Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Nov. 2018 - M 8 K 17.1570

bei uns veröffentlicht am26.11.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Soweit die Beteiligten die Hauptsache bzgl. der Nutzungsuntersagung und der Zwangsgeldandrohung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Der Kläger und die Beklagte haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.

IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vorläufig vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens … Straße, Fl.Nr. …, Gem. … und begehrt hierfür die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung zu Wohn- und gewerblichen Zwecken.

Das Geviert, in welchem sich das streitgegenständliche Grundstück befindet - begrenzt durch die … Straße, … Straße, die … Straße und die … Straße -, ist durch eine überwiegende Wohnnutzung gekennzeichnet.

Am 24. November 2016 (Eingangsdatum) beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und einem zusätzlichen Stellplatz.

Geplant ist die Errichtung eines eingeschossigen Gebäudes mit Flachdach in L-Form. Entlang der … Straße ist das Gebäude 16,95 m (vermasst) lang. Auf einer Länge von 12,605 m (vermasst) ist das Gebäude 4,50 m (vermasst) tief (südlicher Gebäudeteil), auf einer Länge von 4,345 m (vermasst) ist es 9,00 m (vermasst) tief (nördlicher Gebäudeteil). Das Vorhaben beinhaltet zwei Wohneinheiten in jedem der beiden Gebäudeteile; die Einheiten sind durch eine Verbindungstür voneinander getrennt.

In der Baubeschreibung zum Bauantrag gab er an, dass (auch) eine Beherbergungsstätte mit zwei Beherbergungsräumen und vier Betten geplant sei.

In der Betriebsbeschreibung vom 21. November 2016 führte der Kläger aus, dass das Haus später als Wohnraum für ihn und seine Ehefrau dienen solle. Für die spätere Privatnutzung als Wohnhaus sei es aufgrund der hohen Anschaffungskosten beim Grundstück notwendig, in den ersten Jahren Einnahmen auch durch Kurzzeitvermietung zu erzielen. Das Vorhaben falle nicht unter die Beherbergungsstättenverordnung und sei als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes im reinen Wohngebiet zulässig.

In einem eigenen (Rechts-)Gutachten des Klägers, dem Telefax vom 15. Februar 2017 beigefügt, stellte der Kläger insbesondere fest, dass keine Absicht bestehe, über die Vermietung zu Wohnzwecken hinaus Dienstleistungen anzubieten („keine Pension!“). Es sei lediglich beabsichtigt, befristet zu Wohnzwecken auch an Personen zu vermieten, die kürzer als 3 Monate blieben. Unter dem Gliederungspunkt „Möblierung?“ gab der Kläger an: „Wohnmöblierung wie „möbliertes Wohnen““. Es gebe einen Bedarf für derartige Vorhaben, weil in der näheren Umgebung keine einzige Möglichkeit bestehe, Hausgäste extern unterzubringen. Es seien keine Gemeinschaftsräume geplant.

Mit Bescheid vom 14. März 2017 (Az.: …*), dem Kläger laut Zustellungsurkunde am 17. März 2017 zugestellt, genehmigte die Beklagte den Bauantrag vom 24. November 2016 nach Plan-Nr. … sowie Baumbestandsplan nach Plan-Nr. … mit dem Betreff „Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und einem zusätzlichen Stellplatz“ unter Teilablehnung der gewerblichen Nutzung dieses Objektes, wie in der Betriebsbeschreibung vom 21. November 2016 dargestellt, im vereinfachten Verfahren.

Die gewerbliche Nutzung sei zu unterlassen.

Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- € pro Gästebett angedroht.

Zur Begründung der Teilablehnung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass das maßgebliche Geviert ein faktisches allgemeines Wohngebiet (aufgrund eines nicht störenden Verwaltungsbetriebes und einer Kirche) darstelle; das maßgebliche Geviert werde durch die … Straße, die … Straße, die … Straße und die … Straße begrenzt. Die gewerbliche Nutzung des geplanten Gebäudes sei als sonstiger, nicht störender Gewerbebetrieb einzustufen und daher nur ausnahmsweise zulässig. Diese Ausnahme könne vorliegend nach pflichtgemäßem Ermessen nicht zugelassen werden. Das Vorhaben sei geeignet das Wohnen und die Wohnruhe im maßgeblichen Geviert zu beeinträchtigen. Das Verhalten von kurzzeitigen Mietern bzw. Ferienwohnungsnutzern sei nach allgemeiner Erfahrung anders zu klassifizieren. Es werde Unruhe - insbesondere durch das andersartige Verkehrsaufkommen - in das Wohngebiet getragen. Zudem sprächen öffentliche Interessen gegen die Erteilung einer Ausnahme. Freiwerdende Flächen in Wohngebieten sollen möglichst als Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Im Hinblick auf die zu erzielenden Einnahmen im Bereich des Ferienwohnsektors würden auf diese Art und Weise für andere Wohnrauminhaber unerwünschte Anreize geschaffen, die wiederum die Wohnsituation im allgemeinen Wohngebiet verschärften. Eine Verdrängung der Wohnnutzung und Verschärfung der Wohnungsnot finde statt.

Eine Befreiung scheide aufgrund vorangegangener Ausführungen erst recht aus.

Zur Begründung der Zwangsgeldandrohung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Bauantrag im Hinblick auf die beigefügten Pläne und Konstruktionen eine Besonderheit zu sonstigen Bauanträgen aufweise. Sollte das Gebäude errichtet werden, erscheine es nahe liegend, dass trotz der getroffenen Teilablehnung eine gewerbliche Nutzung aufgenommen werde.

Mit Schriftsatz vom 12. April 2017, beim Verwaltungsgericht München am selben Tage eingegangen, ließ die Klagepartei durch ihre Bevollmächtigten Klage erheben mit den Anträgen:

I. Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 14. März 2017 wird, soweit der Antrag des Klägers vom 24. November 2016 hinsichtlich einer gewerblichen Nutzung zurückgewiesen wurde, aufgehoben,

II. die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers vom 24. November 2016 auch hinsichtlich der gewerblichen Nutzung stattzugeben;

hilfsweise: auf Antrag des Klägers vom 24. November 2016 wird die gewerbliche Nutzung des Gebäudes gemäß Plan Nummer … gemäß Betriebsbeschreibung vom 21. November 2016 gestattet und III. der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 14. März 2017 wird, soweit er eine Zwangsmittelandrohung enthält, aufgehoben.

Zur Begründung der Klage führten die Bevollmächtigten der Klagepartei im Wesentlichen aus:

In der Betriebsbeschreibung habe der Kläger die für eine Ermessensausübung der Behörde relevanten Merkmale besonders herausgestellt. Das Vorhaben berücksichtige jedwede denkbaren nachbarschützenden Interessen optimal; die Nachbarn hätten auch das Projekt befürwortet. Ein Gebäude mit einer höheren GFZ und größeren Ausmaßen sei sogar zulässig, welches zu höheren Lärmbelästigungen führen würde. Es liege ein allgemeines Wohngebiet vor. Die beiden Gebäudeteile erfüllten den Begriff der Wohnung. Das Merkmal klein[er Beherbergungsbetrieb] sei erfüllt. Dem Kläger komme es nicht auf eine spezifische Einordnung als Ferienwohnung oder kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes an, sondern lediglich darauf, dass die beiden Wohnungen auch kurzzeitig an Feriengäste oder Messebesucher vermietet werden dürften. In Betracht komme daher auch eine Definition als Boardinghaus oder als möblierte Wohnung. Für den Kläger bestehe das Problem, dass die Vermietung an Ferien- oder Kurzzeitgäste möglicherweise eine Zweckentfremdung darstelle, was durch die Baugenehmigung vermieden werden solle. Der Kläger habe das Grundstück zu einem Kaufpreis von 1,36 Millionen € aufgrund eines Ankaufvermächtnisses erworben, welches ihm Auflagen für die Bebauung mache. Zur Bedienung des Darlehens und damit der Erhaltung des Grundstücks sei eine Kurzzeitvermietung für einen gewissen Zeitraum erforderlich. Der Begriff des Wohnungsmangels sei kein rechtlich definierter Begriff des Baurechts, sondern ein politischer Begriff.

Eine pauschale Untersagung der gewerblichen Nutzung sei rechtswidrig. Gleiches gelte in der Konsequenz auch für die prophylaktische Zwangsgeldandrohung, die willkürlich auf einer bloßen Vermutung beruhe.

Im Übrigen stellte der Kläger sein, der Beklagten bereits vorgelegtes Gutachten dar.

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2018 legte die Beklagte die Behördenakten vor, äußerte sich im Übrigen jedoch nicht.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 10. Oktober 2018 am 26. November 2018 über die Verhältnisse auf dem klägerischen Grundstück sowie in dessen Umgebung Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom selben Tag wird auf die entsprechende Sitzungsniederschrift verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid vom 14. März 2017 in Bezug auf die Nutzungsuntersagung und die Zwangsgeldandrohung aufgehoben, woraufhin die Beteiligten die Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Der Kläger hat sodann beantragt,

I. Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 14. März 2017 wird, soweit der Antrag des Klägers vom 24. November 2016 hinsichtlich einer gewerblichen Nutzung zurückgewiesen wurde, aufgehoben und

II. die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers vom 24. November 2016 auch hinsichtlich der gewerblichen Nutzung stattzugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird im Übrigen auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache bezüglich der im streitgegenständlichen Bescheid verfügten Nutzungsuntersagung und Zwangsgeldandrohung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nachdem die Beklagte jene Verfügungen aufgehoben hat, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen und über die Kosten nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) zu entscheiden.

Da sich die Hauptsache nur teilweise erledigt hat, war kein gesonderter Beschluss zu erlassen, sondern die - auch in diesem Fall nicht der Anfechtung unterliegende - Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil im Urteil zu treffen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 - 4 B 75.98 - juris Rn. 2).

2. Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet und hat daher keinen Erfolg. Die Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung bezüglich der gewerblichen Nutzung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung einer diesbezüglichen Baugenehmigung zu, da die Bauvorlagen hinsichtlich der gewerblichen Nutzung zu unbestimmt sind.

2.1 Eine Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO). Dies setzt voraus, dass das Bauvorhaben anhand von Bauantrag und Bauvorlagen geprüft werden kann.

Denn Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO bestimmt insofern, dass mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen sind. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), vgl. Art. 80 Abs. 4 BayBO. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen dabei vollständig, richtig und eindeutig sein (vgl. Gaßner in Simon/Busse, BayBO, Stand: 128. EL Dezember 2017, Art. 64 Rn. 75). Stellt sich bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden (vgl. Gaßner, a.a.O. Rn. 80; VG München, B.v. 28.11.2017 - M 8 SN 17.4766 - juris Rn. 57). Art. 76 BayBO Simon/Busse

2.2 Dies zugrunde gelegt, sind die vom Kläger vorgelegten Bauvorlagen unvollständig und unklar. Eine Baugenehmigung durfte die Beklagte auf Grund dessen nicht erteilen, weshalb das Gericht keine Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung aussprechen kann.

Der Kläger begehrt vorliegend neben der Nutzung der geplanten baulichen Anlage zu Wohnzwecken - welche die Beklagte genehmigt hat und welche nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist - eine gewerbliche Nutzung. Hierbei sind sowohl die zeitliche Dauer als auch der konkrete Umfang jener Nutzung nicht hinreichend in den Bauvorlagen, insbesondere in der Betriebsbeschreibung, bestimmt.

2.2.1 Die beantragte (teilweise) befristete Erteilung einer Baugenehmigung ist zwar rechtlich zulässig (vgl. Art. 69 Abs. 1 BayBO; Art. 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG). Jedoch hat der Kläger hier nicht angegeben, für welchen Zeitraum er die gewerbliche Nutzung durchführen will. In den vorgelegten Bauvorlagen ist lediglich die Rede von einer „spätere[n]“ Wohn- bzw. Privatnutzung, der eine gewerbliche Nutzung zeitlich vorgelagert sein soll, oder einer Nutzung in den „ersten Jahren“. Über welchen Zeitraum diese genau stattfinden soll, ist den eingereichten Unterlagen dagegen nicht zu entnehmen.

Ohne eine solche Angabe kann eine abschließende baurechtliche Beurteilung nicht erfolgen, da an eine zeitlich befristete Nutzung möglicherweise andere Anforderungen zu stellen sind als an eine dauerhafte Nutzung. So könnte gerade im Rahmen der Ermessensentscheidung der Beklagten im Rahmen des § 31 Abs. 1 und Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) die Dauer der Nutzung zu berücksichtigen sein.

Die Erteilung einer Baugenehmigung für einen „vorübergehenden“, nicht konkret befristeten Zeitraum wäre hingegen mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam (vgl. OVG NRW, B.v. 27.7.1992 - 7 B 2686/92 - juris Rn. 12; offen gelassen, aber in diese Richtung tendierend: BayVGH, U.v. 7.12.2010 - 14 B 09.2292 - juris Rn. 23).

2.2.2 Im Übrigen sind die Bauvorlagen auch insoweit unbestimmt, als sie nicht konkret erkennen lassen, welcher Personenkreis in welchem Umfang die streitgegenständlichen Räume nutzen soll. So wird in der Betriebsbeschreibung vom 21. November 2016 unpräzise von „Kurzzeitvermietung“ gesprochen. Ob es sich um eine tageweise, wochenweise oder noch langfristigere Vermietung handeln soll, wird nicht näher erläutert. Auch unter Berücksichtigung der weiteren vom Kläger eingereichten, von der Beklagten aber nicht mit einem Ablehnungsstempel versehenen, Unterlagen wird die geplante Dauer der jeweiligen Nutzung nicht konkretisiert. Der Angabe einer Vermietung für „weniger als 3 Monate“ lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, welche Nutzungsdauer für die Bewohner der Räumlichkeiten beabsichtigt ist.

Auch wenn laut des „Gutachtens“ des Klägers über die Vermietung zu Wohnzwecken hinaus Dienstleistungen nicht angeboten werden, erscheint jedenfalls die Frage der Reinigung der Räumlichkeiten klärungsbedürftig und ist somit in eine Betriebsbeschreibung aufzunehmen.

Auch diese Angaben sind zur abschließenden Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens erforderlich, da nur so eine Abgrenzung zwischen den hier in Betracht kommenden typisierten Nutzungsarten nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) - Wohnnutzung, (kleiner) Betrieb des Beherbergungsgewerbes, nicht störender Gewerbebetrieb oder Ferienwohnung - möglich ist. Denn hierbei kommt es - neben der Ausstattung des Apartments, der Möglichkeit eigenständiger Haushaltsführung innerhalb des Apartments und dem Umfang ergänzender Dienstleistungen - maßgeblich auf die Dauer des Aufenthaltes an (vgl. VGH BW, B.v. 17.1.2017 - 8 S 1641/16 - juris Rn. 17 ff.; Vietmeier in Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 3 Rn. 28).

2.3 Auf die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens - insbesondere die Frage, ob eine allgemein zulässige oder eine ausnahmsweise zulässige Nutzung gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO bzw. § 4 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BauNVO in Betracht kommt (vgl. hierzu VG München, U.v. 18.6.2018 - M 8 K 17.4323 - rechtskräftig - juris) - kommt es folglich nicht mehr entscheidungserheblich an.

3. Die Klage war daher - soweit noch rechtshängig - mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Soweit die Beteiligten die Streitsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO), die Kosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen, da die aufgehobenen Verfügungen rechtswidrig gewesen sein dürften.

Zwar kann eine vorbeugende Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO grundsätzlich erlassen werden. Dies setzt jedoch das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten voraus, aus denen zweifelsfrei auf eine unmittelbar bevorstehende rechtswidrige Nutzung einer Anlage geschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2017 - 9 ZB 15.1989 - juris Rn. 5 m.w.N.), die hier nicht gegeben waren. Aus dem Verhalten des Klägers ist nicht ersichtlich, dass er die gewerbliche Nutzung ohne Baugenehmigung aufnehmen würde.

Die Zwangsgeldandrohung war aus diesem Grund sowie aufgrund einer fehlenden Fristsetzung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) ebenfalls rechtswidrig, wenn nicht nichtig (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, 130. EL Juli 2018, Art. 76 Rn. 376).

Angesichts der Tatsache, dass der Kläger hinsichtlich der Erteilung der Baugenehmigung unterliegt, hinsichtlich zweier Verfügungen, die jedoch rechtlich einfacher zu würdigen sind, obsiegt (hätte), erscheint es angemessen, dass die Beteiligten die Kosten gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO je zur Hälfte tragen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Nov. 2018 - M 8 K 17.1570

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Nov. 2018 - M 8 K 17.1570

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Nov. 2018 - M 8 K 17.1570 zitiert 11 §§.

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 9. Oktober 2017 (M 8 K 17.4767) gegen die Baugenehmigung vom 5. September 2016 wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 9. Oktober 2017 (M 8 K 17.4767) gegen die der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 5. September 2017.

Der Antragsteller ist Miteigentümer an dem Grundstück …str. 19, Fl.Nr. …, Gemarkung …; er wohnt im Vordergebäude (im Folgenden als Gebäude …str. 19 bezeichnet). Eigentümerin des Grundstücks ist die WEG …str. 19. Die Beigeladene ist die Bauherrin für das streitgegenständliche Vorhaben auf dem Grundstück …str. 17, Fl.Nr. …, Gemarkung …

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2007 (Az.: …) genehmigte die Antragsgegnerin den Bauantrag vom 16. März 2007 (Eingangsdatum) hinsichtlich des Gebäudes …str. 19 nach den Plänen Nr. … und Nr. …

Die dem streitgegenständlichen Grundstück zugewandte südwestliche Außenwand ist darin mit einer Breite von 12,00 m (vermasst), einer Dachneigung von 57° (abgegriffen), einer straßenseitigen Wandhöhe von 14,77 m (vermasst) – bei einer vermassten Geländeoberkante von + 0,00 m – und einer Firsthöhe von 20,7 m (abgegriffen) dargestellt. Die Wandhöhe ist im rückwärtigen Bereich mit + 14,77 m angegeben; die Geländeoberkante ist mit + 0,90 m dargestellt. Das Gebäude …str. 19 verfügt straßenseitig und im rückwärtigen Bereich über Balkone im 1. bis 4. Obergeschoss.

Die straßenseitigen Balkone sind 9,95 m (vermasst) breit und 1,25 m (vermasst) tief, sowie 0,85 m (abgegriffen) von der Außenkante der südwestlichen Außenwand und 0,75 m (abgegriffen) von der Außenkante der nordwestlichen Außenwand situiert; die Geländeroberkante des Balkons im 4. Obergeschoss ist 12,95 m (abgegriffen) hoch.

Die rückwärtigen Balkone sind 10,00 m breit (vermasst) und 1,25 m (vermasst) tief sowie 0,85 m (abgegriffen) von der Außenkante der südwestlichen Außenwand und 0,75 m (abgegriffen) von der Außenkante der nordwestlichen Außenwand situiert; die Geländeroberkante des Balkons im 4. Obergeschoss ist 12,45 m (abgegriffen) hoch.

Am 1. September 2016 (Eingangsdatum) beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Balkonerweiterung und zum Anbau eines Personenaufzugs für das streitgegenständliche Grundstück …str. 17. Dem Bauantrag war ein Antrag auf Abweichung, Befreiung, Ausnahme beigefügt (Bl. 20 ff. der Behördenakte, Akten-Nr. …, Band ...), in welchem insbesondere hinsichtlich des Grundstücks …str. 19 feststellt wird, dass die Abstandsflächen durch die Balkonanbauten überschritten würden; die Abstandsflächen der Balkone würden sich zudem mit der umgebenden Bebauung überdecken.

Das Bauvorhaben sieht nach den von der Antragsgegnerin mit Genehmigungsstempel versehenen Plänen mit Plan-Nummer … … … mit Handeintragungen vom 3. Mai 2017 und 18. Juli 2017 – die in der Behördenakte befindlichen Pläne mit Plan-Nummer … sind dagegen nicht abgestempelt – vor, dass an der nordöstlichen Außenwand des vorderen Bestandsgebäudes (im Folgenden als Bestandsgebäude bezeichnet) entlang der …straße jeweils zwei Balkone im 1. bis 3. Obergeschoss errichtet werden. Die Balkone haben jeweils eine Breite von 5,50 m und eine Tiefe von 1,25 m.

An der dem Grundstück …str. 19 zugewandten, nordwestlichen Seite des Bestandsgebäudes ist die Errichtung von jeweils zwei Balkonen im 1. bis 3. Obergeschoss geplant. Die Balkone haben jeweils eine Breite von 2,50 m und eine Tiefe von 1,10 m.

An der südlicheren der beiden südwestlichen Außenwände ist die Errichtung eines Balkons im 1. bis 3. Obergeschoss geplant. Die Balkone weisen jeweils eine Breite von 3,00 m und eine Tiefe von 1,50 m auf.

An der nördlicheren der beiden südwestlichen Außenwände ist die Errichtung eines Balkons im 1. bis 3. Obergeschoss geplant. Die Balkone haben jeweils eine Breite von 2,365 m und eine Tiefe von 1,50 m.

Die Oberkante der Geländer der Balkone im 3. Obergeschoss ist stets mit +10,51 m, die Oberkante der Geländeoberfläche mit -0,55 m angegeben.

All diese Längenmaße sind in den Plänen vermasst.

In der Abstandsflächendarstellung im Grundriss Erdgeschoss sind die Abstandsflächen der Balkone auf der dem Grundstück …str. 19 zugewandten, nordwestlichen Seite des Bestandsgebäudes mit einer jeweiligen Tiefe von 11,10 m (vermasst) – beginnend in einem Abstand von 1,50 m (abgegriffen) von der Außenwand – und einer jeweiligen Breite von 2,5 m (abgegriffen) angeben. Die Abstandsflächen liegen laut Plandarstellung (auch) auf dem Grundstück …str. 19.

Die Abstandsfläche der straßenseitigen Balkone entlang der …str. sind an ihrer schmaleren Seite in nordwestlicher Richtung zum Grundstück …str. 19 mit einer Tiefe von 11,10 m (vermasst) und einer Breite von 1,25 m (abgegriffen) angegeben. Die Abstandsflächen liegen laut Plandarstellung (auch) auf dem Grundstück …str. 19.

Die Abstandsfläche der dem Grundstück …str. 19 zugewandten Außenwand des Bestandsgebäudes ist mit einer Tiefe von 14,02 m (vermasst) über die gesamte Außenwandbreite von 20,2 m (abgegriffen) dargestellt. Diese Außenwand ist 4,4 m (abgegriffen) von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt. Die Abstandsfläche liegt (auch) auf dem Grundstück …str. 19.

Die Abstandsflächen der Außenwände des Gebäudes …str. 19 sind nur in nordöstlicher und in südwestlicher Richtung, nicht dagegen in südöstlicher Richtung zum streitgegenständlichen Grundstück beschriftet dargestellt; eine gestrichelte Linie deutet wohl letztere Abstandsfläche an; sie liegt (auch) auf dem Grundstück …str. 17. Die dem Grundstück …str. 17 zugewandte Außenwand ist 3,25 m (vermasst) von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt.

Der Personenaufzug soll an der nördlicheren der beiden südwestlichen Außenwände und an der südöstlichen, nicht grenzständigen Außenwand errichtet werden.

Lageplan nach Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht

Mit Bescheid vom 5. September 2016 (Az.: …), der WEG …str. 19 laut Zustellungsurkunde am 7. September 2017 zugestellt, genehmigte die Antragsgegnerin den Bauantrag der Beigeladenen vom 29. September 2016 (sic!) nach Plan-Nummer … … … mit Handeintragungen vom 3. Mai 2017 und 18. Juli 2017 im vereinfachten Genehmigungsverfahren.

In der Baugenehmigung wurden fünf Abweichungen gemäß Art. 63 Abs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) erteilt. Unter Ziffer 3 wurde eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO aufgrund Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen straßenseitig zum Nachbarn Fl.Nr. … wegen Anbau von Balkonen erteilt. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass die Balkone mit einer Tiefe von 1,25 m errichtet würden. Der Nachbar weise in gleicher Tiefe Balkone auf, sodass man von einer Gegenseitigkeit bzw. gleichwertigen Situation ausgehen könne. Darin liege die Atypik begründet. Die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und eine ausreichende Belichtung der Wohn- und Aufenthaltsräume blieben gewahrt. Die Nachbarn würde die erteilte Abweichung nicht in ihren schutzwürdigen Individualinteressen verletzen.

Mit am 9. Oktober 2017 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schreiben erhob der Antragsteller Klage gegen die Baugenehmigung vom 5. September 2017. Über diese Klage, die unter dem Aktenzeichen M 8 K 17.4767 geführt wird, ist noch nicht entschieden.

Mit am 9. Oktober 2017 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schreiben beantragt der Antragsteller zudem,

die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers vom 9. Oktober 2017 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 5. September 2017, Az.: …, zu Balkonerweiterung und Anbau eines Personenaufzugs am Vordergebäude auf dem Grundstück …str. 17, … … mit der Fl.Nr. …, Gemarkung …, anzuordnen.

Zur Begründung des Antrags führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass das Gebäude auf dem Grundstück …str. 19 nur straßen- und hofseitig Balkone aufweise, nicht jedoch an der Gebäudeseite, was auch den gegenüberliegenden Gebäuden an der …straße entspreche.

Die Beigeladene habe im Rahmen der Fassadeninstandsetzung an dem streitgegenständlichen Gebäudeverankerungen gesetzt, an denen jederzeit die geplanten Balkone angebracht werden könnten.

Der Zulässigkeit des Antrags stehe nicht entgegen, dass der Antragsteller keinen vorherigen Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt habe, da eine Kontaktaufnahme mit dieser trotz mehrerer Versuche erfolglos geblieben sei.

Der Antrag sei begründet, da sich die Baugenehmigung als rechtswidrig erweise und den Antragsteller in seinen Nachbarrechten beeinträchtige. Das Vorhaben verstoße gegen Art. 6 BayBO; die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung lägen nicht vor. Eine für die Abweichung erforderliche Atypik sei nicht gegeben, da das Nachbargebäude auf dem Grundstück …str. 19 an der Gebäudeseite gerade keine Balkone aufweise, ebenso wie dies auch nicht bei den anderen Gebäuden im betroffenen Straßenabschnitt der Fall sei. Durch die geplanten Balkone würden nicht nur die Belichtung und Belüftung des Nachbargebäudes erheblich beeinträchtigt, sondern auch infolge der zu erwartenden Schallemissionen.

Im Übrigen seien überwiegende Interessen der Beigeladenen an der Vollziehung der Baugenehmigung nicht ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2017 hat die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass die Baugenehmigung rechtmäßig sei und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletze.

Bereits die Antragsbefugnis des Antragstellers sei fraglich eine solche sei für einen Sondereigentümer nur zu bejahen, sofern der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Baugenehmigung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentümers aufgetragen sei, so insbesondere, wenn das Sondereigentum im Bereich der Abstandsflächen liege oder aber das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betreffe (BVerwG, B.v. 20.8.1992 – 4 B 92/92; BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211). Eine Verletzung seines Sondereigentums habe der Antragsteller aber nicht dargelegt.

Im Übrigen sei die erteilte Abweichung rechtmäßig. Insbesondere betreffe die erteilte Abweichung nur die straßenseitig – nordöstlichen – geplanten Balkone. Die Abstandsflächen der südwestlich geplanten Balkone kämen nicht auf dem Grundstück des Antragstellers zum Liegen. Ebenso wenig betreffe die erteilte Abweichung die nordwestlich auf der Gebäudeseite geplanten Balkone. Da diese Balkone untergeordnet seien, greife hier Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO.

Die nachträgliche Errichtung von Balkonen, welche im Straßenbild bereits mehrfach vorhanden seien und der Modernisierung dienten, würde vorliegend eine atypische Situation begründen.

Der Antragsteller könne sich nicht auf eine etwaig rechtswidrig erteilte Abweichung berufen, da er selbst Abstandsflächen (12,12 m² - und damit mehr als die 7,62 m² durch das Vorhaben) auf das streitgegenständliche Grundstück werfe (§ 242 Bürgerliches GesetzbuchBGB).

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots sei nicht ersichtlich.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 wurde die Bauherrin und Adressatin der streitgegenständlichen Baugenehmigung zum Verfahren beigeladen, die sich jedoch nicht geäußert hat.

Mit Schreiben vom 8. November 2017 wurde der Antragsteller vom Gericht um Darlegung gebeten, inwieweit sein Sondereigentum durch die streitgegenständliche Baugenehmigung betroffen wird. Hierfür dürfte insbesondere eine genaue Beschreibung der Situierung/Lage des Sondereigentums erforderlich sein.

Mit Schriftsatz vom 17. November 2017 führte der Antragsteller aus, dass nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ein Sondereigentümer antragsbefugt sei, sofern der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Baugenehmigung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentümers aufgetragen sei, was der Fall sei, wenn das Sondereigentum im Bereich der Abstandsflächen liege.

Das Sondereigentum des Antragstellers liege über zwei Etagen im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss direkt vis-à-vis des streitgegenständlichen Gebäudes. Insbesondere das Kinderzimmer im 1. Obergeschoss und die Terrasse im Erdgeschoss seien von dem Bauvorhaben betroffen.

Die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO lägen nicht vor. Ein einheitliches Straßenbild sei nicht gegeben; an den Längsseiten der Gebäude zwischen der …straße und der …straße seien keine Balkone vorhanden. Die Balkone dienten auch nicht der Modernisierung, sondern allein wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen.

Zwar lägen gegenseitige Abstandsflächenverstöße im Bestand der Gebäude …str. 17 und 19 vor. Die gegenseitige Beeinträchtigung verschiebe sich aber durch das Bauvorhaben einseitig zu Lasten des Antragstellers bzw. dem Anwesen …str. 19. Eine weitere Verschlechterung der Abstandsflächensituation müsse verhindert werden.

Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO sei nicht anwendbar, da die Außenwand, an der die Balkone angebracht werden sollen, selbst die Abstandsflächen nicht einhalte. Zudem sei keine Unterordnung gegeben.

Im Übrigen seien die Lärmimmissionen unzumutbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird im Übrigen auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet und hat daher Erfolg.

1. Der Antrag des Antragstellers gemäß § 80a Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB), gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagevom 9. Oktober 2017 (M 8 K 17.4767) gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. September 2016 der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, ist zulässig.

Der Antragsteller ist antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 VwGO.

Der einzelne Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) kann baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nach § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG nur geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (vgl. BVerwG, U .v. 20.8.1992 - 4 B 92/92 – juris LS 1; BayVGH, B. v. 2.10.2003 - 1 CS 03.1785 - BayVBl 2004, 664 – juris LS; B .v. 11.2.2004 - 2 CS 04.18 - juris; B. v. 21.1.2009 - 9 CS 08.1330 -1336 – juris Rn. 2; B. v. 22.3.2010 - 15 CS 10.352 – juris Rn. 10; U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 – BayVBl 2013, 51 – juris LS 1; B .v. 08.07.2013 - 2 CS 13.807 – juris Rn. 5 und 6; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 66 BayBO Rn. 12). Das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 20.8.1992 - 4 B 92/92 – juris LS 1) bejaht eine Klage- und Antragsbefugnis des Sondereigentümers, sofern der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Baugenehmigung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen ist. Dies ist möglicherweise dann der Fall, wenn das Sondereigentum beispielsweise im Bereich der Abstandsflächen liegt oder aber das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft.

Vorliegend ist nicht von vornherein auszuschließen, dass das Sondereigentum des Antragstellers im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss in den Abstandsflächen des Bestandsgebäudes liegt (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 4) und somit ein Verstoß gegen die drittschützenden Abstandsflächenvorschriften vorliegt.

2. Der Antrag ist auch begründet, da die angefochtene Baugenehmigung den Antragsteller bei summarischer Prüfung in nachbarschützenden Vorschriften verletzt, die im Prüfumfang der Baugenehmigung enthalten sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog, Art. 59 Satz 1 BayBO).

2.1 Nach § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Dabei stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – juris). Hat dagegen die Anfechtungsklage von Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden und zu Lasten der Antragsteller ausfallenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).

Der Antragsteller kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung in der Hauptsache nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5.87 – juris; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009, a.a.O. Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 – 4 B 244.96 – juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).

2.2 Dies zugrunde gelegt, wird die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung voraussichtlich Erfolg haben. Sie erweist sich voraussichtlich als zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin – die Baugenehmigung vom 5. September 2016, die den Bauantrag vom 1. September 2016 genehmigt (ein Bauantrag vom 29. September 2016 existiert nicht; insoweit handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen) – verletzt ihn in seinen Rechten, so dass ihm ein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die in erheblichem Umfang fehlerhaften Bauvorlagen, insbesondere die Abstandsflächendarstellung, führen zu einer Rechtsverletzung des Antragstellers.

2.2.1. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO sind mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Bauantrages erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. § 1 Abs. 1 Satz 1 BauVorlV konkretisiert den Begriff der Bauvorlagen als einzureichende Unterlagen, die für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrages erforderlich sind. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauVorlV muss der eingereichte Lageplan (vgl. § 3 Nr. 1 BauVorlV) die katastermäßigen Flächen, Flurstücknummern und die Flurstückgrenzen des Baugrundstücks und der benachbarten Grundstücke enthalten. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 13 BauVorlV muss der Lageplan, soweit dies zur Beurteilung des Bauvorhabens erforderlich ist, die Abstände der geplanten baulichen Anlage zu anderen baulichen Anlagen auf dem Baugrundstück und auf den benachbarten Grundstücken, zu den Nachbargrenzen sowie die Abstandsflächen der geplanten baulichen Anlagen und der bestehenden Anlagen auf dem Baugrundstück und den Nachbargrundstücken enthalten.

Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen vollständig, richtig und eindeutig sein (vgl. Gaßner in: Simon/Busse, BayBO, Stand: 122. EL Januar 2016, Art. 64 Rn. 75). Stellt sich bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden (vgl. Gaßner, a.a.O. Rn. 80).

Sind die Angaben in den Bauvorlagen in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig, so ist eine Baugenehmigung rechtswidrig, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen von der Genehmigungsbehörde nicht zutreffend beurteilt wurden (vgl. Gaßner, a.a.O. Rn. 82). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Nachbar zwar keinen materiellen Anspruch darauf hat, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht, die Baugenehmigung aber dann aufzuheben ist, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1775 – juris Rn. 11 m.w.N.). Wenn die Baugenehmigung selbst oder die der Baugenehmigung zu Grunde liegenden Bauvorlagen wegen Ungenauigkeiten keine Entscheidung zulassen, ob die Anforderungen derjenigen Vorschriften gewährleistet sind, die zum Prüfprogramm des konkreten bauaufsichtlichen Verfahrens gehören und die Nachbarschutz vermitteln, kann eine Nachbarrechtsverletzung zur Aufhebung einer Baugenehmigung führen (BayVGH, U.v. 28.6.1999 – 1 B 97.3174 – juris Rn. 16). Betrifft die Unbestimmtheit oder Unrichtigkeit der Bauvorlagen solche Vorschriften, deren Verletzung im konkreten Fall subjektiv-öffentliche Abwehrrechte des Antragstellers begründen können, ist eine mögliche Rechtsverletzung des Antragstellers hierdurch zu bejahen (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.1999 – 1 B 97.3174 – juris Rn. 16; B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1175 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dem folgt auch die übrige obergerichtliche Rechtsprechung.

Das Bestimmtheitsgebot verlangt in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Baumaßnahmen und Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarrechtlicher Vorschriften auszuschließen und – zusätzlich – wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht (OVG NRW, U.v. 6.6.2014 - 2 A 2757/12 - juris Rn. 73 und OVG Lüneburg, B.v. 26.1.2012 - 1 ME 226/11 - juris Rn. 22).

2.2.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze ist eine Nachbarrechtsverletzung gegeben.

Die Bauvorlagen sind an zahlreichen Stellen fehlerhaft. Der gravierendste Fehler ist, dass die Tiefe der zur …str. 19 ausgerichteten Balkone in der Abstandsflächendarstellung im Plan Grundriss EG nicht – wie in den Ansichten und Grundrissen im Übrigen – mit 1,10 m eingezeichnet bzw. angedeutet ist, sondern mit 1,50 m bzw. 1,60 m (beides abgegriffen). Warum sich die Balkontiefen zwischen der nördlichen und südlichen Balkonreihe außerdem unterscheiden sollen, ist aus den übrigen Bauvorlagen nicht ersichtlich. Zudem sei auf die nicht nachvollziehbaren und falschen Angaben der Abstandsflächentiefen hingewiesen. Bei einer vermassten Geländeroberkante der obersten Balkone (straßenseitig und zur …str. 19 ausgerichtet) von + 10,51 m und einer vermassten Geländeroberkante von - 0,55 m ergibt sich nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BayBO eine Wandhöhe von 11,06 m; dieses Maß ist die Abstandstiefe H, Art. 6 Abs. 4 Satz 6 BayBO. Die in den Bauvorlagen angegebenen 11,10 m sind nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf die Abstandsflächentiefe der nordwestlichen Außenwand des Bestandsgebäudes ist die Traufe nicht vermasst, sodass die Wandhöhe nur abgegriffen werden kann – die angegebenen 14,02 m könnten wohl korrekt sein. Außerdem sind die Abstandsflächen, die durch die südöstliche Außenwand des Gebäudes …str. 19 sowie die straßenseitigen und rückwärtigen Balkone ausgelöst werden, allenfalls im Plan Grundriss EG angedeutet, jedenfalls aber nicht vermasst oder vollständig. Angesichts der unterschiedlichen Höhen der Geländeoberkanten straßenseitig und im rückwärtigen Bereich kann die Abstandsfläche zeichnerisch kein Rechteck sein, wie es in der Abstandsflächendarstellung (unvollständig) andeutet ist.

Die obige Aufzählung der Mängel der Bauvorlagen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da bereits die genannten Mängel so wesentlich sind, dass der Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann.

Denn gerade aufgrund der fehlerhaften Darstellung der Balkontiefen kann die Bauaufsichtsbehörde und auch der Nachbar anhand der Bauvorlagen nicht konkret prüfen, welchen Umfang das Vorhaben hat. Insbesondere die Prüfung der Einhaltung der Abstandsflächen bzw. die genaue Berechnung der Abstandsflächen ist ihm nicht möglich, da aufgrund der Bauvorlagen unklar ist, ob die Bebauung auf dem Nachbargrundstück um 1,10 m, 1,50 m oder um 1,60 m erweitert wird. Gleiches gilt für die fehlerhaften Angaben der Abstandsflächentiefe der Balkone. Es bleibt unklar, ob die Beigeladene von Abstandsflächen mit einer Tiefe von 11,10 m ausgeht und diese beanspruchen möchte oder lediglich von 11,06 m, worauf die Vermassung der Geländeroberkante der Balkone und der Geländeoberkante hindeutet. Aufgrund der konkreten Situierung des streitgegenständlichen und des westlich benachbarten Gebäudes im innerstädtischen Bereich in engem Abstand zueinander unter offensichtlichem gegenseitigen Verstoß gegen die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, sind präzise, richtige und vollständige Darstellungen der Abstandsflächen unabdingbar für die Prüfung von Nachbarrechtsverletzungen. Diese fehlen hier jedoch, weshalb in den fehlerhaften Bauvorlagen eine Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten zu sehen ist.

3. Zur Vermeidung zukünftiger Rechtsstreitigkeiten sieht sich das Gericht veranlasst festzustellen, dass gegen ein Bauvorhaben, das an der nordwestlichen Außenwand des Bestandsgebäudes zwei Balkonreihen über die drei Obergeschosse mit einer jeweiligen Länge von 2,50 m und einer Tiefe von 1,10 m vorsieht und das in den Bauvorlagen ordnungsgemäß gemäß den gesetzlichen Anforderungen der BauVorlV darstellt wird, in bauplanungsrechtlicher und abstandsflächenrechtlicher Hinsicht nach Überzeugung des Gerichts keine Bedenken bestehen.

3.1 Ein solches Vorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Normen des Bauplanungsrechts, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfen sind.

3.1.1 Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, sodass sich der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 59 BayBO ergibt.

3.1.2 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend allein nach § 34 BauGB, da weder ein qualifizierter Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB noch ein einfacher Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB für das streitgegenständliche Grundstück (und das benachbarte Grundstück …str. 19) existiert – die vordere Baulinie entlang der …- und …straße wird hinsichtlich der Anwesen …str. 13 - 21 fortgeführt – und damit im innerstädtischen Bereich … unzweifelhaft ein unbeplanter Innenbereich vorliegt.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

Das Vorhaben fügt sich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung – Wohnnutzung – gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB in die nähere Umgebung ein – unabhängig davon, welcher Gebietskategorie man die nähere Umgebung zuordnet. Denn jedenfalls erfolgt im Bestandsgebäude und dem Gebäude …str. 19 Wohnnutzung.

Im Übrigen kann dahin stehen, ob die weiteren Voraussetzungen des § 34 BauGB objektiv-rechtlich eingehalten sind, da sich der Antragsteller mangels Betroffenheit in eigenen Rechten jedenfalls darauf nicht berufen kann; insbesondere das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche sind nicht drittschützend (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1994 – 4 B 53/94 – juris Rn. 4; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.9.2008 – 1 CS 08.2201 – juris Rn. 1; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 3; B.v. 30.9.2014 – 2 ZB 13.2276 – juris Rn. 4; VG München, B.v. 5.42017 – M 8 S7 17.1207 – juris Rn. 22).

3.1.3 Ein solches Vorhaben verstößt auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.

Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).

Inhaltich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 6).

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe es Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12 m.w.N.). Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 9.2.2015 – 2 CS 15.17 n.v.).

Im Hinblick auf die straßenseitigen Balkone kommt eine Rücksichtslosigkeit bereits deshalb nicht in Betracht, da diese zur …str. – und nicht zum Grundstück …str. 19 – hin ausgerichtet sind. Soweit der Antragsteller diesbezüglich unzumutbare Einblicksmöglichkeiten geltend macht, ist er auf die Einblicksmöglichkeiten von den straßenseitigen Balkonen des Gebäudes …str. 19 auf das streitgegenständliche Anwesen hinzuweisen, die sogar bis zum 4. Obergeschoss – und nicht nur bis zum 3. Obergeschoss wie beim Vorhaben – angebracht sind. Diese sind zudem höher als die geplanten Balkone.

Im Hinblick auf die nordwestlichen Balkone ist keine erdrückende Wirkung des Vorhabens erkennbar. Das Gebäude …str. 19 ist selbst höher als das Bestandsgebäude und damit auch als alle Balkone. Der Abstand zwischen den Außenkanten der nordwestlichen Balkonen und der gemeinsamen Grundstücksgrenze beträgt zudem wohl 3,24 m, der Abstand zum Gebäude …str. 19 wohl 6,49 m (= 3,24 m + 3,25 m). Auch angesichts der eingehaltenen abstandsflächenrechtlichen Mindestabstände zur Grundstücksgrenze von allgemein 3 m (vgl. Art. 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 BayBO) bzw. 2 m hinsichtlich von Balkonen (vgl. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 lit. c BayBO), die Ausdruck des Rücksichtnahmegebots sind, spricht daher nichts dafür, dass dem Vorhaben eine erdrückende Wirkung zukommt. Ein substantiierter Vortrag des Antragstellers ist hierzu zudem nicht erfolgt. Gleiches gilt im Hinblick auf behauptete unzumutbare Licht- und Luftverhältnisse und Schallemissionen.

Eventuelle Einblickmöglichkeiten durch das streitgegenständliche Vorhaben, soweit diese nicht ohnehin bereits durch die Bestandsbebauung gegeben sind, führen ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2005 – 1 ZB 05.42 – juris Rn. 20; Sächs. OVG B.v. 23.2.2010 – 1 B 581/09 – juris Rn. 5). Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im innerstädtischen Bereich unvermeidlich. Das Gebot der Rücksichtnahme schützt grundsätzlich nicht vor der Möglichkeit, in andere Grundstücke von benachbarten Häusern aus Einsicht nehmen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 9 CS 16.2088 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 13 m.w.N.; VG München, B.v. 16.1.2017 – M 8 SN 16.2877 – juris Rn. 30). Unzumutbarkeit ist allenfalls dann anzunehmen, wenn eine die Privatsphäre besonders beeinträchtigende drangvolle Nähe geschaffen würde, oder die Terrassen bzw. Balkone allein dem Zweck dienten, Einblick in das Grundstück des Nachbarn zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2015 – 1 CS 15.1411 – juris Rn. 4; VG München, U.v. 14.3.2016 – M 8 K 15.335 – juris Rn. 32).

Die hier im innerstädtischen Bereich gelegenen Anwesen ermöglichen bereits jetzt erhebliche gegenseitige Einsichtsmöglichkeiten.

An der nordwestlichen Außenwand sind in den Planunterlagen und aus Luftbildern im Erdgeschoss sechs Fenster und in den Obergeschosse 21 Fenster erkennbar, wovon mehr als ein Dutzend direkt der südöstlichen Außenwand des Gebäudes …str. 19 gegenüber liegen; hinzu kommen drei Dachgauben, wovon zwei direkt der südöstlichen Außenwand des Gebäudes …str. 19 gegenüber liegen.

Mit neun Fenstern auf der südöstlichen Außenwand des Gebäudes …str. 19 bestehen auch für die Bewohner dieses Gebäude Einblickmöglichkeiten auf das streitgegenständliche Grundstück; hinzu kommen zwei Dachliegefenster auf dem südöstlichen Dach.

Der Anbau von Balkonen am Bestandsgebäude erhöht diese Einsichtsmöglichkeiten nicht quantitativ, sondern allenfalls qualitativ, indem ein Einblick auf das Grundstück …str. 19 von einer kürzeren Distanz möglich ist. Jedoch ist es dem Nachbar – wie bisher auch – zumutbar, etwaige Einsichtsmöglichkeiten ohne nennenswerten Aufwand durch Sichtschutzeinrichtungen zu unterbinden (vgl. VG München, B.v. 16.1.2017 – M 8 SN 16.2877 – juris Rn. 32).

3.2 Auch in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht wäre ein solches Vorhaben genehmigungsfähig.

3.2.1 Unstreitig hält das Vorhaben durch den geplanten Balkonanbau – wie auch das Bestandsgebäude – die Abstandsflächen zum Grundstück …str. 19 nicht ein.

Der erste Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO erfolgt durch die westlichen der beiden geplanten straßenseitigen, zur …str. ausgerichteten Balkonreihen. Diese sind wegen ihrer Breite von jeweils 5,50 m (vermasst) nicht untergeordnet (vgl. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 lit. a BayBO); ihnen kommt deshalb gebäudegleiche Wirkung zu (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO und Umkehrschluss zu Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO). Ungefähr 7 m² Abstandsfläche des obersten Balkons dürften somit auf dem Grundstück …str. 19 liegen.

Die Abstandsfläche des obersten Balkons der östlichen straßenseitigen Balkonreihen mit den gleichen Maßen wie oben liegt dagegen wohl nicht auf dem Grundstück …str. 19, da die westliche Außenkante wohl mehr als 12 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt ist.

Der zweite und dritte Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO erfolgt durch die beiden Balkonreihen, die an der dem Grundstück …str. 19 zugewandten, nordwestlichen Seite des Bestandsgebäudes geplant sind. Diese erfüllen bei einer Breite von 2,50 m, einer Tiefe von 1,10 m und einem Abstand zur gegenüberliegenden Nachbargrenze von wohl 3,24 m zwar grundsätzlich die Anforderungen des Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO für untergeordnete Vorbauten. Jedoch ist Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift, dass die Außenwand, vor die der Balkon auskragt, selbst die gesetzlichen Abstandsflächen einhält (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2005 – 2 ZB 02.2285 – juris Rn. 3 zur Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO aF; Franz/Rauscher/Dhom in: Simon/Busse, 125. EL Mai 2017, BayBO, Art. 6 Rn. 393 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall, da das Bestandsgebäude mit einer Wandhöhe von etwa 14 m, einer Außenwandlänge von etwa 20 m und einem Grenzabstand von ca. 4,4 m die Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 4, 5 BayBO offenkundig nicht einhält, was sich auch aus der (fehlerhaften) Abstandsflächendarstellung der Beigeladenen ergibt. Folglich haben die Balkone ebenfalls Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO einzuhalten (s.o.). Hinsichtlich des südlichen obersten Balkons auf der nordwestlichen Seite des Bestandsgebäudes dürfte eine Abstandsfläche (in Form eines rechtwinkligen Dreiecks) von ca. 4 m² auf dem Grundstück …str. 19 liegen. Hinsichtlich des nördlichen obersten Balkons auf der nordwestlichen Seite des Bestandsgebäudes dürfte eine Abstandsfläche von 20 m² auf dem Grundstück …str. 19 liegen.

3.2.2 Die Antragsgegnerin kann aber bezüglich der abstandsrechtlichen Verstöße durch die Balkone Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO erteilen.

Hinsichtlich der straßenseitigen Balkone hat sie das bereits in der streitgegenständlichen Baugenehmigung unter Ziffer 3 der Abweichungen getan; sie verweist darin in rechtmäßiger Art und Weise auf die atypische Situation der gegenseitigen Abstandsflächenverstöße (dazu sogleich).

Hinsichtlich der Balkone an der nordwestlichen Außenwand könnte sie eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO erteilen, da eine Atypik gegeben ist.

Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der Bayerischen Bauordnung und aufgrund der BayBO erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, müssen rechtlich erhebliche Umstände vorliegen, die das Vorhaben als einen atypischen Fall erscheinen lassen und die dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2016 – 9 CS 16.2278 – juris Rn. 14; B.v. 26.9.2016 – 15 CS 16.1348 – juris Rn. 33; B.v. 9.8.2016 – 9 ZB 14.2684 – juris Rn. 7; B.v. 15.9.2015 – 2 CS 15.1792 – juris Rn. 5 f.; U.v. 3.12.2014 – 1 B 14.819 – juris Rn. 15). Die Atypik kann durch den besonderen Zuschnitt des Grundstücks, durch die aus dem Rahmen fallende Bebauung auf dem Bau- oder Nachbargrundstück, aber auch aus Belangen des Denkmalschutzes oder aus städteplanerischen Erwägungen, wie der Sicherung eines gewachsenen Stadtbildes, begründet sein (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2016, Art. 63 Rn. 46 m.w.N.). Auch die Lage eines Baugrundstücks in einem eng bebauten historischen Ortskern kann eine atypische Grundstückssituation begründen, bei der eine Verkürzung der Abstandsflächen in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2016 – 9 CS 16.2278 – juris Rn. 14; B.v. 16.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 16, 18 m.w.N.).

Vorliegend ist die Atypik darin zu sehen, dass die Balkone, so sie die Maße 1,10 m x 2,50 m bei einem Grenzabstand von über 2 m einhalten, grundsätzlich die Anforderungen des Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO für untergeordnete Vorbauten erfüllen und damit keine Abstandsflächenrelevanz haben; der Landesgesetzgeber hat Balkone mit solchen Ausmaßen also für abstandsflächenrechtlich unbedenklich gehalten. Lediglich aufgrund der Nichteinhaltung der Abstandsfläche durch die nordwestliche Außenwand kann die Beigeladene sich hierauf nicht berufen. Hinzu kommt, dass diese Abstandsflächen vollständig in der Abstandsfläche der nordwestlichen Außenwand liegen und somit in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht zu keiner Vergrößerung der Abstandsflächentiefe führen. Damit weicht das Vorhaben erheblich vom Normalfall ab, was die Erteilung einer Abweichung rechtfertigt.

3.2.3 Im Übrigen könnte sich der Antragsteller voraussichtlich jedenfalls nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf einen etwaigen Abstandsflächenverstoß berufen.

3.2.3.1 Aus dem System nachbarlicher Ausgleichs- und Rücksichtnahmepflichten folgt, dass derjenige, der selbst mit seinem Gebäude die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhält, billigerweise nicht verlangen kann, dass der Nachbar die Abstandsflächen freihält. Dies führt dazu, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Nachbar sich gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Einhaltung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen kann, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück nicht dieser Vorschrift entspricht und wenn die beiderseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 10; U.v. 4.2.2011 – 1 BV 08.131 – juris Rn. 37; VGH BW, B.v. 29.9.2010 – 3 S 1752/10, BauR 2011, 148 – juris Rn. 5; VGH BW, B.v. 4.1.2007 – 8 S 1802/06 – juris Rn. 4).

Bei dieser Betrachtung ist es unerheblich, ob das Gebäude des rechtsschutzsuchenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt (BayVGH, B.v. 1.9.2016 – 2 ZB 14.2605 – juris Rn. 13; OVG Berlin, U.v. 11.2.2003 – 2 B 16.99 – juris Rn. 29; VGH SH, U.v. 15.12.1992 – 1 L 118/91 – juris Rn. 37; OVG Lüneburg, B.v. 30.3.1999 – 1 M 897/99 – juris Rn. 43; a.A. OVG Münster, U.v. 24.4.2001 - 10 A 1402/98 - juris Rn. 11; kritisch auch Kuchler, juris PR-UmwR 6/2014 – Anm. 1). Maßgeblich ist allein, dass der rechtsschutzsuchende Nachbar den jetzt erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, denn die Versagung des Abwehranspruches beruht darauf, dass es unbillig wäre, einen Nachbarn den durch die grenznahe bauliche Anlage des anderen Nachbarn ausgehenden Nachteilen auszusetzen, ihm selbst aber eine Ausnutzung seines Grundstücks im Grenzbereich zu verwehren (VG München, B.v. 16.9.2016 – M 8 SN 16.2790 – juris Rn. 87).

3.2.3.2 Hinsichtlich der straßenseitigen Balkone kann sich der Antragsteller bereits im Hinblick auf den Abstandsflächenverstoß durch die straßenseitigen Balkone des Gebäudes …str. 19 nicht auf den Abstandsflächenverstoß nach Treu und Glauben berufen.

Etwa 7 m² Abstandsfläche der geplanten straßenseitigen Balkone des Bestandsgebäudes dürften auf dem Grundstück …str. 19 liegen, wohingegen ca. 11 m² Abstandsfläche der straßenseitigen Balkone des Gebäudes …str. 19 auf dem streitgegenständlichen Grundstück liegen dürften, also ca. 4 m² mehr.

Zudem hat der Antragsteller – trotz Aufforderung durch das Gericht – nicht nachgewiesen, welchen konkreten Umfang sein Sondereigentum hat. Eine Verletzung in seinem Sondereigentum scheint zwar nicht ausgeschlossen, eine erhebliche Verletzung eigener Rechte durch die geplanten straßenseitigen Balkone erscheint aber unwahrscheinlich, da die nicht mit dem Gebäude …str. 19 bebaute Fläche im nördlichen (Vorgarten-/Eingangs-)Bereich des Grundstücks …str. 19 Gemeinschaftseigentum sein dürfte.

3.2.3.3 Auch im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Balkonreihe auf der nordwestlichen Seite des Bestandsgebäudes, dürfte sich der Antragsteller nach Treu und Glauben nicht auf den Abstandsflächenverstoß berufen können, da die Abstandsflächenverletzung durch das Gebäude …str. 19 größer sein dürfte als die durch das Bestandsgebäude.

Von der Abstandsfläche der nordwestlichen Außenwand des Bestandsgebäudes dürften ca. 150 m² auf dem Grundstück …str. 19 liegen. Hinzu kommt die Abstandsflächenüberschreitung durch den straßenseitigen Balkon von 7 m², weshalb insgesamt eine Überschreitung von ca. 157 m² vorliegen dürfte. Die Abstandsflächen der nordwestlichen Balkone liegen vollständig in der Abstandsfläche des Bestandsgebäudes, weshalb durch diese Balkone keine tiefere Abstandsfläche ausgelöst wird (s.o.).

Auch insoweit ist wiederum unklar, in welchem Umfang der Antragsteller überhaupt von diesem Abstandsflächenverstoß in seinem Sondereigentum betroffen ist (s.o.).

Dagegen dürften ca. 160 m² Abstandsfläche, ausgelöst durch die südöstliche Außenwand des Gebäudes …str. 19, auf dem streitgegenständlichen Grundstück liegen.

Hinzu kommen zum einen die Abstandsflächenüberschreitung durch die straßenseitigen Balkone von ca. 11 m² und zum anderen die Abstandsflächenüberschreitung durch die rückwärtigen Balkone von ca. 10 m². Insgesamt dürfte die Abstandsflächenüberschreitung durch die südöstliche Seite des Gebäudes …str. 19 damit 181 m² betragen.

Das Gebäude …str. 19 dürfte daher ca. 24 m² Abstandsfläche mehr auf das streitgegenständliche Grundstück werfen als umgekehrt. Der Antragsteller kann sich folglich auf den Abstandsflächenverstoß durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht berufen, da dies gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde.

4. Dem Antrag war aufgrund der fehlerhaften Bauvorlagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Beigeladene keine Kostentragungspflicht trifft, da diese keinen Sachantrag gestellt und sich somit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juli 2016 - 6 K 2090/16 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Am 11.03.2016 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung eines Gebäudekomplexes mit elf sogenannten Business-Apartments (Boardinghouse), fünf Eigentumswohnungen und insgesamt 14 Stellplätzen auf den Grundstücken Flst.-Nrn. ..., ... und ... (F. Straße 8 und P. Weg 12). Die Baugrundstücke steigen von ca. 497 m über NN an der F. Straße im Südosten über eine Länge von ungefähr 30 m auf ca. 513 m über NN am P. Weg im Nordwesten steil an.
In dem Gebäudeteil an der F. Straße sind in den Ebenen 1 und 2 die elf Business-Apartments und in der Ebene 3 zwei Eigentumswohnungen vorgesehen. Die Garagenstellplätze befinden sich in der Ebene 0 unmittelbar auf dem Niveau der F. Straße. Drei weitere Eigentumswohnungen sind in dem Gebäudeteil unmittelbar am P.  Weg auf den Ebenen 3, 4, 5 und 6 vorgesehen, wobei die Ebene 5 unmittelbar auf dem Niveau des P. Wegs liegt. Dort sollen auch vier Carports errichtet werden. Im Mittelteil zwischen den beiden Gebäudeteilen an der F. Straße und am P. Weg sind auf der Ebene 2 ein Büro zur Verwaltung der Business-Apartments, ein Waschraum mit Waschmaschinen und Trockner sowie ein Haustechnikraum vorgesehen, auf der Ebene 3 der Wohnraum und der Kochbereich einer Eigentumswohnung.
Mit der Baugenehmigung erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen auch eine Befreiung von der in einem Abstand von zwei bis drei Metern parallel zu P. Weg verlaufenden Baulinie, die mit einem Bebauungsplan vom August 1961 festgesetzt wurde.
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. ..., das unmittelbar am P. Weg gelegen nordöstlich an das Baugrundstück angrenzt. Den von ihm gegen die Baugenehmigung eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 02.05.2016 zurück. Über die vom Antragsteller dagegen vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren 6 K 3221/16 erhobene Klage ist noch keine Entscheidung ergangen.
Mit Beschluss vom 28.07.2016 hat das Verwaltungsgericht den Antrag „auf Aussetzung der Vollziehung“ der Baugenehmigung vom 11.03.2016 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
Der gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässigen Beschwerde bleibt der Erfolg in der Sache versagt. Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, die vom Senat allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keinen Anlass, entsprechend dem vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung seiner Klage im Hauptsacheverfahren 6 K 3221/16 gegen die der Beigeladenen erteilte, nach § 212 a Abs. 1 BauGB kraft Gesetzes sofort vollziehbare Baugenehmigung vom 11.03.2016 anzuordnen. Mit dem Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die Baugenehmigung nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt und daher dem privaten Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu können, gegenüber dem Aufschubinteresse des Antragstellers der Vorrang zukommt.
1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit des Bauvorhabens im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung ausgegangen.
a) Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, rechtlicher Maßstab sei insoweit § 34 Abs. 1 BauGB. Das Baugrundstück liege zwar im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „Nördlicher Stadtteil Panoramaweg“ vom 08.04.1909/02.08.1961, der als Art der baulichen Nutzung ein „gemischtes Gebiet“ nach der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin festsetze. Insoweit sei der Bebauungsplan jedoch unwirksam, weil die Ortsbausatzung der Antragsgegnerin mangels ordnungsgemäßer Ausfertigung nichtig sei, wie das Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Gerichtsbescheid vom 27.09.1993 - 6 K 1407/91 - entschieden habe.
10 
Auch § 34 Abs. 2 BauGB sei nicht anwendbar, denn die Eigenart der näheren Umgebung entspreche keinem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung. Nähere Umgebung sei der Bereich zwischen der F. Straße und dem P. Weg, der im Südwesten durch die Z. Straße und im Nordosten durch die Grundstücke P. Weg 22 und Sch. Straße 63 begrenzt werde. Entgegen der Auffassung des Antragstellers werde die nähere Umgebung nicht durch eine gedachte Linie von einem Punkt zwischen den Grundstücken F. Straße 2 und Sch. Straße 63 einerseits und einem Punkt zwischen den Gebäuden P. Weg 18 und 20 begrenzt. Denn die F.  Straße und der P. Weg liefen in diesem Bereich noch weitgehend parallel, und erst die 90° Kurve des P. Wegs nach dem Grundstück P. Weg 22 bilde eine relevante städtebauliche Zäsur. Das Studentenwohnheim Sch. Straße 63 mit 115 Apartments, das mit den nachfolgenden Gebäuden in der F. Straße eine zusammenhängende Bebauung bilde, sei damit noch Teil der näheren Umgebung.
11 
Der so bestimmte Bereich sei kein Mischgebiet nach § 6 BauNVO, denn die meisten Grundstücke seien mit Wohnhäusern bebaut. Nur zwei Grundstücke würden auch gewerblich genutzt, und zwar das Gebäude P. Weg 18, in denen sich auf drei Etagen Büros befänden, und das Grundstück F. Straße 16, das eine Bauflaschnerei beherberge. Es fehle an der für ein Mischgebiet typischen Durchmischung von Wohn- und gewerblicher Nutzung.
12 
Als reines oder allgemeines Wohngebiet nach § 3 BauNVO bzw. § 4 BauNVO könne dieser Bereich ebenfalls nicht eingestuft werden. Denn das Bürogebäude P. Weg 16 sei selbst in einem allgemeinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb zulässig. Die Zulässigkeit von Bürogebäuden sei in anderen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung, nämlich den §§ 4 a Abs. 2 Nr. 4, 6 Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2, ausdrücklich geregelt. Sie seien deshalb keine sonstigen Gewerbebetriebe. Die Büros im Anwesen P. Weg 16 seien auch nicht nach § 13 BauNVO in einem Wohngebiet zulässig, denn es würden nicht nur einzelne Räume, sondern mit drei Etagen der überwiegende Teil des Gebäudes als Büro genutzt. Auch die Büros im Wohnhaus des Antragstellers, eines Bezirksschornsteinfegermeisters, und in der Bauflaschnerei auf dem Grundstück F. Straße 16 dienten nicht einer freiberuflichen, sondern einer typisch gewerblichen Tätigkeit und seien deshalb in einem allgemeinen Wohngebiet allenfalls ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig.
13 
Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB sei maßgebend, ob sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Die nähere Umgebung des Baugrundstücks werde nicht nur durch die überwiegenden Wohngebäude geprägt, sondern auch durch die o.g. Gebäude mit gewerblichen Nutzungselementen. Das Studentenwohnheim in der Sch. Straße 63 sei eine Wohnform, die nicht dem klassischen Wohnen entspreche. In den so bestimmten Rahmen füge sich das Bauvorhaben ein. Das genehmigte Boardinghouse sei nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls schwerpunktmäßig als Wohnnutzung und nicht als Beherbergungsbetrieb einzustufen. Zwar sollten die Business-Apartments nach dem Nutzungskonzept der Beigeladenen mittel- und kurzfristig vermietet werden. Auch sei ein hotelähnlicher Service teilweise im Mietpreis enthalten. Maßgeblich sei jedoch, dass alle Business-Apartments über Küchenzeilen und Bäder sowie einen Abstellraum verfügten und abgesehen von einem Büroraum keine Räumlichkeiten wie Speisesaal, Restaurant, Aufenthaltsräume usw. vorgesehen seien, die für einen Beherbergungsbetrieb typisch seien. Die Annäherung an die Wohnnutzung werde durch die beiden Eigentumswohnungen in dem Gebäudeteil mit den Business-Apartments zusätzlich verstärkt.
14 
b) Der Antragsteller hält dem entgegen, das Studentenwohnheim in der Sch. Straße 63 gehöre nicht mehr zur näheren Umgebung des Bauvorhabens, denn es liege nur noch zu ca. einem Drittel in der F. Straße, zum überwiegenden Teil aber in der Sch. Straße. Die maßgebliche Zäsur werde dadurch bewirkt, dass die F. Straße eine eher ruhige Wohnstraße sei, die Sch. Straße dagegen eine stark befahrene Hauptverkehrsstraße mit mehreren Fahrspuren in beide Richtungen. Das Anwesen im P. Weg 18 werde nicht auf drei Etagen, sondern nur im Erdgeschoss als Büro und im Übrigen als Wohnhaus genutzt. In den beiden Untergeschossen sowie im ersten Ober- und im Dachgeschoss befänden sich dagegen Wohnungen. In der F. Straße 16 sei keine Bauflaschnerei mehr; das dortige Büro werde nur noch zu privaten Zwecken genutzt. Das Büro in seinem Haus sei lediglich ca. 13 qm groß und nehme zusammen mit einem Lagerraum für die Messgeräte und einem Sanitärraum nur ca. 17% der Gesamtwohnfläche von 180 qm ein. Die Auswirkungen seiner gewerblichen Tätigkeit auf die nähere Umgebung seien denkbar gering, weil er seine eigentliche Tätigkeit außer Haus ausübe. Der Beruf des Bezirksschornsteinfegermeisters sei zudem einer freiberuflichen Tätigkeit i.S. des § 13 BauNVO stark angenähert. Das Boardinghouse sei dagegen ein Beherbergungsbetrieb. Zwar böten die Business-Apartments angesichts ihrer Ausstattung die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Maßgeblich seien jedoch die zahlreichen hotelähnlichen Nebenleistungen wie das Frühstücksbüffet, der Reinigungsdienst, der Wäscheservice, der Lebensmitteldienst. Demgegenüber komme der Ausstattung kein maßgebliches Gewicht zu, denn auch eine Ferienwohnung habe eine Küchenzeile, ein Bad und Abstellräume und sei dennoch in einem Wohngebiet unzulässig.
15 
c) Der Senat hält diese Einwendungen nicht für stichhaltig.
16 
Das geplante Boardinghouse mit den Business-Apartments ist in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht als Wohnnutzung zu qualifizieren. Für die in dem Gebäudekomplex ebenfalls genehmigten fünf Eigentumswohnungen ist das sowieso nicht streitig. Das Vorhaben der Beigeladenen ist hiervon ausgehend im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung ohne weiteres zulässig.
17 
aa) Die Wohnnutzung im Sinne des Bauplanungsrechts setzt eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit voraus, die durch die Möglichkeit eigenständiger Haushaltsführung und unabhängiger Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises sowie der Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet ist. Dazu gehört u.a. eine eigene Kochgelegenheit für die Zubereitung von Speisen und eine gewisse Unabhängigkeit von der Inanspruchnahme von Gemeinschaftsräumen. Bei einer Zimmervermietung, die sich auf eine reine Übernachtungs- und Aufenthaltsmöglichkeit beschränkt und bei welcher der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen sowie auf Gemeinschaftseinrichtungen angewiesen ist, handelt es sich danach nicht um Wohnnutzung, sondern um einen Beherbergungsbetrieb. Ein Boardinghaus stellt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - eine bauplanungsrechtlich nicht näher geregelte Übergangsform zwischen Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb dar, wobei die schwerpunktmäßige Zuordnung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Für die Beurteilung des Nutzungsschwerpunktes kommt es darauf an, welcher Leistungsumfang vom Nutzungskonzept umfasst ist und ob sich der angegebene Nutzungszweck des Vorhabens, der grundsätzlich durch den Bauherrn bestimmt wird, innerhalb des objektiv Möglichen hält (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - BVerwGE 90, 140). Der Nutzungszweck lässt sich vor allem an der Größe und Ausstattung der Räume ablesen und ergibt sich außerdem aus dem Verhältnis der Gesamtzahl der Räume zu eventuellen Serviceräumen. Der räumlichen Struktur der Gesamtanlage und den sich dadurch bietenden Nutzungsmöglichkeiten kommt deshalb neben dem Nutzungskonzept ein besonderes Gewicht zu (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BauR 2006, 1711 und Lippert/Kindler: Boardinghouse, Seviced Apartments, Aparthotels - moderne Wohn- und Beherbergungsformen im Lichte des Baurechts, ZfBR 2016, 219, 223).
18 
bb) Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, sind in dem das Boardinghouse enthaltenden Gebäudeteil abgesehen von einem Waschraum zur Unterbringung von Waschmaschinen und Trockner keinerlei Gemeinschaftsräume vorgesehen. Insbesondere fehlt es an einer Küche zur Zubereitung von Mahlzeiten für die Gäste und einem Speisesaal, wie sie für einen Beherbergungsbetrieb kennzeichnend sind. Auch sonstige Gemeinschaftsräume (Aufenthaltsraum, Wellnessbereich usw.) gibt es nicht. Demgegenüber ist für jedes Business-Apartment ein Abstellraum, ein Bad und eine Kochzeile vorgesehen. Die Bewohner sind deshalb darauf angewiesen, ihren häuslichen Wirkungskreis selbständig zu gestalten, wie dies für das Wohnen typisch ist. Der gemeinschaftliche Waschraum führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn auch in größeren Wohnhäusern ist es nicht untypisch, dass gemeinsame Waschräume und auch Waschmaschinen und Trockner vorhanden sind. Entsprechend sieht das Nutzungskonzept der Beigeladenen vor, dass die einzelnen Apartments zur kurz- und mittelfristigen Nutzung insbesondere an Geschäftsleute, die sich nur vorübergehend in H. aufhalten, vermietet werden sollen. Mit „kurzfristig“ kann danach schon wegen der Ausstattung der Business-Apartments und insbesondere dem Fehlen quasi jeglicher Gemeinschaftseinrichtungen jedenfalls nicht ein hoteltypisch kurzer Aufenthalt gemeint sein. Ohnehin sind an das Merkmal der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts bei der Abgrenzung der Wohnnutzung gegenüber dem Beherbergungsbetrieb keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Denn bei vielen Menschen kann während bestimmter Phasen ihres Lebens nicht zweifelhaft sein, dass sie an einem bestimmten Ort wohnen, obwohl sie sich zwangsläufig nur kurze Zeit dort aufhalten. Zu denken ist an einen Studenten, der während eines Praktikums in einer fremden Stadt dort ein Zimmer anmietet. Dass es sich dabei um Wohnen im bauplanungsrechtlichen Sinne handelt, wird besonders augenfällig, wenn er sein Zimmer am Studienort aufgibt oder einem anderen zur ebenfalls kurzfristigen (Wohn-) Nutzung überlässt. Umgekehrt kann auch ein Hotelaufenthalt bei einer entsprechend zahlungskräftigen Klientel durchaus von längerer Dauer sein (vgl. zu dieser Problematik auch Lippert/Kindler, a.a.O., S. 222 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dass nach dem Nutzungskonzept auch hoteltypische Nebenleistungen wie Zimmerreinigung und Wäscheservice angeboten werden, rechtfertigt nicht die Einstufung als Beherbergungsbetrieb. Räumlichkeiten, die die Erbringung solcher Dienstleistungen durch eigenes Personal ermöglichen, wie dies für ein Hotel typisch wäre, sind in dem Gebäudekomplex nicht vorgesehen.
19 
cc) Der Einwand des Antragstellers, dass auch eine Ferienwohnung typischerweise mit einem Bad und einer Kochzeile und auch sonst oft so ausgestattet sei, dass sie eine eigenständige Haushaltsführung ermögliche, obwohl sie keine Wohnnutzung im bauplanungsrechtlichen Sinne sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
20 
Wohnen, Beherbergungsbetriebe und Ferienwohnungen sind je eigenständige Nutzungsformen und nach der Baunutzungsverordnung jeweils bestimmten Gebietstypen zugewiesen (vgl. für die Ferienwohnung etwa § 10 Abs. 1 BauNVO). Ferienhäuser sind aufgrund ihrer Lage, Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Ferienaufenthalt geeignet und dazu bestimmt, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen (§ 10 Abs. 4 BauNVO). Sie dienen dem „Wohnen während der Ferienzeit“ und sind auf einen dauerhaft wechselnden Personenkreis ausgerichtet (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - BVerwGE 147, 138 zum Wochenendhaus).
21 
Dass die zur Nutzung insbesondere durch Geschäftsleute bestimmten Business-Apartments danach Ferienwohnungen seien, behauptet auch der Antragsteller nicht. Rückschlüsse für die Abgrenzung zwischen Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb im Einzelfall können aus der typisierenden Beschreibung der Ferienwohnung nicht gezogen werden.
22 
dd) Ist das Boardinghouse danach als Wohnnutzung einzustufen, so ist es nach der Art der baulichen Nutzung planungsrechtlich ohne weiteres zulässig. Sollte die nähere Umgebung ein reines oder allgemeines Wohngebiet sein, folgt dies aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1BauNVO bzw. aus § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Falls sie als Mischgebiet zu qualifizieren ist, ergibt sich dieses Ergebnis aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Sollte die nähere Umgebung keinem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung zuzuordnen sein, bestimmt sich die Zulässigkeit nach der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB und ist somit davon abhängig, ob sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Angesichts der in der F. Straße und dem P. Weg zahlreich vorhandenen Wohnnutzung unterliegt das Vorliegen dieser Voraussetzung keinem Zweifel. Wo genau die Grenzen der näheren Umgebung zu ziehen sind, bedarf unter diesen Umständen keiner Entscheidung. Das Gleiche gilt für die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, in welchem Umfang dort eine gewerbliche Nutzung anzutreffen ist. Offen bleiben kann auch, ob dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen ist, dass die im Bebauungsplan „Nördlicher Stadtteil Panoramaweg“ getroffene Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung wegen der von ihm angenommenen Nichtigkeit der Ortsbausatzung ebenfalls unwirksam ist.
23 
2. Der Antragsteller ist ferner zu Unrecht der Ansicht, der genehmigte Gebäudekomplex sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil er die Vorgaben zur überbaubaren Grundstücksfläche nicht beachte.
24 
a) Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, die Wohngebäude an der F. Straße und am P. Weg seien in der Regel unmittelbar an der Straße selbst errichtet worden. Der jeweils rückwärtige Bereich sei „im Sinne einer freigehaltenen Gartenfläche unbebaut“. Gleichwohl gebe es keine rückwärtige faktische Baugrenze an der F. Straße und am P. Weg, die jedenfalls mit dem Mittelbau überschritten würde. Denn das Grundstück F. Straße 18 sei durchgängig zwischen der F. Straße und dem P. Weg bebaut. Bei der rückwärtigen Bebauung handele es sich auch nicht nur um untergeordnete Nebenanlagen i.S. des § 14 BauNVO, die eine rückwärtige Bebauung auf dem Baugrundstück nicht rechtfertigen könne.
25 
b) Der Antragsteller hält dem entgegen, bei der rückwärtigen Bebauung auf dem Grundstück F. Straße 18 handele es sich um einen „Ausreißer“ i.S. eines Fremdkörpers, der deshalb bei der Bestimmung des Rahmens für die überbaubare Grundstücksfläche in der näheren Umgebung außer Betracht bleiben müsse. Die Berechtigung dieses Einwands kann dahinstehen, da Maßstab für die Zulässigkeit des genehmigten Bauvorhabens hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht § 34 Abs. 1 BauGB, sondern § 30 Abs. 3 BauGB in Verbindung mit der im Bebauungsplan „Nördlicher Stadtteil Panoramaweg“ festgesetzten Baulinie ist. Danach ist das genehmigte Bauvorhaben auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche zulässig.
26 
aa) Der aus der Zeit vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.10.1960 stammende Bebauungsplan, der in Höhe der Baugrundstücke sowohl entlang der F. Straße als auch des P. Wegs jeweils eine Baulinie festsetzt, ist gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BauGB wirksam übergeleitet worden. Mit den festgesetzten Baulinien im Sinne der Art. 1 a Abs. 4, 34 Württembergische Bauordnung (WBO) regelt der Bebauungsplan, welche Flächen überbaubar bzw. unüberbaubar im Sinne des Art. 1 a Abs. 1 WBO sind. Denn die Baulinie bildet die Grenze, die zur Straßenseite hin mit Bauten grundsätzlich nicht überschritten werden darf (Art. 34 Abs. 1 WBO). Solche Festsetzungen zur überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksfläche konnten bereits nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG getroffen werden.
27 
Der Umstand, dass das Baugesetzbuch in seiner aktuellen Fassung eine § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG vergleichbare Norm nicht enthält, steht der Fortgeltung des Bebauungsplans nicht entgegen. Diese Überleitungsvorschrift wurde in das Baugesetzbuch nicht übernommen, da der Gesetzgeber - zu Recht - der Meinung war, dass sie mit dem Inkrafttreten ihre Aufgabe erfüllt habe, so dass es einer Aufnahme in das Baugesetzbuch nicht bedürfe. Die Weitergeltung der von dieser Vorschrift erfassten Pläne wird daher hiervon aber nicht berührt (BVerwG, Beschluss vom 16.12.2003 - 4 B 105.03 - BauR 2004, 1266). Der erst später in das Gesetz aufgenommene § 233 Abs. 3 BauGB stellt dies nunmehr ausdrücklich klar.
28 
bb) Die Regelung zur überbaubaren Grundstücksfläche ist wirksam, obwohl das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung sei unwirksam. Der Bebauungsplan ist jedenfalls nur teilnichtig. Denn die Festsetzung der Baulinien stellt auch für sich betrachtet eine sinnvolle städtebauliche Regelung dar. Auch sprechen gute Grunde dafür, dass die Antragsgegnerin im Zweifel auch eine Satzung mit diesem eingeschränkten Inhalt beschlossen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2002 - BVerwG 4 CN 1.02 - BVerwGE 117, 58, ständige Rspr.), zumal ein Zusammenhang zwischen der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung und der zur überbaubaren Grundstücksfläche nicht erkennbar ist.
29 
cc) Nach Art. 1 a Abs. 4 WBO sind die Grundstücksflächen überbaubar, die nicht mehr als 50 m, waagrecht gemessen, hinter einer Baulinie liegen. Der Abstand zwischen den Baulinien an der F. Straße und am P. Weg beträgt dagegen nur ca. 30 m. Mithin kann auch der rückwärtige Bereich zwischen diesen beiden Straßen bebaut werden, der bei den benachbarten Grundstücken bislang unbebaut ist.
30 
3. Dem Verwaltungsgericht ist auch insoweit zuzustimmen, da es einen Verstoß des genehmigten Bauvorhabens gegen das Rücksichtnahmegebot verneint hat.
31 
a) Das Verwaltungsgericht hat seine Ansicht damit begründet, dass das genehmigte Bauvorhaben die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften einhalte, weshalb grundsätzlich davon auszugehen sei, dass das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt werde. Eine Sondersituation, bei der gleichwohl ein Rücksichtnahmeverstoß angenommen werden könne, setzte voraus, dass eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück derart unangemessen benachteilige, dass es diesem förmlich „die Luft nimmt“, für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entstehe oder dass die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls trotz der Wahrung der Abstandsflächen derartig übermächtig sei, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen werde. Eine solche Konstellation sei hier nicht gegeben. So halte das genehmigte Gebäude gegenüber dem Haus auf dem Grundstück des Antragstellers einen Abstand von über 7 m ein. Das genehmigte Bauvorhaben passe sich hinsichtlich seiner Höhe auch dem topographisch vorgegebenen Rahmen an. Die Maße des Gebäudeteils am P. Weg entsprächen denen des Wohnhauses des Antragstellers. Der Mittelbau befinde sich weiter unten am Steilhang. Die dem Grundstück des Antragstellers zugewandte nordöstliche Außenwand sei mehrfach gegliedert. Die Außenmauer des Mittelbaus sei im Verhältnis zu den Außenmauern der Gebäudeteile an der F. Straße und am P. Weg um weitere 1,5 m zurückversetzt und auch sonst anders gestaltet. Die gegenüberliegenden Gartenflächen auf dem Grundstück des Antragstellers seien wegen ihrer Lage am Steilhang ohnehin nur eingeschränkt nutzbar. Im Übrigen habe der Antragsteller weder Anspruch auf die Aufrechterhaltung der bislang bestehenden Aussicht noch auf Schutz vor zusätzlichen Einsichtsmöglichkeiten vom Nachbargrundstück, denn solche seien in bebauten Gebieten unvermeidbar und von den Bewohnern daher hinzunehmen.
32 
b) Die dagegen erhobenen Einwendungen des Antragstellers rechtfertigen keine andere Beurteilung.
33 
aa) Der Antragsteller meint, der Gebäudeteil an der F. Straße sei rücksichtslos, weil er auf einer Länge von ungefähr 20 m (d.h. einschließlich des Mittelbaus) 14 m hoch sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass dieser Gebäudeteil nicht gegenüber dem Grundstück des Antragstellers, sondern gegenüber dem Grundstück F. Straße 6 liegt. Der Antragsteller wird durch diesen Gebäudeteil schon wegen der extremen Steillage - wenn überhaupt - allenfalls im unteren Bereich seines Grundstücks hinsichtlich der Besonnung und der Aussichtsmöglichkeiten geringfügig beeinträchtigt. Das Wohnhaus des Antragstellers am P. Weg wird dadurch nicht berührt.
34 
bb) Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gebäudeteil am P. Weg dann auf einer Länge von ca. 10 m um weitere 9 m ansteigt. Diese Höhe des Flachdachs übersteigt die Firsthöhe des Hauses des Antragstellers nur um 0,45 m. Der Gebäudeteil am P. Weg mag von der talseitig gelegenen Terrasse des Hauses des Antragstellers aus gesehen hoch erscheinen. Das ist aber die unvermeidliche Folge der Lage der Häuser an einem Steilhang. Auch das Haus des Antragstellers selbst tritt von der Terrasse und erst recht von der noch tiefer gelegenen Spielterrasse aus sicher massiv in Erscheinung. Da der Gebäudeteil am P. Weg in einer Entfernung von ca. 7 m talseitig nur etwa 3 m weiter hervortritt als das westlich gelegene Wohnhaus des Antragstellers, ist auch die Beeinträchtigung der Besonnung allenfalls in den Abendstunden wahrnehmbar. Von einem Eingemauertsein oder einer Gefängnishofsituation kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein.
35 
cc) Der Antragsteller macht ferner erfolglos geltend, die Möglichkeit der Einsicht von der Dachterrasse des Mittelbaus auf sein Grundstück sei ihm nicht zumutbar und daher rücksichtslos. In bebauten Gebieten ist es keine Seltenheit, dass von Balkonen Einblick in die Nachbargrundstücke genommen werden kann. Vor dieser Möglichkeit schützt das Baurecht nicht, soweit wie hier die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind. Dass die Grundstücke an einem Steilhang liegen, führt nicht zu einer anderen Bewertung.
36 
c) Der Antragsteller rügt mit der Beschwerde weiter, seine nachbarlichen Belange würden durch den Carport in rücksichtsloser Weise betroffen, denn der Carport würde auf dem Dach eines zweigeschossigen Gebäudeteils genehmigt, wodurch sich „Art und Maß der Bebauung“ änderten. Auch die Parkplätze auf der gegenüberliegenden Seite des P. Wegs müssten in die Überlegungen mit einbezogen werden, weil sie bereits Monate vor dem Bauantrag geplant worden seien und damit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Bauprojekt stünden.
37 
Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, die Carports seien südwestlich des Gebäudekomplexes am P. Weg und damit auf der dem Grundstück des Antragstellers abgewandten Seite gelegen, daher sei nicht ersichtlich, inwiefern sie seine nachbarlichen Belange beeinträchtigen könnten. Die Parkplätze auf der gegenüberliegenden Seite des P. Wegs seien von der Baugenehmigung nicht umfasst und damit nicht Gegenstand des Verfahrens. Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen.
38 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Streitwert ist in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht gemäß §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Höhe von 15.000 EUR festzusetzen.
39 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Gebäudes … Str. 148 auf der ehemaligen Fl.Nr. …, Gemarkung …, das Teil einer aus 10 Häusern bestehenden Wohnanlage entlang der … Straße im Norden und entlang der …straße (Haus 9 und Haus 10) im Süden ist. Das Gebäude des Klägers an der Ecke der Kreuzung … Straße/ …straße ist als „Haus 1“ dieser Gesamtwohnanlage bezeichnet, die sich derzeit insgesamt noch im Bau befindet. Für den oben dargestellten Bereich gilt der Bebauungsplan Nr. …, rechtsverbindlich seit dem 30. Januar 1970, der hier entlang der … Straße ab der Ecke …straße/ … Straße bis zum Gebäude … Str. 156/158 und an der Ecke …straße/ …straße, im Osten begrenzt durch das Gebäude …str. 5, „WA“ (Allgemeines Wohngebiet) festsetzt.

(Lageplan aufgrund Einscannens nicht mehr maßstabsgetreu)

Am 18. Juli 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Vorbescheid für die „Nutzungsänderung von 16 Wohnungen eines Mehrfamilienhauses zu 16 Wohnungen eines Boardinghouses“ nach Plan-Nr. … Dem Bauantrag war folgender Fragen-Katalog beigefügt:

1. Ist das Bauvorhaben grundsätzlich planungsrechtlich zulässig?

2. Ist die beabsichtigte Nutzungsänderung als Boardinghouse zulässig?

3. Ist das geplante Maß der Nutzung mit 16 Wohneinheiten zulässig?

4. Hilfsweise, kann für die Genehmigung des Boardinghouses eine Ausnahme (gemäß § 31 Abs. 1 BauGB) von den Vorgaben des Bebauungsplans erteilt werden?

5. Hilfsweise, kann für die Genehmigung des Boardinghouses eine Befreiung (gemäß § 31 Abs. 2 BauGB) von den Vorgaben des Bebauungsplans gewährt werden?

6. Äußerst hilfsweise, kann für die Genehmigung des Boardinghouses eine Abweichung (gemäß Art. 63 BayBO) von der Einhaltung des Bebauungsplans zugelassen werden?

7. Die Beantwortung dieser Frage soll auf der Suche nach etwaigen alternativen Nutzungen nur für den Fall erfolgen, dass keine der Fragen 2, 4, 5 oder 6 mit ja beantwortet werden:

Ist in einer, in mehreren oder in allen 16 Nutzungseinheiten, die bisher als Wohnungen genehmigt sind, eine Nutzungsänderung hin zu einem oder mehreren sonstigen „nicht störenden Gewerbebetrieben“ prinzipiell zulässig?

Eine dadurch etwa höhere Anzahl erforderlicher Stellplätze ist bei der Beantwortung nicht zu berücksichtigen; die Ermittlung des Stellplatzbedarfs erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Die äußeren Abmessungen der Nutzungseinheiten bleiben weitestgehend unverändert.

Dem Fragenkatalog war eine tatsächliche und rechtliche Erläuterung beigefügt, die das Bauvorhaben dahingehend beschreibt, dass das Objekt aus 16 Wohneinheiten und 1 Café im Erdgeschoss bestehe, das mit Bescheid der Beklagten vom 14. März 2017 als Bauvorhaben „Neubau einer Wohnanlage mit Café und Tiefgarage“, … Str. 148 - 152 genehmigt worden sei. Bei der beabsichtigten Nutzungsänderung als so genanntes „Boardinghouse“ sollen die 16 Wohnungen hochwertig möbliert und vollständig eingerichtet (gehobener Luxus, z. B. pro Wohnung 3 Bäder) vermietet werden. Ein Wechsel der Mieter soll täglich möglich sein; es sei aber geplant, dass die Wohnungen so vermietet werden würden, dass es im Jahr etwa 8 unterschiedliche Mieter gebe, die jeweils für mehrere Wochen die Wohnungen anmieteten. Ein Leerstand der Wohnungen solle nicht erfolgen. Es werde kein Roomservice angeboten, sondern es erfolge eine reine Vermietung der Räumlichkeiten. Kleinigkeiten zum Essen und Getränke solle das Café im Haus anbieten. Die Reinigung der Wohnungen erfolge 3-mal pro Woche durch einen Putzservice; sonstige Leistungen (z.B. Dolmetscherdienste) würden vom Boardinghouse nicht angeboten.

Weiterhin legte der Kläger dar, weshalb die beabsichtigte Nutzungsänderung von großem Vorteil sowohl für die Betreiber als auch für die Stadt … sei.

Unter dem 24. August 2017 erließ die Beklagte folgenden Vorbescheid:

Die Fragen werden wie folgt beantwortet:

Antwort auf Frage 1:

Nein.

Das beantragte Vorhaben ist planungsrechtlich nicht zulässig.

Entsprechend der Betriebsbeschreibung umfasse die Nutzungsänderung den Wandel von einer Wohnnutzung und einer Nutzung als Café hin zu einem gewerblichen Unterbringungsort in Form eines Boardinghouses für Patienten und deren Familien, die sich zum Zwecke einer medizinischen Behandlung in … aufhielten. Gewerbebetriebe seien gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Allgemeinen Wohngebieten nur in Form von sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieben ausnahmsweise zulässig. Eine Ausnahme vom Bebauungsplan Nr. …, der vorliegend ein „Allgemeines Wohngebiet“ festsetze, könne in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht zugelassen werden. Die gewerbliche Nutzung durch den genannten Personenkreis sei geeignet, das Wohnen und die Wohnruhe im Allgemeinen Wohngebiet zu stören. Das Verhalten von kurzzeitigen Mietern sei nach allgemeiner Erfahrung anders zu klassifizieren; es werde durch die stets wechselnden Gäste Unruhe in das Wohngebiet getragen. Es seien Spannungen angesichts des gegenüber der für ein Allgemeines Wohngebiet üblichen Wohnnutzung gesteigerten Lärms und Verkehrsaufkommens zu erwarten. Weiterhin sprächen öffentliche Interessen gegen die Erteilung einer Ausnahme, da das öffentliche Interesse derzeit darauf gerichtet sei, dem Wohnungsmangel entgegenzutreten und freiwerdende Flächen in Wohngebieten möglichst als Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Dieser städtebauliche Aspekt sei insoweit zu berücksichtigen. Allem voran liege auch die Umsetzung der genehmigten Wohnnutzung mit einem Anteil sozial geförderter Wohnungen angesichts genannter Aspekte im hohen öffentlichen Interesse. Das Allgemeine Wohngebiet diene vorwiegend der Wohnnutzung. Die Unterbringung von Kurzzeitmietern zur medizinischen Versorgung in Boardinghäusern könne als Gewerbebetrieb im Misch- oder Kerngebiet realisiert werden. Im Hinblick auf die zu erzielenden Einnahmen im Bereich des Kurzzeitvermietungssektors würden auf diese Art und Weise für andere Wohnrauminhaber unerwünschte Anreize geschaffen, die wiederum die Wohnsituation im Allgemeinen Wohngebiet und damit genau an der Stelle, wo Wohnen zulässig sei, verschärften. Ausnahmen könnten bei Vorhaben und Nutzungen, die das Wohnen unterstützten und ergänzen können, nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden. Im vorliegenden Fall fände jedoch eine Verdrängung der Wohnnutzung und eine Verschärfung der Wohnungsnot statt.

Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB scheide aufgrund der vorangegangenen Ausführungen aus. Es seien öffentliche und nachbarliche Belange tangiert und die Grundzüge der Planung würden berührt. Die Abweichung sei städtebaulich nicht vertretbar. Dasselbe sei im Hinblick auf eine Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB auszuführen.

Antwort auf Frage 2:

Nein.

Die Nutzung als Boardinghouse sei entsprechend den Ausführungen zu Antwort auf Frage 1 nicht zulässig.

Antwort auf Frage 3:

Die Frage wird nicht behandelt, da sie abhängig von der Antwort zu Frage 1 und 2 ist, die bereits negativ beantwortet worden seien.

Antworten auf Fragen 4 und 5:

Nein.

Die Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB und § 31 Abs. 2 BauGB könne nach pflichtgemäßem Ermessen entsprechend den Ausführungen unter der Antwort auf die Frage 1 nicht in Aussicht gestellt werden.

Antwort auf Frage 7:

Die Frage ist nicht zulässig, da sie über den Umfang einer Einzelfrage hinausgeht und so nicht konkret beantwortet werden kann. Zudem ist die Frage auch nicht zulässig, da sie nicht eindeutig genug formuliert ist.

Der Vorbescheid vom 24. August 2017 wurde dem Kläger am 26. August 2017 zugestellt.

Mit einem Schriftsatz vom 11. September 2017, am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht München eingegangen, erhob der Kläger Klage mit dem Antrag,

den Bescheid vom 24. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Nutzung der 16 Wohnungen als Boardinghouse zuzulassen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Die Nutzung der streitgegenständlichen Wohnungen für Medizintouristen mit Familien sei in keiner Weise störend. Es entstehe kein gesteigertes Verkehrsaufkommen. Der angesprochene Personenkreis mache nicht mehr Lärm als andere Bewohner; der Wohnungsmangel könne nicht gegen diese Nutzung sprechen. Es würden auch keine erwünschten Anreize durch die zu erwartenden Einnahmen geschaffen, da es sich vorliegend um einen klaren Einzelfall handele. Es entstehe keine Verschärfung der Wohnungsnot; diese sei bereits da und das Gebäude sei bisher nicht als Wohnraum genutzt worden.

Mit Schriftsatz vom 23. April 2018 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurden im Wesentlichen die Ausführungen des Vorbescheids vom 24. August 2017 vertieft.

Das Gericht hat am 18. Juni 2018 Beweis durch Augenschein erhoben. Auf das Protokoll dieses Augenscheins und der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der streitgegenständliche Vorbescheid vom 24. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Umwandlung der genehmigten Wohnungen zu „Wohnungen eines Boardinghouses“ stellt sich unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um Ferienwohnungen oder um einen Beherbergungsbetrieb handelt, als eine Nutzungsänderung dar, da der baulichen Anlage eine andere Zweckbestimmung gegeben wird. Diese Nutzungsänderung ist auch nicht gemäß Art. 57 Abs. 4 BayBO verfahrensfrei, da für die geänderte Nutzung andere öffentlich-rechtliche Vorschriften - insbesondere auch planungsrechtliche Anforderungen - als für die bisherige Nutzung in Betracht kommen.

1.1 Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO 1968, da für den Bereich, in dem das Grundstück des Klägers liegt, der Bebauungsplan Nr. … der … … vom 1. Februar 1970 gilt. Der Bebauungsplan setzt hier „WA“ - Allgemeines Wohngebiet - fest. Diese Festsetzung kann auch nach wie vor Geltung beanspruchen, da die in diesem Bereich derzeit im Bau befindlichen Gebäude alle als Wohngebäude genehmigt wurden.

1.2 Nach § 4 Abs. 2 BauNVO 1968 sind allgemein zulässig

a) Wohngebäude,

b) die der Versorgung des Gebietes dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe sowie nicht störende Handwerksbetriebe,

c) Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

Unabhängig davon, ob die Nutzung der Wohnungen für Medizintouristen als eine Nutzung als „Ferienwohnungen“ oder als „Boardinghouse“ angesehen wird, ist diese Nutzung jedenfalls nicht allgemein zulässig.

1.2.1 Auch eine Vermietung als Ferienwohnung stellt keine nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1968 zulässige Wohnnutzung dar. Die allgemeine Wohnnutzung und die Wochenend- und Ferienhausnutzung wertet die Baunutzungsverordnung als städtebaulich relevante eigenständige Nutzungsarten (BVerwG, U.v. 11.7.2013 - 4 CN 7/12; BayVGH, B.v. 4.9.2013 - 14 ZB 13.6 - beide juris). Der Begriff des „Wohnens“ ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie der Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet. In Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen soll diese Definition den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens „in den eigenen vier Wänden“, die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben, insbesondere keinen irgendwie gearteten Erwerbs-, Übernachtungs- oder temporären Erholungszwecken dient. Darunter fallen Ferienwohnungen, wenn sie einem ständig wechselnden Nutzerkreis angeboten werden, nicht; bei ihnen fehlt es jedenfalls (typischerweise) an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit (BayVGH, B.v. 4.9.2013 - a.a.O.). Anders als nach allgemeinen Sprachgebrauch unterscheidet das Bauplanungsrecht begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferienhäusern anderseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO 1968 Wohngebäude in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 4 BauNVO auf Ferienhäuser und damit auch auf die darin befindlichen Ferienwohnungen. Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt. Die Nutzung einer Ferienwohnung unterscheidet sich bei typisierender Betrachtungsweise von der Nutzung eines (dauerhaften) Bewohners hinsichtlich der Intensität und der Zeit der Nutzung der Wohnung und der gegebenfalls dazu gehörenden Außenwohnbereiche sowie durch den ständigen Wechsel der Feriengäste, wodurch Unruhe in ein Wohngebiet kommt (BayVGH, B.v. 4.9.2013 - a.a.O.). Damit ist die Nutzung als Ferienwohnung im Allgemeinen Wohngebiet nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig.

Es dürfte sich bei der Nutzung als Ferienwohnung auch nicht um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes handeln. Zwar wird teilweise vertreten, dass die entgeltliche Unterbringung von Feriengästen in Ferienwohnungen und Ferienhäusern planungsrechtlich als Beherbergungsbetrieb zu bewerten sei (Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 4 BauNVO, Stand: 9/2013, Rn. 114; vgl. auch BVerwG, B.v. 27.11.1987 - 4 B 230/87). Ein Vermieten von Ferienwohnungen ist aber schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine Beherbergung, der typischerweise neben der Bereitstellung der Unterkunft Zusatzleistungen immanent sind; in der BauNVO werden zudem die allgemeine Wohnnutzung, die Beherbergungsbetriebe und die Feriennutzung als eigenständige Nutzungsarten aufgeführt. Auch die Änderung der Baunutzungsverordnung vom 21. November 2017 durch den neu eingefügten § 13a BauNVO ändert hieran nichts. Hier wird festgelegt, dass Räume oder Gebäude, die einem ständig wechselnden Kreis von Gästen gegen Entgelt vorübergehend zur Unterkunft zur Verfügung gestellt werden und die zur Begründung einer eigenen Häuslichkeit geeignet und bestimmt sind (Ferienwohnungen), unbeschadet des § 10 BauNVO in der Regel zu den nicht störenden Gewerbebetrieben nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 und § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO oder zu den Gewerbebetrieben nach § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 5 Abs. 2 Nr. 6, § 6 Abs. 2 Nr. 4, § 6a Abs. 2 Nr. 4 und § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO gehören. Zwar spricht die Gesetzesbegründung von „klarstellender Ergänzung“. Nach Auffassung des Gerichts ändert dies allerdings nichts daran, dass es sich tatsächlich um eine Änderung handelt, zumal bereits der Wortlaut in sich widersprüchlich ist, da sich eine Ergänzung schon begrifflich von einer Klarstellung unterscheidet.

Im Übrigen ist für die Wirksamkeit einer Rechtsnorm die Rechtslage im Zeitpunkt ihres Zustandekommens maßgebend. Rechtsnormen, die unter Verletzung (zwingenden) höherrangigen Rechts zustande gekommen sind, sind im Grundsatz von Anfang an (ex tunc) und ohne Weiteres (ipso iure) unwirksam, soweit sich nicht aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen anderes ergibt. Bei Bebauungsplänen ist insoweit der späteste in Betracht kommende Zeitpunkt seine Inkraftsetzung (BVerwG, U.v. 27. März 2014 - 4 CN 3.13 - BVerwGE 149, 229 Rn. 27). Die ohne Rückwirkung in Kraft getretenen §§ 13a und 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 2017 sind daher für eine frühere Rechtslage nicht maßgeblich: Die Vorschriften könnten weder einen Bebauungsplan wirksam werden lassen, der bei seiner Inkraftsetzung nicht Bestandteil der Rechtsordnung geworden war, noch könnten sie die Unwirksamkeit eines wirksam erlassenen Bebauungsplan herbeiführen. Unerheblich ist insoweit, dass der Gesetzgeber den Änderungen der Baunutzungsverordnung nur klarstellende Funktion beigemessen hat (BT-Drs. 18/10942 S. 35; BT-Drs. 18/11439 S. 21). Ob diese Auffassung zutrifft, haben die Gerichte zu entscheiden. Denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist die rechtsprechende Gewalt berufen. Der Gesetzgeber ist dagegen zur authentischen Interpretation von Vorschriften nicht befugt (BVerfG, B.v. 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 45 und BVerwG, U.v. 18.10.2017 - 4 CN 6/17 - juris Rn 9).

Auch spricht für eine solche Differenzierung die der BauNVO eigene Typisierung der Nutzungsarten. Die „Art der baulichen Nutzung“ ist vielmehr grundsätzlich mit den Nutzungsarten gleichzusetzen, wie sie durch die Begriffe der Baunutzungsverordnung für die zulässigen Nutzungen in den einzelnen Baugebieten definiert werden (BVerwG v. 3.4.1987 ZfBR 1987, 260).

Als solchen städtebaulich bedeutsamen Nutzungstyp benennt die Baunutzungsverordnung einerseits die Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige nicht störende Gewerbebetriebe in §§ 2 bis 6 und behandelt die Ferienwohnungsnutzung als eigenen Nutzungstyp in § 10 BauNVO. Eine Gleichsetzung hinsichtlich der Zuordnung und Bewertung mit sonstigen nicht störenden gewerblichen Nutzungen widerspricht nach Auffassung des Gerichts daher der Systematik der BauNVO, vielmehr ist die Ferienwohnungsnutzung als eigenständiger Nutzungstyp zu betrachten (vgl. auch BVerwG v. 15.12.1994 DVBl. 1995, 515).

Das bedeutet für das streitgegenständliche Vorhaben, dass eine Rahmenverträglichkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich nicht an § 4 Abs. 3 Nr. 1 und/oder Nr. 2 BauNVO gemessen werden kann.

1.3 Soweit dementsprechend die Nutzung der Einheiten im streitgegenständlichen Gebäude als eine Ferienwohnungsnutzung anzusehen ist, ist diese somit nicht nach § 4 Abs. 3 BauNVO 1968 ausnahmefähig. Nach der Betriebsbeschreibung spricht einiges für eine Ferienwohnhausnutzung, da die hier wechselnden Gäste ihren häuslichen Wirkungskreis weitgehend unabhängig gestalten können. Außer einer Reinigung 3-mal pro Woche laut Betriebsbeschreibung werden hier - anders als in Beherbergungsbetrieben - keine zusätzlichen Leistungen angeboten.

§ 13a BauNVO in der Fassung der Baunutzungsverordnung vom 21. November 2017 kommt vorliegend nicht zur Anwendung, da es sich bei den Verweisungen in Bebauungsplänen auf die Baunutzungsverordnung grundsätzlich um statische Verweisungen handelt, da die Baunutzungsverordnung dem planungsrechtlichen Kerngehalt des Bebauungsplanes steuert. Sie ist gewissermaßen seine Zeichenerklärung und ihre Dynamisierung würde folglich den jeweiligen Regelungsgehalt vom ursprünglichen Planungswillen der Gemeinde lösen (BayVGH, B.v. 21.10.1996 - 20 CS 96.1561 - juris).

Die planungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens richtet sich im Falle der Bewertung als Ferienwohnungen nach § 30 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB.

1.4 Soweit man - wie der Kläger und auch die Beklagte - davon ausgeht, dass es sich bei der streitgegenständlichen Nutzung um die eines Boardinghauses und somit eines Beherbergungsbetriebes im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO handelt, kommt § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1968 zur Anwendung; nach dieser Vorschrift können im Allgemeinen Wohngebiet Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen werden.

Die Beklagte hat allerdings die Ausnahmeerteilung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1968 abgelehnt.

Die von der Beklagten bei ihrer ablehnenden Entscheidung angeführten Gründe sind sowohl zutreffend als auch im Rahmen der Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden.

1.4.1 Nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB sind die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung als städtebaulicher Belang bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen.

Durch die Umnutzung von 16 Wohneinheiten werden dem bekanntermaßen äußerst angespannten Wohnungsmarkt in … Wohnungen entzogen.

Da die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung als städtebaulicher Belang bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen sind, sind sie konsequenterweise auch bei der Frage der Ausnahmeerteilung zu beachten. Die Umwandlung von 16 Wohneinheiten in dem größten Gebäude des sich in der Errichtungsphase befindenden Wohnkomplexes ist auch nicht derart unbedeutend, dass sie im Hinblick auf die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung völlig zu vernachlässigen wäre. Letztlich ist auf einem so angespannten Wohnungsmarkt wie dem …, jede Wohnung von Bedeutung.

Auch ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass durch eine derartige ausnahmsweise Zulassung in einem relativ großen Umfang Anreize für Bezugsfälle geschaffen werden, da die Vermietung an Medizintouristen finanziell ungleich einträglicher ist, als die Vermietung zu gewöhnlichen Wohnzwecken. Dadurch wird ein Verdrängungsprozess in Gang gesetzt, der die Wohnungssituation zusätzlich verschärft.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sich die als Wohnungen vorgesehenen Einheiten eher als dem Luxussegment zugehörig - wie in der Betriebsbeschreibung der Klagepartei angeführt - darstellen.

Abgesehen davon, dass diese Darstellung der der Beklagten, es handele sich vorliegend bei dem Wohnkomplex, dem das streitgegenständliche Gebäude angehört, um eine Wohnraumschaffung mit einem Anteil sozialgeförderter Wohnungen widerspricht, beschränkt sich die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt in … nicht nur auf günstigen Wohnraum.

Im Übrigen dürfte auch der Entzug höherwertiger Wohnungen eine Art „Dominoeffekt“ auslösen, da sich leistungsstarke Wohnungssuchende im Zweifelsfall auch nach unten orientieren und Vermieter diesen dann den Vorzug geben würden, weshalb der Verdrängungsprozess durchaus Auswirkungen auf das Gesamtgeschehen am Wohnungsmarkt hat.

1.4.2 Zu Recht hat die Beklagte bei ihren Ermessenserwägungen auch darauf abgestellt, dass die streitgegenständliche Umnutzung geeignet ist, das Wohnen und die Wohnruhe im Allgemeinen Wohngebiet zu stören. Die Ausnahmemöglichkeit in § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um einen kleineren, mit dem Wohnen im Allgemeinen Wohngebiet kompatiblen Beherbergungsbetrieb handelt. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn der Beherbergungsbetrieb nach der Ausgestaltung das Wohnen abrundet, was beispielsweise anzunehmen ist, wenn sich für die Bewohner des Gebietes und auch der umliegenden Gebiete die Möglichkeit bietet, hier zu Besuchszwecken verweilende Verwandte und Freunde unterzubringen (vgl. VGH BW, U.v. 17.4.1986 - 8 S 3239/85 - juris).

Dies ist vorliegend aber gerade nicht gegeben. Hier wird ein Personenkreis untergebracht, der in keinerlei Beziehung zu der allgemeinen Wohnbevölkerung steht. Dieser Personenkreis ist auch geeignet, Unruhe in das Allgemeine Wohngebiet zu bringen.

Zum einen dürfte gerade bei arabischen Großfamilien - zumindest in einigen Fällen - allein die Belegungsdichte der Wohnungen weit über der einer normalen Wohnnutzung liegen, was unter Umständen noch durch die Lebensgewohnheiten dieses Personenkreises verschärft wird. Es ist daher auch mit, gegenüber der normalen Wohnnutzung, erhöhten Lärmimmissionen zu rechnen, die zusätzlich durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen verschärft werden dürften. Denn es ist damit zu rechnen, dass dieser Benutzerkreis im Rahmen seines Aufenthaltszweckes häufigere An- und Abfahrten zu seinem Unterbringungsort unternimmt, als der normale Durchschnittsbewohner mit geregeltem Tagesablauf.

Diesen gegen die Erteilung einer Ausnahme sprechenden Gründen stehen auf Seiten des Klägers keine adäquaten Gründe gegenüber. Das Eigentumsrecht gewährt nicht das Recht auf maximale Ausnutzung des Eigentums. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte auch auf das hohe öffentliche Interesse an der Umsetzung der genehmigten Wohnnutzung mit einem Anteil sozial geförderter Wohnungen abgestellt hat.

Der Kläger kann demgegenüber nur seine eigenen finanziellen Interessen ins Feld führen. Die Behauptung, dass eine solche Umnutzung auch im Interesse der … … und damit im öffentlichen Interesse liege, überzeugt nicht. Es besteht gerade in … mit einer Vielzahl von Hotels, Pensionen, Boardinghäuser und ähnlichem ein großes Angebot zur Unterbringung dieses Personenkreises. Es besteht auch die Möglichkeit, derartige Anlagen in sonstigen Gebieten, wie Misch-, Gewerbegebieten und Gemengelagen, zu errichten. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 13a in der BauNVO vom 21. November 2017 die Möglichkeit geschaffen hat, Ferienwohnungen - um die es sich nach der Überzeugung des Gerichts vorliegend wohl handeln dürfte - nicht mehr nur Sondergebieten nach § 10 BauNVO zuzuweisen.

2. Eine Befreiung von § 31 Abs. 2 BauGB kommt für das Bauvorhaben ebenfalls nicht in Betracht.

Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt sind, und

a) Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden die Befreiung erfordern oder

b) die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder

c) die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde.

2.1 Soweit bei der Qualifizierung der Nutzungsänderung von Ferienwohnungen auszugehen ist (s. oben 1.3) - wozu das Gericht entgegen der Ansicht der Klagepartei und der Beklagten neigt, da gerade die in der Betriebsbeschreibung dargestellte Luxusausstattung gegen ein Boardinghouse spricht, das in der Regel eher einfach ausgestaltet ist und nicht über derartig große Wohneinheiten verfügt - steht ausschließlich eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB im Raum.

Allerdings sind bereits die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht gegeben.

Aufgrund der speziellen Ausgestaltung des Vorhabens sind die Grundzüge der Planung berührt, da wegen der fehlenden Kompatibilität der Nutzung mit einer allgemeinen Wohnnutzung und der Bezugsfallwirkung insoweit in die Grundzüge der Planung eingegriffen wird.

Jedenfalls hat die Beklagte das ihr im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB eingeräumte Ermessen fehler- und beanstandungsfrei ausgeübt. Insoweit gelten die gleichen Überlegungen wie zur Ausnahmeerteilung für ein Boardinghouse.

2.2 Im Rahmen der Prüfung der Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB für ein Boardinghouse gelten sowohl hinsichtlich der Grundzüge der Planung als auch der Ermessenserwägungen der Beklagten die gleichen Grundsätze.

3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Tenor

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II. Die Klägerinnen haben je ein Drittel der Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerinnen wenden sich gegen gleichlautende, sofort vollziehbare und zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagungsverfügungen der Beklagten vom 12. Dezember 2014, die ihnen die Nutzung von Räumlichkeiten einer Doppelhaushälfte als Beherbergungsbetrieb vorbeugend untersagen. Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteil vom 22. Juli 2015 ab. Hiergegen richten sich die Rechtsmittel der Kläger.

II.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.

Der Klägerinnen berufen sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerinnen innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

1. Mit dem Vorbringen, ein die vorbeugende Nutzungsuntersagung rechtfertigender Verstoß gegen formelles Rechts sei nicht zu befürchten gewesen und habe auch nicht unmittelbar bevorgestanden, die Ausbauarbeiten bzw. Renovierungsarbeiten hätten nicht die Annahme gerechtfertigt, es stehe eine rechtswidrige Nutzung der Räumlichkeiten bevor, auch aus der Anmeldung eines Gewerbes ergäben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die auf eine zweifelsfrei unmittelbar bevorstehende rechtswidrige Nutzung schließen lassen könnten, stellen die Klägerinnen lediglich ihre eigene Bewertung der tatsächlichen Umstände derjenigen des Verwaltungsgerichts gegenüber, ohne zugleich substantiierte Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen oder der rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen.

a) Der Erlass einer vorbeugenden Nutzungsuntersagung ist bereits dann gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte – wie hier u.a. die festgestellten Umbaumaßnahmen – gegeben sind, aus denen auf eine unmittelbar bevorstehende rechtswidrige Nutzung einer Anlage geschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2014 – 1 ZB 13.2536 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 15.4.2011 – 1 ZB 09.2523 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B 03.2567 – juris Rn. 23; BayVGH, U.v. 13.2.2015 – 1 B 13.646 – juris Rn. 23).

Das Verwaltungsgericht hat sich bei seiner Sachverhaltswürdigung auf die beigezogenen Behördenakten der Beklagten gestützt und insbesondere Bezug genommen auf die von der Beklagten anlässlich der Baukontrolle vom 2. Oktober 2014 gefertigten Lichtbilder, Planeintragungen und Notizen. Daraus ergibt sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass „sich in Keller, Erdgeschoss und Spitzboden jeweils 3 und im Dachgeschoss 4, insgesamt also 13 bewohnbare Zimmer, jeweils ausgestattet mit mehreren Betten sowie zum Teil auch mit eigenen Toiletten bzw. Bädern“ befinden. Weiter hat das Verwaltungsgericht auf die Gewerbeanmeldungen der Klägerinnen zu 2 und 3 vom September 2013 abgestellt, wonach u.a. eine „gewerbliche Zimmervermietung“ in der Betriebsstätte „E...Straße …“ angemeldet wurde, deren Beginn auf den 1. bzw. 3 September 2013 datiert ist.

Von diesen Feststellungen ausgehend ist das Verwaltungsgericht zu dem Schluss gelangt, dass ein hinreichender Anlass für den Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügungen bestanden hat, weil „die Aufteilung der Räumlichkeiten in der streitgegenständlichen Doppelhaushälfte, wie sie sich nach den durchgeführten Umbaumaßnahmen darstellt, eindeutig darauf hinweist, dass das Haus nicht für gewöhnliche Wohnzwecke genutzt, sondern die Zimmer vielmehr gewerblich vermietet werden sollen“. Die Klägerinnen wenden zwar ein, die Beklagte sei von „fehlerhaften Tatbestandsermittlungen“ ausgegangen. Was an den Ermittlungen der Beklagten anlässlich der Baukontrolle vom 2. Oktober 2014, auf die das Verwaltungsgericht Bezug nimmt, unzutreffend sein soll, wird aber nicht substantiiert dargelegt.

Da an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nach dem zuvor Ausgeführten keine ernstlichen Zweifel bestehen, gründet der Schluss des Verwaltungsgerichts, aus der vorgefundenen Raumaufteilung nach Durchführung der Umbauarbeiten und den Gewerbeanmeldungen der Klägerinnen zu 2 und 3 zur Aufnahme einer gewerblichen Zimmervermietung in der streitgegenständlichen Doppelhaushälfte folge eine unmittelbar bevorstehende Nutzung der Doppelhaushälfte als Beherbergungsbetrieb, auf einen nach der Lebenserfahrung typischen Geschehensablauf, der die verwaltungsgerichtliche Bewertung, eine rechtswidrige Nutzung stehe unmittelbar bevor, rechtfertigt. Sofern die festgestellten und aktenkundigen Umstände hier nicht schon für sich zur unmittelbaren Überzeugung führen, dass eine rechtswidrige Nutzung bevorsteht (Haupttatsache), können sie jedenfalls als Indizien (Hilfstatsachen) diesen Schluss zulassen. Insoweit sind an die richterliche und an die behördliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 24 BayVwVfG) keine höheren Anforderungen zu stellen, als für den Indizienbeweis (vgl. hierzu Brunn, „Der Indizienbeweis im Öffentlichen Recht“, NJOZ 2011, 1873).

Allein die Erklärung der Klägerinnen, die Aufnahme einer rechtswidrigen Nutzung sei tatsächlich nicht beabsichtigt, kann angesichts der festgestellten tatsächlichen Umstände zu keiner anderen Bewertung führen.

b) Soweit die Klägerinnen einwenden, weder aus den Umbauarbeiten noch aus den Gewerbeanmeldungen könne „zweifelsfrei“ auf eine unmittelbar bevorstehende rechtswidrige Nutzung geschlossen werden, ergeben sich aus ihren Darlegungen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

Bei sicherheitsrechtlichen Anforderungen – wie hier – genügt für die Gefahrenprognose eine „konkrete Gefahr“ (vgl. Mannsen in Spannowsky/Manssen, BeckOK, BayBO, Art. 76 Rn. 70 m.w.N.). Diese liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d.h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. BVerwG, U.v. 28.3.2012 – 6 C 12/11 – BVerwGE 143, 74, Rn. 27; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.6.2011 – 14 CS 11.790 – juris Rn. 23 zu Art. 54 Abs. 4 BayBO). Nichts anderes kann für den Erlass von (auch vorbeugenden) Nutzungsuntersagungen auf der Grundlage des Art. 76 Satz 2 BayBO als spezieller sicherheitsrechtlicher Befugnisnorm gelten. Aus der Einfügung des Wortes „zweifelsfrei“ u.a. in der Kommentierung von Decker (in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2017, Art. 76 Rn. 276) ergibt sich kein anderer Wahrscheinlichkeitsmaßstab.

c) Das Vorbringen, die Ausbauarbeiten änderten nichts daran, dass letztlich dieselbe Nutzung stattgefunden habe wie in den vergangenen Jahren und bis heute sei die von der Beklagten befürchtete rechtswidrige Nutzung als Beherbergungsbetrieb nicht aufgenommen worden, lässt unberücksichtigt, dass eine vorbeugende Nutzungsuntersagung ausgesprochen wurde, deren Erlass gerade nicht voraussetzt, dass eine formell illegale Nutzung bereits aufgenommen wurde.

d) Der Einwand, die Gewerbeanmeldungen stammten nicht von der Klägerin zu 1, sie könnten ihr deshalb nicht zugerechnet werden, führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Das Verwaltungsgericht ging der Frage nach, ob eine in Kürze bevorstehende formell rechtswidrige Nutzung vorliegt, gegen die nach Art. 76 Satz 2 BayBO eingeschritten werden darf. Dies hat es mit einer nicht zu beanstandenden Begründung bejaht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob auch die Klägerin zu 1 eine gewerbliche Zimmervermietung angemeldet hatte.

2. Auch das weitere Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

a) Die Auffassung der Klägerinnen, aus den Ausbauarbeiten könne nicht der zweifelsfreie Schluss gezogen werden, dass eine Nutzung als Beherbergungsbetrieb unmittelbar bevorstehe, weil derartige Ausbauarbeiten für eine private Nutzung der Räumlichkeiten nicht ungewöhnlich seien, setzt sich nicht mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen nicht auf Ausbauarbeiten abgestellt, die für eine private Nutzung nicht ungewöhnlich seien, sondern auf Umbauarbeiten für „13 bewohnbare Zimmer, jeweils ausgestattet mit mehreren Betten sowie zum Teil auch mit eigenen Toiletten bzw. Bädern“ und hat darüber hinaus auch die Gewerbeanmeldungen der Klägerinnen zu 2 und 3 in seine Bewertung eingestellt.

b) Der Einwand, „um welche Umbauten es genau geht und wie das Verwaltungsgericht hierauf kommt, bleibt unerfindlich“, ist unberechtigt. Das Verwaltungsgericht stützt sich auf die aktenkundigen Ermittlungen der Beklagten bei der Baukontrolle vom 2. Oktober 2014, fasst diese im Tatbestand sowie in den Entscheidungsgründen zusammen und legt diese als gerichtliche Feststellungen seiner rechtlichen Bewertung zugrunde.

c) Das Vorbringen, „die im Tatbestand geschilderten Arbeiten (Einbau von Duschen, Toiletten und Waschbecken) deuten nur darauf hin, dass dort Menschen wohnen sollen; ein Indiz oder gar ein Beweis für eine beabsichtigte gewerbliche Nutzung als Beherbergungsbetrieb ist das nicht“, trifft insoweit schon nicht zu, als die Feststellungen zu den Umbauarbeiten nicht nur im Tatbestand wiedergegeben werden, sondern vielmehr auch nach den Entscheidungsgründen Grundlage für die rechtliche Bewertung durch das Verwaltungsgerichts sind. Im Übrigen stellen die Klägerinnen auch hier lediglich ihre eigene Bewertung der tatsächlichen Umstände derjenigen des Verwaltungsgerichts gegenüber, ohne zugleich ernstliche Zweifel an der rechtlichen Bewertung durch das Verwaltungsgericht aufzuzeigen.

d) Ob und unter welchen Voraussetzungen auch eine Vermietung der Zimmer zu Wohnzwecken zulässig wäre, kann dahinstehen, weil eine solche mit dem Vortrag, „auch eine Vermietung zu Wohnzwecken wäre eine zulässige Nutzung, für welche Ausbauarbeiten vorgenommen werden müssten, um eine angemessene Wohnnutzung zu ermöglichen“, schon nicht geltend gemacht wird.

Davon abgesehen bestehen angesichts der Gewerbeanmeldungen der Klägerinnen zu 2 und 3 keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Vermietung zu Wohnzwecken. Danach ist in der Betriebsstätte „E...Straße …“ die Tätigkeit „gewerbliche Zimmervermietung (keine Tätigkeit nach § 34c GewO; WZ-2008-Kode 55.90.1)“ angemeldet, für deren Beginn der 1. bzw. der 3. September 2013 angegeben wurde. Soweit die Klägerinnen in Erwiderung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 9. November 2015 mit Schriftsatz vom 18. Februar 2016 einwenden, dass der Ausbau auch für eine private Vermietung zu Wohnzwecken als zulässige Nutzung erfolgen könne, wird von einem unzutreffenden Verständnis des Begriffs „gewerbliche Zimmervermietung“ ausgegangen. Denn das Vermieten von Wohnräumen geht in der Regel über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nicht hinaus, ist deshalb nicht gewerbsmäßig und unterliegt folglich auch nicht der Anzeigepflicht nach § 14 GewO (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1993 – 1 C 25.91 – NVwZ 1993, 775 = juris Rn. 19, 22; vgl. Eisenmenger in Landmann/Rohmer, GewO, Stand März 2017, § 1 Rn. 34; Marcks in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 14 Rn. 28 m.w.N.). Welche Umstände hier hinzutreten, um trotz der Anzeige einer „gewerblichen Zimmervermietung“ ausnahmsweise von einer (privaten) Zimmervermietung zu Wohnzwecken ausgehen zu können, wird nicht ansatzweise dargelegt.

e) Die Rechtsauffassung der Klägerinnen, das Verwaltungsgericht habe sich „im Rahmen der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Nutzungsuntersagung nicht auf gewerberechtliche Aspekte stützen dürfen“, weil im Rahmen der Nutzungsuntersagung lediglich baurechtliche und keine gewerberechtlichen Belange zu berücksichtigen seien, trifft nicht zu.

Weder die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung noch das erstinstanzliche Urteil bieten Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Erlass der Nutzungsuntersagung oder bei deren Rechtmäßigkeitsprüfung „gewerberechtliche Belange“ verfolgt worden wären. Die Gewerbeanmeldungen der Klägerinnen zu 2 und 3 wurden lediglich zur Bewertung der Frage herangezogen, ob konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss auf eine in Kürze bevorstehende rechtswidrige Nutzung des Wohnhauses als Beherbergungsbetrieb zulassen. Dies ist nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Gewinnung seiner gerichtlichen Überzeugung jedem Erkenntnismittel nachzugehen, bei dem nach der konkreten Sachlage die Möglichkeit besteht, dass es zu einer Änderung des bisherigen Bildes von dem Geschehen führen kann (Dawin in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 86 Rn. 61). Dass Gewerbeanmeldungen geeignet sind, um Anhaltspunkte für eine baurechtlich relevante Nutzung eines Gewerbebetriebs zu gewinnen, steht außer Frage, weil für den Begriff des Gewerbebetriebs der Baunutzungsverordnung auch die Begriffsbestimmungen der Gewerbeordnung und des Steuerrechts herangezogen werden können (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2017, § 8 Rn. 22, § 9 Rn. 19 BauNVO m.w.N.).

f) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils kommen auch nicht auf, weil die Klägerin zu 2 nach dem Zulassungsvorbringen im 1. Obergeschoss die Büroräume ihrer Immobilienverwaltung hat, in den Räumen des Hauses die Schlafzimmer zwischenzeitlich verstorbener Angehöriger sind und die vorgefundenen Möbel aufgrund ihres Alters für einen Hotelbetrieb gänzlich ungeeignet wären.

Der Schluss auf eine bevorstehende Nutzung als Beherbergungsbetrieb ist nicht erst dann gerechtfertigt, wenn sämtliche Räume eines Gebäudes auf eine solche künftige Nutzung hinweisen. Dass die gegenwärtige oder vergangene Nutzung von Räumen indiziell nichts darüber aussagt, ob sie weiterhin so genutzt werden, wurde bereits ausgeführt. Auf einen Hotelbetrieb, der mit alten Möbeln nicht zu führen sein soll, hat das Verwaltungsgericht nicht abgestellt.

g) Die klägerischen Ausführungen zu den rechtlichen Folgen einer auch vorbeugenden Nutzungsuntersagung führen nicht auf ernstliche Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung hin. Insbesondere ergibt sich aus der vergangenen oder derzeitigen Nutzung der Räumlichkeiten zu privaten Wohnzwecken angesichts der Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die handgreiflich auf eine beabsichtigte Nutzungsaufnahme zu Zwecken der gewerblichen Vermietung hinweisen, kein Anhalt für eine zweifelhafte Bewertung der tatsächlichen Umstände durch das Verwaltungsgericht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte Gesamtstreitwert setzt sich zusammen aus einem Streitwert von jeweils 5.000 Euro für die Zulassungsanträge der Klägerinnen zu 1 bis 3. Die Streitwertfestsetzung folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.