Verwaltungsgericht Minden Urteil, 14. Juni 2016 - 1 K 1197/15
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 20.02.2015 verpflichtet, den Beigeladenen aufzugeben, die von dem Dach ihres Wohnhauses auf dem Grundstück Gemarkung T. , Flur 5, Flur-stück 508, C. Straße 10 zum Grundstück der Klägerin ausgehenden Lichtemissionen (Blendwirkung der Dachziegel) zu beseitigen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme außergericht-licher Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist eine Eigentümergemeinschaft bestehend aus den Eigentümern mehrerer Wohnungen in dem Gebäude P.--------straße 34 in T. . Das Gebäude wurde 1995 errichtet.
3Südlich davon entstand aufgrund des Bebauungsplanes Nr. 32 „T1. P1. -straße, östlich D. Straße“ der Gemeinde T. , am 19.07.2012 in Kraft getreten, ein Neubaugebiet. Der Bebauungsplan sieht für die Grundstücke ein allge-meines Wohngebiet (WA) vor. Unter Nr.E.1.2d ist im Bebauungsplan bezüglich der Gestaltung baulicher Anlagen gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW geregelt, dass glänzende oder glasierte bzw. lasierte Dachsteine/-ziegel unzulässig sind.
4Unter dem 11.03.2014 legten die Beigeladenen Bauunterlagen im Feststellungsver-fahren nach § 67 BauO NRW zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Gemarkung T. , Flur 5, Flurstück 508 vor. Das Grundstück ist Teil des Bebauungsplangebietes Nr. 32 der Gemeinde T. und das südlich angrenzende Nachbargrundstück zum Grundstück der Klägerin. Die Grundstücke im Bebauungsplangebiet liegen in diesem Bereich ca. 2,50 m tiefer als die „Alt-Grund-stücke“ an der P2.--------straße , zu denen auch das Grundstück der Klägerin gehört.
5Mit Bescheid vom 27.03.2014 teilte die Gemeinde T. den Beigeladenen mit, dass kein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werde und mit dem Vorhaben begonnen werden könne.
6Mit Schreiben vom 02.07.2014 zeigte der Verwalter der Klägerin dem Beklagten an, dass die Beigeladenen ihr Wohnhaus mit glasierten Tonziegeln eindeckten, und be-antragte bauaufsichtliches Einschreiten, weil bereits bei geringer Sonneneinstrahlung durch die glasierten Dachziegel starke Reflexionen aufträten, die die Bewohner des Hauses P.--------straße 34 empfindlich in der Nutzung ihres Anwesens störten.
7Eine örtliche Überprüfung des Beklagten am 26.06.2014 ergab, dass neben dem Wohnhaus der Beigeladenen mehrere Wohnhäuser in dem Baugebiet mit glasierten Dachziegeln eingedeckt worden waren.
8Die Gemeinde T. teilte dem Beklagten hierzu unter dem 29.09.2014 mit, dass nach ihrer Auffassung die Festsetzung, dass keine glasierten bzw. lasierten Dachziegel verbaut werden dürften, als gestalterisches Element zu werten sei und der Festsetzung keine nachbarschützende Funktion zukomme.
9Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 02.02.2015 mit, er sehe keinen Handlungsbedarf, ordnungsbehördliche Maßnahmen zu ergreifen, da keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt seien. Bei der möglicherweise verletzten Bauvorschrift handele es sich nicht um eine nachbarschützende Bestimmung, sondern um eine Vorschrift, die die optische Einheitlichkeit des Baugebietes gewährleisten solle. Überdies sei ein Einschreiten gegen die Dacheindeckung unverhältnismäßig. Dass eine erhebliche Beeinträchtigung beim Nachbargrundstück vorliege, sei nicht nachvollziehbar dargelegt.
10Am 29.04.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, in der Zeit von Mai bis Ende August träten von ca. 11.00 Uhr bis 15.00 bzw. 16.00 Uhr unzumutbare Blendwirkungen vom Nachbargrundstück der Beigeladenen auf. Die Bewohner des Hauses seien in der Nutzung unzumutbar eingeschränkt. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Wohnungseigentümer über mehrere Stunden ihre Wohnungen verdunkeln müssten, um der Lichtemission zu entgehen. Ebenso wenig müssten sie hinnehmen, dass die Terrassen bzw. Balkone ihrer Wohnungen zum Neubaugebiet und damit zum Wohnhaus der Beigeladenen hin über mehrere Stunden pro Tag nicht nutzbar seien.
11Die Klägerin beantragt,
12den Beklagten zu verpflichten, den Beigeladenen durch Ordnungsver-fügung aufzugeben, die von dem Dach des Wohnhauses der Beige-ladenen ausgehenden Lichtemissionen (Blendwirkung der Dachziegel) zu beseitigen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er macht geltend, die Vorschrift im Bebauungsplan, die die Verwendung glasierter bzw. lasierter Dachziegel verbiete, sei nicht nachbarschützend, so dass sich die Klägerin hierauf nicht erfolgreich berufen könne. Ein allgemeiner Verstoß gegen das nachbarliche Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Die Bewohner des Hauses der Klägerin müssten sich gegen Lichtemissionen selbst hinreichend schützen in Form von Jalousien, Vorhängen oder Schirmen. Die von den streitgegenständlichen Ziegeln des Wohnhauses der Beigeladenen hervorgerufenen Blendwirkungen führten wohl zu Belästigungen. Dadurch werde aber weder die Nutzung des klägerischen Grundstücks als Wohngrundstück in Frage gestellt noch seien die Bewohner Gesundheitsgefahren ausgesetzt.
16Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
17Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit anlässlich eines Erörterungstermins in Augen-schein genommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 25.05.2016 verwiesen.
18Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ein-verstanden erklärt.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug ge-nommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Kammer konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
22Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die von dem Dach des Wohnhauses der Beigeladenen ausgehenden Blendwirkungen.
23Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Die Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht der einzelne Wohnungseigentümer aufgrund seines Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) ist berechtigt, Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums im eigenen Namen im Wege von Abwehrrechten gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.11.2013 – 7 A 2341/11 – m.w.N., bei juris.
25Vorliegend macht die Klägerin jedoch nicht nur Rechte aus Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums geltend, sondern auch Sondereigentumsrechte i.S.v. § 1 Abs. 2 WEG. Ein Sondereigentümer ist befugt, mittels einer öffentlich-rechtlichen Nachbarklage solche Beeinträchtigungen abzuwehren, die ihre rechtliche Grundlage in der einem außerhalb der Eigentümergemeinschaft stehenden Dritten erteilten Genehmigung haben oder – wie hier – aus einer Ablehnung bauaufsichtlichen Einschreitens resultieren, sofern die Behörde bei ihrer Entscheidung auch den Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums zu beachten hat.
26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.08.1993 – 4 E 92.92 ‑, bei juris; OVG NRW, Urteil vom 20.11.2013 – 7 A 2341/11 ‑, bei juris; Beschluss vom 15.07.2015 – 7 B 478/15 ‑, bei juris; VG Minden, Urteil vom 14.12.2015 ‑ 1 K 2417/14 ‑.
27Das ist bei dem hier geltend gemachten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch eine unzumutbare Blendwirkung bezüglich zum Sondereigentum zählender Räume, Terrassen und Balkone der Fall. Insoweit haben die jeweiligen Sondereigen-tümer ihre Sondereigentumsrechte auf die Klägerin übertragen. Die Beteiligtenfähig-keit der Klägerin ergibt sich aus § 61 Nr. 2 VwGO.
28Die Klage ist auch begründet, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf bauaufsicht-liches Einschreiten des Beklagten gegen die vom Dach des Wohnhauses der Beige-ladenen ausgehenden Lichtemissionen.
29Die Bauaufsichtsbehörden haben gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauO NRW bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungs-änderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnun-gen eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie nach pflicht-gemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
30Zu berücksichtigen ist dabei, dass der betroffene Nachbar nur dann einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten hat, wenn die streitige bauliche Anlage gegen Vor-schriften verstößt, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Das der Bauaufsichtsbehörde eingeräumte Entschließungsermessen ist dann regelmäßig auf eine Verpflichtung zum Einschreiten reduziert.
31OVG NRW, Urteil vom 09.03.2012 – 2 A 2732/10 ‑, bei juris.
32Dies zugrunde gelegt, steht der Klägerin ein Anspruch auf bauordnungsbehördliches Einschreiten zu.
33Das Vorhaben der Beigeladenen ist im Hinblick auf die Dacheindeckung materiell rechtswidrig. Die von den Beigeladenen gewählte Dacheindeckung verstößt gegen die Festsetzung in Nr. E.1.2d des Bebauungsplanes Nr. 32 der Gemeinde T. , wonach glänzende, glasierte bzw. lasierte Dachsteine/-ziegel ausdrücklich unzu-lässig sind. Bei den von den Beigeladenen verwendeten Tondachziegeln der Marke Creaton, Flachdachziegel Futura, Typ „Finesse“, handelt es sich um ein glasiertes, reflektierendes Material, wie es sich auch aus den von der Klägerin im Verwaltungs-verfahren vorgelegten Fotos eindeutig entnehmen lässt. Dass es sich um glasierte und damit reflektierende Tondachziegel handelt, ist unter den Beteiligten auch unstreitig.
34Allerdings führt dieser Verstoß gegen die örtliche Bauvorschrift nicht gleichzeitig zu einem Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten wegen dieses Ver-stoßes. Die entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplanes gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW i.V.m. § 9 Abs. 4 BauGB regeln die Gestaltung von bau-lichen Anlagen. Sie dienen dazu, eine harmonische Wirkung der baulichen Anlagen im Ortsbild zu erreichen und damit ausschließlich öffentlichen Interessen. Eine nachbarschützende Funktion kommt ihnen nicht zu.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2015 – 7 B 1085/15 ‑, bei juris.
36Bei einem Nachbarn, dessen Grundstück – wie hier – außerhalb des Gebietes eines Bebauungsplanes liegt, während sich das von ihm angegriffene Vorhaben innerhalb der Grenzen dieses Plangebietes befindet, bestimmt sich der Drittschutz nur nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme.
37Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007 – 4 B 55.07 – NVwZ 2008, 427 ‑, bei juris; VG München, Urteil vom 28.07.2015 – M 1 K 14.1707 ‑, bei juris.
38Ob eine bestimmte Nutzung dem sich aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot widerspricht, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 – 4 C 5.93 ‑, DVBl 1994, 697, bei juris.
40Die Zumutbarkeit von Lichtemissionen beurteilt sich nach dem Grad der tatsäch-lichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Die Frage der Erheblichkeit der Blendwirkung ist eine Frage der rechtlichen Bewertung und damit einer Beweisauf-nahme durch Sachverständigengutachten nicht zugänglich. Gesetzliche oder durch Rechtsverordnung verbindlich geregelte allgemein gültige Grenzwerte und Bewer-tungsmethoden für Lichtemissionen, die ein Sachverständiger prüfen könnte, gibt es nicht. Ebenfalls eine dem Beweis durch Sachverständigengutachten nicht zugäng-liche Wertungsfrage ist, wann eine Blendwirkung als „lang andauernd“ bezeichnet werden kann.
41Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18.07.2014 – 1 LA 168/13 ‑, bei juris; OVG NRW, Urteil vom 15.03.2007 – 10 A 998/06 ‑, bei juris.
42Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und sozial Adäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtemissionen, anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen, ohne Ein-bußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies folgt auch daraus, dass Lichtemissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.03.1999 – 4 B 14.99 ‑, bei juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2007 – 3 S 1654/06 ‑, bei juris.
44Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und sind die dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrund-stücks – im Innen- wie im Außenbereich – in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles.
45Vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O.
46Gemessen daran ist es vorliegend der Klägerin nicht zuzumuten, sich im Außenbe-reich durch geeignete Abschirmmaßnahmen, insbesondere mittels einer Bepflanzung ihres Grundstückes, gegen die vom Dach der Beigeladenen ausgehenden Lichtemis-sionen zu schützen.
47Wie in dem bereits genannten Urteil des VGH Baden-Württemberg zugrunde liegen-den Sachverhalt liegen auch im vorliegenden Fall konkrete Umstände vor, die dazu führen, dass zumutbare Abschirmmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Auch hier liegen die nach Süden ausgerichteten Terrassen des Hauses der Klägerin ca. 2,50 m höher als das Grundstück der Beigeladenen, so dass die Blend-wirkung des Daches auf Augenhöhe auf den Terrassenbereich der Klägerin einwirkt. Gleiches gilt für die Balkone im ersten Obergeschoss. Wollten sich die Eigentümer der Wohnungen gegen das einfallende blendende Licht wirksam abschirmen, müsste im Gartenbereich an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen eine sechs bis sieben Meter hohe Hecke gepflanzt werden. Die zurzeit dort stehenden zwei Bäume reichen bei Weitem nicht aus, die Blendwirkung des Daches wirksam abzuschirmen. Im Übrigen würde es sicherlich Jahre dauern, bis die Hecke eine Höhe erreicht hätte, um einen wirksamen Blendschutz zu gewährleisten. Des Weiteren wäre jegliche Aus-sicht nach Süden genommen und überdies würde der südliche Freibereich erheblich verschattet. Dies kann von der Klägerin nicht als „ortsüblich“ und „sozial adäquat“ verlangt werden. Auch Markisen sind nicht geeignet, die einwirkenden Lichtemissionen effizient abzuschirmen. Es ist davon auszugehen, dass beim Sitzen auf der Terrasse die Blendwirkung auch dann bestehen bleibt, wenn eine Markise ausgefahren wird. Das Aufstellen eines zusätzlichen Sonnenschirms gegen Lichteinwirkungen scheitert an den örtlichen Verhältnissen, da die Terrassen nach Süden eine Tiefe von ca. 5 m haben und danach das Gelände abfällt. Im übrigen führten Sonnenschirme dazu, dass sich die Bewohner der Wohnungen komplett eingehüllt vorkommen müssen. Die sich ergebenden Beeinträchtigungen sind auch nicht wegen der zeitlichen Dauer als irrelevant anzusehen. Die Klägerin hat insoweit glaubhaft dargelegt, dass die Blendwirkungen ca. 5 Monate im Jahr entstehen und dann in einer Zeit von 11.00 Uhr bis 15.00 Uhr, also in einer Zeit, in der man sich des Öfteren im Außenbereich der Wohnung aufzuhalten pflegt. Von einer geringen Beeinträchtigung kann danach keine Rede sein.
48Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen demgegenüber weniger schutzwürdig sind, denn sie haben ihr Dach baurechtswidrig mit reflektieren-dem Material eingedeckt. Zudem sind sie noch während der Bauphase, als die Dachziegel noch mit geringem Aufwand hätten getauscht werden können, auf die Blendwirkungsproblematik und die Unzulässigkeit der Verwendung des reflektieren-den Materials hingewiesen worden. Die Beigeladenen haben damit die Ursache für die Beeinträchtigungen der Nachbarn gesetzt und sind mit anderen Worten die baupolizeilichen Verhaltens- und Zustandsstörer.
49Hingegen kann von der Klägerin billigerweise nicht verlangt werden, ihr Grundstück nach Süden hin mit einer Hecke in entsprechender Höhe abzuschirmen oder ander-weitig zu schützen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass eine solche Hecke ‑ wenn sie denn erst einmal eine entsprechende Höhe erreicht hat – auch Folge-kosten in Höhe eines häufigen Rückschnitts verursacht.
50Vgl. zur Problematik insgesamt: VGH Baden-Württemberg, a.a.O.
51Liegt danach ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützen-den Ausprägung vor, so ist der Beklagte auch verpflichtet, den Beigeladenen aufzu-geben, die von ihrem Dach ausgehenden Lichtemissionen zu beseitigen. Sein nach § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumtes Ermessen ist im vorliegenden Fall insoweit auf Null reduziert, als ein entsprechendes Tätigwerden unerlässlich er-scheint.
52In welcher Form schließlich die Blendwirkungen beseitigt werden, ob durch Umdeckung des Daches oder durch Reduzierung der Glanzwirkung durch eine Nachbehandlung, wenn diese denn möglich ist, bleibt dem Beklagten und den Beigeladenen vorbehalten.
53Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Ent-scheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Verwaltungsgericht Minden Urteil, 14. Juni 2016 - 1 K 1197/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Nach Maßgabe dieses Gesetzes kann an Wohnungen das Wohnungseigentum, an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes das Teileigentum begründet werden.
(2) Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
(3) Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
(4) Wohnungseigentum und Teileigentum können nicht in der Weise begründet werden, dass das Sondereigentum mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden wird.
(5) Gemeinschaftliches Eigentum im Sinne dieses Gesetzes sind das Grundstück und das Gebäude, soweit sie nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen.
(6) Für das Teileigentum gelten die Vorschriften über das Wohnungseigentum entsprechend.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Dezember 2014 für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Garagen auf dem Grundstück L.-----straße 18 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Baugenehmigung verstoße mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegen Vorschriften des Bauordnungsrechts oder des Bauplanungsrechts, die auch dem Schutz der Rechte der Antragstellerin zu dienen bestimmt seien. Zwar verletze die angefochtene Baugenehmigung aus den Gründen des Beschlusses im Parallelverfahren - 2 L 119/15 - die nachbarschützende Bestimmung des § 6 BauO NRW. Die Antragstellerin könne jedoch nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Urteil vom 20. November 2013 - 7 A 2341/11 -) als Sondereigentümerin lediglich die Zulassung eines Vorhabens mit Blick auf § 6 BauO NRW abwehren, die gerade auch ihr Sondereigentum betreffe. Die in Rede stehende Abstandflächenverletzung der Abstandflächen T 7 und T 8 betreffe jedoch unzweifelhaft lediglich das Gemeinschaftseigentum am Grundstück X.-----straße 7, nicht jedoch das Sondereigentum an der Wohnung der Antragstellerin. Die Baugenehmigung verletze auch nicht subjektive Rechte der Antragstellerin aus dem Bauplanungsrecht.
4Die dagegen gerichteten Ausführungen der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angegriffenen Beschlusses.
5Die Antragstellerin macht im Wesentlichen geltend, sie könne sich als Sondereigentümerin mit Blick auf § 1 Abs. 2 WEG auch darauf berufen, dass ihr Miteigentumsanteil durch das Vorhaben der Beigeladenen rechtswidrig beeinträchtigt werde.
6Hierzu verweist sie allerdings ohne Erfolg auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 1992 - 4 B 92.92 -, juris. Darin lässt das Bundesverwaltungsgericht die der Sache nach angesprochene Frage, ob die nachbarliche Abwehrklage eines Wohnungseigentümers auf den Miteigentumsanteil gestützt werden kann, vielmehr ausdrücklich offen (vgl. den Entscheidungsabdruck in juris, Rn. 7 a. E.). Es stellt stattdessen tragend darauf ab, dass sich im zu beurteilenden Fall der Sondereigentümer hinsichtlich einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung auf sein Sondereigentum berufen konnte.
7Soweit die Antragstellerin ferner geltend macht, da das Sondereigentum nach dem WEG nach zivilrechtlichen Grundsätzen untrennbar mit einem Miteigentumsanteil verbunden sei, könne sie sich als Sondereigentümerin auch auf dessen Beeinträchtigung berufen, folgt daraus nach der vorliegend allein gebotenen summarischen Prüfung keine andere Beurteilung. Der Senat vermag auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2014 - V ZR 5/14 -, NJW, 2015, 1020, auf die sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang bezieht, keine Gründe für eine Änderung seiner Rechtsprechung zu entnehmen, auf die sich das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss gestützt hat. Nach dieser Entscheidung,
8vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. November 2013 - 7 A 2341/11 - , BauR 2014, 252 = BRS 81 Nr. 198 = NWVBl. 2014, 183, ebenso etwa OVG Rheinland - Pfalz, Beschluss vom 27. April 2015 - 8 B 10304/15 -, juris, m. w. N.
9ist die Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht der einzelne Wohnungseigentümer aufgrund seines Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum berechtigt, Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums im Wege von Abwehrrechten gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen.
10Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Verletzung des Sondereigentums der Antragstellerin gegeben sein könnte, die das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung abgelehnt hat, hat die Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nicht hinreichend aufgezeigt. Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass das Fehlen einer Nachbarzustimmung der Antragstellerin oder hypothetische Erwägungen zur Mehrheitsbildung in Wohnungseigentümergemeinschaften für die Beurteilung im Beschwerdeverfahren maßgeblich sein könnten.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragstellerin die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, denn diese hat im Beschwerdeverfahren einen Sachantrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
12Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind
- 1.
natürliche und juristische Personen, - 2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, - 3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller zu 1. trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens, die Antragsteller zu 2. und 3. tragen als Gesamtschuldner die weitere Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens; die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt dieser selbst.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Verfahren beider Rechtszüge auf 7.500 Euro festgesetzt.
1
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
2Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 15.5.2015 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Interessenabwägung falle zum Nachteil der Antragsteller aus, weil nicht erkennbar sei, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragsteller als Eigentümer der nördlich bzw. südlich gelegenen Grundstücke verletze.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung dieser Entscheidung.
4Der Senat geht im Rahmen der vorliegend allein gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass der Bebauungsplan „P.--ring “ der Antragsgegnerin nicht offensichtlich unwirksam ist. Inwieweit ein Bebauungsplan unwirksam ist, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nur anhand des Maßstabs der Offensichtlichkeit zu beurteilen.
5Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 19.1.2009
6- 10 B 1687/08 -, BRS 74 Nr. 29 = BauR 2009, 771 m. w. N.
7Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirksamkeit des Plans sind hier nicht vorgetragen und im Übrigen auch nicht ersichtlich.
8Soweit die Antragsteller der Sache nach rügen, die Baugenehmigung sei nachbarrechtswidrig, weil bei ihrer Erteilung in rechtswidriger Weise eine Ausnahme von der Festsetzung geschlossener Bauweise zum P.--ring hin, Befreiungen von nachbarschützenden Festsetzungen zu einer Baulinie am P.--ring sowie zu einer Grundflächenzahl von 0,5 und eine Abweichung von einer gestalterischen Festsetzung durch Zulassung weißen Verblendmauerwerks erteilt worden seien, erschüttern sie nicht die Begründung des Verwaltungsgerichts, das ausgeführt hat, es sei in diesem Zusammenhang nicht von nachbarschützenden Planfestsetzungen auszugehen. Ob eine Festsetzung eines Bebauungsplans neben ihrer städtebaulichen Funktion auch nachbarschützende Wirkung hat, ist in jedem Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln.
9Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 19.2.2009
10- 7 B 1899/08 -, juris, m. w. N.
11Die Antragsteller haben hier auch mit Blick auf die in Bezug genommenen Abschnitte der Begründung des Bebauungsplans nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt, dass von einer nachbarschützenden Wirkung der in Rede stehenden Festsetzungen auszugehen ist.
12Soweit die Antragsteller der Sache nach möglicherweise ferner für den Fall, dass die in Rede stehenden Festsetzungen nicht nachbarschützend sind, vorsorglich geltend machen, die auch bei der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB gebotene Würdigung ihrer nachbarlichen Interessen sei unterblieben, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. § 31 Abs. 2 BauGB hat zwar mit dem Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen drittschützende Wirkung. Das bedeutet aber lediglich, dass nur bei einer fehlerhaften Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans stets ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben ist, dass also bei nachbarschützenden Festsetzungen jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung führen muss. Demgegenüber besteht Drittschutz des Nachbarn bei einer rechtswidrigen Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung nur dann, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind; alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.2.2014
14- 7 B 1416/13 -, juris. m. w. N.
15Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist hier indes nicht hinreichend dargelegt. Einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vermag der Senat auch unter dem Aspekt der Schaffung von Einsichtnahmemöglichkeiten bzw. Verschattung insbesondere des nördlichen Grundstücks weder im Zusammenhang mit der Befreiung von der Baulinie noch sonst zu erkennen. Die zusätzlichen Einsichtnahmemöglich-keiten und die weitere Verschattung bewegen sich vielmehr im Rahmen dessen, was in bebauten innerörtlichen Bereichen regelmäßig hinzunehmen ist.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.2.2009
17- 10 B 1713/08 -, BRS 74 Nr. 181 = BauR 2009, 775.
18Auch im Zusammenhang mit der Ausnahme von der geschlossenen Bauweise an der südlichen Grundstücksgrenze ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht zu erkennen. Das gleiche gilt, soweit die Antragsteller eine Befreiung von der festgesetzten Grundflächenzahl beanstanden.
19Der Einwand der Antragsteller, die Baulinie sei im Lageplan falsch eingetragen, trifft zwar in der Sache zu. Dass sich - angesichts des ungeachtet dessen eindeutig festgelegten Vorhabenstandorts - daraus eine Verletzung von Rechten der Antragsteller ergeben könnte, vermag der Senat indes nicht zu erkennen.
20Soweit die Antragsteller eine Abweichung von Vorgaben des Abstandrechts an der nördlichen Grenze des Grundstücks des Beigeladenen rügen, hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es mit Blick auf die Vorgaben zur geschlossenen Bauweise insoweit einer Abstandfläche nicht bedurfte. Ob eine hinreichende Beteiligung im Hinblick auf eine nach Ansicht der Antragsteller erforderliche Zustimmung zur Beseitigung bzw. Umgestaltung einer im nördlichen Grenzbereich des Vorhabengrundstücks gelegenen Grenzmauer - die nach Einschätzung der Antragsteller teilweise auf dem Grundstück des Antragstellers zu 1. steht - stattgefunden hat, ist für die Entscheidung unerheblich. Denn die ordnungsgemäße Beteiligung des Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren betrifft keine Vorschriften, die öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz vermitteln.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.2.2014
22- 7 B 1416/13 -, juris.
23Darauf, ob das Verwaltungsgericht bereits am 2.9.2015 entscheiden durfte, nachdem dem Antragsteller die Aufforderung zur Stellungnahme ohne Benennung einer Frist am 1.9.2015 zugegangen war, kommt es schon deshalb nicht an, weil ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, ohnehin mit der Durchführung des Beschwerdeverfahrens geheilt worden wäre.
24Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Beigeladenen nicht den Antragstellern aufzuerlegen, weil der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit selbst keinem prozessualen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertentscheidung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG sowie § 63 Abs. 3 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 1 K 14.1707
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
1. Kammer
Sachgebiets-Nr. 920
Hauptpunkte:
Nachbarschutz gegen Lichtimmissionen;
Photovoltaikanlage;
Rücksichtnahmegebot;
Blendwirkung;
Unzumutbarkeit für Wohnanwesen und Gärtnereibetrieb
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Kläger -
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
..., vertreten durch: Landratsamt ...
- Beklagter -
beigeladen: ...
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
wegen Baugenehmigung für Photovoltaikanlage FlNr. 680 u. a. Gem. ... (Nachbarklage)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer,
durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... ohne weitere mündliche Verhandlung am 28. Juli 2015 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Photovoltaikanlage.
Der Beigeladene beantragte am ... März 2014 die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung der Photovoltaikanlage „... Feld“ mit zwei Trafo-/Wechselrich-terhäusern auf FlNr. 680, 683 und 684 Gemarkung ... Die Anlage „Solarpark ...“ besteht aus etwa 5.300 Modulen auf einer Fläche von ca. 46.500 m² südlich der Gemeinde ...; sie wird westlich und östlich von zwei jeweils in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Staatsstraßen begrenzt. Die Fläche liegt in einer Senke und weist bewegtes Gelände auf. Südwestlich der Fläche steigt das Gelände jenseits der westlich verlaufenden Straße an. Dort liegt in etwa 300 m Entfernung vom südwestlichsten Modul der Anlage im Ortsteil ... der Gemeinde ... das Anwesen des Klägers an einem Hang. Oberhalb einer Querstraße befindet sich sein Wohnhaus, unterhalb davon seine Gärtnerei und die aus länglichen und mit weißen Dächern versehenen Treibhäuser sowie der Wirtschaftshof.
Die Gemeinde ... erteilte am 4. April 2014 zu diesem Vorhaben ihr Einvernehmen. Im Rahmen eines von ihr in diesem Zusammenhang betriebenen Bauleitplanverfahrens „Bebauungsplan Photovoltaikanlage ... Feld“ hatte der Kläger schriftlich am 3. April 2014 Einwendungen erhoben und hierbei insbesondere eine zu befürchtende Blendwirkung der Anlage mitgeteilt. Das zum Planungsvorhaben eingeholte Blendwirkungsgutachten der Firma ... GmbH vom ... März 2014 gehe von falschen Grundlagen aus und komme zu falschen Ergebnissen. Gegen den am 3. April 2014 beschlossenen und am 4. Juli 2014 bekannt gemachten Bebauungsplan hat der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Normenkontrolle gestellt, über den bislang noch nicht entschieden ist (1 N 15.740).
Das Landratsamt Traunstein (Landratsamt) erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom ... April 2014 eine Baugenehmigung zum beantragten Vorhaben. In der Betreffzeile des Bescheids war zunächst nur das Grundstück FlNr. 683 benannt, was mit Bescheid vom ... Oktober 2014 um die FlNr. 674 und 680 ergänzt wurde. Nebenbestimmungen bzw. Ausführungen hinsichtlich der vom Kläger befürchteten Blendwirkung sind im Genehmigungsbescheid vom ... April 2014 nicht enthalten. Zur Begründung wird ausgeführt, das im vereinfachten Verfahren genehmigte Vorhaben sei planungsrechtlich nach § 33 Baugesetzbuch (BauGB) zulässig.
Der Bevollmächtigte des Klägers erhob am ... April 2014 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,
den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamtes Traunstein vom ... April 2014 aufzuheben.
Zur Begründung führt er aus, er werde durch die genehmigte und bereits errichtete Anlage unzumutbar geblendet und deshalb als unmittelbarer Nachbar in eigenen Rechten verletzt, sowohl bezüglich seines Wohnanwesens als auch hinsichtlich des Gärtnereibetriebes. Er wiederholt die gegenüber der Gemeinde vorgetragenen Einwände im Hinblick auf das Blendgutachten, das die Gemeinde im Rahmen des Bauleitplanverfahrens eingeholt hatte. Die Anlage sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da von ihr für die Umgebung unzumutbare Belästigungen oder Störungen ausgingen. Die Blendwirkung verstärke sich durch die Vielzahl der uneinheitlich montierten Module und dauere deshalb unzumutbar lange an. Dies sei sowohl für ihn als auch für seine Mitarbeiter und Kunden unzumutbar. Er legt zur Unterstützung seines Vorbringens ein Gutachten eines Diplom-Ingenieurs vom ... November 2014 vor, auf das Bezug genommen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt insbesondere aus, weder Abstandsflächenvorschriften noch das Gebot der Rücksichtnahme würden verletzt. Die Entfernung des Wohnhauses des Klägers zum nächstgelegenen Modul betrage mindestens 250 m. Nach dem Prüfverfahren des Landesamtes für Umwelt (Landesamt) könne davon ausgegangen werden, dass ab einer Entfernung von 100 m keine bzw. eine nur geringfügige Blendwirkung auftreten könne. Daran habe man sich im Genehmigungsverfahren orientiert.
Der Bevollmächtigte des Beigeladenen beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Er führt im Wesentlichen aus, die länglichen weißen Foliengewächshäuser des Klägers würden selbst eine erhebliche Blendwirkung hervorrufen. Das könne dem Beigeladenen nicht zugrechnet werden.
In der mündlichen Verhandlung am
In einer vom Beklagten im Anschluss an die mündliche Verhandlung auf der Grundlage des Gutachtens des Klägers vom ... November 2014 beim Landesamt eingeholte Stellungnahme vom ... März 2015 (Bl. 135 GA) führte dieses im Wesentlichen aus, eine Absolutblendung durch eine Photovoltaikanlage liege ab Leuchtdichten von etwa 105 cd/m² vor. Dann könne das Auge diese Helligkeit nicht mehr adaptieren; es würden die Augenlider geschlossen oder man wende sich ab. Physiologische Schäden seien deshalb hierdurch in der Regel nicht zu erwarten. Vielmehr entstehe eine subjektiv empfundene Beeinträchtigung des Wohn- und Arbeitsalltages mit etwaig daraus resultierenden Nutzungseinschränkungen von Wohnräumen. Von der Durchführung einer Studie zur Konkretisierung der Zumutbarkeit der Blendwirkung durch Photovoltaikanlagen habe man aufgrund des komplexen Prozesses und der hohen Kosten sowie wegen der geringen praktischen Relevanz Abstand genommen, ebenso von der Empfehlung der so genannten „30-30-Regel“ (Beschränkung der Blendung auf 30 Minuten am Tag und 30 Stunden im Jahr).
Der Kläger führt hierzu aus, die Aussagen des Landesamtes bestätigten im Wesentlichen sein Vorbringen, insbesondere zur Unzumutbarkeit einer Leuchtdichte ab der beschriebenen Intensität. Diese Leuchtdichte liege bei seinem Anwesen aufgrund der Blendwirkung der Photovoltaikanlage vor. Auf den konkreten, besonders gelagerten Fall des „... Feld“ gehe das Landesamt jedoch nicht ein. Die Ortslage ... sei eine besonders sonnenintensive Gegend mit herausragender jährlicher Sonnenscheindauer. Die „30-30-Regel“ werde um ein Vielfaches überschritten. In seinem Fall müsse die subjektive Bewertung mit vorderer Priorität herangezogen werden, da die Schwelle der physiologischen Blendung erheblich überschritten sei.
Der Beklagte erwiderte hierzu, dem Schreiben des Landesamtes könne die Aussage einer Unzumutbarkeit der beschriebenen Leuchtdichten nicht entnommen werden, sondern lediglich, dass eine Blendung vorliege. Auch aus der für diesen Fall vom Landesamt nicht mehr zur Anwendung empfohlenen „30-30-Regel“ könne keine Unzumutbarkeit abgeleitet werden.
Der Beigeladene teilte am ... Juni 2015 mit, das Umweltbundesamt habe ihm gegenüber erklärt, es sei nicht in Vorüberlegungen zu einer Studie hinsichtlich der Blendwirkung von Photovoltaikanlagen eingetreten. Neuere Erkenntnisse seit der Erstellung der so genannten „LAI-Hinweise“ seien dort nicht vorhanden. Diese Hinweise könnten als Erkenntnisquelle herangezogen werden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten und insbesondere auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am
Entscheidungsgründe:
Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt hatten (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die dem Beigeladenen vom Beklagten erteilte Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Ein Nachbar hat einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr ist Voraussetzung, dass er durch die Baugenehmigung gerade in eigenen Rechten verletzt wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354 - juris; BayVGH, B. v. 2.9.2013 - 14 ZB 13.1193 - juris Rn. 11).
2. Drittschützende Wirkung kommt für den Kläger, je nachdem, ob sich der Bebauungsplan „Photovoltaikanlage ... Feld“ als wirksam erweist, entweder nach der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) oder des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i. V. m. dem in beiden Bestimmungen gleichermaßen enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme in Betracht (BayVGH, B. v. 16.7.2014 - 15 CS 13.1910 - juris Rn. 15 zu § 35 BauGB;
3. Das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Eine besondere Ausprägung dieses Gebotes in Bezug auf Immissionen stellt § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB dar, wonach eine Beein-trächtigung öffentlicher Belange insbesondere dann vorliegt, wenn unter anderem ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bezeichnet als schädliche Umwelteinwirkungen diejenigen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Dabei bestimmt sich der Begriff der „Nachbarschaft“ in räumlicher Hinsicht nach dem Einwirkungsbereich der baulichen Anlage. Wann schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieser Vorschrift unzumutbar sind, wird regelmäßig mit Hilfe von technischen Regelwerken bestimmt, die nach § 23 und § 48 Abs. 1 BImSchG erlassen werden, hinsichtlich der Einwirkung durch Geräusche etwa die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) oder bei Einwirkungen durch Schadstoffe in der Luft die Technischen Anleitung Luft (TA Luft). Die in diesen sogenannten antizipierten Sachverständigengutachten genannten Immissionsrichtwerte enthalten konkrete und für die Gerichte bindende Vorgaben für die rechtliche Beurteilung von Nutzungskonflikten, die anlagenbedingte Immissionen auf benachbarten Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage hervorrufen.
3.1 Solche technischen Regelwerke liegen für die Bewertung der Zumutbarkeit von Lichtimmissionen durch Photovoltaikanlagen nicht vor. Auch die unter Nr. 1.5 („Literatur und Quellen“) im Gutachten des Klägers genannten Unterlagen sind keine den oben genannten technischen Regelwerken vergleichbaren Bestimmungen, die für die Gerichte bindend wären. Insbesondere die dort aufgeführten Regelungen zum Arbeitsschutz an Arbeitsstätten sind vom Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern zu beachten, jedoch nicht geeignet, ihm selbst Drittschutz im verwaltungsrechtlichen Sinn gegenüber einer benachbarten, ihn störenden Lichtquelle zu vermitteln.
Das vom Beklagten um Stellungnahme gebetene Landesamt hat am ... März 2015 mitgeteilt, es gebe bis heute keine speziellen fachlichen Untersuchungen, die sich dem Zusammenhang zwischen Ausmaß und Dauer der Blendung einerseits und der damit einhergehenden subjektiv empfundenen Beeinträchtigung andererseits gewidmet hätten. Nicht einmal mehr an der früher hilfsweise herangezogenen Empfehlung, die Dauer der durch eine Photovoltaikanlage an einem Immissionsort hervorgerufenen Blendung auf das gleiche Maß zu beschränken, wie es beim periodischen Schattenwurf von Windkraftanlagen der Fall sei, werde festgehalten. Auch die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (v. 13.9.2012 - LAI-Hinweise), auf die sowohl das Landesamt als auch das vom Beigeladenen befragte Umweltbundesamt hinweisen, enthalten keine verbindlichen Regelungen, die denen der TA-Lärm oder TA-Luft vergleichbar wären und können allenfalls als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden (VGH BW, U. v. 29.3.2012 - 3 S 2658/10 - juris Rn. 40; Landmann/Rohmer, Kommentar zum Umweltrecht - Band III, Stand: 1.4.2014, § 22 BImSchG Rn. 13d). Auch von der Empfehlung einer Anwendung der „30-30-Regel“, also der Beschränkung der Blendung auf 30 Minuten pro Tag und 30 Stunden im Jahr wird Abstand genommen. Im Anhang 2 der LAI-Hinweise („Empfehlungen zur Ermittlung, Beurteilung und Minderung der Blendwirkung von Photovoltaikanlagen“) wird zwar die Leuchtdichte von Photovoltaikanlagen beschrieben, ab der bei dem Betroffenen eine Absolutblendung eintreten kann. Ab welcher Dauer einer solchen Blendwirkung diese Lichtimmission als erhebliche Belästigung aufgefasst werden kann oder muss, ergibt sich jedoch auch nicht aus diesem Anhang. Unter Nr. 3 („maßgebliche Immissionsorte und -situationen“) wird dort ausgeführt: „Hinsichtlich einer möglichen Blendung kritisch sind Immissionsorte, die vorwiegend westlich oder östlich einer Photovoltaikanlage liegen und nicht weiter als ca. 100 m von dieser entfernt sind (…). Hier kann es im Jahresverlauf zu ausgedehnten Immissionszeiträumen kommen, die als erhebliche Belästigung der Nachbarschaft aufgefasst werden können.“.
3.2 Unter Berücksichtigung dieser Regelungssituation ruft die vom Beigeladenen errichtete Photovoltaikanlage gegenüber dem Kläger keine Blendwirkung hervor, die im rechtlichen Sinn als erhebliche Belästigung und als rücksichtslos zu bezeichnen ist. Im Unterschied zur Angabe in den LAI-Hinweisen ist das Anwesen des Klägers mehr als 100 m von der Anlage entfernt, nämlich 300 m vom südwestlichen Modul der Anlage. Dem Gutachten vom ... November 2014 lässt sich ferner zwar entnehmen, dass es am Anwesen des Klägers wiederholt zu Blendwirkungen durch die Anlage des Beigeladenen kommt, etwa an den vom Gutachter bewerteten Tagen am ... und ... Juli 2014 (vgl. S. 17 bis 25 des Gutachtens). Im Gutachten sind Blendungen sowohl vom Wohnhaus als auch vom Wirtschaftshof durch „grelle Blendflecken“ dargestellt (vgl. S. 24 des Gutachtens). In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter erläuternd ausgeführt, die Prognose einer Blendwirkung der Anlage an 79 Tagen im Jahr bzw. 45 Minuten am Tag beruhe auf einer groben Schätzung aufgrund seiner Messwerte sowie der allgemein zugänglichen meteorologischen Daten. Damit ist die Unzumutbarkeit als Voraussetzung der „Erheblichkeit“ im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG bzw. der Rücksichtslosigkeit nicht erwiesen. Der Vortrag des Klägers zur vom Landesamt beschriebenen Absolutblendung belegt nur die Grenze, ab der das menschliche Auge die Leuchtdichte ohne Lidschlag oder Abwendung des Kopfes nicht mehr ertragen kann. Die Rücksichtslosigkeit einer solchen Einwirkung ist jedoch nicht regelhaft anzunehmen. Maßgeblich sind der Grad der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenbereiche und auch die Frage, ob der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (OVG Lüneburg, B. v. 18.7.2014 - 1 LA 168.13 - juris Rn. 11 ff.). Dies vor allem auch deshalb, weil selbst bei der vom Gutachter beschriebenen höchstenfalls 45-minütigen Blendwirkung an einem Tag innerhalb von Gebäuden durch herkömmliche Maßnahmen wie Jalousien oder Vorhänge (VGH BW, U. v. 29.3.2012 - 3 S 2658/10 - juris Rn. 40) und außerhalb von Gebäuden z. B. durch die Verwendung von Sonnenbrillen Abhilfe geschaffen werden kann. Für die Wohnsituation des Klägers ebenso wie für die von ihm eingewandte Situation seiner Beschäftigten und Kunden des Gärtnereibetriebes ist das Ergreifen von solch herkömmlichen Schutzmaßnahmen zumutbar und die streitige Photovoltaikanlage auch in Anbetracht der topographischen Lage nicht rücksichtslos. Im Übrigen ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Foliengewächshäuser des Klägers selbst zu einer gewissen (ebenfalls vorübergehenden) Blendwirkung führen können (vgl. Fotoaufnahmen Bl. 123 ff. GA).
4. Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da der Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, erscheint es angebracht, dass der Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.7.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. November 2005 - 2 K 3548/03 - geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Landratsamts Ludwigsburg vom 20.1.2003 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.7.2003 verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen die Neueindeckung der nördlichen Dachseite des auf dem Flurstück-Nr. 4518/19 der Gemeinde ... gelegenen Gebäudes mit nicht blendenden Dachziegeln anzuordnen.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte und die Beigeladenen (gesamtschuldnerisch) jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin; ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladenen jeweils selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.