Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Juli 2014 - 23 S 14.50305
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge senegalesischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit der Wolof, der über Belgien, wo er seit drei Jahren gelebt und mehrfach erfolglos Asylantrag gestellt hatte, in die Bundesrepublik Deutschland gelangte und am 11. März 2014 Asylantrag stellte.
Nach Feststellung eines entsprechenden EURODAC-Ergebnisses erklärte auf Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 29. April 2014 die zuständige belgische Behörde mit Schreiben vom 5. Mai 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags, nachdem der Antragsteller dort erstmals im August 2010 Asylantrag gestellt hatte.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Mai 2014 erklärte die Antragsgegnerin den Asylantrag für unzulässig (Nr. 1). Die Abschiebung nach Belgien wurde angeordnet (Nr. 2).
Durch Schriftsatz vom 28. Mai 2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 30. Mai 2014, erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hiergegen Klage (M 23 K 14.50304) und beantragte für das vorliegende Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine Begründung erfolgte nicht.
Durch Schriftsatz vom 9. Juli 2014 wurde ein ärztliches Attest des Dr. ... vom ... Juli 2014 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg.
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Das Gericht bezweifelt die Zuständigkeit Belgiens für die Prüfung des Asylantrags nicht, nachdem der Antragsteller dort - wie selbst eingeräumt - mehrfach erfolglos Asylantrag gestellt hatte. Belgien ist als Mitgliedsstaat der Europäischen Union kraft Gesetzes sicherer Drittstaat und haben die belgischen Behörden ihre Zuständigkeit anerkannt (Art. 18 ff. VO (EU) Nr. 604/2013 - „Dublin-III“).
Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2011 (C-411/10
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. -juris) muss es sich aufdrängen, dass der betreffende Ausländer von einem der dort im Einzelnen bezeichneten und vom normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen ist.
Gemessen hieran ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Belgien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. im Sinne Art. 3 EMRK zu unterfallen. Es liegen dem erkennenden Gericht keinerlei Erkenntnismittel vor, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Belgien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im oben genannten Sinne bestehen (vgl. auch: VG Göttingen
Gründe dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO die Prüfung des Asylantrags im Wege des Selbsteintrittsrechtes übernehmen müsste und das Ermessen insoweit auf Null reduziert sein könnte, sind nicht ersichtlich, insbesondere sind die von Antragseite vorgetragenen und ärztlich dokumentierten Erkrankungen des Antragstellers - wie teilweise bereits geschehen - ohne Weiteres in Belgien behandelbar.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Juli 2014 - 23 S 14.50305
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Juli 2014 - 23 S 14.50305 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. aus L. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 20. November 2013 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 8898/13.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Oktober 2013 anzuordnen,
4zu deren Entscheidung der Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 VwGO hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 25. Oktober 2013 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Dabei ist die Bekanntgabe vorliegend allerdings noch nicht durch die mit Schreiben vom 4. November 2013 erfolgte Übersendung des Bescheides an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bewirkt worden. Denn der Prozessbevollmächtigte war insoweit kein Empfangsberechtigter des Antragstellers im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Wird ein Asylantrag – wie vorliegend – nur nach § 27a AsylVfG abgelehnt, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AslVfG die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylVfG dem Ausländer persönlich zuzustellen und kommt mithin eine Empfangsvertretung durch den Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem nach § 31 Abs. 1 Satz 6 AsylVfG auch lediglich ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden. Dieser Mangel der förmlichen Zustellung wurde aber vorliegend durch die erneute Bekanntgabe des Bescheides - dieses mal an den Antragsteller persönlich - geheilt. Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Postzustellungsurkunde vom 19. Dezember 2013 hat eine erneute Zustellung des Bescheides an den Antragsteller persönlich stattgefunden. Zwar konnte dem Antragsteller das Dokument nicht persönlich übergeben werden. Auf der Postzustellungsurkunde ist insoweit „Empfänger unbekannt verzogen“ vermerkt. Gleichwohl muss der Antragsteller diesen Zustellungsversuch gegen sich gelten lassen. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylVfG hat der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen u. a. des Bundesamtes stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen. Dies hat der Antragsteller unterlassen. Entsprechend seiner Anschriftangabe in der Antragsschrift und wie mit Schriftsatz vom 3. Januar 2014 ausdrücklich dem Gericht mitgeteilt, wohnt er nunmehr bei seiner Ehefrau in F. , wobei er seinen Aufenthalt mit dem Zusatz „c/o T1. G. “ angibt. Diesen Anschriftwechsel hat er aber entgegen § 10 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG nicht dem Bundesamt mitgeteilt. Insbesondere ist eine solche Mitteilung nicht in dem Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Oktober 2013 zu erblicken. In diesem ist zwar die Anschrift der Ehefrau des Antragstellers genannt; allerdings weist der Antragsteller nicht darauf hin, dass diese Anschrift nunmehr auch die Seine sei. Vielmehr beantragt er lediglich die Umverteilung dorthin. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylVfG muss der Kläger Zustellungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle - hier dem Bundesamt - auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Die Voraussetzungen dieser Zustellungsfiktion sind erfüllt. Denn der Kläger hat zwar mit Rechtsanwalt T. einen Bevollmächtigten bestellt. Diesem konnte jedoch wie bereits ausgeführt der Bescheid nicht mit Wirkung für den Antragsteller zugestellt werden.
7Nach diesen Maßgaben gilt der Bescheid des Bundesamtes vom 25. Oktober 2013 als dem Antragsteller (erst) am 19. Dezember 2013 bekanntgegeben. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt liegt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den bereits zuvor gestellten Antrag vor.
8Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
9Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
10vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
11Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12Das Bundesamt hat den erneuten Asylantrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Dabei hat es sich zu Recht darauf berufen, dass ein früherer Asylantrag bereits nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt worden und der Kläger daraufhin in den zuständigen Staat Belgien überstellt worden ist; Wiederaufgreifensgründe im Sinne von §§ 71 Abs. 1 AsylVfG; 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG bestünden nicht. Dies ist im Ergebnis richtig.
13Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Abschiebung nach Belgien in zeitlicher Hinsicht noch zulässig ist. Bereits aufgrund des ersten in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags ist eine Überstellung an den nach § 27a AsylVfG i. V. m. der Verordung 343/2003/EG (Dublin II-VO) zuständigen Staat Belgien erfolgt. Belgien hat sich sodann mit Schreiben vom 9. Juli 2013 aufgrund der Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO für zuständig und zur Übernahme des Antragstellers bereit erklärt, nachdem der Antragsteller Belgien nach erster Überstellung dorthin wieder verlassen und in der Bundesrepublik Deutschland erneut eines Asylantrag gestellt hat. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO, der inhaltlich Art. 29 Abs. 1 UAbs.1 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) entspricht, ist Belgien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Da der von dem Antragsteller erhobene Rechtsbehelf gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG aufschiebende Wirkung hat, ist diese Frist noch nicht abgelaufen.
14Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens durch die Antragsgegnerin besteht aber der Sache nach nicht. Dabei kann die Frage offen bleiben, ob ein Wiederaufgreifen gemäß §§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG; 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG auch in den Fällen erfolgen kann, in denen das Bundesamt den ersten Asylantrag nicht der Sache nach beschieden, sondern nur gemäß der Regelung des § 27a AsylVfG i. V. m. der Dublin II-VO den Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung in den für die Prüfung des Asylbegehrens zuständigen Staat angeordnet hat. Denn jedenfalls liegt kein Wiederaufgreifensgrund vor. Der Antragsteller ist insoweit der Auffassung, dass aufgrund der am 27. September 2013 zwischen ihm und Frau T1. G. aus F. in Dänemark geschlossenen Ehe die Antragsgegnerin verpflichtet sei, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen und seinen Asylantrag zu prüfen. Er beruft sich hierzu auf die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 1 und 8 EMRK.
15Dieser Argumentation folgt das Gericht nicht. Zu Recht geht der Antragsteller allerdings davon aus, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und damit auch die Frage der Anwendung des sog. Selbsteintrittsrechts nach den Regelungen der Dublin II-VO erfolgt. Dem steht nicht entgegen, dass die Dublin-II-VO durch Artikel 48 Satz 1 Dublin-III-Verordnung, mit deren Inkrafttreten am 19. Juli 2013 aufgehoben worden ist. Gemäß Artikel 49 Satz 3 Dublin III-VO erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für solche Anträge auf internationalen Schutz, die vor dem 1. Januar 2014 eingereicht wurden, weiterhin nach den Kriterien der außer Kraft getretenen Dublin II-VO.
16Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das der Antragsgegnerin durch Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO eingeräumte Ermessen, auch dann einen Asylantrag zu prüfen, wenn hierfür an sich ein anderer Staat zuständig ist, nicht derart reduziert, dass allein eine Asylantragsprüfung durch die Antragsgegnerin in Betracht kommt. Zwar stehen Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Deswegen ist der Staat auch verpflichtet, bei Entscheidungen über Aufenthaltsbegehren die ehelichen Bindungen eines Ausländers an den deutschen Ehepartner, der sich im Bundesgebiet aufhält, in angemessener Weise zu berücksichtigen. Das beinhaltet aber nicht einen unbedingten Anspruch eines ausländischen Ehegatten, bei seinem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden deutschen Ehegatten Aufenthalt zu nehmen. Vielmehr ist das Schutzgebot für Ehe und Familie lediglich in verhältnismäßiger Weise mit öffentlichen Interessen abzuwägen.
17Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 -, InfAuslR 2008, 239 = juris Rn. 6; Badura, in: Maunz/Dürig, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 6 Rn. 63.
18Insoweit ist mit Blick auf das vom Antragsteller geltend gemachte Asylbegehren zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu beteiligen, dass eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht.
19Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 = juris Rn. 153; Dublin III-VO, Erwägungsgründe 2 ff.
20Kommt es einem Ausländer darauf an, jedenfalls ein Asylverfahren zu durchlaufen und beschränkt er angesichts seiner ehelichen Bindungen sein Begehren nicht darauf, ggf. durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen ein Zusammenleben mit seinem Ehepartner zu ermöglichen, so muss er hierbei angesichts des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchgeführt wird. Dies ist jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn die Trennung vom Ehegatten nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend ist.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 -, InfAuslR 2008, 239 = juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 12.12 -, BVerwGE 144, 141 = juris Rn. 27.
22Davon ist bei der Durchführung des Asylverfahrens in Belgien auszugehen. Im Falle des Antragstellers kommt hinzu, dass die Durchführung des Asylverfahrens in Belgien auch deswegen nicht unzumutbar erscheint, weil eine ausreichende geographische Nähe zur Stadt F. besteht, wo die Ehefrau des Antragstellers lebt und wo er sich angesichts mehrerer in der Ausländerakte befindlichen polizeilichen Dokumente (Strafanzeigen etc.) offenbar auch sonst in der Vergangenheit bevorzugt aufgehalten hat. Dies sollte hinreichende Kontakte zu seiner Ehefrau ermöglichen. Aus der Gesamtschau der insoweit aufgezeigten Aspekte ergibt sich jedenfalls nicht, dass das Ermessen der Antragsgegnerin im Sinne der vom Antragsteller erstrebten Entscheidung auf Null reduziert wäre.
23Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Nach dieser Vorschrift hat jede Person das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Unstreitig unterfällt dem Begriff des Familienlebens auch die eheliche Lebensgemeinschaft. Allerdings kennt auch diese Vorschrift keinen unbedingten Anspruch, den gemeinsamen Wohnsitz nach Wahl der Eheleute an einem bestimmten Ort zu nehmen.
24Vgl. EGMR, Entscheidung vom 7. Oktober 2004 - 33743/03 -, NVwZ 2005, 1043; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2011, Art. 8 Rn. 64, 68.
25Allenfalls wenn Eheleute gezwungen würden, über Jahre an verschiedenen Orten zu leben, könnte eine Verletzung des Art. 8 Abs. 1 EMRK gegeben sein.
26Vgl. EGMR, Entscheidung vom 29. Juli 2010 - 24404/05 -, Rn. 61 ff.
27Hierfür ist nichts ersichtlich. Einerseits ist mit einem zügigen Abschluss des Asylverfahrens in Belgien zu rechnen. Etwaige Verzögerungen seit der ersten Überstellung an Belgien hat sich der Antragsteller zudem aufgrund seiner vorzeitigen Ausreise aus Belgien selbst zuzuschreiben. Andererseits genießt die Ehefrau des Antragstellers innerhalb der Europäischen Union Freizügigkeit.
28Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht nach den obigen Ausführungen kein innerstaatliches Abschiebungshindernis.
29Ebenso ist der weiter gestellte Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, da jedenfalls die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I. aus L. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 27. Januar 2014 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 471/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Januar 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 15. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde am 18. Januar 2014, einem Samstag, gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Die einwöchige Antragsfrist begann mithin am 19. Januar 2014 und endete, da das Fristende vorliegend auf Samstag, den 25. Januar 2014 fiel, gemäß § 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO erst am nächsten Werktag, also am Montag, den 27. Januar 2014. Der Kläger hat am 27. Januar 2014 und mithin fristgerecht den vorliegenden Antrag gestellt.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f.; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -, juris.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Belgiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Die angegriffene Entscheidung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere hat das Bundesamt den Sachverhalt in einer dem § 24 AsylVfG genügenden Weise aufgeklärt und den Antragsteller in einer dem § 25 AsylVfG genügenden Weise angehört. Allerdings unterliegt das Bundesamt in Verfahren, in denen es die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates zu dessen Prüfung annimmt (§ 27a AsylVfG), nur einer beschränkten Anhörungspflicht. Es ist nur verpflichtet, die in § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AsylVfG beschriebenen Umstände zu ermitteln bzw. zu ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Kenntnis dieser Umstände kann das Bundesamt bereits die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedstaat bzw. die ggf. zu unterbleibende Abschiebung dorthin treffen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Angaben zu Wohnsitzen, Reisewegen, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten sowie zu sonstigen Tatsachen und Umständen, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat – hier der nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO) zur Prüfung des Asylantrags zuständige Staat – entgegen stehen. Hingegen bedarf es in diesem Verfahrensstadium nicht der Kenntnis der von § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG genannten Tatsachen, die die Furcht des Asylbewerbers vor politischer Verfolgung begründen. Die nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO durchzuführende Prüfung des Asylantrags umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe c Dublin II-VO auch die Prüfung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sodass diesbezüglich relevante Umstände erst von dem nach der Dublin II-VO zuständigen Staat zu prüfen sind.
13Vor diesem Hintergrund hatte der Antragsteller im Rahmen der am 21. August 2013 durchgeführten Anhörung ausreichend Gelegenheit, auf alle maßgeblichen Umstände hinzuweisen. Dies entspricht zunächst seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 25 Abs. 2 AsylVfG. Zudem wurde er bei der Anhörung ausdrücklich nach Visa, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten sowie danach gefragt, ob Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung in ein anderes europäisches Land und eine dortige Prüfung des Asylantrags bestehen.
14Die angegriffene Entscheidung ist auch materiell rechtmäßig. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
15vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A -, juris Rn. 13 = NRWE.
16Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Der Antragsteller hat nach seinen eigenen Angaben, die er in der Anhörung beim Bundesamt am 21. August 2013 gemacht hat, sowie ausweislich der Abfrage in der Eurodac-Datenbank, am 5. Juli 2010 und 7. Mai 2012 in Belgien Asylanträge gestellt, die jeweils abgelehnt wurden. Das an das Königreich Belgien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 5. Dezember 2013 wurde am 18. Dezember 2013 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO akzeptiert. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO ist Belgien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen.
17Der Überstellung nach Belgien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Asylantragstellung in Deutschland am 26. April 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 5. Dezember 2013 durch die Antragsgegnerin etwas mehr als 7 Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegnerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt,
18vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
19Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
20EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
21Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
22vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10. A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris Rn. 8.
23Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
24vgl. i. E. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.
25Hier sind seit der Asylantragstellung am 26. April 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 5. Dezember 2013 erst etwas mehr als 7 Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
26Die Antragsgegnerin ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Antragstellers nach Belgien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
27EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
28Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
29vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 57 f.
30Die Antragsgegnerin ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zugunsten des Antragstellers –gehindert, diesen nach Belgien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
31EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
32der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta implizieren,
33EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 86.
34Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
35EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 94.
36Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Abs. 2 UAbs 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
37Diese Voraussetzungen sind für Belgien nicht erfüllt.
38Sie ergeben sich zunächst nicht aus der Schilderung des Antragstellers, nach der er nach der Ablehnung seines zweiten Asylantrags zur Rückkehr in sein Heimatland aufgefordert worden sei und keine Unterkunft und keine Mittel für Verpflegung mehr erhalten habe.
39Zwar kann der Verlust von Unterkunft, medizinischer Versorgung, Zugang zu Nahrungsmitteln etc. eine unmenschliche Behandlung darstellen,
40vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413; OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A –, NVwZ-RR 2012, 619 = juris Rn. 17,
41Allerdings handelt es sich hierbei nicht um systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben geschilderten Sinne. Denn anders als vom hauptsächlichen Anwendungsbereich der Dublin-Verordnungen erfasst, ist das bzw. sind die Asylverfahren des Antragstellers in Belgien bereits abgeschlossen, wenn auch erkennbar mit einem vom Antragsteller nicht erwünschten Ergebnis. Zwar kennt auch das Recht der Europäischen Union in Art. 32 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie) die Möglichkeit, Folgeanträge zu stellen, wenn der Asylbewerber in der Lage ist, weitere Angaben vorzubringen, die sein Verfolgungsschicksal betreffen. Diese Möglichkeit dient allerdings nicht dazu, durch ständig wiederholende Asylanträge Versorgungsleistungen des Staates der Antragstellung zu erhalten. Ist wie hier der Asylantrag des Antragstellers (mehrfach) abgelehnt worden, folgt daraus für den Antragsteller auch die Ausreisepflicht.
42Vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.
43Die „Einstellung der Versorgung“ stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall mehrfacher Antragsablehnung nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
44Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juli 2013 – 25 L 1342/13.A -, n.v.
45Das zeigt auch schon die Wertung, welche in Art. 41 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie n.F.) zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Abs. 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die „Versorgung einzustellen“, wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Dies gilt mit Blick auf Belgien umso mehr, als abgelehnten Asylbewerbern in der Regel nach der Ablehnung des Asylantrags eine Rückkehrbegleitung angeboten wird.
46Vgl. auch aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 43.
47Ob dies in einem Fall, in dem nach der letzten Ablehnung eines Asylantrags asylerheblich neue Umstände eintreten oder der Asylbewerber in der Lage ist – erst jetzt – weitere asylerhebliche Angaben vorzubringen, anders zu sehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da solche Umstände vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich sind.
48Weitere Umstände, aus denen sich systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen Belgiens ergeben, sind vom Antragsteller nicht vorgetragen worden. Sie liegen nach Auswertung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht vor:
49So geht aus dem vorzitierten Bericht des für die Prüfung von Asylbewerbern zuständigen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose (S. 7) hervor, dass einem Asylbewerber während der Prüfung seines Asylantrags ein Platz in einer Betreuungseinrichtung zustehe. Der Asylbewerber habe dann Anspruch auf materielle, medizinische, soziale und rechtliche Begleitung. In ähnlicher Weise beschreibt der Final Report des Dublin Transnational Project für den Berichtszeitraum Dezember 2009 bis Mai 2011, dass jedem Asylbewerber von der Stellung des Asylantrags an bis zur Verfahrensbeendigung ein Recht auf Unterkunft, Mahlzeiten, soziale, medizinische und psychologische Betreuung sowie auf ein begrenztes Fortbildungsangebot hat (S. 38 des Berichts),
50vgl. auch aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 43, mit Einzelheiten zu den gewährten Leistungen auf S. 45 f.
51Lediglich solange eine von der Behörde festgestellte Ausreiseverpflichtung vollziehbar ist, bestehen diese Rechte nicht. Der Asylbewerber hat aber die Möglichkeit, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs insoweit zu beantragen (S. 38). Der Bericht des Auswärtigen Amtes der Vereinigten Staaten von Amerika (Belgium 2012 Human Rights Report) beschreibt auf S. 7 ff. die Flüchtlingssituation in Belgien, ohne Beanstandungen systemischer Art auch nur im Ansatz zu erwähnen. Amnesty International enthält in seinem „Amnesty Report 2013 – Belgien“ lediglich den Hinweis darauf, dass die Kapazität der Aufnahmezentren für Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten nicht ausreichend gewesen sei, ein Zustand der nach dem vorzitierten aida-Report, S. 44, ab Ende 2012 nicht fortbestanden haben soll. Hierauf ist die Annahme systemischer Mängel in der oben geschilderten Schwere jedoch nicht zu stützen.
52Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht kein innerstaatliches Abschiebungshindernis.
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
54Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.