Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. März 2014 - 23 S 14.30506

bei uns veröffentlicht am17.03.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. März 2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ... Februar 2014 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... gewährt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volkszugehörigkeit, der über G., U. und Ö. in die Bundesrepublik Deutschland gelangte und am ... April 2013 Asylantrag stellte.

Nach Feststellung eines entsprechenden EURODAC-Ergebnisses erklärte auf Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom ... Dezember 2013 die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom ... Januar 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags, nachdem der Antragsteller dort bereits im März 2013 Asylantrag gestellt hatte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Februar 2014 erklärte die Antragsgegnerin den Asylantrag für unzulässig (Nr. 1). Die Abschiebung nach Ungarn wurde angeordnet (Nr. 2).

Durch Schriftsatz vom 6. März 2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 6. März 2014, erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hiergegen Klage (M 23 K 14.30505) und beantragte für das vorliegende Verfahren,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Weiterhin wurde beantragt, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren und den Prozessbevollmächtigten beizuordnen.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass in Ungarn systemische Mängel bei der Durchführung der Asylverfahren und der Unterbringung bestünden; zudem sei eigentlich Griechenland für das Verfahren zuständig. Der Antragsteller habe keinen Antrag in Ungarn gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat Erfolg.

Mit der am 6. September 2013 in Kraft getretenen Neuregelung des § 34a Abs. 2 AsylVfG ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO im vorliegenden Fall statthaft; er wurde auch fristgerecht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids gestellt.

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage lassen sich die Erfolgsaussichten der Klage vorliegend nicht abschließend bewerten.

Zwar bezweifelt das Gericht die grundsätzliche Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des Asylantrags nicht, nachdem der Kläger dort - wie selbst eingeräumt - Asylantrag gestellt hatte. Ungarn ist als Mitgliedsstaat der Europäischen Union kraft Gesetzes sicherer Drittstaat und haben die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit anerkannt (Art. 16 ff. Dublin-II-VO, vorliegend anwendbar gemäß Art. 49 2. Absatz VO (EU) Nr. 604/2013 - „Dublin-III“).

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2011 (C-411/10 und C-493/10 - juris; bestätigt zuletzt durch: EuGH v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11 und v. 10.12.2013 - Rs. C-394/12) ist Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.

Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. - juris) muss es sich aufdrängen, dass der betreffende Ausländer von einem der dort im Einzelnen bezeichneten und vom normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen ist.

Die Frage, ob in Ungarn solcherlei Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen und ob eine Überstellung nach Ungarn einen Verstoß gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK darstellt, wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet (vgl. in diesem Sinne z. B. VG Ansbach, B. v. 7.1.2013 - AN 11 E 13.30006; VG Magdeburg, B. v. 11.4.2013 - 9 B 140/13; VG Stuttgart, B. v. 14.8.2012 - A 7 K 2589/12, jeweils m. w. N. - alle juris; vgl. auch VG Freiburg, B. v. 28.8.2013 - A 5 K 1406/13; a. A. z. B. VG Aachen, B. v. 16.11.2012 - 6 L 335/12.A; VG Augsburg, B. v. 25.7.2013 - Au 7 S 13.30210; VG Potsdam, B. v. 26.2.2013 - 6 L 50/13a; VG Saarland, B. v.19.2.2013 - 3 L 397713; VG Trier, B. v.15.1.2013 - 5 L 51/13.TR - alle juris) und in der des Verwaltungsgerichts München überwiegend (a. A.: bsp. B. v. 27.1.2014 - M 4 S 14.30066 und B. vom 11.2.2014 - M 21 S 14.30102) als offen erachtet (vgl. bsp. aus jüngerer Zeit B. v. 11.11.13 - M 18 S 13.31119; B. v. 11.10.13 - M 11 S 13.30995 u. B. v. 15.1 und 7.2.2014 - M 23 S 13.31390 und M 23 S 14.30155).

Obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt soweit ersichtlich - abgesehen von den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen- Anhalts vom 31. Mai 2013 (4 L 169/12) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. August 2013 (12 S 675/13 - juris) - bislang nicht vor. In letzterer Entscheidung vertritt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Auffassung, dass es nicht ernsthaft zu befürchten sei, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der nach dort überstellten Asylbewerber erwarten lassen, was im Einzelnen unter Auswertung vorhandener Erkenntnisquellen ausgeführt wurde.

Nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt sei weder aus der Stellungnahme des Helsinki Komitees vom 8. April 2013 noch aus dem Bericht des UNHCR vom April 2013 hinreichend ersichtlich, dass die (zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Kraft getretenen) Gesetzesänderungen im ungarischen Asylgesetz zu systemischen Mängeln führten. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit würden sich auf Fälle automatischer Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern beziehen; eine solche automatische Inhaftierung finde gerade nicht mehr statt.

Weiterhin hat der Europäische Gerichtshof in einer Kammerentscheidung vom 6. Juni 2013 für Recht erkannt, dass die Abschiebung nach Ungarn keine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellt (Case of Mohammed v. Austria - Application No. 2283/12 unter http://...coe.int.). Als Grundlage für diese Bewertung zieht der Gerichtshof dabei auch maßgeblich den Bericht des UNHCR vom Dezember 2012 („Note on Dublin transfers to Hungary of people who transited through Serbia - update“) zu den Gesetzesänderungen in Ungarn heran.

Nicht bzw. nur zum Teil berücksichtigt werden konnten dort allerdings die zwischenzeitlich vorliegenden neueren Erkenntnisse, wonach in Ungarn insbesondere zum 1. Juli 2013 eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, bei der Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen sind. Sowohl UNHCR als auch der Europäische Flüchtlingsrat sowie das ungarische Helsinki Komitee warnen, dass die Rechtsgrundlagen für eine Inhaftierung von Personen, die internationalen Schutz suchen, zu weit seien und daher ein erhebliches Risiko einer umfassenden Inhaftierung von Asylbewerbern bestehe (vgl. UNHCR, UNHCR Comments and Recommendations on the Draft Modification of certain migration-related Legislative Acts for the Purpose of Legal Harmonisation, 12.4.2013, S. 7 f, S. 10; European Council on Refugees and Exiles - ECRE Weekly Bulletin, 14.6.2013, S. 3; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information Note on the Main Asylum-Relates Legal Changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 2 unter www.helsinki.hu). Die Gesetzesänderung sieht - neben anderen Gründen - als Grund für die Inhaftierung von Asylbewerbern die Feststellung ihrer Identität oder Nationalität vor, und wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylsuchende das Asylverfahren verzögert oder vereitelt oder Fluchtgefahr bei ihm besteht (vgl. Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 2). UNHCR äußert dabei in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf die Vermutung, dass Hauptziel dieser (zeitlich vorgezogenen) Gesetzesänderung eine Senkung der Zahl der Asylanträge sei. Inhaftierung würde als Instrument zur Kontrolle von Migration eingesetzt, um illegale Einreise zu pönalisieren und unrechtmäßige Weiterwanderung zu verhindern (vgl. UNHCR, a. a. O., S. 7 f). Weiterhin berichtet das ungarische Helsinki Komitee davon, dass im Hinblick auf die steigende Zahl der Asylsuchenden in Ungarn (mehr als 10.000 Asylbewerber seien im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 registriert worden) die Hauptaufnahmeeinrichtung in Debrecen deutlich überbelegt sei (über 1.300 Asylsuchende Mitte Juni), was zu ernsthaften Problemen geführt habe, insbesondere zu einer eklatanten Verschlechterung der hygienischen Bedingungen. Auch der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des „United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom ... September bis ... Oktober 2013 kritisiert die Inhaftierungspraxis in Ungarn, insbesondere auch die fehlenden effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten und mahnt solide Verbesserungen an (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner - Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon conclusion of its visit to Hungary - ... September - ... October 2013 - S. 4). Ebenso kommt der aktualisierte und ergänzte Bericht von Pro Asyl „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, zu dem Ergebnis, dass in Ungarn derzeit von „systemischen Mängeln“ in den Aufnahmebedingungen auszugehen sei. Es sei aufgrund des massiven Anstiegs von Asylanträgen davon auszugehen, dass die „systemischen Mängel“ noch weiter zunehmen würden. Sollte der Großteil der Asylantragsteller, die sich derzeit in anderen EU-Staaten aufhielten, zurück nach Ungarn überstellt werden, so wären die vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende keinesfalls in der Lage, eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten (vgl. Pro Asyl, Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, Stand Oktober 2013).

Insbesondere im Hinblick auf diese neueren Erkenntnisquellen sind die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung derzeit nicht hinreichend abschätzbar. Eine Prüfung bleibt dem - tunlichst zeitnahen - Hauptsacheverfahren vorbehalten. Vorliegend ist bei der demzufolge anzustellenden Abwägung das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage nicht zwangsweise nach Ungarn rücküberstellt zu werden, höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer möglichst umgehenden Rückführung des Antragstellers. Auf die weiteren von Antragseite aufgeworfenen Fragen kommt es demnach vorliegend nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Aus den oben genannten Gründen war auch dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten stattzugeben (§ 166 VwGO, §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. März 2014 - 23 S 14.30506

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. März 2014 - 23 S 14.30506

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc
Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. März 2014 - 23 S 14.30506 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. März 2014 - 23 S 14.30506 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Gründe 1 Der Eilrechtsschutzantrag ist zulässig und begründet. 2 Der Antragsteller wendet sich mit seinem vorläufigen Rechtsschutzantrag nach § 123 VwGO gegen eine drohende Abschiebung nach Ungarn aufgrund der Bestimmungen nach der Dublin-II

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Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

1

Der Eilrechtsschutzantrag ist zulässig und begründet.

2

Der Antragsteller wendet sich mit seinem vorläufigen Rechtsschutzantrag nach § 123 VwGO gegen eine drohende Abschiebung nach Ungarn aufgrund der Bestimmungen nach der Dublin-II-Verordnung. Auch wenn diesbezüglich noch kein konkreter Verbringungstermin mitgeteilt wurde, ist dem Gericht aus anderen Fällen bekannt, dass der entsprechende von dem Dublin-Referat in Dortmund erstellte ablehnende Bescheid, dem Asylbewerber erst am Tage seiner Überstellung durch die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde persönlich zugestellt bzw. ausgehändigt wird (vgl. VG Stuttgart, Beschluss v. 02.07.2012, A 7 K 1877/12; juris) oder auch dem bestellten Verfahrensbevollmächtigten erst auf Nachfrage überhaupt bekannt gegeben wird (vgl. VG Augsburg, Beschluss v. 05.07.2011, Au 6 S 11.30264; juris). Allein diese bekannte Verfahrensweise lässt faktisch keinen geordneten einstweiligen Rechtsschutz im Falle der Abschiebung zu und begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken (so auch: VG Stuttgart, Beschluss v. 02.07.2012, A 7 K 1877/12; VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 01.06.2011, 5a L 576/11.A; bereits früher: VG Hannover, Beschluss v. 10.12.2009, 13 B 6047/09; VG Schleswig, Beschluss v. 12.08.2009, 9 B 37/09; alle juris). Daher muss effektiver Eilrechtsschutz vorliegend auch schon vor Erlass eines Bescheides bzw. Mitteilung des konkreten Abschiebetermins möglich sein. Zudem soll vorliegend der der ablehnende Bescheid vom 18.03.2013 dem Prozessbevollmächtigten lediglich formlos übersandt worden sein (vgl. zum Ganzen bezüglich der Italien-Fälle, nur: VG Magdeburg, Beschluss v. 17.07.2012, 9 B 148/12; juris).

3

Der Zulässigkeit des Antrags steht § 34 a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nicht entgegen. Danach darf die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ausgesetzt werden. Die vorläufige Untersagung der Abschiebung kommt nach § 123 VwGO jedoch in Betracht, wenn eine die konkrete Schutzgewährung nach § 60 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Frage stellende Sachlage im für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gegeben ist. Dies ergibt sich aus der gebotenen Verfassungskonformen Auslegung der Norm (vgl.: BVerfG, U. v. 14.05.1996, 2 BvR 1938, 2315 und Beschlüsse vom 08.09.2009, 2 BvQ 56/09, und vom 08.12.2009, 2 BvR 2780/09; VG Gelsenkirchen, B. v. 01.02.2011, 7 a L 85/11.A; juris).

4

Vorliegend bestehen im Sinne des vorläufigen Rechtsschutzes hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen auf Ungarn zutreffen könnten. Es ist öffentlichkeits- und gerichtsbekannt, dass einige Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht hinnehmbare Probleme bei der Durchführung der tatsächlichen Asylantragsgewährung haben und nicht die Kernanforderungen des EU-Flüchtlingsrechts zur Durchführung von Asylverfahren gewährleisten. Dazu zählt neben Griechenland, Bulgarien (VG Magdeburg, GB v. 21.02.2012, 9 A 82/11; juris) und Italien (vgl. nur: VG Magdeburg, Beschluss v. 17.07.2012, 9 B 148/12; juris) auch Ungarn.

5

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO prüfen die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates stellt, wobei grundsätzlich Kap. III, Art. 10 der Dublin II-VO der Staat zuständig ist, dessen Grenze illegal überschritten wurde. Dies wäre wohl vorliegend Ungarn. Trotz dessen kann nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO ein Mitgliedsstaat einen im Inland gestellten Asylantrag prüfen. Ein insoweit bestehendes Ermessen ist jedenfalls dann auf null reduziert, wenn ein Verweisen auf den Staat der Einreise die Durchführung eines richtlinienkonformen Asylverfahrens nicht gewährleistet. Denn anderenfalls läge ein Verstoß gegen Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor. Nach Art. 18 der Charta wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28.07.1951 und des Protokolls vom 31.01.1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie gemäß den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährleistet. Aus diesem Grund muss jeder Mitgliedsstaat das Asylverfahren selbst durchführen, wenn das in Richtlinien statuierte formelle oder materielle Asylrecht in einem Mitgliedsstaat nicht zur Anwendung gelangt (vgl. ausführlich: VG Magdeburg, GB v. 21.11.2011, 9 A 100/11; Urt. v. 26.07.2011, 9 A 346/10 MD mit Verweis auf VG Frankfurt, Urt. v. 08.07.2009, 7 K 4376/07; alle juris). Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (C-411/10 und C-493/10; juris).

6

Das Gericht ist davon überzeugt, dass – zumindest derzeitig – ein rechtsstaatliches Asylverfahrens in Ungarn nicht gewährleistet ist. Das Schutzniveau, welches die Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) insbesondere in Art. 28 (Sozialleistungen) und in Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) festlegt, kann dort ebenso wenig gewährleistet werden wie ein richtlinienkonformes Asylverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003. Ferner wird gegen die Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2011) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern verstoßen. Weiter bestehen erhebliche Bedenken, ob ein Zurückschicken des Klägers nicht ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellt. Dabei sind die derzeitigen augenblicklichen und tatsächlichen Verhältnisse des Mitgliedsstaates Ungarn zu bewerten.

7

Diese Bedenken des Gerichts werden von der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geteilt (vgl. nur: VG Ansbach, Beschluss v. 07.01.2013, AN 11 EE 13.30006; VG Stuttgart, Beschluss v. 14.08.2012, A 7 K 2589/12, jeweils m. w. Nachw.; alle juris). Insbesondere aus dem UNHCR Positionspapier vom April 2012 und dem Bericht von Pro Asyl vom 15.03.2012 ergibt sich, dass die Unterbringungsmöglichkeiten insbesondere bei Minderjährigen in Ungarn europäischen Standards nicht entsprechen. Misshandlungen in der Haft und Ruhigstellung renitenter Flüchtlinge mittels Medikamenten sei regelmäßig zu beobachten. Gerade nach der Dublin-II-Verordnung an Ungarn überstellte Asylbewerber müssten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen (vgl. VG Trier, Urteil v. 30.05.2012, 5 K 967/11.TR; juris; mit Verweis auf Stellungnahme des österreichischen Büros des UNHCR und Auskunft des AA vom 09.11.2011 an VG Regensburg sowie Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees). Weitere derartige Auskünfte ergeben sich aus den im Internet zugänglichen Berichten der genannten Organisationen, wonach UNHCR Menschenrechtverletzungen im ungarischen Asylsystem belegt und über dramatische Situationen von Flüchtlingen in Ungarn berichtet.

8

An dieser Einschätzung ändert zur Überzeugung des Gerichts nichts, dass der ungarische Staat wohl seit Ende 2012/Anfang 2013 bemüht ist, durch gesetzliche Vorgaben diesen Missständen zu begegnen. Nach dem update (Dezember 2012) des UNHCR-Berichts vom Oktober und April 2012 (einzusehen über: Informationsverbund Asyl & Migration: www.asyl.net/) sollen nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft werden und die Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen sei stark rückläufig und werde staatlich wie richterlich kontrolliert. Demnach haben sich erkennbar aktuell das Verwaltungsgericht Potsdam (Beschluss v. 26.02.2013, 6 L 50/13.A; juris) und das Verwaltungsgericht Trier (Beschluss v. 15.01.2013, 5 L 51/13.TR; juris) der Rechtsauffassung angeschlossen, dass – nunmehr- keine unionswidrige Asylpraxis in Ungarn mehr zu befürchten sei und daher die Voraussetzungen für das Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vorlägen.

9

Dieser Rechtsauffassung schließt sich das erkennende Gericht mit dem Verwaltungsgericht Hannover (Beschluss v. 18.03.2013, 1 B 2448/13; einzusehen über www.asyl.net) nicht an. Denn – und darauf weist auch das VG Hannover hin – handelt es sich um einen Regelungsentwurf, wobei dem erkennenden Gericht nicht klar ist, ob dieser zwischenzeitlich vom ungarischen Parlament verabschiedet und umgesetzt wurde. Jedenfalls – und das ist entscheidend – ist nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen, dass dadurch tatsächlich eine Änderung in der Praxis eingetreten ist. Dies gilt es in dem Hauptsacheverfahren zu klären. Für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren gilt vielmehr, dass zum augenblicklichen Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung weiterhin von den eklatanten und erschreckenden nicht unionskonformen Verhältnissen bezüglich des Umgangs mit Asylbewerbern in Ungarn auszugehen ist. Denn diese Berichterstattung fällt noch drastischer aus als z. B. die zum Umgang mit Asylbewerbern in Italien.

10

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.


Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5.7.2012 wird angeordnet. Die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ist unzulässig. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin zu 1 trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 2, die der Antragsteller trägt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, ein nach seinen Angaben in Beirut geborener Palästinenser aus dem Libanon, reiste nach seinen Angaben am 25.7.2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 14.9.2011 einen Asylantrag und wurde am 10.10.2011 zu seinen persönlichen Daten und seinem Reiseweg nach Deutschland angehört. Dabei gab er an, in einem fremden Land für zwei Wochen inhaftiert worden zu sein. Dann habe man ihn einfach so wieder freigelassen. Danach habe er sich dort noch zwei bis drei Wochen aufgehalten. Er habe im Freien übernachtet. Durch einen Schleuser sei er dann nach Deutschland gebracht worden. Er habe nirgendwo anders einen Asylantrag gestellt. Auf Vorhalt, dass dem Bundesamt Erkenntnisse vorlägen, der Antragsteller habe bereits in Ungarn um Asyl nachgesucht, antwortete der Antragsteller, er werde in so einem Land, in dem er erniedrigt und geschlagen worden sei, niemals einen Asylantrag stellen. In diesem Land seien ihm Fingerabdrücke genommen worden. Er habe in diesem Land keine richtigen Personalien angegeben, da er Angst gehabt habe, abgeschoben zu werden.
Mit Bescheid vom 5.7.2012 wurde der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe laut Eurodac-Datenbank bereits am 22.6.2011 in Ungarn Asyl beantragt. Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 19.6.2012 hätten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 22.6.2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 c Dublin-Verordnung erklärt. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller als Anlage zum Schreiben des Antragsgegners zu 2 vom 30.7.2012 am 2.8.2012 zugestellt.
Der Antragsteller hat am 6.8.2012 Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners zu 1 erhoben, mit der er neben der Aufhebung des Bescheids vom 5.7.2012 die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1 begehrt, ein Asylverfahren durchzuführen und über seinen Asylantrag zu entscheiden (A 7 K 2588/12).
Zugleich hat er einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Weder die Klage noch der Antrag ist begründet worden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6.8.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin zu 1 vom 5.7.2012 anzuordnen
sowie dem Antragsgegner zu 2 zu untersagen, ihn vor Entscheidung über seine Klage vom 6.8.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin zu 1 vom 5.7.2012 nach Ungarn abzuschieben.
Die Antragsgegnerin zu 1 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
10 
Zur Begründung führt sie aus, einem Antrag nach § 80 oder § 123 VwGO stehe schon § 34 a Abs. 2 AsylVfG entgegen, wonach eine nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung in einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 36 a AsylVfG nicht ausgesetzt werden dürfe. Aus dem Konzept der normativen Vergewisserung folge, dass Belgien (gemeint ist wohl Ungarn) als sicherer Drittstaat einem Flüchtling, der sein Gebiet erreicht habe, nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrecht und Grundfreiheiten Schutz vor politischer Verfolgung anderen im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit und Freiheit gewähre. Nur wenn im Einzelfall Umstände vorlägen, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden könnten, habe die Bundesrepublik Deutschland Schutz zu gewähren. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass Belgien (gemeint ist wohl Ungarn) bei Dublin-Rückkehrern gegen das Non-Refoulement-Gebot verstoße, seien nicht ersichtlich. Es sei ebenfalls nicht ersichtlich, dass der Antragsteller bei einer Rückschiebung nach Ungarn Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden. Es bestehe lediglich die Gefahr, dass gegen den Antragsteller nach einer Überstellung nach Ungarn ein Ausweisungsbescheid ergehe und er infolge dessen in Haft genommen werde. Der Erlass eines derartigen Ausweisungsbescheids sowie die Unterbringung in einer Haftanstalt stellten jedoch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta dar, da jedenfalls das Asylgesuch des Antragstellers vor einer Abschiebung aus Ungarn in vollem Umfang geprüft werde. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung durch die Bundesrepublik Deutschland erforderlich machen könnten, seien nicht geltend gemacht und auch nicht erkennbar.
11 
Der Antragsgegner hat unter Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 31.5.2011 (A 11 S 1523/11) darauf hingewiesen, dass er nicht Antragsgegner sein könne, da er für die Prüfung auch nicht zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nicht zuständig sei.
12 
Mit Schriftsatz per Fax vom 14.8.2012 hat sich der Prozessbevollmächtigte für den Antragsteller bestellt. Er gibt an, der Antragsteller habe seinen Asylantrag mit Schreiben vom 14.8.2012 zurückgenommen und verweist auf entsprechende Belege, die dem Fax nicht beigefügt waren. Der Antragsteller beantrage nunmehr nur noch subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers verwies diesbezüglich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29.6.2012 (A 2 K 1958/12).
13 
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahren und des Verfahrens in der Hauptsache (A 7 K 2588/12) sowie die Akten des Antragsgegners zu 2 verwiesen. Der Antragsgegner zu 1 hat keine Akten vorgelegt.
II.
14 
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
15 
Der Antrag gegen den Antragsgegner zu 1 ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, nachdem das Bundesamt am 5.7.2012 einen Bescheid erlassen hat, mit welchem der Asylantrag des Antragsstellers als unzulässig zurückgewiesen und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet wurde, und dieser dem Antragsteller mit Schreiben des Antragsgegners zu 2 vom 30.7.2012 zugesandt wurde. Die am 6.8.2012 erhobene Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid hat kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Satz 1 VwGO).
16 
Der so verstandene Antrag gegen den Antragsgegner zu 1 ist zulässig und begründet.
17 
Der Antrag ist fristgerecht erhoben. Die Wochenfrist des § 36 AsylVfG findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung (vgl. ausführlich hierzu VG Gießen, B.v. 10.3.2011 - 1 L 468/11.GI.A -, zit. nach juris). Durch Klageerhebung am 6.8.2012 ist jedenfalls die Zweiwochenfrist (§ 74 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) eingehalten worden. Der Bescheid wurde dem Antragsteller mit Schreiben des Antragsgegners vom 30.7.3012 am 2.8.2012 zugestellt.
18 
Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht § 34 a Abs. 2 AsylVfG entgegen, wonach eine Abschiebungsanordnung in den Fällen des § 26 a AsylVfG und jenen des § 27 a AsylVfG nicht ausgesetzt werden darf.
19 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49) kann ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurückverbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat zwar grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Deswegen kommen für ihn entsprechend dem mit Art. 16 a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, nicht in Betracht. Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27 a AsylVfG geht.
20 
Die Bundesrepublik Deutschland hat allerdings dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden können. Ausnahmen sind nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts u.a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, und wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer den Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird.
21 
Den vom Bundesverfassungsgericht angeführten Sonderfällen liegt die Zielsetzung zugrunde, dem Asylsuchenden den gebotenen Schutz nicht durch die Rückführung in den Drittstaat zu versagen. Ob dies auf einzelfallbezogenen Erwägungen beruht oder auf den allgemeinen Bedingungen in dem jeweiligen Staat, ist insoweit nicht von maßgeblicher Bedeutung. Mit Blick auf die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen ist vorläufiger Rechtsschutz auf der Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG dann möglich, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG in dem Drittstaat europarechtlich zu gewährleistende Schutz tatsächlich nicht zumindest im Kern sichergestellt ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist und welche Folgen dies für das Asylbegehren des Betroffenen in Deutschland hat, gilt es im Hauptsacheverfahren zu klären.
22 
Ungarn ist als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gemäß § 26 a Abs. 2 AsylVfG ein sicherer Drittstaat und Art 16 a Abs. 2 GG geht grundsätzlich davon aus, dass als Mitgliedstaaten der Europäischen Union die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfüllen. Angesichts der aktuellen Auskunftslage bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass dies beim Aufnahmestaat Ungarn nicht zutrifft (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 29.6.2012 - A 2 K 1958/12 -, www.asyl.net; VG Magdeburg, B.v. 20.5.2012 - 5 B 1236/12 MD -, www.fluechtlingsrat-Isa.de/?= Ungarn; VG Trier, U.v.30.5.2012 - 5 K 967/11.TR -, juris). Es ist deshalb eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG geboten.
23 
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-492/10 -, juris, Rn. 80, 86). Danach gilt zunächst die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Ist dagegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber i.S. von Art. 4 der Grundrechtscharta implizieren, so wäre die Rücküberstellung von Asylbewerbern mit dieser Bestimmung unvereinbar.
24 
Nach den vorliegenden Erkenntnissen (UNHCR vom April 2012, Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn; UNHCR-Büro Wien vom 3.2.2012, Stellungnahme an den Asylgerichtshof zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn; Pro Asyl vom März 2012, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012; Ungarisches Helsinki-Komitee vom Dezember 2011, Zugang zu Schutz in Gefahr, Bericht über die Behandlung von Dublin-Rückkehrern in Ungarn; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE - vom 2.3.2012, BT-Drs. 17/8836) liegt in Bezug auf Ungarn mindestens ein schwerwiegender systemischer Mangel bezüglich der Durchführung des Asylverfahrens vor. Aus den genannten Auskünften ergibt sich, dass Asylsuchende, die aufgrund der Dublin-II-Verordnung rücküberstellt werden, für die ungarischen Behörden nicht automatisch als Asylsuchende gelten. Sie müssen nach ihrer Überstellung nach Ungarn erneut Asyl beantragen, auch wenn sie zuvor in einem anderen europäischen Staat um Schutz nachgesucht haben (UNHCR vom April 2012, a.a.O.). Auch Asylbewerber, die zuvor in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben, können ihr unterbrochenes Asylverfahren nicht fortsetzen (Pro Asyl vom Februar 2012, a.a.O.). Diese Anträge werden als Folgeanträge angesehen. Folgeanträge, bei denen kein neuer Sachvortrag vorliegt, werden bereits in der ersten Stufe der Prüfung im Asylverfahren abgelehnt mit der Folge, dass der Asylantrag inhaltlich nicht geprüft wird. Das Asylverfahren in Ungarn gliedert sich in zwei Verfahrensschritte. Im sog. Vorverfahren, das auch eine erste Anhörung beinhaltet, wird nach einer ersten Anhörung geprüft, ob der Asylantrag unzulässig, offensichtlich unbegründet oder aber aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nach der Dublin-II-Verordnung eingestellt wird. In der zweiten Stufe des Verfahrens erfolgt eine zweite detaillierte ausführlichere Anhörung durch die Asylbehörde, der dann eine Entscheidung folgt. Das bedeutet jedoch für diejenigen Asylbewerber, die bislang kein Verfahren in Ungarn durchgeführt haben oder deren Verfahren mangels Mitwirkung, da sie z.B. weitergereist sind, eingestellt wurde, dass ihr Asylbegehren nicht inhaltlich geprüft wird. Dies widerspricht jedoch Art. 16 Abs. 1 a) und b) der Dublin-II-Verordnung. Danach ist der für das Asylverfahren zuständige Mitgliedstaat nicht nur verpflichtet, Asylsuchende zurückzunehmen, sondern auch gehalten, die Prüfung des Asylantrags abzuschließen. Dies ist jedoch nach dem vorstehenden nicht gewährleistet. Zudem ist der antragstellenden Person der Verbleib im Land bis zu einer Entscheidung der zuständigen Behörde über ihren Antrag zu gestatten (Art. 7 der Asylverfahrensrichtlinie - RL 2005/85/EG) und sicherzustellen, dass sie ein Dokument erhält, das ihren Statur als asylsuchend bestätigt oder aus dem hervorgeht, dass sie zum Verbleib im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats berechtigt ist, solange ihr Asylverfahren anhängig ist bzw. ihr Antrag geprüft wird (Art. 6 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie - RL 2003/9/EG). Auch hier liegen Mängel vor.
25 
Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung inhaftiert werden. Denn es handelt sich häufig um Personen, die bereits in Ungarn erfolglos einen Asylantrag gestellt oder die sich illegal in Ungarn aufgehalten haben. Für beide Personenkreise gilt in der Regel, dass vollziehbare Ausreiseaufforderungen vorliegen. Dies bedeutet für den Fall von Überstellungen, dass die für den Vollzug der Ausweisung zuständigen Institutionen verpflichtet sind, zur Sicherstellung der Ausweisung Haft anzuordnen (Antwort der Bundesregierung vom 2.3.2012, a.a.O.). Hieran ändert sich auch nichts, wenn der rücküberstellte Asylbewerber aus der Haft einen Folgeantrag stellt. Dieser wird, wie oben gezeigt, als Folgeantrag gewertet. Die Stellung eines Folgeantrags hat jedoch keine aufschiebende Wirkung, selbst wenn dieser beachtlich sein sollte. Daher spricht viel dafür, dass Ungarn jedenfalls teilweise auch Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG nicht beachtet, wonach Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil sie ein Asylbewerber ist.
26 
Darüber hinaus dürfte die Behandlung der Asylbewerber in Haft weder im Einklang mit den vom EGMR in der Rechtssache S. gegen Vereinigtes Königreich (U.v. 29.1.2008 - 13229/03 -, juris) formulierten Standards noch mit dem Erwägungsgrund 9 der EU-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) stehen, da sie der von mutmaßlichen Straftätern gleichkommt. Ausweislich des Berichts des UNHCR vom April 2012 wird in dauerhaft bestehenden Hafteinrichtungen ein strenges Gefängnisregime angewendet, selbst wenn die Insassen nur die kleineren Vergehen der irregulären Einreise oder des irregulären Aufenthalts begangen haben. Asylbewerber werden bei der Vorführung vor Gericht oder bei Erledigungen außerhalb der Einrichtungen - etwa zur Bank oder zum Postamt - mit Handschellen gefesselt. Zudem werden sie an Leinen geführt, die normalerweise für Angeklagte in Strafverfahren verwendet werden. Der EGMR hat indessen in seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, dass Haftort und Haftbedingungen angemessen und von der Überlegung geleitet sein sollten, dass die Maßnahme nicht auf Straftäter sondern auf Ausländer angewendet wird, die oft aus Angst um ihr Leben aus ihrem eigenen Land geflüchtet sind. Nach dem Erwägungsgrund 9 der Rückführungsrichtlinie sollten Drittstaatsangehörige, die in einem Mitgliedstaat Asyl beantragt haben, so lange nicht als illegal im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhältige Person gelten, bis eine abschlägige Entscheidung über den Antrag oder eine Entscheidung, mit der sein Aufenthaltsrecht als Asylbewerber beendet wird, bestandskräftig geworden ist.
27 
Des Weiteren haben UNHCR (Bericht vom April 2012) und Pro Asyl (Bericht vom März 2012) die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Ungarn als nicht dem internationalen und EU-Standard entsprechend kritisiert.
28 
Nach dieser Sachlage würde dem Antragsteller bei einer Rücküberstellung nach Ungarn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Inhaftierung drohen und es besteht die konkrete Gefahr, dass sein Asylbegehren aufgrund der aufgezeigten Verfahrensweise inhaltlich nicht geprüft wird und er in seinen Heimatstaat bzw. in ein anderes zur Aufnahme bereites Land abgeschoben wird. Daher bestehen hier hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG in einem Drittstaat europarechtlich zu gewährleistende Schutz tatsächlich nicht zumindest im Kern sichergestellt ist, so dass vorliegend die Ausschlusswirkung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG nach verfassungskonformer Auslegung nicht greift.
29 
Nach alldem ist der Antrag gegen den Antragsgegner zu 1 auch begründet. Denn es bestehen nach dem oben Ausgeführten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als unzulässig gemäß § 27 a AsylVfG und der Anordnung der Abschiebung nach Italien.
30 
Daher fällt auch die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus. Abzuwägen sind das private Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs und das gesetzlich vermutete besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Das Gewicht dieser gegenläufigen Interessen wird vor allem durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, aber auch durch die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits bestimmt. Bei der Abwägung auf Grund summarischer Erfolgsprüfung gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass das Suspensivinteresse umso größeres Gewicht hat, je mehr der Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hat, und dass umgekehrt das Vollzugsinteresse umso mehr Gewicht hat, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.1992, DÖV 1993, S. 432; s.a. VGH BW, B.v. 13.3.1997, VBlBW 1997, S. 390).
31 
Die Nachteile für den Antragsteller, der im Falle einer Abschiebung in Ungarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Unterkunft erhalten würde und Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamts nicht mehr erreichen könnte, wiegen schwerer als diejenigen, die durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und damit die Aussetzung der Abschiebung entstehen.
32 
Der Antrag gegen den Antragsgegner zu 2 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 -, juris) hat das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG auch zu prüfen, ob Abschiebungshindernisse bzw. -verbote oder Duldungsgründe vorliegen. Anders als bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG im Zusammenhang mit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung ist es nicht auf die Prüfung von sog. „zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten“, hier also solchen bezüglich Ungarns, beschränkt. § 34 a AsylVfG bestimmt ausdrücklich, dass das Bundesamt die Abschiebung anordnet, „sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“. Das Bundesamt hat danach auch zu prüfen, ob die Abschiebung in den Drittstaat aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden Gründen rechtlich oder tatsächlich möglich ist. Es hat demnach die umfassende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz bezüglich der Zulässigkeit der Abschiebung nach Ungarn; eine Prüfung von Abschiebungshindernissen durch die Ausländerbehörde scheidet aus. Dies hat zur Folge, dass der Antragsgegner zu 2 nicht passivlegitimiert ist.
33 
Soweit der Prozessbevollmächtigte mit Fax vom 14.8.2012 mitteilt, dass der Asylantrag zurückgenommen wurde, lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die entsprechenden Nachweise hierfür nicht vor. Das Gericht war daher nicht veranlasst zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Rücknahme des Asylantrags zur Folge hat, dass die Bundesrepublik Deutschland zur Prüfung des subsidiären Schutzanspruchs gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zuständig ist (vgl. hierzu VG Sigmaringen, B.v. 29.6.2012 - A 2 K 1958/12 -, a.a.O., m.w.N.).
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.
35 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Tenor

Die Anträge des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Oktober 2012 und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren werden abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner unter dem Aktenzeichen 5 K 50/13.TR geführten Klage gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Oktober 2012 enthaltene Abschiebungsanordnung nach Ungarn anzuordnen, ist nicht statthaft, denn gemäß § 34 a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – darf die auf Abs. 1 der Bestimmung gestützte Abschiebung nicht ausgesetzt werden. Diese Verfahrenskonstellation ist vorliegend gegeben.

2

Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, dass ihm in Ungarn kein hinreichender Rechtsschutz gewährt werde und deshalb ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteile vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -) vorliege, in dem ihm trotz der gesetzlichen Vorgaben Rechtsschutz in Deutschland gewährt werden müsse, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen.

3

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO prüfen die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt ist. Wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedsstaates illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig (Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO). Abweichend von Art. 3 Abs. 1 kann jeder Mitgliedsstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den auf dieser Verordnung festgestellten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO).

4

Der Antragsteller hat allerdings keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO glaubhaft gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit die Selbsteintrittskompetenz eines EU-Mitgliedsstaates nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO überhaupt ein subjektives Recht eines Asylbewerbers zu begründen vermag oder ob es sich dabei um ein bloßes Recht des einzelnen Unterzeichnerstaates des Dubliner Übereinkommens im Verhältnis zu den anderen Unterzeichnerstaaten handelt, denn jedenfalls sind Gründe, die die Antragsgegnerin verpflichten könnten, im Falle des Antragstellers von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, im vorliegenden Fall nicht glaubhaft gemacht.

5

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011 (C 411/10 und C 493/10 - juris) „muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (RdNr. 80). Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde (RdNrn. 81, 82). Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (RdNr. 86).“

6

Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, dass angesichts der Verhältnisse in Ungarn eine Überstellung dorthin nicht zulässig sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen.

7

Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 20. September 2011 (Beschwerde-Nr. 10816/10, http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/viewhbkm.asp?sessionId=78728660&skin=hudoc-en&action=html&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649&key=92442&highlight=lokpo) entschieden, dass Ungarn durch eine mehrmonatige Inhaftierung zweier Asylbewerber gegen Art. 5 Abs. 1, Buchstabe f der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen hat, wonach jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit hat und „die Freiheit nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf bei rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist“. Auch hat der Leiter des österreichischen Büros des UNHCR in einer Stellungnahme vom 3. Februar 2012 an den österreichischen Asylgerichtshof ausgeführt, dass Asylsuchende, die – wie der Antragsteller – aufgrund der Dublin II-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt werden, unmittelbar nach ihrer Überstellung nach Ungarn regelmäßig eine Abschiebungsverfügung erhalten und darauf basierend in der Regel inhaftiert werden (vgl. http://www.ecoi.net/file_upload/90_1328611178_unhcr-2012-02-03-coi-hu-update.pdf; s. auch österreichischer Asylgerichtshof, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - S4 422020-1/2011 -, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=AsylGH&Dokumentnummer=ASYLGHT_20111027_S4_422_020_1_2011_00), so dass fraglich erscheint, ob Ungarn in der Vergangenheit Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG beachtet hat, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist.

8

Indessen ist weiter zu berücksichtigten, dass der UNHCR in seinem Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn vom 24. April 2012 (vgl. http://www.unhcr.de/home/artikel/fb7213ec516ae34a4677150a85e35ed3/bericht-zur-situation-von-asylsuchenden-in-ungarn.html) unter Darlegung von Einzelheiten zwar von Besorgnis erregenden Entwicklungen spricht und Verbesserungen als dringend erforderlich ansieht. Allerdings begrüßt der UNHCR in diesem Bericht abschließend die Schritte Ungarns zur Verbesserung der Situation.

9

In einem weiteren Bericht vom Dezember 2012 (vgl. http://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/refworld/rwmain?page=search&docid=50d1d13e2&skip=0&query=note) führt der UNHCR dann aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet hat, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert werden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. Dublin-Rückkehrer werden nicht inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen.

10

Ausgehend von dieser abschließenden Äußerung des UNHCR vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass nach Ungarn überstellte Asylbewerber dort stets kein ordnungsgemäßes Verfahren zu erwarten haben, zumal in letzter Zeit – soweit ersichtlich – weder in der Presse noch in sonstigen Quellen über neuerliche Missstände in Bezug auf die Durchführung von Asylverfahren in Ungarn berichtet wurde.

11

Soweit die Kammer in einem Einzelfall aufgrund der dort gegebenen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Asylbewerbers (vgl. rechtskräftiger Urteil der Kammer vom 30. Mai 2012 - 5 K 967/11.TR –) die Auffassung vertreten hat, dass eine Überstellung nach Ungarn nicht zulässig ist, kann der Antragsteller hieraus keine Rechte herleiten, da bei ihm nichts dafür ersichtlich ist, dass bei ihm ein derartiger Sonderfall vorliegen könnte (vgl. zu Sonderfällen auch eine Entscheidung des österreichischen Asylgerichtshofs vom 13. Januar 2012 – S21 432260-1/2011 – und ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Schweiz vom 18. Mai 2012 – D-6664/2011 -, http://www.bvger.ch/publiws/pub/search.jsf unter der dortigen Nr. 5.3 auf Seite 13 ff.).

12

Von daher sieht die Kammer keine Veranlassung, die Auffassung des Antragstellers zu teilen, dass bei ihm eine Überstellung nach Ungarn unzumutbar wäre und ihm deshalb vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden müsse.

13

Demnach kann der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen Erfolg haben, so dass dem Antragsteller für das vorliegende Verfahren auch keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, weil es an der nach §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO für eine Prozesskostenhilfebewilligung erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht des Begehrens fehlt.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

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Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste von Serbien nach Ungarn ein und stellte dort am 17. November 2011 einen Asylfolgeantrag. Nachdem er zunächst in Abschiebehaft genommen worden war, wurde er ab Dezember 2011 in einer offenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Der Asylantrag wurde nach Durchführung einer persönlichen Anhörung des Klägers am 16. Dezember 2011 abgelehnt, da er über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Der Kläger verließ daraufhin die Aufnahmeeinrichtung und reiste am 2. Januar 2012 über Österreich nach Deutschland. Nachdem die Beklagte am 9. Januar 2012 ein entsprechendes Übernahmeersuchen gestellt hatte, erklärte die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom 16. Januar 2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers. Dieser stellte dann am 30. Januar 2012 in Deutschland einen Asylantrag.

2

Mit Bescheid vom 19. April 2012 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts seien nicht ersichtlich. Mit Beschluss vom 30. Mai 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung, Maßnahmen zu unterlassen, welche eine Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ermöglichen sollten (- 5 B 136/12 MD -).

3

Der Kläger hat am 6. Juli 2012 beim Verwaltungsgericht Magdeburg zunächst im Wege einer Untätigkeitsklage eine Verpflichtungsklage erhoben und mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 die Klage auf eine Anfechtungsklage umgestellt.

4

Mit Urteil vom 6. August 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung auszuüben, auch wenn der Kläger nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen zähle. Das Gericht erkenne im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erhebliche systemische Mängel von Asylverfahren in Ungarn, speziell in Bezug auf die Behandlung von "Dublin-Rückkehrern". Zwar stünde das ungarische Asylrecht im Allgemeinen mit den internationalen und europäischen Standards in Einklang und enthalte die wichtigsten Garantien. Jedoch gäbe es in der Anwendungspraxis schwerwiegende Mängel. Dies ergebe sich aus einem Bericht des UNHCR zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn ("Ungarn als Asylland") von April 2012 sowie einer Veröffentlichung von Pro Asyl mit dem Titel "Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012". Der Kläger stünde danach in Gefahr, bei einer Abschiebung nach Ungarn einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

5

Auf den Antrag der Beklagten hat der beschließende Senat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.

6

Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und trägt vor, das ungarische Ausländergesetz und das ungarische Asylgesetz seien mit Wirkung vom 1. Januar 2013 novelliert worden, entsprechende Änderungen des Verfahrens habe es schon seit Juni 2012 gegeben. Die Gefahr, dass Dublin-Rückkehrern auf Grund unzureichender Aufnahmebedingungen und nicht ausreichendem Schutzzugang für Asylsuchende im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn eine erniedrigende Behandlung drohe, könne damit nicht (mehr) festgestellt werden. Insoweit verweise er auf Berichte eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der seit Januar 2012 als Liasonmitarbeiter in der Asyldirektion des Ungarischen Amtes für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt sei. Nach Auskünften der zuständigen Mitarbeiter in der Ungarischen Asyldirektion würde der Kläger automatisch als Asylfolgeantragsteller behandelt, ohne dass es einer förmlichen zweiten Antragstellung bedürfe. In dem durchzuführenden Asylfolgeverfahren würden sämtliche individuellen Fluchtgründe berücksichtigt, ohne dass auf die Einreise aus Serbien abgestellt werde. Ein Ausweisungsverfahren würde nicht eingeleitet werden und der Kläger zunächst ein auf ein Jahr beschränktes temporäres Aufenthaltsrecht erhalten. Während des Verfahrens würde er einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden.

7

Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

11

Er macht geltend, es bestünde die Gefahr seiner Inhaftierung und verweist auf eine auf ihn zugeschnittene Stellungnahme des ungarischen Helsinki-Kommitees vom 8. April 2013, eine Stellungnahme des UNHCR zu einem aktuellen ungarischen Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Migrationsrechts vom 12. April 2013 sowie auf die Ausführungen in dem Bericht von Pro Asyl zu dem Haftregime in Ungarn. Am 1. Juli 2013 solle eine neue Gesetzgebung in Ungarn in Kraft treten, welche die Inhaftierung von Asylbewerbern für maximal sechs Monate vorsehe und auch auf laufende Fälle Anwendung finden solle. Möglicherweise werde ihm nach geplanten Regelungen dieser Gesetzgebung vorgehalten, dass er sich im Dezember 2011 nach Ablehnung seines Asylantrages aus der Aufnahmeeinrichtung abgesetzt habe. Der UNHCR führe in seinem Bericht aus, dass er mit Besorgnis registriert habe, dass die Novellierung der EU-Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen zuerst im Hinblick auf die Bestimmungen zur Inhaftierung von Asylbewerbern umgesetzt würden. Nach dem Bericht seien die Inhaftierungsgründe auch viel zu unbestimmt und es bestünde der Verdacht, dass das vorrangige Ziel der Gesetzesänderung die Verringerung der Zahl der Asylanträge sei. Ein weiterer Grund für Besorgnis sei, dass Asylbewerber nach den neuen Bestimmungen bezüglich ihrer Inhaftierung schärferen gesetzlichen Bedingungen als Personen in Migrationshaft ausgesetzt seien, die kein Asyl beantragt hätten. Schließlich werde große Besorgnis im Hinblick auf die Effizienz der gerichtlichen Kontrolle in Ungarn bezüglich der Verhängung und Verlängerung von Abschiebungshaft zum Ausdruck gebracht. Weiterhin sei auch zu beachten, dass ihm nach dem Bericht von Pro Asyl bei Erlangung eines Schutzstatus längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem drohe. Die entsprechenden Ausführungen stünden in Einklang mit denjenigen des UNHCR in seinem Bericht von April 2012.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

13

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

14

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes des Klägers vom 10. Mai 2013 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Eine solche erhebliche Änderung der Sachvortrags lag nicht vor.

15

Die Anfechtungsklage des Klägers ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

16

Der Asylantrag des Klägers ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig. Ungarn ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Abl Nr. L 50 S. 1) Dublin-II-VO - in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl Nr. L 222 S. 3) der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.

17

Die Verpflichtung Ungarns ist unstreitig weder nach den einschlägigen Regelungen der Dublin-II-VO erloschen noch hat nach diesen Regelungen ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte oder einen anderen Staat stattgefunden.

18

Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zuständig.

19

Danach kann abweichend von Absatz 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen (Satz 2). Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat zu der Reduzierung des in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO enthaltenen Ermessensspielraums entschieden, dass zwar die Vermutung gelte, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass eine ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar sei. Nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat oder jeder Verstoß gegen einzelne Bestimmungen der einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien berühre die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten. Wenn dagegen dem Mitgliedstaat einschließlich der nationalen Gerichte nicht unbekannt sein könne, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden, obliege es ihnen, keine Überstellung vorzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, sei in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne (so EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, zit. nach JURIS, Rdnr. 80 ff.).

20

Es ist aber nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asyl(folge)verfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 22. April 2013 - Au 6 S 13.30099 -; VG Regensburg, Urt. v. 8. Februar 2013 - RO 4 K 11.30204 -; VG Potsdam, Beschl. v. 26. Februar 2013 - 6 L 50/13.A -; VG Trier, Beschl. v. 15. Januar 2013 - 5 L 51/13.Tr -, jeweils zit. nach JURIS).

21

Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Mängel in der Anwendung des einschlägigen ungarischen Asyl- und Ausländerrechts, insbesondere hinsichtlich der Behandlung sog. Dublin-Rückkehrer, sind durch die im November 2012 erfolgte Verabschiedung umfangreicher Gesetzesänderungen in hinreichender Weise abgestellt worden. Der Senat folgt insoweit den detaillierten Angaben des Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der als Liaisonmitarbeiter beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt ist, und denen der Kläger nicht widersprochen hat. Auch in einem Bericht vom Dezember 2012 führt der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen - UNHCR - aus, dass Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert werden und die Möglichkeit erhielten, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Soweit das VG Hannover in einem Beschluss vom 18. März 2013 (- 1 B 2448/13 -) eine abweichende Einschätzung vorgenommen hat, verwies das Gericht unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des VG Ansbach vom 7. Januar 2013 (- AN 11 E 13.30006 -) lediglich darauf, es handele sich bei den Gesetzesänderungen nach einem Bericht des UNHCR von April 2012 um einen Regelungsentwurf und damit sei erst recht noch keine Änderung in der Praxis eingetreten. Diese Einschätzung, der auch das Verwaltungsgericht (Beschl. v. 11. April 2013 - 9 B 140/13 -, zit. nach JURIS) folgt, ist inzwischen überholt.

22

Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung.

23

Ohne Erfolg macht er geltend, ab 1. Juli 2013 in Ungarn geltende Bestimmungen führten möglicherweise zu seiner Inhaftierung für bis zu sechs Monaten. Abgesehen davon, dass diese Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten sind und nicht hinreichend feststeht ist, ob sie auf den Kläger überhaupt anwendbar sind, ist schon nach den insoweit maßgebenden Kriterien zum Ausmaß der Beeinträchtigungen von Grundrechten der Asylbewerber (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 81, 87 89; Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, zit. nach JURIS, Rdnr. 113 sowie in dem Verfahren C-4/11, zit. nach CURIA, Rdnr. 61; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408) und dem dazu zu fordernden Umfang der Erkennbarkeit (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 89, 106; Schlussanträge in dem Verfahren C4/11, zit. nach EU-CURIA, Rdnr. 61) weder dargelegt noch sonst hinreichend ersichtlich, dass die geplanten Regelungen zu systemischen Mängeln i.S.d. Rechtsprechung des EuGH führen. Weder in der vom Kläger übermittelten Stellungnahme des Helsinki-Komitees noch in dem von ihm angeführten Bericht des UNHCR von April 2013 wird geltend gemacht, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern nach den geplanten Regelungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Auch wurde nicht behauptet, dass es sich dabei um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in dem Bericht des UNHCR gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle. Hinreichende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass der UNHCR hinsichtlich der Unbestimmtheit der Regelungen, der Effizienz der gerichtlichen Kontrolle und der Vergleichbarkeit mit Personen in Migrationshaft, die kein Asyl beantragt hätten, (große) Besorgnis zum Ausdruck bringt. Dass Haftbedingungen bestehen, welche die auf Grund der geplanten Regelungen inhaftierte Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen (vgl. auch EGMR, Urt. v. 21. Januar 2011 30696/0 -, NVwZ 2011, 413, 414), ist ebenfalls weder dargelegt noch sonst ersichtlich, insbesondere nicht in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet gerade nicht mehr statt.

24

Soweit der Kläger darauf verweist, es drohten "bei Erlangung eines Schutzstatus in Ungarn längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem", ergibt sich schon aus den von ihm angeführten Stellungnahmen des UNHCR und von Pro Asyl nicht, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass Asylbewerber in Ungarn insoweit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (vgl. auch EGMR, Entscheidung v. 2. April 2013 - 27725/10 -, zit. nach HUDOC zu Italien) ausgesetzt sind.

25

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit seinen Einwendungen geltend machen will, ihm selbst drohe bei einer Überstellung nach Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und eine solche Einzelfallbetrachtung im Rahmen der Prüfung eines Selbsteintritts gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-VO für notwendig erachtet (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, a.a.O., Rdnr. 112; Marx, NVwZ 2011, 409, 411 ff.; vgl. auch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der vom EuGH dargelegten Bedeutung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des diesem zugrunde liegenden Vertrauensgrundsatzes (vgl. Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 75, 83 ff.) müsste eine solche Einzelfallbetrachtung denselben Prüfungsmaßstäben genügen wie der Nachweis systemischer Mängel. Nach den oben getroffenen Feststellungen ist aber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auch im (Einzel)Fall des Klägers weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich.

26

Offen bleiben kann danach, welche subjektiven Ansprüche der Kläger überhaupt aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO herleiten kann (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-4/11, a.a.O.. Rdnr. 72 ff.).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.