Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 23 S 15.50042

bei uns veröffentlicht am26.02.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Januar 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ... Januar 2015 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge syrischer Staatsangehöriger, der unter anderem über die T., G., M., K., S. und U. in die Bundesrepublik Deutschland gelangte und am ... November 2014 Asylantrag stellte.

Nach Feststellung eines entsprechenden EURODAC-Ergebnisses erklärte auf Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom ... Dezember 2014 die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom ... Dezember 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags, nachdem der Antragsteller dort bereits am ... Oktober 2014 Asylantrag gestellt hatte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Januar 2015 erklärte die Antragsgegnerin den Asylantrag für unzulässig (Nr. 1). Die Abschiebung nach U. wurde angeordnet (Nr. 2).

Durch Schriftsatz vom 22. Januar 2015, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tage, erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hiergegen Klage (M 23 K 15.50041) und beantragte für das vorliegende Verfahren, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass in U. systemische Mängel bei der Durchführung der Asylverfahren und der Unterbringung bestünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat Erfolg.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, § 34a Abs. 2 AsylVfG. Er wurde innerhalb der nach § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG maßgeblichen Frist von einer Woche nach Bekanntgabe gestellt.

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage lassen sich die Erfolgsaussichten der Klage vorliegend nicht abschließend bewerten.

Zwar bezweifelt das Gericht die grundsätzliche Zuständigkeit U.s für die Prüfung des Asylantrags nicht, nachdem der Kläger dort Asylantrag gestellt hatte. U. ist als Mitgliedsstaat der Europäischen Union kraft Gesetzes sicherer Drittstaat und haben die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit anerkannt (Art. 18 Abs. 1 b VO (EU) Nr. 604/2013 - „Dublin-III“).

Die Frage des Vorliegens systemischer Mängel der Asylverfahren in U., die entgegen dieser Annahme ggf. zu einem Selbsteintritt der Antragsgegnerin führen könnten, ist derzeit offen und wird von den Verwaltungsgerichten unterschiedlich beurteilt (vgl. bejaht z. B. VG München, U. v. 12.11.2014 - M 18 K 13.31120; U. v. 26.9.2014 - M 24 K 14.50320; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14; a. A. VG München, U. v. 25.9.2014 - M 17 K 14.30490; VG Würzburg, U. v. 23.9.14 - W 1 K 14.50050). Vielfach wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diese Frage vor dem Hintergrund der neueren Erkenntnismittel als zumindest offen angesehen (vgl. z. B. VG München B. v. 30.10.2014 - M 16 S 14.50546; VG Berlin, B. v. 15.1.15 - 23 L 899.14 A; VG Köln B. v.19.12.14 - 20 L 2345/14 A; VG Magdeburg, B. v. 11.12.14 - 9 B 449/14; VG Düsseldorf B. v. 28.5.2014 - 13 L 172/14.A - jeweils juris). Auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im Hinblick auf die divergierende erstinstanzliche Rechtsprechung in einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dem Antrag im Rahmen einer zugelassenen Berufung stattgegeben (vgl. B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris).

Weitere obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt bislang, soweit ersichtlich, nur mit den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. Mai 2013 (4 L 169/12 - juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. August 2013 (12 S 675/13 - juris) vor, in denen das Vorliegen „systemischer Mängel“ jeweils verneint wurde. Nicht bzw. nur teilweise berücksichtigt werden konnten dabei allerdings die zwischenzeitlich vorliegenden neueren Erkenntnisse, wonach in U. insbesondere zum 1. Juli 2013 eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, bei der Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten vorgesehen sind.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seiner Entscheidung Mohammadi vs. Österreich (U. v. 3.7.2014 - 71932/12) feststellt, dass in U. keine systemischen Mängel vorlägen. Es gäbe keine systematischen Inhaftierungen von Asylsuchenden mehr und seien Alternativen zur Inhaftierung gesetzlich vorgesehen (Rn. 68). In Bezug auf die Haftbedingungen sei festzustellen, dass es Verbesserungen gäbe. Der UNHCR habe bislang noch keine systemischen Mängel explizit festgestellt (Rn. 69). Diese Bewertung durch den EGMR beruht jedoch überwiegend auf Stellungnahmen, insbesondere des UNHCR sowie des Helsinki Komitees, die vor der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2013 bzw. kurz danach erfolgten.

Zwischenzeitlich liegen zur Rechtsanwendungspraxis in U. u. a. aktuelle Berichte sowohl des UNHCR vom 9. Mai 2014 (Schreiben vom 9. Mai 2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A, abrufbar in der Datenbank MILO des BAMF), von PRO ASYL (Schreiben vom 31.10.2014 an das VG Düsseldorf und VG München, hier zu den anhängigen Parallelverfahren M 23 K 14.30073 u. a., abrufbar in der Datenbank MILO des BAMF), des ungarische Helsinki Komitees vom Mai 2014 („Information Note“ - abrufbar unter: http://...hu), des Menschenrechtskommissars des Europarats vom Mai 2014 (abrufbar unter: https://...int) sowie der U.-Länder-Bericht des AIDA (Asylum Information Database, Stand: 30.4.2014; abrufbar unter: http://www...org) vor, die die Befürchtungen, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in U. grundsätzlich ohne Angabe von Gründen und ohne Prüfung ihrer individuellen Umstände inhaftiert werden und mangels wirksamer Rechtsschutzmöglichkeiten die Haft bzw. die unter Umständen mehrere Monate währende Haftfortdauer nicht wirklich überprüfen lassen können, bestätigen.

Insbesondere im Hinblick auf diese neuen Erkenntnisquellen sind die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung derzeit nicht hinreichend abschätzbar. Wesentlich zu berücksichtigen ist weiter, dass der erkennende Einzelrichter in sämtlichen anhängigen Klageverfahren zur vorrangigen Asylantragstellung in U. Beweis erhoben hat (Az. M 23 K 14.30073 u. a., vgl. oben) und die Beweiserhebung derzeit noch nicht abgeschlossen ist.

Das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage - die die genannte Beweiserhebung mit einzubeziehen hat - nicht zwangsweise nach U. rücküberstellt zu werden, ist höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer möglichst umgehenden Rückführung des Antragstellers.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 23 S 15.50042

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 23 S 15.50042

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


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Verwaltungsgericht München Beschluss, 30. Okt. 2014 - M 16 S 14.50546

bei uns veröffentlicht am 30.10.2014

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu

Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Juli 2015 - M 23 K 14.30073

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger ist eigenen Angaben

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 11. Dez. 2014 - 9 B 449/14

bei uns veröffentlicht am 11.12.2014

Gründe 1 Der Antragsteller wendet sich mit seinem – gleichzeitig mit der Klage (9 A 448/14 MD) – am 18.11.2014 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.11.2014, mit we

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 26. Juni 2014 - A 11 K 387/14

bei uns veröffentlicht am 26.06.2014

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 wird aufgehoben.Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand  1 Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzu

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 31. Mai 2013 - 4 L 169/12

bei uns veröffentlicht am 31.05.2013

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühr
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 23 S 15.50042.

Verwaltungsgericht München Urteil, 03. Juli 2015 - M 23 K 15.50041

bei uns veröffentlicht am 03.07.2015

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger ist eigenen Angaben

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.
Der am ... 1991 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27.05.2013 in das Bundesgebiet ein. Am 12.06.2013 beantragte er die Gewährung von Asyl.
Auf ein entsprechendes Übernahmeersuchen der Beklagten stimmte Ungarn mit Schreiben vom 17.12.2013 einer Überstellung des Klägers nach Ungarn zu.
Mit Bescheid vom 22.01.2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da Ungarn auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Vom Selbsteintrittsrecht werde kein Gebrauch gemacht. Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn bestünden nicht.
Am 29.01.2014 hat der Kläger Klage erhoben und auf systemische Mängel im Asylverfahren in Ungarn hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
11 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 22.01.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
14 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
16 
Zwar ist Ungarn aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
17 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
18 
Der Kläger hat im Hinblick auf Ungarn systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Ungarn die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
19 
In der Vergangenheit erfüllte Ungarn die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Asylverfahrens nicht. Aus dem UNHCR Positionspapier vom 24.04.2012 und dem Bericht von Pro Asyl vom 15.03.2012 ergab sich, dass Misshandlungen in der Haft und eine Ruhigstellung von Flüchtlingen mittels Medikamente an der Tagesordnung waren. Die nach der Dublin II-VO nach Ungarn überstellten Asylbewerber mussten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
20 
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinigten Nationen (UNHCR) führte allerdings in einem Bericht vom Dezember 2012 aus, das ungarische Parlament habe im November 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine abgeschoben und nicht inhaftiert würden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichten; Dublin-Rückkehrer würden nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen.
21 
Diese Entwicklung ist aber mittlerweile überholt durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 01. Juli 2013. Seit dem 01. Juli 2013 ist nach dem ungarischen Asylgesetz die Verhängung von Asylhaft möglich. Als Haftgründe gelten u.a., dass der Antragsteller untergetaucht ist oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert oder um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller die Durchführung des Asylverfahrens verzögern oder behindern oder untertauchen würde oder der Antragsteller wiederholt seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen und damit die Durchführung des Dublin-Verfahrens behindert. Aufgrund dieser geänderten Rechtslage ist erneut mit steigenden Inhaftierungszahlen zu rechnen. Dies wird bestätigt durch den Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des "United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23.09. bis zum 02.10.2013. In diesem Bericht stellt die Arbeitsgruppe eine signifikante Konzentration auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest, die Besorgnis erregend sei. Weiter wird berichtet von einem System der Verlängerung der Haft ohne angemessene Berücksichtigung der Eingaben des Rechtsanwalts und der individuellen Verhältnisse des Häftlings. Die Arbeitsgruppe kritisiert weiter fehlende effektive Rechtsschutzmöglichkeiten.
22 
Der Kläger ist nach der Stellungnahme der ungarischen Behörden vom 17.12.2013 während des laufenden Asylverfahrens aus Ungarn nach Deutschland weitergereist. Es ist deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden dies als Verzögerung oder Vereitelung des Asylverfahrens in Ungarn ansehen und den Kläger aufgrund der neuen Gesetzeslage im Falle der Überstellung in Haft nehmen. Hinzukommt, dass der Kläger keine Ausreisedokumente vorlegen kann, so dass auch eine Inhaftierung zur Feststellung der Identität beachtlich wahrscheinlich ist.
23 
Die neue Gesetzeslage in Ungarn begründet hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn weiterhin systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
24 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
12 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 22.01.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
14 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
16 
Zwar ist Ungarn aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
17 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
18 
Der Kläger hat im Hinblick auf Ungarn systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Ungarn die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
19 
In der Vergangenheit erfüllte Ungarn die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Asylverfahrens nicht. Aus dem UNHCR Positionspapier vom 24.04.2012 und dem Bericht von Pro Asyl vom 15.03.2012 ergab sich, dass Misshandlungen in der Haft und eine Ruhigstellung von Flüchtlingen mittels Medikamente an der Tagesordnung waren. Die nach der Dublin II-VO nach Ungarn überstellten Asylbewerber mussten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
20 
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinigten Nationen (UNHCR) führte allerdings in einem Bericht vom Dezember 2012 aus, das ungarische Parlament habe im November 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine abgeschoben und nicht inhaftiert würden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichten; Dublin-Rückkehrer würden nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen.
21 
Diese Entwicklung ist aber mittlerweile überholt durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 01. Juli 2013. Seit dem 01. Juli 2013 ist nach dem ungarischen Asylgesetz die Verhängung von Asylhaft möglich. Als Haftgründe gelten u.a., dass der Antragsteller untergetaucht ist oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert oder um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller die Durchführung des Asylverfahrens verzögern oder behindern oder untertauchen würde oder der Antragsteller wiederholt seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen und damit die Durchführung des Dublin-Verfahrens behindert. Aufgrund dieser geänderten Rechtslage ist erneut mit steigenden Inhaftierungszahlen zu rechnen. Dies wird bestätigt durch den Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des "United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23.09. bis zum 02.10.2013. In diesem Bericht stellt die Arbeitsgruppe eine signifikante Konzentration auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest, die Besorgnis erregend sei. Weiter wird berichtet von einem System der Verlängerung der Haft ohne angemessene Berücksichtigung der Eingaben des Rechtsanwalts und der individuellen Verhältnisse des Häftlings. Die Arbeitsgruppe kritisiert weiter fehlende effektive Rechtsschutzmöglichkeiten.
22 
Der Kläger ist nach der Stellungnahme der ungarischen Behörden vom 17.12.2013 während des laufenden Asylverfahrens aus Ungarn nach Deutschland weitergereist. Es ist deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden dies als Verzögerung oder Vereitelung des Asylverfahrens in Ungarn ansehen und den Kläger aufgrund der neuen Gesetzeslage im Falle der Überstellung in Haft nehmen. Hinzukommt, dass der Kläger keine Ausreisedokumente vorlegen kann, so dass auch eine Inhaftierung zur Feststellung der Identität beachtlich wahrscheinlich ist.
23 
Die neue Gesetzeslage in Ungarn begründet hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn weiterhin systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
24 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehörigkeit und reiste am 28. Mai 2014 in das Bundesgebiet ein. Er beantragte hier am 20. Juni 2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Laut einer Eurodac-Treffermeldung liegt in Ungarn ein Asylantrag des Antragstellers vom 12. Mai 2014 vor. Bei seiner Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Juni 2014 gab der Antragsteller an, ihm seien u. a. in Ungarn Fingerabdrücke abgenommen worden. In Ungarn habe er einen Brief mit der Adresse eines Camps erhalten. Er habe nur in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Die zuständige ungarische Stelle stimmte einem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes mit Schreiben vom 27. August 2014 zu.

Mit Bescheid vom ... September 2014, dem Antragsteller am 15. September 2014 zugestellt, wurde dessen Asylantrag für unzulässig erklärt (Ziff. 1) und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet (Ziff. 2).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am 14. September 2014 erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom ... September 2014 (M 16 K 14.50545). Weiter stellte er einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, in Ungarn sei das Asylverfahren mit systemischen Mängeln behaftet, weshalb der Antragsteller aus rechtlichen Gründen nicht dorthin überstellt werden könne. Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 die Behördenakte vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 16 K 14.50545 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist begründet.

Eine Abwägung des Interesses des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage mit dem öffentlichen Interesse an einem Sofortvollzug der Abschiebungsanordnung ergibt, dass die privaten Interessen des Antragstellers derzeit überwiegen.

Die Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage der aktuell vorliegenden Erkenntnismittel ergibt, dass die Erfolgsaussichten der Klage jedenfalls offen sind. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand sprechen hinreichend gewichtige Gründe dafür, dass der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom ... September 2014 rechtswidrig und der Antragsteller in seinen Rechten verletzt sein könnte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Möglicherweise ist der Asylantrag des Antragstellers nicht deshalb gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, weil ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. Sollte vielmehr die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO gegeben sein, so wäre der Erlass der Abschiebungsanordnungen nach § 34 a i. V. m. § 27 a AsylVfG bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

1. Zwar ist hier grundsätzlich von einer Zuständigkeit Ungarns gemäß Art. 13 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (sog. Dublin III-VO) auszugehen. Allerdings ist hier möglicherweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO gegeben. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel 3 der Dublin III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris) darf ein Asylbewerber nur dann nicht an den europarechtlich zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel, d. h. regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

2. Die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegen und ob eine Überstellung nach Ungarn einen Verstoß gegen Art. 4 der EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK darstellt, wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet (vgl. in diesem Sinne z. B. aus jüngerer Zeit insbesondere VG München, U. v. 29.8.2014 - M 24 K 13.31294; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris; a. A. z. B. VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris). In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird diese Frage vor dem Hintergrund der neueren Erkenntnismittel auch vielfach als zumindest offen angesehen (vgl. z. B. VG Gelsenkirchen, B. v. 2.10.2014 - 10a L 1415/14.A; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris; VG Sigmaringen, B. v. 22.4.2014 - A 5 K 972/14 - juris; VG Freiburg, B. v. 7.3.2014 - A 5 K 93/14 - juris). Auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat jüngst im Hinblick auf die divergierende erstinstanzliche Rechtsprechung in einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dem Antrag im Rahmen einer zugelassenen Berufung stattgegeben (vgl. B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris).

Weitere obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt bislang, soweit ersichtlich, nur mit den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. Mai 2013 (4 L 169/12 - juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. August 2013 (12 S 675/13 - juris) vor, in denen das Vorliegen „systemischer Mängel“ jeweils verneint wurde. Nicht bzw. nur teilweise berücksichtigt werden konnten dabei allerdings die zwischenzeitlich vorliegenden neueren Erkenntnisse, wonach in Ungarn insbesondere zum 1. Juli 2013 eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, bei der Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten vorgesehen sind. Auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 6. Juni 2013 (2.283/12 - InfAuslR 2014, 197 ff.) enthält keine Aussage darüber, wie zum derzeitigen - maßgeblichen - Zeitpunkt die Situation in Ungarn zu beurteilen ist.

Sowohl UNHCR als auch der Europäische Flüchtlingsrat sowie das ungarische Helsinki Komitee warnen, dass die Rechtsgrundlagen für eine Inhaftierung von Personen, die internationalen Schutz suchen, zu weit seien und daher ein erhebliches Risiko einer umfassenden Inhaftierung von Asylbewerbern bestehe (vgl. UNHCR, UNHCR Comments and Recommendations on the Draft Modification of certain migration-related Legislative Acts for the Purpose of Legal Harmonisation, 12.4.2013, S. 7 f, S. 10; European Council on Refugees and Exiles - ECRE Weekly Bulletin, 14.6.2013, S. 3; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information Note on the Main Asylum-Relates Legal Changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 2 unter www.h...hu). Die Gesetzesänderung sieht - neben anderen Gründen - als Grund für die Inhaftierung von Asylbewerbern die Feststellung ihrer Identität oder Nationalität vor, und wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylsuchende das Asylverfahren verzögert oder vereitelt oder Fluchtgefahr bei ihm besteht (vgl. Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 2). UNHCR äußert dabei in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf die Vermutung, dass Hauptziel dieser (zeitlich vorgezogenen) Gesetzesänderung eine Senkung der Zahl der Asylanträge sei. Inhaftierung würde als Instrument zur Kontrolle von Migration eingesetzt, um illegale Einreise zu pönalisieren und unrechtmäßige Weiterwanderung zu verhindern (vgl. UNHCR, a. a. O., S. 7 f). Weiterhin berichtet das ungarische Helsinki Komitee davon, dass im Hinblick auf die steigende Zahl der Asylsuchenden in Ungarn (mehr als 10.000 Asylbewerber seien im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 registriert worden) die Hauptaufnahmeeinrichtung in Debrecen deutlich überbelegt sei (über 1.300 Asylsuchende Mitte Juni), was zu ernsthaften Problemen geführt habe, insbesondere zu einer eklatanten Verschlechterung der hygienischen Bedingungen. Auch der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des „United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23. September bis 2. Oktober 2013 kritisiert die Inhaftierungspraxis in Ungarn, insbesondere auch die fehlenden effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten und mahnt solide Verbesserungen an (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner - Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon conclusion of its visit to Hungary - 23 September - 2 October 2013 - S. 4, unter http://www.o...org). Ebenso kommt der aktualisierte und ergänzte Bericht von Pro Asyl „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, zu dem Ergebnis, dass in Ungarn derzeit von „systematischen Mängeln“ in den Aufnahmeeinrichtungen auszugehen sei. Es sei aufgrund des massiven Anstiegs von Asylanträgen davon auszugehen, dass die „systemischen Mängel“ noch weiter zunehmen würden. Sollte der Großteil der Asylantragsteller, die sich derzeit in anderen EU-Staaten aufhielten, zurück nach Ungarn überstellt werden, so wären die vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende keinesfalls in der Lage, eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten (vgl. Pro Asyl, Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, Stand Oktober 2013 (http://b...eu/.../.../.../..._..._..._... pdf, S. 35f). Auch der aktualisierte Bericht des ungarischen Helsinki Komitees (Hungarian Helsinki Committee, „Information Note On Asylum-Seekers In Detention And In Dublin Procedures In Hungary”, Stand: Mai 2014, http://h...hu/.../.../....pdf), der aida Länderbericht (aida, Asylum Information Database, National Country Report Hungary, Stand: 30. April 2014, abrufbar unter http://www.a...org/.../.../..._-_..._..._..._..._....pdf) sowie die Stellungnahme des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf (vgl. B. v. 28.5.2014 - 13 L 172/14.A - juris ) bestätigen diese erheblichen Bedenken.

Insbesondere im Hinblick auf diese neueren Erkenntnisquellen sind die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung derzeit als offen anzusehen. Eine eingehendere Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Im Eilrechtsschutzverfahren ist jedenfalls bei der Abwägung das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage nicht zwangsweise nach Ungarn rücküberstellt zu werden, angesichts der ihm nicht ausschließbar drohenden Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer möglichst umgehenden Rückführung des Antragstellers aufgrund der Dublin-III-Verordnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich mit seinem – gleichzeitig mit der Klage (9 A 448/14 MD) – am 18.11.2014 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.11.2014, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet wurde.

2

I. Der zulässige Antrag,

3

die aufschiebende Wirkung seiner Klage (9 A 448/14 MD) gegen den Bescheid vom 03.11.2014 anzuordnen,

4

ist begründet.

5

Gemäß § 34 a Abs. 1 AsylVfG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie) vom 28. August 2013 (BGBl. I Nr. 54 vom 5. September 2013, S. 3474), die nach Art. 7 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung - somit dem 6. September 2013 - in Kraft getreten ist, ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

6

Wegen §§ 27 a, 34 a AsylVfG ist im Rahmen einer Interessenabwägung vorrangig zu beurteilen, ob das Land, auf welches die Abschiebungsanordnung lautet für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist bzw. ob diese Zuständigkeit ausnahmsweise wegen systemischer Mängel im Asyl- oder Aufnahmeverfahren in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen sein könnte.

7

Die Klage gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrages sowie gegen die Abschiebungsandrohung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Abs. 1 AsylVfG). Die aufschiebende Wirkung kann jedoch gemäß § 34 a Abs. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Ziffer 3, Abs. 5 VwGO durch das Gericht angeordnet werden. Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B. v. 14.04.2005, 4 VR 1005/04, Juris). Hat der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt fehlerhaft ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, insbesondere, wenn die angegriffene Verfügung derzeit als rechtmäßig zu beurteilen ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht jedenfalls dann regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse, wenn diese Rechtswirkungen bereits kraft Gesetzes bestehen.

8

Bei einem offenem Ausgang des Klageverfahrens ist im Rahmen der Interessenabwägung zwar stets zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, die - wie hier - nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (s. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Gleichwohl ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, B. v. 10. 10. 2003, 1 BvR 2025/03, Juris). Deshalb ist wegen der mit der Abschiebung verbundenen (relativen) Unabänderbarkeit bereits dann das Aussetzungsinteresse höher als das nur zeitweilige Absehen von der Abschiebung zu bewerten, wenn infolge derselben eine Verletzung von Grundrechten nach der EU-Grundrechte-Charta nicht ausgeschlossen werden kann (so auch VG Siegmaringen, B. v. 14.07.2014, A 1 K 254/14). Dies ist der Fall, wenn ernst zu nehmende, hinsichtlich der Schwere und Offensichtlichkeit aber noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für eine mit Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrCh nicht in Einklang stehende Umstände bestehen. Für einen offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens kann auch sprechen, wenn die beachtliche Frage in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (derzeit noch) gegensätzlich beurteilt wird (vgl. OVG Bautzen, B. v. 24.07.2014, A 1 B 131/14, Juris).

9

Diese Anforderungen an die gerichtliche Entscheidung gestellt, kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragsgegnerin angenommene Zuständigkeit Ungarns wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Anders gewendet: Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Entscheidung über den Asylantrag im Wege des Selbsteintritts (Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO) ist nicht auszuschließen, worauf sich der Antragsteller im Sinne eines subjektives Rechts aufgrund seiner Asylantragstellung (§§ 14, 24 und 31 AsylVfG) auch berufen kann. Das Hauptsacheverfahren ist insoweit als offen im oben erörterten Sinne anzusehen.

10

1. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat im Beschluss vom 08.12.2014 in dem parallel gelagerten Verfahren mit dem Aktenzeichen 9 B 433/14 MD hierzu umfassend ausgeführt:

11

….

12

„…aa) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide Juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, Juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedstaat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).

13

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, Juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, Juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, Juris).

14

Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V. m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegenden Umstände in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, Juris).

15

Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, Juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, Juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle Juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).

16

bb) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich Ungarn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylVfG [analog]) ernst zu nehmende, hinsichtlich ihrer Schwere jedoch noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel insbesondere wegen der in Ungarn bestehenden Inhaftierungspraxis von Dublin-Rückkehrern vorliegen.

17

Aus der Auskunft des UNHCR an das VG Düsseldorf vom 09.05.2014, des HUNGARIAN HELSINKI COMMITTEE, Stand Mai 2014, sowie des aida, Asylum Infamation Databas,COUNTRY REPORT: HUNGARY, Stand 30.04.2014 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/hungary) ergibt sich zur Haftpraxis von Asyl(erst)antragstellern und Dublin-Rückkehrern folgendes:

18

Seit der (Wieder-)Einführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013, die erneut eine Inhaftierung von Erstantragstellern ermöglicht, wurden im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 rund 25 % aller Asylantragsteller auf dieser Grundlage inhaftiert. Nach der Dublin-Verordnung nach Ungarn zurücküberstellte Asylbewerber wurden in diesem Zeitraum flächendeckend durch Anordnung der zuständigen Verwaltungsbehörde (sog. Office of Immigration and Nationality - OIN) in drei von ihnen betriebenen Einrichtungen inhaftiert.

19

Den Verwaltungsentscheidungen, mit denen die Asylhaft angeordnet wird, fehlt es regelmäßig an einer Einzelfallprüfung der Haftgründe. Denn die haftanordnenden Entscheidungen des OIN nennen weder den konkreten Haftgrund, noch enthalten sie Angaben dazu, warum die Inhaftierung aus Sicht der zuständigen Behörde im konkreten Einzelfall erforderlich und angemessen ist und insbesondere keine anderen milderen Mittel in Betracht kommen, wie etwa die Stellung einer Kaution, die Anordnung einer Residenzpflicht oder regelmäßige Meldepflichten. Insgesamt wird eingeschätzt, dass die Inhaftierung auf einer schematischen Argumentation beruht, die deshalb auch völlig intransparent ist. Daraus ergibt sich grundsätzlich für alle Asylbewerber ein nicht einschätzbaren Risiko einer willkürlichen Inhaftierung. Auch ist nicht ersichtlich, dass die in den nationalen asylrechtlichen Vorschriften vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten wenigstens nachträglich eine ausreichende und wirksame rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierungsentscheidung bzw. ihrer Fortdauer gewährleisten könnten. Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann auf behördliches Handeln in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen. Die Effektivität der Haftprüfung ist deshalb mehr als von Sorge getragen. Gleiches gilt für die Zuziehung eines Rechtsbeistandes. Die im ungarischen Asylrecht vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten sind faktisch auch deshalb unwirksam, weil überhaupt nicht über diesen Rechtsbehelf informiert wird. Den Erkenntnismitteln folgend, spricht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Asylbewerber während der gesamten Dauer des Asylverfahrens inhaftiert bleibt, obwohl die maximale Haftdauer der seit dem 1. Juli 2013 neu geregelten Asylhaft sechs Monate beträgt und auch die durchschnittliche Haftdauer wird derzeit mit 4 bis 5 Monaten angegeben.

20

Den Erkenntnismitteln lässt sich zudem entnehmen, dass auch die Umstände der Haft hinreichende Anhaltspunkte für ihr Unvereinbarkeit mit unionsrechtlichen Standards zu bieten geeignet sind. So werden weder Minderjährige von Erwachsenen getrennt noch die Belange von besonders schützenswerten Personengruppen berücksichtigt. Die Hafteinrichtungen laufen ständig an ihrer Kapazitätsgrenze. Die soziale und medizinische Betreuung ist ebenso wie die sanitären Verhältnisse mangelhaft.

21

Daraus ergeben sich für das erkennende Gericht hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Inhaftierungspraxis von Dublin-Rückkehrern nach Ungarn wegen der Inhaftierungsgründe, die dagegen möglichen Rechtsbehelfe, der Inhaftierungsdauer sowie der Inhaftierungsbedingungen ernst zu nehmenden Bedenken begegnet, denen im Hauptsacheverfahren nachzugehen ist. Die daraus resultierende willkürliche und nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Handhabung der diesbezüglichen Regelungen im ungarischen Asylrecht gibt zu der begründeten Sorge Anlass, Dublin-Rückkehrer werden zum Objekt ihres Schutzgesuches und sind den Verhältnissen rechtsschutzlos ausgesetzt. Dies auch im Lichte von Art. 8 f. Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, soweit sie auf Dublin-Rückkehrer Anwendung findet. Zwar ist es danach ebenfalls möglich, Asylbewerber in Haft zu nehmen. Wie zuvor dargestellt, gibt es jedoch hinreichende Anknüpfungspunkte dafür, dass die Inhaftierungspraxis in qualitativer und quantitativer Weise beachtlich über das hinausgeht, weil unionsrechtlich vorgesehen ist (anders VG Stade, B. v. 14.07.2014, 1 B 862/14, Juris). So soll schon nach den Erwägungsgründen Nr. 15 und 20 der AufnahmeRL die Inhaftierung von Asylbewerbern eine Ausnahme bleiben. Nach Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 der AufnahmeRL soll der Asylbewerber nur für den kürzest möglichen Zeitraum in Haft genommen werden, was bei einer Regelverlängerung im 60-Tage-Rhythmus nicht gewährleistet scheint. In der Haftanordnung sind nach Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 zudem die sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft anzugeben. Artikel 9 Absatz 3 und 5 verlangen ferner umfassende und wirksame Überprüfungen der Rechtmäßigkeit der Haft sowie eine ausreichende Information des Asylbewerbers in einer für ihn verständlichen Sprache. Hinzu kommt, dass der Haftgrund, der nach Einschätzung des UNHCR jedenfalls hinsichtlich der Dublin-Rückkehrer regelmäßig von den zuständigen Behörden stillschweigend angenommen wird, mit den Vorgaben der AufnahmeRL nicht in Einklang stehen dürfte. Laut UNHCR liegt der regelhaften Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern die Auffassung der zuständigen Behörden zugrunde, dass diese Asylbewerber, weil sie Ungarn bereits zuvor einmal regelwidrig verlassen haben, auch nach der Rücküberstellung erneut flüchten werden, ohne eine Entscheidung über ihren Asylantrag abzuwarten. Dem dürfte der in Artikel 31/A Buchstabe c des ungarischen Asylgesetzes geregelte Haftgrund zugrunde liegen, wonach eine Inhaftierung erfolgen darf, um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller das Asylverfahren ansonsten verzögern oder behindern oder untertauchen würde (so auch VG Düsseldorf, a. a. O.).

22

Insoweit ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch zu konstatieren, dass sich die rechtliche Beurteilung der Gerichte (vgl. dazu zusammenfassend bei VG Regensburg, B. v. 28.02.2014, RN 5 S 14.30203, Rn. 31, sowie VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, a. a. O., Rn. 48, beide Juris) dahingehend, systemische Mängel seien in Ungarn in Ansehung der im Bericht des UNHCR vom Dezember 2012 (vgl. „Ungarn als Asylland. Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn“) enthaltenen positiven Ansätze nicht mehr festzustellen (vgl. u. a. VG Trier, B. v. 04.07.2014, 5 L 1190/14, Juris), in der Rechtswirklichkeit aller Voraussicht nach nicht bestätigt haben dürfte. Dies ordnet sich ein in die allgemein bekannte Entwicklung in Ungarn, die von stark nationalistischen und teilweise antieuropäischen Kräften geprägt ist.

23

Aufgrund der vorstehenden [teilweise neuen] Auskunftslage gibt auch die Entscheidung des EGMR vom 03.07.2014 (- 71932/12 [Mohammadi/Österreich]) dem erkennenden Gericht keine Veranlassung, den hier streitigen Bescheid als eher rechtmäßig zu beurteilen. Zwar hat auch der EGMR zur Kenntnis genommen, dass in Ungarn die Asylhaft grundsätzlich zulässig ist, Inhaftierungsquoten von 26% (bezogen auf alle Asylbewerber) bzw. 42% (bezogen auf alle männlichen Asylbewerber) vorliegen, die Haftgründe im Gesetz vage formuliert sind und weder die Begründung der Haft noch ihre nachträgliche Überprüfung wirksam sichergestellt sind (zitiert nach VG B-Stadt, B. v. 20.08.2014, 10 L 539/14, n. v.). Die von ihm daraus gezogenen Schlussfolgerungen, relativieren sich jedoch für das erkennende Gericht in Anbetracht der nunmehr vorliegenden Erkenntnisse jedenfalls mit der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigen Beachtlichkeit (siehe oben). Gleiches gilt, soweit es für den EGMR beachtlich war, dass der UNHCR noch keine Empfehlung abgegeben hat, Flüchtlinge nicht nach Ungarn zu überstellen und deshalb keine Verletzung von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK mangels Erreichens der dafür erforderlichen Erheblichkeitsschwelle angenommen hat. Zudem dürfte eine solche Empfehlung des UNHCR als ultima ratio wohl nur dann in Betracht kommen, wenn die Verhältnisse in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union einen solchen Grad an Unerträglichkeit erreicht haben, dass eine Überstellung schlechterdings unvertretbar ist. Liegt eine solche Empfehlung vor, dürften dem auch solche Umstände zugrunde liegen, die bereits für sich genommen zu einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK führen. Anders gewendet: Allein das Fehlen einer Empfehlung des UNHCR führt - insbesondere im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - nicht gleichsam dazu, eine Überstellung nicht auszusetzen (vgl. dazu VG Frankfurt am Main, B. v. 29.10.2014, 7 L 3786/14, n. v.)…“

24

Hieran hält das Gericht fest.

25

2. Soweit der Antragsteller daneben, insbesondere unter Verweis auf seine Reiseroute und des erzielten Eurodac-Treffers für Bulgarien (BG…) darauf verweist, dass der Mitgliedstaat Bulgarien für die Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz zuständig sei, vermag sich das Gericht nach summarischer Prüfung dem nicht anzuschließen.

26

Zuvorderst ist festzustellen, dass sich die Zuständigkeit zwar vorrangig nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO richten dürfte. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, zu dem ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaates überschritten hat. Dies wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt. Ausgehend von der vom Antragsteller geschilderten Reiseroute und des erzielten Eurodac-Treffers BG…, der seine erkennungsdienstliche Behandlung in Bulgarien widerspiegelt, wäre dies Bulgarien, wobei nach der derzeitigen Aktenlage nicht abschließend festgestellt werden kann, ob die Reiseroute tatsächlich diesen Verlauf hatte, d.h. der Antragsteller erst nachfolgend nach Ungarn eingereist ist. Gleichwohl hat die Antragsgegnerin vorliegend ihr Übernahmegesuch vom 22.10.2014 nicht an Bulgarien, sondern an Ungarn, wo der Antragsteller bereits einen Antrag auf internationalen Schutz ausweislich des vorliegenden Eurodac-Treffers (HU…) gestellt hat, gerichtet. Das Übernahmeersuchen hat Ungarn mit Mitteilung vom 31.10.2014 unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO positiv beantwortet, so dass sich die Zuständigkeit Ungarns jedenfalls aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO ergibt. Danach kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Hiergegen ist mangels drittschützenden Charakters dieser Vorschriften (a.) und dem Umstand, dass Ungarn in Kenntnis des Eurodac-Treffers BG… die Wiederaufnahmeerklärung abgegeben hat (b.), nichts zu erinnern.

27

a. Eine – objektive – Überprüfung, ob der die Aufnahme erklärende Mitgliedstaat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, kann ein Asylbewerber nicht verlangen, da es den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO, soweit sie nicht ausnahmsweise grundrechtlich "aufgeladen" sind, an der hierfür erforderlichen drittschützenden Wirkung fehlt. Dies folgt einerseits aus der Erwägung, dass die Verordnung ebenso wie das gesamte Gemeinsame Europäische Asylsystem auf der Annahme beruht, dass alle beteiligten Staaten – Mitgliedstaaten wie Drittstaaten – die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Prinzip des gegenseitigen Vertrauens). Andererseits sprechen hierfür auch die Ziele der Dublin III-VO, nämlich - erstens - durch organisatorische Vorschriften die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, so wie dies schon im Dubliner Übereinkommen der Fall war, - zweitens - im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten sowie - drittens - ein "forum shopping" zu verhindern (vgl. zur Dublin II-VO: VG Aachen, Beschluss vom 21.03.2014 – 4 L 53/14.A. – m.w.N., insbesondere unter Verweis auf EuGH, Urteile vom 10.12.2013 – C-394/12 –; vom 21.11.2011 – C-411/10 – und vom 14.11.2013 – C-4/11 – alle juris). Etwas anderes kann – was hier nicht abschließend entschieden werden muss – allenfalls dann gelten, wenn der Antragsteller keine Berührungspunkte zu dem aufnahmebereiten Mitgliedstaat hat, mithin zum bloßen Objekt des Verfahrens würde, was vorliegend angesichts seiner Antragstellung in Ungarn nicht der Fall ist, bzw. der aufnahmebereite Mitgliedstaat (hier: Ungarn) über den Sachverhalt durch den ersuchenden Mitgliedstaat (hier: Antragsgegnerin) getäuscht wurde (hierzu siehe b.).

28

b. Dass die Antragsgegnerin das für das Übernahmegesuch verwendete Formblatt nicht vollständig ausgefüllt hat, führt zu keiner anderen Betrachtung. Voranzustellen ist zwar, dass Überwiegendes dafür sprechen dürfte, dass der Mitgliedstaat an den ein Übernahmeersuchen gerichtet wird, nur dann an seiner Übernahmeerklärung gebunden sein kann, wenn diese so herbeigeführt wurde, dass die dem ersuchenden Mitgliedstaat bekannten Indizien/Beweismittel Gegenstand des Wieder-/Aufnahmegesuchs sind, d.h. die entsprechende Hinweise auf die Zuständigkeit des ersuchten Staates richtig und vollständig sind (vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 11.02.2014 – 3 L 95/14 – m.w.N.; VG Düsseldorf vom 25.08.2014 – 14 L 1853/14 A. – alle juris). Ausweislich des vorliegenden Verwaltungsvorgangs hat die Antragsgegnerin am 22.10.2014 unter Verwendung des Formulars „STANDARD FORM FOR REQUEST FOR TAKING BACK“ um Wiederaufnahme des Antragstellers in Ungarn ersucht. Am Ende des Gesuchs unter der Rubrik „Comments“ weist die Antragsgegnerin jedoch auch darauf hin, dass das Eurodac-Ergebnis beigefügt ist. Hierbei handelt es sich ausweislich des Verwaltungsvorgangs um insgesamt drei Eurodac-Mitteilungen, die Eurodac-Treffer für Deutschland, für Bulgarien (BG…) und für Ungarn (HU…). Ausgehend davon, dass Ungarn damit in Kenntnis des für Bulgarien vorhandenen Eurodac-Treffers seine Wiederaufnahmebereitschaft erklärt hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Täuschung seitens der Antragsgegnerin im Raum steht.

29

II.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

30

III. Die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beruht auf §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO.


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste von Serbien nach Ungarn ein und stellte dort am 17. November 2011 einen Asylfolgeantrag. Nachdem er zunächst in Abschiebehaft genommen worden war, wurde er ab Dezember 2011 in einer offenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Der Asylantrag wurde nach Durchführung einer persönlichen Anhörung des Klägers am 16. Dezember 2011 abgelehnt, da er über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Der Kläger verließ daraufhin die Aufnahmeeinrichtung und reiste am 2. Januar 2012 über Österreich nach Deutschland. Nachdem die Beklagte am 9. Januar 2012 ein entsprechendes Übernahmeersuchen gestellt hatte, erklärte die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom 16. Januar 2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers. Dieser stellte dann am 30. Januar 2012 in Deutschland einen Asylantrag.

2

Mit Bescheid vom 19. April 2012 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts seien nicht ersichtlich. Mit Beschluss vom 30. Mai 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung, Maßnahmen zu unterlassen, welche eine Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ermöglichen sollten (- 5 B 136/12 MD -).

3

Der Kläger hat am 6. Juli 2012 beim Verwaltungsgericht Magdeburg zunächst im Wege einer Untätigkeitsklage eine Verpflichtungsklage erhoben und mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 die Klage auf eine Anfechtungsklage umgestellt.

4

Mit Urteil vom 6. August 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung auszuüben, auch wenn der Kläger nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen zähle. Das Gericht erkenne im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erhebliche systemische Mängel von Asylverfahren in Ungarn, speziell in Bezug auf die Behandlung von "Dublin-Rückkehrern". Zwar stünde das ungarische Asylrecht im Allgemeinen mit den internationalen und europäischen Standards in Einklang und enthalte die wichtigsten Garantien. Jedoch gäbe es in der Anwendungspraxis schwerwiegende Mängel. Dies ergebe sich aus einem Bericht des UNHCR zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn ("Ungarn als Asylland") von April 2012 sowie einer Veröffentlichung von Pro Asyl mit dem Titel "Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012". Der Kläger stünde danach in Gefahr, bei einer Abschiebung nach Ungarn einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

5

Auf den Antrag der Beklagten hat der beschließende Senat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.

6

Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und trägt vor, das ungarische Ausländergesetz und das ungarische Asylgesetz seien mit Wirkung vom 1. Januar 2013 novelliert worden, entsprechende Änderungen des Verfahrens habe es schon seit Juni 2012 gegeben. Die Gefahr, dass Dublin-Rückkehrern auf Grund unzureichender Aufnahmebedingungen und nicht ausreichendem Schutzzugang für Asylsuchende im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn eine erniedrigende Behandlung drohe, könne damit nicht (mehr) festgestellt werden. Insoweit verweise er auf Berichte eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der seit Januar 2012 als Liasonmitarbeiter in der Asyldirektion des Ungarischen Amtes für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt sei. Nach Auskünften der zuständigen Mitarbeiter in der Ungarischen Asyldirektion würde der Kläger automatisch als Asylfolgeantragsteller behandelt, ohne dass es einer förmlichen zweiten Antragstellung bedürfe. In dem durchzuführenden Asylfolgeverfahren würden sämtliche individuellen Fluchtgründe berücksichtigt, ohne dass auf die Einreise aus Serbien abgestellt werde. Ein Ausweisungsverfahren würde nicht eingeleitet werden und der Kläger zunächst ein auf ein Jahr beschränktes temporäres Aufenthaltsrecht erhalten. Während des Verfahrens würde er einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden.

7

Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er macht geltend, es bestünde die Gefahr seiner Inhaftierung und verweist auf eine auf ihn zugeschnittene Stellungnahme des ungarischen Helsinki-Kommitees vom 8. April 2013, eine Stellungnahme des UNHCR zu einem aktuellen ungarischen Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Migrationsrechts vom 12. April 2013 sowie auf die Ausführungen in dem Bericht von Pro Asyl zu dem Haftregime in Ungarn. Am 1. Juli 2013 solle eine neue Gesetzgebung in Ungarn in Kraft treten, welche die Inhaftierung von Asylbewerbern für maximal sechs Monate vorsehe und auch auf laufende Fälle Anwendung finden solle. Möglicherweise werde ihm nach geplanten Regelungen dieser Gesetzgebung vorgehalten, dass er sich im Dezember 2011 nach Ablehnung seines Asylantrages aus der Aufnahmeeinrichtung abgesetzt habe. Der UNHCR führe in seinem Bericht aus, dass er mit Besorgnis registriert habe, dass die Novellierung der EU-Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen zuerst im Hinblick auf die Bestimmungen zur Inhaftierung von Asylbewerbern umgesetzt würden. Nach dem Bericht seien die Inhaftierungsgründe auch viel zu unbestimmt und es bestünde der Verdacht, dass das vorrangige Ziel der Gesetzesänderung die Verringerung der Zahl der Asylanträge sei. Ein weiterer Grund für Besorgnis sei, dass Asylbewerber nach den neuen Bestimmungen bezüglich ihrer Inhaftierung schärferen gesetzlichen Bedingungen als Personen in Migrationshaft ausgesetzt seien, die kein Asyl beantragt hätten. Schließlich werde große Besorgnis im Hinblick auf die Effizienz der gerichtlichen Kontrolle in Ungarn bezüglich der Verhängung und Verlängerung von Abschiebungshaft zum Ausdruck gebracht. Weiterhin sei auch zu beachten, dass ihm nach dem Bericht von Pro Asyl bei Erlangung eines Schutzstatus längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem drohe. Die entsprechenden Ausführungen stünden in Einklang mit denjenigen des UNHCR in seinem Bericht von April 2012.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

13

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

14

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes des Klägers vom 10. Mai 2013 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Eine solche erhebliche Änderung der Sachvortrags lag nicht vor.

15

Die Anfechtungsklage des Klägers ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

16

Der Asylantrag des Klägers ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig. Ungarn ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Abl Nr. L 50 S. 1) Dublin-II-VO - in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl Nr. L 222 S. 3) der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.

17

Die Verpflichtung Ungarns ist unstreitig weder nach den einschlägigen Regelungen der Dublin-II-VO erloschen noch hat nach diesen Regelungen ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte oder einen anderen Staat stattgefunden.

18

Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zuständig.

19

Danach kann abweichend von Absatz 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen (Satz 2). Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat zu der Reduzierung des in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO enthaltenen Ermessensspielraums entschieden, dass zwar die Vermutung gelte, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass eine ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar sei. Nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat oder jeder Verstoß gegen einzelne Bestimmungen der einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien berühre die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten. Wenn dagegen dem Mitgliedstaat einschließlich der nationalen Gerichte nicht unbekannt sein könne, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden, obliege es ihnen, keine Überstellung vorzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, sei in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne (so EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, zit. nach JURIS, Rdnr. 80 ff.).

20

Es ist aber nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asyl(folge)verfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 22. April 2013 - Au 6 S 13.30099 -; VG Regensburg, Urt. v. 8. Februar 2013 - RO 4 K 11.30204 -; VG Potsdam, Beschl. v. 26. Februar 2013 - 6 L 50/13.A -; VG Trier, Beschl. v. 15. Januar 2013 - 5 L 51/13.Tr -, jeweils zit. nach JURIS).

21

Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Mängel in der Anwendung des einschlägigen ungarischen Asyl- und Ausländerrechts, insbesondere hinsichtlich der Behandlung sog. Dublin-Rückkehrer, sind durch die im November 2012 erfolgte Verabschiedung umfangreicher Gesetzesänderungen in hinreichender Weise abgestellt worden. Der Senat folgt insoweit den detaillierten Angaben des Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der als Liaisonmitarbeiter beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt ist, und denen der Kläger nicht widersprochen hat. Auch in einem Bericht vom Dezember 2012 führt der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen - UNHCR - aus, dass Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert werden und die Möglichkeit erhielten, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Soweit das VG Hannover in einem Beschluss vom 18. März 2013 (- 1 B 2448/13 -) eine abweichende Einschätzung vorgenommen hat, verwies das Gericht unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des VG Ansbach vom 7. Januar 2013 (- AN 11 E 13.30006 -) lediglich darauf, es handele sich bei den Gesetzesänderungen nach einem Bericht des UNHCR von April 2012 um einen Regelungsentwurf und damit sei erst recht noch keine Änderung in der Praxis eingetreten. Diese Einschätzung, der auch das Verwaltungsgericht (Beschl. v. 11. April 2013 - 9 B 140/13 -, zit. nach JURIS) folgt, ist inzwischen überholt.

22

Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung.

23

Ohne Erfolg macht er geltend, ab 1. Juli 2013 in Ungarn geltende Bestimmungen führten möglicherweise zu seiner Inhaftierung für bis zu sechs Monaten. Abgesehen davon, dass diese Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten sind und nicht hinreichend feststeht ist, ob sie auf den Kläger überhaupt anwendbar sind, ist schon nach den insoweit maßgebenden Kriterien zum Ausmaß der Beeinträchtigungen von Grundrechten der Asylbewerber (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 81, 87 89; Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, zit. nach JURIS, Rdnr. 113 sowie in dem Verfahren C-4/11, zit. nach CURIA, Rdnr. 61; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408) und dem dazu zu fordernden Umfang der Erkennbarkeit (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 89, 106; Schlussanträge in dem Verfahren C4/11, zit. nach EU-CURIA, Rdnr. 61) weder dargelegt noch sonst hinreichend ersichtlich, dass die geplanten Regelungen zu systemischen Mängeln i.S.d. Rechtsprechung des EuGH führen. Weder in der vom Kläger übermittelten Stellungnahme des Helsinki-Komitees noch in dem von ihm angeführten Bericht des UNHCR von April 2013 wird geltend gemacht, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern nach den geplanten Regelungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Auch wurde nicht behauptet, dass es sich dabei um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in dem Bericht des UNHCR gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle. Hinreichende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass der UNHCR hinsichtlich der Unbestimmtheit der Regelungen, der Effizienz der gerichtlichen Kontrolle und der Vergleichbarkeit mit Personen in Migrationshaft, die kein Asyl beantragt hätten, (große) Besorgnis zum Ausdruck bringt. Dass Haftbedingungen bestehen, welche die auf Grund der geplanten Regelungen inhaftierte Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen (vgl. auch EGMR, Urt. v. 21. Januar 2011 30696/0 -, NVwZ 2011, 413, 414), ist ebenfalls weder dargelegt noch sonst ersichtlich, insbesondere nicht in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet gerade nicht mehr statt.

24

Soweit der Kläger darauf verweist, es drohten "bei Erlangung eines Schutzstatus in Ungarn längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem", ergibt sich schon aus den von ihm angeführten Stellungnahmen des UNHCR und von Pro Asyl nicht, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass Asylbewerber in Ungarn insoweit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (vgl. auch EGMR, Entscheidung v. 2. April 2013 - 27725/10 -, zit. nach HUDOC zu Italien) ausgesetzt sind.

25

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit seinen Einwendungen geltend machen will, ihm selbst drohe bei einer Überstellung nach Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und eine solche Einzelfallbetrachtung im Rahmen der Prüfung eines Selbsteintritts gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-VO für notwendig erachtet (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, a.a.O., Rdnr. 112; Marx, NVwZ 2011, 409, 411 ff.; vgl. auch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der vom EuGH dargelegten Bedeutung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des diesem zugrunde liegenden Vertrauensgrundsatzes (vgl. Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 75, 83 ff.) müsste eine solche Einzelfallbetrachtung denselben Prüfungsmaßstäben genügen wie der Nachweis systemischer Mängel. Nach den oben getroffenen Feststellungen ist aber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auch im (Einzel)Fall des Klägers weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich.

26

Offen bleiben kann danach, welche subjektiven Ansprüche der Kläger überhaupt aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO herleiten kann (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-4/11, a.a.O.. Rdnr. 72 ff.).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge pakistanischer Staatsangehöriger, der über Griechenland - wo er mehrere Jahre lebte -, Italien und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sein will und der am 23. Oktober 2013 Asylantrag stellte.

Nach der Feststellung eines „EURODAC-1“-Ergebnisses am 9. Oktober 2013 ersuchte die Beklagte die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 um Wiederaufnahme. Die zuständige ungarische Behörde erklärte mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages, nachdem der Kläger dort bereits am 10. September 2013 Asylantrag gestellt hatte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Januar 2014 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig (Nr. 1). Die Abschiebung nach Ungarn wurde angeordnet (Nr. 2).

Durch Schriftsatz vom 21. Januar 2014, eingegangen am selben Tag, erhob die Klägerbevollmächtigte Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes vom ... Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte zur Durchführung eines Asylverfahrens zu verpflichten.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass in Ungarn systemische Mängel bei der Durchführung der Asylverfahren und bei der Unterbringung bestünden.

Dem mit Klageerhebung gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gab das Gericht durch Beschluss vom 27. Januar 2014 statt und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an (M 23 S 14.30074).

Das Gericht hat nach Abhaltung eines Erörterungstermins in sämtlichen älteren bei dem Berichterstatter anhängigen Parallelverfahren mittels Beschluss vom 7. August 2014 Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amtes und von „Pro Asyl“, die vom 21. November 2014 und 2. März 2015 (Auswärtiges Amt) bzw. vom 31. Oktober 2014 (Pro Asyl) datieren. Das Gericht hat den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Klägerbevollmächtigte äußerte sich schriftsätzlich am 7. April und 6. Mai 2015.

Durch Beschluss vom 20. April 2015 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Die Parteien verzichteten auf mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO) und die das Gericht sachdienlich als (reines) Anfechtungsbegehren auslegt (§ 88 VwGO), ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger demzufolge nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Die Bestimmung des zuständigen Staates richtet sich nach der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl L 50/1) - Dublin-II-VO -, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das an Ungarn gerichtete Gesuch um Wiederaufnahme des Klägers vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO (VO (EU) Nr. 604/2013)).

Die Voraussetzungen für eine Feststellung nach § 27a AsylVfG (Nr. 1 des angefochtenen Bescheides) sind gegeben. Der Kläger hat bereits in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Ungarn ist somit gemäß Art. 3 Dublin-II-VO verpflichtet, den Kläger nach Maßgabe der Art. 16 Abs. 1, 20 Abs. 1 b und d Dublin-II-VO wieder aufzunehmen. Das Bundesamt hat das Wiederaufnahmegesuch am 21. Oktober 2013 gestellt. Die ungarische Behörde hat am 24. Oktober 2013 der Wiederaufnahme zugestimmt, was gemäß Art. 20 Abs. 1d Dublin-II-VO die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person spätestens innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Erst nach Fristablauf geht die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte über. Diese Frist ist aufgrund der durch Beschluss vom 27. Januar 2014 angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klage (M 23 S 14.30074) noch nicht abgelaufen.

Ferner hat die Beklagte einen Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO ermessensfehlerfrei abgelehnt. Insbesondere ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht ersichtlich, dass eine Überstellung unmöglich ist. Das wäre dann der Fall, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller im zuständigen Mitgliedsstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EUGRCh - mit sich bringen. Nach der zur Rechtslage unter der Dublin-II-VO ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417/419 Rn. 80) gilt eine widerlegbare Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat mit den Erfordernissen der EUGRCh sowie der Genfer Flüchtlingskonvention - GF - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - in Einklang steht. Die Vermutung ist dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsmängel regelhaft so defizitär sind, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 - S. 7). An diese Feststellung sind hohe Anforderungen zu stellen (OVG Lüneburg v. 18.03.2014 - 13 LA 75/13 - juris Rn. 14). Einzelne Missstände, wie solche von Klageseite geschildert wurden, stellen noch keine systemischen Schwachstellen dar. Diese liegen vielmehr erst dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedsstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn der Mitgliedsstaat während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG NRW v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126). Es besteht allerdings keine allgemeine Verpflichtung, jedermann mit einer Wohnung zu versorgen, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (OVG NRW, a. a. O., Rn. 118 f. m. w. N.).

Es liegen nach den aktuellen Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn über ihren Asylantrag sachlich noch nicht entschieden worden ist (EGMR v. 03.07.2014 - 71932/12, Rn. 72, 73; VG Düsseldorf v. 20.03.2015 - 13 K 501/14.A, Rn. 133 bei juris; VG Düsseldorf v. 15.04.2015 - 13 L 1259/15.A, Rn. 120 bei juris; VG Düsseldorf v. 11.05.2015 - 22 L 1329/15.A, Rn. 110 bei juris). Das Verfahren wird in Ungarn nach Rückkehr fortgeführt bzw. wiederaufgegriffen. Das neue Asylbegehren wird dann wie ein Erstverfahren behandelt, d. h. der Antragsteller kann insbesondere seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen und erhält ein Aufenthaltsrecht in Ungarn während der Dauer des Asylverfahrens (Auskunft Auswärtiges Amt (AA) an die erkennende Kammer v. 02.03.2015, zu Frage 2; Auskunft von Pro Asyl an die erkennende Kammer v. 31.10.2014, zu Frage 2.; Auskunft AA an VG München v. 04.07.2014, zu Frage 4; Auskunft des AA an VG München v. 19.11.2014, zu Frage b.; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2014, S. 20; vgl. auch bereits Auskunft AA an VG Augsburg v. 23.05.2013, zu Frage 1; vgl. auch VG Regensburg v. 10.04.2015 - RO 1 S 15.50123, Rn. 30 bei juris).

Asylbewerber haben in Ungarn im Rahmen der materiellen Aufnahmeleistungen Zugang auch zur medizinischen Versorgung. Dadurch werden notwendige medizinische Behandlungen abgedeckt; der Umfang entspricht der medizinischen Gratisversorgung für legal im Land lebende ausländische Staatsangehörige. Asylbewerber haben ein Recht darauf, von Allgemeinärzten untersucht und behandelt zu werden. Die ungarische Gesetzeslage sieht vor, dass Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen medizinische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante und stationäre psychologische Versorgung oder psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch nehmen können, die gesundheitlich geboten sind (Auskunft AA an die erkennende Kammer v. 02.03.2015, zu Frage 4; AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions /C. Health Care, S. 49 f.; insbesondere zur Behandlung psychisch kranker Asylbewerber in Ungarn resp. „Dublin-Rückkehrer“: Auskunft AA an VG München v. 04.07.2014, zu Fragen 1 - 3). Die Versorgungslage in Aufnahmeeinrichtungen im Übrigen gibt keinen Anlass zur Annahme systemischer Mängel am Maßstab von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK (vgl. auch Auskunft AA an die erkennende Kammer v. 02.03.2015, zu Frage 3). Asylbewerber, die in Aufnahmezentren untergebracht sind, erhalten Unterkunft und Verpflegung sowie einen monatlichen Geldbetrag für Körperpflegeprodukte und Taschengeld (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions /A. 2. Forms and levels of material reception conditions, S. 41).

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung stand in jüngster Zeit im Wesentlichen noch die ungarische Praxis der Inhaftierung Asylsuchender im Blickpunkt der rechtlichen Bewertung. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EUGRCh legen dem Staat die Verpflichtung auf, sich zu vergewissern, dass ein Gefangener unter Bedingungen festgehalten wird, die mit der Achtung seiner Menschenwürde vereinbar sind, dass die Haftbedingungen ihm nicht Leiden oder Härten auferlegen, die das mit der Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigen und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse der Haft angemessen sichergestellt werden. Zu den zu berücksichtigenden Umständen zählen beispielsweise die räumliche Unterbringung, eine mögliche Überbelegung, die Möglichkeit, den Raum zeitweise verlassen zu können, Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen, eine hinreichende Ernährung, die hygienischen Verhältnisse, das Vorhandensein sanitärer Einrichtungen und eine angemessene Versorgung bei Erkrankungen (zum Ganzen: EGMR v. 22.07.2010 - 12186/08, Rn. 55 ff., NVwZ 2011, 418; EGMR v. 21.01.2011 - 30696/09, Rn. 220, NVwZ 2011, 413; VG Magdeburg v. 24.02.2015 - 9 B 144/15; Rn. 14 bei juris; VG Aachen v. 26.02.2015 - 5 L 54/15.A, Rn. 27 ff. bei juris, m. w. N.). Sind die Mitgliedstaaten aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, kommt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EUGRCh ein besonderes Gewicht zu (vgl. z. B.: VG Magdeburg v. 24.02.2015 a. a. O., Rn. 14 bei juris; VG Düsseldorf v. 16.06.2014 - 13 L 141/14, Rn. 59 bei juris unter Bezugnahme u. a. auf EGMR v. 21.01.2011 - 30696/09, Rn. 250, 265, NVwZ 2011, 413 ff.).

Das Auswärtige Amt hat sich insofern bereits im Jahr 2013 in zwei Stellungnahmen zur ungarischen Asylgesetzgebung und -praxis geäußert (Auskunft an VG Augsburg v. 23.05.2013 und an den BayVGH v. 09.07.2013), wonach sich die Situation in Ungarn erheblich verbessert habe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kommt bereits in seiner Entscheidung vom 6. Juni 2013 (Mohammed gegen Österreich, Nr. 2283/12, InfAuslR 2014, 197 ff.) zu dem Ergebnis, dass der dortige Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-Regelungen nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliegen würde, einer den Art. 3 EMRK verletzenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Der Gerichtshof hat hierzu umfangreich Stellungnahmen von UNHCR und anderer Stellen ausgewertet. Gestützt wird dieses Ergebnis auch durch die Erkenntnis des Österreichischen Asylgerichtshofes vom 9. Juli 2013 (S 21 436096-1/2013 - RIS; abrufbar unter www.ris.bka.gv.at). Dieser hat ausdrücklich festgestellt, dass in Ungarn am 1. Januar 2013 ein überarbeitetes Asylgesetz in Kraft getreten ist, das die nötigen Verbesserungen gebracht habe, weshalb nicht erkannt werden könne, „dass im Hinblick auf Asylbewerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt werden, aufgrund der ungarischen Rechtslage oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden, so dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne einer realen Gefahr für den Einzelnen bestehen würde“. In seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (Rs C-394/12) problematisiert im Übrigen auch der Europäische Gerichtshof die Aufnahmebedingungen in Ungarn nicht näher, obwohl es in dem dort entschiedenen Fall um Rückführungen von Asylbewerbern nach Ungarn im Dublin-Verfahren ging (vgl. insbes. dort Rn. 60, 61).

An diesen Erkenntnissen und Bewertungen aus dem Jahr 2013 hat sich zwischenzeitlich auch nichts geändert (wie hier, z.T. bereits zur Dublin-III-VO, exemplarisch aus der neueren Rechtsprechung: BayVGH v. 12.06.2015 - 13a ZB 15.50097; VG München v. 20.05.2015 - M 1 S 14.50568 u. a.; VG München v. 30.03.2015 - M 12 S 15.50022, Rn. 33 ff. bei juris; VG München v. 18.03.2015 - M 12 S 15.50040, Rn. 37 ff. bei juris; VG München v. 15.01.2015 - M 12 14.30500; VG Augsburg v. 10.04.2015 - Au 2 S 15.50197, Rn. 23 ff. bei juris; VG Augsburg v.01.04.2015 - Au 2 S 15.50171, Rn. 21 ff. bei juris, VG Würzburg v. 21.03.2014 - W 1 S 14.30147, Rn. 19 - 21 bei juris; VG Regensburg v. 10.04.2015 - RO 1 S 15.50123, Rn. 28 ff. bei juris; VG Regensburg v. 19.05.2015 - RO 4 K 14.50346, Rn. 33, 34 bei juris; VG Regensburg v. 20.02.2015 - RN 3 K 14.50264, Rn. 33 ff. bei juris; VG Ansbach v. 06.02.2015 - AN 14 K 14.50206. Rn. 25 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 13.04.2015 - 8 L 94/15.A, Rn. 17 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 01.04.2015 - 13 L 1031/15.A, Rn. 21 ff. bei juris; VG Düsseldorf v. 20.03.2015 - 13 K 501/14.A, Rn. 50 ff. bei juris; a.A. exemplarisch: VG Bremen v. 02.04.2015 - 3 V 123/15, juris). Dass insbesondere aufgrund der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Neuregelungen und ihrer Umsetzung das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist nach zwischenzeitlich zweijähriger Geltungszeit der Neuregelungen zur ungarischen Asylhaft und ihrer praktischer Anwendung nicht ersichtlich.

In seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Rechtslage (v.a. §§ 31/A, 31 /B und 31/C Asylum Act Hungary) verneint (vgl. insbesondere Rn. 68 bis 70). Zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung unterliege ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK verletzen würde (vgl. hierzu auch BayVGH v. 12.06.2015 - 13a ZB 15.50097; Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report „Following his visit to Hungary from 1 to 4 July 2014“ v. 16.12.2015, Rn. 153). An der schon im Urteil vom 6. Juni 2013 (a. a. O.) getroffenen Bewertung werde festgehalten. Seither seien keine neuen Umstände bekannt geworden, die nunmehr zu dem Schluss führen könnten, dass das ungarische Asyl- und Asylhaftsystem systemische Mängel aufweise und dass für den Antragsteller die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestehe (Rn. 74 f.). Zwar zeigten Länderberichte, dass es noch eine Praxis der Inhaftierung von Asylbewerbern gebe und auch Dublin-Rückkehrer davon betroffen wären. Auch seien die Haftgründe vage formuliert und es gebe kein spezielles Rechtsmittel gegen Asylhaft. Aus den Berichten würde sich allerdings auch ergeben, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe und jetzt im Gesetz Alternativen zur Haft vorgesehen seien. Die Höchstdauer des Gewahrsams sei auf sechs Monate beschränkt. Hinsichtlich der Haftbedingungen sei anzumerken, dass es zwar immer noch Berichte über Mängel gebe, in einer Gesamtschau aber von Verbesserungen auszugehen sei (Rn. 68). Erneut weist der Gerichtshof darauf hin, dass sich auch der UNHCR bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (Rn. 69). Zudem verweist er in seiner Entscheidung im Übrigen ausdrücklich auf die Stellungnahmen von AIDA und des Ungarischen Helsinki Committees (Rn. 33 ff.).

(Auch) unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung des EGMR hat nunmehr der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Juni 2015 (13a ZB 15.50097 - juris) die Bewertung der Vorinstanz (VG München v. 15.01.2015 - M 12 K 14.30500) geteilt, wonach in Ungarn am (hier einschlägigen) Maßstab von Art. 4 EUGRCh keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufenthaltsbedingungen für Asylsuchende bestehen.

Weiter kommt dem Umstand, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen, eine besondere Indizbedeutung zu. Denn die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtenden - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-528/11; VG München v. 20.05.2015 - M 1 S 14.50568 u. a., Rn. 15 bei juris).

Auch der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 wieder Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehrer häufig bis regelmäßig inhaftiert werden (Auskunft des UNHCR an das VG Düsseldorf v. 30.09.2014 zu Frage 3, S. 2; Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014 zu Frage 3 b, S. 2; AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Detention of Asylum Seekers /B. Ground for detention, S. 52 ff.; s. auch Hungarian Helsinki Committee, Briefing paper of the Hungarian Helsinki Committee für the Working Group on Arbitrary Detention, 8. October 2013, S. 17 f.), begründet noch keinen Anhalt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems mit Blick auf Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK. Durch die Änderungen des ungarischen Asylsystems zum 1. Juli 2013 wurden umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention, in das ungarische Asylrecht aufgenommen. Solange Asylhaft nicht nur wegen der Durchführung des Asylverfahrens erfolgt - vgl. Art. 8 Abs. 1 der RL 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL) -, stellt diese dem Grunde nach keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK dar. Eine - für maximal sechs Monate zulässige - Inhaftierung ist u. a. möglich zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit des Antragstellers, nach dessen Untertauchen oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens oder wenn dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Antragsteller seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat (zu den Haftgründen für die sog. Aslyhaft vgl. auch Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014 zu Frage 4). Die Haftgründe des ungarischen Rechts entsprechen im Wesentlichen den in der Europäischen Union zulässigen Haftgründen in Art. 8 Abs. 3 AufnahmeRL und sind damit dem Grunde nach zulässig (vgl. VG München v 20.05.2015 - M 1 S 14.50568, Rn. 14 bei juris, unter Bezugnahme auf EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-534/11, NVwZ 2013, 1142 ff.; VG Düsseldorf v. 20.03.2015 - 13 K 501/14.A, Rn. 83 ff. bei juris; v. 01.04.2015 - 13 L 1031/15.A, Rn. 57 ff. bei juris; v. 11.05.2015 - 22 L 1329/15.A, Rn. 60 ff. bei juris). Entsprechend den Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL darf eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Die Haft ist u. a. zu beenden, wenn der Haftgrund entfallen ist, soll die Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden, ggf. unter Trennung von Männern und Frauen sowie von Familien mit Minderjährigen von sonstigen Bewohnern) und wird die zulässige Höchstdauer von Asylhaft begrenzt (zunächst 72 Stunden mit Verlängerungsmöglichkeiten, maximal auf insgesamt 6 Monate), woraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt (vgl. auch Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 11; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 13). Familien mit Minderjährigen dürfen nur als ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus besteht die begrenzte Möglichkeit, gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen (hierzu und zu weiteren Einzelheiten exemplarisch VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 85 bei juris). Die Haftanordnung ergeht in Ungarn gegenüber den betroffenen Asylsuchenden in Übereinstimmung mit Art. 9 Abs. 2 AufnahmeRL schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Haftgründe und unter verbaler Übersetzung (Auskunft von Pro Asyl an VG München v. 30.10.2010, zu Frage 1; zur Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 2 EMRK: VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 112 ff. bei juris, m. w. N.).

Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden die gesetzlichen Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern - speziell Dublin-Rückkehrern - nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch /systematisch nicht beachten (ebenso VG Düsseldorf v. 20.03.2015 - 13 K 501/14.A; VG München v. 18.03.2015 - M 12 S 15.50040; VG München v. 20.05.2015 - M 1 S 14.50568). Es erscheint angesichts der hohen Zahl an Asylbewerbern, die sich dem Asylverfahren in Ungarn entziehen und in anderen Staaten der Europäischen Union entgegen den Regelungen der Dublin-II oder Dublin-III-Verordnung einen weiteren Asylantrag stellen, nicht ausgeschlossen, dass bei der tatsächlichen Zahl der inhaftierten Asylantragsteller in Ungarn tatsächlich Fluchtgefahr gem. Art. 8 Abs. 3 b) AufnahmeRL besteht (s.o. VG München v. 18.03.2015 - M 12 S 15.50040, Rn. 41 bei juris).

Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass die Inhaftierung speziell von Dublin-Rückkehrern in der Praxis unter systematischem Verstoß gegen das Einzelfallprüfungsgebot (Art. 8 Absatz 2 AufnahmeRL) angeordnet wird. Auch wenn die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt (Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 9, S. 8; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 6), lässt sich daraus nicht bereits ableiten, dass eine Einzelfallprüfung auch tatsächlich nicht stattgefunden hat. Vielmehr erscheint es dem Gericht - in Übereinstimmung mit dem VG Düsseldorf (exemplarisch Urt. v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 99 ff. bei juris) - speziell bei Dublin-Rückkehrern nachvollziehbar, dass die Haftanordnungen größtenteils inhaltlich identisch aussehen und von einer individuellen Begründung absehen, da dann regelmäßig auf den Haftgrund der Fluchtgefahr rekurriert werden kann, was vor dem Hintergrund, dass die Dublin-Rückkehr sich bereits einmal dem Asylverfahren in Ungarn entzogen haben, nicht willkürlich erscheint. Zudem sind auch einige Fälle belegt, in denen die Haftanordnung individuelle Besonderheiten berücksichtigt und in denen Haftalternativen ausdrücklich eruiert worden sind (Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 10; speziell für Familien und besonders schutzbedürftige Personen, die in der Regel nicht inhaftiert werden: Auskunft des UNHCR an das VG Düsseldorf v. 30.09.2014, zu Frage 6). Daraus geht hervor, dass die gesetzlich vorgesehenen Haftalternativen in der Praxis - wenn auch in Ausnahmefällen - tatsächlich angewendet werden. Die geringe Anzahl von Fällen, in denen eine Kaution angeordnet wurde, überrascht dabei nicht, da Asylsuchende in der Regel nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen, um eine Kaution bezahlen zu können (VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 109, 110; vgl. auch: Auskunft von Pro Asyl an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014 a. a. O.; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 11).

Soweit in der ungarischen Haftpraxis über die ausdrücklich geregelten Tatbestandsvoraussetzungen hinaus auf weitere Haftgründe zurückgegriffen wird, die nicht unter die im Asylum Act genannten Haftgründe fallen, wie z. B. „unrechtmäßiger Aufenthalt“, „irreguläre Einreise“, „Fehlen ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts“, „Fehlen von Verbindungen nach Ungarn“ (vgl. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 9; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2014, S. 6 ff.), ist - unabhängig von der Frage, inwieweit diese Haftgründe tatsächlich bei Dublin-Rückkehrern angewendet werden - insofern zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei Dublin-Rückkehrern tragfähige Anhaltspunkte dafür bestehen, die die dann häufige bis regelmäßige Einschlägigkeit und Heranziehung des auch in der AufnahmeRL aufgeführten Haftgrunds der Fluchtgefahr belegen. Im Übrigen lässt sich nicht allein aus einer etwaigen europarechtswidrigen Annahme eines Haftgrundes ohne Weiteres auf das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EUGRCh schließen. Entscheidend ist vielmehr, dass das ungarische Recht den Asylbewerbern in solchen Fällen ermöglicht, sich gegen eine unrechtmäßige Inhaftierung zu wehren. (Auch) insofern bezieht sich das Gericht auf die Ausführungen des VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 91 ff. (Rechtsbehelfe Inhaftierung), die es sich zu Eigen macht.

Ferner sind den vorliegenden Auskünften (vgl. z. B. Auskunft von Pro Asyl an VG Düsseldorf v. 31.10.2014, zu Frage 5 b bis f; Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf v. 30.09.2014, zu Frage 5 b bis f; Auskunft des AA an VG München v. 19.11.2014, zu Frage b; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2015, S. 15 ff.) auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Bedingungen inhaftierter Asylbewerber in Ungarn zu einer systematischen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen, auch wenn bisweilen Defizite in den Haftbedingungen festgestellt werden konnten (vgl. auch insofern BayVGH v. 12.06.2015 - 13a ZB 15.50097, Rn. 5 der Beschlussausfertigung). In den vorzitierten Erkenntnisquellen wird vielmehr ausgeführt, dass die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Versorgung) in Ungarn auch während der Asylhaft in einer noch zumutbaren Weise erfüllt werden (zum Ganzen auch: VG Düsseldorf v. 20.03.2015 a. a. O., Rn. 121 ff. bei juris; VG Aachen v. 26.02.2015 - 5 L 54/15.A, Rn. 60 ff. bei juris, VG München v. 20.05.2015 a. a. O.; VG München v. 30.03.2015 - M 2 K 15.50224; VG Augsburg v. 02.02.2015 - Au 2 S 15.50041, Rn. 28 bei juris). So können sich die Asylsuchenden tagsüber frei bewegen, eine ausreichende medizinische und sonstige Versorgung ist gewährleistet, Freizeiteinrichtungen sind vorhanden. Rechtlicher Beistand wird ebenfalls gewährleistet. Dass die hygienischen Einrichtungen in Teilbereichen defizitär sein mögen und die Art der Ernährung wenig befriedigend sein mag, wie dies im Übrigen auch bei einem nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass die Haftbedingungen generell nicht menschenwürdig sind. Solange die hygienischen Standards keine Gefahren für die Gesundheit begründen und die Qualität der Ernährung keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, können die Haftbedingungen nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenrechtsgemäße Schlechterbehandlung angesehen werden. Es mag zwar im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Asylsuchenden in Ungarn - wie in anderen Ländern auch - in Einzelfällen Verstöße gegen die entsprechenden rechtlichen Vorgaben geben. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass diese systemisch bedingt sind. Einzelfälle von Misshandlungen, wie sie etwa von Pro Asyl (in der Auskunft an die erkennende Kammer v. 31.10.2014, zu Frage 1) und im Bericht des Hungarian Helsinki Comitees („Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary“, May 2014, S. 18) genannt werden, lassen daher keine Rückschlüsse auf systemische Mängel zu. Mehr als eine Einzelfallimpression kann hierdurch nicht belegt werden (VG Regensburg v. 20.02.2015 - RN 3 K 14.50264, Rn. 49 bei juris).

Sollte der Kläger bei Rückkehr nach Ungarn nicht in Asylhaft genommen werden, sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel mit Blick auf Art. 4 EUGRCh wegen drohender Obdachlosigkeit ersichtlich. Es ist im gesamten vergangenen Jahr 2014 kein Fall bekannt, in dem einem Asylsuchenden - etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen - in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Reception Conditions /A. 3. Types of accommodation, S. 43; vgl. bereits den vorangegangenen AIDA-Report, Stand 30. April 2014, S. 40; VG Gelsenkirchen v. 10.04.2015 - 18a L 453/15.A, Rn. 61 ff. bei juris).

Auch für den Fall, dass der Kläger in Ungarn nach dem dortigen Abschluss des Verfahrens Flüchtlingsschutz bzw. einen subsidiären Schutzstatus erhalten sollte, bestehen gegen eine Rückführung dorthin keine Bedenken. Das Gericht geht zwar davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Asylbewerber und subsidiär Schutzberechtigte schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonotoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Oktober 2013, S. 16 ff.). Diese stellen sich aber - auch unter Berücksichtigung von gesetzlichen Integrationsleistungen (Auskunft AA an die erkennende Kammer v. 02.03.2015, zu Frage 3) - als nicht so gravierend dar, dass diese entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGRCh zur Folge hätten (VG Münchenv. 30.03.2015 - M 12 S 15.50022, Rn. 43, 44 bei juris; VG München v. 30.03.2015 - M 12 S 15.50038, Rn. 44, 45 bei juris). Von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Speziell im Fall des Klägers als alleinstehendem, gesundem und arbeitsfähigem jungen Mann sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine besondere Bewertung erforderten.

Sollte der Asylantrag des Klägers in Ungarn in der Sache abgelehnt werden, wäre der Kläger noch bis zur Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung berechtigt, in offenen Unterbringungseinrichtungen Aufenthalt zu nehmen; nach unanfechtbarer Ablehnung bestünde noch zwei Monate Anspruch auf Unterkunft und Basisversorgung nach den Regelungen des ungarischen Asylgesetzes. Es verbleibt dann nur die Berechtigung, in den öffentlichen Notunterkunftsplätzen des jeweiligen Komitats Aufenthalt zu nehmen und zur kostenfreien Notfallversorgung der öffentlichen Gesundheitszentren (vgl. Auskunft AA an die erkennende Kammer v. 02.03.2015, zu Frage 3). Entsprechendes gilt für den Fall eines Folgeantrags. Es ist nicht ersichtlich, dass der ungarische Staat Asylsuchende im Folgeverfahren generell oder regelmäßig über einen unabsehbar langen Zeitraum sich selbst überlässt und sie - ohne Aussicht auf Verbesserung ihrer Lage - im Sinne eines systemischen Mangels mit Blick auf Art. 4 EUGRCh /Art. 3 EMRK hoffnungsloser, extremer materieller Armut aussetzen würde (VG Gelsenkirchen v. 10.04.2015 - 18a L 453/15.A, Rn. 69 ff. bei juris). Zudem folgt aus der bestandskräftigen Ablehnung die Ausreisepflicht in den Herkunftsstaat. Dass in der Situation einer vollziehbaren Ausreisepflicht nach bestandskräftiger Ablehnung des Asylantrags in Ungarn oder bei Folgeantragsstellern, deren Antrag als offensichtlich unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurde, unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Auskunft AA an die erkennende Kammer v. 02.03.2015, zu Frage 1; Auskunft AA an VG Augsburg v. 23.05.2013, zu Frage 2) auch Abschiebehaft in Betracht kommt (AIDA Country Report Hungary, Stand: 17.02.2015, Detention of Asylum Seekers /B. Grounds for detention, S. 52 f.; vgl. auch VG München v. 18.03.2015 - M 12 S 15.50040, Rn. 52 f.; VG Regensburg v. 10.04.2015 - RO 1 S 15.50123, Rn. 32 ff. bei juris), begründet für sich keine „systemischen Mängel“ des Asylverfahrens bzw. der Unterbringungsbedingungen am Maßstab von Art. 4 EUGRCh, da Haft in dieser Situation typischerweise der Sicherung der sich abzeichnenden Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat dient.

Eine abweichende Bewertung erfordert auch nicht die Auswertung der übrigen Erkenntnisse der Beweiserhebung des erkennenden Gerichts durch Auswärtiges Amt und Pro Asyl im Hinblick auf die im jeweiligen Anschreiben vom 8. August 2014 genannten und über die Beweisthemen des VG Düsseldorf hinausgehenden Fragestellungen, die für sämtliche Verfahren einheitlich erfolgte. Insbesondere weisen die von Pro Asyl erteilten weiteren Auskünfte zu Frage 2 (Lage bei Dublin-Rückkehrern: negative Entscheidung über Asylantrag in Abwesenheit) und 4 (Belange schutzbedürftiger Personen) weisen in der vorzufindenden Fallkonstellation geringe eigene Relevanz auf, so dass eine Abweichung von oben getroffener Bewertung nicht veranlasst ist. Die Auskunft zu Frage 1 (Abschiebungshaftpraxis/Inhaftierung von Familien und Kindern) enthält im Ergebnis eine rechtliche Bewertung (vgl. hierzu im Übrigen oben).

Schließlich hält die oben getroffene Bewertung auch der gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG zu beachtenden aktuellen Entwicklung in Ungarn Stand:

Soweit in Ungarn künftig die Umsetzung der mit Wirkung zum 1. August 2015 beschlossenen Gesetzesänderungen im Raum steht, wonach beispielsweise bestimmte Länder als „sichere Drittstaaten“ behandelt werden könnten, wodurch eine Zurückweisung von Flüchtlingen möglich wäre, die beispielsweise über das Nachbarland Serbien nach Ungarn gelangt sind bzw. Verfahren in engen zeitlichen Rahmen eingestellt werden dürfen (vgl. etwa spiegelonline v. 06.07.2015, Ungarn verschärft Gesetz zur Aufnahme von Flüchtlingen), verbietet sich nach dem EU- Prinzips des gegenseitigen Vertrauens derzeit die Berücksichtigung der Entwicklung zu einem potentiell kritischen Rechtszustand. Es bliebe vielmehr zu beobachten, falls mögliche Verschärfungen im Umgang mit Asylsuchenden in die behördliche Praxis der Behandlung von sog. Dublin-Rückkehrern implementiert würden und falls/ob sich daraus systemische Schwachstellen ergäben. Für eine derartige Prognose bestehen derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte. Bis zu einer entsprechenden Feststellung aber gilt die widerlegbare Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat - auch in Ungarn, wie oben im Einzelnen dargestellt - mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang steht.

Schließlich ist im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, dass es in Bezug auf den Kläger um ein „Alt-Verfahren“ geht, bezüglich dessen sich Ungarn im Dublin-Verfahren ausdrücklich gegenüber der Beklagten zur Wiederaufnahme einverstanden erklärt hat. Eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 26a AsylVfG (Nr. 2 des angefochtenen Bescheids) darf dann ergehen, wenn der Zielstaat der Abschiebung einer Übernahme des Betroffenen zugestimmt hat (vgl. BVerfG v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2315/93, Rn. 156 bei juris).

Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.