Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 17. Mai 2017 - 1 A 56/17

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2017:0517.1A56.17.0A
bei uns veröffentlicht am17.05.2017

Tatbestand

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Der Kläger begeht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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Der am 14.02.1997 in Aleppo geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 14.01.2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24.01.2017 bei der Beklagten einen Asylantrag.

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Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24.01.2017 gab der Kläger zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an: Er habe in Aleppo studiert und dort in einem vom Regime beherrschten Stadtviertel gelebt. Wegen des Krieges sei die Situation in Aleppo sehr schlecht gewesen. Jeder, der sich in wehrpflichtigem Alter befinde, werde zum Wehrdienst eingezogen. Er wollte nicht in den Krieg eingezogen werden. Er habe Angst davor, im Krieg zu sterben. Er sei bereits gemustert worden und habe einen Wehrpass erhalten. Er sei am 22.02.2016 illegal in die Türkei ausgereist.

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Mit Bescheid vom 01.02.2017, dem Kläger zugestellt am 07.02.2017, erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte im Übrigen den Asylantrag ab.

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Am 15.02.2017 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben. Zur Begründung seines Begehrens führt er aus: Das syrische Regime unterstelle ihm wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung und dem längerfristigen Aufenthalt im westlichen Ausland eine regimefeindliche Gesinnung. Bei einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm auch die Heranziehung zum Wehrdienst. In Syrien sei der Wehrdienst mit der Begehung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderen Verbrechen verbunden.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 ihres Bescheides vom 01.02.2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und

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hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 ihres Bescheides vom 01.03.2017 und unter Beachtung der Sach- und Rechtsauffassung des Gerichts die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erneut zu entscheiden.

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Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ablehnenden Bescheides,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den bei der Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgang und die auf der Erkenntnismitteliste Syrien aufgeführten Quellen verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil die Voraussetzungen hierfür gem. § 84 Abs. 1 VwGO vorliegen.

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 01.02.2017, der u. a. diesen Anspruch ablehnt, ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -, BGBl. II, 1953, S. 560), wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann (a.) oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (b.). Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren regeln die §§ 3 a - d AsylG. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten (Nr. 3). Nach § 3e AsylG wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht.

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Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob er diese Merkmale tatsächlich aufweist. Vielmehr reicht es aus, wenn ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden (vgl. § 3b Abs. 2 AsylG).

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Ob eine Verfolgung droht, das heißt der Ausländer sich im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG aus begründeter Furcht vor einer solchen Verfolgung außerhalb des Herkunftslandes befindet, ist anhand einer Verfolgungsprognose zu beurteilen, die auf der Grundlage einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat. Die Prognose in Bezug auf eine bei Rückkehr in den Heimatstaat drohende Verfolgung hat am Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zu erfolgen. Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen.

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Ausgangspunkt der Prognose ist das bisherige Schicksal des Ausländers. Ist der Ausländer aus seinem Herkunftsland vorverfolgt ausgereist, ist dies ein ernsthafter Hinweis auf die Begründetheit seiner Furcht vor Verfolgung und begründet eine (widerlegbare) Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011). Die begründete Furcht vor Verfolgung kann nach § 28 Abs. 1a AsylG aber auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens oder durch das Erstverfahren verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese - anders als bei der Asylanerkennung - nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen. Erst für nach dem erfolglosen Abschluss des Erstverfahrens selbst geschaffene Nachfluchtgründe wird ein Missbrauch der Inanspruchnahme des Flüchtlingsschutzes in der Regel vermutet (vgl. § 28 Abs. 2 AsylG).

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Ist der Ausländer unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr und damit eine begründete Furcht vor Verfolgung vor, wenn ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangig qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Zu prüfen ist, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ („real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. So macht es etwa für die Erwägungen eines besonnenen Menschen einen erheblichen Unterschied, ob er bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat (lediglich) eine geringe Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße zu erwarten hat, oder aber ob ihm Folter, Misshandlung oder gar die Todesstrafe drohen. An die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Verfolgung im Falle der Rückkehr sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer und einschneidender die zu erwartende Verfolgungshandlung ist (vgl. zum Ganzen: VG Lüneburg, U. v. 30.01.2017 – 4 A 23/16 -, juris, Rdnr. 14 – 18 m. w. N).

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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, § 3 Abs. 4 AsylG. Bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände droht dem Kläger im Falle der hypothetischen Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch den syrischen Staat wegen einer ihm unterstellten politischen Überzeugung, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in den Heimatstaat zurückzukehren (VG Lüneburg, U. v. 30.01.2017 – a. a. O, Rdnr. 19).

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Durch die Ausreise aus Syrien hat sich der Kläger der Heranziehung zum Militärdienst entzogen, weshalb für ihn ein erhöhtes Risiko besteht, bei einer Rückkehr nach Syrien im Rahmen der Rückkehrerbefragung bzw. in deren Anschluss wegen unterstellten illoyalen Verhaltens und regimefeindlicher Gesinnung menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zu Folter ausgesetzt zu sein.

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Die Schwelle, ab deren Überschreiten einem Rückkehrer seitens der syrischen Regierung eine vermeintlich oppositionelle Haltung zugeschrieben wird, ist zur Überzeugung des Gerichts grundsätzlich niedrig anzusetzen. Es genügt insoweit ein geringer Verdachtsgrad (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada, Bericht vom 19.01.2016, S. 4, Ziff. 3: Treatment of Failed Refugee Claimants: „However, the conflict has probably raised the suspicion levels of officials.”; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. akt. Fassung, November 2015, S. 12).

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Bei Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, sieht das Gericht die Verdachtsschwelle jedenfalls als überschritten an (so auch Bay. VGH, U. v. 12.12.2016 - 21 ZB 16.30372 -, juris, Rdnr. 72 ff,). Für diese Einschätzung spricht die Auskunft der Deutschen Botschaft Beirut an das Bundesamt vom 03. Februar 2016. Danach stehen die dort bekannten Fälle, bei denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden sind, überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten (beispielsweise Journalisten oder Menschenrechtsverteidiger) oder in Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst. Dies entspreche auch den Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen, mit denen das Auswärtige Amt bzw. die Botschaft Beirut zusammenarbeite. In seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 12. Oktober 2016 führt das Auswärtige Amt zudem aus, dass an syrischen Flughäfen umfangreiche Personen- und Grenzkontrollen durch Geheimdienste stattfänden, wobei den Sicherheitskräften Listen gesuchter Personen zur Verfügung gestellt würden, in denen unter anderem Wehrdienstverweigerer aufgeführt seien. Nach dem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada vom 19. Januar 2016 (S. 4, Ziff. 5) deuten außerdem Quellen darauf hin, dass die Sicherheitskontrollen am Flughafen Damaskus auch die Überprüfung beinhalten, ob Rückkehrer den Militärdienst abgeschlossen haben. Männer im militärfähigen Alter seien besonders anfällig für Misshandlungen durch Sicherheitsbehörden am Flughafen und an anderen Punkten. Ein emeritierter Professor habe sie als die „am meisten gefährdete“ Gruppe in Bezug auf menschenrechtswidrige Behandlung durch syrische Sicherheitskräfte bezeichnet, insbesondere, wenn sie nie im Militär gedient hätten. Dementsprechend würden junge Männer zwischen 16 und 40 Jahren von den Grenzbehörden besonders verfolgt und unterlägen zudem Zwangsrekrutierungen von allen Seiten, auch wenn sie bereits ihren Militärdienst abgeschlossen hätten.

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In Syrien besteht für männliche Staatsangehörige eine allgemeine Wehrpflicht. Die Registrierung für den Wehrdienst erfolgt im Alter von 18 Jahren. Die Wehrpflicht besteht bis zum Alter von 42 Jahren (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 1). Andere Quellen gehen davon aus, dass die Wehrpflicht in der Praxis bis zum 50. Lebensjahr ausgeweitet wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 1). Auch seien zahlreiche Berichte bekannt, nach denen Reservisten zum Militärdienst eingezogen werden (vgl. Auswärtiges Amt, a. a. O.). Nach Angaben des Fact-Finding Mission Report des Finnish Immigration Service vom 23. August 2016 (S. 5) beläuft sich die Altersgrenze für die Reservepflicht nach dem Gesetz auf 52 bzw. 54 Jahre, wenn ein Mann einen Bachelor-Abschluss hat. Darüber hinaus lägen Anhaltspunkte für eine Anhebung der Altersgrenze für Reservisten in bestimmten Fällen und Gebieten auf bis zu 60 Jahre vor (Finnish Immigration Service, a. a. O, S. 11). Je nach Eignung beläuft sich die Dauer des Wehrdienstes auf ein bis drei Jahre (Dt. Orient-Stiftung, Auskunft an das OVG Schleswig-Holstein vom 08.11.2016).

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Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 02. Januar 2017 (GZ: 508-9-516.80/48808) besteht die allgemeine Wehrpflicht auch weiterhin und wird durchgesetzt. Wehrpflichtige Männer werden per Einberufungsbescheid zum Ableisten des Wehrdienstes aufgefordert. Wehrpflichtige Männer, die auf diesen Einberufungsbescheid nicht reagieren, werden von Mitarbeitern der Geheimdienste für den Militärdienst zwangsrekrutiert. Es sei damit kaum möglich, sich der Wehrpflicht zu entziehen. Es gäbe auch Berichte, dass junge Männer an Checkpoints verschleppt und zwangsrekrutiert würden. Männern im wehrpflichtigen Alter werde die Ausreise aus dem Land verboten und der Reisepass vorenthalten. Im März 2012 hat die syrische Regierung beschlossen, allen männlichen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 42 Jahren die Ausreise zu untersagen bzw. nur nach einer zuvor erteilten Genehmigung zu gestatten. Dies gilt auch für Personen, die bereits ihren Wehrdienst abgeleistet haben (vgl. Dt. Orient-Stiftung, Auskunft an den VGH Bad.-Württ. vom 22.02.2017; Auskunft an den Hess. VGH vom 01.02.2017; Auskunft an das OVG Schl.-Holst. vom 08.11.2016; Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die syrische Armee, 30.07.2014, S. 7).

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Freigestellt vom Wehrdienst sind nach syrischem Recht grundsätzlich Einzelkinder bzw. einzige Söhne sowie Studenten während ihres Studiums (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808). Syrische Männer, die im Ausland leben, können sich für 4.000 bis 5.000 USD vom Wehrdienst freikaufen. Gemäß Gesetz Nr. 33 vom 06. August 2014 müssen Wehrpflichtige bei einem Auslandsaufenthalt von über vier Jahren sogar 8.000 USD zahlen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/ 48808). Sofern ein Mann Ernährer der Familie ist und er jüngere Brüder hat, kann er seinen Militärdienst verschieben, bis der jüngere Bruder sechzehn Jahre alt ist (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 9). Nach Angaben der Schweizer Flüchtlingshilfe sind auch Männer mit medizinischen Einschränkungen von der Wehrpflicht ausgenommen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 2). Hinsichtlich der rechtlich vorgesehenen Ausnahmen von der Wehrpflicht sowie der Zurückstellungsmöglichkeiten mehren sich allerdings Hinweise darauf, dass es in der Praxis zunehmend schwieriger ist, eine Frei- oder Zurückstellung vom Militärdienst zu erhalten und sogar bereits gewährte Frei- bzw. Zurückstellungen willkürlich ohne Berücksichtigung bleiben (vgl. Bericht des Danish Immigration Service, September 2015, „Syria, Update on Military Service, Mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG“, S. 12; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 10). Dafür sprechen auch die an Universitäten durchgeführten Rekrutierungsaktionen (vgl. etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 5). Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist jedenfalls im Hinblick auf die syrische Armee unterstützende Milizen nicht auszuschließen, dass Zwangsrekrutierungen auch außerhalb des für die Armee üblichen Personenkreises erfolgen und etwa Einzelkinder erfassen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/ 48808). Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass Asylsuchende mangels hinreichender Verlässlichkeit rechtlich bestehender Freistellungs- bzw. Rückstellungsmöglichkeiten grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden können, sich bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien auf ihre Zugehörigkeit zu einem freistellungs- bzw. zurückstellungsberechtigten Personenkreis zu beziehen, sondern dass auch dieser Personenkreis mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, wegen einer angenommenen illoyalen Haltung gegenüber dem syrischen Regime menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zu Folter ausgesetzt zu sein.

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Die Möglichkeit eines Ersatzdienstes besteht nicht. Wehrdienstverweigerung wird gemäß dem Military Penal Code von 1950, der 1973 angepasst wurde, bestraft. In Artikel 68 ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich seiner Einberufung entzieht. Wer das Land ohne eine Adresse zu hinterlassen verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Gemäß Artikel 101 wird Desertion mit fünf Jahren Haft oder mit fünf bis zehn Jahren Haft bestraft, wenn der Deserteur das Land verlässt. In Artikel 102 ist festgehalten, dass ein Deserteur, der im Angesicht des Feindes desertiert, mit lebenslanger Haft bestraft wird. Exekution ist bei Überlaufen zum Feind und bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 02.01.2017 (GZ: 508-9-516.80/48808) wurden bereits 2011 Dutzende syrische Deserteure erschossen, da sie sich den Aufständischen anschließen wollten. Dem Auswärtigen Amt vorliegenden Berichten zufolge kann auch ein Wehrdienstentzug durch „illegale“ Ausreise von nicht gemusterten bzw. nicht einberufenen Wehrpflichtigen durch Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden. Regimegegnerschaft kann dabei zu härteren Reaktionen führen (Auswärtiges Amt, a. a. O.).

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Das syrische Regime hat bereits seit Beginn des Bürgerkrieges die Mobilisierungsmaßnahmen für Rekruten und Reservisten intensiviert. Seit Herbst 2014 ist angesichts einer erheblichen Dezimierung der syrischen Armee durch Desertion und Verluste eine deutlich verstärkte Mobilisierung von Reservisten zu beobachten und es kommt zur Verhaftung von Deserteuren und Männern, die sich bislang dem Wehrdienst entzogen haben (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 1ff.; Danish Immigration Service, Bericht „Syria - Military Service, Mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG“ vom 26.02.2015, S. 9). Deserteure und Personen, die sich dem Militärdienst entzogen haben, werden inhaftiert und verurteilt. In der Haft kommt es zu Folter. Menschenrechtsorganisationen berichten über Exekutionen von Deserteuren. Einige der Verhafteten werden vom Militärgericht zu Haftstrafen verurteilt, bevor sie eingezogen werden, andere werden verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 4).

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Rückkehrer, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, laufen vor diesem Hintergrund nach Ansicht des Gerichts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien im Rahmen der zu erwartenden Rückkehrerbefragung bzw. einer etwaigen anschließenden Verbringung in ein Haft- oder Verhörzentrum einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt zu sein, weil die Entziehung von der Wehrpflicht seitens des syrischen Regimes als illoyal wahrgenommen wird und der Wehrdienstpflichtige in den Verdacht gerät, eine abweichende, oppositionelle politische Einstellung zu vertreten (so auch Bay. VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 ZB 16.30372 -, juris). Für eine solche Haltung der syrischen Regierung spricht auch eine Äußerung des syrischen Präsidenten Assad, der in einer Rede im Juli 2015 erklärt hat, „Syrien sei für die, die es verteidigen“ (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 7: „…the country is for those who protect it.“).

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Da bei der Behandlung von erstmalig Wehrdienstpflichtigen und Reservisten, die sich der Wehrpflicht entziehen, seitens des syrischen Regimes keine Unterschiede ausgemacht werden können, ist aus Sicht des Gerichts auch hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft keine unterschiedliche Handhabung geboten.

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Weil (Zwangs-) Rekrutierungen nach der Erkenntnislage auch jenseits eines formalen Einberufungsverfahrens vorgenommen werden, beispielsweise an Checkpoints oder bei Razzien in Wohnquartieren und Universitäten (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 3), kommt es für das Gericht auch nicht darauf an, ob bereits ein Einberufungsbescheid vorliegt oder nicht. Dies gilt umso mehr, als Einziehungen zum Wehrdienst auch an der Grenze erfolgen (Finnish Immigration Service, a. a. O., S. 7; vgl. zum Ganzen: VG Braunschweig, U. v. 27.03.2017 – 9 A 479/16 -, juris, Rdnr. 21 - 31).

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Zwar rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund und wendet auch die strafrechtlichen Regelungen bezüglich Wehrdienstentziehung und Desertion offenbar mehr oder weniger unterschiedslos auf alle syrischen Wehrpflichtigen an, so dass nicht bereits im Hinblick auf eine insoweit durchgängig diskriminierende Praxis ein Verfolgungsgrund im Sinne von § 3b AsylG vorliegt (darauf verweisend OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 16.12.2015 - 1 A 10922/16 -, juris, Rdnr. 139 ff.). Dies schließt die Annahme politischer Verfolgung jedoch ebenso wenig aus wie der Umstand, dass allen Personen, die sich der Wehrpflicht entziehen, in Syrien von Rechts wegen Verfolgung deshalb droht, weil sie mit der Dienstverweigerung eine Straftat begangen haben.

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Dessen ungeachtet und selbständig tragend kann auch dann, wenn die politischen Tendenzen einer generellen Maßnahme oder Regelung wie der Verpflichtung zum Waffendienst nicht immer offen zutage liegen, in der Heranziehung zum Wehrdienst ihrer allgemeinen - asylrechtlich nicht einschlägigen - Intention auch eine Verfolgungstendenz innewohnen. Eine Verfolgungstendenz kann etwa darin liegen, dass zugleich eine politische Disziplinierung und Einschüchterung von politischen Gegnern in den eigenen Reihen, eine Umerziehung von Andersdenkenden oder eine Zwangsassimilation von Minderheiten bezweckt wird. Anhaltspunkte für derartige Intentionen können sich aus der besonderen Ausformung der die Wehrpflicht begründenden Regelungen, aus ihrer praktischen Handhabung, aber auch aus ihrer Funktion im allgemeinen politischen System der Organisation ergeben. Der totalitäre Charakter einer Staatsform, die Radikalität ihrer Ziele sowie das Maß an geforderter und durchgesetzter Unterwerfung sind wichtige Gradmesser für Verfolgungstendenzen. Deutlich werden kann der politische Charakter von Wehrdienstregelungen etwa daran, dass Verweigerer oder Deserteure als Verräter an der gemeinsamen Sache angesehen und deswegen übermäßig hart bestraft, zu besonders gefährlichen Einsätzen kommandiert oder allgemein geächtet werden.

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So liegt es hier im Fall von Syrien. Die drohende Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs oder Desertion dient dem syrischen Staat nicht lediglich der Sicherstellung der Wehrpflicht und der Ahndung des mit der Dienstverweigerung verbundenen kriminellen Unrechts, sondern (auch) dazu, eine aufgrund des Wehrdienstentzugs vermutete staatsfeindliche Gesinnung zu treffen und diese zu eliminieren und ist somit politisch motiviert. Diese Annahme liegt bereits aufgrund der besonderen Konstellation in Syrien nahe. Denn es handelt sich bei Syrien um ein diktatorisches System, das mit allen Mitteln um seine Existenz kämpft; auch soll die Mobilisierung der syrischen Armee nicht der Teilnahme an einem Konflikt in einem dritten Staat, sondern der Bekämpfung der oppositionellen Rebellengruppen im eigenen Land dienen. Wer sich an diesem existentiellen Kampf der Staatsmacht gegen Teile der eigenen Bevölkerung nicht beteiligt, sondern sich trotz des bekannt großen Personalbedarfs in der syrischen Armee seiner Wehrpflicht - zumal durch eine illegale Flucht ins Ausland - entzieht, manifestiert damit nach außen sichtbar seine Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat in besonderer Weise. Entsprechend hart geht der syrische Staat mit Deserteuren und Männern, die sich dem Wehrdienst entziehen, um: So drohen denjenigen, die sich Einberufung oder Mobilisierung entziehen, bei einer Ergreifung Untersuchungen und Festnahmen teilweise mit längerer Haft und Folter (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Deutsche Orient-Stiftung, Auskunft an OVG Schl.-Holstein vom 08.11.2016). Einige Quellen sprechen im Zusammenhang mit Desertion von lebenslanger Haft und Exekutionen (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Ferner gibt es Berichte von Personen, die als Rückkehrer im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst befragt und dauerhaft verschwunden sind (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; darauf verweisend auch etwa Bayer. VGH, Urteile vom 12.12.2016 - 21 ZB 16.30338 u.a. - [ausweislich Presseerklärung vom 13.12.2016]). Es gibt Quellen, wonach Rekruten, denen das Regime nicht traut, mitunter in den Kampfeinsatz an die Front geschickt werden, um ihre Motivation zu kämpfen zu erhöhen (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Ferner gibt es Hinweise darauf, dass alle, die sich dem Regime entziehen - wie es Wehrdienstpflichtige tun, zumal wenn sie illegal ins Ausland reisen -, als Oppositionelle und je nach bisheriger Funktion als „Landesverräter“ betrachtet werden (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung).

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Andere Quellen halten zudem Männer im wehrpflichtigen Alter für besonders gefährdet, bei der Einreise über den Flughafen oder auf dem Landweg Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu erfahren, insbesondere wenn sie ihren Militärdienst noch nicht abgeleistet haben; so spricht eine Quelle davon, „military-aged men [are] the most vulnerable group in terms of treatment by Syrian authorities at points of entry“ (Immigration and Refugee Board of Canada, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Auch diejenigen, bei denen lediglich die Absicht der Desertion vermutet wird, werden als Gegner des Regimes betrachtet und haben gewaltsames Verschwinden, Haft und Folter zu gewärtigen (Amnesty International, Between prison and the grave, 11/2015).

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Schließlich ergibt sich aus zahlreichen Quellen, dass für Desertion und Wehrdienstentzug mitunter auch Familienangehörige nach der Art der Sippenhaft in die Verfolgung einbezogen werden (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Der syrische Staat verhaftet Brüder und Schwestern, auch Mütter und Väter von Deserteuren und von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen. Wenn die Familienangehörigen sich nicht mehr in Syrien aufhalten, werden sie auf Suchlisten gesetzt. Die Verhaftungen der Familienangehörigen sind auch mit der Plünderung ihrer Häuser verbunden (Auskunft der SFH-Länderanalyse, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentziehung, Desertation vom 23.03.2017).

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Für den Kläger besteht auch ein reales Verfolgungsrisiko, bei einer Rückkehr nach Syrien tatsächlich wegen der illegalen Ausreise und der damit verbundenen Wehrdienstentziehung aufgegriffen und verurteilt zu werden.

38

Zunächst besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien wegen Wehrdienstentziehung aufgegriffen würde. Denn es gibt kaum eine Möglichkeit, sich innerhalb Syriens dem Militär- bzw. Reservistendienst zu entziehen. Personen, die das wehrpflichtige Alter erreicht haben oder während ihres Auslandsaufenthaltes zum Wehrdienst einberufen wurden, werden in Fahndungslisten aufgenommen, die an die Grenzübergänge verteilt werden, so dass schon bei der Einreise eine Identifizierung und Verhaftung bzw. Zwangsrekrutierung wahrscheinlich ist (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Immigration and Refugee Board of Canda, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Ferner gibt es zahlreiche mobile „Checkpoints“, die ebenfalls im Besitz der Listen sind und bei einem Datenbankabgleich feststellen können, ob der Betreffende seinen Wehrdienst abgeleistet hat bzw. als Reservist rekrutiert werden soll; auch hier kommt es zu Verhaftungen, Verschleppungen bzw. unmittelbarer Zwangsrekrutierung (Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Das syrische Militär hat gegenwärtig aufgrund von Todesfällen, Abtrünnigkeit und Desertion einen enormen Bedarf an Personal, da es von circa 325.000 Soldaten bei Ausbruch des Krieges auf wohl etwa 150.000 Soldaten dezimiert worden ist (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015); um Wehrdienstverweigerer und Reservisten zu rekrutieren und so den Personalbedarf zu decken, finden immer wieder Durchsuchungen, Razzien und Massenverhaftungen statt (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Auch ist für viele bürokratische Akte, etwa für Heiratszertifikate, eine Bewilligung des Militärs erforderlich (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Daher ist es für Wehrdienstverweigerer fast unmöglich, nach Syrien einzureisen oder gar in den von der Regierung kontrollierten Gebieten zu leben und sich dort zu bewegen, ohne aufgegriffen zu werden (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).

39

Ferner besteht die reale Möglichkeit, dass der Kläger, wenn er - wie mit großer Sicherheit zu erwarten - bereits bei seiner Einreise oder zu einem späteren Zeitpunkt als wehrdienstpflichtig erkannt und als solcher den syrischen Behörden bzw. dem syrischen Militär, in erster Linie dem militärischen Sicherheitsdienst, übergeben wurde, wegen Wehrdienstentzugs bestraft wird. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, Rdnr. 156 ff.) hält eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht für gegeben mit dem Argument, dass es dem syrischen Staat vor allem darum gehe, den Betroffenen schnellstmöglich seiner notleidenden Armee zuzuführen. Dem folgt das erkennende Gericht nicht. Zwar ist der Hinweis auf den hohen Personalbedarf der syrischen Armee nicht von der Hand zu weisen, und tatsächlich wird es auch einen gewissen Prozentsatz an Männern geben, die, obgleich sie den Tatbestand des Wehrdienstentzugs erfüllt haben, unmittelbar zum Militär rekrutiert werden. Jedoch lässt dies nach den vorliegenden Erkenntnismitteln und den dort wiedergegebenen zahlreichen Quellen nicht den Schluss darauf zu, eine Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs drohe nicht ebenso mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

40

Zwar lässt sich weder die Zahl derer, die aufgrund Wehrdienstentziehung aufgegriffen werden, noch der Prozentsatz derjenigen, die wegen dieses Vorwurfs strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, auch nur annähernd zuverlässig ermitteln. Allerdings ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass Verhaftungen wegen Entzugs vom Militärdienst in großem Umfang stattfinden; so sprechen einige Quellen von regelrechten „Verhaftungswellen“ (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; ähnlich auch Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016), ausweislich anderer Erkenntnisse wurden allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2014 über 5.400 wehrdienstpflichtige junge Männer verhaftet, und in Hama bzw. Homs wurden im Rahmen örtlicher Generalmobilmachungen jeweils binnen weniger Tage im Herbst 2014 1.400 bzw. 1.200 Reservisten an Checkpoints verhaftet (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Diese Verhaftungen werden meistens vom militärischen Sicherheitsdienst oder dem Luftwaffen-Sicherheitsdienst durchgeführt, bei denen Fälle von Folter dokumentiert sind (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Die Frage, wie die zahlreichen Sicherheitsdienste mit den Betroffenen weiter verfahren, ob der einzelne als möglicher Terrorist behandelt, einem Strafverfahren zugeführt, zunächst ggf. unter Anwendung von Folter befragt und anschließend zum Militär abgeordnet oder unmittelbar rekrutiert und ausgebildet bzw. direkt an die Front abgeordnet wird, hängt von vielen Umständen ab wie etwa vom aktuellen Personalbedarf der Armee, dem Herkunftsort des Betreffenden, seinen Kontakten oder Erkenntnissen der syrischen Behörden (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015) sowie nicht zuletzt von willkürlichem Verhalten der - unkontrollierten - Sicherheitsbehörden überhaupt. Den vorliegenden Erkenntnismitteln lässt sich aber jedenfalls nicht entnehmen, dass es regelhaft mit einer Verhaftung und anschließender Einziehung sein Bewenden hätte; vielmehr ist in den vorliegenden Auskünften etwa davon die Rede, „einige“ würden vor das Militärgericht in Damaskus gestellt und zu Haftstrafen verurteilt, „andere“ würden verwarnt und direkt zum Militärdienst geschickt (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015), oder die möglichen Konsequenzen eines solchen Aufgreifens - sofortige Einziehung, Verbringung zur Frontlinie, Untersuchungen, Folter, Verurteilung - werden ohne zahlenmäßige Gewichtung nebeneinander gestellt (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das in den Erkenntnismitteln dokumentierte Verhalten der syrischen Staatsmacht gegenüber Wehrpflichtigen und Reservisten sich gegenwärtig im Wesentlichen auf wehrdienstpflichtige Männer bezieht, die sich lediglich innerhalb des Landes der Wehrdienst- oder Rekrutierungspflicht zu entziehen versucht haben, nicht aber auf diejenigen, die durch ihre mit der Flucht ins westliche Ausland dokumentierte Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat mutmaßlich besonderen Anlass für die syrischen Behörden liefern, eine regimekritische Gesinnung zu vermuten. Aufgrund des, wie dargelegt, politisch motivierten Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte im totalitären Staatsgefüge bei Wehrdienstentziehung erscheint es auch naheliegend, dass durch - möglicherweise auch willkürliche - Haft, Folterungen oder übermäßig harte Bestrafungen Zeichen gesetzt, politische Gegner in den eigenen Reihen eingeschüchtert und weitere Wehrpflichtige zu einem regimekonformen Verhalten angehalten werden sollen (vgl. zum Ganzen: (VG Freiburg, U. v. 01.02.2017 – A 4 K 2903/16 -, juris, Rdnr. 35 - 43).

41

Der mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung steht dabei nicht entgegen, dass das syrische Regime angesichts der Vielzahl von ausgereisten Personen nicht in der Lage wäre, die erforderlichen Mittel und Kräfte aufzubringen, um eine tatsächliche Verfolgung zu gewährleisten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass Wiedereinreisen bei Rückführungen kanalisiert über den zentralen internationalen Flughafen Damaskus stattfinden und so nur verhältnismäßig wenige Ressourcen beanspruchen würden (vgl. VG Braunschweig, U. v. 27.03.2017 – a. a. O., Rdnr. 32 m. w. N.).

42

Der Annahme einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung steht auch nicht die vom Bundesamt wiederholt angeführte Passerteilungspraxis des syrischen Regimes entgegen, die im Jahr 2015 zur Ausstellung von mehr als 800.000 Pässen geführt haben soll (vgl. Schriftsatz des BAMF an das VG Saarland vom 16.09.2016 unter Bezugnahme auf Presseberichte des Tagesspiegels vom 05.11.2015 und 26.10.2015 sowie die Auskunft der Botschaft Beirut vom 03.02.2016). Denn sowohl nach der vom Bundesamt in Bezug genommenen Presseberichterstattung als auch nach der Auskunft der Botschaft Beirut vom 03. Februar 2016 erscheint es naheliegend, dass die umfängliche Ausstellung von Pässen wesentlich auf finanziellen Erwägungen beruht und geopolitische Absichten verfolgen könnte. Nach Angaben von Pro Asyl (Stellungnahme vom 23.05.2016, „BAMF-Entscheidungspraxis geändert: Für immer mehr SyrerInnen wird der Familiennachzug ausgesetzt“) verdiente der syrische Staat mit der Passausstellung rund 470 Millionen Euro. Hingewiesen wird zudem auf ein Interview mit dem türkischen Migrationsforscher Murat Erdogan, wonach die Pass-erteilungspraxis möglicherweise auch auf der Erwartung des Regimes beruht, der Flüchtlingsansturm werde die europäischen Staaten zu einer Lösung des Syrien-Konflikts unter Beibehaltung der derzeitigen Assad-Regierung bewegen (vgl. auch Tagesspiegel vom 05.11.2015, wiedergegeben im Schriftsatz des BAMF an das VG Saarland vom 16.09.2015). Unabhängig davon, kann aus dem Umstand, dass die syrische Regierung durch die Passerteilung die Ausreise erleichtert, ohnehin nicht verlässlich auf eine Minderung der Rückkehrgefahren für wehrpflichtige Männer geschlossen werden, denn jedenfalls bei einer hypothetischen Rückkehr bestünde für das syrische Regime Veranlassung, die Regimetreue zu hinterfragen, um insbesondere auszuschließen, dass sich diese Männer im Konfliktfall vor die Wahl gestellt ggf. der Gegenseite anschließen (vgl. VG Braunschweig, U. v. 27.03.2017 – a. a. O., Rdnr. 33 m. w. N.).

43

Aus diesen Gründen hat der im Zeitpunkt der Ausreise aus Syrien im wehrpflichtigen Alter stehende Kläger, der Syrien entgegen dem auch für Reservisten geltenden Ausreiseverbot für Männer im Alter von 18 bis 42 Jahre ohne zuvor erteilte Genehmigung verlassen und sich dadurch der Heranziehung zum Wehrdienst entzogen hat, ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und es kann dahinstehen, ob dem Kläger gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG auch deshalb durch das syrische Regime politische Verfolgung droht, da er wegen der Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt mit Strafverfolgung oder Bestrafung rechnen muss, weil der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (vgl. Bay. VGH, U. v. 12.12.2016 – a. a. O., Rdnr. 83). Ebenso kann dahinstehen, ob dem Kläger wegen der Asylantragstellung und den damit verbundenen Aufenthalt im westlichen Ausland politische Verfolgung durch den syrischen Staat droht.

44

Dem Kläger steht schließlich auch keine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zur Verfügung. Die Deutsche Botschaft Beirut (Auskunft vom 03.02.2016) geht davon aus, dass grundsätzlich alle Regionen in Syrien vom Bürgerkrieg betroffen sind, wenn nicht durch direkte Kampfhandlungen, dann indirekt (Kriegswirtschaft, Einzug ins Militär, marodierende Banden, beispielsweise in einigen Vororten von Damaskus etc.) (vgl. auch AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).

45

Selbst wenn man annähme, dass es dennoch Gebiete innerhalb Syriens gibt, die als zumutbare Fluchtalternative dienen könnten, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass der Kläger ein solches Gebiet in zumutbarer Weise und sicher erreichen könnte. Denn das Regime hat ein dichtes System von Kontrollpunkten eingerichtet. Diesen Stellen liegen in der Regel auch die Namenslisten zu denjenigen vor, die sich der Einberufung bzw. Mobilmachung entzogen haben (vgl. SFH, Rekrutierung durch die syrische Armee, 30.07.2014; SFH, Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformation Syrien: Militärdienst, 30.11.2016) und sie sind derart verbreitet, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass der Kläger, wenn er nicht schon beim Versuch der Einreise nach Syrien erfasst und ergriffen wird, an einem solchen Checkpoint aufgegriffen wird.

46

Unabhängig davon steht dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative auch deshalb nicht zur Verfügung, weil Reisen innerhalb Syriens in einen anderen - möglicherweise - verfolgungsfreien Landesteil generell mit einem extrem hohen allgemeinen Sicherheitsrisiko verbunden sind, das dem Asylsuchenden nicht zumutbar ist (vgl. § 3e Abs. 1 AsylG). Dabei besteht nicht nur das erhebliche Risiko, gewissermaßen versehentlich in kriegerische Handlungen hineingezogen zu werden. Sowohl das syrische Regime und regierungsnahe Kräfte als auch bewaffnete oppositionelle Gruppen, darunter der sog. Islamische Staat (IS) und die Al-Nusra-Front, verüben in den jeweils von ihnen beherrschten Gebieten in breitem Umfang Massaker an der Zivilbevölkerung und Angriffe auf Zivilpersonen, u.a. in Form von Mord, Geiselnahme, Folter, Zwangsverschleppung, sexueller Gewalt und Rekrutierung von Kindern (vgl. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung November 2015, S. 12 f.; vgl. zum Vorstehenden: VG Freiburg, U. v. 01.02.2017 – a. a. O., Rdnr. 45 - 47 m. w. N.).

47

Weil der Kläger bereits mit seinem Hauptantrag Erfolg hat, ist über seinen Hilfsantrag, dessen Erfolgsaussichten von vornherein zweifelhaft sind, weil der Gesetzgeber dem Bundesamt bei der Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG kein Ermessen eingeräumt hat, nicht zu befinden.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 17. Mai 2017 - 1 A 56/17

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 17. Mai 2017 - 1 A 56/17

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 17. Mai 2017 - 1 A 56/17 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 84


(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 28 Nachfluchttatbestände


(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 17. Mai 2017 - 1 A 56/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 17. Mai 2017 - 1 A 56/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Feb. 2017 - A 4 K 2903/16

bei uns veröffentlicht am 01.02.2017

Tenor Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen; der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 04.08.2016 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.Di

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Dez. 2016 - 1 A 10922/16

bei uns veröffentlicht am 16.12.2016

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. Juni 2016 wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Kläger; Gericht

Referenzen

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

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Tenor

Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. Juni 2016 wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Kläger; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Der am … 1993 geborene Kläger, ein syrische Staatsangehöriger arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit, reiste eigenen Angaben zufolge am 22. Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag.

3

Zur Begründung machte er geltend, Syrien wegen des Krieges und aus Angst vor dem Verhungern verlassen zu haben. A… in der Provinz Homs, wo er gelebt habe, sei mal vom Regime und mal von bewaffneten Milizen übernommen worden. Es sei gefährlich gewesen zwischen den Fronten. Es habe ständig die Gefahr bestanden, von einer Seite gefangen genommen zu werden. Im Jahr 2013 seien Verwandte bei einer Straßenkontrolle mitgenommen worden. Sie seien nicht wiedergekommen; wahrscheinlich seien sie getötet worden. Zudem habe er Angst gehabt, vom Militär mitgenommen und als Soldat eingesetzt zu werden. Offiziell einberufen worden sei er noch nicht. Bei einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, eingezogen oder inhaftiert zu werden, weil er vor dem Wehrdienst geflohen sei.

4

Mit Bescheid vom 12. April 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu. Im Übrigen lehnte es den Asylantrag mit der Begründung ab, dass der Kläger kein Flüchtling im Sinne des § 3 Asylgesetz (AsylG) sei.

5

Das Verwaltungsgericht Trier hat auf die hiergegen erhobene Klage die Beklagte mit Urteil vom 16. Juni 2016 – 1 K 1520/16.TR – unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen. Mit Blick auf die Erkenntnismittel, insbesondere die aktuelle Situation in Syrien, sei davon auszugehen, dass dem Kläger für den Fall der Rückkehr nach dort ungeachtet individuell geltend gemachter Gründe und deren Glaubhaftigkeit politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Auf der Grundlage der auch aus der aktuellen Berichterstattung gewonnenen Erkenntnislage sei beachtlich wahrscheinlich, dass im Falle der Rückkehr wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt die Festnahme und damit verbunden die Gefahr von Folter drohe, weil davon auszugehen sei, dass einer vermuteten Einstellung gegen das derzeitige politische System nachgegangen werde.

6

Mit Beschluss vom 15. September 2016 – 1 A 10658/16.OVG – hat der Senat auf Antrag der Beklagten die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Am 30. September 2016 hat die Beklagte die Berufung begründet.

7

Sie macht geltend, dass Flüchtlingen aus Syrien im Falle ihrer Rückkehr dorthin nicht allein aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt beachtlich wahrscheinlich politische Verfolgung drohe.

8

Die Beklagte beantragt,

9

unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Zur Begründung nimmt er Bezug auf das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend macht er geltend, dass die von der Beklagten vertretene Auffassung, Rückkehrer nach Syrien unterlägen zwar allgemein der Gefahr der Folterung oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, dem liege jedoch keine unterstellte Regimegegnerschaft zugrunde, lebensfremd sei. Verhaftungen und Folterungen dienten keinem Selbstzweck, sondern der Unterdrückung jeglicher Regimegegnerschaft. Sie richteten sich immer gegen Personen, die der Regimegegnerschaft verdächtigt würden, wofür in Syrien indessen bereits derartige Nichtigkeiten genügten, dass dies aus Sicht eines in einem rechtsstaatlichen System lebenden Betrachters als willkürlich erscheinen möge. Demgemäß genüge auch bereits ein Auslandsaufenthalt für den Verdacht oppositioneller Haltung oder Tätigkeit. Dies gelte umso mehr, da sich das syrische Regime seit Jahren im Kampf um das eigene Überleben befinde. In individueller Hinsicht wirke in seinem Falle gefahrerhöhend, dass er aus der Rebellenhochburg Homs stamme und sich im wehrfähigen Alter befinde. Hinzu komme noch, dass sein 1990 geborener Bruder – dem die Beklagte im Übrigen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt habe – bereits eine Einberufung zum Militärdienst erhalten, aber nicht befolgt habe, was nochmals zu einer Gefahrerhöhung auch für den Kläger führe.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakten der Beklagten betreffend den Kläger (Az. 6513645-475) und dessen Bruder (Az. 6513662-475), jeweils 1 Heft, Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

14

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung ist zulässig und begründet.

16

Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

17

1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK –, BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.

18

a. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK –, BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist. Gleiches gilt nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG für eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

19

Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können gemäß § 3a Abs. 2 AsylG unter anderem gelten die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung sowie die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen gemäß § 3 Abs. 2 AsylG umfassen würde.

20

b. Die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe werden in § 3b Abs. 1 AsylG näher umschrieben.

21

Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylG umfasst der Begriff der Rasse insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe.

22

Als Religion im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG definiert § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sowie sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.

23

Der Verfolgungsgrund der Nationalität umfasst gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 3 AsylG über die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen hinaus insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird.

24

Eine soziale Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist insbesondere dann gegeben, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 AsylG).

25

Den Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung definiert § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG als das Vertreten einer Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft; unerheblich ist, ob der Ausländer aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

26

§ 3b Abs. 2 AsylG stellt schließlich ergänzend fest, dass es für die Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, nicht darauf ankommt, ob er die zur Verfolgung führenden Merkmale tatsächlich aufweist. Ausreichend ist bereits, dass diese ihm von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

27

c. Was den notwendigen Zusammenhang zwischen den in §§ 3 Abs. 1 und 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen angeht, stellt § 3a Abs. 3 AsylG nochmals klar, dass insoweit eine Verknüpfung bestehen muss.

28

d. § 3c AsylG legt fest, von wem Verfolgung ausgehen kann: Über den Staat (Nr. 1) und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), hinaus können dies nach § 3c Nr. 3 AsylG auch nichtstaatliche Akteure sein, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

29

e. Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet nach § 3e Abs. 1 AsylG dann aus, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

30

f. Ob eine Verfolgung der vorstehend näher beschriebenen Art droht, d. h. der Ausländer sich im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylGaus begründeter Furcht vor einer solchen Verfolgung außerhalb des Herkunftslandes befindet, ist anhand einer Verfolgungsprognose zu beurteilen, die auf der Grundlage einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat (BVerwG, Urteil vom 6. März 1990 – 9 C 14.89 –, BVerwGE 85, 12, juris, m. w. N.).

31

aa. Dabei ist es Aufgabe des Schutzsuchenden, von sich aus unter genauer Angabe von Einzelheiten den der Prognose zugrunde zu legenden, aus seiner Sicht die Verfolgungsgefahr begründenden Lebenssachverhalt zu schildern (§ 25 Abs. 1 AsylG).

32

Das Gericht muss sich sodann, um die behaupteten, möglicherweise eine Verfolgungsgefahr begründenden Tatsachen seiner Entscheidung als gegeben zugrunde legen zu können, nach § 108 Abs.1 Satz 1 VwGO die volle Überzeugung von deren Wahrheit – und nicht nur von deren Wahrscheinlichkeit – verschaffen. Zwar gilt hierbei der allgemeine Grundsatz, dass das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen darf, sondern sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Zudem ist die besondere Beweisnot des nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts mit der materiellen Beweislast hinsichtlich der guten Gründe für seine Verfolgungsfurcht beschwerten Schutzsuchenden zu berücksichtigen, dem häufig die üblichen Beweismittel fehlen. Insbesondere können in der Regel unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts legt den Tatsachengerichten insoweit nahe, den eigenen Erklärungen des Schutzsuchenden größere Bedeutung beizumessen, als dies meist sonst in der Prozesspraxis bei Bekundungen einer Partei der Fall ist, und den Beweiswert seiner Aussage im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Schutzsuchenden und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Anerkennung kann schon allein sein Tatsachenvortrag führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Dem Klagebegehren darf jedenfalls nicht mit der Begründung der Erfolg versagt werden, dass neben der Einlassung des Schutzsuchenden keine Beweismittel zur Verfügung stehen. Der Richter ist aus Rechtsgründen schon allgemein nicht daran gehindert, eine Parteibehauptung ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen; das gilt für das Asylverfahren mit seinen typischen Schwierigkeiten, für das individuelle Schicksal des Antragstellers auf andere Beweismittel zurückzugreifen, in besonderem Maße. Einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird der Richter hierdurch jedoch nicht enthoben. Das Fehlen von Beweismitteln mag die Meinungsbildung des Tatsachengerichts erschweren, entbindet es aber nicht davon, sich eine feste Überzeugung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu bilden. Dies muss – wenn nicht anders möglich – in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Schutzsuchenden glaubt (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 – 9 C 109/84 –, BVerwGE 71, 180, juris, m. w. N.).

33

bb. Die Prognose in Bezug auf eine bei Rückkehr in den Heimatstaat drohende Verfolgung hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – ABl. EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl. EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24 – einheitlich anhand des Maßstabs der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zu erfolgen (vgl. dazu im einzelnen BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2011 – 10 C 25/10 –, BVerwGE 140, 22, und vom 1. März 2012 – 10 C 7/11 –, beide in juris, m. w. N.).

34

(1) Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschluss vom 7. Februar 2008 – 10 C 33/07 –, juris, m. w. N.) eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Antragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer "quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 Prozent Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" (real risk) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert.

35

(2) Von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohender politischer Verfolgung muss das Gericht – wie auch bereits von der Wahrheit des der Prognose zugrunde zu legenden Lebenssachverhalts – die volle richterliche Überzeugung gewonnen haben (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 – 9 C 109/84 –, BVerwGE 71, 180, juris, m. w. N.).

36

(3) Eine Beweiserleichterung gilt für Vorverfolgte. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist; etwas anderes soll nur dann gelten, wenn stichhaltige Gründe gegen eine erneute derartige Bedrohung sprechen. Für denjenigen, der bereits Verfolgung erlitten hat, streitet also die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Dadurch wird der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Die aus der Vorverfolgung resultierende Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Erforderlich ist hierfür, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 –, BVerwGE 136, 388, juris, m. w. N.).

37

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze droht dem Kläger im Falle einer – ungeachtet des ihm mit Bescheid vom 12. April 2016 zuerkannten subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und des hieraus resultierenden Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 2 AufenthG) – hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien nach Überzeugung des Senats dort nicht beachtlich wahrscheinlich Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.

38

a. Der Kläger ist nicht vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Umstände, aus denen sich eine bereits erlittene oder im Zeitpunkt der Ausreise unmittelbar drohende Verfolgung durch den syrischen Staat oder sonstige Akteure im Sinne des § 3c Nr. 2 und 3 AsylG ergäbe, hat der Kläger weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht.

39

b. Eine begründete Furcht vor Verfolgung ergibt sich auch nicht aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem der Kläger Syrien verlassen hat (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG).

40

aa. Das Verwaltungsgericht hat eine entsprechende Gefährdung ausschließlich unter Hinweis darauf bejaht, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Syrien bereits allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt beachtlich wahrscheinlich die Festnahme und damit verbunden die Gefahr von Folter drohe, womit seitens der syrischen Behörden einer vermuteten Einstellung gegen das derzeitige politische System nachgegangen werde.

41

Damit folgt das Verwaltungsgericht der Rechtsprechung der überwiegenden Zahl der bislang mit dieser Frage befassten Gerichte (vgl. OVG S-A, Urteil vom 18. Juli 2012 – 3 L 147/12 –, VGH BW, Beschlüsse vom 19. Juni 2013 – A 11 S 927/13 – und vom 29. Oktober 2013 – A 11 S 2046/13 –, HessVGH, Beschluss vom 27. Januar 2014 – 3 A 917/13.Z.A –, sowie eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen, zuletzt etwa VG Köln, Urteil vom 25. Oktober 2016 – 20 K 2890/16.A –, VG Münster, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 8 K 2127/16.A –, VG Schleswig, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 12 A 651/16 –, m. w. N.; a. A.: in ständiger Rechtsprechung OVG NRW, zuletzt mit Beschlüssen vom 5. September 2010 – 14 A 1802/16.A – und vom 6. Oktober 2016 – 14 A 1852/16.A –, jeweils m. w. N., OVG SH, Urteil vom 23. November 2016 – 3 LB 17/16 –, VG Potsdam, Urteil vom 3. Dezember 2013 – 6 K 3592/13.A –, VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juli 2016 – 5 K 5853/16.A – und vom 11. Oktober 2016 – 2 K 9062/16.A –, alle in juris, sowie BayVGH, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 21 ZB 16.30338 u. a. –, Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht).

42

Dem vermag sich der Senat indessen nicht anzuschließen.

43

Zwar trifft es zu, dass mangels Referenzfällen – wegen der eskalierenden Lage finden Abschiebungen bereits seit Jahren nicht mehr statt (vgl. dazu auch die entsprechende Empfehlung des Bundesministeriums des Innern an die Länderinnenverwaltungen vom 28. April 2011, Az. M I 3 – 125 242 SYR/O) – die Prognose, ob im Falle einer hypothetischen Abschiebung nach Syrien dort aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung und eines längeren Auslandaufenthaltes beachtlich wahrscheinlich politische Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht, notwendigerweise aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu erfolgen hat.

44

Demgemäß begründen die eine entsprechende Verfolgungsgefahr bejahenden Gerichte ihre Prognosen jeweils mit einer ganzen Reihe von Einzelfaktoren. Hierzu gehören insbesondere (vgl. exemplarisch etwa OVG S-A, Urteil vom 18. Juli 2012 – 3 L 147/12 –, juris) die Behandlung von Personen, die bis zum Erlass des generellen Abschiebungsstopps im April 2011 aus der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten nach Syrien abgeschoben wurden, die umfassende Beobachtung von syrischen Staatsangehörigen im Ausland durch die verschiedenen syrischen Geheimdienste, die Eskalation der innenpolitischen Situation seit März 2011 und der Umgang der syrischen Behörden mit Personen in Syrien, insbesondere seit Beginn des Jahres 2012, die aus ihrer Sicht verdächtig sind, die Opposition unterstützen. Auch hiergegen ist systematisch nichts zu erinnern.

45

Der erkennende Senat gelangt allerdings im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände zu einem abweichenden Ergebnis im Hinblick auf die allein aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt bestehende Verfolgungsgefahr.

46

Bei der Bewertung, ob die im Einzelfall festgestellten Umstände eine die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG rechtfertigende Verfolgungsgefahr begründen, ist rechtlich zwischen zwei Fragestellungen zu unterscheiden, nämlich dem beachtlich wahrscheinlichen Drohen einer Verfolgungshandlung gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a AsylG als solcher und deren ebenfalls beachtlich wahrscheinlicher Verknüpfung (§ 3a Abs. 3 AsylG) mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3b AsylG.

47

(1) Danach kann für die hier allein streitgegenständliche Frage der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG letztlich offen bleiben, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien dort überhaupt beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a AsylG dergestalt droht, einer Befragung unterzogen zu werden, mit der die konkrete Gefahr einer Verhaftung und/oder einer schwerwiegenden Misshandlung bis hin zur Folter und willkürlichen Tötung einhergeht.

48

Zweifel hieran könnten sich im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats möglicherweise aus dem Umstand ergeben, dass Ende 2015 von den rund 22 Millionen zuvor in Syrien lebenden Menschen bereits rund 4,9 Millionen, mithin knapp ein Viertel der gesamten Bevölkerung, aus dem Land geflohen waren (UNHCR, Global Trends – Forced Displacement in 2015,

49

http://www.unhcr.org/statistics/unhcrstats/576408cd7/unhcr-global-trends-2015.html).

50

Dass es sich hierbei mehrheitlich nicht um Oppositionelle handelt, sondern um Bürgerkriegsflüchtlinge, muss bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch den syrischen Behörden bekannt sein. Dass dem tatsächlich so ist, wird überdies durch eine Äußerung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad Ende 2015 in einem Interview im tschechischen Fernsehen bestätigt, wonach es sich bei der Mehrheit der syrischen Flüchtlinge um „gute Syrer“ handele, es aber „natürlich … eine Unterwanderung durch Terroristen“ gebe

51

(http://www.n-tv.de/politik/Assad-lobt-Putins-Eingreifen-in-Syrien-article16478486.html).

52

In diese Richtung deutet auch eine Auskunft der Deutschen Botschaft Beirut an das BAMF zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Syrien vom 3. Februar 2016. Danach liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse dazu vor, dass ausschließlich aufgrund des vorangegangenen Auslandsaufenthalts Rückkehrer nach Syrien Übergriffe/Sanktionen zu erwarten haben. Zwar seien Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden seien; diese stünden allerdings überwiegend im Zusammenhang mit oppositionellen Aktivitäten (beispielsweise Journalisten und Menschenrechtsverteidigern) oder im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Wehrdienst. Dies entspreche auch den Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen, mit denen das Auswärtige Amt bzw. die Botschaft Beirut zusammenarbeiteten.

53

Andererseits ergeben sich bereits aus der zitierten Äußerung des syrischen Präsidenten aber auch deutliche Hinweise darauf, dass die syrischen Sicherheitsbehörden alle Rückkehrer schon deshalb jedenfalls einer eingehenden Befragung unterziehen werden, damit sie einschätzen können, ob Verdachtsmomente für terroristische Aktivitäten – oder möglicherweise auch nur für eine regimegegnerische Haltung des Betroffenen oder für Kenntnisse über oppositionelle Aktivitäten Dritter – gegeben sind. Die mit derartigen Befragungen ausweislich zahlreicher bis zum Jahr 2011 dokumentierter Referenzfälle (vgl. beispielsweise OVG S-A, Urteil vom 18. Juli 2012 – 3 L 147/12 –, und OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2012 – 14 A 2708/10.A –, beide in juris, jeweils m. w. N.) jedenfalls in der Vergangenheit verbunden gewesenen weiteren Risiken einer Verhaftung und/oder von Misshandlungen vom Schweregrad des § 3a AsylG können auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen massenhaften Ausreise jedenfalls nicht hinreichend verlässlich ausgeschlossen werden.

54

Letztlich bedarf diese Frage hier aber keiner abschließenden Klärung, weil eine entsprechende Verfolgungsgefahr jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3b AsylG gegeben wäre.

55

(2) Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse reichen nicht aus, um seine Überzeugung von einer beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt drohenden Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a Abs. 3 AsylG zu begründen; weiterreichende taugliche Erkenntnismittel sind weder von den Beteiligten aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.

56

Eine entsprechende beachtlich wahrscheinliche Gefährdung des Klägers im Sinne des § 3 AsylG würde voraussetzen, dass ihm ein entsprechendes Merkmal von den syrischen Behörden zumindestzugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG). Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der politisch Verfolgte weder tatsächlich noch nach der Überzeugung des verfolgenden Staates selbst Träger eines verfolgungsverursachenden Merkmals sein müssen, sondern politische Verfolgung auch dann vorliegen kann, wenn der oder die Betroffene lediglich der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits politischer Verfolgung unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 22. November 1996 – 2 BvR 1753/96 –, juris).

57

Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden in diesem Sinne letztlich jeden Rückkehrer, der Syrien illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, ohne weitere Anhaltspunkte der Opposition zurechnen, gibt es keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse. Im Gegenteil erscheint dies lebensfremd, da angesichts von fast 5 Millionen Flüchtlingen auch dem syrischen Staat – wie bereits dargelegt – bekannt ist, dass der Großteil der Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck politischer Gegnerschaft zum Regime, sondern aus Angst vor dem Bürgerkrieg verlassen hat (so auch in ständiger Rechtsprechung OVG NRW, vgl. zuletzt Beschlüsse vom 6. Oktober 2010 – 14 A 1852/16.A – und vom 5. September 2016 – 14 A 1802/16.A – m. w. N., OVG SH, Urteil vom 23. November 2016 – 3 LB 17/16 –, VG Potsdam, Urteil vom 3. Dezember 2013 – 6 K 3592/13.A –, und VG Düsseldorf, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 2 K 9062/16-A –, alle in juris).

58

Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse (a) zur Behandlung von Personen, die bis zum Abschiebestopp im Jahre 2011 nach Syrien abgeschoben worden sind, (b) zur umfassenden Beobachtung von syrischen Staatsangehörigen im Ausland durch die verschiedenen syrischen Geheimdienste, (c) zur Eskalation der innenpolitischen Situation seit März 2011 und (d) zum Umgang der syrischen Behörden mit Personen in Syrien, insbesondere seit Beginn des Jahres 2012, die aus ihrer Sicht verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen.

59

(a) (aa) Das Auswärtige Amt hat in seinem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 27. September 2010 zur Behandlung von Rückkehrern (S. 19 f.) mitgeteilt, dass zurückgeführte Personen bei ihrer Einreise in der Regel zunächst durch die Geheimdienste über ihren Auslandsaufenthalt und den Grund ihrer Abschiebung befragt würden. Diese Befragungen könnten sich (zwar) über mehrere Stunden hinziehen, in der Regel werde dann jedoch die Einreise ohne weitere Schwierigkeiten gestattet; in manchen Fällen werde der Betroffene für die folgenden Tage nochmals zum Verhör einbestellt. (Lediglich) in Einzelfällen würden Personen für die Dauer einer Identitätsprüfung durch die Einreisebehörden festgehalten; dies dauere in der Regel nicht länger als zwei Wochen. Im Jahr 2009 seien – bei insgesamt 40 in 2009 und dem ersten Quartal 2010 von Deutschland nach Syrien im Rahmen des Anfang 2009 in Kraft getretenen Rückübernahmeabkommens zurückgeführten Personen – in drei Fällen Inhaftierungen unmittelbar bzw. kurz nach der Rückführung bekanntgeworden. In einem Fall könne bestätigt werden, dass eine Inhaftierung über die übliche Befragung durch syrische Behörden nach der Ankunft hinausgegangen sei. Der Betroffene sei unter dem Vorwurf verhaftet worden, in Deutschland Asyl beantragt und „im Ausland bewusst falsche Nachrichten verbreitet zu haben, die das Ansehen des Staates herabzusetzen geeignet sind“. Später sei der auf Kaution freigelassene und sodann ausgereiste Mann in Abwesenheit wegen „Verbreitung bewusst falscher Tatsachen im Ausland, die das Ansehen des Staates herabzusetzen geeignet sind“ zu einer Haftstrafe von 4 Monaten sowie einer Geldstrafe von 80 SYP (1,17 €) verurteilt worden. Eigenen – nicht verifizierbaren – Angaben zufolge sei der Betroffene während seiner Haft durch syrische Behördenmitarbeiter körperlich misshandelt worden.

60

Für die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Syrien bereits allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt beachtlich wahrscheinlich aufgrund einer von den syrischen Behörden vermuteten regimefeindlichen Einstellung die Festnahme und Folter drohe, kann den Feststellungen des Lageberichts letztlich nichts entnommen werden.

61

Fraglich erscheint bereits, ob für die im Rahmen der Verfolgungsprognose hypothetisch zu unterstellende Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat überhaupt von einer Abschiebung auszugehen ist. In diesem Fall müsste der Betroffene ja – um überhaupt abgeschoben werden zu können – nach bestandskräftigem Abschluss des Erstverfahrens zur Ausreise verpflichtet sein. Dann aber stellte sich die Frage, ob eine durch den Umstand, dass der Schutzsuchende nicht dieser rechtlichen Verpflichtung folgend freiwillig ausreist, sondern es auf eine Abschiebung ankommen lässt, bewirkte Gefahrerhöhung nicht entsprechend den Grundsätzen für missbräuchlich geschaffene Nachfluchtgründe (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 10 C 27/07 –, BVerwGE 133, 31, juris) im Rahmen des § 3 AsylG außer Betracht zu bleiben hat. Letztlich kann dies allerdings dahinstehen, da sich aus dem o. a. Lagebericht auch für den hypothetisch unterstellten Fall einer Abschiebung nach Syrien keine zureichenden Anhaltspunkte für eine beachtlich wahrscheinlich drohende politische Verfolgung Gefährdung ergeben.

62

Auf der Grundlage einer Gesamtzahl von rund 40 zurückgeführten Personen wird von insgesamt drei Inhaftierungen berichtet. Da nach dem Lagebericht derartige Inhaftierungen zum Zweck einer Identitätsprüfung durch die Einreisebehörden erfolgen können, und in einem der drei berichteten Fälle eine Anklage und Verurteilung wegen Verbreitung falscher, das Ansehen des Staates herabsetzenden Aussagen erfolgt ist, ergibt sich hieraus letztlich bereits keine beachtlich wahrscheinliche Gefährdung von Personen, die derartige Äußerungen im Ausland jedenfalls nicht bekanntermaßen, insbesondere im Rahmen ihrer Asylantragstellung, getätigt haben, überhaupt mit Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3 i. V. m. § 3a AsylG überzogen zu werden. Dies gilt umso mehr, als Rückkehrer aus der Bundesrepublik Deutschland, die – wie der Kläger – ihr Asylbegehren nicht mit einer Verfolgung durch den syrischen Staat, sondern lediglich mit dem in Syrien herrschenden Bürgerkrieg und dessen Folgen begründet haben, dies auch noch zusätzlich durch Vorlage der Anhörungsniederschrift sowie des Bescheides des Bundesamtes und ggfls. der hierauf ergangenen verwaltungsgerichtlichen Urteile belegen können.

63

Erst recht lassen sich dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 27. September 2010 keine Hinweise auf die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Verfolgung aus einem der in § 3 AsylG genannten Verfolgungsgründe entnehmen.

64

(bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt seinem Urteil vom 18. Juli 2012 – 3 L 147/12 – zugrunde gelegten Dokumentationen von amnesty international „Menschenrechtskrise in Syrien erfordert Abschiebungsstopp und Aussetzung des Deutsch-Syrischen Rückübernahmeabkommens“ vom 14. März 2012

65

(https://www.amnesty.de/downloads/download-menschenrechtskrise-syrien-erfordert-abschiebungsstopp)

66

und des kurdischen Informationsdienstes KURDWATCH

67

(http://www.kurdwatch.org/?cid=1&z=en)

68

betreffend die Festnahme von Rückkehrern in insgesamt 9 Fällen im Zeitraum von Juni 2009 bis zum 13. April 2011. In jedem dieser Fälle bestehen nämlich besondere Einzelfallumstände, die als eigenständige Erklärung für die Verhaftung bei der Rückkehr nach Syrien dienen können. In einem Fall war der Betroffene bereits 2005 in Syrien in Haft gewesen. In einem anderen Fall – wohl dem, über den auch bereits das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 27. September 2010 berichtet hat – wurden dem Asylbewerber offenbar konkrete Angaben bei seiner Anhörung durch das Bundesamt vorgehalten. Die weiteren Festnahmen erklären sich durch das Engagement als stellvertretender Direktor eines Vereins syrischer Kurden, der auf die Situation der Kurden in Syrien aufmerksam macht, eine den syrischen Behörden bekannt gewordene Straffälligkeit wegen Diebstahls in Deutschland, falsche Altersangaben im Pass und diverse exilpolitische Aktivitäten wie die Teilnahme an Hungerstreiks und das Berichten hierüber.

69

(cc) Ganz abgesehen davon wäre aber auch selbst eine – nach der Überzeugung des Senats nicht gegebene – beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung in Bezug auf bis zum Jahre 2011 nach Syrien abgeschobene abgelehnte Asylbewerber nur ein schwaches Indiz für eine entsprechende Gefährdung bei heutiger fiktiver Rückkehr allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt.

70

Bis 2011 gibt es keine Hinweise auf eine größere Anzahl von Flüchtlingen aus Syrien, die im Ausland um politisches Asyl nachgesucht haben; im Gegenteil war Syrien Ende des Jahres 2011 mit 755.400 aufgenommenen Flüchtlingen hinter Pakistan und dem Iran und noch vor der Bundesrepublik Deutschland das drittstärkste Aufnahmeland weltweit (UNHCR, Global Trends 2011 – A Year of Crises,

71

http://www.unhcr.org/statistics/country/4fd6f87f9/unhcr-global-trends-2011.html).

72

Angesichts des Nichtvorliegens von Gründen für eine massenhafte Flucht aus Syrien bis dahin mag es für die syrischen Sicherheitsbehörden damals nach der Lebenserfahrung nahegelegen haben, unter denjenigen, welche gleichwohl im Ausland Asyl beantragt hatten, einen beachtlichen Prozentsatz an dem syrischen System kritisch oder sogar feindlich gegenüber stehenden Personen zu vermuten. Diese Vermutung rechtfertigt sich indessen nicht mehr, nachdem zeitlich zusammentreffend mit der ab Januar 2012 eskalierenden Gewaltanwendung in Syrien (siehe dazu näher Auswärtiges Amt, Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 17. September 2012) im Verlauf von 4 Jahren rund 5 Millionen Menschen aus Syrien geflohen sind; vgl. UNHCR, Global Trends 2012 – Displacement, The New 21st Century Challenge, Global Trends 2013 – Wars’s Human Cost, Global Trends 2014 – World at War, und Global Trends 2015 – Forced Displacement in 2015,

73

http://www.unhcr.org/statistics/country/51bacb0f9/unhcr-global-trends-2012.html,

74

http://www.unhcr.org/statistics/country/5399a14f9/unhcr-global-trends-2013.html,

75

http://www.unhcr.org/statistics/country/556725e69/unhcr-global-trends-2014.html

76

http://www.unhcr.org/statistics/unhcrstats/576408cd7/unhcr-global-trends-2015.html).

77

Dass es sich bei den Geflohenen größtenteils nicht um Oppositionelle handelt, sondern um Bürgerkriegsflüchtlinge, ist – wie bereits eingangs dargelegt – auch den syrischen Behörden bekannt.

78

(dd) Erheblich lebensnäher als die Annahme, dass die syrischen Behörden allein aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt generell das Vorhandensein einer gegen das derzeitige politische System gerichteten Einstellung vermuten und aufgrund dessen gegen den Betroffenen vorgesehen, erscheint es nach alledem, dass mittels der scharfen Einreisekontrollen mit den zurückkehrenden Flüchtlingen ins Land einsickernde Terroristen und Regimegegner aus der Masse der Flüchtlinge herausgefiltert werden sollen. Möglicherweise mag es auch darum gehen, im Einzelfall vorhandene Wahrnehmungen oder Kenntnisse die Tätigkeit der Exilopposition betreffend „abzuschöpfen“, wobei jedoch auch insoweit angesichts von Millionen im Ausland lebender Flüchtlinge nicht davon ausgegangen werden kann, dass die syrischen Sicherheitsbehörden bei jedem oder auch nur bei einer großen Zahl von Rückkehrern derartiges Wissen vermuten.

79

Insgesamt kann sonach nicht festgestellt werden, dass die Gefahr, bei einer fiktiven Rückkehr nach Syrien festgenommen und unter Anwendung von Folter verhört zu werden, an dem Betroffenen vom syrischen Staat zumindest im Sinne des § 3b Abs. 2 AsylG zugeschriebene Merkmale nach den §§ 3 Abs. 1, 3b Abs.1 AsylG anknüpfen würde. Dafür, dass der syrische Staat bei heutiger Rückkehr in unpolitischen erfolglosen Asylbewerbern mehr sehen würde, als bloß potentielle Gegner und bloß potentielle Informationsquellen zur Exilszene, auf die er sodann möglicherweise wahllos-routinemäßig zugreift, um unter Umständen Hinweise auf Terroristen oder Oppositionelle zu gewinnen, lässt sich jedenfalls aus den Erkenntnissen zur Behandlung von Personen, die bis 2011 nach Syrien abgeschoben worden sind, nichts herleiten.

80

(ee) Eine andere Bewertung insoweit legen schließlich auch nicht Berichte jüngeren Datums über die Behandlung von Rückkehrern aus nichteuropäischen Ländern nahe.

81

So führt das US State Department in seinem Menschenrechtsbericht vom 13. April 2016

82

(http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm)

83

unter Section 2d zum Thema „Emigration and Repatriation“ zwar aus, dass Personen, welche erfolglos in anderen Ländern um Asyl nachgesucht hätten, strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt seien

84

(„On their return to the country, both persons who unsuccessfully sought asylum in other countries and those who had previous connections with the Syrian Muslim Brotherhood faced prosecution.“),

85

erläutert dies jedoch im Folgesatz dahingehend, dass das Gesetz die Verfolgung von Personen vorsehe, welche im Ausland Schutz gesucht hätten, um sich einer Strafe in Syrien zu entziehen

86

(„The law provides for the prosecution of any person who attempts to seek refuge in another country to evade penalty in Syria.“).

87

Für das Vorliegen eines derartigen Falles bestehen hier keinerlei Anhaltspunkte.

88

Des Weiteren heißt es im Bericht des State Departments, dass die syrischen Behörden routinemäßig Dissidenten und ehemalige Bürger ohne bekannte politische Zugehörigkeit verhaftet hätten, welche nach Jahren oder gar Jahrzehnten selbstauferlegten Exils nach Syrien zurückgekehrt seien

89

(„The government routinely arrested dissidents and former citizens with no known political affiliation who attempted to return to the country after years or even decades of self-imposed exile.“).

90

Insoweit ist dem Bericht indessen bereits nichts dazu entnehmen, ob es sich nach der Dauer der Festnahme und den Umständen der Vernehmung um eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des §§ 3 und 3a AsylG gehandelt hat. Unabhängig davon lässt sich aber auch jedenfalls in Bezug auf die Personen ohne bekannten politischen Hintergrund kein Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3b AsylG feststellen, da die Festnahme dem Bericht zufolge im bereits umschriebenen Sinne wahllos-routinemäßig („routinely“) erfolgt.

91

Das Immigration and Refugee Board of Canada verweist in seinem Jahresbericht Syrien 2015 vom 19. Januar 2016 (Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion [2014-December 2015],

92

http://www.ecoi.net/local_link/320204/445626_en.html),

93

unter Ziffer 3 „Treatment of Failed Refugee Claimants“ auf einen Fernsehbericht von ABC vom 1. Oktober 2015, dem zufolge ein aus Australien zurückkehrender Asylbewerber nach eigenen Angaben 20 Tage lang festgehalten und durch Schläge misshandelt worden sei. Man habe ihm vorgehalten, aus der Provinz Daara, in der der Bürgerkrieg begonnen habe, zu stammen, und – unter Hinweis auf einen von ihm mitgeführten Geldbetrag – ein Finanzier der Revolution zu sein. Über weitergehende und bestätigende Informationen zu diesem Fall verfüge man nicht. Die dieser Berichterstattung zufolge gegen den Rückkehrer erhobenen Vorwürfe gehen indessen über den bloßen Umstand der illegalen Ausreise und erfolglosen Asylantragstellung im Ausland hinaus.

94

Im Weiteren enthält der Jahresbericht sodann zwar Einschätzungen verschiedener namentlich nicht genannter Personen, u. a. eines emeritierten Professors für Anthropologie und Vertreibung der Universität Oxford und eines „Executive Director of the Syria Justice and Accountability Center“, denen zufolge zurückkehrende erfolglose Asylbewerber mit Festnahme und Haft sowie mit Folter zu rechnen hätten, um den Grund für ihre Ausreise zu erfahren oder Informationen über andere Asylbewerber oder die Opposition erlangen. Konkrete Tatsachen, aus denen diese Einschätzungen abgeleitet werden könnten, werden indessen nicht genannt. Damit fehlte es insoweit selbst dann, wenn man diese Einschätzungen ohne nähere Überprüfung als zutreffend unterstellen wollte, jedenfalls an einem zureichenden Beleg für die Annahme, dass die drohenden Übergriffe regelmäßig durch einen den Betroffenen seitens der syrischen Behörden zumindest zugeschriebenen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 AsylG motiviert wären und nicht bloß ein wahllos-routinemäßiges „Fischen“ nach möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen darstellten, wofür wie bereits ausgeführt die Lebenserfahrung spricht.

95

(b) Tragfähige Anhaltspunkte für eine im Fall der Abschiebung nach Syrien dort allein aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung und eines längeren Auslandsaufenthaltes beachtlich wahrscheinlich drohende politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden Erkenntnissen zurumfassenden Beobachtung von syrischen Staatsangehörigen im Ausland durch die syrischen Geheimdienste.

96

(aa) Zur Intensität und Zielrichtung der Beobachtung führt das Bundesministerium des Innern im Verfassungsschutzbericht 2015

97

(https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/verfassungsschutzberichte/vsbericht-2015)

98

auf Seite 263 f. aus:

99

„Die syrischen Nachrichtendienste verfügen ungeachtet des Bürgerkriegs und damit einhergehender Auflösungserscheinungen in Teilen des Machtapparates unverändert über leistungsfähige Strukturen. Ihr Aufgabenschwerpunkt ist die Ausforschung von Gegnern des syrischen Regimes, zu denen sowohl islamistische und islamistisch-terroristische Gruppierungen als auch die breit gefächerte säkulare und kurdische Opposition zählen.

100

Bei anhaltenden unkontrollierten Einreisen syrischer Staatsangehöriger in die EU ist auch mit weiteren Ausforschungsaktivitäten syrischer Nachrichtendienste zu rechnen.“

101

(bb) Ausweislich des Verfassungsschutzberichts 2015 (Seite 82) des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport

102

(https://mdi.rlp.de/fileadmin/isim/Unsere_Themen/Sicherheit/Verfassungsschutz/Dokumente/Verfassungsschutzb_2015_komp_web_neu.pdf)

103

„forcieren“ die Geheimdienste aus den Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika „ihre Aktivitäten gegen Regimegegner und Oppositionelle in der Bundesrepublik Deutschland“.

104

(cc) Das sächsische Staatsministerium des Innern stellt in seinem Verfassungsschutzbericht 2015

105

(http://www.verfassungsschutz.sachsen.de/download/VSB_2015_INTERNET_05_25.pdf)

106

auf Seite 236 fest:

107

„Arabische und nordafrikanische Nachrichtendienste führen in Deutschland in erster Linie Maßnahmen gegen hier lebende Oppositionelle aus ihren Heimatländern durch. Die politischen Veränderungen der letzten Jahre im arabischen und nordafrikanischen Raum haben daran nichts geändert. Damit dürften die in Sachsen lebenden Einwanderer und Flüchtlinge aus den einschlägigen Krisenregionen nach wie vor als Ziel der jeweiligen Nachrichtendienste gelten, insbesondere, wenn sie sich oppositionell betätigt haben.

108

Insbesondere die syrischen Nachrichtendienste dürften starkes Interesse am Verbleib bekannter Oppositioneller und deren Rolle im syrischen Bürgerkrieg haben. Die Ausforschung persönlicher Umstände kann dann zur Repression gegen spätere Rückkehrer oder gegen in der Heimat verbliebene Verwandte genutzt werden.“

109

110

(dd) Im Verfassungsschutzbericht 2015 des hamburgischen Landesamtes für Verfassungsschutz

111

(http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/6306408/2016-06-13-bis-pm-verfassungsschutzbericht-2015/)

112

heißt es auf Seite 215:

113

„Verschiedene Nachrichtendienste des Mittleren und Nahen Ostens sowie Afrikas sind in Deutschland und zum Teil auch in Hamburg aktiv. Ein besonderes Interesse haben diese Dienste an oppositionellen Gruppierungen, die als Bedrohung für das eigene Regime angesehen werden. Ein weiterer Schwerpunkt war der Bereich der Proliferation ...

114

...

115

Die Nachrichtendienste dieser und weiterer Länder versuchen zudem die jeweiligen Oppositionsgruppen zu überwachen. Dazu werden beispielsweise Hinweisgeber gewonnen oder Informanten in die Gruppen eingeschleust.“

116

(ee) Der Bericht 2015 „Verfassungsschutz in Hessen“ des dortigen Ministeriums des Innern und für Sport

117

(https://lfv.hessen.de/sites/lfv.hessen.de/files/content-downloads/LfV_Bericht-2015final_screen.pdf)

118

stellt auf Seite 162 zu Flüchtlingen aus Syrien fest:

119

„Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Nachrichtendienste dieser Länder nach wie vor existent sind. Daher gilt für die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge: Wer sich im Heimatland gegen das Regime engagierte, gerät eventuell auch in Deutschland in das Visier fremder Nachrichtendienste. Flüchtlinge und deren Familie in der Heimat können ausgespäht werden, gegebenenfalls versuchen fremde Nachrichtendienste, sie als menschliche Quelle zu gewinnen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass ausländische Nachrichtendienste daran interessiert sind, Informationen über bestimmte Flüchtlingsgruppen und das Agieren der in den Herkunftsländern verbliebenen Opposition zu erhalten.“

120

(ff) Die nachrichtendienstlichen Aktivitäten richten sich mithin nach übereinstimmender Einschätzung der genannten Dienste in erster Linie gegen Regimegegner und Oppositionelle bzw. Gruppierungen von solchen.

121

Von einer systematischen Beobachtung aller in Deutschland lebenden Syrer ist auch nicht nur andeutungsweise die Rede; angesichts der hohen Flüchtlingszahlen in den letzten Jahren, insbesondere im Jahr 2015, erscheint eine solche auch bereits rein faktisch gar nicht möglich. Soweit eben aus diesem Umstand gefolgert wird, dass Personen, die illegal aus Syrien ausgereist sind, sich längere Zeit im westlichen Ausland aufgehalten und dort um internationalen Schutz nachgesucht haben, seitens der syrischen Behörden allein schon aufgrund deren lückenhafter Erkenntnislage mit hoher Wahrscheinlichkeit verdachtsunabhängig Befragungen und Inhaftierungen unterzogen würden, um die Motive der Ausreise und etwaigen Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen in Erfahrung zu bringen (VG Trier, Urteil vom 7. Oktober 2016 – 1 K 5093/16.TR –, juris), vermag dies den Senat zumindest nicht von einer beachtlich wahrscheinlich drohenden Gefahr politischer Verfolgung zu überzeugen. Ob eine derartige Befragung oder Inhaftierung angesichts der zwischenzeitlichen massenhaften Flucht der syrischen Bevölkerung vor dem Bürgerkrieg überhaupt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, kann dabei dahinstehen. Wie bereits ausgeführt wäre eine entsprechende Verfolgungsgefahr jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3b AsylG gegeben, sondern mangels zureichender anderer Erkenntnisse als bloßer wahllos-routinemäßiger Zugriff aufpotentielle Gegner und bloß potentielle Informationsquellen zur Exilszene zu werten, mit dem möglicherweise einen konkreten Verdacht begründende Hinweise, aufgrund derer sodann eine „Zuschreibung“ von Merkmalen im Sinne des § 3b Abs. 2 AsylG erfolgen könnte, erst gewonnen werden sollen.

122

(c) Überzeugende Anhaltspunkte für eine erfolglosen Asylbewerbern bei ihrer Rückkehr nach Syrien allein aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung und eines längeren Auslandaufenthaltes beachtlich wahrscheinlich drohenden politische Verfolgung ergeben sich auch nicht aus der Eskalation der innenpolitischen Situation in Syrien seit März 2011 bis hin zum offenen Bürgerkrieg (vgl. zur Entwicklung der innenpolitischen Situation umfänglich OVG S-A, Urteil vom 18. Juli 2012 – 3 L 12 –, juris, Rn. 45 bis 76 ).

123

Aus dem Umstand, dass der syrische Staat als eine der in den Bürgerkrieg involvierten Parteien mit brutaler Härte gegen seine tatsächlichen und scheinbaren Gegner im Landesinnern vorgeht und dabei offensichtlich – etwa beim Einsatz von tausenden von Fassbomben über Oppositionsgebieten seit dem Jahr 2012 – Opfer unter der Zivilbevölkerung zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft Beirut an das BAMF zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Syrien vom 3. Februar 2016), lassen sich keine zwingenden Schlüsse auf ein beachtlich wahrscheinlich drohendes politisch motiviertes Vorgehen im Sinne des § 3 AsylG gegen aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrende Bürgerkriegsflüchtlinge ziehen.

124

Gegen eine quasi routinemäßige Einstufung dieser Personengruppe als aus der Sicht des Regimes zu bekämpfende mutmaßliche Regimegegner oder Oppositionelle spricht bereits nach der Lebenserfahrung der – wie dargelegt auch den syrischen Machthabern geläufige – Gesichtspunkt, dass diejenigen, die vor dem Bürgerkrieg außer Landes geflohen sind, regelmäßig keine Bedrohung des in Syrien zeitweilig um sein politisches und physisches Überleben kämpfenden Regimes darstellen, sondern aus Angst um ihr Leben und ihre Gesundheit dem Konflikt gerade aus dem Weg gegangen sind. Bereits von daher ist auch die teilweise (VG Regensburg, Urteil vom 29. Juni 2016 – RO 11 K 16.30707 –, und VG Stuttgart, Urteil vom 15. März 2013 – A 7 K 2987/12 –, beide in juris) vertretene Auffassung, dass der syrische Staat Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit einer von außen organisierten und finanzierten Verschwörung gegen das Land zurechnen werde, letztlich nicht mehr als eine bloße Mutmaßung.

125

(d) Des Weiteren ergeben sich auch aus den Erkenntnissen zum Umgang der syrischen Behörden mit Personen in Syrien, insbesondere seit Anfang 2012, die aus ihrer Sicht verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen, keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme einer bei Rückkehr nach Syrien allein aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung und einem längerem Auslandsaufenthalt beachtlich wahrscheinlich drohenden politischen Verfolgung.

126

Das Auswärtige Amt beschreibt bereits in seinem Ad hoc-Bericht vom 17. Februar 2012 eine massive Unterdrückung der syrischen Oppositionsgruppen, die sich für eine Abschaffung des von Staatspräsident Assad geführten Baath-Regimes einsetzen. Seit März habe es eine präzedenzlose Verhaftungswelle gegeben, mit der das Regime gegen die Protestbewegung vorgehe. Die Risiken politischer Oppositionstätigkeit beschränkten sich nicht auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung. Es seien vielmehr zahlreiche Fälle von willkürlicher Verhaftung, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, „Verschwindenlassen“, tätlichen Angriffen, Tötungen im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und Mordanschlägen belegt.

127

Diese Umstände haben sich offensichtlich bis in das Jahr 2016 hinein nicht geändert.

128

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international geht auch in ihrem Bericht „It breaks the human – torture, disease and death in Syria's prisons“ vom 18. August 2016

129

(https://www.amnesty.org/en/documents/mde24/4508/2016/en/),

130

Ziffer 4.2: „Profiles of people targeted“, davon aus, dass für jedermann, der als oppositionell wahrgenommen werden könnte, die Gefahr bestehe, willkürlich inhaftiert oder „verschwinden gelassen“ zu werden und in der Haft Folter, andere Misshandlung und möglicherweise auch den Tod zu erleiden. Die Gründe hierfür variierten und könnten auch friedlichen Aktivismus wie die Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger, Journalist oder sonstiger Medienschaffender, die Versorgung der notleidenden Zivilbevölkerung mit humanitärer oder medizinischer Hilfe und die Organisation und Teilnahme an Pro-Reform-Demonstrationen umfassen. Zur Verhaftung könne auch bereits führen, dass ein Verwandter von den Sicherheitskräften gesucht oder man durch einen Denunzianten gemeldet werde – einschließlich von Meldungen, welche durch finanziellen Profit oder persönlichen Groll motiviert seien.

131

Indessen lässt auch der Umstand, dass die syrische Regierung im Inland tatsächliche und vermeintliche Regimegegner und Oppositionelle massiv und in menschenrechtswidriger Weise unterdrückt, keinen hinreichend tragfähigen Schluss auf eine beachtlich wahrscheinliche politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG von aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrenden Bürgerkriegsflüchtlingen allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung und einem längeren Auslandsaufenthalt zu.

132

Insoweit spricht nämlich – wie bereits hinsichtlich der Eskalation der innenpolitischen Situation bis hin zum Bürgerkrieg festgestellt – ebenfalls die Lebenserfahrung dafür, dass diejenigen, die vor dem Bürgerkrieg in das Ausland geflohen sind, auch in den Augen der syrischen Machthaber in aller Regel keine Bedrohung des Regimes darstellen, sondern dem Konflikt vielmehr gerade aus dem Weg gegangen sind.

133

bb. Dem Kläger droht im Falle seiner unterstellten Rückkehr nach Syrien auch nicht aus sonstigen Gründen beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

134

(1) Dies gilt zum einen in Bezug auf eine mögliche Wehrdienstentziehung, welche der 1993 geborene Kläger – ebenso wie sein Bruder – begangen haben könnte, indem er Syrien ohne die für alle männlichen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 42 Jahren erforderliche Ausreisegenehmigung (vgl. hierzu Auskunft des Deutschen Orient-Institutes an das OVG Schleswig-Holstein vom 8. November 2016 – 3 LB 17/16 –) verlassen hat.

135

(a) In Syrien besteht für männliche Staatsangehörige eine Militärdienstpflicht. Die Registrierung für den Militärdienst erfolgt im Alter von 18 Jahren; die Wehrpflicht dauert bis zum Alter von 42 Jahren (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, vom 30. Juli 2014, Seite 1,

136

https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/syrien/syrien-rekrutierung-durch-die-syrische-armee.pdf).

137

Die Möglichkeit eines Ersatzdienstes besteht nicht. Wehrdienstverweigerung wird nach dem Military Penal Code geahndet. Nach Artikel 68 wird mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft, wer sich der Einberufung entzieht. Wer das Land ohne eine Adresse zu hinterlassen verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion sieht Artikel 101 fünf Jahre Haft vor bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre; Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Artikel 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, vom 30. Juli 2014, a. a. O., Seite 3)

138

(b) Danach bestünde für den Kläger im Falle einer Rückkehr nach Syrien zwar die Gefahr, wegen Wehrdienstentziehung bestraft und zwangsweise von der syrischen Armee eingezogen zu werden. Dabei könnte es sich – was hier letztlich keiner abschließenden Klärung bedarf – angesichts dessen, dass der Militärdienst in der syrischen Armee möglicherweise Verbrechen oder Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG umfassen würde, auch um eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG handeln.

139

Es bestehen jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die dem Kläger drohenden Maßnahmen aus einem der in § 3 AsylG genannten Gründe – konkret: wegen einer als der Wehrdienstentziehung zugrunde liegend vermuteten politischen Opposition zum Regime – ergehen würden.

140

Was die drohende Heranziehung zum Wehrdienst angeht, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten für eine entsprechende Selektion anhand der in § 3 AsylG genannten Kriterien; vielmehr rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer unabhängig vom ethnischen und religiösen Hintergrund (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, vom 28. März 2015, Seite 2,

141

https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/syrien/150328-syr-mobilisierung.pdf).

142

Eine mögliche Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung kann zwar vom Grundsatz her auch politische Verfolgung sein, da es für den Flüchtlingsschutz nicht allein darauf ankommen kann, mit welchen Mitteln der Staat vorgeht, sondern vielmehr entscheidend ist, welches Ziel hinter seinen Maßnahmen steht (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 – 9 C 36/83 –, BVerwGE 67, 184, juris). Von einer derartigen politischen Motiviertheit wäre dann auszugehen, wenn dem Kläger wegen seiner Wehrdienstentziehung in Syrien beachtlich wahrscheinlich eine an seine politische Überzeugung anknüpfende härtere Bestrafung als sonst üblich – ein sogenannter Politmalus (BVerfG, Beschluss vom 29. April 2009 – 2 BvR 78/08 –, juris, m. w. N.) – drohen würde. Hierfür liegen indessen keine zureichenden Anhaltspunkte vor.

143

Das syrische Regime hat bereits seit Beginn des Bürgerkrieges die Mobilisierungsmaßnahmen für Rekruten und Reservisten intensiviert. Seit Herbst 2014 kommt es angesichts einer erheblichen Dezimierung der syrischen Armee durch Desertion und Verluste in großem Umfang zur Mobilisierung von Reservisten sowie zur Verhaftung von Deserteuren und Männern, die sich bislang dem Wehrdienst entzogen haben (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, vom 28. März 2015, a. a. O., Seite 1 ff.; Washington Post, Desperate for soldiers, Assad’s government imposes harsh recruitment measures, 28. Dezember 2014,

144

www.washingtonpost.com/world/middle_east/desperate-forsoldiers-assads-government-imposes-harsh-recruitment-measures/2014/12/28/62f99194-6d1d-4bd6-a862-b3ab46c6b33b_story.html.

145

vgl. auch etwa – zur Verweigerung der Entlassung in der Armee dienender Wehrpflichtiger – ntv: „Verlangen unsere Entlassung“ – In Assads Armee wächst der Unmut, vom 24. November 2015,

146

http://www.n-tv.de/politik/In-Assads-Armee-waechst-der-Unmut-article16418356.html).

147

Deserteure und Personen, die sich dem Militärdienst entzogen haben, werden inhaftiert und verurteilt. In der Haft kommt es zu Folter, und Menschenrechtsorganisationen berichten über Exekutionen von Deserteuren. Einige der Verhafteten werden vom Militärgericht zu Haftstrafen verurteilt, bevor sie eingezogen werden, andere werden verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt (Schweizer Flüchtlingshilfe, Mobilisierung in die syrische Armee, vom 28. März 2015, a. a. O., Seite 1 ff.).

148

Im Juli 2015 hat der syrische Staatspräsident Assad als weitere Maßnahme zur personellen Verstärkung der syrischen Armee eine Generalamnestie für Deserteure und Wehrdienstverweigerer erlassen. Ins Ausland geflohene Soldaten hatten sich dazu binnen zwei Monaten bei den Behörden zu melden, Deserteure, die sich in Syrien aufhalten, innerhalb eines Monats. Eine Frist für Wehrdienstverweigerer wurde nicht genannt (Zeit online vom 26. Juli 2015: Assad gehen die Soldaten aus,

149

http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/syrien-baschar-al-assad-buergerkrieg-armee-unterstuetzung).

150

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände bestehen letztlich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Personen, die sich während des Bürgerkrieges dem Wehrdienst entweder in Syrien selbst oder durch Flucht ins Ausland entzogen haben, bei ihrer Ergreifung allein aufgrund dieser Wehrdienstentziehung beachtlich wahrscheinlich eine regimegegnerische Haltung unterstellt würde und sie aus diesem Grunde eine über die gesetzlich vorgesehene Bestrafung für Wehrdienstentzug hinausgehende Verfolgung zu befürchten hätten.

151

Die üblicherweise drohende Verhaftung als solche bewegt sich im Rahmen der nach dem Military Penal Code vorgesehenen Strafandrohung.

152

Dass es in der Haft der Berichterstattung der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015 zufolge auch zu Folter kommt, stellt zwar für die hiervon Betroffenen eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des § 3 AsylG dar. Es fehlt jedoch an zureichenden Anhaltspunkten dafür, dass diese wegen eines der in § 3 AsylG genannten Merkmale – konkret: der politischen Überzeugung des Betroffenen –erfolgt. Zwar kann es sich bereits bei der Folter als solcher um ein Indiz für den politischen Charakter der Maßnahme handeln. Allerdings bedarf es insoweit regelmäßig der Heranziehung weiterer objektiver Kriterien, die einen Rückschluss auf die subjektive Verfolgungsmotivation gestatten. Derartige objektive Kriterien sind vor allem die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Heimatstaat des Betroffenen, insbesondere die Eigenart des Staats, sein möglicherweise totalitärer Charakter, die Radikalität seiner Ziele und die zu seiner Verwirklichung eingesetzten Mittel, das Maß an geforderter und durchgesetzter Unterwerfung des einzelnen und die Behandlung von Minderheiten. Maßgeblich ist stets, ob der Staat seine Bürger in den genannten persönlichen Merkmalen zu disziplinieren, sie ihretwegen niederzuhalten oder im schlimmsten Fall zu vernichten sucht oder ob er lediglich seine Herrschaftsstruktur aufrechterhalten will und dabei die Überzeugungen seiner Staatsbürger unbehelligt lässt. Die Lasten und Beschränkungen, die ein autoritäres System seiner Bevölkerung auferlegt, vermögen für sich allein eine politische Verfolgung nicht zu begründen (vgl. zum Ganzen Urteil vom 17. Mai 1983 – 9 C 36/83 –, BVerwGE 67, 195 m. w. N.).

153

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist vorliegend nichts hinreichendes dafür ersichtlich, dass die berichtete Folter im Falle der Wehrdienstentziehung – welche für sich genommen bereits zu einer Schutzberechtigung gemäß § 4 AsylG führt – gerade aus einem der besonderen Gründe des § 3 AsylG geschähe.

154

Syrien verfügt zwar über eine formal rechtsstaatliche Verfassung, ist aber aufgrund des seit 1963 bestehenden Ausnahmezustandes in der Praxis bereits seit Jahrzehnten ein von Sicherheitsapparaten und Militär geprägtes autoritäres Regime. Die Sicherheitsdienste waren schon vor Beginn der Unruhen im Jahre 2011 und des nachfolgenden Bürgerkrieges weder parlamentarischen noch gerichtlichen Kontrollmechanismen unterworfen und verantwortlich für willkürliche Verhaftungen, Folter und Isolationshaft. Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste wenden systematisch Gewalt an. Möglichkeiten einer effektiven strafrechtlichen Verfolgung von Folter und anderen kriminellen Handlungen durch Sicherheitskräfte bestehen nicht; Personen, die sich über die Behandlung durch Sicherheitskräfte beschweren, laufen vielmehr Gefahr, dafür strafrechtlich belangt zu werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27. September 2010). Angesichts der sonach in Syrien generell herrschenden Brutalität und Willkür von Sicherheits- und Justizvollzugsorganen stellt die Anwendung von Folter als solche jedenfalls kein gewichtiges Indiz für die politische Motiviertheit einer Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung dar.

155

Die Fälle von Exekutionen während der Haft, über die die Schweizer Flüchtlingshilfe (a. a. O.) berichtet, beziehen sich auf Deserteure. In Bezug auf diesen Personenkreis handelt es sich durchaus um einen deutlichen Anhaltspunkt für eine über die bloße Strafverfolgung hinausgehende Gerichtetheit. Für diejenigen, die sich lediglich einer Einberufung entzogen haben – wofür ja auch bereits das Gesetz eine wesentliche mildere Strafe als für Desertion vorsieht – ergibt sich insoweit hingegen ebenfalls kein gewichtiges Indiz für einen Politmalus.

156

Gegen die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung im Falle bloßer Wehrdienstentziehung spricht überdies das erhebliche Mobilisierungsinteresse der syrischen Armee. Bei insgesamt fast 5 Millionen Flüchtlingen, die Syrien verlassen haben, dürften sich angesichts des hohen Anteils von Männern im Allgemeinen und jungen Männern im Besonderen (FAZ net, Das sind Deutschlands Flüchtlinge, vom 21. Oktober 2015

157

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/deutschlands-fluechtlinge-in-grafiken-13867210.html)

158

bereits nach der Lebenserfahrung Hunderttausende junger Männer befinden, die noch nicht einberufen worden sind. Jedenfalls hinsichtlich dieses Personenkreises dürfte es dem syrischen Staat vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich seiner notleidenden Armee zuzuführen. In diese Richtung deutet bereits der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015 (a. a. O.), wonach zwar einige der Verhafteten zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen, andere indessen lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt werden. Hinzu kommt die im Juli 2015 erlassene Generalamnestie, welche über Wehrdienstverweigerer hinaus sogar auch Deserteure erfasst hat.

159

Im Übrigen ist den syrischen Machthabern, wie schon dargelegt, bekannt, dass die Flucht aus Syrien – und damit auch die Flucht vor der Einberufung durch die Armee – in aller Regel nicht durch politische Gegnerschaft zum syrischen Staat motiviert ist, sondern durch Angst vor dem Krieg.

160

(2) Die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Klägers aus einem der Gründe des § 3 AsylG ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass er eigenen Angaben zufolge vor seiner Ausreise in derProvinz Homs gelebt hat.

161

Zwar erfasst der UNHCR (Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung, November 2015, Seite 25 f.,

162

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1455006006_syr-112015.pdf)

163

im Rahmen der von ihm als das Erfordernis internationalen Flüchtlingsschutzes indizierend erstellten Risikoprofile auch Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben. Hierzu führt er erläuternd aus (Seite 12 f.):

164

„Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts ist der Umstand, dass die verschiedenen Konfliktparteien oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellen. So sind die Mitglieder größerer Einheiten, ohne dass sie individuell ausgewählt werden, aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Unterstützung einer gegnerischen Konfliktpartei zum Ziel von Gegenschlägen verschiedener Akteure geworden, einschließlich Streitkräften der Regierung, ISIS und bewaffneter oppositioneller Gruppen. Laut übereinstimmenden Berichten sind ganze Gemeinden, denen eine bestimmte politische Meinung oder die Unterstützung einer bestimmten Konfliktpartei unterstellt wird, von Luftangriffen, Beschießungen, Belagerungen, Selbstmordattentaten und Autobomben, willkürlichen Verhaftungen, Geiselnahmen, Folterungen, Vergewaltigungen und sonstigen Formen sexueller Gewalt und extralegalen Hinrichtungen betroffen. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit. Es besteht die große und reale Gefahr eines Schadens und diese ist keineswegs durch den Umstand gemindert, dass ein Verletzungsvorsatz nicht speziell auf die betreffende Person gerichtet ist.“

165

Vorliegend kann indessen letztlich dahinstehen, ob die Stadt A... oder der Bauernhof der Familie des Klägers, auf den sich diese den Angaben des Klägers (vgl. Anhörungsprotokoll vom 5. April 2016, Seite 35 ff, 38 der Verwaltungsakte) zufolge zurückgezogen hat, um den Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, in einer vermeintlich regierungsfeindlichen Zone im obigen Sinne gelegen sind.

166

Selbst in diesem Falle wäre zwar unter Zugrundelegung der UNHCR-Erwägungen die Herkunft des Klägers aus einem bestimmten Gebiet in den Augen der syrischen Sicherheitskräfte möglicherweise ein gewisser Anhaltspunkt für eine oppositionelle Einstellung.

167

Letztlich spricht indessen aber auch insoweit die Lebenserfahrung dafür, dass diejenigen, die vor dem Bürgerkrieg in das Ausland geflohen sind, auch in den Augen der syrischen Machthaber in aller Regel keine Bedrohung des Regimes darstellen, sondern dem Konflikt vielmehr gerade aus dem Weg gegangen sind.

168

cc. Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus einer umfassenden Gesamtwürdigung aller vorliegend möglicherweise eine Verfolgungsgefahr begründenden Umstände.

169

Auch dann, wenn man die illegale Ausreise, die Asylantragstellung, den längerfristigen Auslandsaufenthalt, die Wehrdienstentziehung des Klägers und seines Bruders sowie die regionale Herkunft des Klägers aus der Perspektive des syrischen Staates als möglichem Verfolger gleichzeitig wertend in den Blick nimmt, so erscheinen dessen Interessen letztlich allein insoweit berührt, als der Kläger zum einen selbst als Oppositioneller eine Gefahr für das Regime darstellen könnte und zum anderen durch seine Wehrdienstentziehung dazu beigetragen hat, die Schlagkraft der syrischen Armee gegen ihre übrigen Gegner zu beeinträchtigen.

170

Da indessen wie bereits dargestellt die Lebenserfahrung auch aus Sicht der syrischen Behörden dafür spricht, dass der Kläger kein dem Regime möglicherweise gefährlicher Oppositioneller ist, sondern dem Konflikt durch seine Ausreise gerade hat aus dem Wege gehen wollen, fehlt es insoweit bei umfassender Abwägung an ausreichenden Anhaltspunkten jedenfalls für eine Überzeugungsbildung durch den Senat dahingehend, dass dem Kläger bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich Verfolgungsmaßnahmen wegen seiner politischen Überzeugung drohen. Diese Einschätzung vermögen auch nicht die dem Kläger möglicherweise wegen Wehrdienstentziehung drohenden Sanktionen zu ändern. Das Sanktionsinteresse des syrischen Regimes dürfte zumindest gegenüber denjenigen, die nicht aus der Armee desertiert sind, sondern sich lediglich dem Wehrdienst entzogen haben, hinter dem Interesse an der dringend benötigten Verstärkung der Armee durch Rekrutierung neuer Soldaten zurückbleiben. Insoweit könnte dem Kläger im Falle seiner fiktiven Rückkehr nach Syrien zwar möglicherweise eine strafrechtliche Sanktion und wohl auch beachtlich wahrscheinlich eine Einberufung drohen; in Bezug auf eine politisch motivierte weitergehende Verfolgung fehlt es jedoch ebenfalls an Anhaltspunkten, welche die Prognose einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit tragen könnten.

171

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr.10 ZPO.

172

Gründe, aus denen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor. Bei der Frage, ob abgelehnten Asylbewerbern im Falle einer Rückkehr nach Syrien dort bereits allein aufgrund illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt beachtlich wahrscheinlich Verfolgung wegen einer vermuteten Einstellung gegen das dort herrschende Regime droht, handelt es sich – anders als in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 BvR 31/14) zugrunde liegenden Fall – um eine Tatsachenfrage, wohingegen die Revision die Überprüfung eines Urteils ausschließlich in rechtlicher Hinsicht zum Gegenstand hat (§ 137 Abs. 1 und 2 VwGO).

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen; der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 04.08.2016 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahren.

Tatbestand

 
Der aus Syrien stammende Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der am ... geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger und reiste am 01.01.2016 in das Bundesgebiet ein (jeweils nach eigenen Angaben). Er stellte am 12.05.2016 einen auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkten Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).
Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt vom 08.06.2016 gab der Kläger an, Araber sunnitischen Glaubens zu sein, aus Jiser Alshiguhur zu stammen, vor seiner Ausreise in Lattakia gewohnt zu haben und vier Brüder sowie sechs Schwestern zu haben. Er sei geflohen, weil er am 29.07.2016 zum Wehrdienst hätte antreten müssen. Er habe als Student seinen Wehrdienst verschieben können, dies sei aber nach neuem Gesetz nur bis zum 26. Lebensjahr möglich. Sein Name sei auf der Fahndungsliste. Er habe sich nicht bei irgendeiner Partei des Krieges beteiligen wollen. Bei einer Rückkehr fürchte er, zum Wehrdienst eingezogen zu werden.
Mit Bescheid vom 04.08.2016, zugestellt am 13.08.2016, erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu (Nr. 1) und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab (Nr. 2). Ihre Entscheidung begründete sie damit, dass dem Kläger aufgrund des ermittelten Sachverhalts zwar ein ernsthafter Schaden in seinem Herkunftsland drohe. Er habe jedoch bislang keinen Einberufungsbescheid erhalten und auch keinen persönlichen Kontakt zum Militär gehabt.
Der Kläger hat am 23.08.2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Im Vorort von Lattakia seien die Bürgerkriegszustände enorm. Er sei aufgefordert worden, Wehrdienst bei der syrischen Armee zu leisten, so wie alle Männer mittlerweile gezwungen würden, gegen die Aufständischen zu kämpfen. Aber er habe keine unschuldigen Menschen töten wollen und sei deshalb illegal aus Syrien geflohen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen
und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 04.08.2016 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 09.01.2017 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin …, Rüsselsheim, beigeordnet.
11 
Dem Gericht liegt ein Heft Akten des Bundesamts vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
13 
Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 04.08.2016 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn er kann beanspruchen, dass ihm die Beklagte nicht lediglich den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG, sondern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuerkennt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
14 
Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger bereits wegen seiner illegalen Ausreise, der Beantragung von Asyl und dem damit verbundenen längeren Aufenthalt im westlichen Ausland Verfolgung durch den syrischen Staat droht, wie dies in der veröffentlichten erstinstanzlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wohl überwiegend angenommen (vgl. z.B. VG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2016 - 3 K 7501/16.A -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2016 - 2 A 5162/16 -, juris; VG Köln, Urteil vom 25.10.2016 - 20 K 2890/16.A -, juris; VG Freiburg, Urteil vom 13.12.2016 - A 5 K 2096/16 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris; VG Ansbach, Urteil vom 19.10.2016 - AN 9 K 16.30460 -, juris; VG Kassel, Urteil vom 05.12.2016 - 5 K 2418/16.KS.A -, juris), von einigen Oberverwaltungsgerichten (OVG Schlesw.-Holstein, Urteil vom 23.11.2016 - 3 LB 17/16 -, juris; Bayer. VGH, Urteile vom 12.12.2016 - 21 ZB 16.30338 u.a. -, [ausweislich Pressemitteilung vom 13.12.2016]; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris) aber verneint wird.
15 
Denn er ist jedenfalls wegen der drohenden Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung im Falle einer Rückkehr nach Syrien politisch verfolgt i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG.
16 
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer u.a. Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
17 
Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob er tatsächlich die persönlichen Merkmale aufweist, die zu der Verfolgung führen. Es genügt vielmehr, dass ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).
18 
Die befürchtete Verfolgung muss gerade auf dieser Zuschreibung beruhen; zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
19 
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Als Verfolgung gelten gemäß § 3a Abs. 2 AsylG unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG), eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG) und die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG).
20 
Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der politische Verfolgung bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Eine Verfolgungsgefahr für einen nicht verfolgt Ausgereisten und damit dessen begründete Furcht vor Verfolgung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger und objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht (hierzu und zum Folgenden: BVerwG, EuGH-Vorlage vom 07.02.2008 - 10 C 33.07 - juris). Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit („real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (vgl. BVerwG, Urteile vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67).
21 
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Insoweit kann offenbleiben, ob der Kläger bereits vorverfolgt aus Syrien ausgereist ist. Denn ihm droht unabhängig von einer möglichen Vorverfolgung im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) eine asylerhebliche Verfolgung durch den syrischen Staat. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus Folgendem:
22 
Dem 1988 geborenen Kläger droht eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Denn er ist bei einer Rückkehr konkret bedroht von Strafverfolgung oder Bestrafung durch den syrischen Staat - einem tauglichen Verfolger gemäß § 3c Nr. 1 AsylG - wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, der u.a. Kriegsverbrechen umfasst, und dies aus Gründen (unterstellter) staatsfeindlicher Einstellung, somit aus politischen Gründen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
23 
1. In Syrien besteht Militärdienstpflicht, die grundsätzlich für alle syrischen Männer unabhängig von ethnischem oder religiösem Hintergrund (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015) wie auch für Palästinenser, die in Syrien leben (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017), gilt; auch Oppositionelle werden einberufen (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Die Registrierung für den Militärdienst erfolgt im Alter von 18 Jahren. Die Wehrpflicht dauerte in der Vergangenheit bis zum Alter von 42 Jahren; mehrere Auskünfte verweisen allerdings auf Quellen, wonach die Wehrpflicht in der Praxis gegenwärtig bis zum 50. bzw. sogar bis zum 52. Lebensjahr ausgeweitet wird (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Eine Ausnahme von der Wehrpflicht besteht laut Gesetz in eng begrenzten Ausnahmefällen, so etwa für Personen jüdischen Glaubens oder bei Untauglichkeit. Gesetze und Regelungen über Ansprüche auf Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes etwa für Einzelkinder oder Studenten - hier je nach Art des Studiums gestaffelt, regelmäßig höchstens bis 27 Jahre (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015) - sind offenbar teilweise zwar noch formal in Kraft, werden ausweislich der aktuellen Quellenlage in der Praxis allerdings aufgrund des zunehmenden Personalbedarfs beim syrischen Militär nur mehr sehr eingeschränkt und zunehmend willkürlich umgesetzt (UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 20.10.2015 zu Syrien: Umsetzung der Freistellung vom Militärdienst als „einziger Sohn“; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Ebenso geraten offenbar zunehmend Jugendliche unter 18 Jahren an Checkpoints ins Visier und laufen Gefahr, Repressalien ausgesetzt zu werden, wobei die Berichtslage hinsichtlich einer Rekrutierung Minderjähriger beim Syrischen Militär widersprüchlich ist (UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017). Es besteht keine Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern bzw. zivilen Ersatzdienst zu leisten (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Entlassungen aus dem Militärdienst sind ausweislich der aktuellen Quellenlage seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen selten geworden; viele Wehrpflichtige sind über Jahre hinweg in der Armee tätig und oftmals wäre Desertion die einzige Möglichkeit, den Militärdienst zu beenden (Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016).
24 
Wehrpflichtige, die nach Ableistung ihres Wehrdienstes entlassen worden sind, müssen als Reservisten abrufbar sein (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Schnellrecherche zur SFH-Länderanaylse vom 10.09.2015 zu Syrien: Qamishli / Reservisten). In der Vergangenheit wurden alle Männer bis zum Alter von 42 Jahren als Reservisten geführt; aufgrund der angespannten Personalsituation gibt es gegenwärtig offenbar kein festgesetztes Höchstalter für Rekrutierungen mehr, vielmehr werden ausweislich der vorliegenden Auskünfte im Einzelfall - je nach Ausbildung und bisheriger Tätigkeiten für die Armee - Männer im Alter von bis zu 50 oder sogar 60 Jahren rekrutiert (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Seit dem Herbst 2014 werden Reservisten in großem Umfang eingezogen (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung). Die syrische Armee hat ausweislich mehrerer Quellen mit örtlichen Generalmobilmachungen begonnen, neue Checkpoints etabliert und Razzien im privaten und öffentlichen Bereich intensiviert, um Reservisten zu finden, die sich bislang dem Dienst entzogen haben. In wenigen Monaten wurden zehntausende Rekruten (zwangs-)rekrutiert und es gibt Auskünfte, wonach im Frühjahr 2015 Listen mit über 70.000 Namen von Personen, die als Reservisten eingezogen werden sollen, an den Checkpoints der syrischen Armee zirkulierten (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Bei der Einberufung von Reservisten, die auf Grundlage des Kriegsrecht innerhalb weniger Tage erfolgen kann, wird offenbar keine Unterscheidung zwischen Anhängern des Regimes und potentiellen Oppositionellen gemacht (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014).
25 
Männer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren dürfen bereits seit März 2012 nur mit einer offiziellen Beglaubigung des Militärs, mit der bescheinigt wird, dass sie vom Militärdienst freigestellt sind, das Land verlassen; seit Herbst 2014 besteht darüber hinaus für Männer, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind, ein generelles Ausreiseverbot (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Deutsche Orient-Stiftung, Auskunft an OVG Schl.-Holstein vom 08.11.2016). Jungen Männern vor Erreichen des 18. Lebensjahres wird die Ausreise erschwert, indem Reisepässe nur für eine kurze Gültigkeitsdauer ausgestellt werden (UNHCR, Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017).
26 
Wehrdienstverweigerung wird nach dem Military Penal Code geahndet (zum folgenden AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Nach Artikel 68 wird mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft, wer sich der Einberufung entzieht. Wer das Land ohne eine Adresse zu hinterlassen verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion sieht Artikel 101 fünf Jahre Haft vor bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre; Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Artikel 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft. Bereits die ohne Beglaubigung der Armee erfolgte und mithin illegale Ausreise wird als Wehrdienstentzug geahndet (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
27 
Der 1988 geborene Kläger ist im wehrpflichtigen Alter und hat seiner Wehrpflicht noch nicht genügt. Seine Einberufung wurde mit Blick auf sein Studium nach seinen Angaben bis zum Juli 2016, somit bis zum Alter von 28 Jahren, aufgeschoben; dass ein weiterer Aufschub nicht möglich wäre, wie der Kläger geltend macht, deckt sich mit den vorliegenden Erkenntnismitteln. Obwohl der Kläger zu den Geburtsjahrgängen gehört, denen die Ausreise aus Syrien generell untersagt ist, hat er - illegal - das Land verlassen. Bereits durch diese illegale Ausreise hat er sich der Wehrdienstentziehung schuldig gemacht; darüber hinaus hat er sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch im Klageverfahren geltend gemacht, er werde sich nicht an dem in Syrien herrschenden Krieg, in dem auf Zivilisten geschossen werde, beteiligen. Der Kläger hat daher Strafverfolgung bzw. Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung zu befürchten.
28 
2. Der Militärdienst beim syrischen Militär umfasst gegenwärtig - und mit Blick auf den nach wie vor trotz internationaler Bemühungen um die Etablierung eines Waffenstillstands blutig ausgetragenen Konflikt auch auf absehbare Zeit - Verbrechen oder Handlungen, die im Sinn von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, die sich mithin als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Dass der Dienst in der syrischen Armee, zu dem der Kläger mobilisiert würde, mit dem Zwang zu wiederholt und systematisch vorgenommenen völkerrechtswidrigen Handlungen verbunden wäre, welche die Grundsätze der Menschlichkeit und des humanitären Völkerrechts missachten, ist wohl unbestritten (vgl. etwa VG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2016 – 9 A 175/16 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris; VG Ansbach, Urteil vom 19.10.2016 - AN 9 K 16.30460 -, juris; VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 - 10 A 2183/16 -, juris, Cour nationale du droit d’asile, Urteil vom 25.05.2016 - 16000248 -). So wurden seit dem Jahr 2012 tausende Fassbomben von der syrischen Armee über Oppositionsgebieten eingesetzt. Opfer unter der Zivilbevölkerung werden zumindest billigend in Kauf genommen bzw. sind gerade Ziel der bewaffneten Angriffe vom Boden oder aus der Luft, die etwa auf Schulen, Märkte oder Krankenhäuser erfolgen. Auch die lang anhaltenden Belagerungen, die wiederholt und an unterschiedlichen Orten in Syrien stattfanden, richten sich in erster Linie gegen die in den eingekesselten Städten lebende Zivilbevölkerung. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Festnahmen, Folterungen und Tötungen von Zivilisten (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; UK Foreign and Commonwealth Office: Human Rights and Democracy Report 2015, 21.04.2016; Amnesty International, Amnesty Report 2016 Syrien). Auch die unabhängige UN-Untersuchungskommission der UN-Generalversammlung hat in ihrem jüngsten Bericht festgestellt: „Flagrant violations of human rights and international humanitarian law continue unabated, aggravated by blatant impunity […] Crimes against humanity continue to be committed by government forces and by ISIS. War crimes are rampant“ (A/HRC/31/68 vom 11.02.2016; vgl. auch A/HRC/28/69 vom 05.02.2015).
29 
Der Europäische Gerichtshof hat für die Regelung des Art. 9 Abs. 2 lit. c) RL 2004/83, die insoweit mit der nunmehr gültigen Richtlinie RL 2011/95/EU identisch ist, welche wiederum § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG zugrunde liegt, entschieden (Rs. C-472/13 < Shepherd >, Urteil vom 26.02.2015, Curia; vgl. dazu Neumann, ZAR 2016, 17 ff.), dass diese Regelung nicht nur für hochrangige Militärs, sondern für alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen Unterstützungspersonals gilt. Auch kommt es ausweislich des EuGH nicht darauf an, ob der Betreffende persönlich Kriegsverbrechen begehen müsste oder ob er, da er nicht zu Kampftruppen gehört, sondern etwa einer logistischen oder unterstützenden Einheit zugeteilt ist, an deren Begehung nur indirekt beteiligt wäre. Erforderlich ist es nach Auffassung des EuGH dagegen, dass der Betreffende die Kriegsverbrechen nicht auf andere Weise - insbesondere durch ein reguläres Anerkennungsverfahren als Kriegsdienstverweigerer - vermeiden könnte.
30 
Mithin kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, welcher Einheit der Kläger, der in Syrien keine Möglichkeit hätte, den Militärdienst zu verweigern oder zivilen Ersatzdienst zu leisten, mutmaßlich nach seiner Rekrutierung zugeteilt würde und ob diese selbst unmittelbar an Kriegsverbrechen beteiligt wäre. Vielmehr ist es ausreichend, dass, wie bereits dargelegt, durch die syrische Armee wiederholt und systematisch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden und der Kläger daher jedenfalls aufgrund der Massivität und Häufigkeit der von der syrischen Armee in unterschiedlichen Regionen Syriens begangenen völkerrechtswidrigen Handlungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, bei Ableistung seines Wehrdienstes, in welcher Einheit und durch welche konkrete Tätigkeit auch immer, durch sein Handeln jedenfalls die Begehung von Kriegsverbrechen anderer Einheiten zu unterstützen oder vorzubereiten.
31 
3. Auch scheitert die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht daran, dass es vorliegend an einem Verfolgungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG fehlt.
32 
Fraglich ist insoweit bereits, ob es in Konstellationen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG überhaupt der ausdrücklichen Feststellung eines Verfolgungsgrundes gemäß § 3b AsylG bedarf. Denn in einer Situation, in der sich der Militärdienst als Teilnahme an Kriegsverbrechen und anderen völkerrechtswidrigen Handlungen darstellt, liegt dem Wehrdienstentzug kein kriminelles Unrecht zugrunde mit der Folge, dass es an der Legitimität strafrechtlicher Sanktionierung dieses Verhaltens fehlt; vor diesem Hintergrund schreiben etwa das Verwaltungsgericht Sigmaringen (Urteil vom 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris) und das Verwaltungsgericht Magdeburg (Urteil vom 12.10.2016 - 9 A 175/16 -, juris) einer Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in Fällen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ohne weiteres den Charakter einer Verfolgung im asylrechtlichen Sinne zu. Die Annahme, eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG impliziere per se einen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b AsylG, findet eine Stütze ferner in der Überlegung, dass ein Staat, der die Weigerung, sich an einem völkerrechtswidrigen Konflikt zu beteiligen, unter Strafe stellt, die regelmäßig auf einer religiösen, politischen oder humanistischen Grundeinstellung beruhende ernsthafte und mit Blick auf die Völkerrechtswidrigkeit besonders schützenswerte (Gewissens-)Entscheidung seiner Staatsangehörigen, einem derartigen Konflikt die Unterstützung zu verweigern, missachtet.
33 
Ob es in Fällen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG der expliziten Feststellung eines Verfolgungsgrundes bedarf, kann jedoch dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob nicht bei Verweigerung der Teilnahme an einer bewaffneten völkerrechtswidrigen Auseinandersetzung dem Betreffenden vom Verfolger in aller Regel eine abweichende politische Gesinnung zugeschrieben und unterstellt wird, was gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ausreichend ist, um einen Verfolgungsgrund zu bejahen (vgl. dazu GK-AufenthR, 2016, § 60 Rn. 169; vgl. auch VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 - 10 A 2183/16 -, juris).
34 
Denn im konkreten Falle Syriens lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel und der dort zitierten zahlreichen Quellen feststellen, dass die den Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern drohenden staatlichen Maßnahmen an eines der in § 3 AsylG genannten Merkmale anknüpfen.
35 
Zwar rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund und wendet auch die strafrechtlichen Regelungen bezüglich Wehrdienstentziehung und Desertion offenbar mehr oder weniger unterschiedslos auf alle syrischen Wehrpflichtigen an, so dass nicht bereits im Hinblick auf eine insoweit durchgängig diskriminierende Praxis ein Verfolgungsgrund im Sinne von § 3b AsylG vorliegt (darauf verweisend OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 16.12.2015 - 1 A 10922/16 -, juris). Dies schließt die Annahme politischer Verfolgung jedoch ebenso wenig aus wie der Umstand, dass allen Personen, die sich der Wehrpflicht entziehen, in Syrien von Rechts wegen Verfolgung deshalb droht, weil sie mit der Dienstverweigerung eine Straftat begangen haben.
36 
Mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 6.80 -, juris) geht die Kammer davon aus, dass, wenngleich die politischen Tendenzen einer generellen Maßnahme oder Regelung wie der Verpflichtung zum Waffendienst nicht immer offen zutage liegen, dennoch einer solchen Wehrpflicht neben ihrer allgemeinen - asylrechtlich nicht einschlägigen - Intention auch eine Verfolgungstendenz innewohnen kann; eine solche kann etwa darin liegen, dass zugleich eine politische Disziplinierung und Einschüchterung von politischen Gegnern in den eigenen Reihen, eine Umerziehung von Andersdenkenden oder eine Zwangsassimilation von Minderheiten bezweckt wird. Anhaltspunkte für derartige Intentionen können sich aus der besonderen Ausformung der die Wehrpflicht begründenden Regelungen, aus ihrer praktischen Handhabung, aber auch aus ihrer Funktion im allgemeinen politischen System der Organisation ergeben. Der totalitäre Charakter einer Staatsform, die Radikalität ihrer Ziele sowie das Maß an geforderter und durchgesetzter Unterwerfung sind wichtige Gradmesser für Verfolgungstendenzen. Deutlich werden kann der politische Charakter von Wehrdienstregelungen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dem sich die Kammer anschließt, etwa daran, dass Verweigerer oder Deserteure als Verräter an der gemeinsamen Sache angesehen und deswegen übermäßig hart bestraft, zu besonders gefährlichen Einsätzen kommandiert oder allgemein geächtet werden.
37 
Gerade im Falle von Syrien gibt es gegenwärtig gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, die drohende Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs oder Desertion diene nicht lediglich der Sicherstellung der Wehrpflicht und der Ahndung des mit der Dienstverweigerung verbundenen kriminellen Unrechts, sondern solle (auch) eine aufgrund des Wehrdienstentzugs vermutete staatsfeindliche Gesinnung treffen und diese eliminieren, sei somit politisch motiviert. Diese Annahme liegt bereits aufgrund der besonderen Konstellation in Syrien nahe, denn es handelt sich bei Syrien um ein diktatorisches System, das mit allen Mitteln um seine Existenz kämpft (darauf verweisend etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 -, juris); auch soll die Mobilisierung der syrischen Armee nicht der Teilnahme an einem Konflikt in einem dritten Staat, sondern der Bekämpfung der oppositionellen Rebellengruppen im eigenen Land dienen; wer sich an diesem existentiellen Kampf der Staatsmacht gegen Teile der eigenen Bevölkerung nicht beteiligt, sondern sich trotz des bekannt großen Personalbedarfs in der syrischen Armee seiner Wehrpflicht - zumal durch eine illegale Flucht ins Ausland - entzieht, manifestiert damit nach außen sichtbar seine Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat in besonderer Weise. Entsprechend hart geht der syrische Staat mit Deserteuren und Männern, die sich dem Wehrdienst entziehen, um: So drohen denjenigen, die sich Einberufung oder Mobilisierung entziehen, bei einer Ergreifung Untersuchungen und Festnahmen teilweise mit längerer Haft und Folter (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Deutsche Orient-Stiftung, Auskunft an OVG Schl.-Holstein vom 08.11.2016). Einige Quellen sprechen im Zusammenhang mit Desertion von lebenslanger Haft und Exekutionen (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Ferner gibt es Berichte von Personen, die als Rückkehrer im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst befragt und dauerhaft verschwunden sind (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; darauf verweisend auch etwa Bayer. VGH, Urteile vom 12.12.2016 - 21 ZB 16.30338 u.a. - [ausweislich Presseerklärung vom 13.12.2016]). Es gibt Quellen, wonach Rekruten, denen das Regime nicht traut, mitunter in den Kampfeinsatz an die Front geschickt werden, um ihre Motivation zu kämpfen zu erhöhen (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Ferner gibt es Hinweise darauf, dass alle, die sich dem Regime entziehen - wie es Wehrdienstpflichtige tun, zumal wenn sie illegal ins Ausland reisen -, als Oppositionelle und je nach bisheriger Funktion als „Landesverräter“ betrachtet werden (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung). Andere Quellen halten Männer im wehrpflichtigen Alter für besonders gefährdet, bei der Einreise über den Flughafen oder auf dem Landweg Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu erfahren, insbesondere wenn sie ihren Militärdienst noch nicht abgeleistet haben; so spricht eine Quelle davon, „military-aged men [are] the most vulnerable group in terms of treatment by Syrian authorities at points of entry“ (Immigration and Refugee Board of Canada, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Auch diejenigen, bei denen lediglich die Absicht der Desertion vermutet wird, werden als Gegner des Regimes betrachtet und haben gewaltsames Verschwinden, Haft und Folter zu gewärtigen (Amnesty International, Between prison and the grave, 11/2015). Schließlich ergibt sich aus zahlreichen Quellen, dass für Desertion und Wehrdienstentzug mitunter auch Familienangehörige haftbar gemacht, zur Rechenschaft gezogen und unter Druck gesetzt werden (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016).
38 
Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rn. 154), es sei syrischen Machthabern bekannt, dass die Flucht aus Syrien in aller Regel nicht durch politische Gegnerschaft zum Staat, sondern durch Angst vor dem Krieg motiviert sei, folgt die Kammer vor dem Hintergrund dieser zahlreichen und sämtlich in die gegenteilige Richtung weisenden Belege nicht. Vielmehr lassen die vorliegenden Auskünfte nur den Schluss zu, dass die Verfolgung von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren nicht allein der auf rationalen Überlegungen fußenden Vollstreckung des syrischen Wehrstrafrechts dient, sondern dass es sich hierbei auch ganz maßgeblich um Verfolgung aufgrund der und Vergeltung der (unterstellten) regimekritischen politischen Überzeugung der Betreffenden handelt (so auch VG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2016 - 9 A 175/16 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 23.11.2016 – A 5 K 1372/16 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2016 – 2 A 5162/16 -, juris; VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 – 10 A 2183/16 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2016 – 3 K 7501/16.A -, juris; VG Freiburg, Urteil vom 16.12.2016 – A 1 K 3898/16 -, juris; VG Wiesbaden, Urteil vom 27.09.2016 - 2 K 683/16.WI.A -, asyl.net; ähnlich i.Erg. auch Österr. BVwG, Entscheidung vom 01.07.2016 - W227 2104997-1 -; sowie, wenn auch auf zusätzliche Risikogesichtspunkte abstellend Schweizer. BVerwG, Urteil vom 18.02.2015 - D-5553/2013 -).
39 
Dem entsprechen schließlich die aktuellen Erwägungen des UNHCR (4. Fassung, November 2015) zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen. In diesem vom UNHCR herausgegebenen Dokument, dem angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden sind, bei der Auslegung der unionsrechtlich determinierten Asylvorschriften besondere Relevanz zukommt (vgl. EuGH vom 30.05. 2013 - C-528/11 -, juris, m.w.N.; Österr. BVwG, Entscheidung vom 01.07.2016 - W227 2104997-1 -), sind Risikoprofile beschrieben, bei deren Einschlägigkeit die betreffende Person wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der Genfer Konvention benötige. Dazu gehören neben unterschiedlichen anderen Personengruppen auch Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, wie (u.a.) Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte.
40 
Ist der Kläger mithin bereits gemäß durch asylerhebliche Handlungen des syrischen Staates gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG von politischer Verfolgung bedroht, kann vorliegend dahinstehen, inwieweit der Kläger auch deshalb als Flüchtling anzuerkennen ist, weil sich die ihm wegen Wehrpflichtentziehung drohende Bestrafung als Bestrafung wegen einer (vermeintlichen) politischen Gesinnung - so gen. Polit-Malus - im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG darstellt (so etwa VG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2016 - 9 A 175/16 -, juris; a.A. OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris).
41 
4. Für den Kläger besteht auch ein reales Verfolgungsrisiko, bei einer Rückkehr nach Syrien tatsächlich wegen Wehrdienstentziehung aufgegriffen und verurteilt zu werden.
42 
Zunächst besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien wegen Wehrdienstentziehung aufgegriffen würde. Denn es gibt kaum eine Möglichkeit, sich innerhalb Syriens dem Militär- bzw. Reservistendienst zu entziehen. Personen, die das wehrpflichtige Alter erreicht haben oder während ihres Auslandsaufenthaltes zum Wehrdienst einberufen wurden, werden in Fahndungslisten aufgenommen, die an die Grenzübergänge verteilt werden, so dass schon bei der Einreise eine Identifizierung und Verhaftung bzw. Zwangsrekrutierung wahrscheinlich ist (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Immigration and Refugee Board of Canda, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Ferner gibt es zahlreiche mobile „Checkpoints“, die ebenfalls im Besitz der Listen sind und bei einem Datenbankabgleich feststellen können, ob der Betreffende seinen Wehrdienst abgeleistet hat bzw. als Reservist rekrutiert werden soll; auch hier kommt es zu Verhaftungen, Verschleppungen bzw. unmittelbarer Zwangsrekrutierung (Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Das syrische Militär hat gegenwärtig aufgrund von Todesfällen, Abtrünnigkeit und Desertion einen enormen Bedarf an Personal, da es von circa 325.000 Soldaten bei Ausbruch des Krieges auf wohl etwa 150.000 Soldaten dezimiert worden ist (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015); um Wehrdienstverweigerer und Reservisten zu rekrutieren und so den Personalbedarf zu decken, finden immer wieder Durchsuchungen, Razzien und Massenverhaftungen statt (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Auch ist für viele bürokratische Akte, etwa für Heiratszertifikate, eine Bewilligung des Militärs erforderlich (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Daher ist es für Wehrdienstverweigerer fast unmöglich, nach Syrien einzureisen oder gar in den von der Regierung kontrollierten Gebieten zu leben und sich dort zu bewegen, ohne aufgegriffen zu werden (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
43 
Ferner besteht die reale Möglichkeit, dass der Kläger, wenn er - wie mit großer Sicherheit zu erwarten - bereits bei seiner Einreise oder zu einem späteren Zeitpunkt als wehrdienstpflichtig erkannt und als solcher den syrischen Behörden bzw. dem syrischen Militär, in erster Linie dem militärischen Sicherheitsdienst, übergeben wurde, wegen Wehrdienstentzugs bestraft wird. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris) hält eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht für gegeben mit dem Argument, dass es dem syrischen Staat vor allem darum gehe, den Betroffenen schnellstmöglich seiner notleidenden Armee zuzuführen. Dem folgt die Kammer nicht. Zwar ist der Hinweis auf den hohen Personalbedarf der syrischen Armee nicht von der Hand zu weisen, und tatsächlich wird es auch einen gewissen Prozentsatz an Männern geben, die, obgleich sie den Tatbestand des Wehrdienstentzugs erfüllt haben, unmittelbar zum Militär rekrutiert werden. Jedoch lässt dies nach den vorliegenden Erkenntnismitteln und den dort wiedergegebenen zahlreichen Quellen nicht den Schluss darauf zu, eine Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs drohe nicht ebenso mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Zwar lässt sich weder die Zahl derer, die aufgrund Wehrdienstentziehung aufgegriffen werden, noch der Prozentsatz derjenigen, die wegen dieses Vorwurfs strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, auch nur annähernd zuverlässig ermitteln. Allerdings ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass Verhaftungen wegen Entzugs vom Militärdienst in großem Umfang stattfinden; so sprechen einige Quellen von regelrechten „Verhaftungswellen“ (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; ähnlich auch Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016), ausweislich anderer Erkenntnisse wurden allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2014 über 5.400 wehrdienstpflichtige junge Männer verhaftet, und in Hama bzw. Homs wurden im Rahmen örtlicher Generalmobilmachungen jeweils binnen weniger Tage im Herbst 2014 1.400 bzw. 1.200 Reservisten an Checkpoints verhaftet (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Diese Verhaftungen werden meistens vom militärischen Sicherheitsdienst oder dem Luftwaffen-Sicherheitsdienst durchgeführt, bei denen Fälle von Folter dokumentiert sind (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Die Frage, wie die zahlreichen Sicherheitsdienste mit den Betroffenen weiter verfahren, ob der einzelne als möglicher Terrorist behandelt, einem Strafverfahren zugeführt, zunächst ggf. unter Anwendung von Folter befragt und anschließend zum Militär abgeordnet oder unmittelbar rekrutiert und ausgebildet bzw. direkt an die Front abgeordnet wird, hängt von vielen Umständen ab wie etwa vom aktuellen Personalbedarf der Armee, dem Herkunftsort des Betreffenden, seinen Kontakten oder Erkenntnissen der syrischen Behörden (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015) sowie nicht zuletzt von willkürlichem Verhalten der - unkontrollierten - Sicherheitsbehörden überhaupt. Den vorliegenden Erkenntnismitteln lässt sich aber jedenfalls nicht entnehmen, dass es regelhaft mit einer Verhaftung und anschließender Einziehung sein Bewenden hätte; vielmehr ist in den vorliegenden Auskünften etwa davon die Rede, „einige“ würden vor das Militärgericht in Damaskus gestellt und zu Haftstrafen verurteilt, „andere“ würden verwarnt und direkt zum Militärdienst geschickt (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015), oder die möglichen Konsequenzen eines solchen Aufgreifens - sofortige Einziehung, Verbringung zur Frontlinie, Untersuchungen, Folter, Verurteilung - werden ohne zahlenmäßige Gewichtung nebeneinander gestellt (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das in den Erkenntnismitteln dokumentierte Verhalten der syrischen Staatsmacht gegenüber Wehrpflichtigen und Reservisten sich gegenwärtig im Wesentlichen auf wehrdienstpflichtige Männer bezieht, die sich lediglich innerhalb des Landes der Wehrdienst- oder Rekrutierungspflicht zu entziehen versucht haben, nicht aber auf diejenigen, die durch ihre mit der Flucht ins westliche Ausland dokumentierte Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat mutmaßlich besonderen Anlass für die syrischen Behörden liefern, eine regimekritische Gesinnung zu vermuten. Aufgrund des, wie dargelegt, politisch motivierten Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte im totalitären Staatsgefüge bei Wehrdienstentziehung erscheint es auch naheliegend, dass durch - möglicherweise auch willkürliche - Haft, Folterungen oder übermäßig harte Bestrafungen Zeichen gesetzt, politische Gegner in den eigenen Reihen eingeschüchtert und weitere Wehrpflichtige zu einem regimekonformen Verhalten angehalten werden sollen. Hinzu kommt schließlich, dass auch denjenigen, die zunächst ohne ein Strafverfahren rekrutiert werden, spätestens dann, wenn sie den Kampfeinsatz verweigern, etwa weil sie die Teilnahme an einem völkerrechtswidrigen Konflikt nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, eine Bestrafung wegen Desertion droht, welcher, wie bereits erörtert, politischer Charakter innewohnt.
44 
Dem Kläger droht damit bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise und dadurch begangenen Wehrdienstentzugs. Aber auch dann, wenn der Kläger direkt rekrutiert würde, vor seinem Einsatz im Kampfgebiet aber, wie er es gegenüber dem Bundesamt und in seiner Klagebegründung getan hat, darauf verwiese, er sei nicht bereit, unschuldige Menschen zu töten, hätte er mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer erheblichen Strafe zu rechnen. Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger eine beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“, im Falle einer Rückkehr nach Syrien Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Verweigerung der Teilnahme an einem völkerrechtswidrigen Konflikt zu gewärtigen. Ein vernünftig denkender Mensch in der Situation des Klägers wird unter diesen Umständen das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen.
45 
5. Dem Kläger steht schließlich keine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG offen. Die Deutsche Botschaft Beirut (Auskunft vom 03.02.2016) geht davon aus, dass grundsätzlich alle Regionen in Syrien vom Bürgerkrieg betroffen sind, wenn nicht durch direkte Kampfhandlungen, dann indirekt (Kriegswirtschaft, Einzug ins Militär, marodierende Banden, beispielsweise in einigen Vororten von Damaskus etc.) (vgl. auch AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
46 
Selbst wenn man gedanklich unterstellt, dass es dennoch Gebiete innerhalb Syriens gibt, die als zumutbare Fluchtalternative dienen könnten, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass der Kläger ein solches Gebiet in zumutbarer Weise und sicher erreichen könnte. Denn das Regime hat ein dichtes System von Kontrollpunkten eingerichtet. Diesen Stellen liegen in der Regel auch die Namenslisten zu denjenigen vor, die sich der Einberufung bzw. Mobilmachung entzogen haben (vgl. SFH, Rekrutierung durch die syrische Armee, 30.07.2014; SFH, Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformation Syrien: Militärdienst, 30.11.2016) und sie sind derart verbreitet, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass der Kläger, wenn er nicht schon beim Versuch der Einreise nach Syrien erfasst und ergriffen wird, an einem solchen Checkpoint aufgegriffen wird.
47 
Unabhängig davon steht dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative auch deshalb nicht zur Verfügung, weil Reisen innerhalb Syriens in einen anderen - möglicherweise - verfolgungsfreien Landesteil generell mit einem extrem hohen allgemeinen Sicherheitsrisiko verbunden sind, das dem Asylsuchenden nicht zumutbar ist (vgl. § 3e Abs. 1 AsylG). Dabei besteht nicht nur das erhebliche Risiko, gewissermaßen versehentlich in kriegerische Handlungen hineingezogen zu werden. Sowohl das syrische Regime und regierungsnahe Kräfte als auch bewaffnete oppositionelle Gruppen, darunter der sog. Islamische Staat (IS) und die Al-Nusra-Front, verüben in den jeweils von ihnen beherrschten Gebieten in breitem Umfang Massaker an der Zivilbevölkerung und Angriffe auf Zivilpersonen, u.a. in Form von Mord, Geiselnahme, Folter, Zwangsverschleppung, sexueller Gewalt und Rekrutierung von Kindern (vgl. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung November 2015, S. 12 f.; zum Fehlen einer innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2016 - 3 K 7501/16.A -, juris; VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 – 10 A 2183/16 -, juris; OVG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2016 – 2 A 5162 -, juris).
48 
Die Kostenentscheidung für das gerichtskostenfreie Verfahren (§ 83b AsylG) beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
12 
Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
13 
Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 04.08.2016 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn er kann beanspruchen, dass ihm die Beklagte nicht lediglich den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG, sondern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuerkennt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
14 
Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger bereits wegen seiner illegalen Ausreise, der Beantragung von Asyl und dem damit verbundenen längeren Aufenthalt im westlichen Ausland Verfolgung durch den syrischen Staat droht, wie dies in der veröffentlichten erstinstanzlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wohl überwiegend angenommen (vgl. z.B. VG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2016 - 3 K 7501/16.A -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2016 - 2 A 5162/16 -, juris; VG Köln, Urteil vom 25.10.2016 - 20 K 2890/16.A -, juris; VG Freiburg, Urteil vom 13.12.2016 - A 5 K 2096/16 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris; VG Ansbach, Urteil vom 19.10.2016 - AN 9 K 16.30460 -, juris; VG Kassel, Urteil vom 05.12.2016 - 5 K 2418/16.KS.A -, juris), von einigen Oberverwaltungsgerichten (OVG Schlesw.-Holstein, Urteil vom 23.11.2016 - 3 LB 17/16 -, juris; Bayer. VGH, Urteile vom 12.12.2016 - 21 ZB 16.30338 u.a. -, [ausweislich Pressemitteilung vom 13.12.2016]; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris) aber verneint wird.
15 
Denn er ist jedenfalls wegen der drohenden Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung im Falle einer Rückkehr nach Syrien politisch verfolgt i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG.
16 
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer u.a. Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
17 
Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob er tatsächlich die persönlichen Merkmale aufweist, die zu der Verfolgung führen. Es genügt vielmehr, dass ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).
18 
Die befürchtete Verfolgung muss gerade auf dieser Zuschreibung beruhen; zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
19 
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Als Verfolgung gelten gemäß § 3a Abs. 2 AsylG unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG), eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG) und die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG).
20 
Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der politische Verfolgung bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Eine Verfolgungsgefahr für einen nicht verfolgt Ausgereisten und damit dessen begründete Furcht vor Verfolgung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger und objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht (hierzu und zum Folgenden: BVerwG, EuGH-Vorlage vom 07.02.2008 - 10 C 33.07 - juris). Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit („real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (vgl. BVerwG, Urteile vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67).
21 
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Insoweit kann offenbleiben, ob der Kläger bereits vorverfolgt aus Syrien ausgereist ist. Denn ihm droht unabhängig von einer möglichen Vorverfolgung im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) eine asylerhebliche Verfolgung durch den syrischen Staat. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus Folgendem:
22 
Dem 1988 geborenen Kläger droht eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Denn er ist bei einer Rückkehr konkret bedroht von Strafverfolgung oder Bestrafung durch den syrischen Staat - einem tauglichen Verfolger gemäß § 3c Nr. 1 AsylG - wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, der u.a. Kriegsverbrechen umfasst, und dies aus Gründen (unterstellter) staatsfeindlicher Einstellung, somit aus politischen Gründen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
23 
1. In Syrien besteht Militärdienstpflicht, die grundsätzlich für alle syrischen Männer unabhängig von ethnischem oder religiösem Hintergrund (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015) wie auch für Palästinenser, die in Syrien leben (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017), gilt; auch Oppositionelle werden einberufen (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Die Registrierung für den Militärdienst erfolgt im Alter von 18 Jahren. Die Wehrpflicht dauerte in der Vergangenheit bis zum Alter von 42 Jahren; mehrere Auskünfte verweisen allerdings auf Quellen, wonach die Wehrpflicht in der Praxis gegenwärtig bis zum 50. bzw. sogar bis zum 52. Lebensjahr ausgeweitet wird (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Eine Ausnahme von der Wehrpflicht besteht laut Gesetz in eng begrenzten Ausnahmefällen, so etwa für Personen jüdischen Glaubens oder bei Untauglichkeit. Gesetze und Regelungen über Ansprüche auf Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes etwa für Einzelkinder oder Studenten - hier je nach Art des Studiums gestaffelt, regelmäßig höchstens bis 27 Jahre (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015) - sind offenbar teilweise zwar noch formal in Kraft, werden ausweislich der aktuellen Quellenlage in der Praxis allerdings aufgrund des zunehmenden Personalbedarfs beim syrischen Militär nur mehr sehr eingeschränkt und zunehmend willkürlich umgesetzt (UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 20.10.2015 zu Syrien: Umsetzung der Freistellung vom Militärdienst als „einziger Sohn“; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Ebenso geraten offenbar zunehmend Jugendliche unter 18 Jahren an Checkpoints ins Visier und laufen Gefahr, Repressalien ausgesetzt zu werden, wobei die Berichtslage hinsichtlich einer Rekrutierung Minderjähriger beim Syrischen Militär widersprüchlich ist (UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017). Es besteht keine Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern bzw. zivilen Ersatzdienst zu leisten (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Entlassungen aus dem Militärdienst sind ausweislich der aktuellen Quellenlage seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen selten geworden; viele Wehrpflichtige sind über Jahre hinweg in der Armee tätig und oftmals wäre Desertion die einzige Möglichkeit, den Militärdienst zu beenden (Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016).
24 
Wehrpflichtige, die nach Ableistung ihres Wehrdienstes entlassen worden sind, müssen als Reservisten abrufbar sein (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Schnellrecherche zur SFH-Länderanaylse vom 10.09.2015 zu Syrien: Qamishli / Reservisten). In der Vergangenheit wurden alle Männer bis zum Alter von 42 Jahren als Reservisten geführt; aufgrund der angespannten Personalsituation gibt es gegenwärtig offenbar kein festgesetztes Höchstalter für Rekrutierungen mehr, vielmehr werden ausweislich der vorliegenden Auskünfte im Einzelfall - je nach Ausbildung und bisheriger Tätigkeiten für die Armee - Männer im Alter von bis zu 50 oder sogar 60 Jahren rekrutiert (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Seit dem Herbst 2014 werden Reservisten in großem Umfang eingezogen (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung). Die syrische Armee hat ausweislich mehrerer Quellen mit örtlichen Generalmobilmachungen begonnen, neue Checkpoints etabliert und Razzien im privaten und öffentlichen Bereich intensiviert, um Reservisten zu finden, die sich bislang dem Dienst entzogen haben. In wenigen Monaten wurden zehntausende Rekruten (zwangs-)rekrutiert und es gibt Auskünfte, wonach im Frühjahr 2015 Listen mit über 70.000 Namen von Personen, die als Reservisten eingezogen werden sollen, an den Checkpoints der syrischen Armee zirkulierten (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Bei der Einberufung von Reservisten, die auf Grundlage des Kriegsrecht innerhalb weniger Tage erfolgen kann, wird offenbar keine Unterscheidung zwischen Anhängern des Regimes und potentiellen Oppositionellen gemacht (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014).
25 
Männer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren dürfen bereits seit März 2012 nur mit einer offiziellen Beglaubigung des Militärs, mit der bescheinigt wird, dass sie vom Militärdienst freigestellt sind, das Land verlassen; seit Herbst 2014 besteht darüber hinaus für Männer, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind, ein generelles Ausreiseverbot (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Deutsche Orient-Stiftung, Auskunft an OVG Schl.-Holstein vom 08.11.2016). Jungen Männern vor Erreichen des 18. Lebensjahres wird die Ausreise erschwert, indem Reisepässe nur für eine kurze Gültigkeitsdauer ausgestellt werden (UNHCR, Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017).
26 
Wehrdienstverweigerung wird nach dem Military Penal Code geahndet (zum folgenden AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Nach Artikel 68 wird mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft, wer sich der Einberufung entzieht. Wer das Land ohne eine Adresse zu hinterlassen verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion sieht Artikel 101 fünf Jahre Haft vor bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre; Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Artikel 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft. Bereits die ohne Beglaubigung der Armee erfolgte und mithin illegale Ausreise wird als Wehrdienstentzug geahndet (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
27 
Der 1988 geborene Kläger ist im wehrpflichtigen Alter und hat seiner Wehrpflicht noch nicht genügt. Seine Einberufung wurde mit Blick auf sein Studium nach seinen Angaben bis zum Juli 2016, somit bis zum Alter von 28 Jahren, aufgeschoben; dass ein weiterer Aufschub nicht möglich wäre, wie der Kläger geltend macht, deckt sich mit den vorliegenden Erkenntnismitteln. Obwohl der Kläger zu den Geburtsjahrgängen gehört, denen die Ausreise aus Syrien generell untersagt ist, hat er - illegal - das Land verlassen. Bereits durch diese illegale Ausreise hat er sich der Wehrdienstentziehung schuldig gemacht; darüber hinaus hat er sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch im Klageverfahren geltend gemacht, er werde sich nicht an dem in Syrien herrschenden Krieg, in dem auf Zivilisten geschossen werde, beteiligen. Der Kläger hat daher Strafverfolgung bzw. Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung zu befürchten.
28 
2. Der Militärdienst beim syrischen Militär umfasst gegenwärtig - und mit Blick auf den nach wie vor trotz internationaler Bemühungen um die Etablierung eines Waffenstillstands blutig ausgetragenen Konflikt auch auf absehbare Zeit - Verbrechen oder Handlungen, die im Sinn von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, die sich mithin als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Dass der Dienst in der syrischen Armee, zu dem der Kläger mobilisiert würde, mit dem Zwang zu wiederholt und systematisch vorgenommenen völkerrechtswidrigen Handlungen verbunden wäre, welche die Grundsätze der Menschlichkeit und des humanitären Völkerrechts missachten, ist wohl unbestritten (vgl. etwa VG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2016 – 9 A 175/16 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris; VG Ansbach, Urteil vom 19.10.2016 - AN 9 K 16.30460 -, juris; VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 - 10 A 2183/16 -, juris, Cour nationale du droit d’asile, Urteil vom 25.05.2016 - 16000248 -). So wurden seit dem Jahr 2012 tausende Fassbomben von der syrischen Armee über Oppositionsgebieten eingesetzt. Opfer unter der Zivilbevölkerung werden zumindest billigend in Kauf genommen bzw. sind gerade Ziel der bewaffneten Angriffe vom Boden oder aus der Luft, die etwa auf Schulen, Märkte oder Krankenhäuser erfolgen. Auch die lang anhaltenden Belagerungen, die wiederholt und an unterschiedlichen Orten in Syrien stattfanden, richten sich in erster Linie gegen die in den eingekesselten Städten lebende Zivilbevölkerung. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Festnahmen, Folterungen und Tötungen von Zivilisten (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; UK Foreign and Commonwealth Office: Human Rights and Democracy Report 2015, 21.04.2016; Amnesty International, Amnesty Report 2016 Syrien). Auch die unabhängige UN-Untersuchungskommission der UN-Generalversammlung hat in ihrem jüngsten Bericht festgestellt: „Flagrant violations of human rights and international humanitarian law continue unabated, aggravated by blatant impunity […] Crimes against humanity continue to be committed by government forces and by ISIS. War crimes are rampant“ (A/HRC/31/68 vom 11.02.2016; vgl. auch A/HRC/28/69 vom 05.02.2015).
29 
Der Europäische Gerichtshof hat für die Regelung des Art. 9 Abs. 2 lit. c) RL 2004/83, die insoweit mit der nunmehr gültigen Richtlinie RL 2011/95/EU identisch ist, welche wiederum § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG zugrunde liegt, entschieden (Rs. C-472/13 < Shepherd >, Urteil vom 26.02.2015, Curia; vgl. dazu Neumann, ZAR 2016, 17 ff.), dass diese Regelung nicht nur für hochrangige Militärs, sondern für alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen Unterstützungspersonals gilt. Auch kommt es ausweislich des EuGH nicht darauf an, ob der Betreffende persönlich Kriegsverbrechen begehen müsste oder ob er, da er nicht zu Kampftruppen gehört, sondern etwa einer logistischen oder unterstützenden Einheit zugeteilt ist, an deren Begehung nur indirekt beteiligt wäre. Erforderlich ist es nach Auffassung des EuGH dagegen, dass der Betreffende die Kriegsverbrechen nicht auf andere Weise - insbesondere durch ein reguläres Anerkennungsverfahren als Kriegsdienstverweigerer - vermeiden könnte.
30 
Mithin kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, welcher Einheit der Kläger, der in Syrien keine Möglichkeit hätte, den Militärdienst zu verweigern oder zivilen Ersatzdienst zu leisten, mutmaßlich nach seiner Rekrutierung zugeteilt würde und ob diese selbst unmittelbar an Kriegsverbrechen beteiligt wäre. Vielmehr ist es ausreichend, dass, wie bereits dargelegt, durch die syrische Armee wiederholt und systematisch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden und der Kläger daher jedenfalls aufgrund der Massivität und Häufigkeit der von der syrischen Armee in unterschiedlichen Regionen Syriens begangenen völkerrechtswidrigen Handlungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, bei Ableistung seines Wehrdienstes, in welcher Einheit und durch welche konkrete Tätigkeit auch immer, durch sein Handeln jedenfalls die Begehung von Kriegsverbrechen anderer Einheiten zu unterstützen oder vorzubereiten.
31 
3. Auch scheitert die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht daran, dass es vorliegend an einem Verfolgungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG fehlt.
32 
Fraglich ist insoweit bereits, ob es in Konstellationen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG überhaupt der ausdrücklichen Feststellung eines Verfolgungsgrundes gemäß § 3b AsylG bedarf. Denn in einer Situation, in der sich der Militärdienst als Teilnahme an Kriegsverbrechen und anderen völkerrechtswidrigen Handlungen darstellt, liegt dem Wehrdienstentzug kein kriminelles Unrecht zugrunde mit der Folge, dass es an der Legitimität strafrechtlicher Sanktionierung dieses Verhaltens fehlt; vor diesem Hintergrund schreiben etwa das Verwaltungsgericht Sigmaringen (Urteil vom 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris) und das Verwaltungsgericht Magdeburg (Urteil vom 12.10.2016 - 9 A 175/16 -, juris) einer Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in Fällen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ohne weiteres den Charakter einer Verfolgung im asylrechtlichen Sinne zu. Die Annahme, eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG impliziere per se einen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b AsylG, findet eine Stütze ferner in der Überlegung, dass ein Staat, der die Weigerung, sich an einem völkerrechtswidrigen Konflikt zu beteiligen, unter Strafe stellt, die regelmäßig auf einer religiösen, politischen oder humanistischen Grundeinstellung beruhende ernsthafte und mit Blick auf die Völkerrechtswidrigkeit besonders schützenswerte (Gewissens-)Entscheidung seiner Staatsangehörigen, einem derartigen Konflikt die Unterstützung zu verweigern, missachtet.
33 
Ob es in Fällen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG der expliziten Feststellung eines Verfolgungsgrundes bedarf, kann jedoch dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob nicht bei Verweigerung der Teilnahme an einer bewaffneten völkerrechtswidrigen Auseinandersetzung dem Betreffenden vom Verfolger in aller Regel eine abweichende politische Gesinnung zugeschrieben und unterstellt wird, was gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ausreichend ist, um einen Verfolgungsgrund zu bejahen (vgl. dazu GK-AufenthR, 2016, § 60 Rn. 169; vgl. auch VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 - 10 A 2183/16 -, juris).
34 
Denn im konkreten Falle Syriens lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel und der dort zitierten zahlreichen Quellen feststellen, dass die den Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern drohenden staatlichen Maßnahmen an eines der in § 3 AsylG genannten Merkmale anknüpfen.
35 
Zwar rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund und wendet auch die strafrechtlichen Regelungen bezüglich Wehrdienstentziehung und Desertion offenbar mehr oder weniger unterschiedslos auf alle syrischen Wehrpflichtigen an, so dass nicht bereits im Hinblick auf eine insoweit durchgängig diskriminierende Praxis ein Verfolgungsgrund im Sinne von § 3b AsylG vorliegt (darauf verweisend OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 16.12.2015 - 1 A 10922/16 -, juris). Dies schließt die Annahme politischer Verfolgung jedoch ebenso wenig aus wie der Umstand, dass allen Personen, die sich der Wehrpflicht entziehen, in Syrien von Rechts wegen Verfolgung deshalb droht, weil sie mit der Dienstverweigerung eine Straftat begangen haben.
36 
Mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 6.80 -, juris) geht die Kammer davon aus, dass, wenngleich die politischen Tendenzen einer generellen Maßnahme oder Regelung wie der Verpflichtung zum Waffendienst nicht immer offen zutage liegen, dennoch einer solchen Wehrpflicht neben ihrer allgemeinen - asylrechtlich nicht einschlägigen - Intention auch eine Verfolgungstendenz innewohnen kann; eine solche kann etwa darin liegen, dass zugleich eine politische Disziplinierung und Einschüchterung von politischen Gegnern in den eigenen Reihen, eine Umerziehung von Andersdenkenden oder eine Zwangsassimilation von Minderheiten bezweckt wird. Anhaltspunkte für derartige Intentionen können sich aus der besonderen Ausformung der die Wehrpflicht begründenden Regelungen, aus ihrer praktischen Handhabung, aber auch aus ihrer Funktion im allgemeinen politischen System der Organisation ergeben. Der totalitäre Charakter einer Staatsform, die Radikalität ihrer Ziele sowie das Maß an geforderter und durchgesetzter Unterwerfung sind wichtige Gradmesser für Verfolgungstendenzen. Deutlich werden kann der politische Charakter von Wehrdienstregelungen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dem sich die Kammer anschließt, etwa daran, dass Verweigerer oder Deserteure als Verräter an der gemeinsamen Sache angesehen und deswegen übermäßig hart bestraft, zu besonders gefährlichen Einsätzen kommandiert oder allgemein geächtet werden.
37 
Gerade im Falle von Syrien gibt es gegenwärtig gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, die drohende Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs oder Desertion diene nicht lediglich der Sicherstellung der Wehrpflicht und der Ahndung des mit der Dienstverweigerung verbundenen kriminellen Unrechts, sondern solle (auch) eine aufgrund des Wehrdienstentzugs vermutete staatsfeindliche Gesinnung treffen und diese eliminieren, sei somit politisch motiviert. Diese Annahme liegt bereits aufgrund der besonderen Konstellation in Syrien nahe, denn es handelt sich bei Syrien um ein diktatorisches System, das mit allen Mitteln um seine Existenz kämpft (darauf verweisend etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 -, juris); auch soll die Mobilisierung der syrischen Armee nicht der Teilnahme an einem Konflikt in einem dritten Staat, sondern der Bekämpfung der oppositionellen Rebellengruppen im eigenen Land dienen; wer sich an diesem existentiellen Kampf der Staatsmacht gegen Teile der eigenen Bevölkerung nicht beteiligt, sondern sich trotz des bekannt großen Personalbedarfs in der syrischen Armee seiner Wehrpflicht - zumal durch eine illegale Flucht ins Ausland - entzieht, manifestiert damit nach außen sichtbar seine Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat in besonderer Weise. Entsprechend hart geht der syrische Staat mit Deserteuren und Männern, die sich dem Wehrdienst entziehen, um: So drohen denjenigen, die sich Einberufung oder Mobilisierung entziehen, bei einer Ergreifung Untersuchungen und Festnahmen teilweise mit längerer Haft und Folter (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Deutsche Orient-Stiftung, Auskunft an OVG Schl.-Holstein vom 08.11.2016). Einige Quellen sprechen im Zusammenhang mit Desertion von lebenslanger Haft und Exekutionen (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Ferner gibt es Berichte von Personen, die als Rückkehrer im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst befragt und dauerhaft verschwunden sind (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; darauf verweisend auch etwa Bayer. VGH, Urteile vom 12.12.2016 - 21 ZB 16.30338 u.a. - [ausweislich Presseerklärung vom 13.12.2016]). Es gibt Quellen, wonach Rekruten, denen das Regime nicht traut, mitunter in den Kampfeinsatz an die Front geschickt werden, um ihre Motivation zu kämpfen zu erhöhen (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Ferner gibt es Hinweise darauf, dass alle, die sich dem Regime entziehen - wie es Wehrdienstpflichtige tun, zumal wenn sie illegal ins Ausland reisen -, als Oppositionelle und je nach bisheriger Funktion als „Landesverräter“ betrachtet werden (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung). Andere Quellen halten Männer im wehrpflichtigen Alter für besonders gefährdet, bei der Einreise über den Flughafen oder auf dem Landweg Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu erfahren, insbesondere wenn sie ihren Militärdienst noch nicht abgeleistet haben; so spricht eine Quelle davon, „military-aged men [are] the most vulnerable group in terms of treatment by Syrian authorities at points of entry“ (Immigration and Refugee Board of Canada, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Auch diejenigen, bei denen lediglich die Absicht der Desertion vermutet wird, werden als Gegner des Regimes betrachtet und haben gewaltsames Verschwinden, Haft und Folter zu gewärtigen (Amnesty International, Between prison and the grave, 11/2015). Schließlich ergibt sich aus zahlreichen Quellen, dass für Desertion und Wehrdienstentzug mitunter auch Familienangehörige haftbar gemacht, zur Rechenschaft gezogen und unter Druck gesetzt werden (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016).
38 
Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rn. 154), es sei syrischen Machthabern bekannt, dass die Flucht aus Syrien in aller Regel nicht durch politische Gegnerschaft zum Staat, sondern durch Angst vor dem Krieg motiviert sei, folgt die Kammer vor dem Hintergrund dieser zahlreichen und sämtlich in die gegenteilige Richtung weisenden Belege nicht. Vielmehr lassen die vorliegenden Auskünfte nur den Schluss zu, dass die Verfolgung von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren nicht allein der auf rationalen Überlegungen fußenden Vollstreckung des syrischen Wehrstrafrechts dient, sondern dass es sich hierbei auch ganz maßgeblich um Verfolgung aufgrund der und Vergeltung der (unterstellten) regimekritischen politischen Überzeugung der Betreffenden handelt (so auch VG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2016 - 9 A 175/16 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 23.11.2016 – A 5 K 1372/16 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2016 – 2 A 5162/16 -, juris; VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 – 10 A 2183/16 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2016 – 3 K 7501/16.A -, juris; VG Freiburg, Urteil vom 16.12.2016 – A 1 K 3898/16 -, juris; VG Wiesbaden, Urteil vom 27.09.2016 - 2 K 683/16.WI.A -, asyl.net; ähnlich i.Erg. auch Österr. BVwG, Entscheidung vom 01.07.2016 - W227 2104997-1 -; sowie, wenn auch auf zusätzliche Risikogesichtspunkte abstellend Schweizer. BVerwG, Urteil vom 18.02.2015 - D-5553/2013 -).
39 
Dem entsprechen schließlich die aktuellen Erwägungen des UNHCR (4. Fassung, November 2015) zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen. In diesem vom UNHCR herausgegebenen Dokument, dem angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden sind, bei der Auslegung der unionsrechtlich determinierten Asylvorschriften besondere Relevanz zukommt (vgl. EuGH vom 30.05. 2013 - C-528/11 -, juris, m.w.N.; Österr. BVwG, Entscheidung vom 01.07.2016 - W227 2104997-1 -), sind Risikoprofile beschrieben, bei deren Einschlägigkeit die betreffende Person wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der Genfer Konvention benötige. Dazu gehören neben unterschiedlichen anderen Personengruppen auch Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, wie (u.a.) Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte.
40 
Ist der Kläger mithin bereits gemäß durch asylerhebliche Handlungen des syrischen Staates gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG von politischer Verfolgung bedroht, kann vorliegend dahinstehen, inwieweit der Kläger auch deshalb als Flüchtling anzuerkennen ist, weil sich die ihm wegen Wehrpflichtentziehung drohende Bestrafung als Bestrafung wegen einer (vermeintlichen) politischen Gesinnung - so gen. Polit-Malus - im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG darstellt (so etwa VG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2016 - 9 A 175/16 -, juris; a.A. OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris).
41 
4. Für den Kläger besteht auch ein reales Verfolgungsrisiko, bei einer Rückkehr nach Syrien tatsächlich wegen Wehrdienstentziehung aufgegriffen und verurteilt zu werden.
42 
Zunächst besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien wegen Wehrdienstentziehung aufgegriffen würde. Denn es gibt kaum eine Möglichkeit, sich innerhalb Syriens dem Militär- bzw. Reservistendienst zu entziehen. Personen, die das wehrpflichtige Alter erreicht haben oder während ihres Auslandsaufenthaltes zum Wehrdienst einberufen wurden, werden in Fahndungslisten aufgenommen, die an die Grenzübergänge verteilt werden, so dass schon bei der Einreise eine Identifizierung und Verhaftung bzw. Zwangsrekrutierung wahrscheinlich ist (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Immigration and Refugee Board of Canda, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Ferner gibt es zahlreiche mobile „Checkpoints“, die ebenfalls im Besitz der Listen sind und bei einem Datenbankabgleich feststellen können, ob der Betreffende seinen Wehrdienst abgeleistet hat bzw. als Reservist rekrutiert werden soll; auch hier kommt es zu Verhaftungen, Verschleppungen bzw. unmittelbarer Zwangsrekrutierung (Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Das syrische Militär hat gegenwärtig aufgrund von Todesfällen, Abtrünnigkeit und Desertion einen enormen Bedarf an Personal, da es von circa 325.000 Soldaten bei Ausbruch des Krieges auf wohl etwa 150.000 Soldaten dezimiert worden ist (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015); um Wehrdienstverweigerer und Reservisten zu rekrutieren und so den Personalbedarf zu decken, finden immer wieder Durchsuchungen, Razzien und Massenverhaftungen statt (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Auch ist für viele bürokratische Akte, etwa für Heiratszertifikate, eine Bewilligung des Militärs erforderlich (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Daher ist es für Wehrdienstverweigerer fast unmöglich, nach Syrien einzureisen oder gar in den von der Regierung kontrollierten Gebieten zu leben und sich dort zu bewegen, ohne aufgegriffen zu werden (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
43 
Ferner besteht die reale Möglichkeit, dass der Kläger, wenn er - wie mit großer Sicherheit zu erwarten - bereits bei seiner Einreise oder zu einem späteren Zeitpunkt als wehrdienstpflichtig erkannt und als solcher den syrischen Behörden bzw. dem syrischen Militär, in erster Linie dem militärischen Sicherheitsdienst, übergeben wurde, wegen Wehrdienstentzugs bestraft wird. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris) hält eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht für gegeben mit dem Argument, dass es dem syrischen Staat vor allem darum gehe, den Betroffenen schnellstmöglich seiner notleidenden Armee zuzuführen. Dem folgt die Kammer nicht. Zwar ist der Hinweis auf den hohen Personalbedarf der syrischen Armee nicht von der Hand zu weisen, und tatsächlich wird es auch einen gewissen Prozentsatz an Männern geben, die, obgleich sie den Tatbestand des Wehrdienstentzugs erfüllt haben, unmittelbar zum Militär rekrutiert werden. Jedoch lässt dies nach den vorliegenden Erkenntnismitteln und den dort wiedergegebenen zahlreichen Quellen nicht den Schluss darauf zu, eine Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs drohe nicht ebenso mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Zwar lässt sich weder die Zahl derer, die aufgrund Wehrdienstentziehung aufgegriffen werden, noch der Prozentsatz derjenigen, die wegen dieses Vorwurfs strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, auch nur annähernd zuverlässig ermitteln. Allerdings ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass Verhaftungen wegen Entzugs vom Militärdienst in großem Umfang stattfinden; so sprechen einige Quellen von regelrechten „Verhaftungswellen“ (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; ähnlich auch Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016), ausweislich anderer Erkenntnisse wurden allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2014 über 5.400 wehrdienstpflichtige junge Männer verhaftet, und in Hama bzw. Homs wurden im Rahmen örtlicher Generalmobilmachungen jeweils binnen weniger Tage im Herbst 2014 1.400 bzw. 1.200 Reservisten an Checkpoints verhaftet (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Diese Verhaftungen werden meistens vom militärischen Sicherheitsdienst oder dem Luftwaffen-Sicherheitsdienst durchgeführt, bei denen Fälle von Folter dokumentiert sind (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Die Frage, wie die zahlreichen Sicherheitsdienste mit den Betroffenen weiter verfahren, ob der einzelne als möglicher Terrorist behandelt, einem Strafverfahren zugeführt, zunächst ggf. unter Anwendung von Folter befragt und anschließend zum Militär abgeordnet oder unmittelbar rekrutiert und ausgebildet bzw. direkt an die Front abgeordnet wird, hängt von vielen Umständen ab wie etwa vom aktuellen Personalbedarf der Armee, dem Herkunftsort des Betreffenden, seinen Kontakten oder Erkenntnissen der syrischen Behörden (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015) sowie nicht zuletzt von willkürlichem Verhalten der - unkontrollierten - Sicherheitsbehörden überhaupt. Den vorliegenden Erkenntnismitteln lässt sich aber jedenfalls nicht entnehmen, dass es regelhaft mit einer Verhaftung und anschließender Einziehung sein Bewenden hätte; vielmehr ist in den vorliegenden Auskünften etwa davon die Rede, „einige“ würden vor das Militärgericht in Damaskus gestellt und zu Haftstrafen verurteilt, „andere“ würden verwarnt und direkt zum Militärdienst geschickt (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015), oder die möglichen Konsequenzen eines solchen Aufgreifens - sofortige Einziehung, Verbringung zur Frontlinie, Untersuchungen, Folter, Verurteilung - werden ohne zahlenmäßige Gewichtung nebeneinander gestellt (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das in den Erkenntnismitteln dokumentierte Verhalten der syrischen Staatsmacht gegenüber Wehrpflichtigen und Reservisten sich gegenwärtig im Wesentlichen auf wehrdienstpflichtige Männer bezieht, die sich lediglich innerhalb des Landes der Wehrdienst- oder Rekrutierungspflicht zu entziehen versucht haben, nicht aber auf diejenigen, die durch ihre mit der Flucht ins westliche Ausland dokumentierte Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat mutmaßlich besonderen Anlass für die syrischen Behörden liefern, eine regimekritische Gesinnung zu vermuten. Aufgrund des, wie dargelegt, politisch motivierten Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte im totalitären Staatsgefüge bei Wehrdienstentziehung erscheint es auch naheliegend, dass durch - möglicherweise auch willkürliche - Haft, Folterungen oder übermäßig harte Bestrafungen Zeichen gesetzt, politische Gegner in den eigenen Reihen eingeschüchtert und weitere Wehrpflichtige zu einem regimekonformen Verhalten angehalten werden sollen. Hinzu kommt schließlich, dass auch denjenigen, die zunächst ohne ein Strafverfahren rekrutiert werden, spätestens dann, wenn sie den Kampfeinsatz verweigern, etwa weil sie die Teilnahme an einem völkerrechtswidrigen Konflikt nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, eine Bestrafung wegen Desertion droht, welcher, wie bereits erörtert, politischer Charakter innewohnt.
44 
Dem Kläger droht damit bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise und dadurch begangenen Wehrdienstentzugs. Aber auch dann, wenn der Kläger direkt rekrutiert würde, vor seinem Einsatz im Kampfgebiet aber, wie er es gegenüber dem Bundesamt und in seiner Klagebegründung getan hat, darauf verwiese, er sei nicht bereit, unschuldige Menschen zu töten, hätte er mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer erheblichen Strafe zu rechnen. Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger eine beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“, im Falle einer Rückkehr nach Syrien Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Verweigerung der Teilnahme an einem völkerrechtswidrigen Konflikt zu gewärtigen. Ein vernünftig denkender Mensch in der Situation des Klägers wird unter diesen Umständen das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen.
45 
5. Dem Kläger steht schließlich keine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG offen. Die Deutsche Botschaft Beirut (Auskunft vom 03.02.2016) geht davon aus, dass grundsätzlich alle Regionen in Syrien vom Bürgerkrieg betroffen sind, wenn nicht durch direkte Kampfhandlungen, dann indirekt (Kriegswirtschaft, Einzug ins Militär, marodierende Banden, beispielsweise in einigen Vororten von Damaskus etc.) (vgl. auch AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
46 
Selbst wenn man gedanklich unterstellt, dass es dennoch Gebiete innerhalb Syriens gibt, die als zumutbare Fluchtalternative dienen könnten, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass der Kläger ein solches Gebiet in zumutbarer Weise und sicher erreichen könnte. Denn das Regime hat ein dichtes System von Kontrollpunkten eingerichtet. Diesen Stellen liegen in der Regel auch die Namenslisten zu denjenigen vor, die sich der Einberufung bzw. Mobilmachung entzogen haben (vgl. SFH, Rekrutierung durch die syrische Armee, 30.07.2014; SFH, Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformation Syrien: Militärdienst, 30.11.2016) und sie sind derart verbreitet, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass der Kläger, wenn er nicht schon beim Versuch der Einreise nach Syrien erfasst und ergriffen wird, an einem solchen Checkpoint aufgegriffen wird.
47 
Unabhängig davon steht dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative auch deshalb nicht zur Verfügung, weil Reisen innerhalb Syriens in einen anderen - möglicherweise - verfolgungsfreien Landesteil generell mit einem extrem hohen allgemeinen Sicherheitsrisiko verbunden sind, das dem Asylsuchenden nicht zumutbar ist (vgl. § 3e Abs. 1 AsylG). Dabei besteht nicht nur das erhebliche Risiko, gewissermaßen versehentlich in kriegerische Handlungen hineingezogen zu werden. Sowohl das syrische Regime und regierungsnahe Kräfte als auch bewaffnete oppositionelle Gruppen, darunter der sog. Islamische Staat (IS) und die Al-Nusra-Front, verüben in den jeweils von ihnen beherrschten Gebieten in breitem Umfang Massaker an der Zivilbevölkerung und Angriffe auf Zivilpersonen, u.a. in Form von Mord, Geiselnahme, Folter, Zwangsverschleppung, sexueller Gewalt und Rekrutierung von Kindern (vgl. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung November 2015, S. 12 f.; zum Fehlen einer innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2016 - 3 K 7501/16.A -, juris; VG Stade, Urteil vom 02.11.2016 – 10 A 2183/16 -, juris; OVG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2016 – 2 A 5162 -, juris).
48 
Die Kostenentscheidung für das gerichtskostenfreie Verfahren (§ 83b AsylG) beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.