Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Okt. 2018 - M 25 K 18.3791

bei uns veröffentlicht am24.10.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Ausweisung, die Ablehnung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die siebenjährige Wiedereinreisesperre.

Der am … … 1997 in … … geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina. Er verzog mit seiner Mutter am 5. März 1999 nach Bosnien-Herzegowina. Am 6. August 2008 kehrte der Kläger zusammen mit seiner Mutter im Rahmen des Familiennachzugs zu seinem Stiefvater in die Bundesrepublik zurück. In der Folgezeit erhielt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt bis 11. September 2013 verlängert wurde.

Am 5. September 2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Der Antrag wurde am 11. August 2015 zurückgenommen. Daraufhin wurde ihm eine Duldung erteilt, die zuletzt bis 13. Oktober 2016 verlängert wurde.

Am 13. Oktober 2016 beantragte der Kläger bei der dann zuständigen Stadt Ingolstadt eine Aufenthaltserlaubnis. Er sei bald Vater eines deutschen Kindes. Die Stadt Ingolstadt stellte daraufhin eine Fiktionsbescheinigung bis zum 9. Februar 2018 aus.

Am 9. Januar 2017 erkannte der Kläger die Vaterschaft für das deutsche Kind … … … …, das am 23. Dezember 2016 geboren wurde, an. Das Sorgerecht wurde dem Kläger nicht übertragen.

Seit 7. Februar 2017 lebt der Kläger nicht mehr mit der Kindsmutter zusammen. Am 10. Februar 2017 zeigte die Kindsmutter den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung an. Am 27. März 2017 stellte sie einen weiteren Strafantrag gegen den Kläger wegen Beleidigung.

Seit 15. August 2017 befindet sich der Kläger in Haft. Zuvor befand sich der Kläger vom 14. August 2015 bis 14. April 2016 in Haft. Zudem befand sich der Kläger vom 4. Mai 2017 bis 23. Mail 2017 in Untersuchungshaft.

Aus dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 15. Januar 2018 ergeben sich folgende strafrechtliche Verurteilungen:

1. Urteil des AG … … … … vom 8. Juli 2014: 6 Monate Jugendstrafe, Bewährungszeit 3 Jahre wegen gefährlicher Köperverletzung.

2. Urteil des AG … … … … vom 23. Juni 2015: Verurteilung zu 1 Jahr und 2 Monate wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der Freiheitsentzug endete am 14. April 2016, Rest der Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt bis 13. April 2019, Verlängerung der Bewährungszeit bis 13. April 2019.

3. Urteil des AG … … … … vom 23. Mai 2017: 2 Jahre Jugendstrafe wegen vorsätzlicher Köperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung. Einbezogen wurden die Verurteilungen vom 8. Juli 2014 und vom 23. Juni 2015.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt entweder am 20. Oktober 2016 oder wenige Tage zuvor und am 16. Dezember 2016 verletzte der Kläger in der Wohnung der Kindsmutter diese, indem er ihr mit der flachen Hand an den Arm schlug. Hierdurch erlitt die Kindsmutter ein Hämatom und nicht unerhebliche Schmerzen. Am 29. Oktober 2016 trat der Kläger mit seinem Fuß gegen die Luke des Backofens in der Wohnung der Kindsmutter, wodurch die Glasscheibe des Backofens zu Bruch ging. Ende Januar 2017 bedrohte der Kläger die Kindsmutter mit der Schere und äußerte, dass er diese umbringen wolle. Am 23. März 2017 beleidigte der Kläger die Kindsmutter telefonisch mit den Worten „Schlampe, Missgeburt“.

4. Urteil des AG … … … … vom 10. Oktober 2017: 3 Jahren Jugendstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung. Einbezogen wurden die Entscheidungen vom 8. Juli 2014, 23. Juni 2015 und 23. Mai 2017.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Kläger zusammen mit zwei anderen Jugendlichen am 24. Februar 2017 auf eine andere Gruppe Jugendlicher traf und es zu einer Schlägerei kam. Dabei trat der Kläger auf einen bereits am Boden liegenden Jugendlichen mit den Füßen im Rücken- und Kopfbereich ein. Dem Geschädigten gelang es, seine Arme schützend vor sein Gesicht zu halten. Der Kläger war bei der Tat alkoholisiert.

Nach Anhörung des Klägers wies der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2018 diesen aus (Ziff.1), ordnete den Sofortvollzug hinsichtlich der Ziffer 1 an (Ziff. 2) und lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff.3). Die Abschiebung unmittelbar aus der Haft wurde angedroht, die Ausreisefrist auf 1 Woche nach Haftentlassung festgesetzt und die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina oder einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, angedroht (Ziff. 4, 5). In Ziff. 6 wurde schließlich eine siebenjährige Wiedereinreisesperre festgesetzt.

Zur Begründung führte der Beklagte unter Verweis auf § 53 Abs. 1 AufenthG im Wesentlichen an, dass auf Grund der massiven Straftaten des Klägers und seiner hohen Rückfallgeschwindigkeit anzunehmen sei, dass er auch in Zukunft erheblich straffällig werde. Auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers würden die öffentlichen Belange, die eine Ausweisung erforderten, überwiegen.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,

den Bescheid vom 4. Juli 2018 aufzuheben.

Zudem beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung wiederherzustellen (M 25 S 18.3601).

Zur Begründung führte die Bevollmächtigte im Wesentlichen aus, dass den Kläger auf Grund seines langen Aufenthalts in Deutschland mit seiner Heimat nur noch das Band der Staatsangehörigkeit verbinde. Er sei von seinem Heimatstaat entfremdet. Zudem unterhalte er mit seiner Tochter eine dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende Beziehung. Er befinde sich zwar seit August 2017 in Strafhaft, jedoch habe er zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter bis zu seiner Inhaftierung am 15. August 2017 mit dieser zusammengelebt und sich um seine Tochter gekümmert. Es sei ihm daher möglich gewesen, eine Nähebeziehung aufzubauen. Dass der Kläger seine Tochter seit seiner Inhaftierung nicht mehr gesehen habe, liege nicht am Kläger, sondern vielmehr an der Kindsmutter, die jeglichen Kontakt verweigere.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2018 erwiderte der Beklagte und beantragte,

die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2018 wiederholten die Beteiligten die bereits schriftsätzlich gestellten Anträge. Zudem ergänzte die Bevollmächtigte des Klägers ihren Antrag dahingehend, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakten, die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Ingolstadt zu den Strafverfahren 32 Js 8049/17 und 26 Js 3720/17 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Kläger hat zudem keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und ist daher durch die Ablehnung des Antrags vom 4. Juli 2018 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Das siebenjährige Einreise- und Aufenthaltsverbot ist ebenfalls rechtmäßig ergangen (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

I.

Die Ausweisung des Klägers erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12) als rechtmäßig.

1. Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG, wonach ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen wird, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen am weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

a.) Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, da mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut erheblich straffällig wird. Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. zum Prognosemaßstab BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C10.12 - juris). Dabei sind unter anderem der konkrete, der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt, das Nachtatverhalten, der Verlauf der Haft und gegebenenfalls eine Therapie zu berücksichtigen.

Beim Kläger handelt es sich um einen jugendlichen Intensivtäter mit hoher Rückfallgeschwindigkeit und einen mehrfachen Bewährungsversager. Der Kläger begeht seit seinem 15. Lebensjahr Straftaten, vornehmlich Körperverletzungsdelikte mit zunehmender Intensität. Er ist bis zu seinem 19. Lebensjahr bereits fünfmal wegen Körperverletzungsdelikten, auch wegen gefährlicher Körperverletzung, verurteilt worden. In der Vergangenheit haben weder Bewährungsstrafen noch Haftstrafen positiv auf den Kläger einwirken können.

Der Kläger wurde bereits in den Jahren 2014 und 2015 wegen Körperverletzungsdelikten verurteilt. Der Kläger war bereits wegen des Urteils vom 23. Juni 2015 vom 14. August 2015 bis 14. April 2016 in Haft. Die dort berücksichtigten Straftaten beging er in offener Bewährung.

Die Haftstrafe vom 14. August 2015 bis 14. April 2016 und die sich daran anschließende Reststrafenbewährungszeit haben den Kläger ebenfalls nicht dazu bewogen, sein Verhalten zu ändern. Im Gegenteil ist der Kläger nach Aussagen der Zeugin Frau Pereira Ribeiro bereits kurz nach der Haftentlassung wiederum in offener Bewährung gegenüber ihr handgreiflich geworden. Der Kläger hat die Zeugin auch geschlagen, als sie mit dem gemeinsamen Kind hochschwanger war. Auch die Geburt der eigenen Tochter hat zu keiner Verhaltensänderung geführt.

Die Schlägerei am 24. Februar 2017 ereignete sich, nachdem die Zeugin den Kläger bei der Polizei wegen Körperverletzung angezeigt hat und der Kläger auf Grund der Vorladung von der strafrechtlichen Verfolgung wusste. Die Tat vom 24. Februar 2017 bewog die Staatsanwaltschaft zudem, den außer Vollzug gesetzten Haftbefehl in einem früheren Verfahren mit Beschluss vom 11. August 2017 wegen Wiederholungsgefahr wieder in Kraft zu setzen.

Die Historie zeigt, dass den Kläger bislang keine strafrechtliche Verurteilung und auch eine Haftstrafe nicht davon abgehalten haben, weitere Straftaten zu begehen.

Der Kläger ging bei seinen Taten auch mit besonderer und sich steigernder Brutalität vor. Der Kläger stand bei seinen Taten unter Alkohol und/oder Drogeneinfluss. Nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat er zu dieser Zeit täglich 2-3 Gramm Marihuana und an den Wochenenden Ecstasy konsumiert. Von Bedeutung ist auch, dass der Kläger losschlug, ohne von anderen angegriffen oder provoziert worden zu sein. Der Kläger schlug seine Freundin mehrfach, auch als sie mit dem gemeinsamen Kind hochschwanger war. Beim Vorfall am 24. Februar 2017 gingen der Kläger und die beiden anderen Jugendlichen stark alkoholisiert auf eine Gruppe anderer Jugendliche los, ohne das es vorher von Seiten der Geschädigten zu Provokationen oder Angriffen gekommen wäre. Der Kläger agierte enthemmt und konnte seine Aggressionen nicht mehr steuern. Er trat mit erheblicher Brutalität weiter auf den Kopf eines anderen Jugendlichen ein, als dieser bereits am Boden lag.

Der Führungsbericht der JVA … vom 18. Oktober 2018 stellt zwar den Kläger als höflichen und unauffälligen Gefangenen dar. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Kläger sich unter dem Eindruck der Haft entsprechend verhält.

Der Kläger verfügt über keine Berufsausbildung oder eine Arbeitsstelle, die Halt und Stabilität außerhalb der Haftanstalt verleihen könnten. Ob eine solche erlangt werden kann, ist angesichts des bisherigen schulischen- und beruflichen Werdegangs fraglich. Der Kläger hat seine Lehre als Maurer abgebrochen, weil er Schwierigkeiten in der Berufsschule mit dem Stoff hatte und sie ihm nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung keinen Spaß gemacht hat. Dem Kläger fehlt es damit bislang am notwendigen Durchhaltevermögen und der notwendigen Disziplin, sein Leben selbst zu organisieren. Laut Urteil des Amtsgerichts … … … … vom 23. Mai 2017 ist die soziale Situation des Klägers völlig ungefestigt. Maßgeblich ist auch, dass beim Kläger im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol und Drogen weiterhin ein ungelöstes Gewaltproblem besteht. Ein Anti-Aggressivitäts- und Anti-Gewalttraining konnte er bislang aus Kapazitätsgründen nicht absolvieren. Er steht wegen seines Drogenkonsums mit der Suchtberatung in Kontakt. Laut dem Vollzugsplan vom 23. Juli 2018 wird eine Drogentherapie erwogen (Bl. 55 der Gerichtsakte). Solange eine erfolgreiche Drogentherapie nicht durchgeführt wurden und eine Bewährung in Freiheit nicht erfolgt ist, besteht die Wiederholungsgefahr weiter.

b.) Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt und die Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG).

Auf Grund der Verurteilung des Klägers vom 10. Oktober 2017 zu einer Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor.

Dem steht auf Seiten des Klägers kein Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG gegenüber. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltserlaubnis, so dass weder die Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG noch des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG einschlägig ist. Die dem Kläger bis zur Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im streitgegenständlichen Bescheid erteilte Fiktionsbescheinigung stehen einem Aufenthaltstitel nicht gleich.

Ebensowenig besteht ein Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Der Kläger lebt weder mit einem deutschen Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlichen Lebensgemeinschaft, noch übt er ein Personensorgerecht bzw. Umgangsrecht mit einem deutschen Kind aus. Nach Aussage des Klägers und der in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommenen Kindsmutter haben sich der Kläger und die Kindsmutter im Februar 2017 getrennt, nachdem die Zeugin den Kläger aus ihrer Wohnung geworfen hat. Eine Versöhnung fand nicht statt. Dem Kläger steht für seine Tochter Mayla Leoni kein Personensorgerecht zu. Ein Umgangsrecht wurde ihm auch nicht eingeräumt. Nach der familiengerichtlichen Vereinbarung vom 6. Juli 2017 wurde dem Kläger lediglich ermöglicht, über seinen rechtsanwaltlichen Vertreter einmal im Monat ein Foto oder Video seiner Tochter zu erhalten.

Auch unter Berücksichtigung der Belange oder des Wohls des Kindes ergibt sich kein Bleibeinteresse (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG). Der Kläger hat zwar die Vaterschaft hinsichtlich seiner Tochter … … anerkannt. Seine Anwesenheit im Bundesgebiet ist aber zum Wohle seiner Tochter nicht erforderlich. Zwischen dem Kläger und seiner Tochter besteht keine sozial-familiäre Bindung oder eine persönliche Verbundenheit, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Nach der glaubwürdigen Aussage der Zeugin in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger keine Bindung zu seiner Tochter aufgebaut. Der Kläger war zwar bei der Geburt des Kindes anwesend. Er hat bis zur Trennung am 7. Februar 2017 seine Tochter auch gefüttert und gewickelt. Durch diese Handlungen hat der Kläger gleichwohl keine derartige Bindung aufgebaut, die zum Wohle des Kindes aufrechterhalten werden müsste. In der Gesamtschau stellen sich diese Handlungen vielmehr als reine Versorgungsleistungen dar, die keine emotionale Bindung vermittelt haben. Die Zeugin hat zudem ausgesagt, dass sie den Kläger aus Angst vor Übergriffen mit der Tochter nicht allein gelassen hat. Selbst wenn man eine Nähebeziehung annehmen würde, so würde sie heute nicht mehr bestehen. Der Kläger hat seine Tochter seit Februar 2017 bis zu seiner Inhaftierung und auch danach nicht mehr gesehen oder Kontakt zu ihr gehabt. Er hat auch keinen Unterhalt gezahlt. Nach Angabe der Zeugin lebt sie nun zusammen mit der Tochter in einer neuen festen Beziehung. Die Tochter nennt den neuen Partner „Papa“. Der KIäger spielt im Leben der Tochter keine Rolle. Dies wird auch durch die familiengerichtliche Vereinbarung vom 6. Juli 2017 bestätigt, wonach dem Kläger kein Umgangsrecht oder Besuchsrecht eingeräumt wurde, sondern er lediglich regelmäßig Fotos oder Videos erhalten soll. Nach alldem ist die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet zum Wohl der Tochter nicht erforderlich.

c.) Auch unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten persönlichen Belange des Klägers und der Positionen aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK überwiegt das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers. Die Entscheidung wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Zwar berührt die Ausweisung des Klägers seine familiären Beziehungen zu seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinen Stiefgeschwistern, Art. 6 Abs. 1 GG. So leben seine Mutter, seine beiden Stiefgeschwister und sein Stiefvater in Deutschland. Der Kläger hat bis zu seinem Haftantritt auch überwiegend bei ihnen gewohnt. Diese verwandtschaftlichen Beziehungen des Klägers im Bundesgebiet sind zwar grundrechtlich geschützt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt ergibt, sondern dass er die Behörden verpflichtet, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die Bindungen des ausgewiesenen Ausländers zu Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindung Rechnung zu tragen. Eine Ausweisung greift in diese Familienbeziehungen ein. Den Bindungen zu erwachsenen Familienangehörigen darf in der grundrechtlich gebotenen Abwägung jedoch regelmäßig ein geringeres Gewicht beigemessen werden als im Verhältnis von Eltern zu minderjährigen Kindern. In Bezug auf Bindungen zu volljährigen Familienangehörigen gebieten es die Schutzwirkungen regelmäßig nicht, einwanderungspolitische Gründe oder sonstige öffentliche Belange, die gegen einen angestrebten Daueraufenthalt sprechen, zurückzustellen. Bindungen zwischen erwachsenen Personen genießen auch nicht unbedingt den Schutz nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, es sei denn, es sind zusätzliche Elemente der Abhängigkeit dargelegt, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 17.4.2003 - 52853/99 Yilmaz/Deutschland - juris Rn. 44). Die Familie des Klägers ist nicht auf seine Unterstützung angewiesen. Den Kontakt zu seiner Familie kann der Kläger auch über die neuen elektronischen Medien aufrechterhalten.

Mit seinem Kind und der Mutter seines Kindes unterhält der Kläger, wie oben ausgeführt, keine familiären Bindungen, die unter den Schutz des Art. 6 GG fallen könnten.

Auch unter Berücksichtigung des Rechts auf Achtung des Privatlebens i.S.d Art. 8 Abs. 1 EMRK ist die Ausweisungsentscheidung nicht unverhältnismäßig. Zwar ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs1 EMRK auf Grund der langen Aufenthaltsdauer eröffnet, der durch die Ausweisung erfolgende Eingriff ist aber verhältnismäßig, Art. 8 Abs. 2 EMRK. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung des in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Rechts eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten notwendig ist. Unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Boultif-Üner Kriterien (EGMR, U.v. 2.8.2001 - 54273, Boultif; U. Große Kammer v. 18.10.2006 - 46410/99 Üner) erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig.

Der Kläger ist im Bundesgebiet geboren und lebt seit 2008 wieder in Deutschland. Er ist hier zur Schule gegangen und hat sich hier ein Netzwerk an sozialen Beziehungen aufgebaut. Dabei verfügte er bis 11. September 2013 über einen Aufenthaltstitel. Allerdings hat sich der Kläger sozial und wirtschaftlich nicht in die Bundesrepublik Deutschland integriert. Der Kläger verfügt weder über einen Schulabschluss noch über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Der Kläger hat nie länger gearbeitet. Seine Arbeitsstellen hat er nicht zuletzt durch seine Inhaftierungen immer wieder verloren. Der Kläger verliert durch die Ausweisung nicht eine etwaige erreichte berufliche Existenz.

Ebensowenig erfolgte eine soziale Integration. Der Kläger ist im Alter von 16 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Danach folgten weitere Verurteilungen und auch eine Haftstrafe, von denen sich der Kläger nicht beeindrucken ließ. Er beging weitere Körperverletzungsdelikte mit zunehmender Brutalität. Die Straftat, die im Urteil vom 10. Oktober 2017 mit einer Jugendeinheitsstrafe von 3 Jahren geahndet wurde und Anlass der Ausweisung war, beging der Kläger als junger Erwachsener mit 19 Jahren. Von einer typischen Jugenddelinquenz kann angesichts der mehrmaligen Verurteilungen allerdings nicht ausgegangen werden. Da alle bislang unternommenen Versuche der Resozialisierung scheiterten, ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger die Straftaten, die zur Ausweisung führten, als Jugendlicher bzw. als junger Erwachsener beging, die Ausweisung nicht unverhältnismäßig (vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 23.6.2008 - 1638/01 - Maslov II).

Der Kläger verfügt noch über Beziehungen nach Bosnien-Herzegowina. Der Kläger hat bis zum seinem 11. Lebensjahr dort gelebt. Er ist dort zur Schule gegangen und spricht die Landessprache. Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er dort mit seiner Mutter bei seinem Großvater mütterlicherseits in einem Haus gelebt. Auf Grund der langen Zeit, die er in Bosnien-Herzegowina verbracht hat, kann davon ausgegangen werden, dass er mit den dortigen Lebensverhältnissen vertraut ist. Zudem lebt noch sein Onkel mit seiner Familie dort. Im Jahr 2009 bzw. 2010 hat der Kläger seinen Urlaub dort verbracht. Es ist anzunehmen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr seine Kontakte wieder beleben und sich eine berufliche Existenz in Bosnien-Herzegowina aufbauen kann.

Der Status eines faktischen Inländers kann dem Kläger schon allein wegen der fehlenden wirtschaftlichen Integration nicht zugebilligt werden. Dieser Status kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die auf Grund des Einwachsens in die hiesigen Verhältnisse (Verwurzelung) bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem „Heimatland“ so eng mit der Bundesrepublik verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzusetzen sind, während sie mit ihrem „Heimatland“ im Wesentlichen nur noch das Band der Staatsangehörigkeit verbindet (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2017, Az.: 10 B 17.818). Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei zumindest ein mehrjähriger durchgehender Aufenthalt in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa durch einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, einen festen Wohnsitz, ausreichende Mittel, um den Lebensunterhalt einschließlich Krankenversicherungsschutz ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, und fehlende Straffälligkeit zum Ausdruck kommt.

Diese Voraussetzungen liegen aufgrund der erheblichen Straffälligkeit des Klägers, eines fehlenden Arbeitsplatzes sowie fehlender Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht vor. Im Übrigen verfügt der Kläger noch über Bindungen zu seinem Herkunftsland, so dass eine völlige Entwurzelung nicht vorliegt. Aber selbst bei Annahme der Stellung eines faktischen Inländers würde dies nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung führen. Denn auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsposition ist die Ausweisung angesichts der abgeurteilten Straftaten und bestehenden Wiederholungsgefahr nicht unangemessen.

Unter Berücksichtigung sämtlicher beim Kläger zu beachtender Belange, ist die verfügte Ausweisung im Hinblick auf die vom Kläger weiterhin ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten nicht unverhältnismäßig.

2. Auch die in Ziff. 3 des Bescheides erlassene Ablehnung des Aufenthaltstitels ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstites. Einer Erteilung steht nach erfolgter Ausweisung die Regelung des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen.

3. Keinen Bedenken begegnet die Abschiebungsandrohung nach §§ 59, 58 AufenthG. Soweit die Abschiebung aus der Haft angekündigt wird (Ziff. 4 des Bescheides), erfüllt dies die Voraussetzungen von §§ 58 Abs. 3, 59 Abs. 5 AufenthG.

Die für den Fall einer Abschiebung nach Haftentlassung festgesetzte Ausreisefrist von einer Woche ist angemessen (Ziff. 5 des Bescheides). § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG sieht als Mindestfrist sieben Tage vor. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger keinen Haushalt auflösen muss, er auch sonst keinen größeren organisatorischen Aufwand zur Abwicklung seiner hiesigen Lebensverhältnisse ergreifen muss und regelmäßige Verkehrsverbindungen nach Bosnien-Herzegowina bestehen, erscheinen sieben Tage als ausreichend.

4. Schließlich erweist sich auch die Wiedereinreisesperre von 7 Jahren als rechtmäßig. Hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG bedarf es der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen - das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt - das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In diesem Rahmen sind auch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG) sowie die Vorgaben aus Art. 7 Grundrechtscharta, Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (BVerwG, U.v.13.12.2012 - 1 C 20/11 - juris). Die vom Gericht nur beschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat fortgesetzt und zuletzt auch ganz erhebliche Straftaten begangen, so dass die Befristung gem. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG grundsätzlich fünf Jahre überschreiten durfte.

Ausgehend von der bestehenden Gefahr der Wiederholung von Straftaten auch auf Grund der bislang fehlenden Therapien und unter Berücksichtigung seiner fehlenden wirtschaftlichen Integration in der Bundesrepublik erscheint eine Frist von 7 Jahren als angemessen. Seine sozialen Bindungen insbesondere zu seiner Familie kann der Kläger über die neuen elektronischen Medien aufrechterhalten. Eine besonders schützenswerte Beziehung zu seiner Tochter besteht gerade nicht. Schon auf Grund der familiengerichtlichen Vereinbarung vom 6. Juli 2017 wird der Kläger als leiblicher Vater im Leben seiner Tochter bis auf weiteres keine Rolle spielen. Zudem ermöglicht § 11 Abs. 4 AufenthG zur Wahrung schutzwürdiger Interessen oder soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, eine Verkürzung oder Aufhebung des Verbots. Kurzfristige Betretungserlaubnisse können über § 11 Abs. 8 AufenthG gewährt werden.

II.

Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 111 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Okt. 2018 - M 25 K 18.3791

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 58 Abschiebung


(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Si

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Okt. 2018 - M 25 K 18.3791 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Okt. 2018 - M 25 K 18.3791 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 21. Nov. 2017 - 10 B 17.818

bei uns veröffentlicht am 21.11.2017

Tenor I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Dezember 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2015 werden aufgehoben. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszüge

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 13. Dez. 2012 - 1 C 20/11

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

Tatbestand 1 Der im Jahr 1981 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.

Referenzen

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Dezember 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2015 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am ... 1992 in M. geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Er ist Inhaber eines serbischen Nationalpasses. Seine Eltern, jugoslawische Staatsangehörige, sind in Österreich geboren. Er wuchs ab dem Grundschulalter bei einer Pflegemutter auf, die deutsche Staatsangehörige ist. Er erreichte einen Hauptschulabschluss. Seine Ausbildung zum Friseur hat er zunächst abgebrochen.

Dem Kläger wurde erstmals am 4. Dezember 1998 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit 3. Dezember 2008 ist er in Besitz einer Niederlassungserlaubnis.

Noch vor seiner Volljährigkeit zog er aufgrund der Streitigkeiten mit seiner Pflegemutter wegen seines Drogenkonsums zu seiner Freundin und späteren Verlobten, die zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt war und bei ihrer Mutter wohnte.

Am 28. Juli 2010 überfiel der Kläger mit zwei Mittätern einen Spielsalon. Am 5. September 2010 beging er zusammen mit zwei Mittätern einen Überfall auf eine Tankstelle, bei dem ein Kunde mit einer Waffe bedroht wurde, um den Kassierer zur Herausgabe des Kasseninhalts zu veranlassen. Der Kläger wurde am 5. September 2010 inhaftiert und mit Urteil des Jugendschöffengerichts des Amtsgerichts München vom 27. Januar 2011 wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung in Mittäterschaft in Tatmehrheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Am ... 2011 wurde die Tochter des Klägers geboren. Sie ist deutsche Staatsangehörige.

Der Kläger befand sich bis zum 8. Februar 2013 in Haft. Während der Verbüßung seiner Jugendstrafe schloss er seine Ausbildung zum Friseur erfolgreich ab. Nach der Haftentlassung zog er wieder zu seiner Lebensgefährtin und lebte dort mit ihr und der gemeinsamen Tochter in familiärer Lebensgemeinschaft. Der Kläger und seine Lebensgefährtin verlobten sich.

Anfang des Jahres 2014 begann er in der gemeinsamen Familienwohnung mit Marihuana zu handeln. Deshalb wurde er am 28. Juni 2014 inhaftiert und mit Urteil des Amtsgerichts München vom 10. April 2015 wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit vier Fällen des vorsätzlichen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Strafende ist für den 16. März 2018 vorgesehen.

Bereits nach der ersten Verurteilung hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 8. April 2011 zu einer Ausweisung an. In Anbetracht der Bindungen zu seiner Verlobten und zu seiner Tochter verwarnte ihn die Ausländerbehörde lediglich und wies mit Schreiben vom 7. Februar 2013 darauf hin, dass er bei erneuter Straffälligkeit mit einer Ausweisung zu rechnen habe. Nach der Verurteilung vom 10. April 2015 hörte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 20. Oktober 2015 erneut zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen an. Er brachte vor, er habe keinerlei Verbindungen zu Serbien. Seine Eltern hätten ihn im Alter von sechs Jahren bei seiner späteren Pflegemutter abgegeben, die sich bereits während seiner Kindergartenzeit als Tagesmutter um ihn gekümmert habe. Das Verhältnis zu seiner Verlobten und seiner Tochter sei sehr eng. Er werde eine Suchttherapie im Therapiezentrum G. antreten.

Mit Bescheid vom 27. November 2015 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik aus und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Jahre unter der Bedingung, dass Straf- und Drogenfreiheit nachgewiesen wird. Wird diese Bedingung nicht erfüllt, beträgt die Sperrfrist acht Jahre. Die Beklagte ordnete die Abschiebung des Klägers nach erfülltem Strafanspruch aus der Haft heraus nach Serbien an. Sollte er vor der Abschiebung aus der Haft entlassen werden, wird er verpflichtet, das Bundesgebiet spätestens vier Wochen nach Haftentlassung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise drohte die Beklagte die Abschiebung an.

Die Ausweisung stützt sich auf § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG a.F. Der Kläger genieße besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG a.F., weil er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei und sich seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Ebenso erfülle er den besonderen Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG a.F., da er mit seiner Tochter, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, bis zur Festnahme in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt habe. Der Kläger habe seine Kindheit unter äußerst schwierigen und problematischen Umständen verbracht. Er habe jedoch dann bei seiner Pflegemutter gelebt und auch die Hauptschule beendet. Die Pflegemutter und seine Lebensgefährtin hätten auch in der Zeit, in der er seine erste Haftstrafe verbüßt habe, weiter zu ihm gestanden. Er habe seine Berufsausbildung erfolgreich zum Abschluss gebracht. Dennoch habe er nur zehn Monate nach seiner Haftentlassung aus der Wohnung seiner Lebensgefährtin heraus den Drogenhandel begonnen. Er habe dadurch auch seine Tochter gefährdet, weil er die Drogen in der Wohnung in Reichweite des Kindes gelagert habe. Zulasten des Klägers gehe auch, dass er innerhalb einer offenen Reststrafenbewährung gehandelt habe. Er habe regelmäßig Cannabis konsumiert, die THC-Werte seien sehr hoch gewesen. Bei Kokain habe der festgestellte Wert für einen gelegentlichen Konsum, der nicht gewohnheitsmäßig gewesen sei, gesprochen. Nach seiner Haftentlassung im Februar 2013 habe der Kläger ausreichend Gelegenheit gehabt, sich um eine Drogentherapie zu bemühen. Selbst wenn er nun therapiewillig sei, bestehe die konkrete Gefahr, dass er erneut Drogen konsumiere und strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Seine schutzwürdigen Interessen aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK führten zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe sich in der Bundesrepublik nicht integriert, so dass sein langjähriger Aufenthalt nicht ausschlaggebend ins Gewicht fallen könne. Während der aktuellen Inhaftierung habe er auch keine Besuche von seiner Tochter erhalten, obwohl die Entfernung zwischen ihrem Aufenthaltsort und der Justizvollzugsanstalt lediglich 19 km betrage. Die Tochter habe nur die Zeit zwischen ihrem zweiten Geburtstag bis zum Alter von dreieinviertel Jahren mit dem Kläger verbracht. Seit seiner Festnahme am 28. Juni 2014 sei der Kontakt zu der Tochter abgebrochen.

Mit Urteil vom 8. Dezember 2016 wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2015 ab. Es verwies auf den Beschluss vom 7. November 2016, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden war. Vom Kläger gehe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Es spreche eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass er weitere Straftaten begehen werde. Das vergangene Verhalten des Klägers zeige eine hohe Rückfallgefahr. Er sei kurz nach seiner Haftentlassung während der offenen Reststrafenbewährung wieder straffällig geworden. Nicht einmal seiner kleinen Tochter und seiner Lebensgefährtin zuliebe habe er sich an die Gesetze gehalten. Auch die glaubhaften Bestrebungen, eine Drogentherapie beginnen zu wollen, stünden der Gefahr einer erneuten Straffälligkeit nicht entgegen. Die zu treffende Abwägungsentscheidung ergebe, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiege. Einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Anzuführen sei vor allem die Bindung an seine deutsche Tochter sowie die beachtlichen Schwierigkeiten, sich in Serbien zu Recht zu finden, nachdem er weder die Sprache spreche noch familiäre Kontakte dort habe und auch nie in Serbien gelebt habe. Da der Kläger nur einen relativ kurzen Zeitraum mit der Tochter zusammen gelebt habe, sei es ihm zuzumuten, den Kontakt über Telefon und Briefe aufrecht zu halten. Auch im Hinblick darauf, dass der Kläger faktischer Inländer sei, stelle sich die Ausweisung angesichts der schweren Straftaten des Klägers als verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.

Mit Beschluss vom 24. April 2017 ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. Dezember 2016 zu.

Zur Begründung der Berufung bringt der Kläger vor, dass er mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt und seit dem 10. Februar 2011 Vater eines deutschen Kindes sei. Er sei faktischer Inländer. Im Urteil habe keine Beachtung gefunden, dass er ab seinem sechsten Lebensjahr bei einer deutschen Pflegemutter gelebt habe, also von ihr erzogen worden sei. Zu seinem Heimatland habe er keinerlei Bindungen. Bei der Abwägung der Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei daher davon auszugehen, dass seine Interessen überwiegen.

Er beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Dezember 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger sei offenkundig besonders schwerwiegend strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er sei insgesamt zu Jugend- und Freiheitsstrafen von insgesamt sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt worden. Es bestehe auch zweifellos eine konkrete Gefahr weiterer schwerer Straftaten. Es sei unstrittig, dass der Kläger drogensüchtig sei und einer Therapie bedürfe. Es sei noch nicht einmal absehbar, wann er eine Therapie beginnen könne. Die nicht unerhebliche Verschuldung sei zu berücksichtigen. Bei den Bleibeinteressen sei zu berücksichtigen, dass er sein ganzes Leben in der Bundesrepublik verbracht habe, eine Niederlassungserlaubnis besitze und Vater eines deutschen Kindes sei. Welche Bindungen an das Land seiner Staatsangehörigkeit bestünden oder nicht bestünden, lasse sich gegenwärtig anhand der Behördenakte nur unzureichend beurteilen. Im Wesentlichen beruhe die Behauptung eines vollständigen Fehlens solcher Kontakte auf den Angaben des Betroffenen. Das Erstgericht habe die Tatsache, dass der Kläger keine Bindungen zu seinem Heimatland besitze, jedoch berücksichtigt. Jedenfalls habe der Kläger bis zum sechsten Lebensjahr bei seinen Eltern gelebt. Mithin sei davon auszugehen, dass er sprachlich und kulturell von seinen Eltern entscheidend geprägt worden sei. Bezüglich der Vater-Kind-Beziehung sei zu berücksichtigen, dass seit der Inhaftierung kein persönlicher Kontakt zu seiner Tochter mehr bestehe. Es werde angeregt, die Kindsmutter als Zeugin zur Vater-Kind-Beziehung und zu den Kontakten des Klägers zu seiner Staatsangehörigkeit zu vernehmen.

Mit Beschluss vom 13. Juni 2017 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt und seine Prozessbevollmächtigte beigeordnet.

Unter dem Datum 13. November 2017 legte die Justizvollzugsanstalt einen Führungsbericht vor, der unter Abwägung aller relevanten Umstände zum Ergebnis kommt, dass keine ausreichend günstige Legalprognose gestellt werden könne.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2017 wurde der Kläger angehört und seine ehemalige Verlobte als Zeugin vernommen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorlegten Behördenakten, die Gerichtsakten und die Strafakten im Verfahren 363 VRs 160422/14 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Die auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 27. November 2015 gerichtete Klage ist begründet, weil die im streitbefangenen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers samt Nebenentscheidungen rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers auf Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2015 daher zu Unrecht abgewiesen.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Ausweisungsverfügung, Abschiebungsanordnung bzw. -androhung und der Befristungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 7.3.2017 – 10 B 16.992 – juris Rn. 22).

1. Die im Bescheid der Beklagten vom 27. November 2015 verfügte Ausweisung des Klägers ist gemessen an den Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten.

Nach dem seit dem 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ergibt sich der Grundtatbestand der Ausweisung aus § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (1.1), ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (1.2).

1.1 Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet gefährdet zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik. Bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung haben die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Bei dieser Gefahrenprognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.11.2017 – 10 ZB 16.2199 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 6.6.2017 – 10 ZB 17.588 – juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 9.5.2017 –10 ZB 16.57 – juris Rn. 15).

Die Anlasstat für die Ausweisung bildet die Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit vier Fällen des vorsätzlichen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmittel in Tatmehrheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln durch das Urteil des Amtsgerichts München vom 10. April 2015. Das im Strafverfahren eingeholte psychiatrische Gutachten vom 12. Dezember 2014 kommt zum Ergebnis, dass beim Kläger ein schädlicher Gebrauch von Ecstasy und Cannabis sowie ein gelegentlicher Gebrauch von weiteren Drogen vorliegen. Im Strafurteil wird festgestellt, dass der Kläger den Betäubungsmittelhandel aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. Die Zustimmung zu einer Maßnahme nach § 35 BtMG wurde erteilt. Die der Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten hat der Kläger im Rahmen einer offenen Bewährung aus seiner ersten Verurteilung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und acht Monaten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung in Mittäterschaft in Tatmehrheit mit schwerer räuberischer Erpressung begangen. Er ließ sich diese Verurteilung und den damit verbundenen Gefängnisaufenthalt vom 5. September 2010 bis zum 8. Februar 2013 nicht als Warnung dienen, um künftig ein straffreies Leben zu führen. Auch die von der Beklagen nach der ersten Verurteilung ausgesprochene ausländerrechtliche Verwarnung blieb ohne Auswirkungen auf das Verhalten des Klägers. Während der Strafhaft blieb er nicht ohne disziplinarische Ahndung. Die gezeigte Therapiewilligkeit lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Liegt die Ursache der Straftaten – wie beim Kläger im Hinblick auf die zweite Verurteilung – in seiner Suchtmittelabhängigkeit, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr (BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 17.226 – juris Rn. 9 m.w.N.). Ausschlaggebend ist, dass ein vorhandenes Handlungs- und Verhaltensmuster dauerhaft korrigiert und die mit dem erfolgreichen Abschluss einer Therapie verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Straf- und Therapieende glaubhaft gemacht wird. Dies kann jedoch frühestens nach einem erfolgreichen Abschluss dieser Therapie angenommen werden (BayVGH, B.v. 6.5.2015 – 10 ZB 15.231 – juris Rn. 9) und nicht schon bei geäußerter Therapiewilligkeit.

1.2 Jedoch führt die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet dazu, dass die Bleibeinteressen des Klägers das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegen.

Voraussetzung für eine Ausweisung bei einer bestehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Ausländers ist gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Dieser Grundsatz des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch § 54 und § 55 AufenthG weitere Konkretisierungen (1.2.1). Einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen wird von vornherein ein spezifisches bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen. In die Abwägung des Interesses an der Ausreise mit den Bleibeinteressen nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in § 53 Abs. 2 AufenthG aufgeführten Umstände in die wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen (1.2.2).

1.2.1 Die in § 54 AufenthG fixierten Tatbestände sind gesetzliche Umschreibungen spezieller öffentlicher Interessen an einer Ausweisung im Sinne von § 53 Abs. 1 Halbs. 1 AufenthG und weisen diesen Ausweisungsinteressen zugleich ein besonderes Gewicht für die durch § 53 Abs. 1 Halbs. 2 geforderte Abwägung zu (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 26; U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 17).

Mit seinen Verurteilungen vom 27. Januar 2011 und 10. April 2015 hat der Kläger jeweils den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt, so dass ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt. Diesem steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG gegenüber. Mehrere Lebenssachverhalte, die wie hier verschiedene Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresse erfüllen, sind erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen (BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 40).

Besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, liegt in der Regel ein besonderes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung vor und wird häufig vom Übergewicht des öffentlichen Interesses an der Ausweisung auszugehen sein. Steht einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse aber ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber, kann ein Überwiegen des öffentlichen Interesses nicht mit der typisierenden gesetzlichen Gewichtung begründet werden. Vielmehr bedarf es einer besonderen individuellen Begründung dafür, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiegt. Auch das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses entbindet daher nicht von der Notwendigkeit der in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgeschriebenen umfassenden Interessenabwägung (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 39).

1.2.2. Bei der demnach nach § 53 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 AufenthG gebotenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (b.) kommt der Senat zur Überzeugung, dass die Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegen, weil letztlich seinem Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK (a.) eine gewichtigere Bedeutung zukommt und seine Ausweisung deshalb unverhältnismäßig ist.

a. Eine den Schutz des Privat- und Familienlebens auslösende Verbindung mit der Bundesrepublik als Aufenthaltsstaat kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem „Heimatland“ so eng mit der Bundesrepublik verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzusetzen sind, während sie mit ihrem „Heimatland“ im Wesentlichen nur noch das Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 19 ZB 16.2636 – juris Rn. 37). Als Gesichtspunkte für das Vorhandensein von anerkennenswerten Bindungen können Integrationsleistungen in persönlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht von Bedeutung sein, der rechtliche Status, die Beachtung gesetzlicher Pflichten und Verbote, der Grund für die Dauer des Aufenthalts und Kenntnisse der deutschen Sprache. Diese Bindungen des Ausländers im Inland sind in Beziehung zu setzen zu den Bindungen an das Land seiner Staatsangehörigkeit. Hierzu gehört die Prüfung, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters, seiner persönlichen Befähigung und seiner familiären Anbindung im Heimatland von dem Land seiner Staatsangehörigkeit entwurzelt ist. Nach diesen Kriterien kommt dem Kläger der Status eines „faktischen Inländers“ zu. Dies ergibt sich aus folgenden:

aa. Der Kläger unterhält zu seiner Tochter, die deutsche Staatsangehörige ist, eine dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterliegende Beziehung. Er befand sich zwar im Zeitpunkt der Geburt seiner Tochter wegen der Verurteilung vom 27. Januar 2011 bereits in Strafhaft, seine damalige Lebensgefährtin hat ihn aber zusammen mit dem Kleinkind regelmäßig besucht, so dass er, soweit dies im Rahmen der Inhaftierung und aufgrund des Alters der Tochter möglich war, eine Nähebeziehung aufbauen konnte. Nach seiner Haftentlassung hat der Kläger mit seiner Tochter und seiner damaligen Verlobten zusammen in einer Wohnung gelebt und sich um die Tochter gekümmert. Seit seiner erneuten Inhaftierung am 28. Juni 2014 hat der Kläger das Mädchen nicht mehr gesehen. Dies lag zum einen daran, dass das Kind wegen der Drogengeschäfte des Klägers und einer zunächst vermuteten Beteiligung der Lebensgefährtin des Klägers in die Obhut des Jugendamtes genommen wurde und während des Aufenthalts in einem Mutter-Kind-Heim der Lebensgefährtin davon abgeraten wurde, die Tochter bei den Besuchen in der Justizvollzugsanstalt mitzunehmen. Sowohl der Kläger als auch seine ehemalige Verlobte haben in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2017 glaubhaft versichert, dass trotz dieser Umstände ein regelmäßiger Kontakt (telefonisch und schriftlich) zwischen dem Kläger und seiner Tochter besteht und er auch Anteil an ihrer persönlichen Entwicklung nimmt. Auch die Tochter interessiert sich nach den glaubwürdigen Aussagen der ehemaligen Verlobten dafür, wo der Kläger sich aufhält, was er arbeitet etc. Seine ehemalige Lebensgefährtin unterstützt auch nach Trennung vom Kläger und trotz seiner kriminellen Vergangenheit die Aufrechterhaltung seines Kontakts zu dem Mädchen. Seine Entscheidung, das Kind derzeit noch nicht einer Konfrontation mit der Realität bezogen auf seine Straffälligkeit und den Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt auszusetzen, ist angesichts dessen Alters (knapp sieben Jahre) und der bisherigen Lebensgeschichte des Klägers nachvollziehbar.

bb. Neben dem Kontakt zu seiner Tochter unterhält der Kläger noch Kontakt zu seiner ehemaligen Verlobten, seinem jüngeren Bruder D. und zu seiner Pflegemutter.

c. Dem Kläger ist im Rahmen seiner Möglichkeiten eine wirtschaftliche Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik gelungen. Er hat einen Schulabschluss erreicht und seine Ausbildung zum Friseur letztendlich erfolgreich beendet. Während des größten Teils der Zeit, die er in Freiheit verbracht hat, hat er in seinem gelernten Beruf gearbeitet.

dd. Der Kläger ist hier im Bundesgebiet geboren und hat sich nie im Ausland oder in Serbien aufgehalten. Er besitzt keine Beziehungen zum Land seiner Staatsangehörigkeit. Bereits seine Eltern, jugoslawische Staatsangehörige, sind in Österreich geboren. Er spricht die serbische Sprache nicht. Er hat keine Verwandten in Serbien, zu denen ein Kontakt besteht. Dies steht aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung fest und ist aufgrund seiner Lebensgeschichte auch nachvollziehbar. Er beherrscht die deutsche Sprache fehlerfrei.

ee. Eine soziale Integration hat in Ansätzen stattgefunden. Trotz seiner schwierigen Kindheit konnte er sich unter dem Einfluss seiner Pflegemutter stabilisieren und den Hauptschulabschluss erreichen. Die begonnene Ausbildung hat er zunächst aufgrund seines Drogenkonsums abgebrochen, in der Haft aber beendet. Nachdem er während seiner ersten Inhaftierung von seiner damaligen Verlobten, deren Eltern und seiner Pflegemutter unterstützt worden war und auf Bewährung aus der Haft entlassen wurde, hat er jedoch die positiven Ansätze, sich mit Hilfe seiner damaligen Verlobten, seiner Tochter und dem gelungenen beruflichen Einstieg endgültig in die hiesigen Lebensverhältnisse zu integrieren, durch die erneute Straftat zunichte gemacht.

b. Bei der gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK zu treffenden Abwägungsentscheidung und Verhältnismäßigkeitsprüfung sind insbesondere Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige zu berücksichtigen, wobei diese Umstände weder abschließend zu verstehen sind noch ausschließlich zugunsten des Ausländers sprechende Umstände in die Abwägung einzustellen sind. Die konkreten Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen insbesondere dann die Abwägungsentscheidung, wenn sie von den in den vertypten Ausweisungs- und Bleibeinteressen (§ 54 und § 55 AufenthG) zugrunde liegenden Wertungen abweichen (vgl. VGH BW, U.v. 31.1.2016 – 11 S 889/15 – juris Rn. 140). Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewichts, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso wie eine mathematische Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 24 f.).

Auch für faktische Inländer besteht kein generelles Ausweisungsverbot. Die besondere Härte, die eine Ausweisung wegen der Verwurzelung im Bundesgebiet für diese Personengruppe darstellt, ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris Rn. 19). Ob eine Ausweisung als Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK im konkreten Einzelfall gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, insbesondere verhältnismäßig ist, bestimmt sich anhand einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner faktisch gewachsenen und von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, ob die Ausweisung in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht (EGMR, U.v. 28.6.2007 – 31753/02 – juris Rn. 51). Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs ist von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden, Kriterienkatalog auszugehen. Dazu gehören unter anderem die Art und die Schwere der Straftaten, die Dauer des Aufenthalts in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten des Betroffenen, die Staatsangehörigkeit der verschiedenen Betroffenen, etwaige Kinder des Betroffenen und deren Alter, Belange und Wohl sowie die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen zum Gastland und zum Zielland (EGMR, U.v. 24.11.2009 – 182/08 – InfAuslR 2010, 178; EGMR, U.v. 12.1.2010 – 47486/06 – InfAuslR 2010, 369). Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Privatleben ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Ausländer aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden ist und ihm (und seinen Familienangehörigen) wegen der Besonderheiten des Falls ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, nicht zuzumuten ist (SächsOVG, B.v. 22.2.2016 – 3 D 64/15 – juris Rn. 6).

Unter Berücksichtigung der dargelegten rechtlichen Vorgaben und der persönlichen Umstände des Klägers kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass seine Ausweisung unverhältnismäßig ist.

aa. Das Gewicht der Straftaten und die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr werden bei Betrachtung der Gesamtumstände der Tatbegehung bei den ersten Straftaten und der positiven Ansätze für einen Einstellungswandel relativiert. Als der Kläger die der ersten Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten begangen hat, war er noch Jugendlicher bzw. Heranwachsender (28.7.2010 bzw. 5.9.2010; zur Berücksichtigung des Alters bei Begehung der Straftaten: EGMR, U.v. 23.6.2008 – 1638/03 – InfAuslR 2008, 333). Davor war der Kläger strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Nach den Feststellungen des Strafgerichts fehlte dem Kläger das Verständnis für die Schwere und Folgen solcher Straftaten. Bezüglich der Drogenproblematik ist festzustellen, dass der Kläger, obwohl er die beabsichtigte Drogentherapie wegen seines ungeklärten aufenthaltsrechtlichen Status nicht antreten konnte, während seiner Inhaftierung drogenfrei gelebt hat und hinsichtlich seiner Therapiebereitschaft und -motivation ein Einstellungswandel eingetreten ist, der sich durch die engagierte Teilnahme an den Gesprächen mit der Externen Suchtberatung manifestierte. Auch bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung wurde sein Wunsch, sein Leben nach der Haftentlassung wieder in den Griff zu bekommen und drogenfrei zu leben, sehr deutlich. Die Einsicht, dass er nach einer Haftzeit von mehr als sechs Jahren, die nur eineinhalb Jahre unterbrochen war, einer Therapie für die Wiedereingliederung bedarf, zeigt, dass er sich mit seiner deliktischen Vergangenheit und seinem Drogenkonsum auseinandergesetzt hat und lässt einen positiven Ansatz für einen Einstellungswandel erkennen. Aus dem Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt vom 13. November 2017 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Für die negative Prognose waren die Straftaten, das Bewährungsversagen, die fehlende Drogentherapie sowie disziplinarische Ahndungen während der Haft ausschlaggebend. Die positiven Ansätze, wie die Regelung der Schulden mit Hilfe der Schuldnerberatungsstelle, die Teilnahme an der Externen Suchtberatung sowie die im Bericht beschriebene positive Persönlichkeitsstruktur, werden dadurch nicht in Frage gestellt.

bb. Dem Kläger fehlen jegliche Beziehungen zu dem Land seiner Staatsangehörigkeit. Er ist in Deutschland geboren, hier aufgewachsen, spricht die serbische Sprache nicht und hat Serbien auch nie besucht. Von anderen sog. „faktischen Inländern“ unterscheidet er sich dadurch, dass er nicht bei seinen leiblichen Eltern, die im Übrigen in Österreich geboren sind, aufgewachsen ist, sondern bei seiner deutschen Pflegemutter und ihm daher auch von seinen Eltern keine kulturelle (und sprachliche) Bindung zu Serbien vermittelt worden ist. Der komplette Abbruch der Beziehung zu den Eltern im Grundschulalter führte auch dazu, dass keine Kontakte zu serbischen Verwandten in der Bundesrepublik oder in Serbien bestehen. Die von der Beklagten insoweit angeführte Anmeldung des Klägers bei Personen mit gleichen Nachnamen für sechs Wochen im Jahr 2000, an die sich der Kläger nicht erinnern kann, fällt insoweit nicht ins Gewicht. Auch könnte der Kläger bei einer Übersiedelung nach Serbien deshalb nicht auf die Unterstützung dortiger Verwandter oder zumindest auf Geldzuwendungen seiner hier in der Bundesrepublik lebenden Verwandten hoffen.

cc. Die Folgen einer Ausweisung und der damit verbundenen Ausreiseverpflichtung wären für die Tochter gravierend. Als deutsche Staatsangehörige ist es ihr nicht zumutbar dem Kläger, der kein Sorgerecht für sie besitzt, nach Serbien zu folgen. Zwar könnte der Kontakt wie bisher telefonisch und schriftlich aufrecht erhalten werden, persönliche Besuche seitens des Klägers in den nächsten sechs oder acht Jahren wären jedoch wegen der von der Beklagten verfügten Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht möglich. Die Tochter wäre demnach darauf angewiesen, dass sich ihre Mutter bereit erklärt, den Kläger mit ihr zusammen in Serbien zu besuchen und diese Reisen auch zu finanzieren. Am Aufwachsen seiner Tochter könnte der Kläger faktisch keinen Anteil nehmen. Hinzu kommt, dass der Tochter bislang von ihrer Mutter und dem Kläger vorgespiegelt wurde, dass er weit entfernt arbeite und sie ihn deshalb nicht sehen könne. Wäre die Tochter nun plötzlich außer mit den Straftaten des Klägers und seinem Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt auch noch mit einer längerdauernden Abwesenheit konfrontiert, würde dies sicher auch das Vertrauensverhältnis zu ihrer Mutter beeinträchtigen und gefährden.

Insgesamt betrachtet ist die Ausweisung – bezogen auf das verfolgte Ziel, den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Entfernung des Klägers aus dem Bundesgebiet – nicht angemessen. Die Beklagte erreicht dadurch allenfalls eine begrenzte Fernhaltung des Klägers aus dem Bundesgebiet, weil er wegen der Beziehungen zu seiner Tochter nach Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder im Bundesgebiet aufhalten kann. Sie riskiert, dass der Kläger ohne die erforderliche Drogentherapie ins Bundesgebiet zurückkehrt. Zur Rechtfertigung der Ausweisung eines Ausländers, der hier geboren ist und keine Beziehung zum Land seiner Staatsangehörigkeit hat, müssen sehr gewichtige Gründe vorgebracht werden (EGMR, U.v. 23.6.2008, a.a.O.). Die Begehung schwerer Straftaten reicht hierfür nicht aus, wenn der Ausländer starke Bindungen im Inland aufgebaut hat, während zum Land der Staatsangehörigkeit keine Bindungen mehr, dafür aber zusätzlich familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestehen (EGMR, U.v. 24.11.2009, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner – auch wenn die erste Verurteilung des Klägers die Erheblichkeitsschwelle des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht nur geringfügig überschreitet –, dass den Bleibeinteressen über die in § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG vertypten Wertungen hinaus besonderes Gewicht zukommt, weil er sich nicht nur fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, sondern sein ganzes Leben, und er zusätzlich ein Bleibeinteresse wegen der im Zeitpunkt seiner Inhaftierung bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter in Anspruch nehmen kann.

2. Erweist sich die Ausweisungsentscheidung als rechtswidrig, ist der Kläger als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis nicht ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1) und kann daher auch nicht abgeschoben werden. Mit Aufhebung der Ausweisungsentscheidung entfällt das mit einer Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG, so dass die Befristungsentscheidung gegenstandslos wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1981 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.

2

Der Vater des Klägers war 1973 in das Bundesgebiet eingereist und hier als Arbeitnehmer tätig. Er ist mittlerweile verstorben. Der Kläger hat vier ältere Brüder, die alle in Deutschland leben. Auch seine pflegebedürftige Mutter lebt hier. Der Kläger wuchs bei seinen Eltern auf und war seit Oktober 1997 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. 1998 schloss er die Hauptschule und 2001 eine Lehre als Verpackungsmittelmechaniker ab.

3

Am 8. April 2004 ordnete das Amtsgericht S. gegen den Kläger Untersuchungshaft an, weil er dringend verdächtig war, als Mitglied einer Bande mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Der Aufenthalt des Klägers war zum damaligen Zeitpunkt unbekannt. Tatsächlich war er in die Niederlande geflohen. Dort hielt er sich 14 Monate auf, bis er am 2. Juni 2005 verhaftet und am 12. August 2005 an die Bundesrepublik Deutschland überstellt wurde.

4

Mit Urteil des Landgerichts S. vom 24. November 2005 wurde der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 tatmehrheitlichen Fällen sowie unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. Der Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 857 300 € wurde angeordnet. Der Verurteilung lag ein Handeltreiben mit etwas mehr als 200 kg Marihuana sowie 500 g Kokain zugrunde. Tatsächlich war jedoch unter führender Beteiligung des Klägers nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs von Januar 2002 bis zu seiner Verhaftung im Juni 2005 mit insgesamt 2 Tonnen Marihuana, mindestens 5 kg Kokain und mit Ecstasy-Tabletten gehandelt worden (UA S. 33), davon 1,5 Tonnen Marihuana vor seiner Flucht in die Niederlande (UA S. 20) und 500 kg nach der Flucht. Das war der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung nicht bekannt.

5

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 aus, ohne die Wirkungen der Ausweisung zu befristen, und drohte ihm für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung der Ausweisung stützte sich der Beklagte darauf, dass der Kläger trotz der von ihm erworbenen assoziationsrechtlichen Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 und Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 im Ermessenswege ausgewiesen werden könne, weil die Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 erfüllt seien. Mit den Drogenstraftaten habe der Kläger ein persönliches Verhalten an den Tag gelegt, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle. Zudem liege eine konkrete Wiederholungsgefahr vor. Der Kläger sei wegen zahlreicher Einzeltaten verurteilt worden, die sich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt hätten. Auch wenn er seit seiner Geburt in Deutschland lebe, sei er doch nicht ohne Bindungen in die Türkei. Das Interesse der Gesellschaft an der Verhinderung weiterer Straftaten sei aber höher zu bewerten als das Interesse des Klägers am Zusammenleben mit seinen Eltern und seinen Brüdern. Die Ausweisung wurde ohne Beteiligung einer weiteren Verwaltungsbehörde erlassen.

6

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. März 2008 ab. Während des Berufungsverfahrens ordnete die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 26. Oktober 2010 die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe an und setzte eine Bewährungszeit von drei Jahren fest. Die bedingte Entlassung erfolgte etwa ein halbes Jahr vor der Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe. Zur Begründung der Entscheidung stützte sich die Strafvollstreckungskammer im Wesentlichen auf ein kriminalprognostisches Gutachten und eine eigene Anhörung des Klägers.

7

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Kläger eingehend zu den Tathintergründen und seinem Verhalten nach der Tat befragt worden. Weiter wurde Kriminalhauptkommissar K., der die Ermittlungen gegen den Kläger und die Drogenbande geleitet hatte, als Zeuge vernommen. Schließlich wurde die Gutachterin aus dem Strafvollstreckungsverfahren zur Erläuterung ihres Gutachtens angehört.

8

Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 4. Oktober 2006 aufgehoben. Der Rechtsstreit wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. April 2011 die Berufung hinsichtlich der Ausweisung zurückgewiesen: Der Kläger habe nur bis zum April 2004 ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 ARB 1/80 besessen. Er sei als Sohn eines in der Vergangenheit dem deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers geboren, was nach fünf Jahren zum Erwerb einer Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 geführt habe. Mit dem Abschluss seiner Lehre habe er auch eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 erworben. Diese Rechte habe er aber durch seine Flucht aus dem Bundesgebiet vor der ihm drohenden Strafverfolgung verloren, weil er sich auf unabsehbare Zeit außerhalb Deutschlands habe aufhalten wollen. Insbesondere die Beschaffung eines fremden türkischen Reisepasses und die Fortsetzung der Betäubungsmittelkriminalität von den Niederlanden aus verdeutlichten, dass er sich nicht nur vorübergehend auf ein Leben in einem anderen Land eingestellt gehabt habe.

10

Damit sei § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG Rechtsgrundlage für die Ausweisung. Besonderen Ausweisungsschutz genieße der Kläger nicht, weil seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 AuslG 1990 erloschen sei, als er mit seiner Flucht in die Niederlande aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist sei. Die spezialpräventive Ausweisung des Klägers erweise sich aufgrund der von ihm nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr auch nach Art. 8 EMRK als verhältnismäßig. Der Kläger habe als junger Erwachsener bis zu seiner Festnahme Straftaten verübt, die ihn als Intensivtäter auf dem Gebiet der Rauschgiftkriminalität auswiesen. Er habe ohne durchgreifende Skrupel die Sucht anderer als Mittel für seine persönliche Bereicherung eingesetzt. Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger sei der Senat davon überzeugt, dass vom Kläger nach wie vor die in den Taten angelegte Wiederholungsgefahr ausgehe. Dem kriminalprognostischen Gutachten werde keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen, weil es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruhe und in zentralen Punkten nicht schlüssig sei. Diese Mängel hätten nicht ausgeräumt werden können. Die Gutachterin habe u.a. nicht in den Blick genommen, dass der Kläger mehr als 800 000 € Schulden habe.

11

Die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung noch vor Ablauf des Zweidritteltermins führe nicht dazu, dass die Frage der Wiederholungsgefahr günstiger zu sehen sei. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer sei auf das mangelhafte Gutachten gestützt. Auch sei der Senat aufgrund des gewonnenen Eindrucks vom Kläger überzeugt, dass dieser keine nachhaltige Persönlichkeitswandlung und Verhaltensänderung durchlaufen habe. Die beanstandungsfreie Führung und Weiterbildung des Klägers im Vollzug lasse nicht auf einen dauerhaften Wandel schließen. Gleiches gelte dafür, dass er in seiner bisherigen kurzen Bewährungszeit nicht negativ aufgefallen sei. Die Lebensumstände unterschieden sich nach der Haftentlassung nicht grundlegend von denen, die vor dem Einstieg in die Kriminalität vorgelegen hätten; die immense Schuldenbelastung sei sogar ein zusätzlicher negativer Faktor. Die Ausweisung sei auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhältnismäßig.

12

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung der Ausweisung. Hilfsweise erstrebt er ihre sofortige Befristung. Er rügt, er habe seine Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 mit der Flucht in die Niederlande entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht verloren. Insoweit komme es nicht auf den subjektiven Willen an, sondern auf das objektive Geschehen. Ein Auslandsaufenthalt von etwas mehr als einem Jahr genüge nicht, um die Rechtsposition zum Erlöschen zu bringen. Einer zwingenden Ausweisung stehe weiter entgegen, dass der Kläger im Februar 2011 eine kosovarische Staatsangehörige nach islamischem Ritus geheiratet habe und mit ihr und ihren Kindern nunmehr in familiärer Gemeinschaft zusammenlebe. Die Ausweisung sei darüber hinaus verfahrensfehlerhaft ergangen, weil das Gebot zur Einschaltung einer unabhängigen Stelle im einstufigen Verwaltungsverfahren aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verletzt worden sei. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger nach Abschluss des Berufungsverfahrens seine Lebensgefährtin standesamtlich geheiratet habe. Diese sei im November 2012 eingebürgert worden. Die Eheleute seien seit dem 5. Januar 2012 auch Eltern einer deutschen Tochter. Diese neuen Tatsachen seien im Revisionsverfahren jedenfalls insoweit zu berücksichtigen, als sie sich aus Urkunden ergäben.

13

Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und hält die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das Berufungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Ausweisung als rechtmäßig angesehen (1.). Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 ist der Beklagte jedoch zu verpflichten, die in Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von neun Jahren zu befristen (2.).

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und des Befristungsbegehrens ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 15. April 2011 (Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 12). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl. u. Asylrecht Nr. 47 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.

16

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt eine Rechtsstellung nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4 = InfAuslR 1982, 33) - ARB 1/80 - besaß oder ob - wovon das Berufungsgericht ausgeht - diese Rechtsstellung erloschen ist und sich die Ausweisung daher allein nach nationalem Aufenthaltsrecht beurteilt. Für den Fall des Erlöschens des assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts ist das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die verfügte Ausweisung den Voraussetzungen des § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Aber selbst wenn die Ausweisung an den Maßstäben des ARB 1/80 zu messen ist, erweist sie sich als rechtmäßig.

17

1.1 Der Kläger hat eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 erworben. Er ist in Deutschland als Sohn eines nach Deutschland gezogenen türkischen Arbeitnehmers geboren und aufgewachsen. Damit erfüllt er - ungeachtet des Umstands, dass er nicht zu seinem Vater nachgezogen ist - die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2005 - BVerwG 1 C 5.04 - BVerwGE 124, 243 <246> = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 45). Er hat im Bundesgebiet zudem eine Berufsausbildung abgeschlossen, so dass er auch nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 privilegiert ist.

18

Geht man davon aus, dass der Kläger seine Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 nicht verloren hat, bestimmt sich die Rechtmäßigkeit der gegen ihn verfügten Ausweisung nach § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besitzt der Kläger nicht, da sein nationaler Aufenthaltstitel infolge der Ausreise in die Niederlande im April 2004 erloschen ist (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 kann der Kläger nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422 Rn. 86). Das ist hier der Fall.

19

1.2 Die Gefahren, die vom gewerbsmäßigen illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein "großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit" (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - Rs. C-145/09, Tsakouridis - NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Er verweist auf die "verheerenden Folgen" gerade des bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln für die Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Unionsbürger sowie der legalen Wirtschaftstätigkeit, der Stabilität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten (a.a.O. Rn. 46). Die Mitgliedstaaten dürfen daher die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen (a.a.O. Rn. 54). Im Übrigen zählt der illegale Drogenhandel zu den Straftaten, die in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Diese können als schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden und die Ausweisung von Personen rechtfertigen, die entsprechende Straftaten begangen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - Rs. C-348/09, P.I. - NVwZ 2012, 1095 Rn. 28). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht den Handel mit Betäubungsmitteln, selbst wenn er nicht bandenmäßig begangen wird, als schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen an (vgl. Urteile vom 3. November 2011 - Nr. 28770/05, Arvelo Aponte/Niederlande - Rn. 58 und vom 12. Januar 2010 - Nr. 47486/06, Khan/Vereinigtes Königreich - InfAuslR 2010, 369 Rn. 40 m.w.N.).

20

Nach diesen Maßstäben stellt das persönliche Verhalten des Klägers eine schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 dar. Er hat aus reinem Gewinnstreben bandenmäßig mit Betäubungsmitteln gehandelt, und zwar in führender Position innerhalb der Bande. Der illegale Handel erfolgte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren und bezog sich auf eine sehr große Menge Marihuana (2 Tonnen) sowie eine erhebliche Menge Kokain (mindestens 5 kg). Der Kläger hat den Drogenhandel auch nach Aufdeckung seines strafbaren Verhaltens vom Ausland aus fortgesetzt.

21

1.3 Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für den Kläger die Gefahr der Wiederholung seines strafbaren Verhaltens im Bereich der Drogenkriminalität bejaht. Es hat die Tatumstände, die Persönlichkeitsstruktur des Klägers, bei dem die gebotene Einsicht, Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Geschehenen fehlen, seine hohe Schuldenbelastung, aber auch seine beanstandungsfreie Führung im Strafvollzug sowie in der anschließenden Bewährungszeit und die vom Kläger im Vollzug genutzte Möglichkeit zur Weiterbildung umfassend gewürdigt. Nach der Überzeugung des Gerichts lässt sich eine erhebliche Wiederholungsgefahr vor allem aus dem Ausmaß der vom Kläger begangenen Taten und der diesen zugrunde liegenden Motivation ableiten. Das Berufungsgericht kam nach ausführlicher Anhörung des Klägers in der mehrstündigen mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis, dass der Kläger in den Jahren nach Beendigung seiner Taten keinen grundlegenden Persönlichkeitswandel vollzogen hat, der verlässlich den Schluss auf ein zukünftig straffreies Leben zulässt.

22

Dabei hat sich das Gericht eingehend mit dem kriminalprognostischen Gutachten vom September 2010 auseinandergesetzt, das zur Aussetzung der Restfreiheitsstrafe durch die Strafvollstreckungskammer führte. Darin ist die Gutachterin zu dem Ergebnis gekommen, dass die durch die Taten zutage tretende Gefährlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr fortbesteht. Das Berufungsgericht ist dem Gutachten nicht gefolgt, weil es nach seiner Auffassung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, in zentralen Punkten nicht schlüssig ist und die Mängel auch nicht durch die Erklärungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt werden konnten. So hat sich die Gutachterin als Beleg dafür, dass der Kläger nunmehr andere Ziele im Leben verfolge, auf seine enge Beziehung zu einer türkischstämmigen Frau bezogen, mit der er sich verloben wolle. Tatsächlich hatte er zum Zeitpunkt der Begutachtung schon Kontakt zu seiner heutigen Ehefrau aufgenommen, was er der Gutachterin verschwiegen hatte. Ferner hatte der Kläger gegenüber der Gutachterin angegeben, zu seinen früheren Freunden keinen Kontakt mehr zu haben. Tatsächlich war aber sein langjähriger Freund M., der ebenfalls der Drogenbande angehörte, Trauzeuge bei der Heirat nach islamischem Ritus mit seiner heutigen Ehefrau, und zwar wenige Monate nach der Begutachtung. Ferner ist die Gutachterin davon ausgegangen, dass der Kläger mit Marihuana im Kilogrammbereich gehandelt habe, während sich das Volumen des Handels mit diesem Betäubungsmittel auf 2 Tonnen bezog und dazu noch der Handel mit mindestens 5 kg Kokain und mit Ecstasy-Tabletten kam. Schließlich hatte die Gutachterin die hohe verbliebene Schuldenbelastung des Klägers von mehr als 800 000 € nicht berücksichtigt. Die Einschätzung, dass die Inhaftierung beim Kläger offenkundig zu einem Gesinnungswandel geführt habe, hatte die Gutachterin nach einer lediglich eineinhalbstündigen Exploration gewonnen, während das Berufungsgericht aufgrund seiner mehrstündigen Verhandlung, in der auch der Kläger eingehend angehört und befragt wurde, zu dem gegenteiligen Ergebnis kam.

23

Das Berufungsgericht war bei seiner Gefahrenprognose nicht an die Einschätzung der Strafvollstreckungskammer bei deren Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gebunden. Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Bindungswirkung geht von den strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die sich nach Unionsrecht bestimmende Prognose, ob der Ausländer eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung. Vielmehr haben die zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. Urteile vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10 = NVwZ 1997, 1119<1120> und vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <193> = Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 40; Discher, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rn. 1241 ff.). Dabei haben sie auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Sie können deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen. Im vorliegenden Fall erscheint ein Abweichen des Berufungsgerichts von der positiven Sozialprognose der Strafvollstreckungskammer schon deshalb nachvollziehbar, weil die strafrichterliche Entscheidung auf einem als mangelhaft bewerteten kriminalprognostischen Gutachten beruhte und sich das Berufungsgericht zudem auf neuere Erkenntnisse aus der Zeit nach Haftentlassung (z.B. erneuter Kontakt zu einem Mitglied der früheren Drogenbande) und insbesondere auf eine aktuelle ausführliche Befragung des Klägers, der Gutachterin und des ermittelnden Polizeibeamten stützen konnte. Damit ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, dass das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 14 ARB 1/80 darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht seine Gefahrenprognose im Rahmen der Prüfung von § 53 AufenthG getroffen hat. Denn die getroffenen Feststellungen und deren tatrichterliche Würdigung ermöglichen dem Revisionsgericht die rechtliche Beurteilung, dass die Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 überschritten ist.

24

1.4 Die Ausweisung des Klägers erweist sich auch unter Würdigung seiner schützenswerten Belange als unerlässlich, um das oben näher beschriebene Grundinteresse der Gesellschaft zu wahren (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 86). Das Berufungsgericht hat die schützenswerten Belange des Klägers, die sich auf sein Privat- und Familienleben beziehen, unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien umfassend gewürdigt (vgl. Urteile vom 2. August 2001 - Nr. 54273/00, Boultif/Schweiz - InfAuslR 2001, 476 und vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279). Es hat in den Blick genommen, dass der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, die deutsche Sprache beherrscht und seine gesamte Erziehung und Sozialisation in Deutschland erfahren hat. Das Gericht hat auch die familiären Bindungen des Klägers an seine in Deutschland lebende Mutter und seine Geschwister sowie deren Familien berücksichtigt. Die zunächst erfolgreiche Integration in den deutschen Arbeitsmarkt hat der Kläger allerdings von sich aus gelöst, indem er sich nur noch im illegalen Drogenhandel betätigte. Zugleich hat das Berufungsgericht die in der Haftzeit begonnene und zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits weit fortgeschrittene berufliche Weiterbildung des Klägers zum Mediengestalter positiv gewürdigt. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Gericht auch die Tatsache einbezogen, dass der Kläger nunmehr in einer Lebensgemeinschaft mit Frau D. und deren minderjährigen Kindern lebt, die Eheschließung mit Frau D. anstrebt und mit ihr einen Kinderwunsch verwirklichen möchte. Die Ausweisung des Klägers ist aber auch unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls aufgrund der besonderen Schwere des Ausweisungsanlasses und der nach wie vor von ihm ausgehenden Gefahr sowie der Zumutbarkeit der Verweisung auf ein Leben in der Türkei verhältnismäßig; sie ist im Hinblick auf die Vorgaben des Unionsrechts und der EMRK nicht zu beanstanden.

25

Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Tatsache, dass der Kläger im Verlauf des Revisionsverfahrens standesamtlich geheiratet hat, seine Ehefrau und deren Kinder deutsche Staatsangehörige geworden sind und der Kläger Vater eines eigenen Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit geworden ist, der Entscheidung des Senats nicht zugrunde gelegt werden. Das Bundesverwaltungsgericht ist - abgesehen von Fällen begründeter Verfahrensrügen - entsprechend seiner vornehmlich auf die Rechtsprüfung beschränkten Aufgabenstellung nach § 137 Abs. 2 VwGO an die vom Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Diese das Rechtsmittel der Revision kennzeichnende Beschränkung führt dazu, dass das Revisionsgericht - im Gegensatz zum Berufungsgericht (§ 128 VwGO) - neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigt. Die in § 137 Abs. 2 VwGO enthaltene revisionsrechtliche Sperre für die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände wird nicht dadurch überwunden, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen das Vorliegen einer gegenwärtigen, d.h. aktuellen Gefahr verlangt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 80, 82 und insbesondere Rn. 84). Damit wird der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachlage angesprochen, der infolge der der Verwaltungsgerichtsordnung zu entnehmenden Trennung zwischen Tatsacheninstanzen und Revisionsinstanz nur für Entscheidungen der Tatsachengerichte maßgeblich ist. Denn nur ihnen obliegt gemäß § 86 Abs. 1 §§ 108 und 128 VwGO die Erforschung des Sachverhalts und die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung. Diese Trennung der Funktionen von Tatsachen- und Revisionsinstanz wird durch das Unionsrecht nicht modifiziert, da es nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das gerichtliche Verfahrensrecht auch insoweit zu regeln, als es den Schutz von aus dem Unionsrecht erwachsenden individuellen Rechten gewährleisten soll (vgl. hierzu im Einzelnen: Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - zur Aufnahme in die Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 19). Die Eröffnung der auf eine reine Rechtskontrolle beschränkten dritten Instanz widerspricht auch nicht dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und Art. 13 EMRK. Denn der dort niedergelegte Grundsatz effektiven gerichtlichen Rechtschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - Rs. C-69/10, Samba Diouf - NVwZ 2011, 1380 Rn. 69; EGMR, Urteil vom 17. Januar 1970 - Nr. 2689/65, Delcourt - EGMR-E 1, 100 Rn. 25). Er verlangt nicht, dass ein nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats eröffnetes Rechtsmittel wie die Revision eine Überprüfung der Tatsachen auf aktuellem Sachstand ermöglicht. Vielmehr hängt die Anwendung der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes von den ersichtlichen Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens - hier des Revisionsverfahrens - ab (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 1970 a.a.O. Rn. 26). Soweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der Überprüfung von Ausweisungsentscheidungen Tatsachen berücksichtigt, die nach der abschließenden nationalen Entscheidung eingetreten sind, ergibt sich daraus keine entsprechende Verpflichtung für die nationalen Gerichte in einem Revisionsverfahren (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 41548/06, Trabelsi/Deutschland - EUGRZ 2012, 11 Rn. 60 f.). Nach nationalem Recht verbleibt die Möglichkeit, nach der Berufungsentscheidung eingetretene Umstände zugunsten des Ausländers zu berücksichtigen, indem dieser eine Verkürzung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 Satz 3 - 5 AufenthG beantragt (dazu unter 2.).

26

1.5 Besitzt der Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Bei deren gerichtlicher Überprüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (EuGH, Urteil vom Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 84; so bereits BVerwG, Urteil vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <320 f.>). Die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über den Erlass einer Ausweisung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Zugunsten des Ausländers sind die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts und seine schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Außerdem sind die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, in die Abwägung einzustellen (§ 55 Abs. 3 AufenthG). Die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind dabei entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländern, zumal wenn sie über keine Bindungen an das Land ihrer Staatsangehörigkeit verfügen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 20).

27

Mit Blick auf diese Vorgaben ist die Ermessensausübung des Beklagten im Ausweisungsbescheid vom 4. Oktober 2006 nicht zu beanstanden. Der Beklagte geht von einem aus dem Assoziationsrecht abgeleiteten Aufenthaltsrecht des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 aus und misst die Rechtmäßigkeit der Ausweisung am Maßstab des Art. 14 ARB 1/80. Er erkennt die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung und beachtet deren gesetzliche Grenzen. In die Ermessensentscheidung sind alle relevanten Gesichtspunkte eingestellt worden. Die erfolgte Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Abwehr der vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Fall der Fortsetzung des illegalen Drogenhandels gegen das Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Begründung des öffentlichen Interesses stützt sich der Beklagte ausschließlich auf Gefahren, die vom Kläger selbst ausgehen und nicht auf generalpräventive Gründe. Ausführungen, die der Beklagte schriftsätzlich im Berufungsverfahren zu Fragen der Generalprävention gemacht hat, sind nicht Bestandteil der behördlichen Ermessensentscheidung geworden. Denn für eine Ergänzung von Ermessensentscheidungen gelten nach der Rechtsprechung des Senats strenge Maßstäbe an Form und Handhabung, damit der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - BVerwGE 141, 253 Rn. 18). Diese sind hier nicht erfüllt. Denn der Beklagte hat in seinen Schriftsätzen vom 12. Januar 2011, 16. März 2011 und 7. April 2011 jedenfalls nicht hinreichend deutlich getrennt zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt seiner Entscheidung betreffen, und Ausführungen, mit denen er lediglich als Prozesspartei seine Entscheidung verteidigt. Etwaige Zweifel und Unklarheiten über Inhalt und Umfang nachträglicher Ergänzungen gehen aber zulasten der Behörde (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 18). Die behördliche Entscheidung verstößt auch nicht gegen das Gebot der Aktualität der Ermessenserwägungen. Denn der Beklagte hat ausweislich seines Schriftsatzes vom 7. April 2011 die neue Entwicklung in den persönlichen Verhältnissen des Klägers erkannt und gewürdigt, insbesondere seine Haftentlassung, seine Heirat von Frau D. nach islamischem Ritus und die Betreuungsbedürftigkeit seiner Mutter. Er hat dies aber nicht zum Anlass für eine Ergänzung seiner Ermessensentscheidung genommen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, da die Änderungen in dem vorliegenden Fall (noch) kein solches Gewicht hatten, dass sie angesichts der Größe der vom Kläger weiterhin ausgehenden Gefahr einen Anlass für eine Ermessensergänzung gaben. Anders hätte sich die Lage dargestellt, wenn der Kläger im April 2011 bereits mit einer Deutschen verheiratet gewesen und mit ihr ein deutsches Kind gehabt hätte, wie das heute der Fall ist. Dann hätte die Änderung der persönlichen Verhältnisse des Klägers eine Qualität erreicht, die eine Ergänzung der Ermessensentscheidung erfordert hätte, ohne dass deshalb von einer Ausweisung hätte abgesehen werden müssen.

28

1.6 Die weiteren Rügen der Revision sind unbegründet; insbesondere ist das Ausweisungsverfahren fehlerfrei durchgeführt worden. Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen (Urteil vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04 - BVerwGE 124, 217 <221 f.> im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - Rs. C-136/03, Dörr und Ünal - Slg. 2005, I-4759 = NVwZ 2006, 72). In dem hier vorliegenden Fall hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid aber am 4. Oktober 2006 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG) erlassen. Zu diesem Zeitpunkt galt Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr.

29

Es kann offenbleiben, ob sich für assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige die unionsrechtlichen Anforderungen an den Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheidungen nunmehr nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG (betreffend langfristig Aufenthaltsberechtigte) oder nach Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG (betreffend Unionsbürger) bestimmen. Denn in keiner dieser Vorschriften ist die Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme vorgeschrieben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 8. Dezember 2011 für die Auslegung von Art. 14 ARB 1/80 als neuen unionsrechtlichen Bezugsrahmen Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG herangezogen (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 74 und 78 f.). Nach Absatz 4 dieser Vorschrift steht langfristig Aufenthaltsberechtigten zur Überprüfung einer Ausweisung der Rechtsweg offen. Noch nicht ausdrücklich entschieden wurde, ob die maßgebliche Vorschrift der Richtlinie 2004/38/EG für den Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheidungen (Art. 31) auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige entsprechend angewendet werden kann. Selbst wenn das geboten wäre, ergäbe sich daraus nicht die Verpflichtung zur Beteiligung einer unabhängigen Stelle, denn Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG sieht eine solche Beteiligung nicht vor. Vielmehr bestimmt Art. 31 Abs. 1, dass gegen Ausweisungsentscheidungen ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann. Im Rechtsbehelfsverfahren sind gemäß Art. 31 Abs. 3 die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf den in Art. 28 geregelten Schutz vor Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 2). Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG kompensiert den Wegfall der Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Verwaltungsverfahren, wie sie noch in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vorgeschrieben war, durch einen erhöhten Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren. Die angefochtene Entscheidung unterliegt nunmehr nicht nur einer Rechtskontrolle, sondern das Gericht hat auch die der Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen zu überprüfen.

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Nicht gefolgt werden kann der Auffassung, Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG sehe weiter die Beteiligung einer unabhängigen Stelle vor, was sich zum einen daraus ergebe, dass der Rechtsbehelf nach Art. 31 Abs. 1 "gegebenenfalls" auch bei einer Behörde eingelegt werden könne und sich die Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren gemäß Art. 31 Abs. 3 nicht nur auf Tatsachen, sondern auch auf "Umstände" zu beziehen habe. Denn der Verweis in Art. 31 Abs. 1 auf die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegebenenfalls bei einer Behörde einzulegen (englische Fassung: "where appropriate"), bezieht sich erkennbar auf die Fälle, in denen das nationale Recht das so vorsieht, etwa wenn der gerichtlichen Überprüfung noch ein behördliches Widerspruchsverfahren vorgeschaltet ist. Eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Beteiligung einer zweiten Stelle im Verwaltungsverfahren ergibt sich daraus jedoch nicht. Entsprechendes gilt für die in Art. 31 Abs. 3 vorgeschriebene Überprüfung der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung beruht. Aus dem Begriff der "Umstände" (englische Fassung: "circumstances") lässt sich eine Zweckmäßigkeitsprüfung - wie sie in Deutschland einer Behörde vorbehalten wäre - nicht ableiten. Die Formulierung ist vielmehr im Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 3 Satz 2 zu sehen, der die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Entscheidung im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 vorschreibt. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind alle "Umstände" zu berücksichtigen, die Art. 28 bezeichnet.

31

Bereits in seinem Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - hat der Senat ausgeführt (juris Rn. 23), dass assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige nach der Rechtsprechung des EuGH keine bessere verfahrensrechtliche Rechtsstellung beanspruchen können als Unionsbürger. Für Unionsbürger wurde die behördliche Kontrolle von Ausweisungsentscheidungen nach dem "Vier-Augen-Prinzip", wie sie Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vorsah, abgeschafft. Dann steht aber auch den Inhabern eines aus dem ARB 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrechts kein solcher erweiterter behördlicher Rechtsschutz mehr zu.

32

Demgegenüber beruft sich der Kläger auf die Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Aus diesen Stand-Still-Klauseln ergibt sich nach Auffassung des Klägers, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden sei. Dem folgt der Senat nicht.

33

Wie bereits im Urteil vom 10. Juli 2012 ausgeführt (a.a.O. Rn. 25), spricht gegen die Auffassung des Klägers bereits die Tatsache, dass Art. 13 ARB 1/80 seinem Wortlaut nach nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die Europäische Union verpflichtet. Art. 41 Abs. 1 ZP betrifft sachlich nur Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, nicht aber die der Arbeitnehmerfreizügigkeit zuzurechnende aufenthaltsrechtliche Stellung aus Art. 7 ARB 1/80. Des Weiteren erscheint fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittenen Stand-Still-Klauseln überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfassen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 20 zu den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel) und ob die Aufhebung des "Vier-Augen-Prinzips" mit Blick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG oder Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG eine Verschlechterung der Rechtsposition darstellt. Das kann aber dahinstehen, da die weitere Anwendung des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige selbst bei Annahme einer rechtserheblichen Verschlechterung gegen Art. 59 ZP verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf der Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Das wäre aber bei weiterer Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" im Vergleich zu den Verfahrensrechten von Unionsbürgern aus Art. 31 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG - wie oben dargelegt - der Fall.

34

Ohne Erfolg rügt der Kläger einen nationalen Verstoß gegen die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 durch das Entfallen des Widerspruchsverfahrens für Ausweisungsentscheidungen in Baden-Württemberg seit 1. Juli 1999. Zum einen stellte die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Ausweisung dar, sondern - anders als Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG - lediglich eine Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Zum anderen betrifft der Wegfall des Widerspruchsverfahrens türkische Assoziationsberechtigte und Unionsbürger in gleicher Weise. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht der Erlass oder Wegfall von Regelungen, die - wie hier - in gleicher Weise auf türkische Staatsangehörige und auf Gemeinschaftsangehörige Anwendung finden, nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP (vgl. Urteile vom 19. Februar 2009 - Rs. C-228/06, Soysal u.a. - InfAuslR 2009, 135 Rn. 61 zu Art. 41 ZP und vom 17. September 2009 - Rs. C-242/06, Sahin - Rn. 67 zu Art. 13 ARB 1/80). Demzufolge kann die generelle Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Baden-Württemberg nicht gegen Art. 13 ARB 1/80 verstoßen, da sie auch in Fällen der Verlustfeststellung des Rechts auf Einreise und Aufenthalt von Unionsbürgern (§ 6 FreizügG/EU) gilt. Im Übrigen wäre die Aufrechterhaltung des Widerspruchsverfahrens nur für türkische Staatsangehörige nicht mit dem Besserstellungsverbot des Art. 59 ZP vereinbar.

35

2. Auf den Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung begehrt, ist die Beklagte zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von neun Jahren zu befristen. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

36

2.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist zulässig. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren in § 142 VwGO steht dem nicht entgegen. Während des Revisionsverfahrens ist § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 in der Weise geändert worden, dass der Kläger nunmehr einen Anspruch auf gleichzeitige Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung hat (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 28). Dieser Änderung des materiellen Rechts trägt der gestellte Hilfsantrag Rechnung.

37

2.2 Der Hilfsantrag ist nur in geringem Umfang begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

38

2.2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet. Das hat der Senat mit Urteil vom 10. Juli 2012 entschieden (a.a.O. Rn. 30 ff.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest; zur Begründung wird auf das vorgenannte Urteil verwiesen. Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39 f.). Damit wird dem sich aus dem materiellen Recht ergebenden Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen.

39

2.2.2 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von neun Jahren für angemessen.

40

Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Zunächst bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorliegen, geht der Senat davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von zehn Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

41

Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher gegebenenfalls in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie gegebenenfalls seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 42 m.w.N.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen oder bei fehlender behördlicher Befristungsentscheidung - wie hier - durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen.

42

Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da von dem Kläger - im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht; das ergibt sich aus den Ausführungen zu den Ausweisungsvoraussetzungen. Bei der Bemessung der Frist hatte der Senat in einem ersten Schritt zu berücksichtigen, dass beim Kläger die Gefahr der Wiederholung schwerwiegender Drogenstraftaten besteht. Trotz seiner erfolgreichen Fortbildungsanstrengungen im Strafvollzug und in den Folgemonaten sowie erster Ansätze für eine erfolgreiche Integrationsprognose wäre wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der vom Berufungsgericht festgestellten hohen Wiederholungsgefahr unter Berücksichtigung der fortbestehenden Verbindungen des Klägers zu einzelnen Mitgliedern seiner früheren Drogenbande sowie seines Alters eine Befristung für einen Zeitraum von zehn Jahren erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in seiner Person Rechnung zu tragen. Diese Frist hat der Senat um ein Jahr reduziert und damit den persönlichen Bindungen des Klägers an Deutschland als Land, in dem er geboren und aufgewachsen ist und in dem seine Familie lebt, Rechnung zu tragen. Zu den vom Senat berücksichtigten Bindungen zählen auch die an Frau D. und deren minderjährige Kinder, wobei die Lebensgemeinschaft allerdings zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung erst wenige Monate bestand und in Kenntnis der ergangenen Ausweisungsverfügung eingegangen worden war.

43

Der Senat hat bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Verkürzung der Frist stellen kann. Bei der Bescheidung dieses Antrags sind von der Beklagten dann die Änderungen in den persönlichen Verhältnissen des Klägers zu berücksichtigen, die seit dem Berufungsurteil vom April 2011 eingetreten sind, insbesondere seine standesamtliche Eheschließung mit Frau D., die mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sowie die Geburt einer gemeinsamen Tochter, die ebenfalls deutsche Staatsbürgerin ist. Weiter wird die Beklagte im Fall eines Verkürzungsantrags des Klägers zu prüfen haben, ob auch solche neuen Tatsachen vorliegen, aus denen sich eine Verminderung der Wiederholungsgefahr ableiten lässt.

44

3. Die Frage, ob die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann im vorliegenden Fall offenbleiben (vgl. dazu Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45). Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die (Wirkungen der) Ausweisung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.