grundsätzlich als positives Unterscheidungsmerkmal gewertet. Relativiert und im Ergebnis als nicht maßgeblich bewertet wird es im Rahmen der weiteren Abwägung jedoch dadurch, dass sich regionalisierte Ansätze bereits in den Programmen des WDR bzw. des Lokalfunks fänden.
184Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 1. Hs., § 155 Abs. 1 S. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Dabei bemisst das Gericht den Teil der Klage, mit dem die Klägerin unterliegt, mit 1/5. Der Beigeladenen werden mangels ausdrücklichen Klageantrags keine Kosten auferlegt, solche aber auch nicht erstattet.
185Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit § 709 der Zivilprozessordnung.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Juli 2016 - 27 K 2032/15
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Juli 2016 - 27 K 2032/15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Juli 2016 - 27 K 2032/15 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. März 2015 (27 K 2032/15) gegen Ziffer 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 (I-S-5.1-4-8-1/-2, 4 bis 12) zur Zuweisung von 11 UKW-Übertragungskapazitäten an die Beigeladene wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100.000 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der am 13. März 2015 wörtlich gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 anzuordnen,
4ist angesichts der fehlenden gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 und S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der durch die Antragsgegnerin in Ziffer 5 des Bescheides gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO erfolgten Anordnung seiner sofortigen Vollziehung als Wiederherstellungsantrag nach §§ 80 Abs. 5 S. 1 2. Alt., 80a Abs. 3 VwGO auszulegen. Der so verstandene Antrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).
5I. Der Antrag ist zulässig.
61. Der Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO ist statthaft. Denn bei dem angegriffenen Zuweisungsbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung im Sinne der §§ 80 Abs. 1 S. 2, 80a VwGO. Die Zuweisung einer Übertragungskapazität an einen Veranstalter
7– der Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 spricht unter Ziffer 1 insoweit offensichtlich versehentlich von einer Zuordnung statt einer Zuweisung der Übertragungskapazitäten an die Beigeladene –
8enthält für diesen eine Begünstigung, für die erfolglosen Mitbewerber – wie die Antragstellerin – hingegen eine Belastung im Sinne eines rechtlich erheblichen Nachteils, weil das Recht auf chancengleiche Teilhabe an vorhandenen Kapazitäten berührt wird. Die Sicherung dieses Anspruchs kann die Antragstellerin mit dem Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO verfolgen, so dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ausgeschlossen ist.
9Vgl. ständige Rechtsprechung in medienrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren, z.B. OVG Berlin, Beschluss vom 5. Januar 1995 – 8 S 898.94 –, juris (Rn. 2); OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 2. Juli 1996 – 3 M 24/96 –, juris (Rn. 43 f.); OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. September 1993 – 2 M 8/93 –, LKV 1994, 60; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 18. April 1996 – 10 M 1162/96 u.a. –, DÖV 1996, 923; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 29. Juli 1997 – 15 L 2902/97 –, ZUM 1998, 508 (512) und 23. August 2001 – 15 L 349/01 –, S. 18 des Entscheidungsabdrucks.
102. Die Antragstellerin ist auch entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.
11Ihr fehlt die Antragsbefugnis zwar insoweit, als sie sich darauf beruft, dass die der Zuweisung zu Grunde liegende Zuordnung von 13 Übertragungskapazitäten – die streitbefangenen sowie zwei weitere Kapazitäten an den Senderstandorten F. und H. – mit Bescheid der Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2013 an die Antragsgegnerin wegen Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage (Verstoß gegen das Prinzip der Staatsferne durch Zuweisung der Aufgabe der Zuordnung an die Ministerpräsidentin), Rechtsverstößen bei der Bedarfsanmeldung durch die Antragsgegnerin sowie Vorrangs des lokalen Hörfunks rechtswidrig sei. Die Zuordnung von Übertragungskapazitäten nach §§ 10 und 11 des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (LMG NRW) stellt aufgrund ihrer unmittelbaren Rechtswirkung nach außen einen Verwaltungsakt dar. Klagebefugt sind insoweit aber grundsätzlich lediglich die Bedarfsträger, d.h. der betreffende öffentlich-rechtliche Veranstalter einerseits und die Antragsgegnerin andererseits.
12Vgl. Moskob in: Schwartmann/Sporn, Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen – Kommentar, Stand: Oktober 2013, § 11 Rn. 30 ff.
13Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass auch ein einzelner privater Rundfunkveranstalter die Rechtswidrigkeit einer Zuordnung von Übertragungskapazitäten an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter geltend machen kann. Jedenfalls aber ist eine Verletzung eigener Rechte des privaten Rundfunkveranstalters von vornherein ausgeschlossen, wenn die Zuordnung – wie hier – nicht zu Gunsten des konkurrierenden öffentlich-rechtlichen Veranstalters, sondern der Antragsgegnerin erfolgt. Denn die Zuordnung an die Antragsgegnerin wirkt insoweit zu Gunsten und nicht zulasten privater Rundfunkveranstalter. Sie ist nämlich überhaupt Voraussetzung für die Teilnahme eines jeden privaten Rundfunkveranstalters am anschließenden Zuweisungsverfahren.
14Gleiches gilt, soweit die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit des Ausschreibungsgegenstandes rügt und insoweit geltend macht, dass es erstens sowohl formell als auch materiell unzulässig gewesen sei, die zwei Übertragungskapazitäten an den Senderstandorten F. und H. nicht für den vor der Zuordnung angemeldeten Bedarf auszuschreiben, zweitens für den ausgeschriebenen landesweiten Hörfunk von vornherein ausreichend Übertragungskapazitäten fehlten und drittens fehlerhaft Frequenzen statt lediglich Übertragungskapazitäten ausgeschrieben und später zugewiesen worden seien. Die Herausnahme von zwei Übertragungskapazitäten an den Senderstandorten F. und H. aus dem der Antragsgegnerin zugeordneten Block von Übertragungskapazitäten für „landesweiten Hörfunk“ wirft zwar jedenfalls Fragen der funktionellen Zuständigkeit auf. Etwaige Rechtsfehler in diesem Bereich berühren aber nicht die Antragstellerin, die in der Hauptsache lediglich die Zuweisung der übrigen Übertragungskapazitäten an die Beigeladene anficht und auch nur insoweit eine Neubescheidung begehrt. Zu den zwei Übertragungskapazitäten an den Senderstandorten F. und H. enthält der Zuweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 keine die Antragstellerin belastende Regelung. Auch wenn der Ausschreibungsgegenstand insoweit ungenau bezeichnet worden sein sollte, als eine landesweite Verbreitung von privatem Hörfunk mit den wenigen streitbefangenen, nicht leistungsstarken Ressourcen nicht realisierbar ist (was tatsächlich in der Ausschreibung selbst unter I. festgestellt wird),
15„Die derzeit der Ausschreibung zu Grunde liegenden 11 terrestrischen Frequenzen ermöglichen eine landesweite flächendeckende Versorgung in Nordrhein-Westfalen nicht. Die LfM sieht hierin einen ersten Schritt zur Realisierung eines landesweit verbreiteten Hörfunkprogramms.“
16und die Nennung konkreter Frequenzen mit Leistungsstärke, Antennenbeschaffenheit und maximal zulässiger effektiver Antennenhöhe in der Ausschreibung und im Zuweisungsbescheid fehlerhaft sein sollte, ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin hierdurch in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Sie hat vielmehr offensichtlich erkannt, was tatsächlich Gegenstand der Ausschreibung und Zuweisung ist, und verfolgt mit dem vorläufigen Rechtsschutzantrag dementsprechend den Schutz ihrer Rechte im Verfahren auf Zuweisung dieser Übertragungskapazitäten. Ein Anspruch auf allgemeine Rechtskontrolle besteht nicht.
17Allerdings ist die Antragstellerin insoweit antragsbefugt, als sie geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein, weil sie die der Beigeladenen zugewiesenen Übertragungskapazitäten für sich beansprucht und hierzu vorträgt, infolge von Fehlern im Zuweisungsverfahren sowie bei der Vorrangentscheidung übergangen worden zu sein.
18Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. September 1993 – 2 M 8/93 –, LKV 1994, 60.
19II. Der Antrag ist auch begründet. Die Antragsgegnerin hat die Vollziehungsanordnung im angegriffenen Bescheid vom 11. Februar 2015 zwar gemäß § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ausreichend schriftlich begründet (vgl. die Ausführungen auf S. 81 des Bescheides). Die Vollziehungsanordnung hat aber in materieller Hinsicht keinen Bestand.
20Einen eigenständigen materiell-rechtlichen Maßstab für die Entscheidung des Gerichts enthält § 80a Abs. 3 VwGO nicht. Der Verweisung in § 80a Abs. 3 S. 2 VwGO auf § 80 Abs. 5 VwGO ist allerdings zu entnehmen, dass im Rahmen der Bescheidung eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des belasteten Dritten gegen einen durch die Behörde für sofort vollziehbar erklärten, einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt ebenfalls eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch bei der Anfechtung solcher Verwaltungsakte mit Doppelwirkung die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gesetzliche Regel ist (vgl. § 80 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 VwGO). Im Rahmen der Interessenabwägung ist der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache von wesentlicher Bedeutung. In der Regel überwiegt das öffentliche/private Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache ohne Aussicht auf Erfolg sein dürfte. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist, den belasteten Dritten in seinen Rechten verletzt und der Rechtsbehelf daher in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird; an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges öffentliches Interesse.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2015 – 8 B 430/15 –, juris (Rn. 18); OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17. März 2014 – 1 M 213/13 –, juris (Rn. 19); OVG Berlin, Beschluss vom 5. Januar 1995 – 8 S 898.94 –, juris (Rn. 4).
22Diese Interessenabwägung geht hier zu Gunsten der Antragstellerin aus. Der Zuweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtswidrig (1.) und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (2.). Ein sonstiges überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit oder der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Zuweisungsbescheides besteht nicht (3.).
231. Der Zuweisungsbescheid vom 11. Februar 2015 entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen für die Zuweisung von Übertragungskapazitäten. Dabei findet das LMG NRW aufgrund zwischenzeitlicher Änderungen im Laufe des Zuweisungsverfahrens zeitlich und sachlich in unterschiedlicher Fassung Anwendung: Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Dezember 2014
24Gesetz zur Zustimmung zum 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. 2015 S. 72 – ZustG zum 16. RFÄndStV)
25am 23. Januar 2015, dem Tag, an dem die Medienkommission der Antragsgegnerin die Zuweisung der streitbefangenen Übertragungskapazitäten an die Beigeladene beschlossen hat, galt für das vorliegende Zuweisungsverfahren, in dem die Ausschreibung am 28. April 2014 endete, das LMG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2013 (LMG NRW 2013).
26Gesetz zur Änderung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes und weiterer Gesetze (GV. NRW. 2013 S. 875 – ÄndG zum KorrBekG).
27Seit dem 23. Januar 2015 gelten für dieses Zuweisungsverfahren nur noch die Vorgaben der Abschnitte 2 bis 4 des LMG NRW 2013, im übrigen jedoch die aktuellen Regelungen des LMG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 2014 (LMG NRW 12/2014). Zwar sah § 128 LMG NRW in der Fassung des 14. Rundfunkänderungsgesetzes vom 4. Juli 2014 (LMG NRW 7/2014),
28Gesetz zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen und des Telemedienzuständigkeitsgesetzes (GV. NRW. 2014 S. 387 – 14. RFÄndG),
29mit dem das LMG NRW grundlegend novelliert worden ist, zunächst vor, dass für Verfahren zur Zuweisung von Übertragungskapazitäten, in denen – wie vorliegend – die Ausschreibung vor dem 1. Juli 2014 endete, dieses Gesetz (in Gänze) in der Fassung des Gesetzes vom (1)9. Dezember 2013 gilt. Mit Art. 2 Nr. 6 ZustG zum 16. RFÄndStV ist § 128 LMG NRW jedoch dahingehend korrigiert worden, dass für diese Zuweisungsverfahren nicht „dieses Gesetz“, sondern (nur) die Vorgaben der Abschnitte 2 bis 4 dieses Gesetzes in der Fassung des Gesetzes vom (1)9. Dezember 2013 gelten. Zudem wurde bereits durch § 127 Abs. 1 LMG NRW 7/2014 die (bis) zum 1. Juli 2014 laufende Amtszeit der Medienkommission bis zum 1. März 2015 verlängert. § 127 Abs. 1 S. 2 LMG NRW 12/2014 sieht hierzu ergänzend vor, dass für die bis zum Zusammentritt der neuen Medienkommission amtierende Medienkommission die Vorschriften zur Inkompatibilität und Zusammensetzung in §§ 91 und 93 in der Fassung des LMG NRW 2013 weiterhin Anwendung finden.
30Auf dieser Grundlage ist der Zuweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 zwar formell rechtmäßig (a), materiell jedoch rechtswidrig (b).
31a) In formeller Hinsicht bestehen hinsichtlich des Zuweisungsbescheides selbst keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere ergibt sich ein Rechtsverstoß insoweit nicht – wie von der Antragstellerin geltend gemacht – daraus, dass der Direktor der Antragsgegnerin entgegen § 100 Abs. 1 S. 2 LMG NRW 12/2014 nicht die Befähigung zum Richteramt besitzt. Denn diese mit dem 14. RFÄndG eingeführte Anforderung steht systematisch im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Wahl des Direktors und führt nicht zum Verlust der Amtsstellung des aktuellen, im März 2010 nach den damaligen Vorschriften von der Medienkommission für sechs Jahre gewählten Direktors, wenn er nicht über diese Befähigung verfügt.
32b) Der Zuweisungsbescheid ist jedoch in materieller Hinsicht rechtswidrig. Denn er vollzieht einen rechtswidrigen Beschluss der Medienkommission.
33Vgl. zur ähnlichen Konstellation im Kommunalrecht: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2015 – 8 S 1386/14 –, juris (Rn. 40 und 58); dass., Beschluss vom 25. Februar 2013 – 1 S 2155/12 –, juris (Rn. 9 f.).
34Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 LMG NRW 2013 bedarf derjenige, der nach § 8 (zur Veranstaltung von Rundfunk) zugelassen ist, zur Verbreitung des Rundfunkprogramms durch terrestrische Sender der Zuweisung einer Übertragungskapazität. Nach § 13 LMG NRW 2013 darf eine Übertragungskapazität zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen nur solchen Veranstaltern zugewiesen werden, die erwarten lassen, dass sie jederzeit wirtschaftlich und organisatorisch in der Lage sind, die Anforderungen an die antragsgemäße Verbreitung des Programms zu erfüllen. Bestehen keine ausreichenden Übertragungskapazitäten für alle Antragstellenden, die die Voraussetzungen nach § 13 erfüllen, trifft die Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs. 1 LMG NRW 2013 eine Vorrangentscheidung und berücksichtigt dabei die Meinungsvielfalt in den Programmen (Programmvielfalt) und die Vielfalt der Programmanbieter (Anbietervielfalt). Die Gesichtspunkte, nach denen die Antragsgegnerin den Beitrag eines Programms zur Programmvielfalt sowie das Bestehen und den Umfang von Anbietervielfalt beurteilt, sind in § 14 Abs. 2 und 3 LMG NRW 2013 dargelegt (u.a. inhaltliche Vielfalt des Programms, Beitrag zur Vielfalt des Gesamtangebots und Beitrag des Antragstellenden zur publizistischen Vielfalt und zur Angebotsvielfalt). §§ 15 f. LMG NRW 2013 regeln Einzelheiten zur Ausschreibung und zum Zuweisungsverfahren, insbesondere zu den Antragserfordernissen. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 LMG NRW 2013 erfolgt die Zuweisung einer Übertragungskapazität durch schriftlichen Bescheid der Antragsgegnerin, der das Verbreitungsgebiet, die Verbreitungsart und die zu nutzende Übertragungskapazität bestimmt.
35Eine auf der Grundlage des § 14 LMG NRW 2013 getroffene Vorrangentscheidung zur Zuweisung einer Übertragungskapazität zur Verbreitung eines terrestrischen Rundfunkprogramms unterliegt nur einer beschränkten gerichtlichen Überprüfung. Denn die Vorrangentscheidung ist nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. §§ 94 Abs. 1, 103 LMG NRW 12/2014) durch die pluralistisch besetzte (vgl. § 93 Abs. 1-3 LMG NRW 2013) und aus weisungsunabhängigen Mitgliedern (vgl. § 95 Abs. 1 S. 2 LMG NRW 12/2014) bestehende Medienkommission der Antragsgegnerin aufgrund einer komplexen Abwägung zu treffen, welche die wertende Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen (wie z.B. die Programm- und Anbietervielfalt) verlangt. Das Gericht darf nur die Einhaltung dieses Beurteilungsspielraums überprüfen, nicht jedoch seine Wertungen an die Stelle derjenigen der Medienkommission setzen. Die gerichtliche Kontrolle muss – wie auch in anderen Fällen eines Beurteilungsspielraums – darauf beschränkt bleiben, ob das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, die Medienkommission den Sinn der gesetzlichen Auswahlkriterien zutreffend erfasst hat, von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, die normativen Maßstäbe fehlerfrei angewandt hat und sich dabei insbesondere nicht von sachfremden und willkürlichen Erwägungen hat leiten lassen.
36Vgl. allgemein: Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung – Großkommentar, 4. Aufl., § 114, Rn. 354; speziell zu medienrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10. Mai 2013 – 10 ME 21/13 –, juris (Rn. 16 f.); OVG Berlin, Beschluss vom 25. September 1996 – 8 S 280.96 –, juris (Rn. 17); OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1998 – 5 A 1816/97 –, juris (Rn. 14); VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 29. Juli 1997 – 15 L 2902/97 –, ZUM 1998, 508 (513) und 23. August 2001 – 15 L 349/01 –, S. 24 des Entscheidungsabdrucks; VG Berlin, Urteil vom 12. November 2010 – 27 K 240.10 –, juris (Rn. 74); zum sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruch im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit: BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31.01 –, juris (Rn. 17); OVG NRW, Beschluss vom 2. September 2015 – 6 B 808/15 –, juris (Rn. 4); zum gewerberechtlichen Konkurrentenstreit: OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2010 – 4 B 643/10 –, juris (Rn. 5); Bayerischer VGH, Urteil vom 22. Juli 2015 – 22 B 15.620 –, juris (Rn. 45).
37Die Medienkommission hat das Zuweisungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Der Beschluss der Medienkommission auf ihrer 64. Sitzung vom 23. Januar 2015, mit dem unter dem Tagesordnungspunkt 16
38„Zuweisung von Übertragungskapazitäten gem. §§ 12, 17 LMG NRW –hier: Ausschreibung analoger terrestrischer Übertragungskapazitäten (UKW) – landesweite Kette“
39der Vorlage Nr. V-000/14 des Direktors der Antragsgegnerin zur Zuweisung der 11 streitbefangenen UKW-Übertragungskapazitäten an die Beigeladene gemäß §§ 12 ff. LMG NRW 2013 unter Ablehnung der übrigen Zuweisungsanträge mehrheitlich zugestimmt worden ist, leidet an einem grundlegenden Verfahrensmangel.
40Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich ein Verfahrensmangel bereits daraus ergibt, dass zwei Mitglieder der Medienkommission (K. A. und D. E. ) die 64. Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015 – wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 19. August 2015 auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts eingeräumt hat – speziell und ausschließlich zum fraglichen Tagesordnungspunkt 16 vorübergehend verlassen haben, um der Besorgnis der Befangenheit entgegenzuwirken. Es besteht zwar nach dem Landesmediengesetz keine unmittelbare Pflicht der Mitglieder der Medienkommission zur Teilnahme an jeder Sitzung in voller Länge. Dementsprechend ist die Medienkommission auch bereits dann beschlussfähig, wenn zwei Drittel ihrer Mitglieder anwesend sind (vgl. § 98 Abs. 5 LMG NRW 12/2014). Allerdings ergibt sich aus dem Gesetz, dass für jedes Mitglied zugleich eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu bestimmen ist, der im Fall der Verhinderung des ordentlichen Mitglieds an den Sitzungen teilnimmt (§ 93 Abs. 6 LMG NRW 2013). Dem lässt sich entnehmen, dass das Gesetz eine möglichst umfassende Teilnahme der Mitglieder an den Sitzungen der Medienkommission sicherstellen will. Außerdem trifft § 95 Abs. 6 LMG NRW 12/2014 i.V.m. §§ 20 f. des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) eine ausdrückliche Regelung für den hier von der Antragsgegnerin geltend gemachten Fall der Besorgnis der Befangenheit eines einzelnen Mitgliedes. Danach hat das betreffende Mitglied die Vorsitzende oder den Vorsitzenden unverzüglich auf den entsprechenden Grund hinzuweisen und die Medienkommission sodann über das Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit zu entscheiden. Jedenfalls Letzteres ist hier nicht geschehen. Eine Umgehung dieser Regelung könnte die vom Gesetz ausdrücklich geforderte größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit (vgl. § 88 Abs. 2 S. 1 LMG NRW 12/2014) beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere angesichts der knappen, mit einer Mehrheit von nur zwei Stimmen getroffenen Entscheidung der Medienkommission im vorliegenden Verfahren.
41Jedenfalls aber verstößt die in nichtöffentlicher Sitzung erfolgte Beschlussfassung der Medienkommission am 23. Januar 2015 zum Tagesordnungspunkt 16
42– ausweislich der entsprechenden Feststellung auf Seite 11 der Niederschrift über die 64. Sitzung der Medienkommission (Pr.-Nr. MK V-64/15) erfolgte die Beratung ab Tagesordnungspunkt 10 (mit Ausnahme der vorgezogenen Punkte 22 und 23) nichtöffentlich –
43gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit ihrer Sitzungen: Dieser Grundsatz galt zu diesem Zeitpunkt auch für das vorliegende Zuweisungsverfahren (aa). Ein wirksamer Ausschluss der Öffentlichkeit fehlt (bb) und ein Ausschluss hätte auch nicht zwingend erfolgen müssen (cc). Dieser Verfahrensfehler ist schließlich nicht unbeachtlich (dd).
44aa) Genau zum Tag der Beschlussfassung der Medienkommission am 23. Januar 2015 zum fraglichen Tagesordnungspunkt 16 hatte der Landesgesetzgeber den mit Art. 1 Nr. 64 a) 14. RFÄndG in § 98 Abs. 2 LMG NRW allgemein zum 17. Juli 2014 eingeführten Öffentlichkeitsgrundsatz auch auf bereits laufende Zuweisungsverfahren erstreckt, indem er mit Art. 2 Nr. 6 ZustG zum 16. RFÄndStV die diesbezügliche Fortgeltung des alten Rechts auf die gesetzlichen Vorgaben zur Zulassung und Zuweisung von Übertragungskapazitäten in den Abschnitten 2 bis 4 beschränkt hat. Die gezielte Erstreckung dieses Grundsatzes auf laufende Zuweisungsverfahren ergibt sich ausdrücklich aus der Begründung des Entwurfs der Landesregierung zum ZustG zum 16. RFÄndStV, in der festgestellt wird, dass „(die) Maßgaben etwa zur Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission … von dieser Übergangsregelung unberührt (bleiben) und … unmittelbar Anwendung (finden).“
45LT-Drs. 16/7091, S. 11.
46bb) Ein wirksamer Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Behandlung des fraglichen Tagesordnungspunktes 16 der 64. Sitzung der Medienkommission vom 23. Januar 2015 fehlt. § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 sieht vor, dass die Medienkommission in begründeten Ausnahmefällen mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder den Ausschluss der Öffentlichkeit, die nach Satz 1 grundsätzlich gegeben ist, beschließen kann. Personalangelegenheiten, die aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes des Personals der Landesmedienanstalt vertraulich sind, sind stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu behandeln (S. 3). Gemäß Satz 4 kann die Öffentlichkeit durch Satzung für solche Angelegenheiten ausgeschlossen werden, bei denen die Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter unvermeidlich ist.
47Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Der Fall des gesetzlichen Ausschlusses der Öffentlichkeit in Personalangelegenheiten (§ 98 Abs. 2 S. 3 LMG NRW 12/2014) lag insoweit nicht vor. Auch griff kein Ausschluss der Öffentlichkeit durch Satzung gemäß § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 12/2014 ein. § 7 Abs. 2 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 1. April 2011 (GV. NRW. S. 205 – HauptS) führt lediglich die früheren Vorgaben des § 98 Abs. 2 LMG NRW 2013 zur grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit der Sitzung der Medienkommission mit fakultativer Ausnahme an und setzt für eine solche Ausnahme die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder voraus.
48Zwar hat die Antragsgegnerin nach der Revision des Landesmediengesetzes ihre Hauptsatzung mit der 1. Änderungssatzung vom 28. August 2015 (GV. NRW. S. 669) überarbeitet. Die Korrektur betrifft jedoch ausschließlich die funktionelle Zuständigkeit für die Aufgaben der Telemedienaufsicht nach § 59 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) sowie der Verfolgung und Ahndung bestimmter Ordnungswidrigkeiten. Die Regelungen in der Hauptsatzung zur Nichtöffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission sind dagegen trotz der gesetzgeberischen Korrekturen in diesem Bereich noch unverändert geblieben.
49Schließlich hat die Medienkommission die Öffentlichkeit für diese Sitzung zum Tagesordnungspunkt 16 auch nicht wirksam als begründeten Ausnahmefall nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 ausgeschlossen.
50Eine ausdrückliche Entscheidung der Medienkommission zu dieser Frage mit der Mehrheit ihrer Mitglieder ist insbesondere nicht in der Niederschrift über diese 64. Sitzung der Medienkommission (Pr.-Nr. MK V-00/15) enthalten, obwohl das Justiziariat der Antragsgegnerin in einem internen Vermerk vom 19. Januar 2015 zum Ablauf der Sitzung vom 23. Januar 2015 einen entsprechenden Beschluss ausdrücklich empfohlen hatte.
51Der im Protokoll zum Tagesordnungspunkt 1b) festgestellten einstimmigen Genehmigung der Tagesordnung durch die Medienkommission kommt als solches keine Aussagekraft in Bezug auf einen Ausschluss der Öffentlichkeit zu. Denn die der Niederschrift vorangestellte Tagesordnung enthält keine Feststellung zur Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit der Sitzung zu den einzelnen Punkten. Gleiches gilt hinsichtlich der den Mitgliedern der Medienkommission im Vorfeld mit ihrer Einladung mit Schreiben ihres Vorsitzenden vom 9. Januar 2015 übersandten Tagesordnung selbst. Soweit das Einladungsschreiben nach der Mitteilung der Tagesordnung und der Unterschrift in der Art eines Postskriptums den Zusatz enthält, dass die Tagesordnungspunkte 10-21 „voraussichtlich in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt (werden)“, ist eine Auflösung dieses Vorbehaltes durch eine entsprechende Mehrheitsentscheidung der Medienkommission gerade nicht ersichtlich.
52Ein Beschluss der Medienkommission zum Ausschluss der Öffentlichkeit lässt sich auch nicht dem Umstand entnehmen, dass die Genehmigung der Tagesordnung „unter Berücksichtigung der Hinweise zum Ausschluss der Öffentlichkeit bei den Tagesordnungspunkten 10 bis 21 sowie 24“ erfolgte. Die Annahme eines entsprechenden konkludenten Beschlusses erscheint bereits grundsätzlich zweifelhaft, weil sie der Bedeutung einer solchen Maßnahme nicht gerecht werden dürfte. Jedenfalls scheitert eine dahingehende Annahme hier daran, dass nicht ersichtlich ist, dass den Mitgliedern der Medienkommission bei dieser Genehmigung der Tagesordnung die Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst war, nämlich entgegen den nunmehr ab dem Tag dieser Sitzung auch für den Tagesordnungspunkt 16 geltenden Vorgaben ausnahmsweise die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Formulierung der „Berücksichtigung der Hinweise“ erweckt vielmehr den Eindruck, dass die Medienkommission den von anderer Seite festgestellten Ausschluss der Öffentlichkeit lediglich zur Kenntnis nimmt. Hinzu kommt, dass nicht zweifelsfrei ist, um welche Hinweise es sich bei dieser Bezugnahme genau handelt. Angesichts dessen geht aus der Niederschrift auch nicht hervor, aus welchem konkreten Grund der Ausschluss erfolgt sein soll, obwohl dies zur erforderlichen Dokumentation des Ablaufs, jedenfalls aber der Entscheidungen der Medienkommission im Hinblick auf eine spätere rechtliche Überprüfung naheliegt (vgl. allgemein § 11 HauptS). Dies wiegt umso schwerer, als bei einer Auslegung im oben genannte Sinne über den relevanten Tagesordnungspunkt 16 hinaus die Öffentlichkeit für eine Vielzahl von Tagesordnungspunkten ausgeschlossen worden wäre, obgleich die betreffenden Beratungsgegenstände durchaus unterschiedlicher Natur waren: u.a. Zuweisung von Übertragungskapazitäten (TOP 11 und 15), Zulassung privater Rundfunkveranstalter (TOP 17), Beanstandungsverfahren nach § 118 LMG NRW (TOP 12), -B. e.V. (TOP 13), Q. e.V. (TOP 14).
53Vgl. zu diesem Gesichtspunkt hinsichtlich des Kommunalrechts: Hessischer VGH, Urteil vom 6. November 2008 – 8 A 674/08 –, juris (Rn. 32).
54Ein entsprechender Ausschlussgrund wird auch in der Tagesordnung, die den Mitgliedern der Medienkommission mit der Einladung übersandt worden ist, nicht inhaltlich benannt. Der Rückschluss auf einen Ausschlussgrund ließe sich allenfalls aus dem Vermerk des Justiziariats der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2015 ziehen, der eine Behandlung auch des Tagesordnungspunktes 16 in nicht-öffentlicher Sitzung empfahl, da es insoweit voraussichtlich um die Erörterung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gehen werde. Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sämtlichen Mitgliedern der Medienkommission dieser Vermerk mit den Ausschlussgründen überhaupt bekannt war, geschweige denn vorgelegen hat. Hiergegen spricht insbesondere auch, dass einem Mitglied der Medienkommission (erst) auf Nachfrage zum Ausschluss der Öffentlichkeit zu den Tagesordnungspunkten 12 und 13 der vorangegangenen 63. Sitzung vom 12. Dezember 2014 unter vergleichbaren Umständen im wesentlichen der in dem zugehörigen Vermerk des Justiziariats der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2014 benannte Ausschlussgrund mitgeteilt wurde.
55Vgl. auch insoweit Hessischer VGH, a.a.O.
56Vor diesem Hintergrund lässt sich auch der Feststellung in der Niederschrift über die 64. Sitzung vor dem Tagesordnungspunkt 10, dass die folgenden Tagesordnungspunkte – ohne Angabe von Gründen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten werden, ein dahingehender Beschluss der Medienkommission mit der erforderlichen Mehrheit ihrer Mitglieder nicht entnehmen.
57cc) Die Medienkommission hätte die Öffentlichkeit bei der Erörterung des Tagesordnungspunktes 16 ihrer 64. Sitzung vom 23. Januar 2015 auch nicht zwingend ausschließen müssen. Unabhängig von der Frage einer entsprechenden Reduzierung ihres nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 insoweit grundsätzlich bestehenden Ermessens spricht Überwiegendes dafür, dass hinsichtlich der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes in der 64. Sitzung bereits kein begründeter Ausnahmefall für den Ausschluss der Öffentlichkeit nach dieser Vorschrift vorlag.
58Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift und dem in der Gesetzgebungsgeschichte deutlich zu Tage getretenen Zweck dieser Regelung wie auch der allgemeinen Vorschriften über die Landesanstalt für Medien ergibt sich unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, dass sie eng auszulegen ist.
59Hinsichtlich des Wortlautes folgt dies bereits aus dem Umstand, dass in § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 ausdrücklich eine Ausnahme von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in Satz 1 zu Gunsten der Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission ermöglicht wird.
60Vgl. allgemein hierzu etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. April 2015 – 1 BvR 2274/12 –, juris (Rn. 15).
61Hinzu kommt, dass § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit vom Wortlaut her noch weiter dadurch einschränkt, dass nicht lediglich ein Ausnahmefall, sondern einbegründeter Ausnahmefall verlangt wird. Dies soll ersichtlich die Medienkommission dazu veranlassen, sich in jedem Einzelfall genau mit dem Für und Wider eines Ausschlusses auseinander zu setzen und die Öffentlichkeit nur dann auszuschließen, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Verfahrens aus übergeordneten Gesichtspunkten ausnahmsweise geboten ist.
62Nur eine solche enge Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Neufassung des § 98 Abs. 2 LMG NRW im speziellen wie auch der gesamten Neukonzeption der Regelungen zu den Organen der Antragsgegnerin durch das 14. RFÄndG im allgemeinen.
63Bereits im Entwurf der Landesregierung zum 14. RFÄndG ist hinsichtlich der betreffenden Änderung des § 98 Abs. 2 LMG NRW festgestellt worden, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis der Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission im Sinne von mehr Transparenz umgekehrt werden soll und ein Ausschluss der Öffentlichkeit nur in eng umgrenzten Ausnahmeverhältnissen möglich ist.
64Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 109.
65Dementsprechend ist auch die gesamte Neuregelung der Vorschriften zu den Organen der Antragsgegnerin im Zuge des 14. RFÄndG darauf ausgerichtet, Transparenz, Kommunikation, Akzeptanz, Legitimation und Kontrolle zu stärken. Dies kommt bereits darin im Gesetz selbst zum Ausdruck, dass die Antragsgegnerin durch § 88 Abs. 2 S. 1 LMG NRW 7/2014, d.h. an herausgehobener Stelle zu Beginn der diesbezüglichen allgemeinen Vorschriften programmsatzähnlich dazu verpflichtet wird, für eine größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit Sorge zu tragen. Hierzu wird bereits im allgemeinen Teil der Begründung des betreffenden Regierungsentwurfes festgehalten, dass „neben der Stärkung der Medienkommission der LfM als Vertretung der Allgemeinheit … im Gesetz zudem die Grundlage für einen möglichst hohen Grad an Transparenz der Regulierung geschaffen (wird), der zugleich die Voraussetzung für die Einbindung partizipativer Elemente bildet. Mediennutzerinnen und Mediennutzer sollen stärker als bisher in den Diskurs über die Gestaltung der Mediengesellschaft eingebunden werden. … (Die) Festlegung der grundsätzlichen Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission und die Veröffentlichung von wesentlichen Dokumenten und Entscheidungen sind Instrumente, Mediennutzerinnen und Mediennutzer stärker als bisher in den Diskurs über die Gestaltung der Mediengesellschaft einzubinden.“
66Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 87 f.
67Speziell zu den einzelnen Vorgaben zur Umsetzung des Transparenzgebotes in § 88 Abs. 2 LMG NRW 7/2014 stellt der Regierungsentwurf fest, dass diese Regelungen geschaffen werden, „um die Transparenz der Gremienarbeit zu verbessern und dadurch mehr Akzeptanz in der Bevölkerung und eine größere Legitimation der gesellschaftlichen Aufsicht zu erreichen“.
68Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 103.
69Daran anknüpfend heißt es sodann, dass speziell die Regelung, „dass die Sitzungen der Medienkommission im Regelfall öffentlich … sein sollen“, dazu dient, „die Transparenz der Gremienarbeit und die Kommunikation der Gremien mit den Mediennutzerinnen und Mediennutzern (zu verbessern), um mehr Akzeptanz in der Bevölkerung und eine größere Legitimation der gesellschaftlichen Aufsicht zu erreichen.
70Vgl. LT-Drs. 16/4950, S. 109.
71Diese Zielrichtung wurde auch im Gesetzgebungsverfahren – über die Parteigrenzen hinweg – positiv hervorgehoben.
72Vgl. aus der 1. Lesung des Gesetzes vom 20. Februar 2014, Plenarprotokoll 00/00, S. 5095 ff.: Redebeiträge der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien Dr. B1. T.--wall -E1. sowie der Abgeordneten B2. W. (SPD), U. O. (FDP) und E2. T1. (PIRATEN); aus der 2. Lesung vom 2. Juli 2014, Plenarprotokoll 00/00, S. 6212 ff.: Redebeitrag des Abgeordneten B2. W. (SPD); Stellungnahme der Abgeordneten N. C. (GRÜNE) in der 26. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien vom 26. Juni 2014, Ausschussprotokoll 16/609, S. 32.
73Eine vergleichbare Zielsetzung liegt auch zahlreichen entsprechenden Regelungen in anderen Rechtsgebieten zugrunde.
74Vgl. etwa im Staatsorganisationsrecht hinsichtlich des Bundestages (Art. 42 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG): BverfG, Urteile vom 14. Januar 1986 – 2 BvE 14/83 und 4/84 –, juris (Rn. 123) und 4. Juli 2007 – 2 BvE 1-4/06 –, juris (Rn. 270 und 349 f.); Klein in: Maunz/Dürig, Grundgesetz – Kommentar, Stand: Dezember 2014, Art. 42 Rn. 26 ff.; im Kommunalrecht hinsichtlich des Gemeinderates (§ 48 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – GO NRW): OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1978 – XV A 1031/77 –, OVGE 35, 8 ff.; Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl. 9.1; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2015 – 8 S 1386/14 –, juris (Rn. 43); im Hochschulrecht hinsichtlich des Senats, der Hochschulwahlversammlung und des Fachbereichsrates (§ 12 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen – HG): OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – 15 A 3225/08 –, juris (Rn. 7); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. August 2010 – 9 S 2315/09 –, juris (Rn. 30); im Prozessrecht hinsichtlich der Öffentlichkeit der gerichtlichen Verhandlung (§ 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG): Kissel/Mayer, GVG – Kommentar, 7. Aufl., § 169 Rn. 1 ff.
75Die besondere Bedeutung dieser Funktionen von Öffentlichkeit besteht gerade auch im hier betroffenen Bereich der Rundfunkfreiheit, die verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet ist und der freien Meinungsbildung dient, die wiederum Voraussetzung sowohl der Persönlichkeitsentfaltung als auch der demokratischen Ordnung ist.
76Vgl. BverfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 <8. Rundfunkurteil> –, juris (Rn. 140).
77Denn insoweit ist es verfassungsrechtlich geboten, dafür Sorge zu tragen, dass der Staat zur Wahrung der Rundfunkfreiheit auch bei der Vergabe terrestrischer Übertragungskapazitäten an private Bewerber keinen Einfluss auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Rundfunkprogramme nimmt.
78Vgl. BverfG, Urteil vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85 und 1/88 <6. Rundfunkurteil> –, juris (Rn. 472 f.).
79Zum einen legt das Gebot der Staatsferne, das für den Rundfunk allgemein gilt, auch soweit er – was hier streitbefangen ist – privat veranstaltet wird,
80vgl. BverfG, Urteil vom 12. März 2008 – 2 BvF 4/03
es nahe, dass bei einer Berufung staatlicher Mitglieder und staatsnaher politische Akteure, wie sie hinsichtlich der Medienkommission in § 93 Abs. 2 LMG NRW 2013 und LMG NRW 7/2014 vorgesehen war und ist, der Willensbildungsprozess dieses Gremiums hinreichend transparent ausgestaltet wird. Zum anderen ist ein bestimmtes Maß an Transparenz auch von der Art der Aufgabe der Medienkommission her geboten. Die nach dem Landesmediengesetz ihr obliegenden Entscheidungen insbesondere zur Zulassung von Rundfunkveranstaltern und Zuweisung von Übertragungskapazitäten, durch die ihre Mitglieder als Sachwalter der Allgemeinheit insoweit die Meinungs-, Angebots- und Anbietervielfalt des Rundfunks gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisten, sind Aufgaben, deren Wahrnehmung jedenfalls hinsichtlich ihrer Grundentscheidungen die Möglichkeit öffentlicher Anteilnahme erfordert. „Transparenz kann hier heilsame Vorwirkung gegen funktionswidrige Absprachen und Einflussnahmen entfalten und helfen, Tendenzen von Machtmissbrauch oder Vereinnahmungen durch Partikularinteressen frühzeitig entgegenzuwirken. Der Öffentlichkeit kommt insoweit eine wesentliche (…) Kontrollfunktion zu.“
82So zu entsprechenden Regelungen über die Arbeit der ZDF-Aufsichtsgremien: BverfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1 und 4/11 –, juris (Rn. 82 ff.).
83Dass der Landesgesetzgeber mit der betreffenden Regelung in § 98 Abs. 2 LMG NRW 12/2014 – wie von der Antragsgegnerin hervorgehoben – über das verfassungsrechtlich gebotene Transparenzminimum hinausgegangen ist, vermag an der gesetzlichen Ausgestaltung und der dahinter stehenden gesetzgeberischen Intention nichts zu ändern. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner zitierten Entscheidung zur Ausgestaltung der ZDF-Aufsichtsgremien festgestellt, dass durch die Verfassung nicht im Einzelnen vorgezeichnet ist, welches Maß an Transparenz für eine funktionsgerechte Aufgabenwahrnehmung sachgerecht ist. Insbesondere liegt es danach in der Entscheidung des Gesetzgebers, ob für die Arbeit der Gremien der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gelten soll.
84Vgl. BverfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1 und 4/11 –, juris (Rn. 85).
85Diesen Entscheidungsspielraum hat der Landesgesetzgeber wahrgenommen und sich dabei für ein deutliches Mehr als ein Mindestmaß an Transparenz, nämlich für „größtmögliche Transparenz“ entschieden.
86Ausgehend von diesen engen gesetzlichen Maßstäben spricht Überwiegendes gegen die Annahme eines begründeten Ausnahmefalls hinsichtlich der Behandlung des betreffenden Tagesordnungspunktes 16 in der 64. Sitzung der Medienkommission vom 23. Januar 2015.
87Es erscheint zwar im Grundsatz rechtlich unbedenklich, – wie von der Antragsgegnerin dargelegt – im Vorgriff auf eine insoweit noch nicht erfolgte Anpassung der (Haupt-) Satzung im Sinne des § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 12/2014 im Einzelfall einen Ausschluss der Öffentlichkeit zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter als begründeten Ausnahmefall nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 zu beschließen. Jedenfalls aber bedarf es hierzu – wie auch von der Antragsgegnerin angenommen – einer Prognose hinsichtlich des zu erwartenden Beratungsverlaufs anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls, die der Medienkommission obliegt und nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist.
88Vgl. zur ähnlichen Konstellation im Kommunalrecht bei allerdings unterschiedlichem inhaltlichen Maßstab für die Zulässigkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit (s.u.): Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl. 10.8.
89Nach dieser Prognose muss – anknüpfend an den Wortlaut des § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 12/2014 – die Erörterung von Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen unvermeidlich, das heißt mehr oder weniger zwingend sein. Für einen unterhalb dieser Schwelle liegenden Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 98 Abs. 2 S. 2 LMG NRW 12/2014 zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen besteht angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben kein Raum.
90Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in diesem Sinne sind ebenso wie hinsichtlich der identischen Begrifflichkeit in den §§ 6 S. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) und 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat, weil die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches Wissen (Betriebsgeheimnisse) oder kaufmännisches Wissen (Geschäftsgeheimnisse) den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
91Vgl. zum betreffenden Schutzbereich des Grundrechtes der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG: BverfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087 und 2111/03 –, juris (Rn. 87); zu § 9 UIG: BverwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 –, juris (Rn. 50); zu § 9 UIG und § 6 IFG: BverwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18.08 –, juris (Rn. 12 f. und 18); so auch zur betreffenden Abwägung hinsichtlich des Informationsrechts der Presse nach § 4 des Landespressegesetzes NRW: OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 2013 – 5 A 413/11 –, juris (Rn. 150).
92Eine Prognose der Medienkommission, ob es in ihrer 64. Sitzung hinsichtlich des betreffenden Tagesordnungspunktes 16 zu einer Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter kommt, liegt nicht vor. Die Sachlage stellte sich in der 64. Sitzung aber auch nicht so dar, dass die Medienkommission zwingend hätte davon ausgehen müssen, dass bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter erörtert werden. Dass eine solche Erörterung unvermeidlich war, erschließt sich der Kammer auch bei Auswertung des Inhalts der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und ihres Vorbringens im gerichtlichen Verfahren nicht.
93Der Vermerk des Justiziariats der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2015 zur Behandlung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der 64. Sitzung der Medienkommission führt keine Umstände an, die eine solche Prognose hätten begründen können; er beschränkt sich vielmehr auf die bloße Feststellung, dass es auch bei diesem Tagesordnungspunkt voraussichtlich um die Erörterung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gehen werde.
94Soweit die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren einwendet, die Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung der streitbefangenen medienrechtlichen Zuweisung einer Übertragungskapazität könne sich grundsätzlich auch auf Umstände beziehen, die ein Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnis des betreffenden Antragstellers darstellten, steht dies außer Frage. Dies mag etwa – wie von der Antragsgegnerin dargelegt – für einzelne Aspekte der als Zuweisungsvoraussetzung nach § 13 LMG NRW 2013 zu prüfenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
95vgl. hierzu § 4 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) der Satzung der Antragsgegnerin über die Zuweisungen von terrestrischen Übertragungskapazitäten für Fernseh- und Hörfunkprogramme sowie Mediendienste (Zuweisungssatzung) vom 14. November 2003, wonach zum Nachweis der wirtschaftlichen und organisatorischen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die antragsgemäße Verbreitung insbesondere die Vorlage von Wirtschafts-, Finanz- und Stellenplänen notwendig ist, denen Darlegungen zu den finanziellen Planungen in Bezug auf die Verbreitung für die Dauer der beantragten Zuweisung zu entnehmen sein müssen,
96im Sinne eines Geschäftsgeheimnisses und der im Rahmen der Prüfung der Programmvielfalt nach § 14 Abs. 2 LMG NRW 2013 zu beurteilenden geplanten programmlichen Gestaltung im Sinne eines Betriebsgeheimnisses gelten. Soweit die Antragsgegnerin insoweit auch auf die Voraussetzungen für die Zulassung zur Veranstaltung von Rundfunk nach § 5 LMG NRW 2013 abstellt, kann sich daraus für die Zuweisung der Übertragungskapazität kein Ausschlussgrund ergeben. Denn bei der Zulassung zur Veranstaltung von Rundfunk nach §§ 4 ff. LMG NRW 2013 und der Zuweisung einer Übertragungskapazität nach §§ 12 ff. LMG NRW 2013 handelt es sich um zwei voneinander getrennte Verwaltungsakte. Dementsprechend ist die Frage der Zulassung der Beigeladenen zur Rundfunkveranstaltung auch auf der 64. Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015 unter einem gesonderten Tagesordnungspunkt 17 behandelt worden, für den es eine eigene Vorlage des Direktors der Antragsgegnerin (V-433/15) gab und der ohne weiteres auch hätte vorgezogen werden können, zumal eine solche Reihenfolge auch in der Systematik des Gesetzes angelegt ist: Während die Zulassung im Abschnitt II des LMG NRW 2013 geregelt ist, wird die Zuweisung erst im Abschnitt III geregelt und setzt ausdrücklich die Zulassung voraus (§ 12 Abs. 1 S. 1 LMG NRW 2013).
97Aber auch in Bezug auf die Zuweisung stellt nicht jede Information zur aktuellen wirtschaftlichen Situation des betreffenden Antragstellers, zu den mit seinem konkreten Programmangebot verbundenen Kosten und dem Inhalt dieses Programmangebots ein Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnis dar. Es muss sich vielmehr um exklusive Informationen handeln, deren Offenlegung die Wettbewerbsposition des jeweiligen Antragstellers nachteilig beeinflussen kann. Dies mag insbesondere in Betracht kommen hinsichtlich der von den Antragstellern vorgelegten Wirtschaft-/Finanzpläne, Gewinn- und Verlustrechnungen, Darlehensverträge und Kontoauszüge sowie der Details des geplanten Programmangebotes, deren Entnahme die Mitbewerber dementsprechend vor der Vorlage der Verwaltungsvorgänge an das Gericht veranlasst haben (vgl. Beiakten Hefte 6-13). Es genügt allerdings nicht, dass die Antragsunterlagen einzelne Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse enthalten und bei der Prüfung der Erfüllung der Zuweisungsvoraussetzungen theoretisch auch ein solcher geheimhaltungsbedürftiger Umstand von Bedeutung sein könnte. Erforderlich ist vielmehr nach dem Gesetzeswortlaut, dass eine Erörterung eines solchen Geheimnisses – bei der im Zeitpunkt des Ausschlusses der Öffentlichkeit gegebenen Sachlage – unvermeidlich ist.
98Konkrete Umstände des bisherigen Verlaufs des streitbefangenen Zuweisungsverfahrens und des Stands der diesbezüglichen Beratungen, die eine dahingehende Prognose in der 64. Sitzung der Medienkommission in Bezug auf den fraglichen Tagesordnungspunkt 16 nahelegten, sind von der Antragsgegnerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht benannt worden. Ihr Vortrag beschränkt sich insoweit auf abstrakte Feststellungen. So wird ausgeführt, dass diese – nach ihrer Einschätzung tatsächlich erfolgte – prognostische Entscheidung auf der Grundlage der Beschlussvorlage und der zu erwartenden Erörterung habe getroffen werden müssen, hierin einzubeziehen gewesen sei, ob eine kontroverse Erörterung zu erwarten gewesen sei, weil gerade in solchen Diskussionen mit einer kritischen Bezugnahme auf Details der Antragsunterlagen zu rechnen sei. Alle Mitglieder der Medienkommission müssten die Möglichkeit erhalten, sich im Rahmen der Diskussion zu allen Inhalten der Beschlussvorlage und zu allen Kriterien der Vorrangentscheidung, angewendet auf die einzelnen Bewerber, zu äußern, ohne Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse einzelner Bewerber zu verletzen. Dies gelte insbesondere auch für die Fragen im Zusammenhang mit einzelnen Programmkonzepten (vgl. Schriftsatz vom 18. August 2015, S. 3). Auch im Schriftsatz vom 25. August 2015 werden insoweit lediglich Prüfungspunkte vor Erteilung einer medienrechtlichen Zuweisung benannt, bei denen Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse eine Rolle spielen können („ darüber hinaus ist keineswegs ausgeschlossen…“, „Vor allem ist es aber möglich…“).
99Die Argumentation der Antragsgegnerin läuft letztlich darauf hinaus, dass in jedem Zuweisungsverfahren unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem konkreten Verfahrensstand für jede Sitzung der Medienkommission zu diesem Tagesordnungspunkt die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann oder sogar muss: Denn die Prüfung der wirtschaftlichen und organisatorischen Fähigkeit zur antragsgemäßen Verbreitung des Programms einerseits und des Maßes des Vielfaltsbeitrags des jeweiligen Programmangebotes unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Realisierbarkeit andererseits, in deren Rahmen gegebenenfalls auch Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisse von Bedeutung sein können, ist nach den gesetzlichen Vorgaben Gegenstand eines jeden Zuweisungsverfahrens. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch bereits allgemein kaum mit der vom Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebrachten Intention der Schaffung möglichst umfassender Transparenz in Bezug auf die Medienkommission, insbesondere durch Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses hinsichtlich der Sitzungsöffentlichkeit zu vereinbaren. Vor allem aber widerspricht es der ausdrücklichen Feststellung im Entwurf der Landesregierung zum ZustG zum 16. RFÄndStV, dass die Maßgaben zur Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission speziell in Bezug auf Zuweisungsverfahren, in denen – wie vorliegend – die Ausschreibung vor dem 1. Juli 2014 endete, unmittelbar Anwendung finden.
100Lt-Drs. 16/7091, S. 11.
101Denn dem lässt sich entnehmen, dass bereits im Gesetzgebungsverfahren davon ausgegangen wurde, dass gerade auch die Sitzungen der Medienkommission in derartigen Zuweisungsverfahren fortan grundsätzlich öffentlich sein sollten.
102Gegen die prognostische Einschätzung, dass es konkret bei der 64. Sitzung der Medienkommission unvermeidlich zur Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter kommen würde, sprach, dass sich die Medienkommission bereits in ihrer 50., 55., 57. Und 59. Sitzung mit der Ausschreibung und den eingegangenen Bewerbungen beschäftigt und nach der Anhörung der Antragsteller und der Erörterung in ihrem Programmausschuss in der vorangegangenen 63. Sitzung die Zuweisung der streitbefangenen Übertragungskapazitäten, insbesondere das geplante Programmangebot schon eingehend diskutiert hatte und die Vertagung vor allem im Hinblick auf den Umfang der Entscheidungsvorlage und der ergänzend erbetenen Zusammenfassung der Anhörung der Antragsteller erfolgte. Dementsprechend hat auch die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 10. April 2015 (S. 25) geschildert, dass in der 63. Sitzung der Medienkommission am 12. Dezember 2014 in der Medienkommission Stimmen laut geworden seien, dass die Mitglieder der Kommission genügend Zeit benötigten, um sich eine eigene Meinung zu bilden und die ausführliche Vorlage verarbeiten zu können. Vor diesem Hintergrund stand zu erwarten, dass in der 64. Sitzung im wesentlichen lediglich die Entscheidungsfindung erfolgt – so wie es ausweislich der Sitzungsniederschrift dann auch tatsächlich geschah.
103Des weiteren sprach auch der in der entsprechenden Niederschrift wiedergegebene Verlauf der Diskussion in der vorangegangenen 63. Sitzung der Medienkommission am 12. Dezember 2014 gegen die Annahme, dass hinsichtlich dieses Tagesordnungspunktes in der nun anstehenden 64. Sitzung am 23. Januar 2015 eine Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter unvermeidlich war. Am 12. Dezember 2014 behandelte die Medienkommission im Hinblick auf die zu treffende Auswahlentscheidung insbesondere die Anträge der Beigeladenen und von E3. . Im Vordergrund stand dabei die Erörterung des Angebots der Beigeladenen, seines Wortanteils, seines Integrationsbeitrags auch vor dem Hintergrund des geplanten Sprachverhältnisses (30 % Deutsch, 70 % Türkisch), seines allgemeinen Anspruchs und seiner Zielgruppe. Den diesbezüglichen Feststellungen und Wertungen ließ sich ein Geheimhaltungsbedürfnis und eine entsprechende Wettbewerbsrelevanz nicht entnehmen. Aber auch soweit grundsätzlich sensiblere Bereiche wie die Beteiligungsverhältnisse der Beigeladenen und die Wirtschaftlichkeit des Angebotes angesprochen wurden, war nicht ansatzweise ersichtlich, dass dabei Tatsachen, Umstände oder Vorgänge Erwähnung fanden, die nicht offenkundig waren und an deren Nichtverbreitung die Beigeladene oder ein anderer Antragsteller ein berechtigtes Interesse hatte.
104Zudem dürfte gegen die Prognose einer Unvermeidlichkeit der Erörterung von Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen der Bewerber in der 64. Sitzung der Medienkommission der von der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 10. April 2015 dargelegte damalige Kenntnisstand der Kommissionsmitglieder gesprochen haben. Dabei stellte auch nach Einschätzung der Antragsgegnerin (S. 27 des Schriftsatzes) die Vorlage der Verwaltung zur 63. Und 64. Sitzung der Medienkommission, d.h. im wesentlichen die Vorlage Nr. V-424/14 vom 5. Dezember 2014 die maßgebliche Grundlage für die letztliche Auswahlentscheidung dar. Diese Vorlage entspricht aber fast vollständig der Begründung des späteren Zuweisungsbescheides vom 11. Februar 2015, der jedenfalls allen Bewerbern um die streitbefangenen Übertragungskapazitäten bekannt gegeben wurde und daher offensichtlich keine Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse enthielt. Dafür, dass einzelne Mitglieder der Medienkommission weitergehendere Kenntnisse, insbesondere zu den von den übrigen Antragstellern bei Vorlage der Verwaltungsvorgänge geschwärzten und gegebenenfalls geheimhaltungsbedürftigen Umständen hatten, liegen keine Anhaltspunkte vor.
105Schließlich greift der Einwand der Antragsgegnerin, dass sich ein bestimmter Beratungsgegenstand nicht in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil ausspalten lasse, sondern hinsichtlich der Frage der Sitzungsöffentlichkeit einheitlich beurteilt werden müsse, und der diesbezügliche Hinweis auf entsprechende kommunalrechtliche Rechtsprechung nicht durch. Es trifft zwar zu, dass in der kommunalrechtlichen Rechtsprechung angenommen wird, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit nicht lediglich auf Teile der Beratung beschränkt werden kann, weil eine derartige atomisierende Betrachtung den Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit fremd ist und wegen des thematischen Zusammenhangs der Angelegenheit und der Unvorhersehbarkeit der einzelnen Beiträge auch der Lebenswirklichkeit nicht gerecht wird.
106Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006 – 15 A 817/04 –, juris (Rn. 75); einschränkend insbesondere in Bezug auf Angelegenheiten mit hoher politischer oder wirtschaftlicher Bedeutung: Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl.10.1 a.E.
107Der daran anknüpfende Einwand der Antragsgegnerin berücksichtigt aber nicht, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Medienkommission offensichtlich gezielt deutlich strengere Maßstäbe hinsichtlich der Sitzungsöffentlichkeit gesetzt hat als im Kommunalrecht: Während es im Kommunalrecht nach der Rechtsprechung zur Rechtfertigung eines Ausschlusses der Öffentlichkeit einer Ratssitzung auf der Grundlage der §§ 48 Abs. 2 S. 2 und 3, 30 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) genügt, dass eine Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen durch eine Behandlung der Angelegenheit in öffentlicher Sitzungmöglich ist,
108vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006 – 15 A 817/04 –, juris (Rn. 72); Faber in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO NRW – Kommentar, Stand: Juli 2015, § 48 Erl. 10.1.,
109verlangt das Landesmediengesetz wie gesehen die Unvermeidlichkeit der Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter. Auch dass § 98 Abs. 2 S. 4 LMG NRW 7/2014 insoweit von „Angelegenheiten“ und nicht von Teilen der Beratung spricht, für die die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann, zwingt entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin nicht zu einer einheitlichen Betrachtung für den gesamten Beratungsgegenstand. Denn der Begriff der „Angelegenheiten“ erfasst nicht zwingend einen gesamten Beratungsgegenstand, sondern kann sich auch nur auf einen Teil eines solchen Gegenstandes beziehen. Angesichts der deutlichen gesetzgeberischen Konzeption zur Schaffung größtmöglicher Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist die Medienkommission daher dazu gehalten, zu Beginn jeder Sitzung darüber zu befinden, ob hinsichtlich eines bestimmten Tagesordnungspunktes angesichts des Standes der Beratungen und des Verlaufs der vorangegangenen Sitzungen die Erörterung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter unvermeidlich ist. Sie hat diese Prognose im Verlauf der Sitzung gegebenenfalls zu korrigieren und die Öffentlichkeit nunmehr auszuschließen bzw. wieder herzustellen. Speziell für die fragliche Behandlung des Tagesordnungspunktes 16 der 64. Sitzung der Medienkommission am 23. Januar 2015 ergibt sich dieses Erfordernis einer gesonderten Betrachtung der einzelnen Sitzung im Rahmen eines Zuweisungsverfahrens im Übrigen allein daraus, dass für ihn aufgrund des Inkrafttretens des ZustG zum 16. RFÄndStV an diesem Tage erstmals der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit nach § 98 Abs. 2 S. 1 LMG NRW 12/2014 galt und damit insoweit erstmals Veranlassung bestand, eine Entscheidung zum Ausschluss der Öffentlichkeit zu treffen.
110dd) Dieser grundlegende Verfahrensmangel ist auch im vorliegenden Verfahren der Antragstellerin beachtlich. Insbesondere steht dem nicht die entsprechende Anwendung des § 46 VwVfG NRW entgegen, der vorsieht, dass die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
111Es spricht bereits einiges dafür, den hier festgestellten Verstoß gegen die Vorschriften zur Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission als absoluten Aufhebungsgrund anzusehen, der eine Anwendung des § 46 VwVfG NRW von vornherein ausschließt.
112Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 – 13 A 1215/12 –, juris (Rn. 54); dass., Beschluss vom 19. November 2008 – 13 A 2151/06 –, juris (Rn. 19); Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Aufl., § 46 Rn. 30; Baumeister in: Obermayer/Funke-Kaiser, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 4. Aufl., § 46 Rn. 19 ff.
113Jedenfalls aber fehlt es an der für die Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG NRW erforderlichen offensichtlichen Irrelevanz des Verfahrensfehlers für die Entscheidung in der Sache. Dies setzt voraus, dass offensichtlich sein muss, dass die Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers genau dieselbe Entscheidung getroffen hätte. Bezogen auf den hypothetischen Behördenwillen bedeutet das Offensichtlichkeitsurteil, dass die Gerichte nicht in Spekulationen über Entscheidungsabsichten eintreten sollen, sondern nur dann die Kausalität des Verfahrensfehlers verneinen dürfen, wenn der hypothetische Behördenwille ohne Zweifel fest steht. Dabei sind nachträgliche Bekundungen der Behörde ohne ausschlaggebende Bedeutung.
114Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Aufl., § 46 Rn. 79 ff.
115Diese strengen Anforderungen an die Offensichtlichkeit sind vorliegend nicht erfüllt. Konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Behördenwillen fehlen. Es ist nicht ersichtlich, ob die Medienkommission auch im Falle der Öffentlichkeit ihrer 64. Sitzung vom 23. Januar 2015 in der Sache zur selben Entscheidung gekommen wäre. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der fragliche Beschluss über die Zuweisung von Übertragungskapazitäten gemäß § 98 Abs. 7 S. 2 LMG NRW 12/2014 der Zustimmung der Mehrheit der damals insgesamt 28 Mitglieder, d.h. von mindestens 15 Mitgliedern der Medienkommission bedurfte, der streitbefangenen Zuweisung aber lediglich 16 Mitglieder zustimmten, es sich mithin um eine knappe Entscheidung handelte. Hinzu kommt vorliegend, dass der Medienkommission – wie dargelegt – insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt, bei dem nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Entscheidung in der Sache besteht und sich dementsprechend regelmäßig auch gerichtlicherseits nicht feststellen lässt, dass die Entscheidung auch ohne den Verfahrensfehler offensichtlich genauso getroffen worden wäre.
116Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Aufl., § 46 Rn. 85; vgl. zu Ermessensentscheidungen insoweit: OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 – 13 A 1215/12 –, juris (Rn. 54).
1172. Als Adressatin der sie als Mitbewerberin belastenden und unter Verstoß gegen eine grundlegende Verfahrensvorschrift zustande gekommenen Zuweisung von Übertragungskapazitäten an die Beigeladene, hinsichtlich derer der Medienkommission der Antragsgegnerin ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt, ist die Antragstellerin insoweit auch in eigenen Rechten verletzt. Die Antragstellerin kann wegen des Beurteilungsspielraums keine vollständige gerichtliche Überprüfung der sie belastenden materiellen Entscheidung der Antragsgegnerin beanspruchen. Gerade deswegen hat sie aber einen Anspruch darauf, dass die der gerichtlichen Kontrolle unterworfenen Rahmenbedingungen für diese Entscheidung (ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens, zutreffende Erfassung des Sinns der gesetzlichen Auswahlkriterien, richtige und vollständige Sachverhaltsfeststellung, fehlerfreie Anwendung der normativen Maßstäbe, keine sachfremden und willkürlichen Erwägungen) eingehalten worden sind.
118Vgl. im Ergebnis ebenso für den Fall der verfahrensfehlerhaften Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, der ein Entscheidungsvorrang hinsichtlich der sachlichen Berechtigung eines Indizierungsantrags zukommt: BverwG, Urteil vom 26. November 1992 – 7 C 21.92 –, juris (Rn. 17); vgl. hinsichtlich eines entsprechenden „Anspruch(s) auf ein rechtsfehlerfreies Bewerbungsverfahren“ auch Bayerischer VGH, Urteil vom 22. Juli 2015 – 22 B 15.620 –, juris (Rn. 45 f.).
119Dies gilt insbesondere für den hier festgestellten Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzungen der Medienkommission, dem nach dem nordrhein-westfälischen Landesmedienrecht wie beschrieben besondere Bedeutung zukommt und der somit nicht lediglich eine formale Ordnungsvorschrift darstellt, sondern eine Regelung mit eigener Schutzfunktion gerade auch zu Gunsten der Bewerber um bestimmte Übertragungskapazitäten. Denn gerade auch deren verfassungsrechtliche Rechtsposition wird gezielt durch die Gewährleistung von Transparenz und Kontrolle mithilfe der Sitzungsöffentlichkeit geschützt, um einer unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen vorzubeugen und bereits den Anschein zu vermeiden, dass hinter verschlossenen Türen unsachgemäße Motive für die getroffene Entscheidung maßgebend gewesen sein könnten.
120Vgl. hinsichtlich des Prinzips der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2015 – 8 S 1386/14 –, juris (Rn. 43 und 59 ff.); OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1978 – XV A 1031/77 –, OVGE 35,8 (10).
1213. Ein Vollziehungsinteresse der Öffentlichkeit oder der Beigeladenen, welches das aus dem voraussichtlichen Erfolg der Klage folgende Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt, besteht nicht.
122Insbesondere kann sich die Beigeladene insoweit nicht erfolgreich auf die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Rundfunkfreiheit berufen. Denn diese schützt letztlich auch die Antragstellerin und wird in Bezug auf die streitbefangenen Übertragungskapazitäten bis heute im Kern von beiden noch nicht ausgeübt.
123Vgl. für den Fall der insoweit bereits seit einigen Monaten aufgenommenen Rundfunkveranstaltung: OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 1991 – 5 B 280/91 –, Seite 5 des Entscheidungsabdrucks.
124Insoweit ist zwar zu Gunsten der Beigeladenen zu berücksichtigen, dass sie im Vertrauen auf den Bestand der Zuweisung der Übertragungskapazitäten nach eigenen Angaben bereits nennenswerte Anfangsinvestitionen für den für Ende des Jahres geplanten Sendestart getätigt hat. Allerdings ist ihre Schutzwürdigkeit wiederrum dadurch eingeschränkt, dass sie diese Investitionen in Kenntnis der fehlenden Bestandskraft und des anhängigen Eilverfahrens und damit auf eigenes Risiko unternommen hat. Zulasten der Beigeladenen und zu Gunsten der Antragstellerin fällt überdies ins Gewicht, dass die Beigeladene ihre Position in Konkurrenz zu den übrigen Antragstellern im Falle einer vorzeitigen Ausnutzung der zugewiesenen Übertragungskapazitäten und anschließender Aufhebung des Zuweisungsbescheides im Hauptsacheverfahren letztlich zu Unrecht verbessern könnte. Ihr allein würde die Möglichkeit eröffnet, ihre Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die konkrete Rundfunkveranstaltung unter Beweis zu stellen und ihr Programm im Echtbetrieb zu präsentieren. Dadurch würden einseitig zugunsten der Beigeladenen „Fakten geschaffen“.
125Ein überwiegendes öffentliches Vollziehungsinteresse lässt sich auch nicht mit dem im Falle einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verbundenen „Brachliegen“ der betreffenden Übertragungskapazitäten
126vgl. zu diesem Gesichtspunkt in Bezug auf die Zuweisung einer analogen Übertragungskapazität im Kabelnetz im Rahmen eines Modellversuchs mit digitalem Fernsehen und neuen digitalen Kommunikationsdiensten: OVG NRW, Beschluss vom 8. Januar 1998 – 5 B 964/97 –, Seite 5 des Entscheidungsabdrucks,
127und der damit einhergehenden Verzögerung eines entsprechenden Beitrags zur Förderung der Medienvielfalt in Nordrhein-Westfalen begründen. Insoweit ist zunächst im Hinblick auf das Vorbringen der Beigeladenen darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen 11 Übertragungskapazitäten nicht um in Nordrhein-Westfalen weitestgehend bekannte Frequenzen des Hörfunks der britischen Streitkräfte (C1. ), sondern um solche Kapazitäten handelt, die infolge der Übernahme der tatsächlich jedenfalls früher weithin bekannten C1. -Frequenz 96,5 MHz (Senderstandort M. ) durch das Deutschlandradio frei geworden sind. Gegen die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Vollziehungsinteresses wegen des „Brachliegens“ dieser 11 Übertragungskapazitäten spricht bereits, dass die terrestrischen Übertragungskapazitäten im Hörfunkbereich, insbesondere auch im streitgegenständlichen Bereich der Ultrakurzwelle
128die z.B. am Empfänger-Standort E4. den Empfang von bis zu 67 verschiedenen Programmen ermöglichen, vgl. die entsprechende Programmliste unter: http://fmscan.org/main.php?la=de,
129nicht vergleichbar „knapp“ sind wie etwa in Bezug auf das analoge Kabelfernsehen.
130Für diesen Bereich stehen aktuell in Nordrhein-Westfalen lediglich 24 Kanäle zur Verfügung, vgl. die aktuelle analoge Kabelbelegung durch die Antragsgegnerin unter: https://www.lfm-nrw.de/regulierung/fernsehen/analoge-kabelbelegung.html; Anfang des Jahrtausends, d.h. vor dem eigentlichen Beginn der Digitalisierung im Rundfunk in Deutschland waren es etwas mehr als 30 Kanäle, vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. August 2001 – 15 L 349/01 –, Seite 3 des Entscheidungsabdrucks.
131Außerdem hat der Gesichtspunkt der begrenzten Übertragungskapazitäten allgemein durch die fortschreitende Digitalisierung des Rundfunks einschließlich der Mehrfachnutzung von Kanälen (sog. Multiplexing) sowie die verstärkte Nutzung weiterer Übertragungswege (z.B. über Satellit oder Internet) in jüngerer Zeit an Bedeutung verloren. Schließlich ist insoweit zu berücksichtigen, dass das öffentliche Vollziehungsinteresse insoweit geschmälert ist, als fast alle der streitbefangenen Übertragungskapazitäten ausweislich der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin jedenfalls bereits seit dem Jahre 2011 zur Verfügung stehen,
132vgl. Mitteilung der Bundesnetzagentur an die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 2011 unter Bezugnahme auf das Gutachten des Instituts für Rundfunktechnik vom 4. November 2010, Bl. 43 ff. der Beiakte Heft 1, Teilband I-S-5.1-4-1,
133seitdem noch nicht wieder genutzt und erst mit dem streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2015 der Beigeladenen zugewiesen worden sind. Angesichts dessen fällt eine weitere Verzögerung der Ausschöpfung dieser Übertragungskapazitäten für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht entscheidend ins Gewicht.
134Zum weiteren Verfahren weist die Kammer auf folgendes hin:
135Die Zuordnung der betreffenden Übertragungskapazitäten für die privaten Veranstalter von Rundfunk ist bestandskräftig. Nach obigen Ausführungen bedarf es auch keiner erneuten Ausschreibung dieser Kapazitäten. Nach summarischer Einschätzung der Kammer ist die Medienkommission bei ihrer Vorrangentscheidung auch nicht von einem fehlerhaften Verständnis des gesetzlichen Wertungsmaßstabes ausgegangen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Antragstellerin dürften nicht durchgreifen:
136Die Antragsgegnerin dürfte bei der Beurteilung des Beitrags eines Programms zur Vielfalt des Gesamtangebots im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 LMG NRW 2013 angesichts des Wortlauts der Vorschrift und der „verfassungsrechtlichen Anforderungen gleichgewichtiger Vielfalt (…) im Ergebnis durch das Gesamtangebot aller Veranstalter“
137vgl. BverfG, Urteil vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85 und 1/88 <6. Rundfunkurteil Westdeutscher Rundfunk> –, juris (Rn. 403),
138zu Recht das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einbezogen haben.
139Ebenfalls dürfte es nicht zutreffen, dass bei der Auswahlentscheidung – wie von der Antragstellerin gefordert – alle mobil und portabel übertragenen Angebote analoger oder digitaler Art, gegebenenfalls sogar der Radioempfang über Kabel zu berücksichtigen sind. Bereits die Systematik des Landesmediengesetzes legt eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Verbreitungswege nahe. Zudem würde eine Einbeziehung insbesondere des Hörfunks über Internet (sog. Internet- oder Webradio), aber auch über Satellit aufgrund der dort deutlich größeren Übertragungskapazitäten und des dementsprechend bereits äußerst vielfältigen Angebots
140allein in Deutschland gibt es aktuell über 2000 Webradioangebote (vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/20052/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-webradioangebote-in-deutschland-seit-2006/) und auch über den Satelliten ASTRA 19,2 Grad Ost sind derzeit in Deutschland über 150 Radiosender empfangbar
141eine Prüfung unter Vielfaltsgesichtspunkten praktisch unmöglich machen.
142Schließlich dürfte der Einwand der Antragstellerin, dass bei der angegriffenen Entscheidung entgegen § 14 Abs. 5 S. 1 LMG NRW 2013 vergleichbare Telemedien nicht entsprechend ihres Beitrags zur Angebotsvielfalt berücksichtigt worden sind, nicht durchgreifen. Diese Vorschrift stellt lediglich sicher, dass vergleichbare Telemedien und Teleshoppingskanäle im Rahmen einer Vorrangentscheidung zur Zuweisung von terrestrischen Übertragungskapazitäten berücksichtigt werden können. Um die streitbefangenen Übertragungskapazitäten hat sich aber kein Antragsteller mit einem entsprechenden Telemedien-/Teleshoppingangebot beworben.
143Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 1. Hs. VwGO.
144Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an den Ziffern 37.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.04.2013 beschlossenen Änderungen.
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28. Februar 2014 - 2 K 3238/12 und 2 K 3104/12 - geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2011 und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts Bodenseekreis vom 17. September 2012 werden aufgehoben.
Die Hinzuziehungen der Bevollmächtigten durch die Kläger im Vorverfahren werden für notwendig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2012 - 5 K 1969/12 - geändert. Der Antrag des Antragstellers, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass das am 9. Januar 2012 eingereichte Bürgerbegehren zu der Frage "Sind Sie dafür, dass das Gelände des Alten Sportplatzes in Leimen im Eigentum der Stadt verbleibt und die dort befindlichen Bäume erhalten werden?" zulässig ist, wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 5.000.-- EUR festgesetzt.
Gründe
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Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die im November 2013 ausgeschriebenen zehn Beförderungsplanstellen (Fachlehrer an Förderschulen) der Besoldungsgruppe A 10 LBesO mit den Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Antragsgegner und die Beigeladenen zu 2. und 5. jeweils zu 1/3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu 2. jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 10. tragen diese in beiden Rechtszügen jeweils selbst.
Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge jeweils auf die Wertstufe bis 13.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe rechtfertigen es, ihrem mit der Beschwerde weiter verfolgten erstinstanzlichen Antrag zu entsprechen und den angefochtenen Beschluss zu ändern.
4Die Antragstellerin hat entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts die tatsächlichen Voraussetzungen eines ihren Antrag stützenden Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten der Beigeladenen ist rechtswidrig und verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin. Sie beruht auf einem rechtsfehlerhaften Qualifikationsvergleich, weil ihre aus Anlass der Bewerbung um die in Rede stehenden Beförderungsplanstellen erstellte Beurteilung vom 15. Juni 2014, auf welche die Entscheidung gestützt ist, zu beanstanden ist.
5Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt überprüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen im Einklang stehen.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, NVwZ 2003, 1398.
7Einer Überprüfung nach diesen Maßgaben hält die Anlassbeurteilung der Antragstellerin nicht stand, weil sie nicht im Einklang mit Nr. 4.2 Satz 1 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Studienseminaren, RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 2. Januar 2003, ABl. NRW. S. 7, BASS 21 - 02 Nr. 2 (im Folgenden: BRL) steht. Danach muss der Zeitraum, auf den sich die Beurteilung bezieht, aus der Beurteilung erkennbar sein. Dafür genügt es, dass aus der Beurteilung der Zeitraum, auf den sich diese bezieht, im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2014 - 6 B 600/14 -, juris, und vom 8. Juni 2012 - 6 B 480/12 -, juris, sowie Urteil vom 16. Mai 2012 - 1 A 499/09 -, mit weiteren Nachweisen.
9Dabei ist ausgehend vom Empfängerhorizont an objektive Anhaltspunkte anzuknüpfen. Nicht entscheidend ist demgegenüber ein gegebenenfalls abweichender, objektiv aber nicht zum Ausdruck gekommener innerer Wille des Beurteilers. Wenn es im Einzelfall an hinreichenden objektiven Anhaltspunkten dazu fehlt, wie der der Beurteilung zugrunde liegende Zeitraum eingegrenzt ist, kann die Auslegungsregel greifen, dass zur Vermeidung einer Beurteilungslücke „im Zweifel" beabsichtigt sein dürfte, unmittelbar an den Zeitraum der letzten Vorbeurteilung anzuknüpfen.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2014 - 6 B 600/14 -, juris, vom 23. April 2013 - 6 B 285/13 -, vom 8. Juni 2012 - 6 B 480/12 - und vom 7. Juni 2011 - 6 B 544/11 -, jeweils juris.
11Im Streitfall lässt sich der Anlassbeurteilung der Antragstellerin der Zeitraum, auf den sie sich bezieht, nicht, geschweige denn hinreichend verlässlich entnehmen. Sie enthält keine objektiven Anhaltspunkte, anhand derer der Beurteilungszeitraum eingegrenzt werden könnte. Die Beurteilerin, Schulleiterin Dr. Q. , hat für die Beurteilung das den Beurteilungsrichtlinien als Anlage 2 beigefügte Muster verwandt (vgl. Nr. 4.1 BRL). Entgegen der dortigen Vorgabe hat sie unter Ziff. 2 der Beurteilung das „Datum der letzten Beurteilung“ nicht angegeben, sondern einen waagerechten Strich eingefügt. Auch der weitere Inhalt der Beurteilung ist in Bezug auf den ihr zu Grunde liegenden Zeitraum ohne hinreichenden Aussagewert.
12Dies stellt auch der Antragsgegner nicht in Abrede. Er meint vielmehr, er könne sich auf die genannte Auslegungsregel berufen, so dass die Anlassbeurteilung der Antragstellerin an den Zeitraum der letzten - mithin der aus Anlass des Ablaufs ihrer Probezeit unter dem 26. November 1993 erstellten - Beurteilung anknüpfe. Die Auslegungsregel greift in Anbetracht der vorliegend gegebenen Einzelfallumstände jedoch nicht.
13Gegen die Absicht der Beurteilerin, unmittelbar an den von der Vorbeurteilung erfassten Zeitraum anzuknüpfen, spricht bereits der Umstand, dass sie in der aktuellen Anlassbeurteilung, wie dargestellt, das Datum der Vorbeurteilung nicht angegeben, sondern lediglich einen waagerechten Strich eingefügt hat. Hingegen hat sie in der aktuellen Anlassbeurteilung der Beigeladenen zu 4. vom 5. Juni 2014 das Datum der Vorbeurteilung angeführt. Diese Vorgehensweise deutet darauf hin, dass ihr das Datum der Vorbeurteilung der Antragstellerin und damit auch der ihr zu Grunde liegende Beurteilungszeitraum nicht bekannt waren und sie keine Veranlassung gesehen hat, unmittelbar an den Zeitraum anzuknüpfen, der von der Vorbeurteilung der Antragstellerin abgedeckt war, um so eine „Beurteilungslücke“ zu vermeiden. Insoweit ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Beurteilerin erst am 8. Juni 1998 ihre Tätigkeit an der Schule B. M. in C. aufgenommen hat. Da sie aus eigener Anschauung keine Kenntnisse über das Leistungs- und Befähigungsbild der Antragstellerin vor der Übernahme der Schulleitung am 8. Juni 1998 hat, hätte sie, um die Anlassbeurteilung auch auf den vorangegangenen Zeitraum erstrecken zu können, sich in anderer Weise die notwendigen Erkenntnisse über das seinerzeitige Leistungs- und Befähigungsbild der Antragstellerin verschaffen müssen. Dass dies geschehen ist, kann den Darlegungen des Antragsgegners nicht entnommen werden und ist auch sonst nicht erkennbar. Daran ändert auch die im Schriftsatz der Beigeladenen zu 5. vom 29. Juli 2015 angesprochene, in der Beurteilung der Antragstellerin in der Tat erwähnte Fortbildungsmaßnahme vom 12. November 1993 („Orff-Schulwerk Lehrgang ‘Klang und Ausdruck Musik und Bewegung mit hörgeschädigten Kindern‘ “) nichts; das gilt umso mehr, als diese Fortbildung in den Zeitraum der Vorbeurteilung selbst fiel.
14Angemerkt sei, dass die aktuelle Anlassbeurteilung der Antragstellerin auch dann rechtlichen Bedenken begegnete, wenn unterstellt würde, dass sie über den Zeitraum ab dem 8. Juni 1998 hinaus auch den vorangehenden, an die Vorbeurteilung vom 26. November 1993 anknüpfenden Zeitraum erfasst. Denn hinsichtlich des letztgenannten Zeitraums ist - wie bereits dargestellt - nicht ersichtlich, dass die Beurteilerin sich insoweit eine hinreichende Erkenntnisgrundlage verschafft hat.
15Erweist sich die streitgegenständliche Auswahlentscheidung nach alledem als zu Lasten der Antragstellerin rechtsfehlerhaft, weil die ihr zu Grunde gelegte Anlassbeurteilung der Antragstellerin nicht rechtsfehlerfrei erstellt worden ist, sind ihre Aussichten, in einem neuen rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass bei einer dienstlichen Beurteilung das Schwergewicht regelmäßig auf dem in jüngerer Zeit deutlich gewordenen Leistungs- und Befähigungsbild des zu Beurteilenden beruhen muss und weiter zurückliegende Zeiträume vornehmlich mit Blick auf die Leistungsentwicklung im Beurteilungszeitraum relevant werden dürften. Eine Einschätzung dazu, wie das Ergebnis der Beurteilung der Antragstellerin im Falle der Vermeidung der dargestellten Fehler ausfiele, ist dennoch rein spekulativ und verbietet sich daher.
16Die Antragstellerin hat schließlich auch Umstände glaubhaft gemacht, die einen Anordnungsgrund begründen. Würden die in Rede stehenden Stellen mit den Beigeladenen besetzt, wäre dies nicht ohne Weiteres wieder rückgängig zu machen.
17Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung/-änderung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Der sich in Anwendung von § 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG ergebende Betrag ist im Hinblick auf den im Eilrechtsschutz lediglich angestrebten Sicherungszweck um die Hälfte zu reduzieren, so dass sich ein Viertel des Jahresbetrages, also drei Monatsbeträge ergeben. Dieser Wert ist, obwohl die Besetzung von zehn Stellen verhindert werden sollte, nur einfach anzusetzen, weil im Hinblick auf die Stellenbesetzung ein im Wesentlichen einheitliches Verfahren durchgeführt worden ist und die Vergabe der Stellen durch eine einheitliche Auswahlentscheidung erfolgen sollte.
19Vgl. OVG NRW, Senatsbeschluss vom 19. März 2012 - 6 E 162/12 -, NVwZ-RR 2012, 663.
20Ausgangspunkt der vorzunehmenden (fiktiven) Berechnung der Bezüge ist das von der Antragstellerin angestrebte Amt der Besoldungsgruppe A 10 LBesO sowie die von ihr erreichte Erfahrungsstufe 11. Der sich ergebende Monatsbetrag (Grundgehalt + 1/12 der jährlichen Sonderzahlung) ist mit dem Faktor 3 zu multiplizieren und der Streitwert dementsprechend auf die Wertstufe bis 13.000,00 Euro festzusetzen.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Aktenzeichen: 22 B 15.620
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 22. Juli 2015
(VG Ansbach, Urteil vom 26. August 2014, Az.: AN 4 K 14.386)
22. Senat
Sachgebietsschlüssel: 421
Hauptpunkte: Zulassung zu einem Jahrmarkt; Erschöpfung des Kontingents für eine bestimmte Betriebsart; Auswahlverfahren bei Bewerberüberhang; Verpflichtung des kommunalen Veranstalters zu Neubescheidung; Zulässigkeit der Bescheidungsklage ohne gleichzeitige Anfechtung der Zulassung zumindest eines Konkurrenten; Übergang von der Bescheidungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
Rechtsquellen:
Leitsätze:
In der Verwaltungsstreitsache
...
gegen
Stadt F.,
vertreten durch den Oberbürgermeister, Rechtsamt, S.-Str. ..., F.,
- Beklagte -
wegen Zulassung zu einem Jahrmarkt;
hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Demling, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Dietz aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Juli 2015 am 22. Juli 2015 folgendes Urteil:
I.
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet war, den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Michaelis-Kirchweih 2014 mit seinem Ausschankbetrieb „F.“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
Gründe
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I.
- 1
-
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, mit der die Tendenzeigenschaft der Beschwerdeführerin im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verneint wurde.
- 2
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Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten um die Bildung eines Wirtschaftsausschusses nach §§ 106 ff. BetrVG. Die steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannte und den internationalen Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalbmond-bewegung verpflichtete Beschwerdeführerin betreibt einen Blutspendedienst. Ihr Unternehmenszweck ist die Förderung des Blutspendewesens und der Trans-fusionsmedizin; dieser Zweck wird insbesondere durch die Entnahme, Sammlung und Aufbereitung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen, die Versorgung mit menschlichem Blut und Blutbestandteilen zum Zwecke der Heilung, die Erbringung von transfusionsmedizinischen Labor- und Serviceleistungen sowie die wissenschaftliche Betätigung und Fortentwicklung des Blutspendewesens verwirklicht. Die Blutspenden werden durch die Beschäftigten der Beschwerdeführerin medizinisch getestet, aufbereitet und anschließend entgeltlich an Krankenhäuser oder Ärzte abgegeben.
- 3
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Das Arbeitsgericht stellte fest, dass die Beschwerdeführerin kein Tendenzunternehmen sei und ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden müsse. Die Beschwerdeführerin diene keinen karitativen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, denn sie erbringe keinen unmittelbaren sozialen Dienst am leidenden Menschen. Die Sicherstellung der allgemeinen Grundversorgung mit Blutpräparaten genüge nicht.
- 4
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Auf die Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht den Antrag des Gesamtbetriebsrats ab. Die Beschwerdeführerin sei ein Tendenzunternehmen, denn sie diene einer karitativen Bestimmung. Sie verfolge freiwillig ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Mit der Förderung des Blutspendewesens und der Transfusionsmedizin habe sie sich in den sozialen Dienst an körperlich leidenden Menschen gestellt. Unerheblich sei, dass dies zugleich der Daseinsfürsorge diene, denn sie leiste gleichwohl Dienst am einzelnen Menschen. Die Beschwerdeführerin beschäftige sich auch nicht lediglich mit der Beschaffung und dem Verkaufen von Blut. Das Blutspendewesen sei vielmehr durch Besonderheiten geprägt; es diene unmittelbar dazu, die medizinische Versorgung von Patienten zu ermöglichen. Unerheblich sei deshalb auch, dass sich zunächst noch Krankenhäuser oder Ärzte der Blutprodukte bedienen müssten, damit sie den Hilfsbedürftigen zukommen könnten.
- 5
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Das Bundesarbeitsgericht sah die Beschwerdeführerin hingegen nicht als Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG an. Ein Unternehmen müsse nach dem Wortlaut der Vorschrift den karitativen Bestimmungen unmittelbar dienen. Das sei nur der Fall, wenn die Hilfe gegenüber den leidenden Menschen direkt erbracht werde. Das tue die Beschwerdeführerin nicht, denn ihre Leistungen seien nicht unmittelbar auf die Heilung, Milderung oder die vorbeugende Abwehr von Nöten Hilfsbedürftiger gerichtet. Es sei insbesondere nicht ausreichend, dass Blutspenden für die Krankenversorgung notwendig seien, denn das gelte für alle Beiträge zu dieser. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin erfordere, dass eine - nicht nur untergeordnete - ärztliche Heilbehandlung hinzutrete.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin in erster Linie eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Darüber hinaus seien Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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1. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG mit der Begründung rügt, ihre karitative Betätigung sei weltanschaulich fundiert, ist die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend substantiiert.
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a) Der Schutz des Art. 4 GG zielt nicht nur auf Religion, sondern auch auf die Weltanschauung. Der grundrechtliche Schutz bezieht sich dabei nicht nur auf die der Kirche oder Weltanschauung zugeordnete Organisation im Sinne einer juristischen Person, sondern erstreckt sich auch auf die von ihr getragenen Einrichtungen, also auf die Funktionseinheit, durch die der je selbst gewählte Auftrag unabhängig von der jeweiligen Rechtsform seine Wirkung entfalten soll (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 -, www.bverfg.de, Rn. 91 f.).
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b) Dass die Beschwerdeführerin als Einrichtung einer Religion oder Religionsgemeinschaft tätig würde, behauptet sie selbst nicht; Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist dargelegt, inwieweit das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG die Arbeitsgerichte dazu zwingen würde, die Beschwerdeführerin als Weltanschauungsgemeinschaft zu qualifizieren. Der Einsatz für eine ausreichende und qualitativ hochwertige Blutversorgung ist ein bedeutendes humanitäres Anliegen, für das die Beschwerdeführerin erhebliche Leistungen erbringt. Auch orientiert sie sich an den Grundsätzen der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-bewegung. Diese können eine Weltanschauung und auch eine Religion mit prägen, enthalten jedoch keine insofern spezifische Aussage zur Gesamtheit des menschlichen Lebens, weil weder der Mensch im Kern seiner Persönlichkeit angesprochen noch auf umfassende Weise der Sinn der Welt und des menschlichen Lebens erklärt wird (vgl. BVerfGE 105, 279 <293>). Die Beschwerdeführerin wird vielmehr - wie sie selbst ausführt - von einer übergreifend karitativ-humanitären Bestimmung geleitet; eine religiöse oder weltanschauliche Dimension ist kein bestimmendes Element ihrer Tätigkeit, das sie von anderen Unternehmen unterscheiden würde.
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2. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot liegt nicht vor.
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a) Gegen den Gleichheitssatz wird nicht bereits dann verstoßen, wenn die angegriffene Rechtsanwendung eines Fachgerichts fehlerhaft ist. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 83, 82 <84>; stRspr).
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b) Danach begegnet die Auslegung des § 118 Abs. 1 BetrVG durch das Bundesarbeitsgericht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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aa) Zwar ergibt sich aus dem Grundgesetz kein zwingendes Gebot betrieblicher Mitbestimmung (vgl. BVerfGE 50, 290 <349>; 52, 283 <298>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 729/92 -, juris, Rn. 18). Doch gestaltet der Gesetzgeber mit den Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung das Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG aus. Er muss dabei den grundrechtlich geschützten Kernbereich unternehmerischen Handelns (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ebenso achten wie die grundrechtlichen Belange der Beschäftigten. Zudem soll die Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung nach § 118 Abs. 1 BetrVG die Grundrechtsentfaltung von Tendenzbetrieben zugunsten unternehmerischer Interessen mit spezifisch grundrechtsgeschützter, geistig-ideeller oder politischer Zielsetzung gewährleisten (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BTDrucks VI/2729, S. 17; vgl. auch BVerfGE 52, 283 <299>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 505/95 -, Rn. 26; stRspr BAG seit BAG, Beschluss vom 22. April 1975 - 1 ABR 604/73 -, juris, Rn. 13; Beschluss vom 14. September 2010 - 1 ABR 29/09 -, juris, Rn. 24). Hinter solchen bereichsspezifischen Grundrechten muss das Sozialstaatsprinzip zurücktreten; der Tendenzschutz ist insoweit eine grundrechtsausgestaltende Regelung (vgl. BVerfGE 52, 283 <299>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 505/95 -, Rn. 26). Daneben werden mit § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG bestimmte geistig-ideelle Zielsetzungen privilegiert, an denen ein Interesse der Allgemeinheit besteht (BAG, Beschluss vom 31. Januar 1995 - 1 ABR 35/94 -, juris, Rn. 56; Beschluss vom 14. September 2010 - 1 ABR 29/09 -, juris, Rn. 24).
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bb) Dies wird vom Bundesarbeitsgericht nicht verkannt. Die enge Auslegung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG folgt anerkannten Grundsätzen, denn die Regelung normiert eine Ausnahme von der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten betrieblicher Mitbestimmung; daraus folgt ganz regelmäßig ein restriktives Verständnis der Norm. Das rechtfertigt die enge Auslegung des Merkmals der karitativen Tätigkeit im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG (vgl. Fitting, BetrVG, Handkommentar, 27. Aufl. 2014, § 118 Rn. 2; Weber, in: GK-BetrVG, 10. Aufl. 2014, Bd. 2, § 118 Rn. 33 f.; Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, BetrVG, § 118 Rn. 2; zum Ausnahmecharakter: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BTDrucks VI/2729, S. 17). Es ist insofern nicht zu beanstanden, wenn das Bundesarbeitsgericht davon ausgeht, die Ausnahme von der Mitbestimmung greife nur, wenn bei einer karitativen Tätigkeit der Dienst an leidenden Menschen direkt erbracht wird (vgl. BAG, Beschluss vom 31. Januar 1995 - 1 ABR 35/94 -, juris, Rn. 56; Beschluss vom 14. September 2010 - 1 ABR 29/09 -, juris, Rn. 24; Lakies, in: Düwell, BetrVG, 4. Aufl. 2014, § 118 Rn. 2; Lunk, in: Hümmerich/Boecken/Düwell, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, § 118 Rn. 2; Weber, in: GK-BetrVG, 10. Aufl. 2014, Bd. 2, § 118, Rn. 21).
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Die Beschwerdeführerin kann der hohen Gewichtung des Sozialstaatsprinzips auch keine speziellen Freiheitsrechte entgegenhalten, die zu einer Ausnahme von der betrieblichen Mitbestimmung zwingen würden. Nur diejenigen karitativen Betriebe, die durch die Inanspruchnahme des Art. 4 GG geprägt sind, hat der Gesetzgeber in § 118 Abs. 2 BetrVG gänzlich von der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen. Es ist dann verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die weitere Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG nur anzuwenden, wenn Betriebe nicht nur allgemein eine ideelle Zielsetzung verfolgen, sondern diese das betriebliche Handeln auch ausnahmsweise ganz unmittelbar prägt.
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3. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die betriebliche Mitbestimmung beschränkt zwar das Direktionsrecht, die Vertragsfreiheit und die sonstigen unternehmerischen Dispositionen des Arbeitgebers. Die Vorgabe zur Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses ist allerdings von geringer Intensität, denn dieser organisiert Mitwirkung, vermittelt aber keinen ausschlaggebenden Einfluss. Die Beschwerdeführerin behält ihr unternehmerisches Letztentscheidungsrecht. Insoweit ist die im Betriebsverfassungsgesetz normierte Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Blick auf den sozialen Bezug des Unternehmerberufs, der nur mithilfe anderer ausgeübt werden kann, durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 50, 290 <365>). Vorliegend fehlen auch jedwede Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin durch die Bildung eines Wirtschaftsausschusses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit die geistig-ideelle Zielsetzung der Beschwerdeführerin der Bildung eines Wirtschaftsausschusses entgegenstünde.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28. Februar 2014 - 2 K 3238/12 und 2 K 3104/12 - geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2011 und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts Bodenseekreis vom 17. September 2012 werden aufgehoben.
Die Hinzuziehungen der Bevollmächtigten durch die Kläger im Vorverfahren werden für notwendig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Artikel 1 Nummer 7 und Artikel 1 Nummer 8 der Ersten Satzung zur Änderung der Grundordnung der Universität Konstanz vom 24. Oktober 2008 werden für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann von dem Gericht zugelassen werden. Die Tonübertragung kann zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens teilweise untersagt werden. Im Übrigen gilt für den in den Arbeitsraum übertragenen Ton Satz 2 entsprechend.
(2) Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen teilweise untersagt werden. Die Aufnahmen sind nicht zu den Akten zu nehmen und dürfen weder herausgegeben noch für Zwecke des aufgenommenen oder eines anderen Verfahrens genutzt oder verwertet werden. Sie sind vom Gericht nach Abschluss des Verfahrens demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen.
(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden.
(4) Die Beschlüsse des Gerichts nach den Absätzen 1 bis 3 sind unanfechtbar.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit
- 1.
durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, - 2.
Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, durch das Zugänglichmachen von Umweltinformationen verletzt würden oder - 3.
durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuergeheimnis oder dem Statistikgeheimnis unterliegen,
(2) Umweltinformationen, die private Dritte einer informationspflichtigen Stelle übermittelt haben, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein oder rechtlich verpflichtet werden zu können, und deren Offenbarung nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Dritten hätte, dürfen ohne deren Einwilligung anderen nicht zugänglich gemacht werden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen kann nicht unter Berufung auf die in Satz 1 genannten Gründe abgelehnt werden.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) wird zu Ziff. 1 und Ziff. 2 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Beklagte.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine Beanstandungs- und Untersagungsverfügung der Beklagten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) wegen des von ihm unter der Domain www.media-bloed.de verbreiteten satirischen Angebots. Diese erging im Zusammenhang mit seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan und den dabei (jedenfalls im Jahr 2010) gezeigten – mittlerweile nicht mehr aufrufbaren – Bildern. Es handelte sich dabei um fünf in Farbe gezeigte Bilder, die jeweils mit der Überschrift „Bundeswehr Blut stinkt nicht“ versehen waren, linksseitig den Text „Offensive für Kampfeinsätze in Afghanistan“ und unten den Zusatz „Deutsche Soldaten, die schöneren Leichen!“ aufführten. Das erste Bild zeigte ausschnittsweise einen mit Hemd und Hose bekleideten menschlichen Körper mit erheblichen Verletzungen am Oberkörper und einem abgerissenen linken Bein mit überwiegend freiliegendem Oberschenkelknochen. Darunter befand sich der Text:
3„Mach mit bei der Kampagne der Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan, mit dem Motto: Deutsche Soldaten - die schöneren Leichen!
4Lange genug haben die anderen Nato Staaten deutsche Kampfeinsätze verschmäht, und warum eigentlich? Ist das Blut deutscher Soldaten etwa nicht gut genug? Mit dieser schäbigen Diskriminierung deutschen Kanonenfutters muß jetzt endlich Schluß sein, fordern nicht nur deutsche Generäle und Politiker, nein, sozusagen in Tateinheit mit den gleichgeschalteten Medien fordert es auch der Souverän, das deutsche Volk, und Luft und Äther füllen sich mit dem Schrei aus Millionen Kehlen: ‚Bundeswehr Blut stinkt nicht!‘
5Und laßt euch bloß nicht von den Weicheiern und Warmduschern verarschen, die darüber klagen, daß deutsche Soldaten sterben werden! Der deutsche Soldat stirbt gern, dafür wurde er schließlich ausgebildet und bezahlt, und das freiwillig, von niemandem gezwungen außer seiner vorbildlichen Aufopferungsbereitschaft für das deutsche Volk einerseits und jeden noch so fragwürdigen Beschluß der Nato andererseits.
6Denn das ist die wahre Tugend des deutschen Soldaten und auch die eines jeden treuen Untertanen der hochdeutschen Verwaltung: Er fragt nicht nach dem Sinn von Verordnungen, sondern befolgt sie und stirbt, wenn es befohlen ist.“
7Nachfolgend wurden vier Bilder ohne weiteren Text gezeigt: Menschliche Beine vor dem Hintergrund einer Plastikplane; das eine Bein war zerfetzt; es fehlten Fleischteile des Oberschenkels, so dass ein Knochen zu sehen war; der Fuß war vom Bein getrennt und unten im Bild gezeigt. Ein Bild zeigte einen Torso; der Kopf war vom Körper getrennt; die Arme waren nicht zu sehen. Ein weiteres Bild zeigte eine mumifizierte Leiche, auf dem Rücken liegend; der Unterkörper war nicht zu sehen. Das letzte Bild zeigte den Kopf und Teile des Oberkörpers einer Brandleiche. Alle Bilder ließen sich durch einen Klick vergrößern (von ca. 8 x 12 cm auf ca. 14 x 20 cm).
8Unter dem 21. Januar 2010 wandte sich jugendschutz.net wegen dieser dort als „tasteless-Bilder“ eingestuften Darstellungen per E-mail an den Kläger und bat unter Hinweis darauf, dass die Organisation einige Bilder unter Jugendschutzgesichtspunkten für besonders bedenklich halte, um Prüfung, ob es weiterhin für erforderlich gehalten werde, diese drastischen Darstellungen zu präsentieren. Der Kläger äußerte sich ablehnend. Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) legte daraufhin die Stellungnahme von jugendschutz.net und eine Bildschirmkamera-Aufzeichnung (Software Camtasia) der am 1. März 2010 durchgeführten Sichtung des Angebots www.media-bloed.de der Beklagten und wies auf die Prüfung in einer der nächsten Präsenzprüfungen der KJM hin. Zum Zeitpunkt der Sichtung war auf der Domain des Klägers Werbung („Google-Anzeigen“) geschaltet.
9Eine Prüfgruppe der KJM für Telemedien bejahte in einer Präsenzprüfung am 21. April 2010 nach Live-Sichtung mit einem Abstimmungsergebnis von 3:2 einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV (entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte) sowie mit einem Abstimmungsergebnis von 5:0 einen Verstoß gegen § 7 JMStV (fehlender Jugendschutzbeauftragter).
10Hiervon setzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 18. August 2010 in Kenntnis und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kündigte eine Stellungnahme bis spätestens zum 30. September 2010 an, die ausblieb. Parallel wurde von der Beklagten ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Kläger eingeleitet, in dem der Kläger Anfang Dezember 2010 eine Stellungnahme abgab.
11Nach weiterer Sichtung des Angebots am 1. Oktober 2010 – auch zu diesem Zeitpunkt war auf www.media-bloed.de Werbung geschaltet – hatte die Beklagte der KJM unter dem 22. Oktober 2010 ihre Beschlussempfehlung vom 13. September 2010 übersandt, das Internetangebot medienrechtlich zu beanstanden und den Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zukünftig zu untersagen. Eine erneute Sichtung am 16. November 2010 hatte ergeben, dass die Seite offline gestellt war.
12In der Sitzung vom 15. Dezember 2010 entschied die KJM im Plenum – im Wesentlichen der Beschlussvorlage folgend – einstimmig, es lägen Verstöße gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV sowie § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV, vor und stellte ferner fest, dass gegenüber dem Anbieter gemäß § 20 Abs. 1 und 4 JMStV sowie § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV eine Beanstandung auszusprechen sei und der Verstoß zukünftig untersagt werde.
13Bei einer weiteren Sichtung des Angebots durch die Beklagte am 28. Dezember 2010 war die Internetseite mit den oben genannten Bildern wieder aufrufbar; Werbung fand sich jedoch nicht mehr.
14Mit Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) entschied die Beklagte, (Ziff. 1.) das von dem Kläger verbreitete Angebot www.media-bloed.de verstoße gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV und § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV. Dies werde medienrechtlich beanstandet (§ 20 Abs. 1 und 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV). Dem Kläger wurde untersagt, das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten. Ferner (Ziff. 2.) entschied die Beklagte, dass der Kläger in Zukunft seine Verpflichtungen nach § 5 Abs. 1 JMStV erfülle, wenn er dafür Sorge trage, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren die problematischen Inhalte üblicherweise nicht wahrnähmen. Dies könne gemäß § 5 Abs. 3 und 4 JMStV durch die Begrenzung der Sendezeit oder die Vorschaltung eines technischen oder sonstigen Schutzes geschehen. Darüber hinaus bleibe dem Kläger auch die Möglichkeit, alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte von seinem Angebot zu entfernen. Weiter (Ziff. 3.) wurde dem Kläger aufgegeben, für sein Angebot einen Jugendschutzbeauftragten im Sinne von § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV zu bestellen. Die Kosten (Gebühren und Auslagen) habe der Kläger zu tragen (Ziff. 4.). Für den Bescheid erhob die Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 1.000,00 Euro. In der Begründung beschrieb die Beklagte u.a. vier der unter der Überschrift „Bundeswehr Blut stinkt nicht“ gezeigten Bilder nebst den zu diesen Bildern führenden Pfaden, legte die Einschätzung zur Entwicklungsbeeinträchtigung dar und führte weiter aus: Angebote der Satire und der Parodie unterfielen dem Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG finde dieses Recht seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Die notwendige Güterabwägung zwischen der Forderung nach umfassendem Grundrechtsschutz und dem verfassungsrechtlich herausgehobenen Interesse an einem effektiven Jugendschutz falle vorliegend zu Lasten der Meinungsfreiheit und somit zu Lasten des Angebots des Klägers aus. Zu beachten sei dabei gewesen, dass die kritische Auseinandersetzung mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan an sich nicht beanstandet werde. Die Beanstandung richte sich ausschließlich gegen die beschriebenen Darstellungen, welche in ihrer Menge und der Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig seien, um die satirische Aussage zu verdeutlichen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Darstellungen in der vergrößerten Ansicht in keinem Kontext zu den kritischen und satirischen Aussagen stünden. Soweit das Angebot unter den Schutz der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG falle, finde es seine Schranken in kollidierendem Verfassungsrecht. Der Jugendschutz sei ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Die Abwägung zwischen den kollidierenden Verfassungsgütern falle ebenfalls zu Lasten der Kunstfreiheit aus. Insbesondere sei die Beanstandung der beschriebenen Darstellung verhältnismäßig. Wie bereits erwähnt, seien die Menge der Bilder sowie die Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig, um die satirische Aussage zu verdeutlichen. Die Gebührenfestsetzung beruhe auf der gesetzlichen Grundlage des § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag i. V. m. der entsprechenden Kostensatzung.
15In dem auf dem gleichen Sachverhalt gründenden Ordnungswidrigkeitenverfahren erließ die Beklagte nach Anhörung des Klägers und Entscheidung der KJM im Februar 2011 einen Bußgeldbescheid, in dem sie ein Bußgeld von 3500,00 Euro wegen des Verstoßes gegen § 5 JMStV und von 350,00 Euro für den Verstoß gegen § 7 JMStV gegen den Kläger verhängte. Dieses Ordnungswidrigkeitenverfahren ist nach dem Einspruch des Klägers beim Amtsgericht Düsseldorf wegen Verfolgungsverjährung mittlerweile eingestellt worden.
16Der Kläger hat am 29. Januar 2011 gegen den Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Das Angebot sei nicht geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Zunächst komme weder der KJM noch der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu, inwieweit ein Angebot im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV geeignet sei, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Dies sei vielmehr von den Gerichten uneingeschränkt zu überprüfen. Es liege auf der Hand, dass gerade bei politischen Abbildungen und Texten das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG in besonderer Weise zu berücksichtigen sei. Hinzu komme, dass das Grundgesetz in mehrfacher Hinsicht eine Friedenspflicht enthalte. Dem habe der Gesetzgeber u.a. durch das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Rechnung getragen. Bei seiner Veröffentlichung gehe es gerade nicht um die Verherrlichung des Krieges, sondern um die Warnung vor einem solchen. Dabei bediene er sich sowohl einer satirischen Textsprache als auch einer Bebilderung. Sein Werk sei damit sowohl von der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als auch durch die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Ein Eingriff in diese Rechte bedürfe einer umfassenden Abwägung, die sich den Ausführungen der Beklagten nicht entnehmen lasse. Umgekehrt stelle es sich als jugendgefährdend dar, wenn der Krieg verharmlost werde und in der Öffentlichkeit durch Hochglanzbilder von Soldaten bei Kindern und Jugendlichen ein unzutreffendes Bild vom Krieg vermittelt werde. Gerade Jugendliche würden durch eine derartige Werbung der Bundeswehr angesprochen, da in dieser Gruppe der Nachwuchs rekrutiert werden solle. Erinnert werde in diesem Zusammenhang auch an das Buch „Krieg dem Kriege“ des Pazifisten und Anarchisten Ernst Friedrich. Dieses Buch prangere auf ähnliche Weise wie er den Krieg mit Bildern des Krieges und Untertiteln an. Das Buch sei ohne weiteres im Buchhandel erhältlich und auch Jugendlichen zugänglich. Soweit Anstoß genommen werde an Bildern verbrannter Leichen – die übrigen Bilder seien unschwer als unrealistische Nachbildung erkennbar –, empfehle sich ein Blick in die Schulbücher. Im Hinblick auf den Vulkanausbruch bei Pompeji würden vielfach Bilder auch in Schulbüchern verbreitet, die Opfer des Vulkanausbruchs zeigten und seinen Bildern zum Verwechseln ähnlich seien.
17In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger u.a. erklärt, er habe die Bilder im Hinblick auf das Ordnungswidrigkeitsverfahren mittlerweile entfernt. Die früher auf seiner Website über Google geschaltete Werbung habe Google nach Beschwerden über seine Seite entfernt. Ziff. 3. des angefochtenen Bescheides hat die Beklagte daraufhin aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
18Der Kläger hat beantragt,
19den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) in der Fassung der Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2012 aufzuheben.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20. März 2012 die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in den Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides aufgehoben und im Übrigen (Ziff. 1 und 2) die Klage abgewiesen. Die in Ziff. 1 des Bescheides erfolgte Beanstandung des Internet-Angebotes des Klägers im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV und die Untersagung, das Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten, seien wie die Vorgabe in Ziff. 2 rechtmäßig. Insbesondere sei die Regelung in Ziff. 1 ausreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, da sich unpräzise Formulierungen im Verfügungssatz („in dieser Fassung“) unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Begründung, die Beanstandung beziehe sich allein auf die im Einzelnen beschriebenen Bilder, in klarer Weise auslegen ließen. Das Verwaltungsgericht hat die inhaltliche Einschätzung der KJM zur Eignung des Angebots des Klägers zur Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren, welches es als sachverständige Äußerung ohne Beurteilungsspielraum einordnet, geteilt, weil insbesondere die Gefahr bestehe, dass diese Gruppe von Minderjährigen nicht in der Lage sei, die Bilder als Satire zu erkennen. Der Verweis auf das in Bibliotheken und im Buchhandel frei erhältliche Buch „Krieg dem Kriege“ greife nicht zu Gunsten des Klägers durch, da – ungeachtet der Frage der Vergleichbarkeit der Bilder – der Zugriff durch das Internet deutlich höhere Risiken der Wahrnehmung durch Minderjährige begründe. Die Bezugnahme auf in Schulbüchern vorhandene Abbildungen zur Vulkankatastrophe in Pompeji sei nicht vergleichbar, weil es dort um gefertigte Nachbildungen der Opfer gehe und so der unmittelbare Realitätsbezug fehle. Maßgeblich sei für die Bewertung der Bilder der Eindruck des kindlichen oder jugendlichen Betrachters, weshalb das Vorbringen des Klägers, es handele sich um unschwer erkennbare unrealistische Nachbildungen, unerheblich sei; ein solcher Betrachter werde die Bilder für echt halten. Das Nachrichtenprivileg des § 5 Abs. 6 JMStV lasse den Verstoß nicht entfallen, denn ein rechtliches Interesse gerade an der gewählten Form der Darstellung mit der beanstandeten Menge von unkommentiert aneinandergereihten Bildern und der Möglichkeit der Vergrößerung bestehe nicht. Die Eingriffe in die Grundrechte des Klägers (Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, sowie Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG) seien durch die Berücksichtigung des Verfassungsgutes Jugendschutz gerechtfertigt, wobei die Regelungen in § 5 Abs. 3 bis Abs. 5 JMStV für den verhältnismäßigen Ausgleich der Verfassungsgüter sorgten; hierdurch bleibe die Ausübung von Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit möglich, unter gleichzeitiger Wahrung des Jugendschutzes. Die so erfolgte Einschränkung dieser Grundrechte sei verhältnismäßig und auch ansonsten ermessensfehlerfrei. Die Feststellung eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten nach § 7 JMStV sei zulässig, da der Kläger in der Vergangenheit durch Schaltung von Anzeigen auf der Domain Einkünfte erzielt und damit geschäftsmäßig gehandelt habe. Selbst wenn dies jetzt nicht mehr der Fall sei, sei eine Beanstandung möglich.
23Die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides seien rechtswidrig. § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) i. V. m. der Kostensatzung sei ebenso wenig anwendbar wie § 116 Abs. 2 Landesmediengesetz (LMG) NRW i. V. m. der entsprechenden Gebührensatzung.
24Der Kläger und die Beklagte haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
25Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die im angegriffenen Bescheid getroffenen Regelungen in Ziff. 1 und 2 seien schon nicht hinreichend bestimmt, da die Beanstandung sich auf „das vom Kläger verbreitete Internetangebot www.media-bloed.de“ und die Untersagung auf „das genannte Angebot in dieser Fassung“ sowie Ziff. 2 auf „die problematischen Inhalte“ beziehe. Es sei auch nicht durch Berücksichtigung der Begründung ein bestimmter Inhalt feststellbar, da die beschriebenen Bilder nur als Beispiele angeführt würden und zudem auch durch weitere Passagen der Begründung keine Klarheit geschaffen werde. Es bleibe unklar, ob nur Darstellungen in Bildform oder auch solche mit Text beanstandet würden, sowie ob es ausreiche, die Möglichkeit der Vergrößerung nicht mehr vorzusehen. Damit bleibe unklar, was ihm eigentlich habe verboten werden sollen.
26Weiter stehe der KJM weder ein Beurteilungsspielraum zu noch habe deren Feststellung den Charakter einer sachverständigen Äußerung; dies ergebe sich schon aus den Abstimmungsergebnissen in der Prüfgruppe, die in Bezug auf § 5 JMStV einen Verstoß nur mit 3:2 Stimmen festgestellt habe. Weiter bestehe keine Gefahr der Entwicklungsbeeinträchtigung, da Kinder und Jugendliche die Satire auf der Seite des Klägers eindeutig erkennen könnten. Zudem rechtfertige § 5 Abs. 6 JMStV die Art der konkreten Darstellungen, da gerade diese zur Erreichung der Zwecke des Klägers wichtig seien, um die beabsichtigte abschreckende Wirkung in Bezug auf die Gefahren und Folgen von Kriegen zu erzielen. Ähnlich wie der Pazifist Ernst Friedrich mit dem Buch „Krieg dem Kriege“ habe auch Bertolt Brecht in der von ihm veröffentlichten „Kriegsfibel“ seine Gedichte gegen den Krieg mit Bildern von Kriegsfolgen und Kriegsopfern verknüpft. In vergleichbarer Weise stelle sich das beanstandete Angebot des Klägers dar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Verkennung der Reichweite der Gewährleistungen von Art. 5 Abs. 1 und 5 Abs. 3 GG.
27Der Kläger beantragt,
28das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen
29sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
30Die Beklagte beantragt,
31das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen
32sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
33Zur Berufung des Klägers führt sie im Wesentlichen aus: Der angegriffene Bescheid sei hinreichend bestimmt, da für den Kläger unter Berücksichtigung des Inhalts des Bescheides und der Nennung der einzelnen Bilder habe klar sein müssen, was beanstandet werde. Der Aufbau des Bescheides und die Technik der Tenorierung sei bisher von nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten in Bezug auf die Bestimmtheit nicht in Zweifel gezogen worden. Die Feststellung einer Entwicklungsbeeinträchtigung sei vom Gericht nicht mehr zu überprüfen, da der KJM hinsichtlich der Jugendgefährdung ein Beurteilungsspielraum zustehe. Auch ohne einen solchen sei es jedoch eine sachverständige Äußerung, die durch das Vorbringen des Klägers nicht erschüttert sei. Weiter könne die als Ausnahmevorschrift eng auszulegende Regelung in § 5 Abs. 6 JMStV dem Kläger nicht weiterhelfen, da – abgesehen von der zweifelhaften Einordnung als „vergleichbares Angebot“ im Sinne der Vorschrift – kein berechtigtes Interesse gerade an der gewählten Art der Darstellung feststellbar sei. Eine Beschränkung der Untersagung auf die Möglichkeit der Vergrößerung der Bilder sei nicht ausreichend, da diese alleine den Verstoß nicht begründe, sondern verstärke.
34Zur Begründung ihrer eigenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die vom Verwaltungsgericht aufgehobene Kostenentscheidung sowie die Gebührenfestsetzung gegen den Kläger lasse sich auf § 35 Abs. 11 RStV i. V. m. der RStV-Kostensatzung (Gebührenverzeichnis Ziff. IV.8.) stützen. Die systematische Stellung von § 35 Abs. 11 RStV im III. Abschnitt des Rundfunkstaatsvertrages stehe dem im Ergebnis nicht entgegen. Dies ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte sowie der gesetzgeberischen Absicht, welche hinter der Vorschrift stünde. In der Vergangenheit seien Gebühren für Maßnahmen der Landesmedienanstalten in Zusammenarbeit mit der KJM nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gegenüber Anbietern von Telemedien auf der Grundlage von § 14 Abs. 9 JMStV i. V. m. der früheren KJM-Kostensatzung erfolgt. Durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei § 14 Abs. 9 JMStV jedoch gestrichen worden und § 35 RStV habe seine heutige Gestalt erhalten. Nach der Begründung hierzu aus dem zum Erlass des Änderungsstaatsvertrages führenden Verfahren sollten „die bisherigen Bestimmungen über die Kommission für Jugendmedienschutz in § 14 Abs. 8 bis 10, die die Finanzierung und Personalausstattung sowie den Sitz der KJM betrafen, (…) nunmehr in § 35 des Rundfunkstaatsvertrags enthalten“ sein. Diese Einschätzung werde auch durch die Formulierungen in der RStV-Kostensatzung bestätigt, die z.B. in Ziff. IV.8. des Gebührenverzeichnisses so allgemein gehalten seien, dass sie auch Maßnahmen gegenüber Anbietern von Telemedien umfassen könnten. Unabhängig hiervon könne die Gebührenerhebung auch auf § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. der LfM-Gebührensatzung gestützt werden, da Ziff. 11 des Kostenverzeichnisses zu dieser Gebührensatzung mit dort genannten „Maßnahmen gegenüber Anbietern von lokalen, regionalen oder landesweiten Angeboten aufgrund des JMStV“ die Erfassung von bundesweiten Angeboten nicht ausschließe. Selbst wenn man dies anders sehe, sei eine Gebührenfestsetzung aufgrund des Auffangtatbestandes in § 2 Abs. 2 der LfM-Gebührensatzung nicht nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW zu dem Auffangtatbestand in der Tarifstelle 30.5 AGT ausgeschlossen, da die Fallkonstellationen nicht vergleichbar seien. Für den Kläger sei es nicht überraschend gewesen, dass er aufgrund des streitgegenständlichen, ihn belastenden Bescheides auch einer Gebührenerhebung ausgesetzt werde.
35Der Kläger verteidigt mit ins Einzelne gehenden Ausführungen zu Wortlaut, Systematik, Gesetzgebungsgeschichte und Absicht des Gesetzgebers die angegriffene Entscheidung zu Ziff. 4 und 5 des Bescheides der Beklagten.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Akte des Amtsgerichts Düsseldorf 302 OWi 204/11 zum Ordnungswidrigkeitenverfahren Bezug genommen. Im Verwaltungsvorgang befinden sich Datenträger, die Bildschirmkamera-Aufzeichnungen zu den bei jugendschutz.net, durch die Prüfgruppe der KJM sowie bei der Beklagten erfolgten Sichtungen der Domain www.media-bloed.de vom 1. März 2010, 21. April 2010, 1. Oktober 2010 und 28. Dezember 2010 enthalten.
37Entscheidungsgründe:
38Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet (A.). Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet (B.)
39A. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in Bezug auf Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheides der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) abgewiesen. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Diese Regelungen sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40I. Als Rechtsgrundlage der in Ziff. 1 des angegriffenen Bescheides enthaltenen Feststellung und Beanstandung von Verstößen des vom Kläger verbreiteten Internetangebotes www.media-bloed.de gegen § 5 und § 7 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV), der hieran anknüpfenden Untersagung der künftigen Verbreitung des Internet-Angebots und der in Ziff. 2 getroffenen Maßnahme kommt allein § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) in Betracht. Auf diese Grundlage hat die Beklagte die Maßnahmen im Bescheid auch gestützt.
41Gemäß § 20 Abs. 1 JMStV trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter, wenn sie feststellt, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen hat. Für Anbieter von Telemedien trifft nach § 20 Abs. 4 JMStV die zuständige Landesmedienanstalt die jeweilige Entscheidung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 RStV unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 Telemediengesetz (TMG).
42Nach § 59 Abs. 3 RStV gilt: Stellt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen fest, trifft sie die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter (Satz 1). Sie kann nach Satz 2 insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.
43II. Die hier mit Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheides getroffenen Maßnahmen können dem Grunde nach auf diese Vorschriften gestützt werden. Neben der in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV ausdrücklich geregelten Untersagung von Angeboten gilt dies auch für die Feststellung und Beanstandung eines Verstoßes, was als einheitliche Maßnahme einer Beanstandung zu verstehen ist.
44Die Beanstandung ist – auch wenn sie anders als die Untersagung oder Sperrung von Angeboten weder in § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV noch in § 59 Abs. 2 bis Abs. 4 RStV ausdrücklich erwähnt ist – im Grundsatz eine nach diesen Vorschriften zulässige und in der Praxis der Medienaufsicht gängige Maßnahme gegenüber Angeboten im Bereich der Telemedien bei Verstößen gegen Vorschriften des Jugendmedienschutzes oder des Rundfunkstaatsvertrages. Auch wenn sie in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV nicht genannt ist, ist die dortige Aufzählung schon nach dem Wortlaut („insbesondere“) nicht abschließend. Es handelt sich bei der Beanstandung um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Eingriffscharakter, durch den ein Rechtsverstoß förmlich festgestellt und missbilligt wird.
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 1.14 –, NVwZ 2014, 1594 ff. = juris Rn. 20; Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl., 2011, § 20 JMStV Rn. 4, 33; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., 2015, § 20 JMStV Rn. 22; ohne dies zu problematisieren: OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 – OVG 11 B 10.12 –, juris Rn. 61 f.; Bay. VGH, Urteile vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, DVBl. 2014, 108 ff. = juris, und – 7 B 13.196 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013 – 9 K 1879/12 –, juris Rn. 24, 45; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 – 14 K 4086/07 –, juris Rn. 30.
46Eine Beanstandung kann – auch ohne die damit häufig verbundene Untersagung unzulässiger Angebote oder Inhalte – insbesondere im Bereich sich schnell oder häufig verändernder Angebote bzw. nur für kurze Zeit vorhandener und deshalb im Zeitpunkt der Beschlussfassung der KJM bzw. des Erlasses einer Maßnahme durch eine Landesmedienanstalt (LMA) bereits nicht mehr gegebener bzw. beendeter Verstöße (wie sie im Bereich der Telemedien nicht selten sind) sinnvoll sein. Sie ist auch bei in der Vergangenheit liegenden Verstößen – wie hier – möglich, jeweils unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck noch erreicht werden kann.
47VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013, a. a. O., Rn. 27, 45; VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, MMR 2013, 134 ff. = juris Rn. 41 f.; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 23. April 2007 – 6 K 1243/06.NW –, MMR 2007, 678 f. = juris Rn. 22.
48Ziff. 1 und Ziff. 2. des Bescheides vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) sind hingegen formell (1.) und materiell rechtswidrig (2.).
491. Ziff. 1 und Ziff. 2 des angegriffenen Bescheides sind formell rechtswidrig, weil es an der den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechenden Begründung der zu Grunde liegenden Entscheidung der KJM fehlt.
50Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV sind die Beschlüsse der KJM zu begründen. In dieser Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen (Satz 4). Die Beschlüsse der KJM sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zu Grunde zu legen (Sätze 5 und 6).
51a. Bei der Auslegung dieser Vorschriften und zur Ermittlung der Anforderungen an das Begründungserfordernis nach § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV ist das nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag spezifisch ausgestaltete Verhältnis der Landesmedienanstalten und der KJM in den Blick zu nehmen. Danach ist bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über die Vereinbarkeit von Telemedien-Angeboten mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und die bei Verstößen zu treffenden Maßnahmen allein der KJM – als Organ der Landesmedienanstalt – zugewiesen (vgl. §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 4 JMStV). Die zuständige Landesmedienanstalt organisiert für die inhaltliche Entscheidung der KJM das Verfahren, ermittelt den Sachverhalt und setzt die Entscheidung der KJM, an die sie inhaltlich und nach der Begründung gebunden ist, nach außen gegenüber dem Anbieter um (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV).
52Zudem sind die hinter dem Erfordernis der Begründung der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV stehenden Zwecke zu berücksichtigen. Das Begründungserfordernis dient zum einen objektiven Zwecken: Es soll die KJM dazu anhalten, den von ihr zu beurteilenden Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und diesen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Anbieters in jugendschutzrechtlicher Hinsicht selbst sachverständig zu bewerten. Weiter dient die Begründung der Klarheit für die anderen Organe der zuständigen Landesmedienanstalt, weil diese an die Beschlüsse der KJM gebunden sind und sie einschließlich der Begründung ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen haben. Zugleich dient die Begründung aber auch den Rechten der Anbieter von Telemedien. Das Begründungserfordernis für die KJM wurde ausdrücklich mit Blick auf die (Grund-) Rechte der Betroffenen, die eventuell gegen eine abschließende Entscheidung Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen, in den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufgenommen. Der Betroffene bedarf der Begründung, da er ohne Kenntnis der Gründe, auf die die KJM ihre Entscheidung stützt, ein gerichtliches Verfahren nicht sinnvoll führen kann. Die Anbieter haben Anspruch darauf, dass die KJM ihren Beschluss nach ausreichender Kenntnisnahme des zu beurteilenden Angebotes unter Bekanntgabe ihrer wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen begründet. Fehlt eine solche Begründung, schlägt dies auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalt durch.
53Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013– 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 29 ff.
54Unter Berücksichtigung der Bedingungen der Praxis der Medienaufsicht, des vielfach komplexen und umfangreichen Charakters dieser Prüfungsverfahren sowie der Gegebenheiten einer Gremienentscheidung wird einhellig für die Begründung des Beschlusses der KJM als ausreichend angesehen, wenn diese der von der zuständigen Landesmedienanstalt vorgelegten Beschlussvorlage einschließlich einer darin enthaltenen Begründung des vorgeschlagenen Beschlusses durch Bezugnahme zustimmt. Dann müssen eine solche Bezugnahme bzw. Verweisung und der Wille, sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen zu machen, aus der Niederschrift über den Beschluss der KJM oder aus sonstigen Unterlagen klar und unmissverständlich hervorgehen.
55Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 83 f.; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014– 7 A 4679/12 –, juris Rn. 56.
56Zudem kann nur dann die Bezugnahme der KJM auf eine Beschlussvorlage der Landesmedienanstalt deren eigene Begründung ersetzen, wenn diese Beschlussvorlage überhaupt eine Begründung für den Beschlussvorschlag enthält und diese Begründung ihrerseits klar und unmissverständlich ist. An letzterem Erfordernis kann es dann fehlen, wenn die Beschlussvorlage wiederum auf andere Vorlagen der Landesmedienanstalt, die Prüfempfehlung der Prüfgruppe der KJM oder sonstige Schriftstücke Bezug nimmt. In diesem Fall besteht nämlich die Gefahr, dass nicht mehr hinreichend eindeutig ist, was die Begründung der Entscheidung der KJM sein soll. Deshalb geht eine verbreitete Auffassung davon aus, dass eine Begründung für einen Beschluss der KJM nicht ausreichend ist, wenn sich diese allein im Wege einer „Kettenverweisung“ ermitteln lässt.
57Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 84; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012 – 27 A 341.06 –, juris Rn. 32 f. (fehlende Entscheidung in der Beschlussvorlage); differenzierend VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014, a. a. O., juris Rn. 58.
58Unter Berücksichtigung der Zwecke einer Begründung des Beschlusses der KJM ist nach Auffassung des Senats eine Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage im Grundsatz zulässig, wenn dadurch eine klare und unmissverständliche Begründung des Beschlusses zu Stande kommt. Eine Kettenverweisung wird diesen Maßstäben in der Regel nicht gerecht, weil mehrere Schritte erforderlich sind, um die in Bezug genommene „gemeinte Begründung“ zu ermitteln und hierbei die unmissverständliche Klarheit typischerweise fehlt. Die Bezugnahme muss dem Beschluss der KJM (Plenum oder Prüfausschuss) oder dem diesen enthaltenden Protokoll aber durch eindeutige Formulierungen zu entnehmen sein. Allein der Umstand, dass der Beschluss seinem Inhalt nach der in der Beschlussvorlage vorgeschlagenen Entscheidung entspricht, reicht nicht aus.
59b. Hiervon ausgehend fehlt es bei dem Beschluss (des Plenums) der KJM vom 15. Dezember 2010 in München über die Domain www.media-bloed.de an einer § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV genügenden Begründung. Dies macht Ziff. 1 und 2 des Bescheides – einschließlich der Beanstandung eines Verstoßes gegen § 7 JMStV – formell rechtswidrig.
60Auf jenen Beschluss – und nicht die „Entscheidung“ der Prüfgruppe der KJM vom 21. April 2010 – kam es an, weil das Ergebnis der 28. Präsenzprüfung Telemedien durch eine Prüfgruppe am 21. April 2010 in Hannover nicht die zu begründende Entscheidung „der KJM“ im Sinne von § 17 Absatz 1 Sätze 3 und 4 JMStV darstellt. Die Prüfgruppen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag überhaupt nicht vorgesehen. Sie haben sich zur Entlastung des Plenums der KJM und der durch den Staatsvertrag in § 14 Abs. 5 JMStV geregelten Prüfausschüsse in der Praxis herausgebildet, sind in § 9 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM (GVO-KJM) geregelt und werden als Arbeitseinheit ohne Entscheidungsbefugnis anerkannt. Die Ergebnisse der Prüfgruppen, insbesondere deren sog. Prüfempfehlungen, haben rechtlich keine Bedeutung und binden insbesondere nicht die zuständige Landesmedienanstalt. Von den Prüfgruppen formulierte Begründungen für ihre (Vor-)Ergebnisse sind deshalb für sich genommen keine Begründung für Beschlüsse der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV.
61Unter Berücksichtigung des Verfahrensablaufs sowie der zuvor dargestellten rechtlichen Maßstäbe liegt keine Begründung des Beschlusses der KJM vom 15. Dezember 2010 im Sinne von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV vor. Mit E-Mail vom 23. Dezember 2010 teilte die KJM-Geschäftsstelle der Beklagten den Beschluss der KJM vom 15. Dezember 2010 auf deren Anfrage als Vorab-Information mit. Diese E-Mail enthielt keine Begründung für den Beschluss, sondern den Hinweis, sobald das Protokoll der 30. KJM-Sitzung vorliege, werde es an die Beklagte weitergeleitet. Das Protokoll ging bei der Beklagten mit Übersendungsschreiben des Vorsitzenden der KJM vom 12. Januar 2011 am 14. Januar 2011 ein und befasst sich mit dem Prüffall www.media-bloed.de auf Seite 7. Es enthält zu Tagesordnungspunkt 6 („Prüffälle“) und Ziff. 1 („media-bloed.de“) ebenfalls keine Begründung des Beschlusses der KJM zum Angebot des Klägers. Dort ist dargestellt, dass eine Mitarbeiterin der KJM-Stabsstelle den Sachverhalt zum Prüffall berichtete. Dazu wird in indirekter Rede die Einschätzung der Prüfgruppe wiedergegeben. Im Folgenden wird über das Verfahren im Prüfausschuss berichtet. Dann heißt es: „Nach kurzer Diskussion fassten die KJM-Mitglieder folgenden Beschluss:“ Nachstehend wird eingerückt in vier Absätzen der Beschluss der KJM zu den zu treffenden Maßnahmen wörtlich wiedergegeben. Der Beschluss selbst sowie der diesen einleitende Satz enthält keinen Hinweis und insbesondere keine Bezugnahme oder Verweisung auf irgendein anderes Dokument, insbesondere weder die Beschlussvorlage der Beklagten für den Prüfausschuss vom 13. September 2010 noch die Empfehlung der Prüfgruppe der KJM vom 21. April 2010. Es fehlt insofern an jeglichem Anhalt dafür, dass sich das Plenum der KJM die Begründung der Beschlussvorlage der Beklagten oder irgendeines anderen Schriftstücks zu eigen machen wollte. Allein ein Beschluss im Sinne einer entsprechenden Vorlage ist nicht ausreichend, um anzunehmen, die KJM habe sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen machen wollen. Hierfür spricht vorliegend schon auch deshalb nichts, weil der Beschluss vom 15. Dezember 2010 die Beschlussempfehlung der Beklagten vom 13. September 2010 nicht 1 : 1 übernimmt. Zum einen enthält der Beschluss nicht den in der Beschlussvorlage zu Ziff. 4 niedergelegten Inhalt, zum anderen gibt es Abweichungen bei den Verwaltungsgebühren. Da nicht ersichtlich ist, dass es sich bei diesen Unterschieden um Versehen handelt, kann schon deshalb nicht unterstellt werden, dass die KJM, ohne dies durch eine ausdrückliche Bezugnahme oder eine Verweisung deutlich zu machen, die Begründung der Beschlussvorlage übernehmen wollte.
62c. Selbst wenn man eine Übernahme der Begründung der Beschlussvorlage der Beklagten durch den hierauf basierenden Beschluss der KJM annehmen wollte, so läge keine § 17 Absatz 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechende Begründung des Beschlusses der KJM vor. Die Beschlussvorlage der Beklagten vom 13. September 2010 enthielt ihrerseits keine vollständige Begründung für den empfohlenen Beschluss der KJM, sondern verwies inhaltlich insbesondere auf die von jugendschutz.net stammende Vorlage vom 24. März 2010 für die Prüfgruppe (Anlage 2), die Prüfbegründung mit Prüfempfehlung der Prüfgruppe vom 21. April 2010 (Anlage 3) sowie die letzte Camtasia-Aufzeichnung der Beklagten vom 1. Oktober 2010 mit DENIC-Ausdruck (Anlage 9; Übersicht der Anlagen vgl. Beiakte 1, Bl. 83). Dies entspricht nicht den Anforderungen von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV. Bei der vorliegenden „Kettenverweisung“ fehlt es an der erforderlichen klaren und unmissverständlichen Bezugnahme und damit an der Begründungsklarheit. Hinzu kommt, dass hier besonders strenge Anforderungen gelten, weil der Fall Fragen zum Spannungsverhältnis zwischen dem Jugendmedienschutz einerseits und der Reichweite der Grundrechtsausübung durch den Anbieter (Meinungsfreiheit/Kunstfreiheit) aufwarf. Es war deshalb verfassungsrechtlich geboten, zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den verfassungsrechtlichen Schutzgütern im Wege der Abwägung einen verhältnismäßigen Ausgleich herbeizuführen.
63Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist es aber Sache der KJM, die „abschließende Beurteilung von Angeboten“ vorzunehmen, und ihre Beschlüsse sind den Entscheidungen der Landesmedienanstalt zugrundezulegen. Es fehlt ferner deshalb an der Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV, weil eine Begründung der KJM zur Frage der Eignung des Angebots zur Beeinträchtigung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren, zum Erfordernis eines Jugendschutzbeauftragten gemäß § 7 JMStV sowie zur Abwägung mit kollidierenden Grundrechten des Anbieters fehlt. Es ist nicht erkennbar, ob sich das Plenum der KJM in der Sitzung am 15. Dezember 2010 mit den Grundrechten des Klägers in irgendeiner Weise auseinandergesetzt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der KJM das Spannungsverhältnis von Jugendmedienschutz und Grundrechten des Klägers bei ihrer Entscheidung vor Augen stand sowie ob und in welcher Weise sie diese Verfassungspositionen gegeneinander abgewogen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht hat. Nach dem System des Jugendmedienschutzes bei Telemedien ist es aber nicht die Aufgabe der Landesmedienanstalt – hier der Beklagten – diese Abwägung vorzunehmen, wie die Beklagte dies im angefochtenen Bescheid getan hat. Die Abwägung ist von dem zur Entscheidung berufenen Organ – bei der Ausübung von Ermessen bzw. schon bei der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen – vorzunehmen und kann nicht durch ein unzuständiges Organ bzw. eine unzuständige Stelle ersetzt oder nachgeholt werden.
64d. Abgesehen davon hätte die Beklagte gegen den Grundgedanken ihrer Bindung an die Beschlüsse der KJM sowie deren Begründung gemäß § 17 Absatz 1 JMStV hier auch dann verstoßen, wenn das Protokoll über die Sitzung der KJM am 15. Dezember 2010 eine Begründung zum Beschluss der KJM enthalten hätte und diese der Begründung der Beklagten im Bescheid im Wesentlichen entsprochen hätte. Denn die Beklagte erließ ihren Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) auf der Grundlage der E-Mail der KJM-Geschäftsstelle vom 23. Dezember 2010, in der ihr lediglich ein Beschluss-Inhalt der KJM ohne eine Begründung mitgeteilt worden war. Offensichtlich hat die Beklagte unterstellt, dass die KJM, wie es die E-Mail nahelegte, ihrer Vorlage sowohl nach dem Beschlussinhalt als auch nach dessen Begründung gefolgt war. Ein solches Vorgehen widerspricht grundlegend dem im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehenen Verhältnis von KJM und Landesmedienanstalten.
65e. Eine Heilung des Begründungsmangels nach § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW ist nicht erfolgt, weil die KJM die Begründung im Sinne von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV nicht nachgeholt bzw. klargestellt hat. Die Begründung des angegriffenen Bescheides durch die Beklagte oder deren Vorbringen im Gerichtsverfahren können eine Heilung nicht herbeiführen, weil dies nicht die interne Beteiligung der KJM ersetzt.
66Der Begründungsmangel ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Zum einen dürfte es sich bei § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV um eine Regelung handeln, die nach ihrem Sinn und Zweck keine bloß dienende Funktion hat, sondern unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung beachtet werden soll – sog. absoluter Verfahrensfehler –; zum anderen ist bei Fehlern im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen regelmäßig nicht offensichtlich, dass die Verletzung der Vorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Nach der Systematik des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ist die abschließende Beurteilung von Angeboten allein der KJM als mit besonderem Sachverstand ausgestattetem Gremium übertragen, so dass nicht nur die Entscheidung, sondern auch die gesetzlich verlangte Begründung hierzu unvertretbar ist; sie fällt damit nicht in den Anwendungsbereich des § 46 VwVfG NRW.
67Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 46 Rn. 15, 32 f.; ebenso zu §§ 45, 46 VwVfG VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012, a. a. O., Rn. 36.
682. Die vom Kläger mit der Berufung angegriffenen Maßnahmen der Beklagten in Ziff. 1 und 2 des streitigen Bescheides sind – ungeachtet der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Maßnahmen – ferner deshalb rechtswidrig, weil sie gegen das Bestimmtheitsgebot aus § 37 Abs. 1 VwVfG NRW verstoßen.
69Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei ist. Davon ist auszugehen, wenn der Adressat und die mit dem Vollzug befasste Behörde und deren Organe aufgrund der Entscheidungssätze und der Begründung des Verwaltungsakts sowie der sonst für die Betroffenen erkennbaren Umstände ersehen können, was genau durch den Verwaltungsakt gefordert wird und gegebenenfalls zu vollstrecken ist. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 ‑ 4 C 41.87 –, BVerwGE 84, 335 ff. = juris Rn. 29, und vom 20. April 2005 – 4 C 18.03 –, BVerwGE 123, 261 ff. = juris Rn. 53; OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Juli 2010 – 13 B 676/10 –, juris Rn. 39 ff., vom 26. September 2008 – 13 B 1395/08 –, NJW 2008, 3656 = juris Rn. 16 ff., und vom 26. September 2008 ‑ 13 B 1397/08 –, juris Rn. 16 ff.; Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 37 Rn. 5 ff., insb. Rn. 12 m. w. N.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., 2014, § 37 Rn. 27 ff. m. w. N.; Ruffert, in: Knack, VwVfG, 9. Aufl., 2010, § 37 Rn. 11 ff. und 30 ff. m. w. N.
71Demnach ist ein Verwaltungsakt nicht schon dann unbestimmt, wenn seine Regelung für eine mit dem jeweiligen Sachbereich nicht vertraute Person nicht ohne weiteres verständlich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Adressat und die mit dem Vollzug befassten Behörden den Entscheidungsinhalt auf Grund der Gesamtumstände des Einzelfalls zutreffend erfassen und ihr künftiges Verhalten danach ausrichten können.
72Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Dezember 2009 – 13 B 958/09 –, NWVBl. 2010, 321 ff. = juris Rn. 33 f., und vom 8. September 2009 – 13 B 894/09 –, MedR 2010, 273 ff. = juris Rn. 19 f.; U. Stelkens, a. a. O., Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005, a. a. O., Rn. 54.
73Bevor eine zur Rechtswidrigkeit – und gegebenenfalls Nichtigkeit nach § 44 VwVfG NRW – führende Unbestimmtheit festgestellt wird, ist der betroffene Verwaltungsakt in seinem Inhalt durch Auslegung zu bestimmen. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung, wie sie der Empfänger verstehen musste (sog. normative Auslegung), abzustellen. Bei vermeintlichen Unklarheiten ist vom Adressaten zu erwarten, den wirklichen Willen der Behörde durch Auslegung des Bescheides zu erkennen, ohne am buchstäblichen Ausdruck zu haften. Auf Mehrdeutigkeit beruhende Unklarheiten über den Inhalt des Verwaltungsakts gehen immer zulasten der Behörde, weshalb ein Verwaltungsakt bei Unklarheiten zu Gunsten des Betroffenen auszulegen ist.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7.11 –, BVerwGE 143, 222 ff. = juris Rn. 18 m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung; Ruffert, in: Knack, a. a. O., § 37 Rn. 14.
75a. Nach diesen Grundsätzen ist die in Ziff. 1 Satz 1 und Satz 2 des Bescheides geregelte Beanstandung von Verstößen des vom Kläger verbreiteten Internetangebotes www.media-bloed.de gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ebenso wie die in Ziff. 1 Satz 3 ausgesprochene Untersagung nicht hinreichend bestimmt.
76Der die Beanstandung enthaltende Verfügungssatz in Ziff. 1 Sätze 1 und 2 des Bescheides, das vom Kläger verbreitete Internetangebot www.media-bloed.de verstoße gegen § 5 JMStV sowie § 7 JMStV und dies werde medienrechtlich beanstandet, scheint unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit zunächst unproblematisch. Dies lässt sich bei unbefangenem Sprachverständnis so lesen, dass die Beanstandung sich auf das gesamte Internetangebot unter der Domain www.media-bloed.de bezieht. Die Formulierung der Untersagung („das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten“) wirkt auf den ersten Blick ebenfalls allumfassend, wobei die Wendung „in dieser Fassung“ üblicherweise auf eine bestimmte Version eines Inhalts hinweist, der im Zeitverlauf Änderungen unterliegt. Eine solche Beanstandung und Untersagung würden hier jedoch gegen das Übermaßverbot verstoßen, da die medienrechtlichen Maßnahmen gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV gegenüber einem Anbieter von Telemedien auf die Teile des Angebots zu beschränken sind, die tatsächlich gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen, soweit die Beschränkung nicht aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen oder wegen des damit verbundenen Aufwandes unzumutbar ist.
77Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013, a. a. O., juris Rn. 37 ff. (Beanstandung der Seiten 300 – 600 eines Teletext-Angebotes war unverhältnismäßig, weil davon nur 136 Seiten problematisch waren); nachgehend BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014, a. a. O.
78Da lediglich Teile der Internetseite www.media-bloed.de für einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV in Betracht kommen, wären eine Beanstandung oder eine Untersagung, die sich auf die gesamte Domain erstrecken, nicht erforderlich und damit rechtswidrig.
79Bei Auslegung unter Berücksichtigung des sonstigen Bescheidinhaltes, besonders der Begründung, sowie des Empfängerhorizontes des Klägers ist allerdings erkennbar, dass die Beanstandung und Untersagung sich nur auf Teile des Angebots www.media-bloed.de bezogen. Es bleibt für den Kläger aber unklar, wie die in Ziff. 1 und 2 enthaltenen Regelungen zu verstehen sind, was genau beanstandet und untersagt wird und wie er sich künftig zur Vermeidung weiterer Rechtsverstöße zu verhalten hat.
80Die Formulierungen „die problematischen Inhalte“ und „alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte“ in Ziff. 2 des Bescheids verdeutlichen, dass die Beklagte nicht sämtliche Bestandteile des Angebots des Klägers als entwicklungsbeeinträchtigend und gegen § 5 Abs. 1 JMStV verstoßend ansieht, da ansonsten eine „Möglichkeit, alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte von seinem Angebot zu entfernen“, nicht bestünde. Dieser Eindruck, dass die Beklagte nur bestimmte Teile des Angebots als Verstoß gegen § 5 JMStV ansieht und demzufolge beanstandet, wird durch die detaillierte Beschreibung der vier Bilddarstellungen von erheblich verletzten, verstümmelten, verbrannten oder mumifizierten menschlichen Körpern und Körperteilen mit Pfadbeschreibungen und spezifischen Zieladressen (URL) dieser vier Bilder auf S. 3 und 4 des Bescheides verstärkt. Dies spricht dafür, dass genau diese vier Bilder den von der Beklagten beanstandeten Verstoß gegen § 5 JMStV (und mittelbar auch gegen § 7 JMStV, weil allein aufgrund vorhandener entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten entstehen kann) darstellen sollen. In dieser Richtung will auch die Beklagte ihren Bescheid nach ihrem Berufungsvorbringen verstanden wissen. Hiergegen spricht jedoch – neben der deutlich umfassender zu verstehenden Formulierung im Verfügungssatz von Ziff. 1 Sätze 1 und 2 –, dass die vier Bilddarstellungen von der Beklagten auf S. 3 des Bescheides „als Beispiele“ eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 JMStV im Internetangebot des Klägers genannt werden. „Beispiele“ weisen jedoch auf einen über sie hinausgehenden Bezugsrahmen hin. Das spricht dafür, dass die Beklagte im Angebot www.media-bloed.de Verstöße gegen § 5 JMStV nur teilweise sieht, jedoch nicht im auf die vier angeführten Beispiele beschränkten Umfang. Der über diese Beispiele hinausgehende Umfang der Beanstandung (und ebenso der Untersagung bzw. der in Ziff. 2 aufgeführten Verpflichtungen betreffend die „problematischen Inhalte“ oder „entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte“) ist dann aber nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das Vorbringen des Klägers in der ersten Instanz verdeutlicht jedenfalls, dass auch für den Kläger nach seinem konkreten Adressatenhorizont klar war, dass nicht das gesamte Angebot beanstandet oder untersagt wurde, sondern dass es für ihn erkennbar um die Inhalte im Bereich der „Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan“ ging.
81Unklarheiten, was durch den Bescheid gefordert wird, ergeben sich auch daraus, dass der streitige Bescheid in der Begründung vielfältig den Begriff der „Darstellungen“ verwendet, ohne dies eindeutig nur auf bildliche Darstellungen zu beschränken. So führt die Beklagte auf S. 4 des Bescheides nach der Beschreibung der vier Bilder menschlicher Körper und Körperteile aus, das Angebot sei als entwicklungsbeeinträchtigend einzustufen, „da es Darstellungen enthält, die geeignet sind (...)“. Nachfolgend zitiert sie den auf der Startseite der Domain des Klägers lesbaren Begrüßungstext und beschreibt die sich darunter befindlichen zwei „Darstellungen“: Den Schriftzug „Das gibt‘s zum kotzen. Mediablöd. Wir sind doch nicht blind!“ sowie die Bildmontage mit Leichendarstellungen und der Überschrift „Mitmachen! Sofort!“. Nach anschließender Verwendung des Begriffs „Darstellung“ sowohl für Text- als auch für Bildinhalte gibt die Beklagte den langen Text auf der Unterseite zur „Offensive für Kampfeinsätze in Afghanistan“ wieder, der mit „Mach mit bei der Kampagne der Offensive für Kampfeinsätze…“ beginnt. Auch im anschließenden Text auf S. 5 des Bescheides verwendet die Beklagte mehrfach den Begriff „Darstellungen“ ohne Unterscheidung zwischen Bild- und Textinhalten. Hierdurch ist der von der Beklagten für ihre Sichtweise, die Beanstandung richte sich allein gegen die vier beschriebenen Bilder menschlicher Leichen oder Leichenteile, angeführte Text auf S. 6, 2. Absatz, des Bescheides („Die Beanstandung richtet sich ausschließlich gegen die oben beschriebenen Darstellungen...“) nicht so eindeutig, wie die Beklagte meint. „Oben beschrieben“ sind auch verschiedene von der Beklagten zitierte Textdarstellungen. Für das Verständnis der Beklagten wiederum spricht die Fortsetzung des eben teilweise wiedergegebenen Satzes („die oben beschriebenen Darstellungen, welche in ihrer Menge und der Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig sind“). Die Möglichkeit der Vergrößerung weist auf die von der Beklagten beschriebenen vier Bilder hin, da die im Bescheid dargestellten Textstellen oder sonstigen bildlichen Gestaltungselemente soweit ersichtlich keine Möglichkeit der Vergrößerung aufwiesen.
82Selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte habe nur die vier im Einzelnen beschriebenen Bilder menschlicher Körper und Körperteile, besonders mit der Möglichkeit der Vergrößerung, für „problematisch“ gehalten, reicht dies für die hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW nicht aus. Die Beanstandung (sowie die Untersagung usw.) kann ihren Zweck, künftige Rechtsverstöße durch den Anbieter zu verhindern, nur dann erreichen, wenn für diesen hinreichend bestimmt ist, was er darf oder nicht darf.
83Es bleibt nach dem Bescheid aber unklar, ob es ausreicht, die Möglichkeit der Vergrößerung bei den vier Bildern zu entfernen, oder ob zusätzlich eines, zwei oder etwa alle vier Bilder zu entfernen sind, um dem Angebot den entwicklungsbeeinträchtigenden und damit gegen § 5 Abs. 1 JMStV verstoßenden Charakter zu nehmen und dabei zugleich die Ausübung der Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit des Klägers nach dem Grundgesetz nicht in unverhältnismäßiger Weise zu beschneiden. Da nach der Begründung des Bescheides der potentiell verstörende Charakter dieser Bilder zentral auf die Menge und die Möglichkeit der Vergrößerung dieser Bilddarstellungen gestützt wird, bleibt die Frage offen, wie viele Bilder – neben der Entfernung der Vergrößerungs-Option – entfernt werden müssen, damit keine „verstörende Menge“ an Bildern mehr vorliegt. Zugleich erzeugt der Bescheid nach dem Gesamteindruck aus Verfügungssatz und Begründung den Eindruck, als ob alle vier Bilder mit Vergrößerung-Option beanstandet und infolgedessen auch untersagt werden, bzw. für sie die Verpflichtung gemäß Ziff. 2 des Bescheides auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 und 4 JMStV gelten soll. Diese Unklarheit bleibt unauflösbar. Dabei übersehen sowohl der Bescheid wie auch die Begründung des Verwaltungsgerichts den Umstand, dass in dem Teilbereich des Angebots www.media-bloed.de zur „Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan“ nicht vier, sondern fünf Bilder von menschlichen Körpern oder Körperteilen vorhanden sind. Noch vor dem mit „Mach mit bei der Kampagne (...)“ eingeleiteten Textblock findet sich das zu der Serie gehörende Bild, welches ausschnittsweise einen mit Hemd und Hose bekleideten menschlichen Körper mit erheblichen Verletzungen am Oberkörper und einem abgerissenen linken Bein mit überwiegend freiliegendem Oberschenkelknochen zeigt. Dessen fehlende Erwähnung im Bescheid führt zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte beanstanden und untersagen wollen, dass die über dieses Bild hinausgehenden vier Bilder nebst Vergrößerungsmöglichkeit gezeigt werden, und damit erlauben wollen, dieses eine Bild (mit oder ohne Vergrößerung) zu zeigen, hätte sie dies verdeutlichen müssen.
84b. Die dargestellte Unbestimmtheit erstreckt sich auch auf Ziff. 2 des Bescheides, soweit diese überhaupt eine eigenständige Regelung darstellt. Denn auch insofern bleibt offen, was der Kläger darf und was nicht bzw. was er tun soll, um zukünftig seine Verpflichtungen nach § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV zu erfüllen. Die Verpflichtung gemäß § 5 Abs. 1, letzter Halbsatz JMStV, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche (hier: unter 16 Jahren) „die problematischen Inhalte“ üblicherweise nicht wahrnehmen, kann sich jedoch nur auf den Umfang der Untersagung beziehen. Da dieser nach dem Vorstehenden nicht hinreichend bestimmt ist, bleibt auch Ziff. 2 des Bescheides unbestimmt.
85B. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht in Bezug auf Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides der Beklagten stattgegeben. Diese Ziffern sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das ergibt sich schon daraus, dass Ziff. 1 und 2 des angegriffenen Bescheides aufgehoben werden (siehe oben A.) und Ziff. 3 von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgehoben wurde. Ohne wirksame medienaufsichtliche Maßnahme fehlt es auch an den Voraussetzungen einer Kostenentscheidung sowie einer Gebührenfestsetzung zulasten des Klägers auf der Grundlage der von der Beklagten angeführten (oder einer sonstigen) Ermächtigungsgrundlage (§ 35 Abs. 11 RStV i. V. m. der RStV-Kostensatzung bzw. § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. der LfM-Gebührensatzung).
86C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
87Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) wird zu Ziff. 1 und Ziff. 2 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Beklagte.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine Beanstandungs- und Untersagungsverfügung der Beklagten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) wegen des von ihm unter der Domain www.media-bloed.de verbreiteten satirischen Angebots. Diese erging im Zusammenhang mit seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan und den dabei (jedenfalls im Jahr 2010) gezeigten – mittlerweile nicht mehr aufrufbaren – Bildern. Es handelte sich dabei um fünf in Farbe gezeigte Bilder, die jeweils mit der Überschrift „Bundeswehr Blut stinkt nicht“ versehen waren, linksseitig den Text „Offensive für Kampfeinsätze in Afghanistan“ und unten den Zusatz „Deutsche Soldaten, die schöneren Leichen!“ aufführten. Das erste Bild zeigte ausschnittsweise einen mit Hemd und Hose bekleideten menschlichen Körper mit erheblichen Verletzungen am Oberkörper und einem abgerissenen linken Bein mit überwiegend freiliegendem Oberschenkelknochen. Darunter befand sich der Text:
3„Mach mit bei der Kampagne der Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan, mit dem Motto: Deutsche Soldaten - die schöneren Leichen!
4Lange genug haben die anderen Nato Staaten deutsche Kampfeinsätze verschmäht, und warum eigentlich? Ist das Blut deutscher Soldaten etwa nicht gut genug? Mit dieser schäbigen Diskriminierung deutschen Kanonenfutters muß jetzt endlich Schluß sein, fordern nicht nur deutsche Generäle und Politiker, nein, sozusagen in Tateinheit mit den gleichgeschalteten Medien fordert es auch der Souverän, das deutsche Volk, und Luft und Äther füllen sich mit dem Schrei aus Millionen Kehlen: ‚Bundeswehr Blut stinkt nicht!‘
5Und laßt euch bloß nicht von den Weicheiern und Warmduschern verarschen, die darüber klagen, daß deutsche Soldaten sterben werden! Der deutsche Soldat stirbt gern, dafür wurde er schließlich ausgebildet und bezahlt, und das freiwillig, von niemandem gezwungen außer seiner vorbildlichen Aufopferungsbereitschaft für das deutsche Volk einerseits und jeden noch so fragwürdigen Beschluß der Nato andererseits.
6Denn das ist die wahre Tugend des deutschen Soldaten und auch die eines jeden treuen Untertanen der hochdeutschen Verwaltung: Er fragt nicht nach dem Sinn von Verordnungen, sondern befolgt sie und stirbt, wenn es befohlen ist.“
7Nachfolgend wurden vier Bilder ohne weiteren Text gezeigt: Menschliche Beine vor dem Hintergrund einer Plastikplane; das eine Bein war zerfetzt; es fehlten Fleischteile des Oberschenkels, so dass ein Knochen zu sehen war; der Fuß war vom Bein getrennt und unten im Bild gezeigt. Ein Bild zeigte einen Torso; der Kopf war vom Körper getrennt; die Arme waren nicht zu sehen. Ein weiteres Bild zeigte eine mumifizierte Leiche, auf dem Rücken liegend; der Unterkörper war nicht zu sehen. Das letzte Bild zeigte den Kopf und Teile des Oberkörpers einer Brandleiche. Alle Bilder ließen sich durch einen Klick vergrößern (von ca. 8 x 12 cm auf ca. 14 x 20 cm).
8Unter dem 21. Januar 2010 wandte sich jugendschutz.net wegen dieser dort als „tasteless-Bilder“ eingestuften Darstellungen per E-mail an den Kläger und bat unter Hinweis darauf, dass die Organisation einige Bilder unter Jugendschutzgesichtspunkten für besonders bedenklich halte, um Prüfung, ob es weiterhin für erforderlich gehalten werde, diese drastischen Darstellungen zu präsentieren. Der Kläger äußerte sich ablehnend. Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) legte daraufhin die Stellungnahme von jugendschutz.net und eine Bildschirmkamera-Aufzeichnung (Software Camtasia) der am 1. März 2010 durchgeführten Sichtung des Angebots www.media-bloed.de der Beklagten und wies auf die Prüfung in einer der nächsten Präsenzprüfungen der KJM hin. Zum Zeitpunkt der Sichtung war auf der Domain des Klägers Werbung („Google-Anzeigen“) geschaltet.
9Eine Prüfgruppe der KJM für Telemedien bejahte in einer Präsenzprüfung am 21. April 2010 nach Live-Sichtung mit einem Abstimmungsergebnis von 3:2 einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV (entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte) sowie mit einem Abstimmungsergebnis von 5:0 einen Verstoß gegen § 7 JMStV (fehlender Jugendschutzbeauftragter).
10Hiervon setzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 18. August 2010 in Kenntnis und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kündigte eine Stellungnahme bis spätestens zum 30. September 2010 an, die ausblieb. Parallel wurde von der Beklagten ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Kläger eingeleitet, in dem der Kläger Anfang Dezember 2010 eine Stellungnahme abgab.
11Nach weiterer Sichtung des Angebots am 1. Oktober 2010 – auch zu diesem Zeitpunkt war auf www.media-bloed.de Werbung geschaltet – hatte die Beklagte der KJM unter dem 22. Oktober 2010 ihre Beschlussempfehlung vom 13. September 2010 übersandt, das Internetangebot medienrechtlich zu beanstanden und den Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zukünftig zu untersagen. Eine erneute Sichtung am 16. November 2010 hatte ergeben, dass die Seite offline gestellt war.
12In der Sitzung vom 15. Dezember 2010 entschied die KJM im Plenum – im Wesentlichen der Beschlussvorlage folgend – einstimmig, es lägen Verstöße gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV sowie § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV, vor und stellte ferner fest, dass gegenüber dem Anbieter gemäß § 20 Abs. 1 und 4 JMStV sowie § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV eine Beanstandung auszusprechen sei und der Verstoß zukünftig untersagt werde.
13Bei einer weiteren Sichtung des Angebots durch die Beklagte am 28. Dezember 2010 war die Internetseite mit den oben genannten Bildern wieder aufrufbar; Werbung fand sich jedoch nicht mehr.
14Mit Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) entschied die Beklagte, (Ziff. 1.) das von dem Kläger verbreitete Angebot www.media-bloed.de verstoße gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV und § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV. Dies werde medienrechtlich beanstandet (§ 20 Abs. 1 und 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV). Dem Kläger wurde untersagt, das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten. Ferner (Ziff. 2.) entschied die Beklagte, dass der Kläger in Zukunft seine Verpflichtungen nach § 5 Abs. 1 JMStV erfülle, wenn er dafür Sorge trage, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren die problematischen Inhalte üblicherweise nicht wahrnähmen. Dies könne gemäß § 5 Abs. 3 und 4 JMStV durch die Begrenzung der Sendezeit oder die Vorschaltung eines technischen oder sonstigen Schutzes geschehen. Darüber hinaus bleibe dem Kläger auch die Möglichkeit, alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte von seinem Angebot zu entfernen. Weiter (Ziff. 3.) wurde dem Kläger aufgegeben, für sein Angebot einen Jugendschutzbeauftragten im Sinne von § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV zu bestellen. Die Kosten (Gebühren und Auslagen) habe der Kläger zu tragen (Ziff. 4.). Für den Bescheid erhob die Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 1.000,00 Euro. In der Begründung beschrieb die Beklagte u.a. vier der unter der Überschrift „Bundeswehr Blut stinkt nicht“ gezeigten Bilder nebst den zu diesen Bildern führenden Pfaden, legte die Einschätzung zur Entwicklungsbeeinträchtigung dar und führte weiter aus: Angebote der Satire und der Parodie unterfielen dem Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG finde dieses Recht seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Die notwendige Güterabwägung zwischen der Forderung nach umfassendem Grundrechtsschutz und dem verfassungsrechtlich herausgehobenen Interesse an einem effektiven Jugendschutz falle vorliegend zu Lasten der Meinungsfreiheit und somit zu Lasten des Angebots des Klägers aus. Zu beachten sei dabei gewesen, dass die kritische Auseinandersetzung mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan an sich nicht beanstandet werde. Die Beanstandung richte sich ausschließlich gegen die beschriebenen Darstellungen, welche in ihrer Menge und der Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig seien, um die satirische Aussage zu verdeutlichen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Darstellungen in der vergrößerten Ansicht in keinem Kontext zu den kritischen und satirischen Aussagen stünden. Soweit das Angebot unter den Schutz der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG falle, finde es seine Schranken in kollidierendem Verfassungsrecht. Der Jugendschutz sei ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Die Abwägung zwischen den kollidierenden Verfassungsgütern falle ebenfalls zu Lasten der Kunstfreiheit aus. Insbesondere sei die Beanstandung der beschriebenen Darstellung verhältnismäßig. Wie bereits erwähnt, seien die Menge der Bilder sowie die Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig, um die satirische Aussage zu verdeutlichen. Die Gebührenfestsetzung beruhe auf der gesetzlichen Grundlage des § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag i. V. m. der entsprechenden Kostensatzung.
15In dem auf dem gleichen Sachverhalt gründenden Ordnungswidrigkeitenverfahren erließ die Beklagte nach Anhörung des Klägers und Entscheidung der KJM im Februar 2011 einen Bußgeldbescheid, in dem sie ein Bußgeld von 3500,00 Euro wegen des Verstoßes gegen § 5 JMStV und von 350,00 Euro für den Verstoß gegen § 7 JMStV gegen den Kläger verhängte. Dieses Ordnungswidrigkeitenverfahren ist nach dem Einspruch des Klägers beim Amtsgericht Düsseldorf wegen Verfolgungsverjährung mittlerweile eingestellt worden.
16Der Kläger hat am 29. Januar 2011 gegen den Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Das Angebot sei nicht geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Zunächst komme weder der KJM noch der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu, inwieweit ein Angebot im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV geeignet sei, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Dies sei vielmehr von den Gerichten uneingeschränkt zu überprüfen. Es liege auf der Hand, dass gerade bei politischen Abbildungen und Texten das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG in besonderer Weise zu berücksichtigen sei. Hinzu komme, dass das Grundgesetz in mehrfacher Hinsicht eine Friedenspflicht enthalte. Dem habe der Gesetzgeber u.a. durch das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Rechnung getragen. Bei seiner Veröffentlichung gehe es gerade nicht um die Verherrlichung des Krieges, sondern um die Warnung vor einem solchen. Dabei bediene er sich sowohl einer satirischen Textsprache als auch einer Bebilderung. Sein Werk sei damit sowohl von der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als auch durch die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Ein Eingriff in diese Rechte bedürfe einer umfassenden Abwägung, die sich den Ausführungen der Beklagten nicht entnehmen lasse. Umgekehrt stelle es sich als jugendgefährdend dar, wenn der Krieg verharmlost werde und in der Öffentlichkeit durch Hochglanzbilder von Soldaten bei Kindern und Jugendlichen ein unzutreffendes Bild vom Krieg vermittelt werde. Gerade Jugendliche würden durch eine derartige Werbung der Bundeswehr angesprochen, da in dieser Gruppe der Nachwuchs rekrutiert werden solle. Erinnert werde in diesem Zusammenhang auch an das Buch „Krieg dem Kriege“ des Pazifisten und Anarchisten Ernst Friedrich. Dieses Buch prangere auf ähnliche Weise wie er den Krieg mit Bildern des Krieges und Untertiteln an. Das Buch sei ohne weiteres im Buchhandel erhältlich und auch Jugendlichen zugänglich. Soweit Anstoß genommen werde an Bildern verbrannter Leichen – die übrigen Bilder seien unschwer als unrealistische Nachbildung erkennbar –, empfehle sich ein Blick in die Schulbücher. Im Hinblick auf den Vulkanausbruch bei Pompeji würden vielfach Bilder auch in Schulbüchern verbreitet, die Opfer des Vulkanausbruchs zeigten und seinen Bildern zum Verwechseln ähnlich seien.
17In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger u.a. erklärt, er habe die Bilder im Hinblick auf das Ordnungswidrigkeitsverfahren mittlerweile entfernt. Die früher auf seiner Website über Google geschaltete Werbung habe Google nach Beschwerden über seine Seite entfernt. Ziff. 3. des angefochtenen Bescheides hat die Beklagte daraufhin aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
18Der Kläger hat beantragt,
19den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) in der Fassung der Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2012 aufzuheben.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20. März 2012 die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in den Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides aufgehoben und im Übrigen (Ziff. 1 und 2) die Klage abgewiesen. Die in Ziff. 1 des Bescheides erfolgte Beanstandung des Internet-Angebotes des Klägers im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV und die Untersagung, das Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten, seien wie die Vorgabe in Ziff. 2 rechtmäßig. Insbesondere sei die Regelung in Ziff. 1 ausreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, da sich unpräzise Formulierungen im Verfügungssatz („in dieser Fassung“) unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Begründung, die Beanstandung beziehe sich allein auf die im Einzelnen beschriebenen Bilder, in klarer Weise auslegen ließen. Das Verwaltungsgericht hat die inhaltliche Einschätzung der KJM zur Eignung des Angebots des Klägers zur Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren, welches es als sachverständige Äußerung ohne Beurteilungsspielraum einordnet, geteilt, weil insbesondere die Gefahr bestehe, dass diese Gruppe von Minderjährigen nicht in der Lage sei, die Bilder als Satire zu erkennen. Der Verweis auf das in Bibliotheken und im Buchhandel frei erhältliche Buch „Krieg dem Kriege“ greife nicht zu Gunsten des Klägers durch, da – ungeachtet der Frage der Vergleichbarkeit der Bilder – der Zugriff durch das Internet deutlich höhere Risiken der Wahrnehmung durch Minderjährige begründe. Die Bezugnahme auf in Schulbüchern vorhandene Abbildungen zur Vulkankatastrophe in Pompeji sei nicht vergleichbar, weil es dort um gefertigte Nachbildungen der Opfer gehe und so der unmittelbare Realitätsbezug fehle. Maßgeblich sei für die Bewertung der Bilder der Eindruck des kindlichen oder jugendlichen Betrachters, weshalb das Vorbringen des Klägers, es handele sich um unschwer erkennbare unrealistische Nachbildungen, unerheblich sei; ein solcher Betrachter werde die Bilder für echt halten. Das Nachrichtenprivileg des § 5 Abs. 6 JMStV lasse den Verstoß nicht entfallen, denn ein rechtliches Interesse gerade an der gewählten Form der Darstellung mit der beanstandeten Menge von unkommentiert aneinandergereihten Bildern und der Möglichkeit der Vergrößerung bestehe nicht. Die Eingriffe in die Grundrechte des Klägers (Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, sowie Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG) seien durch die Berücksichtigung des Verfassungsgutes Jugendschutz gerechtfertigt, wobei die Regelungen in § 5 Abs. 3 bis Abs. 5 JMStV für den verhältnismäßigen Ausgleich der Verfassungsgüter sorgten; hierdurch bleibe die Ausübung von Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit möglich, unter gleichzeitiger Wahrung des Jugendschutzes. Die so erfolgte Einschränkung dieser Grundrechte sei verhältnismäßig und auch ansonsten ermessensfehlerfrei. Die Feststellung eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten nach § 7 JMStV sei zulässig, da der Kläger in der Vergangenheit durch Schaltung von Anzeigen auf der Domain Einkünfte erzielt und damit geschäftsmäßig gehandelt habe. Selbst wenn dies jetzt nicht mehr der Fall sei, sei eine Beanstandung möglich.
23Die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides seien rechtswidrig. § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) i. V. m. der Kostensatzung sei ebenso wenig anwendbar wie § 116 Abs. 2 Landesmediengesetz (LMG) NRW i. V. m. der entsprechenden Gebührensatzung.
24Der Kläger und die Beklagte haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
25Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die im angegriffenen Bescheid getroffenen Regelungen in Ziff. 1 und 2 seien schon nicht hinreichend bestimmt, da die Beanstandung sich auf „das vom Kläger verbreitete Internetangebot www.media-bloed.de“ und die Untersagung auf „das genannte Angebot in dieser Fassung“ sowie Ziff. 2 auf „die problematischen Inhalte“ beziehe. Es sei auch nicht durch Berücksichtigung der Begründung ein bestimmter Inhalt feststellbar, da die beschriebenen Bilder nur als Beispiele angeführt würden und zudem auch durch weitere Passagen der Begründung keine Klarheit geschaffen werde. Es bleibe unklar, ob nur Darstellungen in Bildform oder auch solche mit Text beanstandet würden, sowie ob es ausreiche, die Möglichkeit der Vergrößerung nicht mehr vorzusehen. Damit bleibe unklar, was ihm eigentlich habe verboten werden sollen.
26Weiter stehe der KJM weder ein Beurteilungsspielraum zu noch habe deren Feststellung den Charakter einer sachverständigen Äußerung; dies ergebe sich schon aus den Abstimmungsergebnissen in der Prüfgruppe, die in Bezug auf § 5 JMStV einen Verstoß nur mit 3:2 Stimmen festgestellt habe. Weiter bestehe keine Gefahr der Entwicklungsbeeinträchtigung, da Kinder und Jugendliche die Satire auf der Seite des Klägers eindeutig erkennen könnten. Zudem rechtfertige § 5 Abs. 6 JMStV die Art der konkreten Darstellungen, da gerade diese zur Erreichung der Zwecke des Klägers wichtig seien, um die beabsichtigte abschreckende Wirkung in Bezug auf die Gefahren und Folgen von Kriegen zu erzielen. Ähnlich wie der Pazifist Ernst Friedrich mit dem Buch „Krieg dem Kriege“ habe auch Bertolt Brecht in der von ihm veröffentlichten „Kriegsfibel“ seine Gedichte gegen den Krieg mit Bildern von Kriegsfolgen und Kriegsopfern verknüpft. In vergleichbarer Weise stelle sich das beanstandete Angebot des Klägers dar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Verkennung der Reichweite der Gewährleistungen von Art. 5 Abs. 1 und 5 Abs. 3 GG.
27Der Kläger beantragt,
28das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen
29sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
30Die Beklagte beantragt,
31das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen
32sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
33Zur Berufung des Klägers führt sie im Wesentlichen aus: Der angegriffene Bescheid sei hinreichend bestimmt, da für den Kläger unter Berücksichtigung des Inhalts des Bescheides und der Nennung der einzelnen Bilder habe klar sein müssen, was beanstandet werde. Der Aufbau des Bescheides und die Technik der Tenorierung sei bisher von nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten in Bezug auf die Bestimmtheit nicht in Zweifel gezogen worden. Die Feststellung einer Entwicklungsbeeinträchtigung sei vom Gericht nicht mehr zu überprüfen, da der KJM hinsichtlich der Jugendgefährdung ein Beurteilungsspielraum zustehe. Auch ohne einen solchen sei es jedoch eine sachverständige Äußerung, die durch das Vorbringen des Klägers nicht erschüttert sei. Weiter könne die als Ausnahmevorschrift eng auszulegende Regelung in § 5 Abs. 6 JMStV dem Kläger nicht weiterhelfen, da – abgesehen von der zweifelhaften Einordnung als „vergleichbares Angebot“ im Sinne der Vorschrift – kein berechtigtes Interesse gerade an der gewählten Art der Darstellung feststellbar sei. Eine Beschränkung der Untersagung auf die Möglichkeit der Vergrößerung der Bilder sei nicht ausreichend, da diese alleine den Verstoß nicht begründe, sondern verstärke.
34Zur Begründung ihrer eigenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die vom Verwaltungsgericht aufgehobene Kostenentscheidung sowie die Gebührenfestsetzung gegen den Kläger lasse sich auf § 35 Abs. 11 RStV i. V. m. der RStV-Kostensatzung (Gebührenverzeichnis Ziff. IV.8.) stützen. Die systematische Stellung von § 35 Abs. 11 RStV im III. Abschnitt des Rundfunkstaatsvertrages stehe dem im Ergebnis nicht entgegen. Dies ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte sowie der gesetzgeberischen Absicht, welche hinter der Vorschrift stünde. In der Vergangenheit seien Gebühren für Maßnahmen der Landesmedienanstalten in Zusammenarbeit mit der KJM nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gegenüber Anbietern von Telemedien auf der Grundlage von § 14 Abs. 9 JMStV i. V. m. der früheren KJM-Kostensatzung erfolgt. Durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei § 14 Abs. 9 JMStV jedoch gestrichen worden und § 35 RStV habe seine heutige Gestalt erhalten. Nach der Begründung hierzu aus dem zum Erlass des Änderungsstaatsvertrages führenden Verfahren sollten „die bisherigen Bestimmungen über die Kommission für Jugendmedienschutz in § 14 Abs. 8 bis 10, die die Finanzierung und Personalausstattung sowie den Sitz der KJM betrafen, (…) nunmehr in § 35 des Rundfunkstaatsvertrags enthalten“ sein. Diese Einschätzung werde auch durch die Formulierungen in der RStV-Kostensatzung bestätigt, die z.B. in Ziff. IV.8. des Gebührenverzeichnisses so allgemein gehalten seien, dass sie auch Maßnahmen gegenüber Anbietern von Telemedien umfassen könnten. Unabhängig hiervon könne die Gebührenerhebung auch auf § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. der LfM-Gebührensatzung gestützt werden, da Ziff. 11 des Kostenverzeichnisses zu dieser Gebührensatzung mit dort genannten „Maßnahmen gegenüber Anbietern von lokalen, regionalen oder landesweiten Angeboten aufgrund des JMStV“ die Erfassung von bundesweiten Angeboten nicht ausschließe. Selbst wenn man dies anders sehe, sei eine Gebührenfestsetzung aufgrund des Auffangtatbestandes in § 2 Abs. 2 der LfM-Gebührensatzung nicht nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW zu dem Auffangtatbestand in der Tarifstelle 30.5 AGT ausgeschlossen, da die Fallkonstellationen nicht vergleichbar seien. Für den Kläger sei es nicht überraschend gewesen, dass er aufgrund des streitgegenständlichen, ihn belastenden Bescheides auch einer Gebührenerhebung ausgesetzt werde.
35Der Kläger verteidigt mit ins Einzelne gehenden Ausführungen zu Wortlaut, Systematik, Gesetzgebungsgeschichte und Absicht des Gesetzgebers die angegriffene Entscheidung zu Ziff. 4 und 5 des Bescheides der Beklagten.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Akte des Amtsgerichts Düsseldorf 302 OWi 204/11 zum Ordnungswidrigkeitenverfahren Bezug genommen. Im Verwaltungsvorgang befinden sich Datenträger, die Bildschirmkamera-Aufzeichnungen zu den bei jugendschutz.net, durch die Prüfgruppe der KJM sowie bei der Beklagten erfolgten Sichtungen der Domain www.media-bloed.de vom 1. März 2010, 21. April 2010, 1. Oktober 2010 und 28. Dezember 2010 enthalten.
37Entscheidungsgründe:
38Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet (A.). Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet (B.)
39A. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in Bezug auf Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheides der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) abgewiesen. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Diese Regelungen sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40I. Als Rechtsgrundlage der in Ziff. 1 des angegriffenen Bescheides enthaltenen Feststellung und Beanstandung von Verstößen des vom Kläger verbreiteten Internetangebotes www.media-bloed.de gegen § 5 und § 7 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV), der hieran anknüpfenden Untersagung der künftigen Verbreitung des Internet-Angebots und der in Ziff. 2 getroffenen Maßnahme kommt allein § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) in Betracht. Auf diese Grundlage hat die Beklagte die Maßnahmen im Bescheid auch gestützt.
41Gemäß § 20 Abs. 1 JMStV trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter, wenn sie feststellt, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen hat. Für Anbieter von Telemedien trifft nach § 20 Abs. 4 JMStV die zuständige Landesmedienanstalt die jeweilige Entscheidung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 RStV unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 Telemediengesetz (TMG).
42Nach § 59 Abs. 3 RStV gilt: Stellt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen fest, trifft sie die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter (Satz 1). Sie kann nach Satz 2 insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.
43II. Die hier mit Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheides getroffenen Maßnahmen können dem Grunde nach auf diese Vorschriften gestützt werden. Neben der in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV ausdrücklich geregelten Untersagung von Angeboten gilt dies auch für die Feststellung und Beanstandung eines Verstoßes, was als einheitliche Maßnahme einer Beanstandung zu verstehen ist.
44Die Beanstandung ist – auch wenn sie anders als die Untersagung oder Sperrung von Angeboten weder in § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV noch in § 59 Abs. 2 bis Abs. 4 RStV ausdrücklich erwähnt ist – im Grundsatz eine nach diesen Vorschriften zulässige und in der Praxis der Medienaufsicht gängige Maßnahme gegenüber Angeboten im Bereich der Telemedien bei Verstößen gegen Vorschriften des Jugendmedienschutzes oder des Rundfunkstaatsvertrages. Auch wenn sie in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV nicht genannt ist, ist die dortige Aufzählung schon nach dem Wortlaut („insbesondere“) nicht abschließend. Es handelt sich bei der Beanstandung um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Eingriffscharakter, durch den ein Rechtsverstoß förmlich festgestellt und missbilligt wird.
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 1.14 –, NVwZ 2014, 1594 ff. = juris Rn. 20; Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl., 2011, § 20 JMStV Rn. 4, 33; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., 2015, § 20 JMStV Rn. 22; ohne dies zu problematisieren: OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 – OVG 11 B 10.12 –, juris Rn. 61 f.; Bay. VGH, Urteile vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, DVBl. 2014, 108 ff. = juris, und – 7 B 13.196 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013 – 9 K 1879/12 –, juris Rn. 24, 45; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 – 14 K 4086/07 –, juris Rn. 30.
46Eine Beanstandung kann – auch ohne die damit häufig verbundene Untersagung unzulässiger Angebote oder Inhalte – insbesondere im Bereich sich schnell oder häufig verändernder Angebote bzw. nur für kurze Zeit vorhandener und deshalb im Zeitpunkt der Beschlussfassung der KJM bzw. des Erlasses einer Maßnahme durch eine Landesmedienanstalt (LMA) bereits nicht mehr gegebener bzw. beendeter Verstöße (wie sie im Bereich der Telemedien nicht selten sind) sinnvoll sein. Sie ist auch bei in der Vergangenheit liegenden Verstößen – wie hier – möglich, jeweils unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck noch erreicht werden kann.
47VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013, a. a. O., Rn. 27, 45; VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, MMR 2013, 134 ff. = juris Rn. 41 f.; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 23. April 2007 – 6 K 1243/06.NW –, MMR 2007, 678 f. = juris Rn. 22.
48Ziff. 1 und Ziff. 2. des Bescheides vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) sind hingegen formell (1.) und materiell rechtswidrig (2.).
491. Ziff. 1 und Ziff. 2 des angegriffenen Bescheides sind formell rechtswidrig, weil es an der den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechenden Begründung der zu Grunde liegenden Entscheidung der KJM fehlt.
50Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV sind die Beschlüsse der KJM zu begründen. In dieser Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen (Satz 4). Die Beschlüsse der KJM sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zu Grunde zu legen (Sätze 5 und 6).
51a. Bei der Auslegung dieser Vorschriften und zur Ermittlung der Anforderungen an das Begründungserfordernis nach § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV ist das nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag spezifisch ausgestaltete Verhältnis der Landesmedienanstalten und der KJM in den Blick zu nehmen. Danach ist bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über die Vereinbarkeit von Telemedien-Angeboten mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und die bei Verstößen zu treffenden Maßnahmen allein der KJM – als Organ der Landesmedienanstalt – zugewiesen (vgl. §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 4 JMStV). Die zuständige Landesmedienanstalt organisiert für die inhaltliche Entscheidung der KJM das Verfahren, ermittelt den Sachverhalt und setzt die Entscheidung der KJM, an die sie inhaltlich und nach der Begründung gebunden ist, nach außen gegenüber dem Anbieter um (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV).
52Zudem sind die hinter dem Erfordernis der Begründung der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV stehenden Zwecke zu berücksichtigen. Das Begründungserfordernis dient zum einen objektiven Zwecken: Es soll die KJM dazu anhalten, den von ihr zu beurteilenden Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und diesen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Anbieters in jugendschutzrechtlicher Hinsicht selbst sachverständig zu bewerten. Weiter dient die Begründung der Klarheit für die anderen Organe der zuständigen Landesmedienanstalt, weil diese an die Beschlüsse der KJM gebunden sind und sie einschließlich der Begründung ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen haben. Zugleich dient die Begründung aber auch den Rechten der Anbieter von Telemedien. Das Begründungserfordernis für die KJM wurde ausdrücklich mit Blick auf die (Grund-) Rechte der Betroffenen, die eventuell gegen eine abschließende Entscheidung Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen, in den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufgenommen. Der Betroffene bedarf der Begründung, da er ohne Kenntnis der Gründe, auf die die KJM ihre Entscheidung stützt, ein gerichtliches Verfahren nicht sinnvoll führen kann. Die Anbieter haben Anspruch darauf, dass die KJM ihren Beschluss nach ausreichender Kenntnisnahme des zu beurteilenden Angebotes unter Bekanntgabe ihrer wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen begründet. Fehlt eine solche Begründung, schlägt dies auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalt durch.
53Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013– 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 29 ff.
54Unter Berücksichtigung der Bedingungen der Praxis der Medienaufsicht, des vielfach komplexen und umfangreichen Charakters dieser Prüfungsverfahren sowie der Gegebenheiten einer Gremienentscheidung wird einhellig für die Begründung des Beschlusses der KJM als ausreichend angesehen, wenn diese der von der zuständigen Landesmedienanstalt vorgelegten Beschlussvorlage einschließlich einer darin enthaltenen Begründung des vorgeschlagenen Beschlusses durch Bezugnahme zustimmt. Dann müssen eine solche Bezugnahme bzw. Verweisung und der Wille, sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen zu machen, aus der Niederschrift über den Beschluss der KJM oder aus sonstigen Unterlagen klar und unmissverständlich hervorgehen.
55Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 83 f.; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014– 7 A 4679/12 –, juris Rn. 56.
56Zudem kann nur dann die Bezugnahme der KJM auf eine Beschlussvorlage der Landesmedienanstalt deren eigene Begründung ersetzen, wenn diese Beschlussvorlage überhaupt eine Begründung für den Beschlussvorschlag enthält und diese Begründung ihrerseits klar und unmissverständlich ist. An letzterem Erfordernis kann es dann fehlen, wenn die Beschlussvorlage wiederum auf andere Vorlagen der Landesmedienanstalt, die Prüfempfehlung der Prüfgruppe der KJM oder sonstige Schriftstücke Bezug nimmt. In diesem Fall besteht nämlich die Gefahr, dass nicht mehr hinreichend eindeutig ist, was die Begründung der Entscheidung der KJM sein soll. Deshalb geht eine verbreitete Auffassung davon aus, dass eine Begründung für einen Beschluss der KJM nicht ausreichend ist, wenn sich diese allein im Wege einer „Kettenverweisung“ ermitteln lässt.
57Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 84; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012 – 27 A 341.06 –, juris Rn. 32 f. (fehlende Entscheidung in der Beschlussvorlage); differenzierend VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014, a. a. O., juris Rn. 58.
58Unter Berücksichtigung der Zwecke einer Begründung des Beschlusses der KJM ist nach Auffassung des Senats eine Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage im Grundsatz zulässig, wenn dadurch eine klare und unmissverständliche Begründung des Beschlusses zu Stande kommt. Eine Kettenverweisung wird diesen Maßstäben in der Regel nicht gerecht, weil mehrere Schritte erforderlich sind, um die in Bezug genommene „gemeinte Begründung“ zu ermitteln und hierbei die unmissverständliche Klarheit typischerweise fehlt. Die Bezugnahme muss dem Beschluss der KJM (Plenum oder Prüfausschuss) oder dem diesen enthaltenden Protokoll aber durch eindeutige Formulierungen zu entnehmen sein. Allein der Umstand, dass der Beschluss seinem Inhalt nach der in der Beschlussvorlage vorgeschlagenen Entscheidung entspricht, reicht nicht aus.
59b. Hiervon ausgehend fehlt es bei dem Beschluss (des Plenums) der KJM vom 15. Dezember 2010 in München über die Domain www.media-bloed.de an einer § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV genügenden Begründung. Dies macht Ziff. 1 und 2 des Bescheides – einschließlich der Beanstandung eines Verstoßes gegen § 7 JMStV – formell rechtswidrig.
60Auf jenen Beschluss – und nicht die „Entscheidung“ der Prüfgruppe der KJM vom 21. April 2010 – kam es an, weil das Ergebnis der 28. Präsenzprüfung Telemedien durch eine Prüfgruppe am 21. April 2010 in Hannover nicht die zu begründende Entscheidung „der KJM“ im Sinne von § 17 Absatz 1 Sätze 3 und 4 JMStV darstellt. Die Prüfgruppen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag überhaupt nicht vorgesehen. Sie haben sich zur Entlastung des Plenums der KJM und der durch den Staatsvertrag in § 14 Abs. 5 JMStV geregelten Prüfausschüsse in der Praxis herausgebildet, sind in § 9 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM (GVO-KJM) geregelt und werden als Arbeitseinheit ohne Entscheidungsbefugnis anerkannt. Die Ergebnisse der Prüfgruppen, insbesondere deren sog. Prüfempfehlungen, haben rechtlich keine Bedeutung und binden insbesondere nicht die zuständige Landesmedienanstalt. Von den Prüfgruppen formulierte Begründungen für ihre (Vor-)Ergebnisse sind deshalb für sich genommen keine Begründung für Beschlüsse der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV.
61Unter Berücksichtigung des Verfahrensablaufs sowie der zuvor dargestellten rechtlichen Maßstäbe liegt keine Begründung des Beschlusses der KJM vom 15. Dezember 2010 im Sinne von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV vor. Mit E-Mail vom 23. Dezember 2010 teilte die KJM-Geschäftsstelle der Beklagten den Beschluss der KJM vom 15. Dezember 2010 auf deren Anfrage als Vorab-Information mit. Diese E-Mail enthielt keine Begründung für den Beschluss, sondern den Hinweis, sobald das Protokoll der 30. KJM-Sitzung vorliege, werde es an die Beklagte weitergeleitet. Das Protokoll ging bei der Beklagten mit Übersendungsschreiben des Vorsitzenden der KJM vom 12. Januar 2011 am 14. Januar 2011 ein und befasst sich mit dem Prüffall www.media-bloed.de auf Seite 7. Es enthält zu Tagesordnungspunkt 6 („Prüffälle“) und Ziff. 1 („media-bloed.de“) ebenfalls keine Begründung des Beschlusses der KJM zum Angebot des Klägers. Dort ist dargestellt, dass eine Mitarbeiterin der KJM-Stabsstelle den Sachverhalt zum Prüffall berichtete. Dazu wird in indirekter Rede die Einschätzung der Prüfgruppe wiedergegeben. Im Folgenden wird über das Verfahren im Prüfausschuss berichtet. Dann heißt es: „Nach kurzer Diskussion fassten die KJM-Mitglieder folgenden Beschluss:“ Nachstehend wird eingerückt in vier Absätzen der Beschluss der KJM zu den zu treffenden Maßnahmen wörtlich wiedergegeben. Der Beschluss selbst sowie der diesen einleitende Satz enthält keinen Hinweis und insbesondere keine Bezugnahme oder Verweisung auf irgendein anderes Dokument, insbesondere weder die Beschlussvorlage der Beklagten für den Prüfausschuss vom 13. September 2010 noch die Empfehlung der Prüfgruppe der KJM vom 21. April 2010. Es fehlt insofern an jeglichem Anhalt dafür, dass sich das Plenum der KJM die Begründung der Beschlussvorlage der Beklagten oder irgendeines anderen Schriftstücks zu eigen machen wollte. Allein ein Beschluss im Sinne einer entsprechenden Vorlage ist nicht ausreichend, um anzunehmen, die KJM habe sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen machen wollen. Hierfür spricht vorliegend schon auch deshalb nichts, weil der Beschluss vom 15. Dezember 2010 die Beschlussempfehlung der Beklagten vom 13. September 2010 nicht 1 : 1 übernimmt. Zum einen enthält der Beschluss nicht den in der Beschlussvorlage zu Ziff. 4 niedergelegten Inhalt, zum anderen gibt es Abweichungen bei den Verwaltungsgebühren. Da nicht ersichtlich ist, dass es sich bei diesen Unterschieden um Versehen handelt, kann schon deshalb nicht unterstellt werden, dass die KJM, ohne dies durch eine ausdrückliche Bezugnahme oder eine Verweisung deutlich zu machen, die Begründung der Beschlussvorlage übernehmen wollte.
62c. Selbst wenn man eine Übernahme der Begründung der Beschlussvorlage der Beklagten durch den hierauf basierenden Beschluss der KJM annehmen wollte, so läge keine § 17 Absatz 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechende Begründung des Beschlusses der KJM vor. Die Beschlussvorlage der Beklagten vom 13. September 2010 enthielt ihrerseits keine vollständige Begründung für den empfohlenen Beschluss der KJM, sondern verwies inhaltlich insbesondere auf die von jugendschutz.net stammende Vorlage vom 24. März 2010 für die Prüfgruppe (Anlage 2), die Prüfbegründung mit Prüfempfehlung der Prüfgruppe vom 21. April 2010 (Anlage 3) sowie die letzte Camtasia-Aufzeichnung der Beklagten vom 1. Oktober 2010 mit DENIC-Ausdruck (Anlage 9; Übersicht der Anlagen vgl. Beiakte 1, Bl. 83). Dies entspricht nicht den Anforderungen von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV. Bei der vorliegenden „Kettenverweisung“ fehlt es an der erforderlichen klaren und unmissverständlichen Bezugnahme und damit an der Begründungsklarheit. Hinzu kommt, dass hier besonders strenge Anforderungen gelten, weil der Fall Fragen zum Spannungsverhältnis zwischen dem Jugendmedienschutz einerseits und der Reichweite der Grundrechtsausübung durch den Anbieter (Meinungsfreiheit/Kunstfreiheit) aufwarf. Es war deshalb verfassungsrechtlich geboten, zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den verfassungsrechtlichen Schutzgütern im Wege der Abwägung einen verhältnismäßigen Ausgleich herbeizuführen.
63Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist es aber Sache der KJM, die „abschließende Beurteilung von Angeboten“ vorzunehmen, und ihre Beschlüsse sind den Entscheidungen der Landesmedienanstalt zugrundezulegen. Es fehlt ferner deshalb an der Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV, weil eine Begründung der KJM zur Frage der Eignung des Angebots zur Beeinträchtigung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren, zum Erfordernis eines Jugendschutzbeauftragten gemäß § 7 JMStV sowie zur Abwägung mit kollidierenden Grundrechten des Anbieters fehlt. Es ist nicht erkennbar, ob sich das Plenum der KJM in der Sitzung am 15. Dezember 2010 mit den Grundrechten des Klägers in irgendeiner Weise auseinandergesetzt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der KJM das Spannungsverhältnis von Jugendmedienschutz und Grundrechten des Klägers bei ihrer Entscheidung vor Augen stand sowie ob und in welcher Weise sie diese Verfassungspositionen gegeneinander abgewogen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht hat. Nach dem System des Jugendmedienschutzes bei Telemedien ist es aber nicht die Aufgabe der Landesmedienanstalt – hier der Beklagten – diese Abwägung vorzunehmen, wie die Beklagte dies im angefochtenen Bescheid getan hat. Die Abwägung ist von dem zur Entscheidung berufenen Organ – bei der Ausübung von Ermessen bzw. schon bei der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen – vorzunehmen und kann nicht durch ein unzuständiges Organ bzw. eine unzuständige Stelle ersetzt oder nachgeholt werden.
64d. Abgesehen davon hätte die Beklagte gegen den Grundgedanken ihrer Bindung an die Beschlüsse der KJM sowie deren Begründung gemäß § 17 Absatz 1 JMStV hier auch dann verstoßen, wenn das Protokoll über die Sitzung der KJM am 15. Dezember 2010 eine Begründung zum Beschluss der KJM enthalten hätte und diese der Begründung der Beklagten im Bescheid im Wesentlichen entsprochen hätte. Denn die Beklagte erließ ihren Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) auf der Grundlage der E-Mail der KJM-Geschäftsstelle vom 23. Dezember 2010, in der ihr lediglich ein Beschluss-Inhalt der KJM ohne eine Begründung mitgeteilt worden war. Offensichtlich hat die Beklagte unterstellt, dass die KJM, wie es die E-Mail nahelegte, ihrer Vorlage sowohl nach dem Beschlussinhalt als auch nach dessen Begründung gefolgt war. Ein solches Vorgehen widerspricht grundlegend dem im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehenen Verhältnis von KJM und Landesmedienanstalten.
65e. Eine Heilung des Begründungsmangels nach § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW ist nicht erfolgt, weil die KJM die Begründung im Sinne von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV nicht nachgeholt bzw. klargestellt hat. Die Begründung des angegriffenen Bescheides durch die Beklagte oder deren Vorbringen im Gerichtsverfahren können eine Heilung nicht herbeiführen, weil dies nicht die interne Beteiligung der KJM ersetzt.
66Der Begründungsmangel ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Zum einen dürfte es sich bei § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV um eine Regelung handeln, die nach ihrem Sinn und Zweck keine bloß dienende Funktion hat, sondern unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung beachtet werden soll – sog. absoluter Verfahrensfehler –; zum anderen ist bei Fehlern im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen regelmäßig nicht offensichtlich, dass die Verletzung der Vorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Nach der Systematik des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ist die abschließende Beurteilung von Angeboten allein der KJM als mit besonderem Sachverstand ausgestattetem Gremium übertragen, so dass nicht nur die Entscheidung, sondern auch die gesetzlich verlangte Begründung hierzu unvertretbar ist; sie fällt damit nicht in den Anwendungsbereich des § 46 VwVfG NRW.
67Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 46 Rn. 15, 32 f.; ebenso zu §§ 45, 46 VwVfG VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012, a. a. O., Rn. 36.
682. Die vom Kläger mit der Berufung angegriffenen Maßnahmen der Beklagten in Ziff. 1 und 2 des streitigen Bescheides sind – ungeachtet der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Maßnahmen – ferner deshalb rechtswidrig, weil sie gegen das Bestimmtheitsgebot aus § 37 Abs. 1 VwVfG NRW verstoßen.
69Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei ist. Davon ist auszugehen, wenn der Adressat und die mit dem Vollzug befasste Behörde und deren Organe aufgrund der Entscheidungssätze und der Begründung des Verwaltungsakts sowie der sonst für die Betroffenen erkennbaren Umstände ersehen können, was genau durch den Verwaltungsakt gefordert wird und gegebenenfalls zu vollstrecken ist. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 ‑ 4 C 41.87 –, BVerwGE 84, 335 ff. = juris Rn. 29, und vom 20. April 2005 – 4 C 18.03 –, BVerwGE 123, 261 ff. = juris Rn. 53; OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Juli 2010 – 13 B 676/10 –, juris Rn. 39 ff., vom 26. September 2008 – 13 B 1395/08 –, NJW 2008, 3656 = juris Rn. 16 ff., und vom 26. September 2008 ‑ 13 B 1397/08 –, juris Rn. 16 ff.; Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 37 Rn. 5 ff., insb. Rn. 12 m. w. N.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., 2014, § 37 Rn. 27 ff. m. w. N.; Ruffert, in: Knack, VwVfG, 9. Aufl., 2010, § 37 Rn. 11 ff. und 30 ff. m. w. N.
71Demnach ist ein Verwaltungsakt nicht schon dann unbestimmt, wenn seine Regelung für eine mit dem jeweiligen Sachbereich nicht vertraute Person nicht ohne weiteres verständlich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Adressat und die mit dem Vollzug befassten Behörden den Entscheidungsinhalt auf Grund der Gesamtumstände des Einzelfalls zutreffend erfassen und ihr künftiges Verhalten danach ausrichten können.
72Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Dezember 2009 – 13 B 958/09 –, NWVBl. 2010, 321 ff. = juris Rn. 33 f., und vom 8. September 2009 – 13 B 894/09 –, MedR 2010, 273 ff. = juris Rn. 19 f.; U. Stelkens, a. a. O., Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005, a. a. O., Rn. 54.
73Bevor eine zur Rechtswidrigkeit – und gegebenenfalls Nichtigkeit nach § 44 VwVfG NRW – führende Unbestimmtheit festgestellt wird, ist der betroffene Verwaltungsakt in seinem Inhalt durch Auslegung zu bestimmen. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung, wie sie der Empfänger verstehen musste (sog. normative Auslegung), abzustellen. Bei vermeintlichen Unklarheiten ist vom Adressaten zu erwarten, den wirklichen Willen der Behörde durch Auslegung des Bescheides zu erkennen, ohne am buchstäblichen Ausdruck zu haften. Auf Mehrdeutigkeit beruhende Unklarheiten über den Inhalt des Verwaltungsakts gehen immer zulasten der Behörde, weshalb ein Verwaltungsakt bei Unklarheiten zu Gunsten des Betroffenen auszulegen ist.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7.11 –, BVerwGE 143, 222 ff. = juris Rn. 18 m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung; Ruffert, in: Knack, a. a. O., § 37 Rn. 14.
75a. Nach diesen Grundsätzen ist die in Ziff. 1 Satz 1 und Satz 2 des Bescheides geregelte Beanstandung von Verstößen des vom Kläger verbreiteten Internetangebotes www.media-bloed.de gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ebenso wie die in Ziff. 1 Satz 3 ausgesprochene Untersagung nicht hinreichend bestimmt.
76Der die Beanstandung enthaltende Verfügungssatz in Ziff. 1 Sätze 1 und 2 des Bescheides, das vom Kläger verbreitete Internetangebot www.media-bloed.de verstoße gegen § 5 JMStV sowie § 7 JMStV und dies werde medienrechtlich beanstandet, scheint unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit zunächst unproblematisch. Dies lässt sich bei unbefangenem Sprachverständnis so lesen, dass die Beanstandung sich auf das gesamte Internetangebot unter der Domain www.media-bloed.de bezieht. Die Formulierung der Untersagung („das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten“) wirkt auf den ersten Blick ebenfalls allumfassend, wobei die Wendung „in dieser Fassung“ üblicherweise auf eine bestimmte Version eines Inhalts hinweist, der im Zeitverlauf Änderungen unterliegt. Eine solche Beanstandung und Untersagung würden hier jedoch gegen das Übermaßverbot verstoßen, da die medienrechtlichen Maßnahmen gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV gegenüber einem Anbieter von Telemedien auf die Teile des Angebots zu beschränken sind, die tatsächlich gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen, soweit die Beschränkung nicht aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen oder wegen des damit verbundenen Aufwandes unzumutbar ist.
77Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013, a. a. O., juris Rn. 37 ff. (Beanstandung der Seiten 300 – 600 eines Teletext-Angebotes war unverhältnismäßig, weil davon nur 136 Seiten problematisch waren); nachgehend BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014, a. a. O.
78Da lediglich Teile der Internetseite www.media-bloed.de für einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV in Betracht kommen, wären eine Beanstandung oder eine Untersagung, die sich auf die gesamte Domain erstrecken, nicht erforderlich und damit rechtswidrig.
79Bei Auslegung unter Berücksichtigung des sonstigen Bescheidinhaltes, besonders der Begründung, sowie des Empfängerhorizontes des Klägers ist allerdings erkennbar, dass die Beanstandung und Untersagung sich nur auf Teile des Angebots www.media-bloed.de bezogen. Es bleibt für den Kläger aber unklar, wie die in Ziff. 1 und 2 enthaltenen Regelungen zu verstehen sind, was genau beanstandet und untersagt wird und wie er sich künftig zur Vermeidung weiterer Rechtsverstöße zu verhalten hat.
80Die Formulierungen „die problematischen Inhalte“ und „alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte“ in Ziff. 2 des Bescheids verdeutlichen, dass die Beklagte nicht sämtliche Bestandteile des Angebots des Klägers als entwicklungsbeeinträchtigend und gegen § 5 Abs. 1 JMStV verstoßend ansieht, da ansonsten eine „Möglichkeit, alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte von seinem Angebot zu entfernen“, nicht bestünde. Dieser Eindruck, dass die Beklagte nur bestimmte Teile des Angebots als Verstoß gegen § 5 JMStV ansieht und demzufolge beanstandet, wird durch die detaillierte Beschreibung der vier Bilddarstellungen von erheblich verletzten, verstümmelten, verbrannten oder mumifizierten menschlichen Körpern und Körperteilen mit Pfadbeschreibungen und spezifischen Zieladressen (URL) dieser vier Bilder auf S. 3 und 4 des Bescheides verstärkt. Dies spricht dafür, dass genau diese vier Bilder den von der Beklagten beanstandeten Verstoß gegen § 5 JMStV (und mittelbar auch gegen § 7 JMStV, weil allein aufgrund vorhandener entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten entstehen kann) darstellen sollen. In dieser Richtung will auch die Beklagte ihren Bescheid nach ihrem Berufungsvorbringen verstanden wissen. Hiergegen spricht jedoch – neben der deutlich umfassender zu verstehenden Formulierung im Verfügungssatz von Ziff. 1 Sätze 1 und 2 –, dass die vier Bilddarstellungen von der Beklagten auf S. 3 des Bescheides „als Beispiele“ eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 JMStV im Internetangebot des Klägers genannt werden. „Beispiele“ weisen jedoch auf einen über sie hinausgehenden Bezugsrahmen hin. Das spricht dafür, dass die Beklagte im Angebot www.media-bloed.de Verstöße gegen § 5 JMStV nur teilweise sieht, jedoch nicht im auf die vier angeführten Beispiele beschränkten Umfang. Der über diese Beispiele hinausgehende Umfang der Beanstandung (und ebenso der Untersagung bzw. der in Ziff. 2 aufgeführten Verpflichtungen betreffend die „problematischen Inhalte“ oder „entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte“) ist dann aber nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das Vorbringen des Klägers in der ersten Instanz verdeutlicht jedenfalls, dass auch für den Kläger nach seinem konkreten Adressatenhorizont klar war, dass nicht das gesamte Angebot beanstandet oder untersagt wurde, sondern dass es für ihn erkennbar um die Inhalte im Bereich der „Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan“ ging.
81Unklarheiten, was durch den Bescheid gefordert wird, ergeben sich auch daraus, dass der streitige Bescheid in der Begründung vielfältig den Begriff der „Darstellungen“ verwendet, ohne dies eindeutig nur auf bildliche Darstellungen zu beschränken. So führt die Beklagte auf S. 4 des Bescheides nach der Beschreibung der vier Bilder menschlicher Körper und Körperteile aus, das Angebot sei als entwicklungsbeeinträchtigend einzustufen, „da es Darstellungen enthält, die geeignet sind (...)“. Nachfolgend zitiert sie den auf der Startseite der Domain des Klägers lesbaren Begrüßungstext und beschreibt die sich darunter befindlichen zwei „Darstellungen“: Den Schriftzug „Das gibt‘s zum kotzen. Mediablöd. Wir sind doch nicht blind!“ sowie die Bildmontage mit Leichendarstellungen und der Überschrift „Mitmachen! Sofort!“. Nach anschließender Verwendung des Begriffs „Darstellung“ sowohl für Text- als auch für Bildinhalte gibt die Beklagte den langen Text auf der Unterseite zur „Offensive für Kampfeinsätze in Afghanistan“ wieder, der mit „Mach mit bei der Kampagne der Offensive für Kampfeinsätze…“ beginnt. Auch im anschließenden Text auf S. 5 des Bescheides verwendet die Beklagte mehrfach den Begriff „Darstellungen“ ohne Unterscheidung zwischen Bild- und Textinhalten. Hierdurch ist der von der Beklagten für ihre Sichtweise, die Beanstandung richte sich allein gegen die vier beschriebenen Bilder menschlicher Leichen oder Leichenteile, angeführte Text auf S. 6, 2. Absatz, des Bescheides („Die Beanstandung richtet sich ausschließlich gegen die oben beschriebenen Darstellungen...“) nicht so eindeutig, wie die Beklagte meint. „Oben beschrieben“ sind auch verschiedene von der Beklagten zitierte Textdarstellungen. Für das Verständnis der Beklagten wiederum spricht die Fortsetzung des eben teilweise wiedergegebenen Satzes („die oben beschriebenen Darstellungen, welche in ihrer Menge und der Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig sind“). Die Möglichkeit der Vergrößerung weist auf die von der Beklagten beschriebenen vier Bilder hin, da die im Bescheid dargestellten Textstellen oder sonstigen bildlichen Gestaltungselemente soweit ersichtlich keine Möglichkeit der Vergrößerung aufwiesen.
82Selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte habe nur die vier im Einzelnen beschriebenen Bilder menschlicher Körper und Körperteile, besonders mit der Möglichkeit der Vergrößerung, für „problematisch“ gehalten, reicht dies für die hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW nicht aus. Die Beanstandung (sowie die Untersagung usw.) kann ihren Zweck, künftige Rechtsverstöße durch den Anbieter zu verhindern, nur dann erreichen, wenn für diesen hinreichend bestimmt ist, was er darf oder nicht darf.
83Es bleibt nach dem Bescheid aber unklar, ob es ausreicht, die Möglichkeit der Vergrößerung bei den vier Bildern zu entfernen, oder ob zusätzlich eines, zwei oder etwa alle vier Bilder zu entfernen sind, um dem Angebot den entwicklungsbeeinträchtigenden und damit gegen § 5 Abs. 1 JMStV verstoßenden Charakter zu nehmen und dabei zugleich die Ausübung der Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit des Klägers nach dem Grundgesetz nicht in unverhältnismäßiger Weise zu beschneiden. Da nach der Begründung des Bescheides der potentiell verstörende Charakter dieser Bilder zentral auf die Menge und die Möglichkeit der Vergrößerung dieser Bilddarstellungen gestützt wird, bleibt die Frage offen, wie viele Bilder – neben der Entfernung der Vergrößerungs-Option – entfernt werden müssen, damit keine „verstörende Menge“ an Bildern mehr vorliegt. Zugleich erzeugt der Bescheid nach dem Gesamteindruck aus Verfügungssatz und Begründung den Eindruck, als ob alle vier Bilder mit Vergrößerung-Option beanstandet und infolgedessen auch untersagt werden, bzw. für sie die Verpflichtung gemäß Ziff. 2 des Bescheides auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 und 4 JMStV gelten soll. Diese Unklarheit bleibt unauflösbar. Dabei übersehen sowohl der Bescheid wie auch die Begründung des Verwaltungsgerichts den Umstand, dass in dem Teilbereich des Angebots www.media-bloed.de zur „Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan“ nicht vier, sondern fünf Bilder von menschlichen Körpern oder Körperteilen vorhanden sind. Noch vor dem mit „Mach mit bei der Kampagne (...)“ eingeleiteten Textblock findet sich das zu der Serie gehörende Bild, welches ausschnittsweise einen mit Hemd und Hose bekleideten menschlichen Körper mit erheblichen Verletzungen am Oberkörper und einem abgerissenen linken Bein mit überwiegend freiliegendem Oberschenkelknochen zeigt. Dessen fehlende Erwähnung im Bescheid führt zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte beanstanden und untersagen wollen, dass die über dieses Bild hinausgehenden vier Bilder nebst Vergrößerungsmöglichkeit gezeigt werden, und damit erlauben wollen, dieses eine Bild (mit oder ohne Vergrößerung) zu zeigen, hätte sie dies verdeutlichen müssen.
84b. Die dargestellte Unbestimmtheit erstreckt sich auch auf Ziff. 2 des Bescheides, soweit diese überhaupt eine eigenständige Regelung darstellt. Denn auch insofern bleibt offen, was der Kläger darf und was nicht bzw. was er tun soll, um zukünftig seine Verpflichtungen nach § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV zu erfüllen. Die Verpflichtung gemäß § 5 Abs. 1, letzter Halbsatz JMStV, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche (hier: unter 16 Jahren) „die problematischen Inhalte“ üblicherweise nicht wahrnehmen, kann sich jedoch nur auf den Umfang der Untersagung beziehen. Da dieser nach dem Vorstehenden nicht hinreichend bestimmt ist, bleibt auch Ziff. 2 des Bescheides unbestimmt.
85B. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht in Bezug auf Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides der Beklagten stattgegeben. Diese Ziffern sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das ergibt sich schon daraus, dass Ziff. 1 und 2 des angegriffenen Bescheides aufgehoben werden (siehe oben A.) und Ziff. 3 von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgehoben wurde. Ohne wirksame medienaufsichtliche Maßnahme fehlt es auch an den Voraussetzungen einer Kostenentscheidung sowie einer Gebührenfestsetzung zulasten des Klägers auf der Grundlage der von der Beklagten angeführten (oder einer sonstigen) Ermächtigungsgrundlage (§ 35 Abs. 11 RStV i. V. m. der RStV-Kostensatzung bzw. § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. der LfM-Gebührensatzung).
86C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
87Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Aktenzeichen: 22 B 15.620
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 22. Juli 2015
(VG Ansbach, Urteil vom 26. August 2014, Az.: AN 4 K 14.386)
22. Senat
Sachgebietsschlüssel: 421
Hauptpunkte: Zulassung zu einem Jahrmarkt; Erschöpfung des Kontingents für eine bestimmte Betriebsart; Auswahlverfahren bei Bewerberüberhang; Verpflichtung des kommunalen Veranstalters zu Neubescheidung; Zulässigkeit der Bescheidungsklage ohne gleichzeitige Anfechtung der Zulassung zumindest eines Konkurrenten; Übergang von der Bescheidungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
Rechtsquellen:
Leitsätze:
In der Verwaltungsstreitsache
...
gegen
Stadt F.,
vertreten durch den Oberbürgermeister, Rechtsamt, S.-Str. ..., F.,
- Beklagte -
wegen Zulassung zu einem Jahrmarkt;
hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Demling, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Dietz aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Juli 2015 am 22. Juli 2015 folgendes Urteil:
I.
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet war, den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Michaelis-Kirchweih 2014 mit seinem Ausschankbetrieb „F.“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28. Februar 2014 - 2 K 3238/12 und 2 K 3104/12 - geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2011 und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts Bodenseekreis vom 17. September 2012 werden aufgehoben.
Die Hinzuziehungen der Bevollmächtigten durch die Kläger im Vorverfahren werden für notwendig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.