Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 05. Feb. 2016 - 7a L 63/16.A
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 7a K 121/16.A gegen die Abschiebungsanordnung nach Belgien im Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. November 2015 anzuordnen,
4hat in der Sache keinen Erfolg.
5Die gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung wird nach dem derzeitigen Sachstand bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlichen keinen Erfolg haben.
6Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 und 2 Asylgesetz - AsylG - ordnet das Bundesamt, wenn die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) erfolgen soll, die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
7Die Zuständigkeit Belgiens für die Durchführung des Asylverfahrens ergibt sich vorliegend aus § 27a AsylG i. V. m. Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 ‑ Dublin III-VO -. Der Antragsteller, der im Februar 2012 illegal nach Spanien eingereist ist, hat sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet im Februar 2015 nach eigenen Angaben über einen Zeitraum von drei Jahren in Belgien aufgehalten. Unabhängig hiervon ist die Zuständigkeit Belgiens bereits deshalb gegeben, weil dieses dem Aufnahmeersuchen mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 zugestimmt hat. Eine weitere Prüfung der Zuständigkeit anhand der Regelungen der Art. 7 ff. Dublin III-VO ist danach nicht geboten.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 – 14 A 1140/14.A –, juris.
9Die Zuständigkeit Belgiens ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO aufgrund von systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem Aufnahmestaat entfallen. Die Antragsgegnerin ist nicht zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts (Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) verpflichtet. Das ist nur dann der Fall, wenn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ‑ GRCharta - (Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK -) ausgesetzt zu werden.
10Dem Gericht liegen keine Erkenntnisquellen vor, die die Befürchtung rechtfertigen, dass in Belgien systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen bestehen. Der Antragsteller selbst hat systemische Mängel in Belgien weder geltend gemacht noch konkret dargelegt, worin diese liegen.
11Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. März 2015 - 22 L 88/15.A -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 - 13 L 2685/13.A -, juris, jeweils systemische Mängel verneinend.
12Darüber hinaus steht nach dem Stand des Eilverfahrens im Sinne von § 34a Abs. 1 AsylG fest, dass eine Abschiebung nach Belgien derzeit durchgeführt werden kann. Belgien hat der Aufnahme des Antragstellers mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 zugestimmt. Einer Abschiebung stehen darüber hinaus keine zielstaats- oder inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen. Diese ist insbesondere nicht gemäß § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich.
13Einer Abschiebung steht der Schutz aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz – GG – nicht entgegen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller reiseunfähig ist. Hiervon ist nur dann auszugehen, wenn der Ausländer wegen einer körperlichen oder psychischen Erkrankung flugreise- bzw. transportunfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass als Folge der Abschiebung eine Selbsttötung des Ausländers droht, der auch durch ärztliche Hilfen nicht begegnet werden kann oder wenn dem Ausländer als unmittelbare Folge der Abschiebung eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung der Gesundheit droht (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn).
14Zum Maßstab: OVG NRW, Beschluss vom 28. Dezember 2010 - 18 B 1599/10 -, juris; Beschluss vom 15. August 2008 - 18 B 538/08 -, juris.
15Das ist vorliegend nicht der Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller transportunfähig ist. Auch ist nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu befürchten, dass sich dessen Gesundheitszustand als unmittelbare Folge einer Abschiebung erheblich verschlechtern wird. Der Antragsteller hat insoweit bereits keine überprüfbaren Angaben zu der von ihm vorgetragenen Erkrankung gemacht. Ärztliche Stellungnahmen hat dieser nicht vorgelegt. Die Angaben des Antragstellers – dieser hat vorgetragen, dass eine Misshandlung durch die Polizei in Belgien die schon seit seiner Kindheit bestehenden Probleme wegen eines Leistenbruchs verstärkt hätten, er in Belgien vor der Operation aus dem Krankenhaus geflohen und im Bundesgebiet operiert worden sei, nach der Operation erhebliche Schmerzen im Bauchbereich aufgetreten seien und eine Therapie zum Muskelaufbau angeregt worden sei – lassen zudem ein klares und nachvollziehbares Krankheitsbild nicht erkennen. Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, dass sich die genannten Beschwerden als unmittelbare Folge der Überstellung erheblich verstärken werden. Dass eine gegebenenfalls erforderliche Therapie und ärztliche Weiterbehandlung in Belgien nicht gewährleistet wären, hat der Antragsteller selbst nicht geltend gemacht. Dem Vorbringen des Antragstellers ist vielmehr zu entnehmen, dass er sich in Belgien der dort zunächst vorgesehenen ärztlichen Behandlung entzogen hat und vor der Operation aus dem Krankenhaus geflohen ist. Auch eine Reiseunfähigkeit aus psychischen Gründen ist bereits nicht hinreichend dargelegt. Der Antragsteller hat seinen Vortrag, er werde bei einer Rückkehr nach Belgien psychischen Schaden nehmen, weder durch ärztliche Stellungnahmen gestützt noch konkret dargelegt. Auch die von dem Antragsteller in diesem Zusammenhang behauptete Misshandlung durch die Polizei in Belgien hat dieser weder belegt noch konkret geschildert. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Antragsteller im Fall einer Überstellung nach Belgien eine Misshandlung durch die Polizei zu befürchten hätte. Dass dem Antragsteller eine Rückkehr nach Belgien, wo dieser sich zuvor rund drei Jahre aufgehalten hat, nicht möglich wäre, ist nach alledem nicht anzunehmen.
16Einer Abschiebung steht zudem nicht der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG entgegen. Der Antragsteller hat keinen Duldungsanspruch im Hinblick die beabsichtigte Eheschließung. Die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit gebietet insoweit nur dann die Erteilung einer Duldung, wenn die Eheschließung unmittelbar bevorsteht. Dies setzt regelmäßig die Angabe eines konkreten, unmittelbar bevorstehenden Termins für die Eheschließung voraus.
17Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2008 - 16 B 501/08 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2007 - OVG 3 S 5.07 -, juris; OVG Sachsen, Beschluss vom 16. Mai 2006 - 3 Bs 61706 -, juris, jeweils m. w. N.
18Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller nicht. Nach der vorliegenden Auskunft des Standesamts E. vom 25. Januar 2016 und der telefonisch am 1. Februar 2016 durch das Gericht eingeholten Auskunft hat der Antragsteller beim Standesamt erst- und bislang einmalig am 21. Oktober 2015 für eine Erstberatung vorgesprochen. In der Folge hat der Antragsteller weder erneut beim Standesamt vorgesprochen noch weitere Unterlagen eingereicht. Auch die dem Gericht zuletzt vorgelegten Unterlagen (Ledigkeitsbescheinigung, Geburtsurkunde, Personalausweis, Gehaltsbescheinigung) liegen nach der telefonischen Auskunft des Standesamts dort noch nicht vor. Eine Anmeldung zur Eheschließung und Prüfung der Ehevoraussetzungen (§ 12, § 13 Personenstandsgesetz – PStG –) ist somit noch nicht erfolgt. Demnach steht auch ein konkreter Termin für die Eheschließung bislang nicht fest. Soweit der Antragsteller darüber hinaus vorgetragen hat, dass für die Eheschließung noch ein Nationalpass beschafft werden müsse, ist das Vorbringen bereits nicht nachvollziehbar. Nach dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegenerin hat der Antragsteller dort bereits einen auf seinen Namen lautenden Nationalpass mit Gültigkeit bis zum 25. Januar 2017 vorgelegt.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 05. Feb. 2016 - 7a L 63/16.A
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg des Zulassungsantrags (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO - i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung) abzulehnen, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.
3Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
4Die aufgeworfene Frage,
5„ob Art. 20 der Verordnung Nr. 343/2003 i. V. m. Art. 16 Abs. 3 der Verordnung 343/2003 so auszulegen ist, dass mit der Zustimmung eines Mitgliedsstaates nach diesen Bestimmungen dieser Mitgliedsstaat jener ist, der im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Einleitungssatz der Verordnung Nr. 343/2003 zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, oder muss die nationale Überprüfungsinstanz unionsrechtlich, wenn sie im Zuge eines Verfahrens über einen Rechtsbehelf nach Art. 20 Abs. 1 e der Verordnung Nr. 343/2003 ‑ unabhängig von dieser Zustimmung ‑ zur Anschauung gelangt, (dass) die Zuständigkeit dieses Staates erloschen ist, die eigene Zuständigkeit für das Verfahren zur Entscheidung über den Rechtsbehelf verbindlich feststellen, wenn diesem anderen Mitgliedsstaat wichtige Informationen vorenthalten worden sind und die Zustimmung auf der Basis dieser unzureichenden Informationen erfolgt ist."
6ist nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet werden kann. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, kann ein Asylbewerber in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat seiner Aufnahme nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L50/1 vom 25.2.2003, Dublin II‑VO) niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Gebiet der Europäischen Union, der Heranziehung dieses Kriteriums nicht damit entgegentreten, dass die Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 10 Abs. 1 Dublin II‑VO als Mitgliedstaat der ersten Einreise deshalb zu Unrecht erfolgt sei, weil die Verpflichtung zu der ‑ bewilligten ‑ (Wieder-)Aufnahme nach Art. 16 Abs. 3 Dublin II‑VO wegen mindestens dreimonatigen Verlassens des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten erloschen sei.
7Das ergibt sich aus Folgendem: Das unionsrechtlich geregelte System der Zuständigkeitsverteilung für die Entscheidung über Asylanträge (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) beruht darauf, dass angenommen wird, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Der Unionsgesetzgeber hat aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens die Dublin II‑VO erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die Behörden der Mitgliedsstaaten mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem "forum shopping" zuvorzukommen. Dies bezweckt hauptsächlich, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen.
8Die für Asylanträge geltenden Regelungen wurden in weitem Umfang auf Unionsebene harmonisiert, so dass der von einem Asylbewerber gestellte Antrag weitgehend nach den gleichen Regelungen geprüft wird, welcher Mitgliedstaat auch immer für seine Prüfung nach der Dublin II‑VO zuständig ist. Soweit es um die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates geht, trifft die Dublin II‑VO organisatorische Vorschriften, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln. Damit wird einem der Hauptzwecke der Dublin II‑VO nachgekommen, durch klare und praktikable Regeln für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und die zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten.
9Vgl. EuGH, Urteil vom 10.12.2013 ‑ C-394/12 ‑, NVwZ 2014, 208 Rn. 52 ff.
10Das Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung zwischen den Mitgliedstaaten findet seinen Abschluss in der positiven Aufnahmeerklärung eines Mitgliedsstaats auf das Aufnahmeersuchen des anderen Mitgliedsstaats nach den Regeln der Art. 16 ff. Dublin II‑VO .
11Hier geht es um die Frage, ob Art. 16 Abs. 3 Dublin II‑VO ein für die Kläger einklagbares Recht begründet. Nach dieser Vorschrift erlöschen die Aufnahme- und Asylantragsprüfungspflichten der Mitgliedstaaten, wenn der Asylbewerber das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, hier, wie die Kläger geltend machen, nach ihrem Aufenthalt in Italien und Schweden durch über dreimonatigen Aufenthalt in der Türkei. Die Frage, ob eine Norm des Unionsrechts ein subjektives Recht begründet, richtet sich nicht deckungsgleich nach den für das innerstaatliche Recht für die Klagebefugnis und die Rechtsverletzung (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO) aufgestellten Grundsätzen.
12Sog. Schutznormtheorie, vgl. etwa Happ in Eyermann/Fröhler, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 86 ff. und Schmidt, ebenda, § 113 Rn.18.
13Allerdings ist gesichert, dass der Einzelne sich nicht auf jede objektiv-rechtliche Regel des Unionsrecht berufen kann, dass es also auch hier der Feststellung bedarf, ob Rechtsregeln subjektive Rechte (in der Terminologie des Gerichtshofs der Europäischen Union "Rechte Einzelner") schaffen. Dabei kann dies selbst dann verneint werden, wenn die Rechtsnorm den Schutz von Personen bezweckt.
14So etwa verneint für Normen, die die Tätigkeit der Bankenaufsicht regeln und auch den Zweck "Schutz der Einleger" verfolgen, als Rechte zu Gunsten der Einleger, EuGH, Urteil vom 12.10.2004 ‑ C-222/02 ‑, NJW 2004, 3479 Rn. 40.
15Insbesondere reicht eine bloß tatsächliche Betroffenheit durch die Rechtsregel nicht aus, vielmehr muss auch das Unionsrecht das klagbare Interesse normativ anerkennen.
16Hong, Subjektive Rechte und Schutznormtheorie im europäischen Verwaltungsrechtsraum, JZ 2012, 380 (382).
17Gegenüber der Schutznormtheorie ist die unionsrechtliche Abgrenzung subjektiver Rechte von bloß objektivem Recht tendenziell weiter.
18Vgl. Zuleeg/Kadelbach in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. § 8 Rn. 14; Gärditz in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl., § 35 Rn. 59.
19Der Unterschied liegt vor allem in der Zuweisung der Durchsetzung von Allgemeininteressen an den Einzelnen,
20Hong, Subjektive Rechte und Schutznormtheorie im europäischen Verwaltungsrechtsraum, JZ 2012, 380 f.,
21im Konzept der dezentralen Rechtsdurchsetzung durch Mobilisierung von Bürgern.
22Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (353 ff.); Gärditz in: Rengeling/ Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl., § 35 Rn. 59; Masing in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts. Bd. 1, 2. Aufl., § 7 Rn. 92.
23Unionsrechtliche Quelle dieses Konzepts ist der Effektivitätsgrundsatz (Art. 197 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Union ‑ AEUV ‑, "effet utile").
24Vgl. Classen in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2015), Art. 197 AEUV Rn. 16 ff., insbes. 42 ff; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5 Wirkungen und Rechtsschutz, Rn. 419 ff, 1805 ff.
25Dieser gebietet, dass der nationale Vollzug des Unionsrechts dessen Wirksamkeit nicht übermäßig erschweren oder sogar praktisch unmöglich machen darf.
26Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5 Wirkungen und Rechtsschutz, Rn. 1805, 1808; Steinbeiß-Winkelmann, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes, NJW 2010, 1233 f.
27Ausgehend von diesen Maßstäben ist festzustellen, dass die Zuweisung der Durchsetzung der Regeln zur Aufgabenverteilung auf die Mitgliedstaaten nach der Dublin II‑VO an den Einzelnen dem Zweck der Verordnung entgegenliefe, eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Erwägungsgrund 4 Dublin II‑VO). Angesichts der komplexen Regeln über die Zuständigkeit, ihre Rangfolge, die aus der Zuständigkeit folgenden Verpflichtungen und ihr Erlöschen würde es die effektive Durchsetzung der Klärung der Zuständigkeit und der anschließenden Prüfung des Asylantrags durch den zuständigen Staat geradezu behindern, wenn die Überprüfung dieser Aufgabenverteilung in die Hände des Einzelnen gelegt würde und ihm damit Gelegenheit geboten würde, die zügige Bearbeitung seines Asylantrags durch einen von ihm nicht gewünschten Mitgliedstaat zu verhindern und seinen Verbleib in dem von ihm gewünschten Mitgliedstaat durchzusetzen. Vielmehr erfordert der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass der Asylbewerber das Ergebnis des zwischenstaatlichen Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens und die daraus sich ergebende Aufgabenverteilung hinnehmen und auf dieser Grundlage sein Asylbegehren verfolgen muss.
28Nur dann, wenn die Zuständigkeitsvorschrift nicht der bloßen Aufgabenverteilung zwischen den ‑ in der Aufgabenerfüllung als gleichwertig anzusehenden ‑ Mitgliedstaaten dient, sondern auch im spezifischen Interesse des Asylbewerbers liegt, kann eine solche Zuständigkeitsnorm ein subjektives Recht darstellen.
29So etwa für Art. 15 Abs. 2 Dublin II‑VO EuGH, Urteil vom 6.11.2012 ‑ C-245/11 ‑, NVwZ-RR 2013, 69.
30Für Art. 16 Abs. 3 Dublin II‑VO kann eine solche Subjektivierung des Zuständigkeitsrechts nicht festgestellt werden. Ihm liegt vielmehr die Wertung zu Grunde, dass der die Zuständigkeit rechtfertigende Gesichtspunkt der ersten Einreise sein Gewicht umso mehr einbüßt, je länger sich ein Asylbewerber danach außerhalb des Dublin‑Gebiets aufhält, bevor er erneut einreist. Das ist ein reiner Zweckmäßigkeitsgesichtspunkt der Aufgabenverteilung, der keinen Bezug zu schützenswerten Interessen des Asylbewerbers aufweist.
31Aus Vorstehendem folgt, dass einem Asylbewerber unionsrechtlich grundsätzlich nur das subjektive Recht auf ein zügiges Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft durch den nach dem zwischenstaatlich im Wege des Aufnahmegesuchs und seiner Stattgabe bestimmten Mitgliedstaat eingeräumt wird, nicht aber das Recht auf ein Verfahren durch einen bestimmten Mitgliedstaat. Die Aufgabenverteilungsregeln begründen ‑ von dem genannten Sonderfall abgesehen ‑ kein subjektives Recht der Asylbewerber, sondern stellen ausschließlich objektives Recht dar, dass nur die Mitgliedstaaten untereinander berechtigt und verpflichtet, auf dessen Einhaltung also ein Asylbewerber keinen Anspruch hat. Deshalb kann der Asylbewerber in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Gebiet der Europäischen Union, der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden.
32EuGH, Urteil vom 10.12.2013 ‑ C-394/12 ‑, NVwZ 2014, 208 Rn. 62.
33Wenn schon nach dieser Entscheidung der Asylbewerber der Abschiebung in den aufnahmebereiten Mitgliedstaat die falsche Anwendung des Kriteriums der ersten Einreise nach der Dublin II‑VO als solches nicht entgegen halten kann, gilt dies erst recht für die zwar zutreffende Zuständigkeitsbestimmung, aber unrichtige Anwendung der Vorschrift über das Erlöschen der Zuständigkeitsverpflichtung nach Art. 16 Abs. 3 Dublin II‑VO durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der durch sie getroffenen Zuständigkeitsbestimmung.
34Aus dem Vorstehenden ergibt sich weiter, dass auch die aufgeworfenen Frage,
35", ob insoweit subjektive Rechte des Asylbewerbers bestehen, wenn der ersuchende Mitgliedsstaat dem ersuchten Mitgliedsstaat wichtige Informationen vorenthalten hat,"
36nicht klärungsbedürftig ist, da sie ohne Weiteres zu verneinen ist. Diese Frage betrifft noch nicht einmal die richtige Anwendung der Zuständigkeitsregeln der Dublin II‑VO im Ergebnis, sondern nur die fehlerfreie Willensbildung der am Zuständigkeitsbestimmungsverfahren beteiligten Mitgliedstaaten. Dass deren Überprüfung in die Hände des Einzelnen gelegt sein könnte, ist erst recht auszuschließen. Vielmehr ist es allein Sache des ersuchten Mitgliedstaats, auf ein fehlerhaftes Verhalten des ersuchenden Mitgliedstaats zu reagieren.
37Da die Frage des subjektiven Rechts auf Einhaltung der Zuständigkeitsregeln der Dublin II‑VO im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung durch die Mitgliedstaaten durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.12.2013 ‑ C‑394/12 ‑ geklärt ist und die hier maßgebliche nachgelagerte Frage, ob der Asylbewerber der Heranziehung des Zuständigkeitskriteriums durch die Mitgliedstaaten deshalb entgegentreten kann, weil entgegen der Stattgabe des Gesuchs die Verpflichtungen nach Art. 16 Abs. 3 Dublin II‑VO entfallen waren, zweifelsfrei verneint werden kann, bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV nicht. Es besteht daher - auch unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes - keine Veranlassung zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
38Speziell zu Art. 19 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (ABl. L 180/31 vom 29.6.2013 ‑ Dublin III‑VO), der Art. 16 Abs. 3 Dublin II‑VO entspricht, Filzwieser/Sprung, Dublin III‑VO, Art. 19 Anm. K6; ebenso Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81 (87), im Sinne der Acte-clair-Doktrin für nicht grundrechtlich aufgeladene Zuständigkeitsnormen.
39Soweit die Kläger unter Verweis auf entgegenstehende Rechtsprechung eine andere Position vertreten, kann dies die Zweifelsfreiheit der Auslegung nicht in Frage stellen, da die zitierte Rechtsprechung die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.12.2013 ‑ C-394/12 ‑ nicht berücksichtigen konnte.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 13. Januar 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 245/15.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2015 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag nach § 80 Absatz 5 VwGO ist gemäß § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG statthaft. Ferner ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides gewahrt. Der gemäß § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG dem Antragsteller selbst zuzustellende Bescheid ist diesem am 8. Januar 2015 durch Zustellung mittels Postzustellungsurkunde wirksam bekannt gegeben worden, § 41 Abs. 5 VwVfG, § 3 VwZG. Die Antragsfrist von einer Woche war mithin bei Antragstellung am 13. Januar 2015 noch nicht abgelaufen.
6Der Antrag ist jedoch unbegründet.
7Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
8vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR ‑, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 ‑, juris Rn 3 f.; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A ‑ und 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A ‑, juris.
9Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Gunsten der Antragsgegnerin aus, denn die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Sonstige greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen könnten, sind nicht ersichtlich.
10Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
11Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III‑VO). Diese findet gemäß ihres Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den vom Antragsteller am 13. November 2014 gestellten Asylantrag.
12Nach Maßgabe dieser Vorschriften ist Belgien für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig.
13Der Antragsteller hat nach derzeitigem Erkenntnisstand bereits einen Antrag auf internationalen Schutz in Belgien gestellt, der dort abgelehnt wurde. Dies geht aus der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs im Schreiben der belgischen Behörde vom 18. Dezember 2014 hervor, in dem die Wiederaufnahme des Antragstellers ausdrücklich auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) der Dublin III-VO akzeptiert wird. Der Antragsteller hat auch im vorliegenden Verfahren nichts Gegenteiliges vorgetragen. Vielmehr stützt er sich auf (nicht näher spezifizierte) neue Beweise.
14Angesichts dieser Sachlage ergibt sich die Zuständigkeit Belgiens nicht unmittelbar aus Kapitel III (Art. 7 bis 15) der Dublin III-VO. Denn diese Vorschriften finden keine unmittelbare Anwendung, wenn ein Drittstaatsangehöriger – wie hier der Antragsteller – bereits einen Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat gestellt hat, der endgültig abgelehnt wurde. Dies ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Buchst. c) Dublin III-VO. Danach kommt es für die Bestimmung des nach den Kriterien des Kapitels III zuständigen Staates maßgeblich auf die Situation an, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, in dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Der Ausdruck „Antragsteller“ bezeichnet gemäß Art. 2 Buchst. c) Dublin III-VO einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. Damit ist ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der – wie hier der Antragsteller – bereits erfolglos ein Verfahren über die Gewährung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat durchlaufen hat, vom persönlichen Anwendungsbereich des Kapitels III der Dublin III-VO nicht umfasst.
15Die Zuständigkeit Belgiens folgt hier vielmehr daraus, dass eine in der Vergangenheit nach den Bestimmungen der Dublin III-VO einmal begründete Zuständigkeit Belgiens fortbesteht. Dabei kann offen bleiben, ob die ursprüngliche Zuständigkeit Belgiens aufgrund der Bestimmungen des Kapitel III der Dublin III-VO oder aufgrund eines ausgeübten Selbsteintrittsrechts begründet wurde. Denn durch die Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz steht jedenfalls im Ergebnis die einmal begründete Zuständigkeit Belgiens fest.
16Nach der Systematik der Dublin III-VO bleibt es so lange bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Mitgliedstaates bis die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates begründet wird. Aus der Regelung in Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO ergibt sich, dass dies auch noch nach der Ablehnung eines Antrags in der Sache gilt. Denn diese Vorschrift geht davon aus, dass es auch dann einen zuständigen Mitgliedstaat „nach dieser Verordnung“ gibt, wenn sich ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, dessen Antrag abgelehnt wurde im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, gleichgültig, ob er dort einen weiteren Antrag gestellt hat oder nicht. Denn genau für diesen Fall statuiert Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO Pflichten des Staates, der den Antrag abgelehnt hat, als der „nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat“. Die Zuständigkeit dieses Staates, besteht gemäß Art. 19 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO unter bestimmten Voraussetzungen sogar dann noch fort, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige oder Staatenlose das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bereits verlassen hat. Nur in den in Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 sowie Abs. 3 UAbs. 2 Dublin III-VO geregelten Fällen gilt ein gestellter Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes als neuer Antrag und löst ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats aus.
17Die vorliegend einmal begründete Zuständigkeit Belgiens ist nicht nachträglich entfallen. Der Fortbestand der Zuständigkeit ist zunächst nicht nachträglich nach Art. 19 Dublin III-VO erloschen. Ferner hat das Bundesamt innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Frist am 9. Dezember 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an Belgien gerichtet. Die belgische Behörde hat mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben. Desweiteren ist die Zuständigkeit auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen.
18Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, weil seiner Überstellung nach Belgien rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
19vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rz. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rdn. 7.
20Davon abgesehen ist die Antragsgegnerin aber auch nicht - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO - nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, den Antragsteller nach Belgien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
21EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,
22der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
23Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rn. 94.
24Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Belgien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die die Gefahr einer dem Antragsteller drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh, Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Belgien nach sich ziehen könnten. Dem erkennenden Gericht liegen keine Erkenntnisse vor, die den Schluss rechtfertigen würden, Belgien halte die in der Grundrechte-Charta der EU, der EMRK oder der GFK verbrieften Rechte von Asylbewerbern nicht ein.
25Unter diesen Umständen steht gegenwärtig auch im Sinne von § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,
26vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 -18 B 1060/11 -, juris Rn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012- 2 LB 163/10 -, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris Rn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris Rn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris Rn. 9 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004- 2 M 299/04 -, juris Rn. 9 ff.
27Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,
28vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris m.w.N.
29Derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller behauptet, “mental sehr gestört“ zu sein, fehlt es an einem substantiierten Vorbringen sowie einer entsprechenden Glaubhaftmachung etwa durch ein ärztliches Attest.
30Sonstige Gründe für ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse sind nicht erkennbar.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
32Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. aus C1. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 25. November 2013 sinngemäß anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 9852/13.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. November 2013 anzuordnen,
4zu deren Entscheidung der Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 18. November 2013 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde am 20. November 2013 gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Am 25. November 2013 hat er am Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben, die mit Beschluss vom 20. Dezember 2013 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen worden ist.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Belgiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Die angegriffene Entscheidung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere hat das Bundesamt den Sachverhalt in einer dem § 24 AsylVfG genügenden Weise aufgeklärt und den Antragsteller in einer dem § 25 AsylVfG genügenden Weise angehört. Allerdings unterliegt das Bundesamt in Verfahren, in denen es die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates zu dessen Prüfung annimmt (§ 27a AsylVfG), nur einer beschränkten Anhörungspflicht. Es ist nur verpflichtet, die in § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AsylVfG beschriebenen Umstände zu ermitteln bzw. zu ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Kenntnis dieser Umstände kann das Bundesamt bereits die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedstaat bzw. die ggf. zu unterbleibende Abschiebung dorthin treffen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Angaben zu Wohnsitzen, Reisewegen, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten sowie zu sonstigen Tatsachen und Umständen, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat – hier der nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO) zur Prüfung des Asylantrags zuständige Staat – entgegen stehen. Hingegen bedarf es in diesem Verfahrensstadium nicht der Kenntnis der von § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG genannten Tatsachen, die die Furcht des Asylbewerbers vor politischer Verfolgung begründen. Die nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO durchzuführende Prüfung des Asylantrags umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe c Dublin II-VO auch die Prüfung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sodass diesbezüglich relevante Umstände erst von dem nach der Dublin II-VO zuständigen Staat zu prüfen sind.
13Vor diesem Hintergrund hatte der Antragsteller im Rahmen der am 2. September 2013 durchgeführten Anhörung ausreichend Gelegenheit, auf alle maßgeblichen Umstände hinzuweisen. Dies entspricht zunächst seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 25 Abs. 2 AsylVfG. Zudem wurde er bei der Anhörung ausdrücklich nach Visa, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten sowie danach gefragt, ob er Einwände dagegen habe, dass sein Asylantrag in Belgien geprüft werde.
14Die angegriffene Entscheidung ist auch materiell rechtmäßig. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist.
15Vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A, juris Rn. 13 = NRWE.
16Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Der Antragsteller hat sich nach eigenen Angaben vom 26. August 2008 bis März 2013 in Belgien aufgehalten und dort drei Asylanträge gestellt, die jeweils abgelehnt wurden. Das an das Königreich Belgien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2013 wurde unter dem 30. Oktober 2013 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO akzeptiert. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO ist Belgien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Da der von dem Antragsteller erhobene Rechtsbehelf gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG aufschiebende Wirkung hat, ist sie auch weiterhin gehemmt.
17Der Überstellung nach Belgien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 14. März 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 22. Oktober 2013 gut sieben Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegenerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt.
18Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
19Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
20EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
21Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
22Vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10. A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris Rn. 8.
23Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
24Vgl. i. E. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.
25Hier sind seit der Asylantragstellung im März 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 22. Oktober 2013 erst gut sieben Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
26Die Antragsgegnerin ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Antragstellers nach Belgien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist.
27EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
28Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
29Vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 57 f.
30Die Antragsgegnerin ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zugunsten des Antragstellers –gehindert, diesen nach Belgien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
31EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
32der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta implizieren.
33EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 86.
34Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
35EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 94.
36Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Abs. 2 UAbs 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
37Diese Voraussetzungen sind für Belgien nicht erfüllt.
38Sie ergeben sich zunächst nicht aus der Schilderung des Antragstellers, nach der nach der Ablehnung seines dritten Asylantrags nunmehr „die Versorgung eingestellt“ worden sei. Der Antragsteller macht schon keine überprüfbaren Angaben darüber, was die „Einstellung der Versorgung“ im Einzelnen bedeutet, sodass überhaupt nicht nachzuvollziehen ist, ob sich hieraus Umstände ergeben können, die die Gravität einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im oben geschilderten Sinne begründen.
39Aber selbst unterstellt, die „Einstellung der Versorgung“ bedeute den vollständigen Verlust von Unterkunft, medizinischer Versorgung, Zugang zu Nahrungsmitteln etc., was eine unmenschliche Behandlung darstellen kann,
40vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413; OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A –, NVwZ-RR 2012, 619 = juris Rn. 17,
41handelt es sich hierbei nicht um systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben geschilderten Sinne. Denn anders als vom hauptsächlichen Anwendungsbereich der Dublin-Verordnungen erfasst, ist das bzw. sind die Asylverfahren des Antragstellers in Belgien bereits abgeschlossen, wenn auch erkennbar mit einem vom Antragsteller nicht erwünschten Ergebnis. Zwar kennt auch das Recht der Europäischen Union in Art. 32 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie) die Möglichkeit, Folgeanträge zu stellen, wenn der Asylbewerber in der Lage ist, weitere Angaben vorzubringen, die sein Verfolgungsschicksal betreffen. Diese Möglichkeit dient allerdings nicht dazu, durch ständig wiederholende Asylanträge Versorgungsleistungen des Staates der Antragstellung zu erhalten. Ist wie hier der Asylantrag des Antragstellers (mehrfach) abgelehnt worden, folgt daraus für den Antragsteller auch die Ausreisepflicht.
42Vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.
43Die „Einstellung der Versorgung“ stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall mehrfacher Antragsablehnung nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
44Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juli 2013 – 25 L 1342/13.A -, n.v.
45Das zeigt auch schon die Wertung, welche in Art. 41 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie n.F.) zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Abs. 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die „Versorgung einzustellen“, wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Dies gilt mit Blick auf Belgien umso mehr, als abgelehnten Asylbewerbern in der Regel nach der Ablehnung des Asylantrags eine Rückkehrbegleitung angeboten wird.
46Vgl. auch aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 43.
47Ob dies in einem Fall, in dem nach der letzten Ablehnung eines Asylantrags asylerheblich neue Umstände eintreten oder der Asylbewerber in der Lage ist – erst jetzt – weitere asylerhebliche Angaben vorzubringen, anders zu sehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da solche Umstände vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich sind.
48Weitere Umstände, aus denen sich systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen Belgiens ergeben, sind vom Antragsteller nicht vorgetragen worden. Sie liegen nach Auswertung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht vor:
49So geht aus dem vorzitierten Bericht des für die Prüfung von Asylbewerbern zuständigen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose (S. 7) hervor, dass einem Asylbewerber während der Prüfung seines Asylantrags ein Platz in einer Betreuungseinrichtung zustehe. Der Asylbewerber habe dann Anspruch auf materielle, medizinische, soziale und rechtliche Begleitung. In ähnlicher Weise beschreibt der Final Report des Dublin Transnational Project für den Berichtszeitraum Dezember 2009 bis Mai 2011, dass jedem Asylbewerber von der Stellung des Asylantrags an bis zur Verfahrensbeendigung ein Recht auf Unterkunft, Mahlzeiten, soziale, medizinische und psychologische Betreuung sowie auf ein begrenztes Fortbildungsangebot hat (S. 38 des Berichts).
50Vgl. auch aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 43, mit Einzelheiten zu den gewährten Leistungen auf S. 45 f.
51Lediglich solange eine von der Behörde festgestellte Ausreiseverpflichtung vollziehbar ist, bestehen diese Rechte nicht. Der Asylbewerber hat aber die Möglichkeit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs insoweit zu beantragen (S. 38). Der Bericht des Auswärtigen Amtes der Vereinigten Staaten von Amerika (Belgium 2012 Human Rights Report) beschreibt auf S. 7 ff. die Flüchtlingssituation in Belgien, ohne Beanstandungen systemischer Art auch nur im Ansatz zu erwähnen. Amnesty International enthält in seinem „Amnesty Report 2013 – Belgien“ lediglich den Hinweis darauf, dass die Kapazität der Aufnahmezentren für Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten nicht ausreichend gewesen sei, ein Zustand der nach dem vorzitierten aida-Report, S. 44, ab Ende 2012 nicht fortbestanden haben soll. Hierauf ist die Annahme systemischer Mängel in der oben geschilderten Schwere jedoch nicht zu stützen.
52Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht kein innerstaatliches Abschiebungshindernis.
53Ebenso ist der weiter gestellte Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
55Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.