Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 30. Juli 2018 - 6 B 1023/18 HGW

bei uns veröffentlicht am30.07.2018

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

1

Der am 26. Juni 2018 bei Gericht gestellte Antrag,

2

die aufschiebende Wirkung der Klage 6 A 1022/18 HGW gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Juni 2018 anzuordnen,

3

zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Abs. 4 S. 1 Asylgesetz (AsylG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, insbesondere statthaft, weil die Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 des Bescheides kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (§§ 75, 71a Abs. 4 i. V. m. §§ 34, 36 AsylG). Der Antrag ist auch fristgerecht innerhalb der Wochenfrist gestellt.

4

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

5

Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO i. V. m. §§ 71a Abs. 4, 36 Abs. 4 S. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nur dann vor, wenn „erhebliche Gründe“ dafür sprechen, dass die angefochtene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93, NVwZ 1996, 678, 680). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AsylG).

6

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen hier keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Asylantrag unter Verweis auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde.

7

Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrages (§ 71 AsylG) oder eines Zweitantrages (§ 71a AsylG) ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylG liegt vor, wenn ein Asylsuchender nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten, im Bundesgebiet beantragt, ein (weiteres) Asylverfahren durchzuführen. Ein Asylantrag, der sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst, ist in einem anderen Mitgliedsstaat erfolglos abgeschlossen, wenn er entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig – d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers – eingestellt worden ist. Maßgeblich für die entsprechende Beurteilung ist die Rechtslage in dem betreffenden Mitgliedstaat (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16).

8

Die diesbezügliche Aufklärung des Sachverhalts obliegt zunächst dem Bundesamt. Es muss zu der gesicherten Erkenntnis gelangen, dass das Asylerstverfahren im Drittstaat mit einer für den Asylbewerber bindenden Entscheidung endgültig abgeschlossen wurde. Dabei werden nicht nur Entscheidungen umfasst, die nach einer Sachprüfung ein Schutzgesuch als inhaltlich unbegründet zurückgewiesen hat (vgl. Berlit, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16, juris). Die hierfür erforderlichen Informationen kann das Bundesamt auf Grundlage des Art. 34 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – ABl. L 180 S. 31 - (Dublin-III-Verordnung) vom anderen Mitgliedstaat erlangen. Hiernach hat jeder Mitgliedstaat jedem Mitgliedstaat, der dies beantragt, personenbezogene Daten über den Antragsteller zu übermitteln, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, die für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz notwendig sind; zu diesen Daten zählen u.a. das Datum jeder früheren Antragstellung auf internationalen Schutz, das Datum der jetzigen Antragstellung, der Stand des Verfahrens und „der Tenor der gegebenenfalls getroffenen Entscheidung“.

9

Nach Maßgabe dessen ist das Bundesamt hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag ein Zweitantrag i. S. d. § 71a AsylG ist. Die Regelung zum Zweitantrag in § 71a AsylG ist hier anwendbar. Sie ist insbesondere auch mit dem EU-Recht vereinbar. Zwar kennt weder die Asylverfahrensrichtlinie 2005 noch deren geänderte Fassung von 2013 den Begriff des Zweitantrags, wie ihn das deutsche Recht in Abgrenzung zu einem Folgeantrag verwendet. Während im deutschen Asylrecht der Begriff des „Folgeantrag“ einen weiteren Asylantrag eines Ausländers in Deutschland bezeichnet, der sein erstes Asylverfahren in Deutschland geführt und erfolglos abgeschlossen hat, und ihn von dem "Zweitantrag" abgrenzt, der in Deutschland gestellt wird, nachdem ein erstes Asylgesuch in einem anderen Mitgliedstaat der EU abgelehnt wurde, kennt das EU-Recht nur den „Folgeantrag“. Beide Fassungen der Verfahrensrichtlinie sehen vor, dass ein Mitgliedsstaat unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen kann, auf einen „Folgeantrag“ hin ein weiteres Asylverfahren durchzuführen. Dass diese Möglichkeit auf solche weiteren Anträge beschränkt ist, die in demselben Mitgliedstaat gestellt werden, ergibt sich weder aus der Systematik noch aus Sinn und Zweck dieser Beschränkung (vgl. die ausführliche Begründung in VG Berlin, Beschl. v. 17. Juli 2015 – 33 L 164.15 A). Sowohl nach Aktenlage als auch nach eigenen Angaben im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 19. September 2017 hat der Antragsteller in Finnland bereits erfolglos ein Asylverfahren abgeschlossen. In Anbetracht des Datums der ablehnenden Entscheidung – die finnischen Behörden teilten mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 mit: „application in Finland was rejected on 31.5.2016“ – und unter Inbezugnahme der Aussage des Antragstellers, sein dortiges Asylverfahren sei abgeschlossen, ist das erkennende Gericht von dem erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens in Finnland überzeugt.

10

Im Fall eines solchen Zweitantrags besteht nur dann der Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in Deutschland, wenn Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen.

11

Deutschland war für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (geworden), nachdem die Frist für die Überstellung nach Finnland am 27. Mai 2018 abgelaufen ist. Davon geht auch die Antragsgegnerin nach einem Aktenvermerk (Bl. 168 des Verwaltungsvorgangs) aus.

12

Ein weiteres Verfahren ist nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Der Antragsteller hat im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 19. September 2017 allein sein – vermeintliches – Verfolgungsschicksal bis zur Ausreise aus dem Irak Anfang März / April 2015 geschildert. Er hat weder dort noch im vorliegenden gerichtlichen Eilverfahren neue veränderte individuelle Umstände geltend macht. Zur Begründung des hier vorliegenden Eilantrages hat der Antragsteller pauschal auf ein Urteil des VG Stade v. 28. Februar 2017 zur Lage für sunnitische Araber im Irak verwiesen, zu denen der Antragsteller als Turkmene jedoch ohnehin nicht gehört. Zum anderen behauptet der Antragsteller ebenso pauschal durch die Zitierung eines Urteils des VG des Saarlandes v. 14. Dezember 2017, dass bereits die Herkunft des Antragstellers ein ernsthaftes Risiko für den Antragsteller begründe, als Anhänger des IS angesehen zu werden, was eine erhebliche individuelle Gefahr zu begründen vermöge. Welche Herkunft des Antragstellers (Volkszugehörigkeit, Geburtsort, Heimatland) dabei konkret gemeint ist, ist für das Gericht schon nicht ersichtlich. Welche konkrete Gefahr dem Antragsteller aufgrund einer – hier als gemeint unterstellten – Herkunft aus Tal Afar droht, lässt sich seinem Vortrag nicht entnehmen.

13

Im Übrigen mag sich die Sicherheitslage aus heutiger Sicht gegenüber derjenigen zum Zeitpunkt des in Finnland durchgeführten Verfahrens geändert haben. Eine – unterstellte – Verschärfung der Sicherheitslage wirkt sich hier jedoch nicht zugunsten des Antragstellers aus. Das erkennende Gericht geht in seiner aktuellen Rechtsprechung (vgl. Urt. v. 24. Januar 2018 – 6 A 1707/17 As HGW; Urt. v. 1. Februar 2018 – 6 A 1157/17 As HGW) auch unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel davon aus, dass für den ganzen Irak wegen der fehlenden Gefahrverdichtung die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG nicht vorliegt. Dies gilt auch für die Herkunftsregion des Antragstellers, der nach eigenen Angaben bis zur Ausreise in Tal Afar gelebt hat. Im August 2017 erklärte der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi, dass mit der Stadt Tal Afar eine der letzten IS-Bastionen im Land befreit worden sei. Die US-geführte Anti-IS-Koalition teilte ebenfalls mit, dass der Irak 90 % des ehemals von der Terrormiliz kontrollierten Gebietes zurückerobert habe. Der IS hat nach seinem Vormarsch vor mehr als drei Jahren (2014) auf dem Höhepunkt seiner Macht riesige Gebiete im Norden und Westen des Irak beherrscht, darunter große Städte. Hierzu gehörte auch die Millionenstadt Mossul östlich von Tal Afar. Auch die Provinz Ninive, die an der Grenze zu Syrien liegt, wurde im Sommer 2014 vom IS überrannt. In der Provinzhauptstadt Mossul haben die Dschihadisten damals ihr so genanntes Kalifat ausgerufen. Im Juli 2017 wurde Mosul nach Monate langer Belagerung von den irakischen Truppen mit internationaler Hilfe zurückerobert. Bereits zuvor hatten die Extremisten die größten Teile der ehemals kontrollierten Gebiete im Irak verloren. Die Rückeroberung von Tal Afar habe nur zehn Tage gedauert. Tal Afar war eine der letzten irakischen Städte in der Hand der IS-Miliz. Diese kontrolliert nach aktuellen, dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen, nur noch zwei Gebiete im Irak, von denen Großteile unbewohnt sind. Es handelt sich hierbei um Hawidscha im Zentralirak und die Städte Al-Kaim, Rawa und Anna in der Wüste an der Grenze zu Syrien. In den übrigen Gebieten ist die Terrormiliz IS auch in der Provinz Ninive vollständig besiegt (vgl. dazu ausführlich zuletzt VG Augsburg, Urt. v. 2. Juli 2018 – Au 5 K 18.30655 m. w. N.).

14

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben bei einer Rückkehr in seine Heimatregion droht. Denn der Grad willkürlicher Gewalt hat zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt kein so hohes Niveau erreicht bzw. hat kein so hohes Niveau mehr, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak und hier insbesondere in die betroffene Region – Provinz Mossul – allein durch seine Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die Zahlen in Bezug auf getötete oder verletzte Zivilisten sind nämlich sowohl landesweit als auch in der Provinz Mossul nach der Zurückdrängung des IS stark rückläufig. Gab es nach den Aufzeichnungen der UN im Februar 2017 landesweit noch 392 getötete und 613 verletzte Zivilisten, wurden im Februar 2018 von der UN landesweit noch 91 getötete und 208 verletzte Zivilisten verzeichnet, nachdem diese auch in den Vormonaten bereits deutlich gesunken waren. Die insgesamt 299 sicherheitsrelevanten Vorfälle ereigneten sich überdies hauptsächlich in den Provinzen Bagdad (49 getötete und 146 verletzte Zivilisten), Anbar (14 getötete und 38 verletzte Zivilisten) und Diyala (12 getötete und 11 verletzte Zivilisten) (vgl. http://www.uniraq.org/index.php). Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in die Provinz Mossul allein durch ihre Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein, derzeit nicht erreicht ist (vgl. auch VG Hamburg, Urt. v. 13. März 2018 – 8 A 1135/17, juris-Rn. 45 und 46 m. w. N.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren in der Person des Antragstellers führen könnten, sind bei einer unterstellten Rückkehr nach Tal Afar wie bereits ausgeführt nicht ersichtlich bzw. zu befürchten.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 30. Juli 2018 - 6 B 1023/18 HGW

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To
Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 30. Juli 2018 - 6 B 1023/18 HGW zitiert 12 §§.

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 36 Verfahren bei Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und bei offensichtlicher Unbegründetheit


(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche. (2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Ent

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71 Folgeantrag


(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltung

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71a Zweitantrag


(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Juli 2018 - Au 5 K 18.30655

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand

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bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche

Referenzen

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sowie hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzstatus. Der am ... 1991 in … (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischem Glauben.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 12. Juli 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 11. September 2015 Asylerstantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrages gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.

Die persönliche Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 18. Januar 2018. Der Kläger trug hierbei im Wesentlichen vor, dass er am 3. August 2017 mitbekommen habe, dass die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die Stadt ... angegriffen habe. Man habe gehört, dass der IS Frauen und Mädchen vergewaltigen und entführen würde. Der IS habe es auf die Yeziden abgesehen und habe gewollt, dass Andersgläubige zum Islam konvertierten. Seine Familie habe dann das Heimatdorf ... verlassen. Die Familie habe in einem Flüchtlingscamp nahe der Stadt ... Zuflucht gefunden und befinde sich noch immer dort. Im Irak könne es jederzeit zu einer Bedrohung der Yeziden kommen. Die Lage sei unsicher. Für das weitere Vorbringen des Klägers wird auf die über die Anhörung gefertigte Niederschrift des Bundesamtes verwiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. März 2018 wurden die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Nr. 4 stellt fest, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegt.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorliegen. Ein Ausländer sei Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitze (§ 3 AsylG). Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne dieser Definition. Auch eine Gruppenverfolgung wegen der Zugehörigkeit zur yezidischen Religionsgemeinschaft könne sich der Kläger nicht berufen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung seien in der höchstrichterlichen Rechtsprechung weitgehend geklärt. Die Hauptsiedlungsgebiete der Yeziden lägen in der Provinz Ninive, die im Sommer 2014 unter die Kontrolle des IS geraten sei. Hier sei es zu gezielten Verfolgungen von religiösen Minderheiten durch den IS als nichtstaatlichen Verfolgungsakteur gekommen. Bei einer Herkunft aus den Gebieten, die unter der Kontrolle des IS stünden, sei Angehöriger religiöser Minderheit eine Gruppenverfolgung zuzugestehen. Der Kläger habe in der Ortschaft ... in der Provinz Ninive gelebt. Der irakische Premierminister Al Abadi habe am 31. August 2017 erklärt, dass die gesamte Provinz Ninive, welche verwaltungstechnisch zum Zentralirak gehöre, vom IS zurückerobert worden sei. Demnach könne von einer Gruppenverfolgung durch die Terrormiliz nicht mehr ausgegangen werden. Im Zentralirak fände keine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser Minderheiten durch staatliche Behörden statt. Eine persönliche Verfolgungshandlung sei für den Kläger nicht vorgetragen. Deshalb sei der Flüchtlingsschutz im Sinne des § 3 AsylG abzulehnen gewesen. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Ein Ausländer erhalte subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht habe, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden drohe. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Kläger habe insbesondere keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG. Gegenwärtig sei in den Provinzen Anbar, Ninive, Diyala, Bagdad, Salahaddin, Kirkuk und Babil-Nord vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes auszugehen. Dort komme es in einem geringeren Ausmaß zu Sicherheitsvorfällen und terroristischen Aktivitäten, zeitweise auch zu zeitlich begrenzten militärischen Operationen. Es sei jedoch derzeit in keiner der vorgenannten Provinzen ein Gefährdungsgrad für Zivilpersonen anzunehmen, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr allein aufgrund einer Rückkehr in das Herkunftsgebiet und dortigem Aufenthalt rechtfertige. Für den Kläger bestehe jedoch ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 28. März 2018 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 4. April 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,

1. Der Bescheid der Beklagten vom 28. März 2018 (Gz.: ...) wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

3. Hilfsweise wird beantragt, dem Kläger subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

Eine Begründung dieser Klage ist im Weiteren nicht erfolgt.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Gerichtsbeschluss vom 5. Juni 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Am 2. Juli 2018 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2018 verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2018 form- und fristgerecht geladen worden.

Die ausgehend von der Beschwer des Klägers ausschließlich auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter, zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) bzw. hilfsweise auf Gewährung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) gerichtete Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. März 2018 ist, soweit er sinngemäß mit der Klage vom 4. April 2018 angegriffen worden ist und den Kläger beschwert, rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid ist unter Würdigung der Verhältnisse in dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise auf Gewährung des subsidiären Schutzstatus, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

1. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a Grundgesetz (GG). Dem steht bereits die Einreise des Klägers auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland entgegen. Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstatt im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Nach § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylG wird er nicht als Asylberechtigter anerkannt. Die in § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG genannten Ausnahmen sind im Falle des Klägers nicht einschlägig. Insoweit kommt es auch nicht auf den genauen Reiseweg des Klägers an.

2. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Gem. § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist. Hiernach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK –, BGBl. 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- und Schutzakteuren regeln die §§ 3a-d AsylG in Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU, L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9-26, sog. Qualifikationsrichtlinie, im Folgenden: RL 2011/95/EU).

Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 der RL 2011/95/EU) gelten als Verfolgung Handlungen, die – Nr. 1 – aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II Seite 685,953) keine Abweichung zulässig ist, oder die – Nr. 2 – in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie in der Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

Als Verfolgung können nach § 3a Abs. 2 AsylG u.a. folgende Handlungen gelten: die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt – Nr. 1 – sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind – Nr. 6 –.

Ferner muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b AsylG und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.

Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von – Nr. 1 – dem Staat, – Nr. 2 – Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen, oder – Nr. 3 – von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung im Sinne des § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

In der Definition der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) und der RL 2011/95/EU ist angelegt, dass bei ihrer Prüfung als Prognosemaßstab derjenige der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen ist. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte (Vgl. OVG NRW, U.v. 17.8.2010 – 8 A 4063/06.A – juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU – dieser hat keine nationale Entsprechung – ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits vorverfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird.

Dies entspricht dem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedanken, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 2. 7.1980 – 1 BvR 147, 181, 182/80 – BVerfGE 54, (360 f.); dem folgend BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377-388 und vom 31.3.1981 – 9 C 237.80 – juris).

Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – und vom 18.2.1997 – 9 C 9.96 –, BVerwGE 104, 97 (101 ff.), juris), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – und vom 27.4.1982 – 9 C 308.81 –, BVerwGE 65, 250 (252), juris).

Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden – auch seelischen – Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – und vom 18.2.1997 – 9 C 9.96 – BVerwGE 104, 97 (99), juris).

Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Sie misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für Ihre Wiederholung bei und begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei der Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden und entlastet sie von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich die vorverfolgungsbegründenden oder einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in das Heimatland erneut realisiert werden (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 –; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, U.v. 28.2.2008 – 37201/06 – Saadi, Rn. 128 m.w.N., juris).

Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die Beurteilung, ob stichhaltige Gründe die Vermutung widerlegen, obliegt dem Tatrichter im Rahmen freier Beweiswürdigung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 –; VG Augsburg, U.v. 11. 7.2016 – Au 5 K 16/30604 – juris).

Aus den in § 25 AsylG (und Art. 4 RL 2011/95/EU) geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Drittstaatsangehörigen folgt, dass es auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht (vgl. nur BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 321.85 – juris).

Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden.

Gemäß diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG hinsichtlich des Klägers nicht vor. Da er im Verfahren keine zielgerichtete individuelle Bedrohung insbesondere seitens der Terrormiliz ‘Islamischer Staat‘ (IS) geltend gemacht hat, ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließlich über die Grundsätze der Gruppenverfolgung für yezidische Glaubensangehörige möglich.

Das Gericht ist der Auffassung, dass für Glaubenszugehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft, die wie der Kläger aus der Provinz Ninive im Zentralirak stammen, die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) nicht mehr gegeben sind.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich geklärt (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – und vom 5.7.1994 – 9 C 158.94 – juris).

Danach kann sich die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG begehrt, nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85 u.a. – BVerfGE 83, 216; BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – und vom 5.7.1994 – 9 C 158.94 – juris).

Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen (vgl. BVerwG, B.v. 5.5.2003 – 1 B 234.02 – und U.v. 30.4.1996 – 9 C 171.95 – BVerwGE 101, 134 (140 f.), juris).

Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt – abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms – vgl. hierzu BVerwG, U.v. 5.7.1994 – 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 (204), juris), ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15.05 – Rn. 20 und vom 5.7.1994 – 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 (203), juris).

Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3 AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1994 – 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 (204), juris).

Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3d AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3 AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. BVerwG, U.v. 18. Juli 2006 – 1 C 15.05 – juris Rn. 20).

Der Feststellung dicht und eng gestreuter Verfolgungsschläge bedarf es jedoch nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein (staatliches) Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1994 – 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 (204)); zu der ferner zu beachtenden Möglichkeit einer „Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit“ vgl. zuletzt etwa BVerwG, B.v. 5.5.2003 – 1 B 234.02 –; BVerfG, B.v. 23. 1.1991 – 2 BvR 902/85 – BVerfGE 83, 216-238 (234), juris, jeweils m.w.N).

Diese Grundsätze für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie durch das Asylgesetz ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – und U.v. 18.7.2006 – 1 C 15/05 – BVerwGE 126, 243-254; OVG NRW, B.v. 30.3.2011 – 9 A 567/11.A – juris).

Gruppengerichtete Verfolgungen, die von Dritten ausgehen, erfassen nicht immer ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend. Die ihnen zugrundeliegenden ethnischen, religiösen, kulturellen oder sozialen Gegensätze können in einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt sein; die darin wurzelnden Spannungen können sich in unterschiedlichem Grade auf das Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsteile auswirken. Deshalb ist – jedenfalls bei gruppengerichteten Verfolgungen durch nicht-staatliche Kräfte – von der Möglichkeit auszugehen, dass solche Verfolgungen regional oder lokal begrenzt sind mit der Folge, dass sich die verfolgungsfreien Räume als inländische Fluchtalternative darstellen können und dass die dort ansässigen Gruppenangehörigen als unverfolgt zu gelten haben. Allerdings bedarf dabei näherer Ermittlung, ob eine bestehende Schutzunwilligkeit des Staates die Gefahr einer Ausweitung der Verfolgung in bisher verfolgungsfreie Räume begründet (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85 – BVerfGE 83, 216-238, juris).

Nach diesen Maßstäben ist der Kläger als Angehöriger der yezidischen Religionsgemeinschaft bezogen auf seinen Heimatort …Sindschar in der Provinz Ninive keiner regionalen Gruppenverfolgung durch den IS als nichtstaatlichem Akteur ausgesetzt.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt es jedenfalls an der erforderlichen „Verfolgungsdichte“, die für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung erforderlich ist.

Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen belief sich die Zahl der in der Provinz Ninive ansässigen Yeziden vor dem Überfall durch den IS auf ca. 291.000 Menschen in der Region Sindschar, wobei diese Zahl anhand der ausgegebenen Lebensmittelkarten ermittelt werden konnte, und weiteren ca. 65.000 Menschen in der Region Sheikhan (vgl. Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 16. September 2013 an das OVG NW, S. 11 f., juris).

Zwar wurden seit 2014 Schätzungen zufolge 5000 Yeziden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit getötet, mehr als 6000 Yezidinnen versklavt, 300 000 Yeziden wurden vertrieben. 24 Massengräber wurden in der Region Sindschar bereits gefunden. Befürchtet wird, dass fast doppelt so viele an verschiedenen Orten in der Region liegen, viele davon weiter südlich der aktuellen Frontlinie (vgl. Die Zeit online, Die Vergessenen von Sindschar, 13. Juni 2016, http://www.zeit.de/politik/

ausland/2016-06/jesiden-nordirak-islamischer-staat; Die Jesiden von Sindschar, Le Monde diplomatique, Januar 2017, S. 11).

Diese Verfolgungssituation für yezidische Glaubenszugehörige besteht seit Mitte/Ende des Jahres 2017 jedoch nicht mehr unverändert fort und führt im vorbezeichneten Verfahren dazu, dass die Voraussetzungen für die Gruppenverfolgung von Yeziden in der Provinz Ninive nicht mehr angenommen werden können. Im August 2017 erklärte der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi, dass mit der Stadt Tal Afar eine der letzten IS-Bastionen im Land befreit worden sei. Die USgeführte Anti-IS-Koalition teilte ebenfalls mit, dass der Irak 90% des ehemals von der Terrormiliz kontrollierten Gebietes zurückerobert habe. Der IS hat nach seinem Vormarsch vor mehr als drei Jahren (2014) auf dem Höhepunkt seiner Macht riesige Gebiete im Norden und Westen des Irak beherrscht, darunter große Städte. Hierzu gehörte auch die Millionenstadt Mossul östlich von Tal Afar. Auch die Provinz Ninive, die an der Grenze zu Syrien liegt, wurde im Sommer 2014 vom IS überrannt. In der Provinzhauptstadt Mossul haben die Dschihadisten damals ihr so genanntes Kalifat ausgerufen. Im Juli 2017 wurde Mosul nach Monate langer Belagerung von den irakischen Truppen mit internationaler Hilfe zurückerobert. Bereits zuvor hatten die Extremisten die größten Teile der ehemals kontrollierten Gebiete im Irak verloren. Die Rückeroberung von Tal Afar habe nur zehn Tage gedauert. Tal Afar war eine der letzten irakischen Städte in der Hand der IS-Miliz. Diese kontrolliert nach aktuellen, dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen, nur noch zwei Gebiete im Irak, von denen Großteile unbewohnt sind. Es handelt sich hierbei um Hawidscha im Zentralirak und die Städte Al-Kaim, Rawa und Anna in der Wüste an der Grenze zu Syrien. In den übrigen Gebieten ist die Terrormiliz IS auch in der Provinz Ninive vollständig besiegt.

Mit der geschilderten Zurückdrängung des IS aus der Provinz Ninive, der Tatsache, dass die Terrormiliz lediglich noch zwei Gebiete im Irak beherrscht, ist es nach Auffassung des Gerichtes ausgeschlossen, dass die Terrormiliz noch über Strukturen verfügt, die es ihr ermöglicht, yezidische Glaubenszugehörige in der Provinz Ninive systematisch im Rahmen eines eingeleiteten und durchgeführten Verfolgungsprogramms (vgl. noch Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, Seite 12, 18) zu verfolgen, wie es Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung wäre. Es ist für das gesamte Gebiet eine gewisse Befriedung eingetreten und festzustellen. Dies schließt die Annahme einer Gruppenverfolgung für den Kläger bei fehlender anlassgeprägter Einzelverfolgung im vorliegenden Fall aus. Dies gilt jedenfalls für den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (so auch BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 20 ZB 17.30121 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 22.1.2018 – 20 ZB 18.30667 – juris).

Nichts anderes gilt für den vormaligen Aufenthaltsort des Klägers (... bzw. Sindschar). Die Stadt ... bzw. Sindschar wird derzeit von der irakischen Zentralregierung verwaltet. Lediglich bis zum Jahr 2015 war Sindschar umkämpft. Im Herbst 2015 teilten Kreise der kurdischen Autonomieregierung am 13. November 2015 mit, es seien Peschmerga von allen Seiten nach ... (Sindschar) eingedrungen und es sei gelungen, zentrale Gebäude zu besetzen. Am 13. November 2015 wurde die Stadt bereits aus der Hand des IS befreit. Damit kann auch bezogen auf den vormaligen Aufenthaltsort des Klägers und dessen Familie derzeit keine Verfolgungsgefahr für Angehörige der ethno-religiösen Minderheit der Yeziden angenommen werden.

3. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) liegen im Fall des Klägers nicht vor.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Auch subsidiärer Schutz wird nicht zuerkannt, wenn der Ausländer internen Schutz in Anspruch nehmen kann (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG).

Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG wegen seiner yezidischen Glaubenszugehörigkeit. Dies gilt sowohl bezogen auf den früheren Heimatort des Klägers (.../Sindschar in der Provinz Ninive) als auch auf den derzeitigen Aufenthaltsort seiner Eltern (Flüchtlingslager in ...).

Nach weitreichender Befreiung der Provinz Ninive von der Terrormiliz IS und weitreichender Befriedung des Gebiets besteht die für die Annahme eines subsidiären Schutzstatus erforderliche Gefahr eines ernsthaften Schadens in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG vorliegend nicht mehr fort.

Für die Beurteilung der Frage des Bestehens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist, sofern der Konflikt nicht landesweit besteht, auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Vorliegend ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für den vormaligen Heimatort des Klägers und dessen Familie (... bzw. Sindschar) kein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt festzustellen. Die Provinz Ninive ist befriedet und unter Kontrolle der irakischen Zentralregierung. Die Truppen der Terrormiliz IS sind aus diesem vormals von ihnen besetzten Gebiet dauerhaft zurückgedrängt worden. Dies schließt die Annahme der Gewährung eines subsidiären Schutzstatus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aus.

Unter Zugrundelegung der gebotenen rechtlichen Maßstäbe und nach Auswertung der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel besteht nach Auffassung des Gerichts in der Region Ninive derzeit kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Dies folgt bereits daraus, dass die Terrormiliz IS durch die irakischen Streitkräfte – wie dargelegt – landesweit fast vollständig zurückgedrängt wurden (vgl. auch Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak - Stand: Dezember 2017- vom 12. Februar 2018 (Gz.: 508-516.80/3 IRQ), S. 4). Dem steht nicht entgegen, dass Anhänger des IS weiterhin Selbstmordattentate und andere Anschläge verüben. Denn bei diesen sicherheitsrelevanten Vorfällen handelt es sich allenfalls um Einzelfälle; jedenfalls haben sie aber kein derartiges Ausmaß erreicht, dass sie als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind.

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben bei einer Rückkehr in seine Heimatregion droht. Denn der Grad willkürlicher Gewalt hat zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt kein so hohes Niveau erreicht bzw. hat kein so hohes Niveau mehr, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak und hier insbesondere in die betroffene Region – Provinz Ninive – allein durch seine Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die Zahlen in Bezug auf getötete oder verletzte Zivilisten sind nämlich sowohl landesweit als auch in der Provinz Ninive nach der Zurückdrängung des IS stark rückläufig. Gab es nach den Aufzeichnungen der UN im Februar 2017 landesweit noch 392 getötete und 613 verletzte Zivilisten, wurden im Februar 2018 von der UN landesweit noch 91 getötete und 208 verletzte Zivilisten verzeichnet, nachdem diese auch in den Vormonaten bereits deutlich gesunken waren. Die insgesamt 299 sicherheitsrelevanten Vorfälle ereigneten sich überdies hauptsächlich in den Provinzen Bagdad (49 getötete und 146 verletzte Zivilisten), Anbar (14 getötete und 38 verletzte Zivilisten) und Diyala (12 getötete und 11 verletzte Zivilisten) (vgl. http://www.uniraq.org/index.php). Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in die Provinz Ninive allein durch ihre Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein, derzeit nicht erreicht ist (vgl. auch VG Hamburg, U.v. 13.3.2018 – 8 A 1135/17 – juris Rn. 45 und 46 m.w.N.).

Individuelle gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren in der Person des Klägers führen könnten, sind bei einer unterstellten Rückkehr in die Provinz Ninive nicht ersichtlich bzw. zu befürchten.

Überdies dürfte für den Kläger, der von August 2014 jedenfalls bis zu seiner Ausreise im Juni 2015 nachfolgend in ... bzw. ... (...) in der Region Kurdistan-Irak gelebt hat, eine inländische Fluchtalternative (§ 4 Abs. 3 S. 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG entsprechend) bestehen. Der Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger und mehrere seiner Familienangehörigen (Eltern, Schwester) halten sich noch im Nordirak auf.

4. Nach allem war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung erfolgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weiter hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten.

2

Der Kläger, irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volks- und jesidischer Religionszugehörigkeit, reiste nach eigenen Angaben am 6. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. März 2016 einen Asylantrag.

3

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 21. September 2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, dass er den Irak am 21. November 2015 verlassen habe und er aus dem Dorf Tel Benat stamme, das sich in der Nähe der Stadt Sindschar befinde. Im Irak habe er zwölf Jahre die Schule besucht und Abitur gemacht. Anschließend habe er circa zwei Jahre als Maler gearbeitet. Im Irak lebten neben seiner Mutter, die erkrankt sei und in einem Flüchtlingslager in Zaxo lebe, ein weiterer Bruder und eine weitere Schwester sowie die gesamte Großfamilie. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Kläger im Wesentlichen an, dass die Terrormiliz des Islamischen Staates (im Folgenden: IS) sein Dorf erobert habe und er seitdem nichts mehr besitze. Für die geflüchteten Jesiden sei die Situation in dem Flüchtlingslager unbefriedigend, da es im Sommer heiß und im Winter kalt sei. Die Menschen würden unter den schlechten Bedingungen leiden. Er selbst sei im Irak weder bedroht, verletzt noch vertrieben worden. Trotzdem könne er als Jeside nicht mehr im Irak leben, da die Bevölkerung die Jesiden grundlos hasse. Er wisse nicht, warum dies so sei. Es seien jedenfalls fremde Leute, die er nicht kenne und die er auch nicht gesehen habe. Er selbst sei nicht sehr religiös und lebe seinen Glauben auch nicht offen aus. Für diejenigen, die Jesiden hassten, sei es nicht erkennbar, dass er Jeside sei und sie würden dies auch nicht erfahren. Allerdings bedrohten diese Menschen bestimmte Dörfer in bestimmten Regionen. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben. Er habe ebenso wie die übrigen Jesiden kein Zuhause mehr und sei gezwungen, in einem Flüchtlingslager zu leben. Das Elternhaus, in dem er vor seiner Flucht gelebt habe, sei zwar nicht zerstört worden, allerdings wisse er nicht, wer dort jetzt wohne. Auf die weiteren Ausführungen des Klägers (Bl. 72 ff. der Asylakte) wird Bezug genommen.

4

Mit Bescheid vom 9. Januar 2017 erkannte die Beklagte die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1 des Bescheids), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2 des Bescheids), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4 des Bescheids). Des Weiteren forderte sie den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Ziffer 5 des Bescheids). Überdies befristete sie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Vortrag des Klägers, wonach er als Jeside verfolgt werde, sei zu allgemein. Auch auf Nachfrage habe er nicht angegeben, persönlich bedroht, verletzt oder vertrieben worden zu sein. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass er ausgeführt habe, dass für seine Leute schwere Lebensbedingungen im Irak und in den Flüchtlingslagern herrschten und dass seine Mutter krank sei. Denn auch aus diesen sehr allgemein geschilderten Lebensbedingungen ergebe sich weder eine Verfolgungshandlung noch ein Verfolgungsakteur. Eine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden aufgrund seiner Religion oder Volkszugehörigkeit folge auch nicht aus seinem übrigen Vortrag. Denn er habe angegeben, nicht sehr religiös zu sein und seine Religion nicht auszuleben, so dass auch niemand mitbekomme, dass er Jeside sei, was man ihm auch nicht äußerlich ansehe. Dem stehe nicht entgegen, dass der IS das Heimatdorf des Klägers eingenommen habe, da der Kläger bereits nach seinen eigenen Angaben landesintern Schutz im Irak gefunden habe und er seit dem Verlassen seines Elternhauses nicht bedroht, verletzt oder vertrieben worden sei. Im Übrigen scheide die Gewährung von Flüchtlingsschutz bereits deshalb aus, weil es dem Kläger zugemutet werden könne, Schutz in den nichtumkämpften Landesteilen des Irak zu suchen. Die Gesamtbetrachtung seiner Lebensumstände und individuellen Voraussetzungen lasse zudem erwarten, dass er als gesunder arbeitsfähiger junger Mann in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums sicherstellen zu können. Die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter lägen ebenfalls nicht vor. Des Weiteren seien auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht gegeben, denn der Vortrag des Klägers sei auch insofern nicht glaubhaft. Auch drohe ihm keine ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Dem stehe in seinem Fall darüber hinaus entgegen, dass er neben seiner Mutter noch eine Großfamilie im Irak habe und daher weiterhin dort familiär verwurzelt sei. Auch drohe ihm keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Umstände, die geeignet wären, eine hier zu berücksichtigende Gefährdung begründen zu können, seien nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sei im vorliegenden Fall angemessen. Auf die weiteren Gründe des Bescheids (Bl. 83 ff. der Asylakte) wird Bezug genommen.

5

Am 27. Januar 2017 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass ihm als Jeside aus dem Sindschar-Gebirge die Flüchtlingseigenschaft als Gruppenverfolgter zugesprochen werden müsse. Dies folge daraus, dass die Islamisten hunderttausende Jesiden vertrieben und tausende von ihnen entführt und ermordet hätten. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei er – wie alle Jesiden – im Irak nicht sicher vor Verfolgung. Es sei den Jesiden nicht möglich, im Irak ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sie seien schweren Diskriminierungen durch die moslemische Bevölkerung ausgesetzt. Ihre Produkte würden von Muslimen nicht gekauft werden, da sie nach deren Auffassung unrein seien. Die Jesiden seien – ebenso wie die Christen – wegen dieser Alternativlosigkeit gezwungen, in der Gastronomiebranche zu arbeiten und Alkohol zu verkaufen. Allerdings führe dies regelmäßig dazu, dass sie von Islamisten getötet würden, da Alkoholkonsum und -verkauf nach dem Islam verboten seien. Der Kläger könne im Irak sein wirtschaftliches Existenzminimum jedenfalls nicht sichern.

6

Der Kläger beantragt,

7
1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Januar 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
8
2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die nationalen Abschiebeverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
9

Aus dem Schriftsatz vom 19. Juli 2017 geht der Antrag der Beklagten hervor,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung ihres Antrags bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.

12

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2018 persönlich angehört worden. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie auf die Asylakte des Bundesamts Bezug genommen, welche ebenso zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde wie die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilten Erkenntnisquellen.

Entscheidungsgründe

I.

14

Der Entscheidung steht nicht entgegen, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war. Hierauf ist sie gemäß § 102 Abs. 2 VwGO mit der Ladung hingewiesen worden.

II.

15

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

16

Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylG (hierzu unter 1.) oder des Status als subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (hierzu unter 2.). Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (hierzu unter 3.). Die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden (hierzu unter 4. und 5.). Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

17

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

18

Einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen (vgl. § 3 Abs. 4 AsylG). Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 560; im Folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention [GFK]), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 1) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2).

19

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung unterschiedlicher Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).

20

Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Der Schutz vor Verfolgung muss nach § 3d Abs. 2 AsylG wirksam und darf nicht nur vorübergehend sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

21

Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).

22

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, juris Rn. 19). Dieser Maßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, juris Rn. 32 m.w.N.).

23

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 337 v. 20.12.2011, S. 9; im Folgenden: Richtlinie 2011/95/EU) ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Dies entspricht dem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedanken, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. v. 2.7.1980, 1 BvR 147/80, juris; dem folgend u. a. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5/09, juris). Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Sie misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung bei und begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei der Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden, und entlastet sie von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich die vorverfolgungsbegründenden oder einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in ihr Heimatland erneut realisieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, a.a.O.).

24

Gemessen an diesen Vorgaben ist der Kläger kein Flüchtling. Ihm droht im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion im Irak nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe.

25

a. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU greift im Fall des Klägers nicht ein.

26

Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger kurdischer Volks- und jesidischer Religionszugehörigkeit ist und aus dem Dorf Tel Benat, Distrikt Sindschar, Provinz Ninive stammt. Daran hat auch die Beklagte keine Zweifel. Im Übrigen ergibt sich dies sowohl aus den in der Asylakte befindlichen Ausweisdokumenten als auch aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Wenngleich er nicht in der Lage war, seine Heimatregion auf einer Karte zu zeigen, da diese nicht in arabischer Schrift war, konnte er diese zumindest geographisch hinreichend bestimmen. Denn er hat dargelegt, dass sich sein Heimatdorf Tel Benat circa zwölf Kilometer südlich der Stadt Sindschar befinde und zwischen den Dörfern Gasr (östlich), Khilo (westlich) sowie Sibaa (südlich) liege. Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sich sein Heimatdorf in dem Distrikt Qairawan befinde, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, da es sich dabei nach den Erkenntnismitteln des Gerichts lediglich um eine weitere regionale Untergliederung innerhalb des Distrikts Sindschar handeln dürfte. Daneben hat der Kläger detaillierte Angaben zu seinem Leben in Tel Benat gemacht (Wohnsituation, Ausbildung, Familie, Beruf). Weiter geht das Gericht davon aus, dass er sein Heimatdorf am Morgen des 3. August 2014 fluchtartig verlassen hat, um sich vor dem herannahenden IS in Sicherheit zu bringen. Der Kläger hat den Geschehensablauf zu seiner Flucht anschaulich und detailliert dargelegt. Im Übrigen entspricht das von ihm geschilderte Fluchtschicksal in zeitlicher und in tatsächlicher Hinsicht den Erkenntnissen des Gerichts zum Einmarsch des IS in die Provinz Ninive.

27

Zwar dürfte der Kläger auf dieser Grundlage insoweit von einer Verfolgung durch den IS wegen seines jesidischen Glaubens zumindest unmittelbar bedroht gewesen sein, da der IS nach den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismitteln im Sommer 2014 zügig in den nördlichen, an die Provinz Dohuk grenzenden Teil der Provinz Ninive vorstieß und in den eingenommenen Dörfern Jesiden hingerichtet, versklavt, misshandelt und entführt hat (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016), 7.2.2017 – im Folgenden: Lagebericht 2017 –, S. 12; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Siedlungsgebiete und Lage der JesidInnen, 2.2.2017).

28

Allerdings ist die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU, dass eine Vorverfolgung oder eine frühere unmittelbare Bedrohung durch Verfolgung ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, im Fall des Klägers widerlegt. Für die Widerlegung dieser Vermutung ist es erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5/09, juris Rn. 23). Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU bezieht sich insoweit nur auf eine zukünftig drohende Verfolgung. Maßgeblich ist danach, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.2011, 10 B 32/11, juris Rn. 7). Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU kann durch stichhaltige Gründe selbst dann widerlegt sein, wenn im Herkunftsland keine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des vom Bundesverwaltungsgericht früher verwendeten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, a.a.O.). Zur Entkräftung der Beweiserleichterung ist daher nicht erforderlich, dass die Wiederholung einer Verfolgungsmaßnahme mit der nach diesem Maßstab geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. zum früheren herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab etwa BVerfG, Beschl. v. 2.7.1980, 1 BvR 147/80, juris Rn. 54; BVerwG, Urt. v. 2.8.1983, 9 C 599/81, juris Rn. 11).

29

Solche stichhaltigen Gründe liegen hier zur Überzeugung der Kammer vor. Denn die Lage im Irak hat sich zwischenzeitlich jedenfalls insoweit grundlegend verändert, als dass der IS zumindest in der Provinz Ninive und insbesondere in dem Distrikt Sindschar – der Herkunftsregion des Klägers – keine quasi-staatliche Macht im Sinne von § 3c Nr. 2 AsylG mehr ausübt (vgl. hierzu auch VG Hamburg, Urt. v. 12.1.2018, 8 A 3019/16, n.v., UA S. 14). Der IS hat sein Einflussgebiet zuletzt sogar im gesamten Irak fast vollständig verloren. So wurden im November 2017 die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert (vgl. nur Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, Stand: 23.11.2017, S. 8 m.w.N.). Die Großstadt Mossul wurde im Juli 2017 befreit (vgl. ebenda, S. 56). Die Städte Sindschar und Ramadi wurden sogar bereits Ende 2015 zurückerobert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2015), 18.2.2016 – im Folgenden: Lagebericht 2016 –, S. 7, 9) und stehen nunmehr – wie auch die anderen Distrikte der Provinz Ninive – unter der Kontrolle der irakischen Zentralregierung beziehungsweise der ihr unterstehenden Popular Mobilization Forces (PMF) (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, Stand: 23.11.2017, S. 18 m.w.N.; https://isis.liveuamap.com/). Allein das Wüstengebiet nördlich der Städte Al-Qaim, Ana und Rawa – an der Grenze der Provinzen Anbar und Ninive – war zuletzt noch unter der Kontrolle des IS. Mit den Gebietsverlusten hat dieser auch wesentliche Einnahmen, insbesondere aus Ölquellen, verloren (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, Stand: 23.11.2017, S. 47). Dass der IS angesichts dieser Entwicklung nochmals nach Norden vorstoßen und in wesentlichen Teilen des Nordiraks Fuß fassen könnte, erscheint unwahrscheinlich. Zwar ist insoweit nicht zu verkennen, dass die territoriale Zurückdrängung des IS nicht zwangsläufig bedeutet, dass alle Kämpfer des IS getötet oder inhaftiert worden sind. Viele Kämpfer, von denen es allein in der Provinzhauptstadt Mossul 40.000 gegeben hat, sind entweder in die Wüste geflohen oder haben sich unter die Zivilbevölkerung gemischt (ebenda, S. 8 m.w.N.). Der IS verübte im gesamten Land Selbstmordattentate und andere Anschläge, bei denen Zivilpersonen verletzt oder getötet wurden (ebenda, S. 57 f.). Auch ist die Sicherheitslage in den vom IS zurückeroberten Gebieten prekär, da diese durch sog. „IEDs“ (improvised explosive devices) und Minen sowie durch Konflikte zwischen Milizen geprägt ist (ebenda, S. 56). Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass es von Seiten untergetauchter IS-Anhänger zu keinerlei Verfolgungshandlungen gegen einzelne Personen mehr kommen kann. Wie in anderen von den irakischen Streitkräften zurückeroberten Gebieten oder in nie vom IS kontrollierten Gebieten dürfte sich der IS im Zuge seiner territorialen Zurückdrängung künftig aber vor allem auf die Verübung terroristischer Anschläge bzw. auf eine asymmetrische Kriegsführung mit verstärkten terroristischen Aktivitäten konzentrieren (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2017), 12.2.2018, – im Folgenden: Lagebericht 2018 –, S. 15). Derartige terroristische Anschläge stellen grundsätzlich keine gezielten Verfolgungsmaßnahmen aufgrund der Religionszugehörigkeit der Opfer dar. Denn dabei handelt es sich vielmehr um eine allgemeine Gefahr für die Bevölkerung, die nicht im Zusammenhang mit der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG steht, sondern bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 29.4.2014, A 4 A 104/14, juris Rn. 32). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist daher nicht davon auszugehen, dass der IS in der Lage ist beziehungsweise in absehbarer Zukunft sein wird, Jesiden – insbesondere in der Region Ninive – systematisch zu verfolgen (im Ergebnis so auch VG Oldenburg, Urt. v. 27.2.2018, 15 A 883/17, juris Rn. 37 ff.; VG Augsburg, Urt. v. 15.1.2018, Au 5 K 17.35594, juris Rn. 40 ff.; VG Karlsruhe, Urt. v. 10.10.2017, A 10 K 1508/17, juris Rn. 29; VG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2017, 20 K 1742.A, juris Rn. 45 ff.; VG Ansbach, Urt. v. 15.9.2017, AN 2 K 16.30525, juris Rn. 15; a.A. – für die Verfolgung von Jesiden in der Provinz Ninive – VG Hannover, Urt. v. 31.1.2018, 6 A 2574/17, n.v., UA S. 10 ff.; VG Oldenburg, Urt. v. 23.8.2017, 3 A 3903/16, juris Rn. 33).

30

Dafür dass von dem IS insofern keine ernstzunehmende Gefahr mehr ausgeht, sprechen auch die Rückkehrbewegungen der Binnenflüchtlinge in die Provinz Ninive sowie in die anderen Provinzen des Iraks. Bereits im Oktober 2017 hat sich die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen von ca. 5,5 Millionen Menschen um 2,3 Millionen Menschen verringert. Dabei waren die Provinzen Anbar, Ninive und Salah Al-Din besonders stark von Vertreibungen betroffen. Etwa 1,2 Millionen Binnenvertriebene halten sich in der Region Kurdistan-Irak auf (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht 2018, S. 5). Neueren Erkenntnissen zufolge hält diese Rückkehrbewegung auch im Jahre 2018 weiter an. Diese betrafen sowohl die Regionen, die Schwerpunkte der militärischen Auseinandersetzung mit dem IS waren – wie etwa Ninive –, als auch die Provinz Bagdad, wo der IS die meisten Terroranschläge verübt hat. Nach Ninive kehrten dabei insgesamt 1.172.448 Millionen Menschen aus den umliegenden Provinzen sowie 89.364 weitere Menschen, die innerhalb Ninives geflohen sind, in ihre Herkunftsregionen zurück (vgl. http://musingsoniraq.blogspot.de/2018/03/number-of-displaced-returning-home.html, veröffentlicht am 8.3.2018).

31

b. Auch unabhängig davon, dass der Kläger sich nicht mit Erfolg auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU berufen kann, droht ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe. Insbesondere unterliegt der Kläger keiner Gruppenverfolgung in Anknüpfung an seinen jesidischen Glauben.

32

Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (sogenannte anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines flüchtlingsrechtlich relevanten Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die Feststellung einer solchen gruppengerichteten Verfolgung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms – eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich relevante Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urt. v. 21.4.2009, 10 C 11/08, juris Rn. 13 ff.; Urt. v. 5.7.1994, 9 C 158/94, juris Rn. 21).

33

Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsland die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3d AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2006, 1 C 15/05, juris Rn. 24).

34

Diese Grundsätze zur Gruppenverfolgung gelten nicht nur für die unmittelbare und mittelbare staatliche Gruppenverfolgung, sondern sind auch auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie durch das AsylG ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.4.2009, a.a.O.; Urt. v. 18.7.2006, a.a.O.).

35

Nach diesem Maßstab ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Gruppenverfolgung von Jesiden durch den IS in der Herkunftsregion des Klägers nicht festzustellen (im Ergebnis ebenso u. a. VG Oldenburg, Urt. v. 27.2.2018, 15 A 883/17, juris Rn. 37 ff.; VG Augsburg, Urt. v. 15.1.2018, Au 5 K 17.35594, juris Rn. 40 ff.; VG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2017, 20 K 1742/17.A, juris Rn. 45 ff.; VG Ansbach, Urt. v. 18.9.2017, AN 2 K 16.31390, juris Rn. 11; für die Provinz Ninive noch offen gelassen: VG Oldenburg, Urt. v. 7.6.2017, 3 A 3731/16, juris Rn. 34; a. A. VG Oldenburg, Urt. v. 23.8.2017, 3 A 3903/16, juris Rn. 33; noch zur Lage vor der Rückeroberung der Städte Mossul und Tel Afar: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 8.3.2017, 15a 5929/16.A, juris Rn. 92 ff.; a. A. noch nach der Befreiung Mossuls mit Blick auf die Verfolgung schabakischer Gläubiger: VG Aachen, Urt. v. 28.8.2017, 4 K 2015/16.A, juris Rn. 72 ff.).

36

Eine Gruppenverfolgung von Jesiden geht in der Herkunftsregion des Klägers auch nicht von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als nichtstaatlichem Akteur aus, wenngleich das Verhältnis von Jesiden und Muslimen mitunter durch Spannungen geprägt ist (vgl. VGH München, Beschl. v. 21.11.2017, 5 ZB 17.31653 und 5 ZB5 ZB 17.31667, juris, jeweils Rn. 14; VG Karlsruhe, Urt. v. 10.10.2017, A 10 K 1508/17, juris Rn. 28; VG Augsburg, Urt. v. 7.9.2017, Au 5 K 17.33860, juris Rn. 32; VG Düsseldorf, Urt. v. 26.7.2017, 20 K 3549/17.A, juris Rn. 32 ff.; VG Köln, Urt. v. 5.7.2017, 3 K 9944/16.A, juris Rn. 39 ff.; VG Oldenburg, Urt. v. 7.6.2017, 3 A 3731/16, juris Rn. 36; VG München, Urt. v. 16.5.2017, M 4 K 16.35324, juris Rn. 17; VG Würzburg, Urt. v. 17.2.2017, W 4 K 16.31618, juris Rn. 16). Den Erkenntnismitteln lässt sich insbesondere für die Region Kurdistan-Irak zwar entnehmen, dass strenggläubige Muslime die Jesiden als Ungläubige schmähen sowie belästigen und die Jesiden darüber hinaus auch auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt und diskriminiert werden (vgl. UK Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Religious minorities, August 2016, 24 f.;Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche vom 20.05.2016 zum Irak: Gesetzliche Lage für die Abkehr vom Islam in der Autonomen Region Kurdistan, Schutzwille der Behörden, S. 3). Daraus ergibt sich aber nicht die nach § 3a AsylG erforderliche Eingriffsintensität beziehungsweise die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte. Denn als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG gelten nur solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder die nach Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Daran fehlt es hier. Denn die Berichte über die Belästigungen und Diskriminierungen, denen die Jesiden teilweise ausgesetzt sind, bleiben vereinzelt und lassen insbesondere keine flächendeckenden und menschenrechtswidrigen Handlungen erkennen, was für die Annahme einer Gruppenverfolgung aber erforderlich wäre. Gegen eine Verfolgungsgefahr sprechen darüber hinaus wie unter II. 1. a. bereits dargelegt auch die Rückkehrbewegungen der Binnenflüchtlinge in die Provinz Ninive.

37

2. Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter.

38

Ein Ausländer ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

39

Nach der Gesetzesbegründung soll § 4 AsylG die Art. 15 und 17 der Richtlinie 2011/95/EU umsetzen (vgl. BT-Drs. 17/13052, S. 20), wobei § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG auch die Definition aus Art. 2 lit. f) der Richtlinie 2011/95/EU aufgreift, wonach einem Drittstaatsangehörigen der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU zu erleiden. Der in dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe…“ enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR). Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk"; vgl. nur EGMR, Urt. v. 28.2.2008, Nr. 37201/06, NVwZ 2008, 1330, Rn. 125 ff.); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5/09, juris Rn. 22). Dieser Maßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Gefahr eines ernsthaften Schadens sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, juris Rn. 32 – zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG). Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einem solchen ernsthaften Schaden unmittelbar bedroht war, ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einem solchen Schaden bedroht wird.

40

Gemessen an diesen Vorgaben erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht.

41

a. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht dem Kläger weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Soweit sich der Kläger auf eine Bedrohung aufgrund seiner jesidischen Religionszugehörigkeit berufen hat, gelten insoweit die obigen Ausführungen entsprechend, wobei an die Stelle der Verfolgung bzw. der begründeten Furcht vor Verfolgung die Gefahr eines ernsthaften Schadens bzw. die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens tritt.

42

b. Auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist im Fall des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich.

43

Dabei ist der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung der in Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 auszulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, 10 C 43/07, juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z. B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken. Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.7.2009, 10 C 9/08, juris Rn. 17; Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15/12, juris Rn. 13). Auch der Europäische Gerichtshof spricht in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2009 vom "tatsächlichen Zielort" des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (C-465/07, juris Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.7.2009, 10 C 9/08, juris Rn. 17). Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt begründet ein Abschiebungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aber nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und keine innerstaatliche Schutzalternative besteht. Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 17.2.2009, a.a.O.). Eine solche Bedrohung kann vielmehr auch dann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betroffene Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch die Anwesenheit im Gebiet des Landes oder in dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei hebt der Europäische Gerichtshof hervor, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Anspruch auf subsidiären Schutz besteht, umso geringer ist, je mehr der Betroffene belegen kann, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Hieraus folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 4/09, juris Rn. 33). Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen – z. B. als Arzt oder Journalist – gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund deren der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Dabei können für die Bemessung der Gefahrendichte die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, a.a.O.). Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass jedenfalls ein Risiko von 1:800 bzw. 0,125%, in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass selbst eine wertende Gesamtbetrachtung eine individuelle Bedrohung nicht mehr zu begründen vermag (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, 10 C 13/10, juris Rn. 22 f.).

44

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und nach Auswertung der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlungen gemachten Erkenntnismittel besteht nach Auffassung der Kammer in der Region Ninive kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Dies folgt bereits daraus, dass der IS durch die irakischen Streitkräfte – wie dargelegt – landesweit fast vollständig zurückgedrängt wurde. Dem steht nicht entgegen, dass Anhänger des IS weiterhin Selbstmordattentate und andere Anschläge verüben. Denn bei diesen sicherheitsrelevanten Vorfällen – toten und verletzten Zivilpersonen – handelt es sich um Einzelfälle; jedenfalls haben sie aber kein derartiges Ausmaß erreicht, dass sie als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Sicherheitslage in den vom IS zurückeroberten Gebieten mitunter prekär ist, da auch insofern die Voraussetzungen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht vorliegen. Ein solcher kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil die türkische Luftwaffe im April 2017 im Sindschar-Gebirge gezielt Stellungen der als Terrororganisation eingestuften kurdischen Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) bombardiert hat, wobei auch ein Ausbildungslager der jesidischen YBS-Milizen zerstört worden sein soll (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017, unter Verweis auf eine Meldung von Euronews vom 27. April 2017). Denn dabei handelt es sich um einen Konflikt, der nur zwischen den türkischen Sicherheitskräften einerseits und der PKK sowie der ihnen nahestehenden YBS-Milizen andererseits besteht. Auch wenn es bei diesen Luftangriffen zu Todesopfern – mindestens auch einem zivilen – gekommen sein soll (vgl. ebenda), ist auch insofern die Schwelle im Hinblick auf Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts nicht ausreichend, um einen innerstaatlichen Konflikt annehmen zu können.

45

Aber selbst wenn – wovon die Kammer nicht überzeugt ist – ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneten Konflikt im Irak landesweit oder in der Provinz Ninive bestehen sollte, kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht. Denn der Grad willkürlicher Gewalt hat zumindest kein so hohes Niveau erreicht bzw. hat kein so hohes Niveau mehr, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in den Irak oder in die betroffene Region – vorliegend Ninive – allein durch seine Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die Zahlen in Bezug auf getötete oder verletzte Zivilisten sind nämlich sowohl landesweit als auch in Ninive nach der Zurückdrängung des IS stark rückläufig. Gab es nach den Aufzeichnungen der UN im Februar 2017 landesweit noch 392 getötete (Oktober 2014: 1.089) und 613 verletzte (Oktober 2014: 2.074) Zivilisten, wurden im Februar 2018 von der UN landesweit „nur“ noch 91 getötete und 208 verletzte Zivilisten verzeichnet, nachdem diese auch in den Vormonaten bereits deutlich gesunken waren. Die insgesamt 299 sicherheitsrelevanten Vorfälle ereigneten sich überdies hauptsächlich in den Provinzen Bagdad (49 getötete und 146 verletzte Zivilisten), Anbar (14 getötete und 37 verletzte Zivilisten) und Diyala (12 getötete und 11 verletzte Zivilisten) (vgl. http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en). Nach den für jede Provinz gesondert ausgewiesenen Zahlen von Joel Wing, einem Blogger, der regelmäßig über die Zahl der Konfliktbetroffenen im Irak berichtet, gab es in der Provinz Ninive demgegenüber im Februar 2018 zwar insgesamt 427 getötete und neun verletzte Zivilisten und damit deutlich mehr als von der UN ermittelt. Allerdings resultiert diese vergleichsweise hohe Anzahl aus der Einberechnung von in Massengräbern gefundenen Leichen; so wurden im Februar 2018 in fünf Massengräbern insgesamt 347 getötete Personen in der Provinz Ninive gefunden, so dass letztlich von nicht mehr als 80 Getöteten ausgegangen werden kann (vgl. http://musingsoniraq.blogspot.de/2018/03/643-deaths-256-wounded-feb-2018-in-iraq.html). Ein ähnliches Bild vermitteln die Zahlen der von einer britischen Nichtregierungsorganisation betriebenen Datenbank Iraq Body Count. Danach sind im Februar 2018 im Irak insgesamt 410 Zivilisten getötet worden, wobei auch die in Massengräbern gefundenen Leichen berücksichtigt wurden. Auf die Provinz Ninive entfielen dabei insgesamt 173 getötete Zivilisten, davon 145 Leichen aus Massengräbern, so dass danach insgesamt von 28 Getöteten im Februar 2018 auszugehen ist (vgl. https://www.iraqbodycount.org/database/recent/0/).

46

Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in die Provinz Ninive allein durch ihre Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein, derzeit nicht erreicht ist. Denn unter Zugrundelegung der Zahlen der UN und insbesondere der von Joel Wing sowie der von Iraq Body Count aber auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nicht alle getöteten und verletzten Zivilpersonen gezählt werden, ist schätzungsweise davon auszugehen, dass derzeit in Ninive pro Monat wahrscheinlich nicht mehr als 100 Zivilpersonen getötet oder verletzt werden. Pro Jahr ist daher von nicht mehr als 1.200 solcher Vorfälle auszugehen. Stellt man diese der Einwohneranzahl Ninives gegenüber, die nach den Erkenntnissen des Gerichts bei ungefähr 3,2 Millionen liegt (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and humanitarian situation, März 2017, S. 12; https://de.wikipedia.org/wiki/Ninawa mit Stand 2010), beträgt das Risiko, als Zivilperson in Ninive entsprechend betroffen zu sein, etwa 0,0375% (1.200 / 3.200.000 Einwohner x 100). Dies ist auf Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt.

47

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Iraks.

48

a) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor.

49

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.11.1997, 9 C 13.96, juris) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse). Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich weitgehend identisch mit dem des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG knüpft – wie dargelegt – an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. In Fällen, in denen – wie hier – gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet daher bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15/12, juris Rn. 36).

50

Dies zugrunde gelegt, begründen die Verbürgungen der EMRK im Fall des Klägers kein Abschiebungsverbot. Insbesondere verstieße eine Abschiebung des Klägers in Herkunftsland nicht gegen Art. 3 EMRK. Insoweit wird zunächst auf die obigen Ausführungen unter II. 2. a. Bezug genommen. Auch die humanitären Verhältnisse im Irak führen nicht zu der Annahme, dass eine Abschiebung des Klägers in sein Heimatland gegen Art. 3 EMRK verstieße.

51

Ein Ausländer kann kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung seine Lage einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung des EGMR allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Nur in besonderen Ausnahmefällen können humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. EGMR, Urt. v. 27.5.2008, Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334, Rn. 42). Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (vgl. EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/06, NVwZ 2011, 413, Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die – in einem ihnen völlig fremden Umfeld – vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259). Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR. In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 (Nr. 8319/07, NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (vgl. Urt. v. 21.11.2011, a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f. – zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15/12, juris Rn. 23 ff.).

52

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und unter Auswertung der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, dass für den Kläger im Fall seiner Abschiebung in den Irak aufgrund der dortigen humanitären Verhältnisse das ernsthafte Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestehen würde. Die Kammer lässt dabei ausdrücklich offen, ob dem Kläger derzeit eine Rückkehr in seine Herkunftsregion, dem Dorf Tel Benat, Distrikt Sindschar, Provinz Ninive wegen der gegenwärtigen Situation in der Provinz Ninive zumutbar ist. Denn er kann jedenfalls darauf verwiesen werden, in der Region Kurdistan-Irak Schutz zu suchen.

53

Nach den Erkenntnismitteln besteht im gesamten Irak eine angespannte humanitäre Situation. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes zur Lage im gesamten Land kann der irakische Staat die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über 4 Millionen der 36 Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 und 2016 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt worden sind. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Die Lebensbedingungen von 57% der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums. Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Schon im Juni 2013 sind vier Millionen Iraker unterernährt gewesen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (2,-- US-Dollar/Tag). In den vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht 2017, S. 22).

54

Die Provinz Ninive stellte eines der Hauptkampfgebiete im Krieg gegen den IS dar (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Weite Teile der Städte und Gemeinden sind zerstört worden, wobei die Städte Mossul und Sindschar besonders stark betroffen gewesen sind, die Distrikte Akre und Al-Shikan demgegenüber keine kriegsbedingten Zerstörungen aufweisen (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Indes variieren die Angaben zum Umfang und zum Ausmaß der Zerstörungen insbesondere für den Distrikt Sindschar aufgrund der unzureichenden Erkenntnismöglichkeiten und unvollständigen Informationslage. Einem Bericht der jesidischen Organisation Yazda von September 2017 zufolge, der auf die Einschätzung des Bürgermeisters von Sindschar Bezug nimmt, sei die Stadt Sindschar zu 80-85% zerstört (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017). Demgegenüber beziffert die Internationale Organisation für Migration (IOM) die Zerstörung Sindschars bezogen auf Wohnhäuser auf ca. 70%, wobei der Zerstörungsgrad weit überwiegend nur 1-25% betrage (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Daneben seien aber auch weite Teile der Infrastruktur infolge des Krieges zerstört worden. Die Wasserversorgung sei zu 12%, die Stromversorgung sei zu 11%, die Straßen seien zu 6%, das Mobilfunknetz sei zu 3% und die Kanalisation sei zu 3% zerstört worden (vgl. ebenda, S. 22; wobei einschränkend klargestellt wird, dass nur 71% der Flächen in Augenschein genommen werden konnten und tatsächlich deutlich mehr Infrastruktur zerstört sein dürfte).

55

Neben diesen Zerstörungen stellt die Bedrohung durch Sprengfallen und Landminen ein weiteres Problem dar, das Hilfslieferungen und Wiederaufbau erschwert (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017, unter Verweis auf einen Bericht von Yazda aus dem September 2017; IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Die Internationale Organisation für Migration schätzt, dass ungefähr 27% der Flächen Ninives mit Landminen und Sprengfallen versehen worden sind, was den zweithöchsten Wert im Irak darstellt (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Trotz dieser angespannten Lage, bestehe in der Provinz Ninive kein offensichtliches Konfliktrisiko (vgl. ebenda, S. 23). Das danach einzig in dem Distrikt Sindschar bestehende niedrige Konfliktrisiko (low risk, 2.25), das auf die Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den Peschmerga zurückzuführen ist (vgl. ebenda, S. 23), dürfte aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten – weitgehend kampflosen – Machtübernahme der durch die Peschmerga besetzten Gebiete durch die irakische Zentralregierung beziehungsweise die für diese agierenden PMF nicht mehr gegeben sein.

56

Gleichwohl liegen trotz dieser schwierigen Situation keine Erkenntnisse über Hunger leidende Menschen in der Provinz Ninive vor. Den neueren Erkenntnismitteln kann – wie bereits dargelegt – trotz der angespannten Lage eine zunehmende Rückkehrbewegung nach Ninive entnommen werden. Die Organisation Yazda berichtete hierzu im September 2017 für den Zeitraum Juli/August 2017 von täglich 60 bis 120 Rückkehrer-Familien in die Region Sindschar, wobei diese aufgrund des Mangels an bewohnbaren Häusern und Infrastruktur weiterhin mit gravierenden Hindernissen konfrontiert gewesen seien (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017). Die Internationale Organisation für Migration berichtet mit Stand Oktober 2017 davon, dass die Anzahl der Rückkehrer (267.690 Menschen) die der Flüchtlinge (192.366 Menschen) in Ninive übersteigt, wobei sich die Anzahl der Flüchtlinge im Vergleich zum Vorjahr 2016 fast halbiert hat (minus 48%) (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 21). Aus dem Distrikt Sindschar sind zwar weiterhin 1.846 Menschen flüchtig, allerdings steht denen eine Anzahl von 4.468 Rückkehrern gegenüber (vgl. ebenda, S. 21). Einem aktuellen Bericht von Joel Wing zufolge sind im Zeitraum von Januar bis Februar 2018 in die Provinz Ninive bereits 1.172.448 Menschen zurückgekehrt (vgl. http://musingsoniraq.blogspot.de/2018/03/number-of-displaced-returning-home.html, veröffentlicht am 8.3.2018). Diese kontinuierlich wachsende Anzahl an Rückkehrern lässt nicht den Schluss zu, dass die humanitären Bedingungen nach der Befreiung von dem IS unzumutbar sind.

57

Über die östlich an die Provinz Ninive angrenzende Region Kurdistan-Irak lässt sich den Erkenntnismitteln entnehmen, dass diese in Anbetracht der Veränderungen der letzten Jahre nicht mehr als wirtschaftlich prosperierend bezeichnet werden kann. Neben der dort herrschenden Finanzkrise gilt es auch die Versorgung der dort aufgenommenen (Binnen-) Flüchtlinge zu bewältigen. Die mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge allein seit Anfang 2014 und die 250.000 syrische Flüchtlinge haben nicht nur zu einer kritischen humanitären Versorgungslage der Flüchtlinge geführt (vgl. hierzu eingehend Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 52 ff.; UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and humanitarian situation, März 2017, S. 33 ff.). Auch die lokale Bevölkerung wird durch die Bevölkerungszunahme in Bezug auf die Verteilung von Ressourcen, der stärkeren Konkurrenz um Arbeit und dem daraus entstehenden Druck auf die die Löhne und damit das Haushaltseinkommen belastet (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, IRAK: Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region, 28.3.2015, S. 2; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, 24.8.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 23.11.2017, S. 117 f.).

58

Mehr als ein Zehntel der Bevölkerung der Region lebt unter der Armutsgrenze. Bis zu 680.000 Personen der geschätzten 5,5 Millionen Einwohner der Region leben von weniger als 87,-- US-Dollar pro Monat, die nach Weltbank-Standard als Armutsgrenze für den Irak und die Region Kurdistan festgelegt worden ist. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit 2010 beinahe verdreifacht. Sie ist von zunächst 4,8% angestiegen und wird mit zuletzt 14% im September 2016 berichtet. Wahrscheinlich ist sie aber wesentlich größer (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen, 17.5.2017). Bei Frauen liegt sie bei 29,4% gegenüber 9,7% bei Männern (ebenda). Fast 2% der Bevölkerung der Region Kurdistan-Irak verfügen über nicht ausreichend Geld, um sich regelmäßig drei Mahlzeiten am Tag zu leisten. Allerdings gibt es ein staatlich subventioniertes Lebensmittelverteilungssystem, wonach jeder im Irak ansässige Einwohner ein Anrecht auf monatliche Rationen hat. Das Lebensmittelverteilungssystem ist seit einigen Jahren in Schwierigkeiten, da es sehr teuer und von schlechter Organisation und mangelnder Transparenz entlang der Versorgungswege gekennzeichnet ist. In der Provinz Dohuk gibt es aber beispielsweise 1.400 Lebensmittelausgabestellen. Das World Food Programme unterstützt das Lebensmittelverteilungssystem in der Region Kurdistan seit 1996. Hilfsorganisationen arbeiten daran, die Versorgungslücken zu füllen, um die Bevölkerung zu versorgen. Trotz Verzögerungen einiger Lebensmittelkörbe funktioniert das System relativ gut in Duhok und Sacho (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen, 17.5.2017).

59

Ungeachtet der seit einigen Jahren andauernden ökonomischen Herausforderungen wird ausdrücklich berichtet, dass es in der Region Kurdistan-Irak keinen Hunger und keine Mangelernährung gibt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge v. 21.7.2017, S. 3; Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 113). Die medizinische Versorgung ist in den großen Städten der Region Kurdistan-Irak gut und auf dem Land ist eine medizinische Grundversorgung vorhanden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Ansbach v. 12.6.2017, S. 2).

60

Legt man diese Erkenntnismittellage zugrunde und geht zugunsten des Klägers davon aus, dass die dargestellten humanitären Bedingungen im Irak überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen mit der Folge, dass die Frage maßgeblich ist, ob der Kläger im Fall seiner Abschiebung in der Lage wäre, seine elementaren Bedürfnisse – wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft – zu befriedigen, steht eine mangelnde Fähigkeit des Klägers im vorgenannten Sinne nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Zwar spricht vieles dafür, dass der Kläger in der Provinz des zuletzt von ihm bewohnten Dorfes Tel Benat, Distrikt Sindschar, Provinz Ninive aufgrund der vielfach zerstörten Häuser und Infrastruktur sowie den Versorgungsengpässen wahrscheinlich mit beträchtlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein würde, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Allerdings bedarf dies vorliegend keiner Entscheidung, sondern kann dahinstehen. Denn der Kläger ist jedenfalls darauf zu verweisen, sich in der nahe gelegenen Region Kurdistan-Irak niederzulassen. Die Kammer ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere aufgrund der Angaben des Klägers im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren sowie des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung, nicht zu der Überzeugung gelangt, dass es ihm im Falle seiner Niederlassung in der Region Kurdistan-Irak nicht möglich sein würde, seinen Lebensunterhalt zumindest so weit zu sichern, dass ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger nicht in der Lage sein würde, sein Existenzminimum dort zu sichern bzw. dass es ihm dort nicht gewährleistet wird.

61

Der Großteil der Familie des Klägers befindet sich derzeit in der Region Kurdistan-Irak, da diese – entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung – mit ihm vor dem herannahenden IS geflohen sei und mit ihm in dem Flüchtlingslager in Qadiya gewohnt habe. Es kann daher erwartet werden, dass er die von ihm benannten Verwandten im Falle einer Rückkehr kontaktiert. Aber selbst für den Fall, dass ihm in der Region Kurdistan-Irak durch seine Familie keine Unterstützung zuteilwird, ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er dort nicht durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Arbeitseinkommen erzielen wird und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums wird finanzieren können. Denn der Kläger ist 25 Jahre alt und damit im arbeitsfähigen Alter. Körperliche Einschränkungen hat er nicht geltend gemacht, insoweit bestehen auch keine Anhaltspunkte. Zudem ist er kurdischer Volkszugehörigkeit und spricht Kurmanci. Er hat darüber hinaus nach eigenen Angaben zwölf Jahre in Tel Benat die Schule besucht und das Abitur erlangt. Daneben hat er angegeben, bis zu seiner Flucht vor dem IS das Studienfach Geographie an der Fakultät in Al Hamdami begonnen zu haben. Darüber hinaus verfügt er nach eigenen Angaben auch über handwerkliche Berufserfahrung, da er ausgeführt hat, auf Baustellen gearbeitet und neben allgemeinen Hilfs- auch Malerarbeiten durchgeführt zu haben. Diese Erfahrungen können dem Kläger auf dem Arbeitsmarkt in der Region Kurdistan-Irak weiterhelfen. Wenngleich derzeit noch keine vertiefte Sozialisierung in der Region Kurdistan-Irak gegeben sein dürfte, so kann der Kläger jedenfalls auf sein dort befindliches familiäres Netzwerk zurückgreifen. Schließlich wird der Kläger als kurdischer Volkszugehöriger auch sicher und legal in die Region Kurdistan-Irak einreisen und seinen Aufenthalt dort nehmen können, jedenfalls in der Region Dohuk (vgl. UNHCR, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA), 12. April 2017, S. 8; ferner VG Berlin, Urt. v. 4.5.2017, 22 K 91/17 A, juris Rn. 38 ff.). Denn anders als Araber und Turkmenen benötigt der Kläger als kurdischer Jeside keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern kann ohne Beschränkungen und Auflagen – wie etwa der Stellung eines Bürgen („sponsor“) – dort einreisen und seinen Aufenthalt nehmen (vgl. ebenda, S. 8).

62

Sollte der Kläger mangels verfügbaren Wohnraums – erneut – gezwungen sein, sich (vorübergehend) in einem Flüchtlingslager niederzulassen, ist dies unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts nicht unzumutbar i.S.d. Art. 3 EMRK (so unter anderem auch VG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2017, 20 K 1742/17.A, juris 79 ff.). Dass die Lage in den Flüchtlingslagern schwierig ist, macht sie nicht menschenunwürdig. Den Erkenntnismitteln kann nicht entnommen werden, dass es dort an dem für ein menschenwürdiges Leben Erforderlichen mangelt. Es liegen insbesondere keine Erkenntnisse zu fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten, flächendeckenden Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung oder zu hygienisch unhaltbaren Zuständen vor (vgl. zur allgemeinen Situation und Ausstattung der Flüchtlingslager unter anderem Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 115 f.). Im Übrigen hat der Kläger zu dem von ihm bewohnten Flüchtlingslager in Quadiya in der Region Kurdistan-Irak in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er dort – beengt – in Wohncontainern mit seiner Familie gelebt habe. Eine Versorgung mit Lebensmitteln wie Reis, Mehl und weißen Bohnen sei durch Hilfsorganisationen ebenfalls erfolgt. Dabei hat er nicht dargelegt, dass seine Familie oder er unter Hunger gelitten hätten. Ergänzend hat der Kläger zu der medizinischen Versorgung in dem von ihm bewohnten Flüchtlingslager zwar ausgeführt, dass es dort eine Art Arztassistent gegeben hätte, der den Bewohnern aber nur „Kopfschmerztabletten“ gegeben hätten. Daneben habe es in der nahe gelegenen Stadt Dohuk aber auch zwei Ärzte gegeben, deren Inanspruchnahme er sich allerdings nicht habe leisten können. Indes folgt auch hieraus keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Klägers. Dieser hat keine gesundheitlichen Einschränkungen geltend gemacht und solche sind auch nicht ersichtlich.

63

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.

64

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.

65

Der bei der Bestimmung einer erheblichen konkreten Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegende Prognosemaßstab entspricht dem allgemeinen asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit; beachtlich ist die Wahrscheinlichkeit, wenn die für die Annahme einer Gefahr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen, eine theoretische Möglichkeit reicht hierzu nicht aus (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.1.2005, 8 A 1242/03.A, juris Rn. 37 ff. m.w.N.).

66

Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen droht dem Kläger in seinem Heimatland nicht. Diesbezüglich ist nichts vorgetragen worden. Auch anderweitige Anhaltspunkte bestehen nicht.

67

Ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich letztlich auch nicht aus der humanitären Lage oder aus der allgemeinen Sicherheitslage im Irak. Insoweit handelt es sich um allgemeine Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, welche grundsätzlich nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Zwar kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, ausnahmsweise Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und – wie bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK – zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15.12, juris Rn. 38).

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Nach diesen Maßstäben wäre der Kläger im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsland nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

69

4. Die in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes ergangene Abschiebungsandrohung ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen entspricht der gesetzlichen Regelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

70

5. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken. Ermessensfehler i. S. v. § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich.

III.

71

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.