Verwaltungsgericht Köln Urteil, 09. Mai 2014 - 19 K 5305/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die am 17.09.2010 geborene Klägerin zu 1) und der am 20.07.2012 geborene Kläger zu 2) begehren Aufwendungsersatz für eine selbst beschaffte Kinderbetreuung in der L. gemeinnützige UG, N. Str. 00, 00000 L1. . Die L. ist eine staatlich geförderte Kindertageseinrichtung, die gemäß § 20 Abs. 1 KiBiz zu 91% durch staatliche Fördermittel finanziert wird.
3Die Klägerin zu 1) beantragte am 07.12.2010 und der Kläger zu 2) am 28.08.2012 bei der Beklagten, ihnen Betreuungsplätze in einer städtischen Kindertageseinrichtung (Kita) zur Verfügung zu stellen.
4Mit Bescheid vom 05.06.2013 stellte die Beklagte den Klägern zwei Betreuungsplätze in der Kita F. Str. 000, L1. -C. zum 01.08.2013 zur Verfügung. Diese Kita liegt ca. 6,5 km von dem Wohnort der Kläger entfernt.
5Die Kläger erhoben am 13.6.2013 Klage gegen den Zuweisungsbescheid und stellten einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (19 K 3603/13 und 19 L 847/13), da sie die Zuteilung der Plätze wegen der Entfernung vom Wohnort für unzumutbar hielten. Nachdem sie am 11.07.2013 zwei Plätze von der L. angeboten bekommen hatten, erklärten sie die Verfahren am 12.07.2013 für erledigt. Mit Beschlüssen vom 19.07.2013 stellte das Gericht die Verfahren ein.
6Die Kläger werden seit dem 01.08.2013 in der L. in einem Umfang von 45 Wochenstunden betreut. Die Eltern der Kläger werden von der Beklagten gemäß § 23 KiBiz i.V.m. der Elternbeitragssatzung zu monatlichen Elternbeiträgen in Höhe von 341,07 Euro veranlagt. Zusätzlich leisten die Eltern an die L. Zusatzbeiträge; für die Klägerin zu 1) in Höhe von monatlich 93,00 Euro (Ü3) und für den Kläger zu 2) in Höhe von monatlich 123,00 Euro (U3).
7Die Kläger haben am 29.08.2013 Klage erhoben und begehren Aufwendungsersatz ab dem 01.08.2013 in Höhe von monatlich 218,00 Euro.
8Zur Begründung tragen sie vor, dass die Beklagte die ihnen zustehenden Ansprüche auf frühkindliche Förderung gemäß § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII trotz rechtzeitiger Anträge nicht erfüllt habe. Das Förderungsangebot in der Kita F. Straße sei unzumutbar gewesen, da die reine Fahrzeit mit dem Öffentlichen Personennahverkehr im günstigsten Falle je Weg 45 Minuten betrage. Ein Pkw stünde ihnen nicht zur Verfügung. Die Kita F. Str. liege abseits des Weges zu den Beschäftigungsorten der Eltern der Kläger. Der Vater arbeite 3 Tage in der Woche in S. und die übrige Zeit in L1. -L2. . Er könne seine Fahrt zur Arbeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr nicht mit der Beförderung der Kläger zur Kita verbinden. Der Arbeitsplatz der Mutter im Museum L3. in Bonn und an der Uni C1. liege in entgegengesetzter Richtung zur Kita F. Straße. Der Umweg über die Kita sei nicht zumutbar.
9Da die Eltern der Kläger aufgrund ihrer beruflichen Situation auf eine Kinderbetreuung angewiesen gewesen seien, sei ein längeres Abwarten nicht zumutbar gewesen. Die Plätze in der L. wären sonst anderweitig vergeben worden.
10Die Kläger beantragen,
11- 12
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1) die im Zeitraum vom 01.08.2013 bis 31.05.2014 in Höhe von 93,00 Euro monatlich entstandenen Mehrkosten für die Betreuung in der Kindertageseinrichtung L. zu erstatten und dem Kläger zu 2) die im Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 31.05.2014 in Höhe von 123,00 Euro monatlich entstandenen Mehrkosten für die Betreuung in der Kindertageseinrichtung L. zu erstatten,
- 13
2. feststellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die den Klägern zukünftig entstehenden Mehrkosten für die Betreuung in der Kindertageseinrichtung L. zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Beklagte den Klägern eine Förderung in einer in zumutbarer Entfernung gelegenen Kindertageseinrichtung nicht zur Verfügung stellt.
Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie ist der Ansicht, die Ansprüche auf frühkindliche Förderung durch die angebotenen Plätze in der Kita F. Straße erfüllt zu haben. Diese sei vom Wohnort der Kläger mit öffentlichen Verkehrsmitteln in ca. 30 Minuten zu erreichen. Zudem sei es den Klägern zumutbar gewesen, eine Entscheidung in den eingeleiteten gerichtlichen Verfahren auf Zuweisung alternativer Plätze abzuwarten.
17Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage hat keinen Erfolg.
20Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Erstattung der ihnen bis Ende Mai 2014 entstandenen Mehrkosten für die Betreuung in der L. noch auf Feststellung der Zahlungsverpflichtung der Beklagten für die zukünftig anfallenden Mehrkosten.
21Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist § 36a Abs. 3 SGB VIII analog auf jugendhilferechtliche Leistungen, welche die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege betreffen, anzuwenden,
22BVerwG, Urteil vom 12.09.2013 - 5 C 35.12 -, juris Rn. 26 ff.
23Der Analogieschluss ist auf alle Tatbestandsmerkmale, an die § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die Rechtsfolge des Aufwendungsersatzes knüpft, sinngemäß zu erstrecken. Ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für einen selbstbeschafften Kinderbetreuungsplatz besteht danach, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung rechtzeitig über den Bedarf in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat,
24BVerwG, Urteil vom 12.09.2013 - 5 C 35.12 -, juris Rn. 39f., OVG NRW, Beschluss vom 17.03.2014 - 12 B 74/14 -, n.v.
25Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht vollständig erfüllt.
26Zwar haben die Kläger die Beklagte durch ihre Anträge vom 07.12.2010 und 28.08.2012 rechtzeitig über den Betreuungsbedarf in Kenntnis gesetzt.
27Die Beklagte hat den Anspruch auf frühkindliche Förderung auch nicht durch das Angebot von Plätzen in der Kita F. Straße erfüllt. Dieses Angebot war wegen der Entfernung von 6,5 km und der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einer Fahrzeit von 38-42 Minuten bei langsamer Geh- und Umsteigegeschwindigkeit unzumutbar. In städtischen Bereichen des Stadtgebiets der Beklagten ist die Grenze der Zumutbarkeit für Eltern und Kind in der Regel überschritten, wenn die Kita in einer Entfernung von mehr als 5 km (Wegstreckenentfernung) vom Wohnort des Kindes gelegen ist. Jenseits der 5 km-Entfernungsgrenze liegende Einrichtungen sind angesichts der im städtischen Bereich bestehenden Verkehrsdichte für das Kind und die Eltern unzumutbar. Bei pauschalierender Betrachtung werden die Fahrzeiten für das Zurücklegen einer Wegstrecke von mehr als 5 km in städtischen Ballungsräumen – insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten am Morgen und am frühen Abend – in der Regel das zumutbare Maß überschreiten. Ausnahmen von dieser für den innerstädtischen Bereich geltenden pauschalierenden Zumutbarkeitsgrenze können angenommen werden, wenn die Wegstrecke mit vorhandenen öffentlichen Verkehrsmitteln in weniger als 30 Minuten zurückgelegt werden kann,
28vgl. VG L1. , Urteile vom 9.5.2014 - 19 K 4522/13 - und - 19 K 3602/13 -.
29Die Zugrundelegung der langsamen Geh- und Umsteigegeschwindigkeit bei der Fahrplanauskunft der KVB ist vorliegend wegen der gleichzeitigen Beförderung beider Kläger und deren Alter – 3 Jahre und 1 Jahr – angemessen. Der Anspruch auf frühkindliche Förderung wurde auch nicht mit der Inanspruchnahme der Plätze in der L. erfüllt, da die Eltern neben den Elternbeiträgen zusätzliche Betreuungsentgelte zu leisten haben. Eine gleichwertige Form der Tagesbetreuung stellen Angebote nur dar, wenn die Eltern neben den pauschalierten Kostenbeiträgen nach § 90 SGB VIII nicht noch ein zusätzliches Betreuungsentgelt zu entrichten haben,
30vgl. zur Zuzahlungspflicht bei Tagespflegepersonen: OVG NRW, Beschlüsse vom 17.03.2014 - 12 B 74/14 -, und vom 05.02.2014 - 12 B 17/14 -.
31Dem Anspruch auf Erstattung der Selbstbeschaffungskosten steht jedoch entgegen, dass die Kläger ihren Primäranspruch auf Zuweisung von zumutbaren Betreuungsplätzen im Klageverfahren 19 K 3603/13 nicht weiterverfolgt haben und der Zuweisungsbescheid vom 05.06.2013 durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen vom 12.07.2013 und 18.07.2013 bestandskräftig geworden ist.
32Die Kammer hält es aufgrund des Wortlauts der Regelung in § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3b SGB VIII für erforderlich, dass der Leistungsberechtigte die zulässigen Rechtsmittel gegen einen zu Unrecht ablehnenden Bescheid in Anspruch nimmt und damit die Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung verhindert, bevor er sich die begehrte Leistung selbst beschafft. Ist die Bedarfsdeckung während des Rechtsbehelfsverfahrens eilbedürftig, begründet dies die Zulässigkeit einer Selbstbeschaffung, wenn die Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren festgestellt wird,
33vgl. Wiesner, in: ders.(Hrsg.), Kommentar zum SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 36a Rn. 53; Kunkel/Pattar, in: Kunkel, LPK-SGB VIII, 5. Auflage 2014, § 36a Rn. 2.
34Wird die Entscheidung des Jugendhilfeträgers hingegen bestandskräftig, ist der Weg der Selbstbeschaffung wegen des Vorrangs des Primärrechtsschutzes verschlossen,
35Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 36a Rn. 42; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 36a Rn. 30.
36Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes soll und muss ein Leistungsberechtigter grundsätzlich unmittelbar gegen einen als rechtswidrig angesehenen Rechtsakt mit den verfügbaren Rechtsbehelfen vorgehen, wenn er sich dagegen wehren will. Wer von den Rechtsschutzmöglichkeiten keinen Gebrauch macht, kann wegen eines etwaigen, von ihm selbst herbeigeführten Rechtsverlustes nicht anschließend von der öffentlichen Hand Geldersatz verlangen.
37Die Kläger wären danach gehalten gewesen, die erhobene Klage gegen den Bescheid vom 05.06.2013 weiter zu betreiben, um eine Bindungswirkung des Bescheids für alle Beteiligten zu verhindern und der Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, durch dieZurverfügungstellung von zumutbaren Betreuungsplätzen Abhilfe – auch während des Rechtsbehelfsverfahrens – zu schaffen.
38Stattdessen haben die Kläger durch ihre Erledigungserklärungen zum Ausdruck gebracht, dass ihr Betreuungsbedarf gedeckt sei und eine Leistungsgewährung durch die Beklagte nicht mehr erstrebt werde. Mangels einer fortbestehenden Willensbekundung der Kläger, Betreuungsplätze in einer städtischen Einrichtung in Anspruch nehmen zu wollen, war die Beklagte nach der bestandskräftigen Entscheidung vom 05.06.2013 nicht gehalten, eine alternative Betreuung zu vermitteln und bis zu diesem Zeitpunkt die Kosten für die privat organisierte Betreuung zu tragen.
39Die im Wege der objektiven Klagehäufung begehrte Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die zukünftig entstehenden Betreuungsmehrkosten zu erstatten, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Ohne die erforderliche Willensbekundung, in Zukunft in einer städtischen Einrichtung betreut werden zu wollen, ist weder ein neuerliches Vermittlungsverfahren zu betreiben noch sind die Kosten der selbstbeschafften Plätze zu erstatten.
40Eine andere Anspruchsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlichem Recht ist nicht ersichtlich. Mit einem Folgenbeseitigungsentschädigungsanspruch kann nur die unmittelbare Folge der verwehrten Betreuung – nämlich deren Ausbleiben – entschädigt werden, nicht aber die zusätzliche Vermögensdisposition der Eltern,
41vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.10.2012 – 7 A 10671/12.OVG -, KommJur 2013, 21; Pauly/Beutel, Ersatzansprüche bei verwehrter Förderung in Kindertagesstätten, DÖV 2013, 445 (448).
42Der Anwendung des ungeschriebenen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs steht die spezialgesetzliche Einräumung des Erstattungsanspruchs in § 36a Abs. 3 SGB VIII entgegen.
43Den Klägern steht es nach allem weiterhin frei, bei der Beklagten erneut um die Zuweisung von zumutbaren Betreuungsplätzen in einer städtischen Einrichtung nachzusuchen und bei einem zumutbaren Angebot dorthin zu wechseln.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
45Die Kammer hat die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Fragen der Anwendung und Auslegung des § 36a Abs. 3 SGB VIII haben über den konkreten Fall hinausgehende Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung des Rechts.
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(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d:
2Die am 00.00.2010 geborene Klägerin beantragte am 01.03.2013 durch ihre Mutter bei der Beklagten, ihr einen Betreuungsplatz in einer städtischen Kindertageseinrichtung (Kita) zur Verfügung zu stellen. Ihre Mutter M. E. ist alleinerziehend und lebt vom Kindesvater B. E1. getrennt.
3Mit zwei Bescheiden vom 25.06.2013 stellte die Beklagte der Klägerin zum 01.08.2013 einen Betreuungsplatz in der städtischen Kita Escher Straße 152 zur Verfügung.
4Die Klägerin hat am 24.07.2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei als alleinerziehende Mutter auf einen Betreuungsplatz in einer Kita angewiesen, die näher zu ihrem Wohnort gelegen sei. Als jüdische Einwanderin aus der ehemaligen Sowjetunion habe sie keinen familiären Anschluss in Deutschland. Sie sei allein für das Familienmanagement zuständig. Die Kita in der Escher Straße sei zu weit entfernt. Sie besitze keinen Führerschein, habe keine Fahrraderfahrung und sei nachtblind. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Sie werde bereits nach wenigen Stationen mit Bus oder Bahn schwindelig und müsse erbrechen.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 25.06.2013 zu verpflichten, ihr zukünftig zum 10.05.2014 eine Betreuung in einer wohnortnahen städtischen Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie ist der Auffassung, dass sie den Anspruch der Klägerin auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung gem. § 24 Abs. 3 SGB VIII mit Bereitstellung eines Betreuungsplatzes in der Kita Escher Straße 152 erfüllt habe. Die Kita in der Escher Straße sei in zumutbarer Entfernung gelegen. Sie sei vom Wohnort der Klägerin in 25 Minuten zu erreichen. Die Busfahrt dauere lediglich 11 Minuten. Die einfache Wegstrecke betrage lediglich 2,7 km. Die näher zum Wohnort der Klägerin gelegenen Kitas (Weidengasse, Bernhard-Letterhaus-Straße) seien belegt.
10Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- Und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
12Die Kammer konnte gem. § 102 Abs. 2 VwGO entscheiden, obwohl die Klägerin nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Klägerin wurde mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung gem. § 24 Abs. 3 SGB VIII mit der Zuweisung eines Betreuungsplatzes in der Kita Escher Straße 152 zum 01.08.2013 erfüllt.
15Die genannte Vorschrift gewährt keinen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer bestimmten Kita. Die Kita muss lediglich in zumutbarer Entfernung vom Wohnort des Kindes und seiner Eltern gelegen sein. In städtischen Bereichen des Stadtgebiets der Beklagten ist die Grenze der Zumutbarkeit für Eltern und Kind in der Regel überschritten, wenn die Kita in einer Entfernung von mehr als 5 km (Wegstreckenentfernung) vom Wohnort des Kindes gelegen ist. Jenseits der 5 km-Entfernungsgrenze liegende Einrichtungen sind angesichts der im städtischen Bereich bestehenden Verkehrsdichte für das Kind und die Eltern unzumutbar. Bei pauschalierender Betrachtung werden die Fahrzeiten für das Zurücklegen einer Wegstrecke von mehr als 5 km in städtischen Ballungsräumen – insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten am Morgen und am frühen Abend – in der Regel das zumutbare Maß überschreiten,
16vgl. Gemeinsames Papier der kommunalen Spitzenverbände und der Landesjugendämter in NRW – Handreichung für die Jugendämter -, S. 4, das für die Erfüllung des Rechtsanspruchs im städtischen Raum die Bereitstellung von Einrichtungen in einer Entfernung von bis zu 5 km empfiehlt.
17Beträgt die Wegstrecke vom Wohnort des Kindes bis zur Kindertageseinrichtung bis zu 5 km, ist es grundsätzlich Sache der Eltern, den Transport ihres Kindes zur Einrichtung in einer für sie und das Kind angemessenen Weise zu organisieren.
18Die Wegstrecke zur Kita Escher Straße 152 liegt unterhalb dieser Wegstreckengrenze. Laut Google.maps beträgt die Wegstrecke zu Fuß 2,3 km, und die Wegstrecke mit dem PKW 2,9 km.
19Besondere Umstände, die zugunsten der Klägerin ein Abweichen von der pauschalierenden Zumutbarkeitsgrenze gebieten, sind nicht gegeben. Die Kita ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln in zumutbarer Zeit zu erreichen. Nach der Fahrplanauskunft der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) beträgt die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln 25 Minuten mit der Buslinie 127 bei normaler Geh- und Umsteigegeschwindigkeit. Die reine Fahrzeit mit dem Bus beträgt 11 Minuten. Die Zugrundelegung der normalen Geh- und Umsteigegeschwindigkeit ist angemessen, weil die Klägerin bereits das 3. Lebensjahr vollendet hat und nicht mehr zwingend auf einen Kinderwagen angewiesen ist. Nach Angaben der Klägerin ist ihre Mutter aus gesundheitlichen Gründen gehindert, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind aber nur pauschal behauptet. Sie sind nicht durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen belegt. Ungeachtet dessen ist es der Mutter der Klägerin auch zuzumuten, die Strecke mit Fahrrad und Kindersitz zurückzulegen. Die Mutter der Klägerin ist gehalten, sich die ihr angeblich fehlende Fahrraderfahrung anzueignen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Beklagte wird
1.unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2013 verpflichtet, dem Kläger zukünftig zum 10.05.2014 eine Betreuung in einem Umfang von 45 Wochenstunden in einer wohnortnahen städtischen Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen, die nicht weiter als 5,0 km (Wegstreckenentfernung) vom Wohnort des Klägers entfernt liegt,
2. verurteilt, dem Kläger die für seine Betreuung in der Kindertageseinrichtung der Universität Köln im Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 09.05.2014 entstandenen Mehrkosten in Höhe von monatlich 350,00 € zu erstatten.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil – Ziff. 1 nur hinsichtlich der Kostenentscheidung - ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der am 28.11.2011 geborene Kläger beantragte am 21.12.2011 bei der Beklagten, ihm einen Betreuungsplatz in einer städtischen Kindertageseinrichtung (Kita) zur Verfügung zu stellen.
3Er wird seit dem 01.09.2012 in der Kindertageseinrichtung der Universität L. in einem Umfang von 45 Wochenstunden betreut. Die Universität L. erhält als Träger der Kindertageseinrichtung einen Zuschuss nach § 20 Kibiz NRW. Die Eltern werden von der Beklagten gem. § 23 Kibiz NRW i.V.m. der Elternbeitragssatzung der Beklagten zu monatlichen Elternbeiträgen in Höhe von 491,07 € veranlagt. Zusätzlich leisten die Eltern einen Beitrag an die Universität L. in Höhe von monatlich 350,00 €.
4Unter dem 17.05.2013 wies die Beklagte die Eltern des Klägers darauf hin, dass alle Betreuungsplätze in wohnortnahen städtischen Kindertageseinrichtungen belegt seien. Sie bot dem Kläger einen Platz in der Kindertagespflege an. Sie habe 5 Träger der freien Jugendhilfe beauftragt, freie Betreuungsplätze in der Kindertagespflege passgenau zu vermitteln.
5Mit Bescheid vom 05.06.2013 stellte die Beklagte dem Kläger zum 01.08.2013 einen Betreuungsplatz in der städtischen Kita F. Straße 000, 00000 L. zur Verfügung.
6Der Kläger hat am 13.06.2013 Klage erhoben mit dem Antrag, ihm zum 01.08.2013 einen ganztägigen Betreuungsplatz in einer wohnortnahen Kita zur Verfügung zu stellen, hilfsweise ihm die durch die Betreuung in einer alternativen Kindertageseinrichtung entstehenden Mehrkosten zu erstatten.
7Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte habe den ihm zustehenden Anspruch auf frühkindliche Förderung nicht durch das Angebot von Betreuungsplätzen in der Kindertagespflege vom 17.05.2013 erfüllt. Die Förderung in der Kindertagespflege sei nicht gleichwertig mit der Förderung in Kindertageseinrichtungen. Kindertageseinrichtungen seien in der Regel mit gut ausgebildeten Erziehern ausgestattet. Durch Krankheit und Urlaub verursachte Personalengpässe könnten hier besser aufgefangen werden. Das Angebot vom 17.05.2013 sei auch deshalb unzureichend, weil es nur Telefonnummern von Trägern der freien Jugendhilfe enthalte. Seine Eltern hätten sich vergeblich um einen Betreuungsplatz bei den im Angebot genannten Trägern bemüht. Die angebotenen Tagespflegepersonen hätten im Übrigen private Zuzahlungen von den Eltern verlangt. Die Beklagte habe den Anspruch auf frühkindliche Förderung auch nicht durch die Zurverfügungstellung eines Betreuungsplatzes in der städtischen Kita F. Straße 000 erfüllt. Die Kita F. Straße 000 sei nicht in einem zumutbaren zeitlichen Rahmen zu erreichen. Die schnellste Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nämlich mit der Straßenbahnlinie 13 nehme 36 Minuten in Anspruch. Die Straßenbahnlinie 13 sei aber mit einem Kinderwagen nicht nutzbar, weil keine barrierefreien Niederflurbahnen eingesetzt würden. Die über die nächstgelegene Bushaltestelle N.---weg führende barrierefreie Alternativverbindung nehme nahezu 50 Minuten in Anspruch. Bei Benutzung eines PKW sei morgens eine Fahrzeit von 38 Minuten und abends eines solche von 46 Minuten anzusetzen. In den Hauptverkehrszeiten seien die Straßen in der Kölner Innenstadt, namentlich die J. Kanalstraße dauerhaft überlastet. Seine Mutter Frau T. G. habe den Transport zur Kindertageseinrichtung allein zu erledigen. Sein Vater Dr. U. A. halte sich werktags berufsbedingt in München auf. Seine Mutter sei in Bonn bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden berufstätig. Die Kita F. Straße 000 liege entgegengesetzt zur südlich gelegenen Arbeitsstätte seiner Mutter im Kölner Norden.
8Der Kläger beantragt,
9- 10
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2013 zu verpflichten, ihm zukünftig zum 10.05.2014 eine Betreuung in einem Umfang von 45 Wochenstunden in einer wohnortnahen städtischen Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen, die nicht weiter als 5,0 km (Wegstreckenentfernung) vom Wohnort des Klägers entfernt liegt,
- 11
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm die für seine Betreuung in der Kindertageseinrichtung der Universität L. im Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 09.05.2014 entstandenen Mehrkosten in Höhe von monatlich 350,00 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Auffassung, dass sie den Anspruch des Klägers auf frühkindliche Förderung bereits durch den Nachweis von Plätzen in der Kindertagespflege erfüllt habe. Die Betreuung in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege seien gleichwertige Betreuungsformen. Die Kontaktstelle für die Kindertagespflege habe den Eltern des Klägers mehrfach bedarfsgerechte Angebote bestimmter Tagespflegepersonen genannt. Die Eltern hätten sich auf diese Angebote nicht gemeldet. Auf die Vermittlungsbemühungen des Trägers des Deutschen Roten Kreuzes hätten die Eltern des Klägers ebenfalls nicht reagiert. Die angebotenen Tagespflegepersonen würden neben dem pauschalierten Kostenbeitrag nunmehr auch keine Zuzahlungen mehr verlangen. Im Übrigen sei der Anspruch auf frühkindliche Förderung auch durch die Zurverfügungstellung eines Platzes in der Kita F. Straße 000 erfüllt. Die Kita sei vom Wohnort des Klägers mit öffentlichen Verkehrsmitteln in 25 Minuten zu erreichen. Die Fahrt mit dem PKW nehme 11 Minuten in Anspruch. Die Bauarbeiten an der an der J1. Kanalstraße gelegenen L1. Moschee hätten die Fahrzeit auf längstens 20 Minuten verlängert.
15Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwealtungsvorganges.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17Die Klage hat Erfolg.
18Der Antrag zu 1) ist begründet. Dem am 28.11.2011 geborenen Kläger steht gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung (SGB VIII n.F., BGBl. I 2008, 2403) ein Anspruch auf die Zuweisung eines Betreuungsplatzes in einer wohnortnahen städtischen Kindertageseinrichtung zu. Nach der genannten Bestimmung hat ein Kind, das wie der Kläger das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege.
19Die Beklagte hat den Rechtsanspruch des Antragstellers auf frühkindliche Förderung nicht mit dem Hinweisschreiben vom 17.05.2013 erfüllt. In diesem Schreiben hatte sie darauf hingewiesen, dass sie sich bislang vergeblich bemüht habe, dem Kläger einen Platz in einer städtischen Kindertageseinrichtung anbieten zu können. Sie biete dem Antragsteller einen Platz in der Kindertagespflege an. Sie habe 5 Träger der freien Jugendhilfe beauftragt, freie Betreuungsplätze in der Kindertagespflege passgenau zu vermitteln. Es seien ausreichend Betreuungsplätze in der Kindertagespflege vorhanden.
20Der in § 24 Abs. 2 SGB VIII n.F. geregelte Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege begründet ein Recht auf zwei nebeneinander bestehende Betreuungsformen, für die sich die Eltern stellvertretend für ihr Kind alternativ entscheiden können. Der öffentliche Träger der Jugendhilfe ist nicht befugt, die Personensorgeberechtigten gegen deren Willen auf einen Kindertagespflegeplatz zu verweisen,
21vgl. Lakies, in : FK-SGB VIII, 7. Aufl., § 24 Rn. 67 f.; Rixen, NJW 2012, 2839, 2840 f.
22Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG) gebieten es, den Eltern als Vertreter für ihr Kind das Bestimmungsrecht für die Wahl zwischen der Betreuung in einer Tageseinrichtung und der Tagespflege einzuräumen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte für die Wahl zwischen den für frühkindliche Förderung in Betracht kommenden Betreuungsformen ausschließlich der Wille der Eltern maßgeblich sein,
23vgl. die Begründung der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD zu § 24 Abs. 2 SGB VIII n.F., BT-Drs. 16/9299, S. 15: „Dieser Rechtsanspruch wird entsprechend den Wünschen bzw. Bedürfnissen des Kindes und der Eltern sowohl in Tageseinrichtungen...als auch in der Kindertagespflege...erfüllt.“; die damalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von der Leyen in der 2. Lesung des Bundestages, BT-PlPr. 16/180, S. 19236 (D): „...2013 wird jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kita oder in der Tagespflege haben... Wir unterstützen diesen Weg mit 4 Milliarden Euro; denn wir wollen mehr frühe Bildung und echte Wahlfreiheit für Eltern herstellen. Echte Wahlfreiheit heißt dabei für mich auch: Wir werden den Eltern nicht vorschreiben, wo und wie sie ihre Kinder betreuen und fördern. Sie sollen selbst organisieren, wie sie ihren Alltag mit Kindern leben, ob zu Hause, in einer altersgemischten Gruppe, einer Krippe oder der Kindertagespflege, ob wohnortnah oder betriebsnah. Wie immer sie ihren Alltag organisieren wollen, das liegt alleine im Ermessen der Eltern.“
24Der Auffassung des OVG NRW, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Personensorgeberechtigten gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII kapazitätsabhängig sei und deshalb seine Grenze finde, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform mehr vorhanden seien,
25vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.08.2013 – 12 B 793/13 -, juris,
26folgt die Kammer nicht. Die Beschränkung des elterlichen Wunsch- und Wahlrechts auf die Kapazität vorhandener Plätze in der gewünschten Betreuungsform ließe außer Acht, dass der Gesetzgeber mit der zum 01.08.2013 in Kraft getretenen Neufassung des § 24 Abs. 2 SGB VIII einen subjektiven Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr eingeführt hat. Dadurch dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 24 Abs. 2 SGB VIII für Kinder ab dem ersten Lebensjahr nicht nur eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Trägers der Jugendhilfe, sondern vielmehr einen einklagbaren subjektiven Alternativanspruch des Kindes begründet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass der Träger der Jugendhilfe sich nicht mit Erfolg auf eine Kapazitätserschöpfung berufen kann, sondern die erforderliche Kapazität an geeigneten Plätzen in den Betreuungsformen der frühkindlichen Förderung gem. § 24 Abs. 2 SGB VIII zu schaffen hat,
27vgl. zum Rechtsanspruch der über dreijährigen Kinder Lakies, in: FK-SGB VIII, 7. Aufl., § 24 Rn. 26 ff. ; Georgii, NJW 1996, 686, 688.
28Selbst wenn man mit dem OVG NRW davon ausginge, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Personensorgeberechtigten gem. § 5 Abs.1 Satz 1 SGB VIII kapazitätsabhängig ist,
29vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.08.2013 – 12 B 793/13 -, juris,
30hätte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf frühkindliche Förderung jedenfalls nicht für die Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.10.2013 durch das Angebot zur Förderung in der Kindertagespflege erfüllt. Die Erfüllung der Pflicht zur frühkindlichen Förderung durch ein Angebot in der Kindertagespflege setzt voraus, dass die Kindertagespflege auch im Hinblick auf die finanzielle Belastung der Eltern gleichwertig ist mit der Kostenlast in der Betreuungsform der Kindertageseinrichtung. Die Voraussetzung der finanziell gleichwertigen Belastung war in der Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.10.2013 nicht gegeben, weil die Beklagte jedenfalls in dem genannten Zeitraum noch Tagespflegepersonen vermittelte, die zusätzlich zu der laufenden Geldleistung gem. § 23 Abs. 2 SGB VIII noch von den Eltern private Zuzahlungen für ihre Betreuungsleistungen verlangten.
31Die Beklagte hat den Anspruch auf frühkindliche Förderung auch nicht durch die Zurverfügungstellung eines Betreuungsplatzes in der städtischen Kita F. Straße 000 erfüllt. Nach § 24 Abs. 2 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung. Die genannte Vorschrift gewährt zwar keinen Anspruch auf die Bereitstellung eines Platzes in einer bestimmten Kindertageseinrichtung. Allerdings muss die Kindertageseinrichtung für das Kind und dessen Eltern in zumutbarer Zeit zu erreichen sein. Dies gebietet der mit der Einführung des gesetzlichen Rechtsanspruchs auf Förderung von Kindern unter 3 Jahren verbundene Zweck, der darin besteht, das Aufwachsen von Kindern und die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu verbessern,
32vgl. Begründung des Entwurfs des Kinderförderungsgesetzes der Fraktionen
33der CDU/CSU und SPD, BT-Drs. 16/9299, S. 1.
34Die mit der Gesetzesänderung beabsichtigte Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben erfordert es, dass der Betreuungsplatz von der Wohnung des Kindes in vertretbarer Zeit zu erreichen ist. Dass der Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 2 SGB VIII n.F. die Bereitstellung eines Kindergartenplatzes in zumutbarer Wohnortnähe umfasst, verdeutlicht zudem die Bestimmung des § 24 Abs. 5 SGB VIII n.F., wonach die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet sind, Eltern oder Elternteile über das Platzangebot der frühkindlichen Förderung „im örtlichen Einzugsbereich“ zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Im Übrigen sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 80 Abs. 2 Nr. 1, 3 SGB VIII – in der bereits vor dem 01.08.2013 geltenden Fassung gehalten, Einrichtungen der Jugendhilfe so zu planen, dass Kontakte im sozialen Umfeld der Familie erhalten und gepflegt werden können und dass Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können.
35In städtischen Bereichen des Stadtgebiets der Beklagten ist die Grenze der Zumutbarkeit für Eltern und Kind in der Regel überschritten, wenn die Kindertageseinrichtung in einer Entfernung von mehr als 5 km (Wegstreckenentfernung) vom Wohnort des Kindes gelegen ist. Jenseits der 5 km-Entfernungsgrenze liegende Einrichtungen sind angesichts der im städtischen Bereich bestehenden Verkehrsdichte für das Kind und die Eltern unzumutbar. Bei pauschalierender Betrachtung werden die Fahrzeiten für das Zurücklegen einer Wegstrecke von mehr als 5 km in städtischen Ballungsräumen – insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten am Morgen und am frühen Abend – in der Regel das zumutbare Maß überschreiten,
36vgl. Gemeinsames Papier der kommunalen Spitzenverbände und der Landesjugendämter in NRW – Handreichung für die Jugendämter -, S. 4, das für die Erfüllung des Rechtsanspruchs im städtischen Raum die Bereitstellung von Einrichtungen in einer Entfernung von bis zu 5 km empfiehlt.
37Beträgt die Wegstrecke vom Wohnort des Kindes bis zur Kindertageseinrichtung bis zu 5 km, ist es grundsätzlich Sache der Eltern, den Transport ihres Kindes zur Einrichtung in einer für sie und das Kind angemessenen Weise zu organisieren.
38Ausnahmen von dieser für den innerstädtischen Bereich geltenden pauschalierenden Zumutbarkeitsgrenze können angenommen werden, wenn die Wegstrecke zwischen Wohnort des Kindes und Kita mit vorhandenen öffentlichen Verkehrsmitteln in weniger als 30 Minuten zurückgelegt werden kann. Auf die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln kann der Kläger nicht verwiesen werden. Sein Vater kann ihn nicht zur Kita begleiten, weil er werktags in München berufstätig ist. Seiner ebenfalls ganztägig berufstätigen Mutter kann die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den Transport des Klägers zur Kita nicht zugemutet werden. Sie ist bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn beschäftigt. Die Kita F. Straße 000 liegt entgegengesetzt zur südlich gelegenen Arbeitsstätte der Mutter. Wollte man die Mutter des Klägers für die Zurücklegung des Weges zu der Kita auf die Nutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel verweisen, müsste sie das Verkehrsmittel für den Weg zu ihrer Arbeitsstätte zu wechseln. Ein Wechsel des Verkehrsmittels würde die Zeit, die die Mutter des Klägers für das Erreichen ihrer mehr als 30 km entfernt liegenden Arbeitsstätte benötigt, unzumutbar verlängern.
39Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf frühkindliche Förderung schließlich auch nicht mit der Zuweisung eines Betreuungsplatzes in der Kita N1.-----straße 00, 00000 L. erfüllt. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2014 überreichten Bescheides vom 05.08.2013 erfolgte die Zuweisung dieses Betreuungsplatzes nur vorläufig und zeitlich befristet bis zur rechtskräftigen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei dem OVG NRW (12 B 793/13).
40Der Antrag zu 2) ist ebenfalls begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte die für seine Betreuung in der Kindertageseinrichtung der Universität L. in der Zeit vom 01.08.2013 bis zum 09.05.2014 entstandenen Mehrkosten in Höhe von 350,00 € monatlich erstattet.
41Der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch setzt in analoger Anwendung des § 36 a Abs.3 SGB VIII voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat,
42vgl. BVerwG, Urteil vom 12.09.2013 – 5 C 35.12 -, juris.
43Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Kläger hat die Beklagte durch seinen Aufnahmeantrag vom 21.12.2011 von seinem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe lagen vor. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf frühkindliche Förderung gem. § 24 Abs. 2 SGB VIII aus den oben zum Antrag zu 1) genannten Gründen weder mit dem Angebot eines Platzes in der Kindertagespflege noch mit der Zuweisung eines Betreuungsplatzes in der Kita F. Straße 000 erfüllt. Mit der Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes in der Kita der Universität L. wurde der Anspruch des Klägers auf frühkindliche Förderung ebenfalls nicht erfüllt. Die Kita der Universität L. wird zwar auch nach § 20 Kibiz NRW staatlich vom Jugendamt finanziert. Allerdings erhebt die Kita der Universität L. von den Eltern ein zusätzliches Betreuungsentgelt in Höhe von monatlich 350,00 €. Gleichwertig zu einer Betreuung in einer Einrichtung in kommunaler Trägerschaft ist eine Betreuung in anderer Trägerschaft aber nur dann, wenn die Kostenbeteiligung der Eltern an den Betreuungskosten allein durch die pauschalierten Elternbeiträge erfolgt. Die Beklagte hat den Anspruch auf frühkindliche Förderung schließlich auch für die Dauer der vorläufigen Zuweisung eines Betreuungsplatzes in der Kita N1.-----straße 00 nicht erfüllt. Dem Kläger war es nicht zuzumuten, diesen Betreuungsplatzes anzunehmen, weil die Zuweisung zeitlich befristet war. Angesichts des für den Kläger ungewissen Ausgangs des Beschwerdeverfahrens musste er sich nicht darauf einlassen, den Betreuungsplatz in der Kita N1.-----straße 00 nur vorübergehend in Anspruch zu nehmen.
44Die Deckung des Bedarfs duldete keinen Aufschub. Die Eltern des Klägers waren aufgrund ihrer Berufstätigkeit auf eine Fremdbetreuung des Klägers angewiesen. Der Primäranspruch drohte allein durch Zeitablauf unterzugehen.
45Der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes steht der Geltendmachung des Aufwendungsersatzanspruchs nicht entgegen. Der Kläger hat seinen Anspruch auf frühkindliche Förderung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in zwei Instanzen ohne Erfolg geltend gemacht. Den Primäranspruch hat er mit dem Hauptantrag im Hauptsacheverfahren weiterverfolgt.
46Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr.3, 4 VwGO gegeben sind.
(1) Für die Inanspruchnahme von Angeboten
- 1.
der Jugendarbeit nach § 11, - 2.
der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie nach § 16 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 und 3 und - 3.
der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 bis 24
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 kann der Kostenbeitrag auf Antrag ganz oder teilweise erlassen oder ein Teilnahmebeitrag auf Antrag ganz oder teilweise vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wenn
- 1.
die Belastung - a)
dem Kind oder dem Jugendlichen und seinen Eltern oder - b)
dem jungen Volljährigen
- 2.
die Förderung für die Entwicklung des jungen Menschen erforderlich ist.
(3) Im Fall des Absatzes 1 Nummer 3 sind Kostenbeiträge zu staffeln. Als Kriterien für die Staffelung können insbesondere das Einkommen der Eltern, die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder in der Familie und die tägliche Betreuungszeit des Kindes berücksichtigt werden. Werden die Kostenbeiträge nach dem Einkommen berechnet, bleibt das Baukindergeld des Bundes außer Betracht. Darüber hinaus können weitere Kriterien berücksichtigt werden.
(4) Im Fall des Absatzes 1 Nummer 3 wird der Kostenbeitrag auf Antrag erlassen oder auf Antrag ein Teilnahmebeitrag vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen, wenn die Belastung durch Kostenbeiträge den Eltern und dem Kind nicht zuzumuten ist. Nicht zuzumuten sind Kostenbeiträge immer dann, wenn Eltern oder Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch, Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel des Zwölften Buches oder Leistungen nach den §§ 2 und 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes beziehen oder wenn die Eltern des Kindes Kinderzuschlag gemäß § 6a des Bundeskindergeldgesetzes oder Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz erhalten. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat die Eltern über die Möglichkeit einer Antragstellung nach Satz 1 bei unzumutbarer Belastung durch Kostenbeiträge zu beraten. Absatz 2 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
Tenor
Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts wird abgeändert.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist begründet.
3Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, ihr vorläufig einen ganztätigen Betreuungsplatz (in einer der im Haupt- und Hilfsantrag benannten Kindertageseinrichtungen) zur Verfügung zu stellen, ist unbegründet.
4Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich ist die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruches als auch eines Anordnungsgrundes (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
5Die Antragstellerin hat jedenfalls einen ihrem Verpflichtungsbegehren entsprechenden Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII in der ab dem 1. August 2013 gültigen Fassung hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege (Satz 1). Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf (Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3). Den hieraus abzuleitenden Rechtsanspruch der am 27. Oktober 2011 geborenen Antragstellerin auf frühkindliche Förderung hat die Antragsgegnerin jedenfalls dadurch erfüllt, dass sie den Eltern der Antragstellerin unter dem 9. Dezember 2013 ein hinreichend konkretes Angebot eines zuzahlungsfreien Betreuungsplatzes in der Kindertagespflege unterbreitet hat, bei dem auch sichergestellt ist, dass die Eltern nicht neben der pauschalierten Kostenbeteiligung nach § 90 SGB VIII noch ein zusätzliches Entgelt an die in Betracht kommenden Tagespflegepersonen für die gewährleistete Förderung zu entrichten hätten.
6Vgl. zum Aspekt der Zuzahlungsfreiheit: OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2012 - 12 A 1445/12 -, juris; DIJuF-Rechtsgutachten vom 12. März 2013, JAmt 2013, 388 (389), und vom 16. September 2013, JAmt 2013, 512 (513); Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Fakten und Empfehlungen zu den Neuregelungen in der Kindertagespflege, 5. Dezember 2013, S. 6 (http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung5/Pdf-Anlagen/fakten-kindertagespflege-12-2013,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf).
7Einen nach § 123 VwGO verfolgbaren Alternativanspruch auf Zuweisung eines Platzes in einer Kindertagesstätte besitzt die Antragstellerin nicht. Sie hat nicht glaubhaft machen können, dass in den für sie unter dem Gesichtspunkt der Wohnortnähe zumutbar in Betracht kommenden Kindertagesstätten ausgehend von den offengelegten Vergabekriterien der Antragsgegnerin, die ihrerseits nicht zu beanstanden sind, noch freie Plätze zu besetzen sind. Wie der Senat bereits entschieden hat,
8vgl. den Beschluss vom 14. August 2013
9- 12 B 793/13 -, NWVBl 2013, 502, juris;zustimmend VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. November 2013 - 12 S 2175/13 -, juris,
10vermittelt § 24 Abs. 2 SGB VIII auch im Lichte des Wunsch- und Wahlrechts nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII keinen Anspruch auf Erweiterung vorhandener Kapazitäten im Bereich der Betreuung durch Kindertageseinrichtungen. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, zumal die Antragstellerin hiergegen nichts einwendet und die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts keine wesentlichen neuen Erwägungen aufzeigen, die in die Entscheidung des Senats noch nicht eingeflossen sind.
11Mit ihrer Antragserwiderung hat die Antragsgegnerin - unter Bezugnahme auf die jeweiligen Wartelisten - ausführlich dargelegt, dass für die Antragstellerin in den wohnortnahen Kindertageseinrichtungen derzeit kein Betreuungsplatz frei ist. Der Senat hat keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser Angaben in Frage zu stellen. Mit ihrer in der Antragsschrift erhobenen Behauptung, es sei bekannt, „dass die Antragsgegnerin in den städtischen Kindertageseinrichtungen Plätze für den Fall freigehalten hat, dass in den gerichtlichen Eilverfahren eine Verpflichtung zur Zuweisung ausgesprochen würde oder der Betreuungsanspruch gerichtlich geltend gemacht wird“, wirft die Antragstellerin keine begründeten Zweifel an der Kapazitätserschöpfung auf. Wenn sie in diesem Kontext auf eine „nachträgliche Zuweisung ... in mehreren Fällen“ verweist, ist damit nicht ansatzweise aufgezeigt, dass die Antragsgegnerin hierbei entgegen ihrer „Handlungsanweisung für die Platzvergabe“ vorgegangen wäre. Denn es liegt auf der Hand, dass ein Bewerber um einen Betreuungsplatz auch während der Dauer eines gerichtlichen Eilverfahrens so weit in den Wartelisten vorrücken kann, dass ihm - bei regulärem Prozedere - zu gegebener Zeit ein Platz zuzuteilen ist. Auch ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Bescheidung eines Aufnahmegesuchs durch die Ankündigung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Einzelfällen beschleunigt wurde, ohne dass die Antragsgegnerin den durch ihre „Handlungsanweisung“ gesteckten Rahmen verlassen hätte. Zumal nachdem der Senat diese Vergabegrundsätze bereits als zulässig erachtet hat,
12vgl. erneut den Beschluss vom 14. August 2013
13- 12 B 793/13 -, a. a. O.,
14ist nicht nachzuvollziehen, welche Veranlassung die Antragsgegnerin gegenwärtig haben sollte, sich bewusst hiervon zu lösen.
15Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
16Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung