Verwaltungsgericht München Urteil, 18. Okt. 2017 - M 9 K 16.5977

bei uns veröffentlicht am18.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheid.

Betroffen ist ein Reihenmittelhaus in der E.-Str. 89 (i.F.: WE). Der Kläger war Untermieter von Hr. G. A. (vgl. Untermietvertrag vom 1. November 2012, Bl. 64 d. Behördenakts – i.F.: BA –), der die WE als Hauptmieter von den Eigentümer-Vermietern Frau Dr. G. D. und Hr. J. D. gemietet hatte. Der vom 4. September 2012 datierende Hauptmietvertrag (Bl. 33ff. d. BA) wurde im März 2017 einvernehmlich beendet (vgl. Mitteilung des Hauptmieters an die Beklagte, Bl. 101 d. BA). Die WE ist mittlerweile langfristig – bis zum Jahr 2021 – anderweitig vermietet (vgl. Mietvertrag vom 10. Mai 2017, Bl. 106 d. BA).

Nachdem mehrere Ortsermittlungen – vom 17. Mai 2016 (Bl. 46 d. BA), vom 26. August 2016 (Bl. 59 d. BA) und vom 17. Oktober 2016 (Bl. 62 d. BA), auch nach Bekanntwerden des ehemaligen Untermietverhältnisses – den Anfangsverdacht einer zweckfremden Nutzung bestätigt hatten, wurde der Kläger unter dem 26. Oktober 2016 zum beabsichtigten Erlass des Grundbescheids angehört.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25. November 2016 (Gz. S-III-W/BS 124) wurde dem Kläger gegenüber angeordnet, die Nutzung der WE zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziff. 1) und die WE nach Beendigung der zweckfremden Nutzung unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. 2); für den Fall der Nichterfüllung von Ziff. 1 binnen sechs Wochen ab Zustellung des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 8.000, für den Fall der Nichterfüllung von Ziff. 2 binnen drei Monaten ab Zustellung des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 8.000 angedroht. Mit Ziff. 5 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung von Ziff. 1 und 2 des Bescheides angeordnet.

Auf die Gründe des Bescheids wird Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.

Der Kläger persönlich hat mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2016, bei Gericht eingegangen am 29. Dezember 2016, Klage gegen den Bescheid erhoben; er beantragt,

den Bescheid aufzuheben.

Die Klage wurde nicht begründet.

Die Beklagte erklärte am 25. September 2017 vorab ihre Zustimmung zu einer etwaigen Erledigterklärung der Gegenseite unter Verwahrung gegen die Kosten.

Der Beklagten sei bekannt geworden, dass der Wohnraum seit Mitte April 2017 auf vier Jahre an eine Familie vermietet worden sei. Mithin sei die Zweckentfremdung beendet. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei der Bescheid rechtmäßig gewesen und habe den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogenen Behördenakten, insbesondere auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2017.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2017 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht – auch nachdem eine Viertelstunde zugewartet wurde (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2017 – 20 ZB 17.30303 – juris) und nach nochmaligem Aufruf der Sache – erschienen ist, da in der per Postzustellungsurkunde zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.

Der als Anfechtungsklage geführte Rechtsbehelf ist bereits unzulässig, da die Anfechtungsklage wegen Erledigung des angefochtenen Bescheids nicht mehr statthaft ist, § 42 Abs. 1 VwGO; dem Kläger fehlt diesbezüglich auch die Klagebefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis. Vorliegend ist sowohl für die Vergangenheit (Ziff. 1) als auch für die Zukunft (Ziff. 2) Erledigung des streitgegenständlichen Bescheids eingetreten, Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG.

1. Sowohl die Nutzungsuntersagung (Ziff. 1 des Bescheids) als auch die Wiederbelegungsanordnung (Ziffer 2. des Bescheids) sind Dauerverwaltungsakte. Bei Dauerverwaltungsakten tritt Erledigung grundsätzlich durch Zeitablauf für die vergangenen Zeitabschnitte – auch: bei Nichtbefolgung – ein, nicht aber, wenn die Verfügung noch Grundlage von Vollstreckungsmaßnahmen sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 5.1.2012 – 8 B 62/11 – juris; U.v. 20.6.2013 – 8 C 17/12 – juris). Demnach ist vorliegend Erledigung durch Zeitablauf eingetreten. Dies gilt auch für die Nutzungsuntersagung als Unterlassungspflicht (dazu z.B. VG München, B.v. 26.4.2016 – M 9 S. 16.1449 – Entscheidungsabdruck; nunmehr auch deutlich: BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 12 C 17.1553 – Entscheidungsabdruck): Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 VwZVG kommt wegen der Erklärung der Beklagten, die Zwangsgelder nicht mehr beizutreiben, und wegen der vorsorglich erteilten Zustimmung zu einer etwaigen Erledigterklärung des Klägers nach Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwZVG nicht zur Anwendung.

2. Für die Zukunft hat sich der Bescheid vollumfänglich erledigt, weil der Kläger keinen Zugriff mehr auf die WE hat. Diese fehlende Nutzungsmöglichkeit wird bis mindestens 2021 andauern (vgl. den am 10. Mai 2017 abgeschlossenen langfristigen Mietvertrag, Bl. 106 d. BA). Diese Konstellation ist in die Fallgruppe „Wirksamkeitsverlust auf andere Weise“ einzuordnen, Art. 43 Abs. 2 Var. 5 BayVwVfG: Danach erledigt sich der Verwaltungsakt v.a. dann, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage zur Beendigung seiner Rechtswirkung führt; die Steuerungsfunktion, die dem Gebot oder Verbot ursprünglich innewohnte, muss nachträglich weggefallen sein (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – juris; BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – juris). Vorliegend wurde dem Kläger aufgegeben, die WE, die sich zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses in seinem Besitz befand, nicht mehr zweckfremd zu nutzen und wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen; diese Anordnungen haben sich mit der einvernehmlichen Aufhebung des Hauptmietvertrags und dem damit einhergehenden Wegfall des Untermietvertrags erledigt. Die Klage kann ersichtlich nicht mit dem Argument fortgeführt werden, dass der Kläger deshalb noch beschwert und die Anordnung noch nicht erledigt sei, weil er die WE, auf die er langfristig keinerlei Zugriffsmöglichkeit mehr hat, zu irgendeinem Zeitpunkt nach 2021 wieder anmieten könnte, um sie dann eventuell wieder zweckfremd zu nutzen. Der Kläger befindet sich diesbezüglich in keiner anderen herausgehobenen Stellung bzw. Situation als jeder andere Bürger.

Nur ergänzend und ohne dass es tragend darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass für eine Umstellung der Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ersichtlich ist (vgl. dazu bspw. VG München, U.v. 15.2.2017 – M 9 K 15.5262 – juris). Der Bescheid war bis zu seiner Erledigung im Übrigen formell und materiell rechtmäßig, sodass eine Fortsetzungsfeststellungsklage jedenfalls unbegründet wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 18. Okt. 2017 - M 9 K 16.5977

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 18. Okt. 2017 - M 9 K 16.5977

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist
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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2017 - 12 ZB 13.2094

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 400.000 EUR festgesetzt. Gründe

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 20. Juni 2013 - 8 C 17/12

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung, mit der dem Kläger die Vermittlung von Sportwetten an private Wettanbieter untersagt

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 05. Jan. 2012 - 8 B 62/11

bei uns veröffentlicht am 05.01.2012

Gründe 1 Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Rechtsvorgängers des Beklagten, mit der ihm die Vermittlung von Sportwetten in den Räumen der von ihm betriebene

Referenzen

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Rechtsvorgängers des Beklagten, mit der ihm die Vermittlung von Sportwetten in den Räumen der von ihm betriebenen Gaststätte untersagt worden ist. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Berufung gegen das klagabweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen, weil die Klage mit sämtlichen vier Anträgen unzulässig sei.

2

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die in Anspruch genommenen Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

3

1. Die Abweisung der Klage mit sämtlichen vier Anträgen als unzulässig beruht nicht auf Verfahrensmängeln.

4

a) Das Berufungsgericht hat den hauptsächlichen Aufhebungsantrag als unzulässig angesehen, weil die angefochtene Untersagungsverfügung sich erledigt habe. Die Untersagungsverfügung habe sich auf die Geschäftsräume des Klägers in B., B.straße ..., bezogen. Die dort betriebene Gaststätte habe der Kläger jedoch am 1. Juni 2008 aufgegeben, sein Gewerbe abgemeldet. Zwar habe er das von ihm gepachtete Ladenlokal bis zum 30. September 2010 zunächst unterverpachtet, am 1. Oktober 2010 jedoch die Möglichkeit verloren, dort eine Annahmestelle für private Sportwetten zu betreiben.

5

Dass dies auf Verfahrensmängeln beruht, zeigt der Kläger nicht auf. Gegen die rechtliche Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, der endgültige Verlust der Möglichkeit, die untersagte Tätigkeit im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage in den gepachteten Geschäftsräumen wieder aufzunehmen, führe zur Erledigung der Untersagungsverfügung, sind keine Einwände zu erheben. Der Kläger wendet sich denn auch vornehmlich gegen die Richtigkeit der zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellung, er habe am 1. Oktober 2010 endgültig die Möglichkeit verloren, in den bis dahin gepachteten Geschäftsräumen eine Annahmestelle für private Sportwetten zu betreiben. Sein Beschwerdevorbringen macht jedoch keinen Verfahrensfehler erkennbar.

6

Dem Kläger ist vor der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO); er konnte daher nicht überrascht worden sein. Das Gericht stützt seine tatsächliche Feststellung ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils (UA S. 4) auf eine Mitteilung der Verbandsgemeindeverwaltung B. vom 6. April 2011, derzufolge der Kläger seine gewerbliche Tätigkeit in den fraglichen Geschäftsräumen am 1. Juni 2008 aufgegeben und sein dort betriebenes Gewerbe abgemeldet habe. Diese Mitteilung hatte das Gericht den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gegeben; der Kläger hat hierzu auch sowohl mit Schriftsatz vom 11. April 2011 als auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. April 2011 Stellung genommen.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, auch in anderer Hinsicht nicht verletzt. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils vermerkt (UA S. 4), dass der Kläger mündlich vorgetragen habe, er hätte die ihm untersagte Vermittlungstätigkeit "bis zum Oktober 2010" wieder aufnehmen können, weil er die Geschäftsräume bis zum Oktober 2010 lediglich unterverpachtet habe. Das stimmt mit der Bestätigung der Firma F. GmbH vom 4. Juli 2011 überein, die der Kläger im Beschwerdeverfahren vorgelegt hat (Bl. 1507 der GA), wonach der Kläger die Geschäftsräume gepachtet und nach der Aufgabe des eigenen Gewerbebetriebs zunächst unterverpachtet hatte, sein Hauptpachtvertrag für die Räumlichkeiten aber zum 30. September 2010 ausgelaufen war. Diesen Vortrag hat das Oberverwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Würdigung berücksichtigt. Dass der Kläger beim Oberverwaltungsgericht geltend gemacht hätte, er hätte die ihm untersagte Vermittlungstätigkeit auch noch nach dem 1. Oktober 2010 in denselben Geschäftsräumen wieder aufnehmen können, verzeichnet der Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht. Dass der Tatbestand unrichtig sei, macht der Kläger nicht geltend; einen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 119 VwGO hat er nicht gestellt.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht die gebotene Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) vermissen lassen. Der - anwaltlich vertretene - Kläger hat Beweisanträge nicht gestellt. Es musste sich dem Gericht aber angesichts der Einlassung des Klägers auch nicht aufdrängen, von sich aus Ermittlungen darüber anzustellen, ob und ggf. unter welchen Bedingungen er die bis zum 30. September 2010 gepachteten Geschäftsräume künftig etwa erneut würde anpachten können.

9

Nur ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass der Kläger als Gewerbe nur den Betrieb eines Billard-Cafés und einer Schankwirtschaft im Januar 2006 an- und im Juni 2008 abgemeldet hatte. Das angemeldete Gewerbe umfasste nicht die Vermittlung von Sportwetten; die Fortführung des Betriebes war in rechtlicher Hinsicht vom Bestand der angefochtenen Untersagungsverfügung unabhängig.

10

b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch die drei - gestaffelt jeweils hilfsweise gestellten - Feststellungsanträge als unzulässig angesehen. Gegen die Abweisung des ersten Hilfsantrags erhebt der Kläger keine Einwände. Seine Beschwerde weist allerdings hinsichtlich der Abweisung des zweiten und des dritten Hilfsantrags auf eine Verletzung von Verfahrensrecht hin (aa); doch beruht die Klagabweisung hierauf nicht (bb).

11

aa) Mit dem zweiten und dem dritten Hilfsantrag hat der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Untersagungsverfügung bis zum 31. Dezember 2008 bzw. bis zum 31. Dezember 2007 rechtswidrig gewesen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Anträge als Fortsetzungsfeststellungsanträge angesehen, die nur unter den Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und insbesondere nur dann zulässig seien, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Es hat sie für unzulässig gehalten, weil ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse grundsätzlich nur für den Zeitpunkt der Erledigung anerkannt werden könne. Erledigung aber sei erst am 1. Oktober 2010 eingetreten. Das ist mit geltendem Prozessrecht unvereinbar.

12

Richtig ist allerdings, dass der Übergang von einem Anfechtungs- oder einem Verpflichtungs- zu einem Feststellungsbegehren nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO voraussetzt, dass der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert wird. Das ergibt sich aus dem Zweck, dem die Fortsetzungsfeststellungsklage dient. Sie soll verhindern, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die "Früchte" der bisherigen Prozessführung gebracht wird. Er darf daher das in der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage subsidiär enthaltene Feststellungsbegehren als Hauptantrag fortführen, wenn er ein entsprechendes Feststellungsinteresse vorweisen kann. Ohne Weiteres zulässig ist eine solche Fortsetzungsfeststellungsklage mithin nur, wenn der Streitgegenstand von dem bisherigen Antrag umfasst war (Urteile vom 24. Januar 1992 - BVerwG 7 C 24.91 - BVerwGE 89, 354 <355> = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 242 und vom 16. Mai 2007 - BVerwG 3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27 = Buchholz 418.72 WeinG Nr. 30).

13

Unrichtig ist hingegen die weitere Annahme des Oberverwaltungsgerichts, Streitgegenstand der Anfechtungsklage gegen einen Dauerverwaltungsakt sei stets nur dessen Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Was Streitgegenstand einer Anfechtungsklage ist, bestimmt der Kläger (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1, §§ 88, 90 Abs. 1 VwGO). Er entscheidet über den Umfang der Anfechtung eines Verwaltungsakts, und zwar auch in zeitlicher Hinsicht. Das gewinnt gerade beim Dauerverwaltungsakt Bedeutung. Der sog. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung weist die Besonderheit auf, dass seine Wirkung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintritt (vgl. Urteil vom 29. November 1979 - BVerwG 3 C 103.79 - BVerwGE 59, 148 <160> = Buchholz 451.81 § 6a AWG Nr. 3). Er kann deshalb nicht nur für einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auch für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit oder auch nur für Teile dieses Zeitraums angefochten werden (vgl. Urteile vom 15. November 1967 - BVerwG 1 C 43.67 - BVerwGE 28, 202 <205> = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 24 und vom 27. Januar 1993 - BVerwG 11 C 35.92 - BVerwGE 92, 32 <35 f.> = Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 24). Zwar wird der Kläger seinen Aufhebungsantrag häufig ohne nähere zeitliche Bestimmung stellen. Dann dürfte regelmäßig anzunehmen sein, dass er die Aufhebung des Dauerverwaltungsakts für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit begehrt. Entsprechendes gilt für ein einer solchen Anfechtungsklage stattgebendes Urteil; auch dadurch wird der Verwaltungsakt nicht nur für bestimmte Zeitpunkte oder Zeitabschnitte, sondern im Zweifel für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit beseitigt. Der Umstand, dass seine Rechtmäßigkeit in Ermangelung abweichender gesetzlicher Bestimmungen (vgl. dazu etwa Urteil vom 2. Februar 1982 - BVerwG 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <2 ff.> = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 37; Beschluss vom 23. November 1990 - BVerwG 1 B 155.90 - Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 47) regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist, wie sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht (Urteile vom 27. Januar 1993 a.a.O. und vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - NVwZ 2011, 1328 Rn. 18 ff., jeweils m.w.N.), ändert hieran nichts; er hat zur unausgesprochenen Voraussetzung, dass sich die Sach- und Rechtslage seit seinem Erlass nicht verändert hat. Hat sich die Sach- oder die Rechtslage seither in ausschlaggebender Weise verändert, so wird der Kläger entscheiden müssen, ob er sein Aufhebungsbegehren auf den Zeitraum nach der Veränderung beschränkt, und das Gericht wird, wenn der Verwaltungsakt erst durch die Veränderung rechtswidrig geworden ist, ihn nur für die nachfolgende Zeit aufheben und die ohne zeitliche Beschränkung aufrechterhaltene Klage im Übrigen, nämlich für den früheren Zeitraum abweisen. Alles dies ändert aber nichts daran, dass ein Dauerverwaltungsakt Wirkungen für einen längeren Zeitraum entfaltet und dass der Kläger auch in zeitlicher Hinsicht bestimmt, inwieweit er ihn der gerichtlichen Überprüfung zuführen will.

14

Der Klagantrag, einen Dauerverwaltungsakt auch für vergangene Zeiträume aufzuheben, setzt freilich voraus, dass der Kläger von ihm auch insoweit noch beschwert ist. Ein Dauerverwaltungsakt wird sich häufig bei fortschreitender Zeit für die jeweils vergangenen Zeiträume - gewissermaßen fortlaufend - erledigen, auch wenn für die Annahme seiner Erledigung der bloße Zeitablauf nicht genügt, vielmehr erforderlich ist, dass von ihm auch für diese Vergangenheit keine dem Kläger nachteiligen Rechtswirkungen mehr ausgehen. Dies bietet dem Kläger einen zusätzlichen Grund, sein Aufhebungsbegehren auf den gegenwärtigen Zeitpunkt (und die weitere Zukunft - "ex nunc") zu beschränken. Es zwingt ihn aber nicht dazu, sein Klagebegehren in Ansehung der Vergangenheit vollständig aufzugeben. Er kann vielmehr insoweit zu dem Feststellungsantrag übergehen, dass der Dauerverwaltungsakt in Ansehung der Vergangenheit rechtswidrig gewesen sei (Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 20). Ein solcher Feststellungsantrag muss sich nicht auf die gesamte zurückliegende Geltungszeit des Dauerverwaltungsakts erstrecken, sondern kann sich - ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung vorausgesetzt - auf bestimmte zurückliegende Zeiträume beschränken. Regelmäßig wird es sich um Feststellungsanträge nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO handeln. Das zeigt, dass mit einer Klage, die einen Dauerverwaltungsakt zum Gegenstand hat, zugleich dessen Aufhebung (in Ansehung von Gegenwart und Zukunft) als auch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit (in Ansehung der Vergangenheit) begehrt werden kann. Für die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit in der Vergangenheit wird ein Feststellungsinteresse namentlich in Betracht kommen, wenn sich zwischenzeitlich die maßgebliche Sach- oder Rechtslage geändert hat.

15

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat mithin den zweiten und den dritten Hilfsantrag zu Unrecht mit der Begründung für unzulässig erachtet, die damit begehrte Feststellung betreffe zurückliegende Zeiträume, die nicht bis zum Zeitpunkt der (endgültigen) Erledigung des Anfechtungsbegehrens hinreichten. Das Berufungsurteil beruht hierauf jedoch nicht (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat diese beiden Hilfsanträge nämlich noch aus einem weiteren Grund für unzulässig gehalten, der seine Entscheidung selbstständig trägt. Der Kläger leitet sein Feststellungsinteresse aus seiner Absicht her, Ersatzansprüche gegen die Untersagungsbehörde oder gegen den jetzigen Beklagten geltend machen zu wollen. Das Oberverwaltungsgericht hat darin keinen zureichenden Grund für die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zu erkennen vermocht, weil der Kläger seine behaupteten Ersatzansprüche unmittelbar bei den ordentlichen Gerichten verfolgen könne, die hierfür ohnehin zuständig seien (UA S. 8). Hiergegen bringt die Beschwerde nichts vor, sodass es insoweit an der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen näheren Darlegung eines Verfahrensmangels fehlt.

16

2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das wäre nur der Fall, wenn die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, wenn mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger wirft zwar mit Blick auf seinen zweiten und dritten Hilfsantrag die Frage nach dem zulässigen zeitlichen Umfang einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Falle eines erledigten Dauerverwaltungsakts auf. Diese Frage rechtfertigt indes nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens; sie lässt sich - wie gezeigt - anhand der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres beantworten. Hinzu kommt, dass die angefochtene Entscheidung - wie ebenfalls gezeigt - insoweit auf zwei jeweils selbstständig tragende Begründungen gestützt ist. Das Zulassungsbegehren wäre aber nur begründet, wenn hinsichtlich beider Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Daran fehlt es.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung, mit der dem Kläger die Vermittlung von Sportwetten an private Wettanbieter untersagt wurde.

2

Der Kläger ist seit vielen Jahren als Buchmacher zugelassen und unterhält unter anderem in B. mehrere Betriebsstätten. Seit 1999 vermittelte er auch Sportwetten an verschiedene im EU-Ausland ansässige private Wettveranstalter. Mit sofort vollziehbarer Ordnungsverfügung vom 20. Oktober 2006 untersagte die Beklagte dem Kläger die Vermittlung von Sportwetten, für die keine Erlaubnis des Landes Nordrhein-Westfalen vorlag, in den Betriebsstätten S...straße ..., H...straße ..., A... ..., A... ... sowie B... Straße ... und forderte ihn auf, die Vermittlung der Sportwetten in diesen Annahmestellen bis zum 28. Oktober 2006 einzustellen. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 € an. Die Beklagte stützte die Untersagungsverfügung auf § 14 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NW) und verwies unter anderem zusätzlich auf § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Lotteriestaatsvertrages (Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 13. Februar 2004 - LoStV, GV NRW S. 315), dessen Regelungen in Nordrhein-Westfalen zum 1. Juli 2004 in Kraft getreten waren. Wegen des darin geregelten staatlichen Monopols sei eine Erlaubnis zum Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten in absehbarer Zeit nicht zu erlangen. Die öffentliche Sicherheit sei schon durch die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 284 Abs. 1 StGB gefährdet.

3

Der Kläger machte mit seinem Widerspruch geltend, in drei betroffenen Betriebsstätten seien keine Sportwetten vermittelt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2007, zugestellt am 25. Juli 2007, wies die Bezirksregierung Arnsberg den Widerspruch zurück. Ein Eilantrag des Klägers blieb erfolglos.

4

Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass der Kläger die Sportwettenvermittlung fortführte, setzte sie mit Bescheid vom 3. November 2006 das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10 000 € unter Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 20 000 € fest. Mit weiteren Bescheiden vom 16. November, 24. November, 4. Dezember und 13. Dezember 2006 folgte die Festsetzung der jeweils im vorigen Bescheid angedrohten weiteren Zwangsgelder in Höhe von 20 000 €, 20 000 €, nochmals 20 000 € und 40 000 €; dabei machte sie jeweils Verwaltungsauslagen in Höhe von 5,07 € geltend. Der Kläger zahlte darauf 10 005,07 € am 9. November 2006, jeweils 20 005,07 € am 22. November, am 5. und am 11. Dezember 2006 sowie schließlich 40 005,07 € am 19. Dezember 2006. Mit Telefax vom 15. Dezember 2006 teilte er der Beklagten mit, dass er ab dem 18. Dezember 2006 keine Sportwetten mehr anbiete, um weitere Zwangsmaßnahmen zu vermeiden.

5

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 setzte die Beklagte das im Bescheid vom 13. Dezember 2006 angedrohte weitere Zwangsgeld in Höhe von 50 000 € zuzüglich 3,65 € Auslagen fest, weil der Kläger im September, Oktober und November 2010 in drei verschiedenen Wettannahmestellen in B. Sportwetten vermittelt habe. Daraufhin zahlte der Kläger 25 000 € am 12. Dezember 2010, 12 500 € am 25. Februar 2011 sowie 12 503,65 € am 7. März 2011.

6

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die am Montag, dem 27. August 2007 erhobene Anfechtungsklage des Klägers mit Urteil vom 17. September 2008 abgewiesen.

7

Im Berufungsverfahren hat der Kläger wegen der Vollstreckungsmaßnahmen zunächst Fortsetzungsfeststellungsanträge angekündigt. Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, es komme eine Anfechtung auch für die Vergangenheit (ex tunc) in Betracht, hat er sie nur hilfsweise zum Anfechtungsantrag gestellt.

8

Mit Urteil vom 21. Februar 2012 hat das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2007 aufgehoben. Die Anfechtung ex tunc sei zulässig, weil die Untersagungsverfügung sich wegen der Vollstreckung nicht für die Vergangenheit erledigt habe. Die Klage sei auch begründet, da die angegriffene Untersagungsverfügung seit ihrem Erlass rechtswidrig sei.

9

Im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung sei die Verfügung an § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zu messen, der seit Auslaufen des Glücksspielstaatsvertrages zum 31. Dezember 2011 als Landesrecht fortgelte. Seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor. Die Untersagungsverfügung sei aber ermessensfehlerhaft. Die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, die für die Vermittlung erforderliche Erlaubnis könne schon wegen des Sportwettenmonopols nicht erteilt werden. Die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV sei unanwendbar, weil sie die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletze. Zwar verfolge sie mit der Suchtbekämpfung und dem Jugend- und Spielerschutz unionsrechtlich legitime Ziele. Sie sei aber unverhältnismäßig, weil sie inkohärent und daher ungeeignet sei, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten. Das ergebe sich schon aus der unzulässigen Werbepraxis, die systematisch zum Wetten anreize und ermuntere. Aus unionsrechtlicher Sicht seien dabei auch die nordrhein-westfälische Lotto-Werbung und die im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierte Werbung anderer Monopolträger im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Systematisch unzulässige Werbung werde vor allem mit den Jackpot-Werbekampagnen betrieben. Auch die Hinweise auf eine gemeinnützige Verwendung eines Teils der Wetteinsätze ("Lotto-Hilft"-Kampagnen) gingen regelmäßig über eine zulässige Kanalisierung vorhandener Wettleidenschaften hinaus. Ebenso entfalteten Pressemitteilungen über glückliche Lottomillionäre, die Art und Weise der öffentlichen Ermittlung von Gewinnzahlen vor laufenden Fernsehkameras sowie die Präsentation der Lotto-Glücksspirale vor der Hauptausgabe der Tagesschau mit der Werbung für eine Sofortrente in Höhe von 7 500 € unzulässige Anreizwirkung. In der Vergangenheit hätten die Monopolanbieter solche Formen unzulässiger Werbung noch extensiver betrieben. Unabhängig davon führe auch die den Monopolzielen zuwiderlaufende Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels zur Inkohärenz. Dieser Bereich sei der wirtschaftlich bedeutendste Glücksspielsektor und weise das höchste Suchtpotenzial auf. Dennoch werde dort seit der 5. Novellierung der Spielverordnung (Fünfte Verordnung zur Änderung der Spielverordnung vom 17. Dezember 2005, BGBl I S. 3495; vgl. die Bekanntmachung der seit dem 1. Januar 2006 geltenden Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit vom 27. Januar 2006, BGBl I S. 280) eine den Zielen der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes widersprechende Expansionspolitik verfolgt. Die Neufassung der Spielverordnung und deren Umsetzung in der Praxis hätten zu einer erheblichen Ausweitung der Spielgelegenheiten, zu einer zunehmenden Anonymisierung und zur Senkung der Hemmschwellen geführt, ohne dass dies durch spielerschützende Maßnahmen ausreichend ausgeglichen worden wäre. Daraus habe sich ein beträchtliches Umsatzwachstum ergeben, das in erheblichem Maß zulasten der Suchtgefährdeten gehe. Präventive Bemühungen blieben weitgehend wirkungslos. Ob die Monopolregelung zumindest in ihrem Teilsegment und damit teilweise geeignet sei, die Monopolziele zu verwirklichen, könne dahinstehen. Bei einem so widersprüchlichen Schutzkonzept komme es darauf nicht an. Eine Folgenabschätzung im Sinne der Ermittlung von Abwanderungsbewegungen aus dem Monopolbereich in den Automatensektor sei ebenfalls entbehrlich. Selbst wenn sie erforderlich sein sollte, ließen die vorliegenden Untersuchungen zumindest erkennen, dass mögliche Folgewirkungen der Liberalisierung des gewerblichen Automatenspiels auch und gerade den Markt der Sportwetten beträfen und dass dessen Umsatzeinbuße hinsichtlich der problematischen Spielerklientel zulasten einer wachsenden Abwanderung in den "illegalen" Anbieterbereich und das zunehmend expandierende Segment der gewerblichen Geldspielautomaten gehe. Dies bestätige, dass sich Spielsucht nur als solche, also auf den gesamten Glücksspielmarkt bezogen, bekämpfen lasse. Verfassungsrecht stehe der nach dem Unionsrecht erforderlichen kompetenz- und länderübergreifenden Betrachtung nicht entgegen. Der Ermessensfehler der angegriffenen Untersagungsverfügung sei weder unbeachtlich, noch könne er im vorliegenden Verfahren geheilt werden. Der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt sei zwar wirksam und anwendbar. Er rechtfertige eine vollständige Untersagung aber nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit. Die Erledigung der Untersagungsverfügung und das Verbot eines nachträglichen Austauschs der Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO schlössen eine Heilung des Ermessensfehlers aus.

10

Die Untersagungsverfügung sei auch in der Vergangenheit rechtswidrig gewesen. Bezüglich des Sportwettenmonopols unter dem Lotteriestaatsvertrag in der Zeit bis zum 31. Dezember 2007 folge das Oberverwaltungsgericht den Feststellungen und Bewertungen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtslage nach dem Bayerischen Staatslotteriegesetz vom 29. April 1999. Diese seien auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen in allen wesentlichen Punkten übertragbar. Da die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und des deutschen Verfassungsrechts parallel liefen, sei neben der Berufsfreiheit auch die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletzt gewesen. Das unionsrechtliche Defizit habe durch die verfassungsgerichtliche Übergangsanordnung nicht beseitigt werden können. Die Rechtswidrigkeit der Untersagung in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zur Berufungsentscheidung ergebe sich aus den Ausführungen zur gegenwärtigen Rechtslage.

11

Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, soweit die Untersagungsverfügung sich in der Vergangenheit - außerhalb ihrer Vollstreckung - fortlaufend erledigt habe, könne der Kläger sich nicht auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse berufen. Insbesondere ergebe sich aus § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW kein Präjudizinteresse. Er sehe keine Haftung für legislatives Unrecht vor. Außerdem fehle ein ersatzfähiger Schaden. Im Übrigen sei das Oberverwaltungsgericht aktenwidrig davon ausgegangen, dass der Kläger noch auf die Betriebsstätten H...straße und A... ... sowie ... zugreifen könne, obwohl er erstinstanzlich deren Schließung im Frühjahr 2006 vorgetragen habe. Die Untersagungsverfügung sei rechtmäßig gewesen. Das Sportwettenmonopol entspreche dem unionsrechtlichen Kohärenzerfordernis. Das gelte sowohl in Bezug auf die Werbung als auch hinsichtlich der Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels. Das Berufungsurteil habe den Werbebegriff verkannt und die unionsrechtlichen Grenzen kanalisierender Werbung zu eng gezogen. Gegebenenfalls sei dazu eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Für den Wortlaut der vorgeschlagenen Vorlagefragen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18. Juni 2013 verwiesen. Wegen des Bundesstaatsprinzips und der Gesetzgebungsautonomie der Länder, die unionsrechtlich nach Art. 4 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union i.d.F. des Vertrages von Lissabon - EUV (ABl C 306, 1, ber. ABl 2008, C 111, 56) zu achten seien, komme es auch nur auf die Regelung und die Umsetzung des Monopols im jeweiligen Bundesland an. Strukturelle Vollzugsdefizite könnten nicht zur Unanwendbarkeit einer normativ nicht zu beanstandenden Regelung führen. Wegen des Rechtsstaatsgebots könne aus objektiven Umsetzungsdefiziten auch keine subjektiv-rechtliche Begünstigung der Betroffenen hergeleitet werden. In tatsächlicher Hinsicht habe das Berufungsgericht die Werbepraxis nicht genügend aufgeklärt und die herangezogenen Werbebeispiele mangels ausreichender Sachkunde unzutreffend gewürdigt. Insoweit sei auch der Überzeugungsgrundsatz verletzt. Darüber hinaus habe das Oberverwaltungsgericht das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör missachtet, weil es erst kurz vor der Berufungsverhandlung und überdies unvollständig auf die im Urteil zitierten Veröffentlichungen hingewiesen habe. Mit den Beteiligten habe es auch nicht erörtert, dass es von einem bundesweit unzulässigen Werbeverhalten, insbesondere durch die bisher allseits gebilligte Fernsehwerbung, ausgehe. Damit habe es der Beklagten die Möglichkeit genommen, dazu Stellung zu nehmen und vorzuschlagen, zur Beurteilung der Anreizwirkung ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ferner gehe das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft davon aus, das gewerbliche Automatenspiel habe ein höheres Suchtpotenzial als die Sportwetten und sei von einer Expansionspolitik geprägt, die den Monopolzielen zuwiderlaufe. Selbst wenn seine Tatsachenfeststellungen zuträfen, folge daraus noch keine Inkohärenz des Monopols. Vielmehr sei eine Folgenbetrachtung erforderlich, die klären müsse, ob die Auswirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik auf den Monopolbereich die Wirksamkeit und damit die Eignung des Monopols zur Zielverwirklichung aufhöben. Das sei nicht der Fall. Das Berufungsgericht habe den Schutz der mitgliedstaatlichen Verfassungsordnung nach Art. 4 Abs. 2 EUV und die Kompetenzgrenzen der Union nach Art. 5 EUV übergangen. Es habe die Monopolregelung nach dem Rechtsstaatsgebot auch nicht ohne eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 GG für obsolet halten dürfen. Ferner habe es zu Unrecht eine Ermessensreduzierung auf Null verneint und die Rechtsfigur des intendierten Ermessens verkannt. Jedenfalls sei die Untersagungsverfügung rechtmäßig, weil die Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts unionsrechtlich zulässig sei und die Erlaubnisvoraussetzungen zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hätten. § 114 Satz 2 VwGO schließe ein Nachschieben von Ermessenserwägungen bei Dauerverwaltungsakten nicht aus. Das Oberverwaltungsgericht habe deshalb die im gerichtlichen Verfahren ergänzten Ermessenserwägungen bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen. Soweit es von der Rechtswidrigkeit der Untersagung in der Vergangenheit ausgehe, seien seine Erwägungen denkfehlerhaft. Kohärenzfragen in seinem Sinne seien erst seit den unionsgerichtlichen Entscheidungen vom 8. September 2010 erheblich.

12

Mit Beschluss vom 4. Dezember 2012 hat der Senat das Verfahren, soweit es den Untersagungszeitraum seit dem 1. Dezember 2012 betrifft, unter dem Aktenzeichen - BVerwG 8 C 53.12 - abgetrennt.

13

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2012 hinsichtlich des Zeitraums bis zum 30. November 2012 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 17. September 2008 insoweit zurückzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,

die Revision hinsichtlich des Zeitraums bis zum 30. November 2012 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 20. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom 23. Juli 2007 in Ansehung seiner Vollstreckung aufgehoben und im Übrigen die Rechtswidrigkeit der Untersagung in der Zeit bis zum 30. November 2012 festgestellt wird.

15

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist bezüglich des hier verfahrensgegenständlichen Zeitraums bis zum 30. November 2012 zulässig, aber nicht begründet (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig gehalten, auch wenn die Anfechtungsklage nur in Ansehung der Vollstreckung der Untersagungsverfügung statthaft und im Übrigen - zulässig - auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umzustellen war. Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat es ferner die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung im maßgeblichen Zeitraum damit begründet, dass diese maßgeblich auf das staatliche Sportwettenmonopol gestützt wurde, obwohl die Monopolregelung unionsrechtswidrig und damit unanwendbar war, weil sie dem unionsrechtlichen Kohärenzerfordernis schon wegen der systematisch zum Glücksspiel anreizenden Werbepraxis der Monopolträger nicht genügte. Soweit das Berufungsurteil eine Inkohärenz nicht nur wegen der Ausgestaltung des Monopolsektors, sondern unabhängig davon auch wegen einer der Suchtbekämpfung zuwiderlaufenden Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels bejaht, wendet es das Kohärenzerfordernis zwar teilweise unzutreffend an. Es beruht aber nicht auf diesem Fehler, weil es unabhängig davon selbstständig von der zuvor dargestellten Hauptbegründung getragen wird.

17

1. Die Klage gegen die angegriffene Untersagungsverfügung ist bezüglich des gesamten hier verfahrensgegenständlichen Zeitraums von ihrem Erlass bis zum 30. November 2012 zulässig. Angefochten werden kann die Untersagungsverfügung allerdings nur in Ansehung ihrer Vollstreckung mittels der im November/Dezember 2006 und erneut im Dezember 2010 festgesetzten und anschließend eingezogenen Zwangsgelder. Im Übrigen hat sie sich fortlaufend erledigt, so dass insoweit die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft ist.

18

a) Die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO ist in Ansehung der Vollstreckung der Untersagungsverfügung mittels Zwangsgeldes statthaft, weil - nur - insoweit noch eine Beschwer durch das Vermittlungsverbot bezüglich des bereits abgelaufenen Zeitraums vorliegt.

19

Glücksspielrechtliche Untersagungen erledigen sich als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung grundsätzlich von Tag zu Tag fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Eine Erledigung tritt allerdings nicht ein, wenn die Untersagung für den abgelaufenen Zeitraum gegenwärtig noch nachteilige Rechtswirkungen für den Betroffenen entfaltet (Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 15 und vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - juris Rn. 18, Beschluss vom 5. Januar 2012 - BVerwG 8 B 62.11 - NVwZ 2012, 510 Rn. 13). Das ist der Fall, wenn sie die Rechtsgrundlage für noch rückgängig zu machende Vollstreckungsmaßnahmen bildet. Dazu gehört die Vollstreckung mittels Zwangsgeldes, weil sie bei Aufhebung der Grundverfügung rückabgewickelt werden kann.

20

Die Rückzahlung eines gezahlten Zwangsgeldes kann nicht - ähnlich wie ein Schadensersatzverlangen - auf die Sekundärebene verschoben werden, sondern setzt die Beseitigung der Grundverfügung voraus, die der Vollstreckung zugrunde liegt (Titelfunktion des Verwaltungsakts). Allerdings bedarf es der Beseitigung der Grundverfügung auch nur, soweit sie Grundlage der Vollstreckung war und ist; eine darüber hinausgehende Anfechtung ist zu diesem Zweck weder erforderlich noch wäre sie zulässig. Das erlangt Bedeutung vor allem bei denjenigen Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, die - wie die vorliegende Untersagungsverfügung - nur in bestimmten Abschnitten ihres Geltungszeitraums zwangsweise durchgesetzt wurden. In diesen Fällen genügt es zur Rückabwicklung der Vollstreckung, die Untersagungsverfügung in Ansehung des Zeitraums zu beseitigen, in welchem sie zwangsweise durchgesetzt wurde. Der Betroffene braucht demzufolge nur darzulegen, dass die Verfügung zu dieser Zeit rechtswidrig war. Ob sie darüber hinaus auch in anderen - ebenso vergangenen - Zeiträumen rechtswidrig war, ist hierfür unerheblich; auch hierzu vorzutragen, kann vom Betroffenen nicht verlangt werden. Will er die Verfügung hingegen auch in Ansehung dieser anderen - vollstreckungsfreien - Zeiträume der gerichtlichen Überprüfung zuführen, in denen sich der Verwaltungsakt wieder fortlaufend erledigt hat, so ist er insoweit auf die Fortsetzungsfeststellungsklage zu verweisen. Er muss dann darlegen, dass er an der gerichtlichen Überprüfung auch insoweit ein berechtigtes Interesse hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Dieses kann sich nicht aus einer Vollstreckung ergeben, die zu dieser Zeit bereits abgeschlossen oder noch nicht begonnen worden war.

21

Im vorliegenden Fall wurde die Untersagungsverfügung vom 20. Oktober 2006 mit mehreren Zwangsgeldfestsetzungen in Gesamthöhe von 110 000 € nebst Kosten durchgesetzt, bis der Kläger mitteilte, ab dem 18. Dezember 2006 keine Sportwetten mehr anbieten zu wollen. In Ansehung dieser Zwangsvollstreckung ist die Anfechtungsklage statthaft. Erst Jahre später - nach Ergehen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 - nahm der Kläger die Sportwettenvermittlung wieder auf. Deshalb vollstreckte die Beklagte die Untersagung im Dezember 2010 erneut mittels Zwangsgeldern in einer Gesamthöhe von 50 000 € nebst Kosten. Auch bezüglich dieser Zwangsvollstreckung kommt die Anfechtungsklage in Betracht.

22

b) Hinsichtlich der übrigen vergangenen Zeiträume ist hingegen die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, weil die Untersagung für den bereits abgelaufenen Zeitraum sich insoweit - fortlaufend - erledigt hat.

23

aa) Der Kläger konnte seinen Anfechtungsantrag auch im Revisionsverfahren noch - teilweise - auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren umstellen. § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht dem nicht entgegen. Er verbietet nur eine Änderung des Streitgegenstandes. Sie liegt hier nicht vor, weil die Rechtmäßigkeit der Untersagung im zurückliegenden Zeitraum bereits Gegenstand der Berufungsentscheidung war.

24

bb) Eine endgültige Erledigung der Untersagung, die zur Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage für den anschließenden Zeitraum führen würde, ist nicht vor dem 30. November 2012 eingetreten. Die vorgetragene Aufgabe der Sportwettenvermittlung in einigen der fünf Betriebsstätten reicht dazu nicht aus. Betriebsstättenbezogene Untersagungsverfügungen erledigen sich endgültig erst, wenn die Betriebsstätte endgültig aufgegeben wird (Urteil vom 15. November 1990 - BVerwG 3 C 49.87 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224 = juris Rn. 22). Das hat das Oberverwaltungsgericht für keine der fünf Betriebsstätten festgestellt. Dass seine Annahme, der Kläger könne die Vermittlung auch in den Betriebsstätten A... ... und ... sowie H...straße wieder aufnehmen, aktenwidrig wäre, hat die Beklagte nicht dargelegt. Die Klagebegründung, aus der sie die Aktenkundigkeit des Gegenteils herleitet, teilt nur eine Einstellung der Sportwettenvermittlung dort ohne Abmeldung des Gewerbes mit. Das entspricht den Feststellungen der Vorinstanz und schließt eine erneute Aufnahme der Vermittlungstätigkeit in diesen Betriebsstätten nicht aus. Ohne einen Beweisantrag der bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretenen Beklagten bedurfte es danach auch keiner weiteren Aufklärung.

25

cc) Soweit die Untersagungsverfügung sich - außerhalb der Vollstreckungszeiträume - bis zum 30. November 2012 fortlaufend erledigt hat, kann der Kläger sich auf ein Präjudizinteresse berufen.

26

Ein Präjudizinteresse ist zu bejahen, wenn die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen im hier bereits anhängigen Zivilprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs genügt nicht.

27

Offenbleiben kann, ob ein - verschuldensabhängiger - Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch in Betracht kommt. Jedenfalls ist das Bestehen eines Haftungsanspruchs nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen. Dabei muss nicht geklärt werden, ob die Anwendung der im Zivilprozess revisiblen Vorschrift (§§ 545, 560 ZPO) auch im Verwaltungsprozess revisionsgerichtlich überprüft werden darf oder ob dies wegen § 137 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht kommt (vgl. Beschlüsse vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 22 und - BVerwG 8 B 62.12 - juris Rn. 17). Selbst wenn eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Auslegung der Vorschrift zulässig sein sollte, wären deren Voraussetzungen hier nicht offensichtlich und ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung zu verneinen.

28

§ 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW begründet einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch für Schäden, die jemandem durch eine rechtswidrige Maßnahme der Ordnungsbehörden entstanden sind. Bei Erlass der Untersagungsverfügung handelte die Beklagte nach § 14 Abs. 1 OBG NW als Ordnungsbehörde.

29

Ob eine Haftung nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW ausgeschlossen ist, weil die Norm nur die Haftung für enteignungsgleiche Eingriffe regeln soll und damit keine Entschädigung für legislatives Unrecht einschließlich der Anwendung rechtswidriger Normen (sog. Beruhensfälle) gewährt, muss gegebenenfalls im zivilgerichtlichen Staatshaftungsprozess geklärt werden. Von einer solchen Anspruchsbegrenzung kann nicht mit der erforderlichen Offensichtlichkeit ausgegangen werden. Allerdings geben die Gesetzesmaterialien deutliche Hinweise für eine entsprechende Beschränkung. So wurde die vom Ausschuss für Innere Verwaltung vorgeschlagene Ausweitung der Haftung auf die Schädigung von Personen, die als Störer in Anspruch genommen wurden (Beschlussvorschlag des Ausschusses vom 11. Oktober 1955, LTDrucks 3/243), im Landtagsplenum dahin erläutert, dass in Anlehnung an das in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Institut des enteignungsgleichen Eingriffs eine Haftung auch für rechtswidrig-schuldlose Verwaltungsmaßnahmen eingeführt werden solle (vgl. das Protokoll der 2. Lesung des Entwurfs des Ordnungsbehördengesetzes, LT-Protokolle 3. Wahlperiode Bd. 1 S. 822 <825, 827 f. und 837 unter C und D>). Auch die Ablehnung eines Antrags der Fraktion des Zentrums, den Haftungsumfang auf entgangenen Gewinn zu erstrecken (LTDrucks 3/273 S. 3 zu § 48), und die Ablehnung einer Haftung für immaterielle Schäden wurden auf die richterrechtlich konkretisierten Anforderungen aus Art. 14 GG zurückgeführt (LT-Protokolle a.a.O. S. 827 f. und 837 unter C und D). Die Systematik des § 39 Abs. 1 OBG NW vollzieht ebenfalls den Erst-recht-Schluss von der Staatshaftung für rechtmäßige enteignende Eingriffe auf die Haftung für enteignungsgleiche Eingriffe nach (Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 664 f.). Allerdings hat der Bundesgerichtshof erst nach Erlass des § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW entschieden, dass die Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff sich nicht auf legislatives Unrecht einschließlich der Beruhensfälle erstreckt (vgl. BGH, Urteile vom 12. März 1987 - III ZR 216/85 - BGHZ 100, 136 <145 ff.> und vom 27. Januar 1994 - III ZR 42/92 - BGHZ 125, 27 <38>). Dies ändert aber nichts daran, dass die Haftungsbegrenzung im Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs bereits angelegt war. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch nicht evident, dass ein Beruhensfall - wie der Kläger meint - nur bei einer gebundenen Entscheidung vorliegen könnte. Angewendet wird die rechtswidrige Vorschrift auch, wenn sie Ermessen einräumt. Selbst wenn ein Beruhensfall eine gebundene Entscheidung voraussetzen sollte, könnte überdies genügen, dass die legislative Regelung das Ermessen der Behörde auf Null reduzierte. Die Frage, ob und inwieweit § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW eine Haftung für legislatives Unrecht und deshalb auch eine Haftung in Fällen wie dem vorliegenden ausschließt, ist in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung jedoch noch nicht geklärt. Bislang liegen nur einzelne Entscheidungen vor, die von einer Unanwendbarkeit der Haftungsnorm ausgehen (OLG Köln, Urteil vom 3. Mai 2012 - 7 U 194/11 - juris Rn. 30 f.; OLG Hamm, Urteil vom 3. Mai 2013 - I-11 U 88/11 - juris Rn. 95 ff.). Die neueste, zuletzt zitierte Entscheidung hat wegen dieser Frage die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, dem die höchstrichterliche Klärung überlassen bleibt.

30

Ein Ersatzanspruch nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW ist auch nicht schon offensichtlich zu verneinen, weil die etwaige Rechtsverletzung nicht kausal für den geltend gemachten Schaden wäre. Die landesrechtliche Regelung verhält sich nicht zu den Anforderungen, die an die Schadensverursachung zu stellen sind. Auch insoweit fehlt eine gefestigte zivilgerichtliche Konkretisierung. Zwar mag naheliegen, die für revisible Haftungsnormen entwickelten Anforderungen an die Kausalität bei Ermessensakten auch auf die landesrechtliche Haftungsregelung des Polizei- und Ordnungsrechts zu übertragen und die Ursächlichkeit zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, 13. Aufl. 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178). Offensichtlich ist eine solche Parallelität aber nicht. Insbesondere steht es dem Landesgesetzgeber frei, die Haftung großzügiger zu regeln. Ob dies hier geschehen ist, bedarf gegebenenfalls einer näheren Prüfung im anhängigen Staatshaftungsverfahren.

31

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein ersatzfähiger Schaden ebenfalls nicht offensichtlich zu verneinen. Auf die Frage, ob eigentumsfähige Positionen betroffen sind, kommt es nur bei einer entsprechenden, hier gerade nicht offensichtlichen Beschränkung der Haftung an. Ob Vermögenseinbußen wegen rechtlicher Missbilligung der untersagten Tätigkeit nicht ersatzfähig sind, lässt sich nur auf der Grundlage einer ins Einzelne gehenden verfassungs- und unionsrechtlichen Prüfung der die Tätigkeit beschränkenden oder missbilligenden Vorschriften beantworten, so dass auch insoweit keine Offensichtlichkeit vorliegt.

32

Mangels entsprechenden substantiierten Vorbringens der Beteiligten gibt es schließlich keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte seinerzeit durch eine kommunalaufsichtliche Weisung oder einen ministeriellen Erlass zum Erlass der hier angegriffenen Verfügung verpflichtet und ihre Passivlegitimation im Staatshaftungsprozess schon deshalb zu verneinen wäre (zu einer solchen Konstellation vgl. OLG Hamm, Urteil vom 3. Mai 2013 a.a.O. Rn. 121 ff.).

33

2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die angegriffene Untersagungsverfügung sei seit ihrem Erlass rechtswidrig gewesen, hält für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum 30. November 2012 der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

34

Als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist die glücksspielrechtliche Untersagung während ihres Wirkungszeitraums an der jeweils aktuellen Rechtslage zu messen. Da die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Ermächtigungsgrundlagen des § 14 OBG NW und des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV (a.F.) nicht zum revisiblen Recht gehören (§ 137 Abs. 1 VwGO), hat das Revisionsgericht von der berufungsgerichtlichen Auslegung und Anwendung beider Vorschriften auszugehen und nach § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO nur zu prüfen, ob diese revisibles Recht verletzt.

35

Für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. November 2012 ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. Art. 1 §§ 1, 2 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Umsetzungsgesetzes vom 30. Oktober 2007 als Ermächtigungsgrundlage für das Aufrechterhalten des Vermittlungsverbots heranzuziehen. Ausgelaufen ist die seit dem 1. Januar 2012 in Nordrhein-Westfalen landesrechtlich fortgeltende Monopolregelung dort erst mit Ablauf des 30. November 2012. Die Rechtslage änderte sich nicht schon mit dem Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages zum 1. Juli 2012, sondern gemäß Art. 4 des nach Art. 66 Satz 2 der Landesverfassung (Verf NW) erforderlichen landesrechtlichen Zustimmungsgesetzes (Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 13. November 2012, GVBl S. 524) erst mit Inkrafttreten dieses Gesetzes zum 1. Dezember 2012. Das Zustimmungsgesetz ordnet auch keine Rückwirkung der neuen Vorschriften auf den 1. Juli 2012 an. Da es nicht Gegenstand der Berufungsentscheidung war, ist der Senat nicht gehindert, die einschlägigen Vorschriften selbst auszulegen. Art. 1 § 1 Satz 1 des Zustimmungsgesetzes ist keine Rückwirkungsanordnung zu entnehmen. Er ist entweder deklaratorisch als Hinweis auf das Inkrafttreten des Staatsvertrages und die damit verbundene Entstehung von Vertrags- und Umsetzungspflichten des Landes im Außenverhältnis zu den Vertragspartnern zum 1. Juli 2012 zu verstehen oder als ein Redaktionsversehen zu erklären, das sich aus der Verzögerung des Erlasses des Zustimmungsgesetzes wegen der Landtagswahl 2012 ergab. Systematisch spricht gegen die Annahme einer Rückwirkungsanordnung schon, dass das als Art. 2 des Zustimmungsgesetzes erlassene Ausführungsgesetz zur Änderung des Staatsvertrages nach § 24 Abs. 1 ebenfalls zum 1. Dezember 2012 in Kraft trat. Eine rückwirkende Umsetzung des Änderungsstaatsvertrages ohne gleichzeitiges rückwirkendes Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen ist nicht vorstellbar.

36

Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen, die insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden, lagen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV vor. Weder der Kläger noch die Wettunternehmen, an die er Sportwetten vermittelte, verfügten über die nach § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis. Mangels unionsrechtlicher Harmonisierung musste die Beklagte die den Wettunternehmen im EU-Ausland erteilte Konzession nicht als solche Erlaubnis anerkennen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 112). Das damit eröffnete Untersagungsermessen hat die Beklagte jedoch gemäß § 40 VwVfG NW fehlerhaft ausgeübt (a). Eine Ermessensausübung war nicht etwa entbehrlich, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert und diese zu einer Untersagung verpflichtet gewesen wäre (b). Die Beklagte hat die Defizite ihrer Ermessenserwägungen auch nicht nachträglich geheilt (c). Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages gilt nichts anderes. Insoweit kann offenbleiben, ob die Tätigkeit des Klägers die öffentliche Sicherheit gemäß § 14 OBG NW gefährdete, weil sie den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 i.V.m. § 27 StGB erfüllte. Jedenfalls war die Ermessensentscheidung für den Erlass der Untersagung nach § 14 OBG NW ebenso fehlerhaft wie deren Aufrechterhalten unter der Geltung des Glücksspielstaatsvertrages (d).

37

a) Das Oberverwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid revisionsrechtlich fehlerfrei dahin ausgelegt, dass die Ermessensentscheidung für die Untersagung maßgeblich mit der Erwägung begründet wurde, eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Sportwettenmonopols (vgl. § 5 Abs. 2 und 4 LoStV, § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) nicht erteilt werden. Diese Ermessensausübung war nach § 40 VwVfG NW rechtsfehlerhaft, weil sie zu Unrecht von der Anwendbarkeit der Monopolregelung ausging. Die Beklagte hätte diese Regelung nicht anwenden dürfen, weil sie die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig beschränkte. Wie das Oberverwaltungsgericht ausführt, ergab sich schon aus den systematischen Verstößen der Monopolträger gegen die Grenzen zulässiger Werbung, dass das staatliche Sportwettenmonopol nicht den unionsrechtlichen Kohärenzanforderungen genügte.

38

aa) Der persönliche Anwendungsbereich der Niederlassungs- wie der Dienstleistungsfreiheit ist eröffnet, da der Kläger Unionsbürger im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist. Ob der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 Abs. 1 AEUV einschlägig ist oder - sofern die Betriebsstätten des Klägers nicht als inländische Präsenz der Wettunternehmen anzusehen waren - subsidiär die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 und 3 AEUV eingreift, kann offenbleiben. Die Monopolregelung beschränkt beide Freiheiten. In ihrem räumlichen, inländischen Geltungsbereich schließt sie das Veranstalten von Wetten durch andere als den Monopolträger aus. Darüber hinaus lässt sie eine Wettvermittlung an andere Wettunternehmen als den Monopolanbieter nicht zu. Die unionsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung der Beschränkung sind ebenfalls für beide Grundfreiheiten deckungsgleich. Die Beschränkung muss das Diskriminierungsverbot beachten sowie nach Art. 51 f. i.V.m. Art. 62 AEUV oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten. Außerdem darf sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 62).

39

Für die Rechtfertigung glücksspielrechtlicher Monopolregelungen stellt der Gerichtshof der Europäischen Union in ständiger Rechtsprechung auf die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ab, zu denen die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen gehören (EuGH, Urteile vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01, Gambelli u.a. - Slg. 2003, I-13031 Rn. 60, 64, vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 u.a., Placanica u.a. - Slg. 2007, I-1891 Rn. 45, vom 8. September 2009 - Rs. C-42/07, Liga Portuguesa de Futebol Profissional - NJW 2009, 3221 Rn. 56 und vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8149 Rn. 45). Dies schließt die in § 1 GlüStV genannten Ziele der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes ein (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 79).

40

Mangels unionsrechtlicher Harmonisierung des Glücksspielbereichs steht den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der umzusetzenden Ziele ein weiter Gestaltungsspielraum ("ausreichendes Ermessen") zu. Sie dürfen ihre Glücksspielpolitik ihrer eigenen Wertordnung entsprechend ausrichten und das angestrebte Schutzniveau selbst bestimmen. Die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen sind allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das angestrebte Schutzniveau zu beurteilen. Dabei ist jede beschränkende Regelung gesondert zu prüfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 a.a.O. Rn. 49 und vom 8. September 2010 - Carmen Media - a.a.O. Rn. 46 m.w.N). Eine Monopolregelung, die auf die Bekämpfung der Spielsucht und den Spielerschutz als zwingende Gründe des Allgemeininteresses gestützt wird, ist nur verhältnismäßig, wenn sie ebenso wie ihre Anwendung in der Praxis geeignet ist, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beiträgt (vgl. Urteile vom 6. November 2003 a.a.O. Rn. 67, vom 3. Juni 2010 - Rs. C-258/08, Ladbrokes - Slg. 2010, I-4757 Rn. 21 sowie vom 8. September 2010 - Carmen Media - a.a.O. Rn. 64 und - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 98; BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 77 und vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 45).

41

Das Kohärenzgebot präzisiert die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Regelung in zweifacher Hinsicht. Zum einen verlangt es, dass der Mitgliedstaat die unionsrechtlich legitimen Ziele im Anwendungsbereich der Monopolregelung tatsächlich verfolgt. Er darf nicht scheinheilig legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können (EuGH, Urteile vom 21. Oktober 1999 - Rs. C-67/98, Zenatti - Slg. 1999, I-7289 Rn. 35 ff., vom 6. November 2003 a.a.O. Rn. 67 ff. und vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 88 ff. sowie - Carmen Media - a.a.O. Rn. 55, 64 ff.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45). Diese Anforderung bezieht sich allein auf den Monopolsektor und gebietet, die normative Ausgestaltung und die praktische Handhabung des Monopols konsequent an den unionsrechtlich legitimen Zielen auszurichten (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 83 und 98 f.). Sie lässt sich deshalb als Erfordernis der Binnenkohärenz umschreiben und trifft sich mit dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer normativen Ausgestaltung und Praxis, die konsequent an den überragend wichtigen Gemeinwohlzielen des Monopols ausgerichtet ist (dazu vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <309 ff.>; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 32).

42

Die zweite aus dem Kohärenzgebot abgeleitete Anforderung greift dagegen über den Monopolsektor hinaus und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Geeignetheit der Monopolregelung zur Verwirklichung eines mit ihr (tatsächlich) verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielbereichen beeinträchtigt werden kann. Die Monopolregelung darf deshalb nicht durch die mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen konterkariert werden. Damit verlangt das Kohärenzgebot weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 95 f. und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 62 f.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45 m.w.N.). Das gewinnt Bedeutung namentlich in Mitgliedstaaten wie Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Bund und mehrere Länder mit je eigener Gesetzgebungsautonomie gehört (vgl. Art. 28 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG). Doch führt es zur Inkohärenz der Monopolregelung, wenn die zuständigen Behörden in einem anderen Glücksspielbereich eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Politik betreiben oder dulden und dies zur Folge hat, dass das der Errichtung des Monopols zugrunde liegende Ziel mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 106 und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 68 f.). Davon ist bei einem zur Spielsuchtbekämpfung geschaffenen Monopol auszugehen, wenn in anderen Glücksspielsektoren mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial - auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedstaates zuständig sind (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Carmen Media - a.a.O. Rn. 69 f.) - Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die - sektorenübergreifend - zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 jeweils a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 82, vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45 und vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 43).

43

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat die erste, die Binnenkohärenz betreffende Anforderung des Kohärenzgebots in Bezug auf die Grenzen zulässiger Werbung für das Monopolangebot zutreffend konkretisiert und ist revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV (a.F.) wegen systematischer Missachtung dieser Grenzen durch die Monopolträger dem Kohärenzgebot nicht genügt.

44

(1) Dem unionsrechtlich legitimen Ziel der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes entspricht nur eine Werbung, die maßvoll und strikt auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zum legalen Glücksspielangebot hinzulenken (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 103). Dies kann das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken implizieren (vgl. EuGH, Urteil vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 u.a., Placanica u.a. - Slg. 2007, I-1891 Rn. 55). Eine solche Werbung darf aber nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden. Unzulässig ist es auch, die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften zu erhöhen, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen. Die Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Aktivitäten darf nur eine erfreuliche Nebenfolge, aber nicht der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 104). Soweit die Behörden eines Mitgliedstaates den Verbrauchern Anreize geben und sie dazu ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, können sie sich zur Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen nicht auf die öffentliche Sozialordnung und die aus ihr folgende Notwendigkeit berufen, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8149 Rn. 66).

45

Entgegen der Auffassung der Revision liegt in der Übernahme und Anwendung dieser Grundsätze durch das Berufungsurteil keine unzulässige Verengung des Werbebegriffs, wie er sich aus § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV oder anderen mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften ergibt. Die dargelegten Grundsätze schränken nicht den Begriff der Werbung ein, sondern nur den Rahmen, in dem Werbung für das Monopolangebot unionsrechtlich zulässig ist. Der Rahmen wird auch nicht so eng gezogen, dass die noch zulässigen Maßnahmen nicht mehr als Werbung im Wortsinne zu bezeichnen wären. Der Begriff wird durch jeden an das Publikum gerichteten Hinweis eines Anbieters auf ein eigenes entgeltliches Angebot erfüllt (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 50). Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts lassen sich gegen dessen Werbebeschränkungen auch keine großzügigeren mitgliedstaatlichen Vorschriften anführen. Vielmehr ist § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV, soweit er ausdrücklich den gezielten Anreiz zum Wetten verbietet, im Hinblick auf Art. 49 Abs. 1, Art. 56 Abs. 1 AEUV unionsrechtskonform auszulegen. Verfassungsrechtliche Bedenken sind dagegen - auch unabhängig von der Reichweite des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts - nicht geltend zu machen. Vielmehr stimmen die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung, die sich aus Art. 12 GG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgebot ergeben und denen durch verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV Rechnung zu tragen ist, mit den unionsrechtlichen Anforderungen im Wesentlichen überein. Verfassungsrechtlich hat die Werbung für das Monopolangebot sich konsequent am Ziel der Begrenzung der Spielsucht auszurichten und auf eine sachliche Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum legalen Wetten zu beschränken. Sie darf nicht zum Wetten auffordern, anreizen oder ermuntern (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <318>; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 34, 46 ff.). Entscheidend dafür ist nicht die Intention, sondern der nach dem Horizont des durchschnittlichen Empfängers zu bestimmende Aussagegehalt (Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 48 f.). Insbesondere darf die Teilnahme an Wetten nicht als sozialadäquate oder gar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt werden. Das schließt auch eine Werbung mit dem Hinweis auf die gemeinnützige Verwendung der Einnahmen aus (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 318; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 52).

46

Die Grenzen zulässiger Werbung müssen auch nicht wegen des unions- wie verfassungsrechtlich legitimen Ziels der Kanalisierung der Wettleidenschaft "dynamisiert" werden, um eine von der Beklagten geforderte "Waffengleichheit" mit solchen privaten Anbietern herzustellen, die geringeren Beschränkungen unterworfen sind als die Monopolträger oder sich geltenden Beschränkungen entziehen. Ebenso wenig ist es unionsrechtlich geboten oder auch nur zulässig, eine Werbung zu gestatten, die nicht nur die bereits zur Teilnahme am Glücksspiel Entschlossenen zum legalen Angebot hinlenkt, sondern auch die noch Unentschlossenen zur Teilnahme motiviert. Der dazu angeregten Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht. Diese Fragen sind in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits eindeutig geklärt, so dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt. Entgegen der Annahme der Beklagten hält diese Rechtsprechung des Gerichtshofs sich auch innerhalb der ihm zugewiesen Kompetenz (Art. 276 AEUV). Sie entscheidet nicht über das Sicherheits- und Ordnungsrecht, sondern lediglich über die Reichweite der Grundfreiheiten, die die mitgliedstaatlichen Gerichte bei ihrer Prüfung sicherheits- und ordnungsrechtlicher Maßnahmen zu beachten haben.

47

Eine Politik der kontrollierten Expansion mit einem "gewissen Werbeumfang" hat der Gerichtshof in Bezug auf das Monopolangebot nur für zulässig erklärt, soweit dies erforderlich ist, um Spieler, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, zum legalen Angebot hinzulenken (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 101 f.). Schon daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass die Werbung nur die bereits zur Teilnahme am Glücksspiel Entschlossenen zum legalen Angebot hinlenken, aber nicht die noch Unentschlossenen zur Teilnahme motivieren darf. Die Kanalisierung der Spielleidenschaft durch Werbung darf sich nur darauf richten, die bereits vorhandene und bislang illegal gedeckte Nachfrage umzulenken und so den Marktanteil des legalen Anbieters zulasten des Marktanteils der illegalen Anbieter zu erhöhen. Der Gerichtshof unterscheidet deshalb zwischen einer - zulässigen - restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer - unzulässigen - expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt (EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer - Slg. 2011, I-8185 Rn. 69). Gleichzeitig wird klargestellt, dass das Ziel der Lenkung der vorhandenen Nachfrage es nicht rechtfertigen kann, die Verbraucher zur Teilnahme am Glücksspiel anzureizen oder zu ermuntern. Nur vorbehaltlich der Erfordernisse, die sich aus dem Verbot solcher Maßnahmen ergäben, könne eine gewisse Werbung zur legitimen Lenkung beitragen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 102 mit Verweis auf Rn. 97 ff.). Die kanalisierende Werbung muss deshalb nicht nur streng auf das zur Lenkung der Verbraucher Erforderliche begrenzt bleiben. Auch eine solche, der Lenkung dienende Werbung darf nicht zur aktiven Teilnahme am Spiel anregen, sondern nur über die Existenz der Produkte informieren. Dabei muss sie die bereits im Einzelnen dargestellten Verbote beachten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 103 und vom 15. September 2011 a.a.O. juris Rn. 68). Eine Dynamisierung der Grenzen zulässiger Werbung ist damit nicht zu vereinbaren. "Waffengleichheit" mit privaten Anbietern können die staatlichen Monopolträger wegen ihrer Bindung an die Grundfreiheiten nicht verlangen. Nichts anderes ergibt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht. Die Länder, die ein Monopol errichtet und ausgestaltet haben, sind nicht Grundrechtsträger, sondern Grundrechtsverpflichtete und unterliegen nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG einer Rechtsbindung, die nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen gelockert werden kann.

48

Der Einwand der Beklagten, unter diesen rechtlichen Voraussetzungen sei es den Monopolträgern unmöglich, die Glücksspielnachfrage entsprechend ihrem Auftrag zu lenken und zu kanalisieren, rechtfertigt keine andere Auslegung. Die Kanalisierung ist kein unionsrechtlicher Auftrag, sondern nur eine Rechtfertigung für gewisse Werbemaßnahmen in den dargelegten rechtlichen Grenzen. Mitgliedstaatlich-einfachrechtliche Aufgabenzuweisungen können die unionsrechtliche Eingriffsrechtfertigung nicht beeinflussen.

49

(2) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung, ob die unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung im maßgeblichen Zeitraum beachtet wurden, nicht allein auf die Sportwetten-Werbung des nordrhein-westfälischen Monopolträgers abgestellt, sondern dessen Werbung für andere Monopolangebote wie Lotteriespiele in die Beurteilung mit einbezogen. Da es für die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die tatsächlichen Ziele der Monopolregelung ankommt, ist auf ihren gesamten Anwendungsbereich und damit auf alle monopolisierten Angebote abzustellen. Eine Inkohärenz ist schon anzunehmen, wenn der Inhaber des Sportwettenmonopols in Bezug auf die ebenfalls dem Monopol unterliegenden Lotteriespiele unionsrechtlich unzulässige, die Werbebeschränkungen missachtende Werbekampagnen durchführt (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Leitsatz 1 d) 1. Spiegelstrich Rn. 100, 103 f.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 77). Die eindeutige unionsgerichtliche Anknüpfung an das gesamte Verhalten des Monopolträgers lässt in Verbindung mit den ebenfalls unmissverständlichen, strengen und nicht dynamisierbaren Grenzen zulässiger Werbung auch keine Differenzierung der Werbegrenzen nach dem Grad der Suchtgefährlichkeit des jeweils beworbenen Glücksspiels zu. Eine Vorlage an den Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist wegen der Unmissverständlichkeit seiner Rechtsprechung in dieser Frage nicht geboten.

50

Revisionsrechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht neben der Werbung des nordrhein-westfälischen Monopolträgers auch die im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierte Werbung anderer Monopolträger unter der gemeinsamen Dachmarke Lotto berücksichtigt hat. Der nordrhein-westfälische Monopolträger muss sich diese Werbemaßnahmen allerdings nicht schon zurechnen lassen, weil unionsrechtlich der Mitgliedstaat verpflichtet ist, die Grundfreiheiten zu wahren, und innerstaatliche Kompetenzregelungen keine Verletzung dieser Pflicht rechtfertigen können. Die Zurechnung wie eine eigene Werbemaßnahme ist vielmehr gerechtfertigt, weil die im Berufungsurteil gewürdigte Werbung der Monopolträger anderer Bundesländer nach den Feststellungen der Vorinstanz Ausdruck einer landesgrenzenübergreifend abgestimmten und umgesetzten Vertriebsstrategie aller Monopolträger ist. Das Oberverwaltungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossenen Monopolträger ihre Angebote im Rahmen einer gemeinsamen, landesgrenzenübergreifenden Dachmarkenstrategie vertreiben. Damit hat es ein von allen Monopolträgern mitgetragenes, koordiniertes und planmäßiges Vorgehen für den Vertrieb der Angebote angenommen, das vertriebsfördernde Wirkungen der Werbung für ein Dachmarkenprodukt auch der Vermarktung anderer Produkte unter derselben Dachmarke zugute kommen lässt. Mit dem Erlass gemeinsamer Werberichtlinien setzte die ländergrenzenübergreifende Koordination sich sogar im Bereich der Aufsicht fort.

51

An die berufungsgerichtlichen Feststellungen ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil insoweit keine wirksamen Verfahrensrügen erhoben wurden. Die gerügten Mängel betreffen die Beweiswürdigung einzelner Werbemaßnahmen, jedoch nicht die Feststellungen zur Dachmarkenstrategie selbst. Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, die im Berufungsurteil verwerteten Werbemaßnahmen anderer Monopolträger seien nicht der gemeinsamen Dachmarkenstrategie zuzuordnen gewesen.

52

Ihr rechtlicher Einwand, die Einbeziehung der im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierten Werbung verletze das Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG), trifft nicht zu. Die vom Berufungsgericht vorgenommene faktische Zurechnung von Werbemaßnahmen im Rahmen der von den Monopolanbietern abgestimmten Dachmarkenwerbung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat für die verfassungsrechtliche Beurteilung des bayerischen Sportwettenmonopols unter dem Lotteriestaatsvertrag unter anderem auf die seinerzeit bundesweit im Deutschen Lotto- und Totoblock koordinierte Werbung abgestellt (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <309 ff., 314>). Dies steht nicht im Widerspruch zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung und der Eigenstaatlichkeit der Länder, sondern zieht nur rechtliche Konsequenzen aus einer bestimmten Art und Weise des gemeinsam abgestimmten und verantworteten, koordinierten Gebrauchs der jeweiligen Kompetenz.

53

(3) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von ihm angeführte Imagewerbung für das West-Lotto, die Präsentation der Glücksspirale vor der Hauptausgabe der Tagesschau und die Jackpot-Werbung die unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung missachten.

54

Den von West-Lotto verwendeten Werbeslogan "Glück ist, wenn man seinen Mitmenschen helfen kann" hat das Oberverwaltungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei dahin interpretiert, dass er die Teilnahme am Lotto zum sozialen Handeln in Form der Hilfeleistung aufwertet. Damit widerspricht der Slogan dem an den Monopolträger gerichteten Verbot, der Teilnahme am Glücksspiel ein positives Image zu verleihen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 103 f.). Das unzulässige moralische Aufwerten der Teilnahme am Glücksspiel kann auch durch suchtpräventive Hinweise nicht kompensiert werden (Urteile vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 51 f. und vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 32; zur parallelen verfassungsrechtlichen Wertung vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 Rn. 39, 47, 57). Aufgrund des Vergleichs mit ähnlichen, im angegriffenen Urteil als "Lotto-Hilft"-Kampagnen bezeichneten Werbestrategien hat das Oberverwaltungsgericht die nordrhein-westfälische Werbung als Teil einer systematischen Missachtung des Verbots sozialer Aufwertung des Glücksspiels im Rahmen der Dachmarkenstrategie eingeordnet.

55

Wirksame Verfahrensrügen wurden dagegen nicht erhoben. Die Rüge der Beklagten, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz und die gerichtliche Aufklärungspflicht durch planlose, stichprobenartige Ermittlung der in Betracht kommenden Werbebeispiele verletzt, greift nicht durch. Nach § 86 Abs. 1 VwGO war das Oberverwaltungsgericht zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen ohne einen Beweisantrag der bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretenen Beklagten nicht verpflichtet. Solche Ermittlungen mussten sich ihm nicht aufdrängen, nachdem die Beteiligten eingehend zur Werbung vorgetragen hatten und sich schon aus den festgestellten Werbemaßnahmen nach der für die Prüfung von Verfahrensmängeln zugrunde zu legenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ergab, dass eine Inkohärenz des Monopols wegen systematischer Werbeverstöße vorlag. Zu welchem Ergebnis die geforderte weitere, umfassendere Ermittlung von Werbemaßnahmen geführt hätte und inwieweit sie zu einer anderen Beurteilung hätte führen können, hat die Beklagte nicht dargelegt. Der Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls nicht verletzt. Insbesondere hat die Beklagte keine selektive Verwertung und Würdigung des vorhandenen Prozessstoffs durch das Berufungsgericht dargetan.

56

Nicht zu beanstanden ist auch dessen Annahme, die Art und Weise der Ermittlung der Lottozahlen vor laufenden Fernsehkameras und die Präsentation der Lotto-Glücksspirale mit der Werbung für eine "Sofortrente" in Höhe von 7 500 € vor der Hauptausgabe der Tagesschau sei dem nordrhein-westfälischen Monopolträger als Teil der gemeinsamen Dachmarkenstrategie zuzurechnen und entfalte eine unzulässige Anreizwirkung. Die Ermittlung der Lottozahlen als Teil des Unterhaltungsprogramms präsentiert das Glücksspiel als sozial adäquate Beschäftigung. Die Platzierung in der Hauptsendezeit gewährleistet, dass ein möglichst breites Publikum erreicht wird. Dasselbe gilt für die Präsentation der Glücksspirale in unmittelbarer zeitlicher Verknüpfung mit der Hauptausgabe der Tagesschau. Sie bringt das Glücksspiel auch denen nahe, die bislang nicht daran interessiert sind. Die Werbung für eine "Sofortrente" in Höhe von 7 500 € widerspricht dem Verbot, die Anziehungskraft des Glücksspiels durch eine zugkräftige Werbebotschaft zu erhöhen, die bedeutende Gewinne in Aussicht stellt (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 103; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 78). Sie erfüllt die Voraussetzungen einer zugkräftigen Werbebotschaft, da sie dem durchschnittlichen Empfänger der Botschaft mit der weit über dem Durchschnittseinkommen liegenden "Sofortrente" eine in materieller Hinsicht dauerhaft sorgenfreie Zukunft in Aussicht stellt. Der monatliche Rentenbetrag addiert sich im Lauf der in Aussicht gestellten Rentenzahlung auf eine Summe, die als bedeutender Gewinn einzuordnen ist.

57

Die Aufklärungsrüge, mit der die Beklagte geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe die Anreizwirkung der Werbebotschaft nicht ohne Hinzuziehen eines Sachverständigen feststellen können, greift nicht durch. Ob eine Werbebotschaft zur Teilnahme am Glücksspiel anreizt oder ermuntert, ergibt sich aus ihrem Aussagegehalt, der wie bei anderen Erklärungen durch Auslegung zu ermitteln ist. Dabei kommt es darauf an, ob die Werbeaussage von einem noch nicht zur Teilnahme entschlossenen durchschnittlichen Empfänger als Anreiz zur Teilnahme zu verstehen ist oder nur als sachliche Information über die legale Möglichkeit, einen etwa vorhandenen Entschluss zur Teilnahme umzusetzen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 103 f.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 48 f.). Die erforderliche Sachkunde, einen an das Publikum gerichteten Werbespot zu verstehen, durfte das Oberverwaltungsgericht sich zuerkennen. Insoweit ist auch der Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO nicht verletzt. Weshalb das Oberverwaltungsgericht im konkreten Fall sachverständiger Hilfe zur Auslegung der Werbebotschaft bedurft hätte, hat die Beklagte nicht prozessordnungsgemäß nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO dargelegt. Insbesondere hat sie nicht dargetan, welche Erkenntnisse die Hinzuziehung eines Sachverständigen erbracht hätte und inwieweit diese für die berufungsgerichtliche Beurteilung erheblich gewesen wären.

58

Die weiter gerügte Verletzung des Rechts der Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Dazu genügt nicht, dass das Oberverwaltungsgericht ihr gegenüber nicht schon vor der Entscheidung offengelegt hat, dass es von einer bundesweit unzulässigen Werbung insbesondere durch die bisher allseits gebilligte Fernsehwerbung ausgehe. Die Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nicht, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder seine Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Beurteilung regelmäßig erst aus dem Ergebnis der abschließenden Beratung ergibt. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung wegen des Unterbleibens eines solchen Hinweises liegt erst vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte stützt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte (Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - BVerwG 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 8 und vom 18. Oktober 2010 - BVerwG 9 B 64.10 - juris Rn. 8; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1991 - 1 BvL 32/88 - BVerfGE 84, 188 <190>). Wegen der strengen Konkretisierung der Grenzen zulässiger Werbung für das Monopolangebot in der bereits zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs und wegen deren Konkretisierung in den ebenfalls zitierten Entscheidungen des Senats, die von der Unzulässigkeit jeder dem objektiven Aussagegehalt nach zum Wetten anreizenden oder ermunternden Werbung ausgehen, musste die Beklagte damit rechnen, dass das Berufungsgericht auch zuvor noch nicht beanstandete Werbemaßnahmen für unzulässig halten würde. Dies gilt wegen § 5 Abs. 3 GlüStV auch und gerade für die Präsentation und das Bewerben von Glücksspielen im Fernsehprogramm.

59

Die von ihm festgestellte Jackpot-Werbung hat das Oberverwaltungsgericht gleichfalls revisionsrechtlich fehlerfrei als Verstoß gegen die unionsrechtlichen Beschränkungen der Werbung für das Monopolangebot eingeordnet. Auch insoweit liegt eine zugkräftige Werbebotschaft vor, die die Anziehungskraft der Lotterie erhöht, indem sie einen bedeutenden Gewinn in Aussicht stellt. Für die Anreizwirkung hat das Berufungsgericht zwar vornehmlich auf die von ihm zitierte Pressemitteilung des rheinland-pfälzischen Monopolanbieters vom 11. August 2011 verwiesen, die hervorhebt, wegen der Höhe des Jackpots gäben mehr Menschen einen Lottoschein ab, die sonst nicht am Spiel teilnähmen. Insofern rügt die Beklagte, die Pressemitteilung sei ihr nicht bekannt gewesen. Ob deshalb ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt wurde, kann indes offenbleiben. Denn unabhängig hiervon konnte das Berufungsgericht aus der - allgemeinkundigen - Art und Weise des Anpreisens des Jackpots auf einen Anreiz zur Teilnahme schließen und auf die Häufigkeit der Werbebotschaften im Rundfunk unmittelbar vor der Ziehung abstellen. Dabei ist es ersichtlich davon ausgegangen, dass der wiederholte Hinweis auf eine nur am selben Tag noch bestehenden Gewinnmöglichkeit Zeitdruck suggeriert und das Hervorheben des Scheiterns früherer Versuche, den Jackpot zu "knacken", sowie der Hinweis auf die Höhe des aktuellen Jackpots zur Teilnahme anreizt und ermuntert. Hinsichtlich der Aufklärungsrüge und der Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes kann auf die Ausführungen zu den entsprechenden Rügen gegen die Würdigung der Fernsehwerbung verwiesen werden.

60

(4) Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz aus diesen Werbemaßnahmen auf eine systematische Missachtung der Werbebeschränkungen und daraus wiederum darauf geschlossen hat, die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV habe tatsächlich nicht unionsrechtlich legitimen Zielen, sondern illegitimen fiskalischen Zielen gedient. Allen drei Werbemaßnahmen ist gemeinsam, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um Werbestrategien handelt, die regelmäßig und über einen erheblichen Zeitraum praktiziert wurden. Die Aufsichtsbehörden haben diese systematische Missachtung von Werbegrenzen nicht wirksam unterbunden. Aus den im Berufungsurteil zitierten gemeinsamen Werberichtlinien ergibt sich vielmehr, dass sie noch im Jahr nach der Präzisierung der unionsrechtlichen Anforderungen an eine zulässige Monopolwerbung durch die bereits zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 und die daran anknüpfenden Urteile des Senats vom 24. November 2010 fehlerhaft nur den gezielten Anreiz zur Teilnahme am Glücksspiel für rechtswidrig hielten, statt auf den objektiven Aussagegehalt abzustellen. Nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erklärten die Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder noch nach dem letzten ihm vorliegenden Stand vom Mai 2011 eine Imagewerbung - einschließlich der moralischen Aufwertung der Teilnahme am Glücksspiel - unzutreffend für zulässig. Daraus durfte das Oberverwaltungsgericht auf ein strukturelles Vollzugsdefizit schließen, das auf das Verfolgen unionsrechtlich illegitimer Ziele hindeutet. Entgegen der Auffassung der Beklagten widerspricht dies weder der rechtsstaatlichen Gesetzesbindung noch dem Wesen des Verwaltungsrechtsschutzes. Selbst im Verfassungsrecht ist aus strukturellen Vollzugsdefiziten auf die Unverhältnismäßigkeit einer Monopolregelung im engeren Sinne und damit auf einen normativen Mangel zu schließen (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <309, 313 ff.>). Die Voraussetzungen eines solchen Rechtsverstoßes zu prüfen, ist eine genuin verwaltungsgerichtliche Aufgabe.

61

Da die Monopolregelung tatsächlich nicht die zu ihrer Rechtfertigung geeigneten, sondern illegitime Ziele verfolgt, kann sie im gesamten Zeitraum ihrer Geltung in Nordrhein-Westfalen bis zu ihrem Außerkrafttreten mit Ablauf des 30. November 2012 nicht zur Eingriffsrechtfertigung herangezogen werden. Die Inkohärenz wegen der zweckwidrigen Ausgestaltung des Monopols besteht nicht nur für die Zeitpunkte oder Zeiträume, für die konkrete, der Zielsetzung des Monopols widersprechende Werbemaßnahmen der Monopolträger als Indiz des Verfolgens illegitimer Ziele festgestellt sind. Maßgeblich ist vielmehr der durch diese Feststellungen gerechtfertigte Schluss, dass die Regelung als solche unionsrechtlich illegitimen Zwecken dient.

62

cc) Die zweite Anforderung des Kohärenzgebots, die Beeinträchtigungen der Wirksamkeit der Monopolregelung durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielsektoren in den Blick nimmt und sich als Erfordernis intersektoraler Kohärenz umschreiben lässt, wird im angegriffenen Urteil allerdings nicht zutreffend konkretisiert. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen auch nicht aus, die Annahme einer intersektoralen Inkohärenz wegen einer das Monopol konterkarierenden Politik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels zu tragen. Das Berufungsurteil beruht freilich nicht auf diesem Fehler, weil seine Annahme, die Monopolregelung sei inkohärent, bereits selbstständig durch seine Erwägungen zur Missachtung der Grenzen zulässiger Werbung getragen wird. Wegen der diesbezüglichen kontroversen Erörterung im Revisionsverfahren geht der Senat auf diesen Punkt gleichwohl näher ein.

63

(1) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, das zweite Kohärenzerfordernis verlange eine zwischen Bund und Ländern koordinierte, sektorenübergreifende, systematisch und widerspruchsfrei am Monopolziel der Suchtbekämpfung orientierte Glücksspielpolitik, die vergleichbare Gefährdungen gleichermaßen erfasse. Diese Annahme findet in Art. 56 AEUV und dessen Auslegung durch die einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union keine Grundlage. Zwar reicht nach der neueren unionsgerichtlichen Rechtsprechung eine sektorale, auf den Monopolbereich beschränkte Kohärenzprüfung zur Überprüfung der Geeignetheit des Monopols nicht aus. Vielmehr sind auch die Auswirkungen einer etwa gegenläufigen Regelung anderer Glücksspielsektoren mit höherem oder gleich hohem Suchtpotenzial zu berücksichtigen. Damit wird der Prüfungsgegenstand jedoch weder von der Verhältnismäßigkeit der Monopolregelungen auf die Verhältnismäßigkeit der anderen Regelungen erweitert, noch setzt die Kohärenz des Monopols eine kohärente Regelung der anderen Bereiche voraus. Erst recht bedarf es keines gebiets- und zuständigkeitsübergreifend konzipierten Systems aufeinander abgestimmter Regelungen im Sinne einer sämtliche Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz. Eine solche Konkretisierung ließe unberücksichtigt, dass die Verhältnismäßigkeit für jede Beschränkung gesondert zu prüfen ist (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 u.a., Placanica u.a. - Slg. 2007, I-1891 Rn. 49 und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 93), und verlöre den Gegenstand der Prüfung - die Geeignetheit der Monopolregelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele - aus dem Blick. Außerdem stieße sie auf verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken. Wegen des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung der Europäischen Union ist der demokratisch legitimierte, mitgliedstaatliche Gesetzgeber im nicht harmonisierten Glücksspielrecht grundsätzlich frei, das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen, die mit der Glücksspielpolitik verfolgten Ziele festzulegen und einzelne Glücksspielbereiche aufgrund seiner parlamentarischen Einschätzungsprärogative entsprechend auszugestalten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 76 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8149 Rn. 45 f., 58). Das gilt bei bundesstaatlich verfassten Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer föderalen Kompetenzordnung für jeden im Mitgliedstaat tätigen Gesetzgeber. Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten begrenzen diese Regelungsbefugnis und verbieten unverhältnismäßige Beschränkungen. Sie verpflichten den Mitgliedstaat jedoch nicht dazu, ein sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifendes, in seiner Gesamtheit stimmiges Schutzkonzept aufzustellen und umzusetzen.

64

Nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Inkohärenz wegen konterkarierender Regelungen nicht schon vor, wenn in einem anderen Glücksspielbereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Politik verfolgt wird, sondern ausdrücklich nur, wenn dies zur Folge hat, dass das der Errichtung des Monopols zugrunde liegende Ziel mit diesem nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 106 und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 68). Entgegen der Annahme des Berufungsurteils und der Auffassung des Klägers ist eine Folgenbetrachtung also nicht entbehrlich. Da die Monopolregelung allein in ihrem Anwendungsbereich wirksam werden kann, können Beeinträchtigungen ihrer Wirksamkeit nur dort ermittelt werden. Danach kommt es auf die Rückwirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik im anderen Glücksspielsektor auf den Monopolbereich an. Festgestellt werden muss, inwieweit diese Glücksspielpolitik die Wirksamkeit der Monopolregelung und deren Beitrag zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele beeinträchtigt. Darin liegt keine Rückkehr zu einer unzureichenden sektoralen Kohärenzprüfung. Diese blendete mögliche Folgen einer Expansionspolitik in anderen Glücksspielbereichen für den Bereich der Sportwetten aus. Die intersektorale Kohärenzprüfung bezieht sie dagegen mit ein. Sie lehnt nur die weitergehende Forderung nach einer alle Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz ab, da für die Geeignetheit der Monopolregelung nur ihr eigener Beitrag zur Zielverwirklichung maßgeblich ist.

65

Zur Widerlegung dieser speziell zum Glücksspielrecht entwickelten Konkretisierung des Kohärenzgebots ist die im angegriffenen Urteil zitierte ältere Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit nicht geeignet. Auch auf den Vortrag des Klägers, der Pressemitteilung des Gerichtshofs sei Gegenteiliges zu entnehmen, kommt es mangels rechtlicher Verbindlichkeit solcher Mitteilungen nicht an. Maßgebend sind die einschlägigen Entscheidungen selbst. Ihre Tenorierung lässt keinen Zweifel daran, dass aus der Feststellung einer gegenläufigen Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial noch keine Inkohärenz der Monopolregelung folgt. Den Entscheidungsformeln zufolge kann das vorlegende Gericht, wenn es eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Expansionspolitik im Bereich anderer, nicht monopolisierter Glücksspiele mit höherem Suchtpotenzial feststellt, berechtigten Anlass zur Schlussfolgerung haben, das Monopol sei nicht mehr geeignet, das Erreichen des mit ihm verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Leitsatz 1 d) bzw. - Carmen Media - a.a.O. Leitsatz 2). Danach ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend, sondern nur möglicherweise gerechtfertigt. Ob sie zu ziehen ist, ergibt sich nach den Entscheidungsgründen erst aus der Prüfung, ob das Monopol trotz der gegenläufigen Regelung des anderen Glücksspielbereichs noch wirksam zur Verwirklichung der mit ihm verfolgten Ziele beitragen kann. Dies festzustellen, hat der Gerichtshof den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Markus Stoß - a.a.O. Rn. 98, 106 f. und - Carmen Media - a.a.O. Rn. 65, 68, 71). Eine Vorlage an den Gerichtshof wäre auch insoweit nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV geboten. Die von dem Kläger bestrittene Erforderlichkeit einer Folgenbetrachtung ergibt sich, wie bereits dargelegt, klar und eindeutig aus dem Wortlaut der beiden einschlägigen, zur Kohärenz der deutschen Sportwettenmonopole ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs. Auch die dogmatische Einordnung als Element der Geeignetheit der Monopolregelung, die durch die Auswirkungen einer gegenläufigen Politik in anderen Sektoren beeinträchtigt werden kann, lässt keinen anderen Schluss zu. Der Mittelweg der intersektoralen Kohärenz, die sich weder auf eine Betrachtung des Monopolsektors beschränkt noch eine in föderalen Mitgliedstaaten kaum zu leistende Gesamtkohärenz fordert, ist damit unmissverständlich vorgegeben. Die spätere Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Glücksspielrecht stellt den eingeschlagenen Mittelweg nicht in Frage. Erst recht lässt sich aus der früheren, das Kassenzahnarztrecht betreffenden Entscheidung in der Rechtssache Petersen (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 53 ff., 58 ff.) nichts für die Erforderlichkeit einer glücksspielrechtlichen Gesamtkohärenz herleiten. Dort versteht der Gerichtshof den Bereich der kassenzahnärztlichen Tätigkeit, für den eine Altersgrenze geregelt wurde, und den von dieser Regelung nicht erfassten Bereich privatzahnärztlicher Tätigkeit nicht als zwei verschiedene Sektoren. Vielmehr interpretiert er das Fehlen einer Altersgrenze für Privatzahnärzte als Ausnahme von der Regelung der Altersgrenze, die mangels tragfähiger Begründung für diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt sei.

66

(2) Soweit das angegriffene Urteil in einer Hilfserwägung die Notwendigkeit einer Folgenbetrachtung unterstellt, verengt es den Blick unzulässig auf aktuelle Spielergruppen, so dass seine tatsächlichen Feststellungen die Annahme, die Monopolregelung habe ihre Wirksamkeit infolge einer gegenläufigen Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels verloren, nicht zu tragen vermögen.

67

Richtig ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Glücksspielpolitik im Bereich des Automatenspiels nur dann zu Folgewirkungen im Monopolbereich führen könne, wenn sich die Kreise der potenziellen Kunden überschneiden (vgl. § 21 Abs. 2 GlüStV n.F.). Dies ist allerdings nur eine notwendige und noch keine hinreichende Voraussetzung für das Entstehen problematischer Folgewirkungen. Das Berufungsgericht hat eine Überschneidung von Kundenkreisen insbesondere in der Teilgruppe besonders suchtgefährdeter junger männlicher Erwachsener ausgemacht. Es hat sich jedoch mit der weiteren Feststellung begnügt, die expansive Politik im Bereich des Automatenspiels habe zu einer Wanderung eines hohen Anteils von Spielern dieser Teilgruppe vom Bereich der Sportwetten zu dem des Automatenspiels geführt. Diese Feststellung ist in zweifacher Hinsicht unzureichend. Zum einen ist damit noch nicht geklärt, ob die Abwanderung praktisch einen Leerlauf der Monopolregelung zur Folge hat oder diese auf eine Alibifunktion reduziert. Zum anderen lässt die auf eine Abwanderung von (aktuellen) Spielern beschränkte Betrachtung unberücksichtigt, dass es für die Wirksamkeit des Beitrags der Monopolregelung zur Suchtbekämpfung nicht nur auf die bereits aktiven, suchtgefährdeten oder gar spielsüchtigen Spieler ankommen kann. Suchtbekämpfung schließt auch die Suchtprävention mit ein, die potenzielle Kunden bei einer Teilnahme am Glücksspiel vor einer solchen Gefährdung schützt. Erforderlich ist deshalb eine Folgenbetrachtung, die nicht nur die aktuelle, sondern auch die potenzielle Nachfrage nach beiden Glücksspielarten und die Auswirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik im anderen Sektor auf die Nachfrage im Monopolbereich ermittelt.

68

dd) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV wegen ihres Verstoßes gegen Unionsrecht für unanwendbar gehalten. Als primärrechtliche Gewährleistungen binden die Grundfreiheiten die Mitgliedstaaten der Union im jeweiligen Anwendungsbereich unmittelbar, und zwar auch außerhalb der bereits durch sekundäres Unionsrecht harmonisierten Regelungsbereiche. Ihr Anwendungsvorrang schließt eine Anwendung grundfreiheitswidriger Regelungen prinzipiell aus (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8015 Rn. 53 ff.).

69

Entgegen der Auffassung der Beklagten hält sich diese Rechtsprechung im Rahmen der unionsrechtlichen Kompetenzen und ist auch nicht mit verfassungsrechtlichen Erwägungen in Zweifel zu ziehen. Art. 5 EUV verbietet der Union zwar, ihre Kompetenzen über den Kreis der ihr jeweils nach Art. 23 Abs. 1 GG übertragenen Hoheitsrechte hinaus auszudehnen. Die vertraglich begründete Rechtsprechungskompetenz des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV schließt jedoch die Befugnis ein, den Anwendungsvorrang der Grundfreiheiten zu konkretisieren. Dass der Anwendungsvorrang von den mitgliedstaatlichen Gerichten aller Instanzen zu beachten ist, ergibt sich aus der Bindung der Mitgliedstaaten an den Vertrag, der als supranationales Primärrecht keiner Transformation bedarf, und aus der Bindung der Gerichte an das geltende Recht, zu dem auch das Unionsrecht zählt. Art. 100 GG greift nicht ein, da weder die Verfassungsmäßigkeit der Norm noch das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts in Frage steht. Eine unionsrechtswidrige und deshalb im konkreten Fall unanwendbare Norm wird wegen des Unionsrechtsverstoßes nicht für nichtig erklärt.

70

Das Rechtsstaatsgebot ist auch nicht etwa verletzt, weil aus einem objektiv-rechtlichen Verstoß eine subjektiv-rechtliche Begünstigung hergeleitet würde. Die subjektiv-rechtliche Gewährleistung ergibt sich aus Art. 49 oder 56 AEUV. Eingriffe in das subjektive Recht sind - wie im mitgliedstaatlichen Recht - im Einklang mit dem Rechtsstaatsgebot nur gerechtfertigt, wenn sie rechtmäßig sind. Daran kann es auch wegen einer Verletzung objektiv-rechtlicher Anforderungen fehlen.

71

b) Die Beklagte meint, auf etwaige Fehler ihrer Ermessensausübung komme es nicht an, weil ihr Ermessensspielraum ohnehin dahin eingeschränkt gewesen sei, dass nur eine Untersagung rechtmäßig gewesen wäre. Dieser Vortrag kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

72

aa) Eine Ermessensreduzierung auf Null zulasten des Klägers hat das Berufungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei verneint. Sie könnte sich aus § 284 Abs. 1 StGB nur ergeben, wenn dem Kläger das Fehlen einer Erlaubnis entgegengehalten werden könnte. Das setzt voraus, dass ihm die Erlaubnis nicht unionsrechtswidrig vorenthalten oder verweigert wurde. Zwar ist der Erlaubnisvorbehalt gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV verfassungs- und unionsrechtskonform. Wegen der Unionsrechtswidrigkeit des Monopols durfte eine Erlaubnis aber nicht schon seinetwegen, sondern nur nach Prüfung der unionsrechtskonformen, monopolunabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen ausgeschlossen werden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - NVwZ 2013, 785 Rn. 38 f., 48). Diese Voraussetzung war im maßgeblichen Zeitraum in Nordrhein-Westfalen nicht erfüllt, weil dort das Erlaubnisverfahren - im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie etwa dem Freistaat Bayern oder Rheinland-Pfalz - nicht für Private geöffnet wurde. Aus den Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich auch nicht, dass die Vermittlungstätigkeit des Klägers aus monopolunabhängigen Gründen materiell-rechtlich nicht erlaubnisfähig gewesen wäre. Wirksame Verfahrensrügen wurden insoweit nicht erhoben.

73

bb) Die Annahme, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV räume kein intendiertes Ermessen ein, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Vorschrift ist nach § 137 Abs. 2 VwGO nicht revisibel. Ihre Anwendung durch das Berufungsgericht verkennt auch nicht die Rechtsfigur des intendierten Ermessens, die als Frage der Anwendung des § 40 VwVfG NW gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO der revisionsrechtlichen Prüfung unterliegt. Schließlich berücksichtigt die Revision nicht, dass ein intendiertes Ermessen zwar eine nähere Begründung der Ermessensausübung erübrigen, aber keine fehlerhafte Begründung heilen kann.

74

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde der Ermessensfehler schließlich nicht durch die im Verwaltungsprozess nachgeschobenen Erwägungen geheilt. Dabei kann offenbleiben, ob die prozessualen Ausführungen den formell-rechtlichen Anforderungen an eine Änderung der Begründung des angegriffenen Bescheides genügten. Die mit ihnen beabsichtigte rückwirkende Änderung seiner Begründung war jedenfalls verwaltungsverfahrensrechtlich unzulässig, weil sie wesentliche Ermessenserwägungen auswechselte und den Kläger dadurch in seiner Rechtsverteidigung erheblich beeinträchtigte (zu diesem Kriterium vgl. Urteile vom 14. Oktober 1965 - BVerwG 2 C 3.63 - BVerwGE 22, 215 <217 f.>, vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <59> und vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3). Die Untersagung war ursprünglich auf die Monopolwidrigkeit der gewerblichen Tätigkeit des Klägers und darauf gestützt, dass das Sportwettenmonopol rechtmäßig sei. Dieser Gesichtspunkt war für die nachgeschobene Begründung unerheblich; nunmehr wurde die Untersagung allein mit der formellen und materiellen Illegalität der Wettvermittlung ohne Rücksicht auf das Sportwettenmonopol gerechtfertigt. Gegen einen Austausch der wesentlichen Erwägungen spricht auch nicht, dass beide Begründungen an das Fehlen einer Erlaubnis anknüpfen. Die formelle Illegalität erfüllt den Tatbestand der Untersagungsermächtigung und eröffnet damit nur das Ermessen. Dessen Ausübung muss sich daher nach anderen Kriterien richten. Ob im Austausch der wesentlichen Ermessenserwägungen schon eine Wesensänderung der Untersagung selbst liegt, kann dahinstehen. Jedenfalls wird die Rechtsverteidigung des Betroffenen durch das Auswechseln der wesentlichen Ermessenserwägungen erheblich beeinträchtigt. Die neue Begründung der Untersagung stellt erstmals auf die monopolunabhängigen Anforderungen an die Vermittlung und das Wettangebot ab. Dem Betroffenen bleibt nur, diese Anforderungen zu prüfen und für den bereits abgelaufenen Zeitraum entweder darzulegen, dass sie rechtswidrig waren, oder darzutun, dass seine Tätigkeit mit ihnen übereinstimmte. Soweit die rückwirkende Änderung der Begründung die Erfolgsaussichten der Klage entfallen lässt, kann er darauf nur nachträglich reagieren.

75

d) Ohne revisiblen Rechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht die angegriffene Untersagungsverfügung auch im Zeitraum von ihrem Erlass bis zum 31. Dezember 2007 für rechtswidrig gehalten. Die Ausübung des durch § 14 OBG NW eröffneten Ermessens war fehlerhaft, weil das Sportwettenmonopol, mit dem die Untersagung begründet wurde, bereits damals gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot verstieß.

76

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei darauf abgestellt, dass das nordrhein-westfälische Sportwettenmonopol unter dem damals geltenden Lotteriestaatsvertrag schon die erste der beiden Kohärenzanforderungen nicht erfüllte, weil es nach seiner normativen Ausgestaltung und der damaligen Praxis nicht die vorgeblichen, unionsrechtlich legitimen Ziele der Suchtbekämpfung und des Spieler- und Jugendschutzes verfolgte. Zwar nahmen § 1 Nr. 1 und 2, § 4 LoStV diese Ziele auf. Es fehlten jedoch Regelungen, die gewährleisteten, dass das Monopol auch in der Praxis konsequent an den mit ihm verfolgten legitimen Zielen ausgerichtet wurde. Insoweit durfte das Oberverwaltungsgericht auf die entsprechende bundesverfassungsgerichtliche Würdigung verweisen (zum nordrhein-westfälischen Recht vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 2428/06 - NJW 2007, 1521 Rn. 26 f. mit Verweis auf das Urteil zum bayerischen Sportwettenmonopol vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276) und davon ausgehen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine konsequent am Ziel der Suchtbekämpfung orientierte Ausgestaltung des Monopolbereichs sich mit den unionsrechtlichen decken. Unionsrechtlich muss die Schaffung eines Monopols mit der Errichtung eines normativen Rahmens einhergehen, mit dem sich gewährleisten lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 83). Daran fehlte es nach den insoweit nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, nach denen die - irrevisible - Rechtslage in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007 der beanstandeten Rechtslage in Bayern entsprach. Insbesondere fehlten auch in Nordrhein-Westfalen Vorschriften, die eine Beachtung der Grenzen zulässiger Werbung gewährleisteten. Die einschlägigen Regelungen in § 4 Abs. 3 LoStV verboten zwar irreführende und unangemessene Werbung, schlossen eine ausschließlich am Ziel expansiver Vermarktung orientierte Werbung jedoch nicht aus. Darüber hinaus war mangels einer neutralen Kontrollinstanz nicht gewährleistet, dass fiskalische Interessen hinter das Ziel der Suchtbekämpfung zurücktraten (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 312 f.; vgl. Kammerbeschluss vom 7. Dezember 2006 a.a.O.).

77

Dass das Bundesverfassungsgericht die Anwendung der verfassungswidrigen bayerischen Monopolregelung für eine Übergangszeit bis längstens zum 31. Dezember 2007 unter bestimmten Maßgaben zugelassen hat (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 319), kann die Anwendung der unionsrechtswidrigen nordrhein-westfälischen Monopolregelung unter dem Lotteriestaatsvertrag nicht rechtfertigen. Auf die Umsetzung der bundesverfassungsgerichtlichen Maßgaben kommt es dabei nicht an, weil sie die Defizite der normativen Ausgestaltung des Monopols weder beheben noch vollständig kompensieren konnte. Die Maßgaben zielten allein darauf, ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen legitimen gesetzlichen Zielen und tatsächlicher Ausübung des Monopols herzustellen. Im Übrigen beschränkten sie sich auf die Forderung, in der Übergangszeit bereits mit einer konsequenten Ausrichtung des Monopols an der Suchtbekämpfung zu beginnen (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O.). Das lässt erkennen, dass ihre Erfüllung auch nach der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts noch keinen verfassungsmäßigen Zustand herstellte. Sie ließ nur eine befristete weitere Anwendung der verfassungswidrigen Norm als verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 317, 319; vgl. Kammerbeschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - NVwZ 2009, 1221 Rn. 24).

78

Unionsrechtlich war die übergangsweise Anwendung der unverhältnismäßigen Monopolregelung ohnedies nicht gerechtfertigt. Die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts reichte dazu nicht aus. Die übergangsweise Anwendung unionsrechtswidriger Vorschriften kann nur nach Maßgabe des Unionsrechts legitimiert werden. Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8015, Rn. 60 ff., 67 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 24. Januar 2013 (- Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - NVwZ 2013, 785 Rn. 38 f., 46 ff.) keine solche unionsrechtliche Rechtfertigung. Diese Entscheidung bestätigt vielmehr unter Hinweis auf das eben zitierte Urteil vom 8. September 2010 (- Winner Wetten -) ausdrücklich, dass ein unionsrechtswidriges Glücksspielmonopol auch nicht übergangsweise weiter angewendet werden darf (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 38 f., 42). Der Mitgliedstaat ist allerdings nicht zu einer Liberalisierung verpflichtet. Er kann sich auch dafür entscheiden, das Monopol unionsrechtskonform zu reformieren (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 46). Jedenfalls ist er aber bei Unionsrechtswidrigkeit des Monopols verpflichtet, Erlaubnisanträge anderer Glücksspielanbieter auch während der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung zu prüfen und gegebenenfalls nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 39, 48).

79

Die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit eine Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts in der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 verboten habe, ist dem Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht vorzulegen, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Die angegriffene Untersagungsverfügung wurde im hier maßgeblichen Zeitraum Ende 2007 nicht mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts, also der formellen und materiellen Illegalität der konkreten Tätigkeit begründet, sondern mit dem verfassungs- und unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopol. Sofern die Beklagte die Ermessenserwägungen mit Schriftsatz vom 21. September 2011 rückwirkend auswechseln wollte, war dies aus den oben dargelegten Gründen verwaltungsverfahrensrechtlich unzulässig. Auf Bedenken, ob die Untersagung bei Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des Monopols trotz Fehlens eines unionsrechtskonformen Erlaubnisverfahrens für Private im Übergangszeitraum mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts hätte begründet werden dürfen, kommt es nicht an. Selbst wenn eine solche Untersagung rechtmäßig möglich gewesen wäre, würde dies die tatsächlich getroffene, fehlerhafte Ermessensentscheidung noch nicht rechtmäßig machen.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 400.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die vom Beklagten mit Bescheid vom 20. Juli 2011 verfügte Betriebsuntersagung eines Altenheims.

1. Das seit 1. November 2007 in I. von der Klägerin betriebene Seniorenheim verfügte über 136 Heimplätze für Bewohner verschiedener Pflegestufen. Seitens der Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) des Landratsamtes T., sowie des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Bayern (MDK) wurde das Heim wiederholt überprüft und dabei in verschiedenen Bereichen Mängel festgestellt, die zunächst zum Erlass von Anordnungen nach Art. 13 des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) führten (Bescheide vom 9. März 2010, 7. Juli 2010, 3. März 2011, 22. Juni 2011, 14. Juli 2011 und 19. Juli 2011). Mit Bescheid vom 3. März 2011 verhängte der Beklagte für das Seniorenheim I. darüber hinaus einen Aufnahmestopp.

1.1 Am 28. und 29. Juni 2011 erfolgte eine weitere Überprüfung durch die FQA des Beklagten sowie zeitgleich durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Im Anschluss daran wies der Beklagte mit Schreiben vom 30. Juni 2011 die Klägerin darauf hin, dass es in dem von ihr betriebenen Heim in der Vergangenheit aufgrund festgestellter Mängel wiederholt zu Beanstandungen gekommen sei. Die festgestellten Mängel seien nicht behoben worden. Nachdem die letzte Prüfung wiederum massive pflegerische Mängel ergeben habe, sei beabsichtigt, den Betrieb des Heims nach Art. 15 PfleWoqG zu untersagen und die Betriebseinstellung zum 31. Juli 2011 anzuordnen. Der Klägerin werde nach Art. 28 BayVwVfG Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu bis 15. Juli 2011 gegeben. Dem daraufhin erhobenen Einwand der Klägerin, der Beklagte habe keine konkreten Anhaltspunkte als Grundlage für die Betriebsuntersagung im Anhörungsschreiben benannt, entgegnete er mit dem Hinweis auf die bereits im Bescheid vom 3. März 2011 aufgezeigten zahlreichen Mängel, ferner auf die bei Nachbegehungen festgestellten weiteren erheblichen Mängel. Bei der Schlussbesprechung am 24. März 2011 sei die Geschäftsführerin der Klägerin anwesend gewesen. Im Übrigen sei die Pflegedienstleitung des Seniorenheims I. von den festgestellten Mängeln unterrichtet worden.

1.2 In der Folge untersagte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 20. Juli 2011 den Betrieb des Seniorenheims I. „ab Zustellung dieses Bescheids“ (Ziffer 1.). Die Betriebsuntersagung beinhalte zugleich das bereits am 24. Februar 2011 verfügte Verbot, neue Bewohner aufzunehmen (Ziffer 2.). Bis zur vollständigen Abwicklung der Betriebseinstellung werde der Klägerin unter Beibehaltung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bewohner insbesondere durch Vorhaltung genügenden Fachpersonals eine Frist bis 22. August 2011 eingeräumt (Ziffer 3.). Ferner müsse die Klägerin für diesen Bescheid Gebühren in Höhe von 700 EUR und Auslagen in Höhe von 3,45 EUR entrichten (Ziffer 4.). Der Bescheid wurde der Heimleitung und der Klägerin als Heimträger am 22. Juli 2011, den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 26. Juli 2011 jeweils mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.

1.3. Daraufhin legte der seinerzeitige Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 5. August 2011 Widerspruch gegen die Betriebsuntersagung ein, über den die Regierung von O. als Widerspruchsbehörde jedoch im weiteren Verlauf keine Entscheidung traf. Am 30. September 2011 wurde der Heimbetrieb endgültig eingestellt.

2. Den Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Betriebsuntersagung anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 17. August 2011 (Az.: M 17 S. 11.3678 - juris) mit der Maßgabe ab, die Auslauffrist in Nr. 3 des Bescheids bis einschließlich 30. September 2011 zu verlängern. Die hiergegen zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 29. September 2011 (Az.: 12 CS 11.2022 - juris) als unbegründet zurück. Auf die Gründe der genannten Entscheidungen wird Bezug genommen.

3. Mit Urteil vom 11. Juli 2013 wies das Verwaltungsgericht München auch die auf Aufhebung des Bescheids vom 20. Juli 2011 gerichtete Klage ab. Die Betriebsuntersagung erweise sich sowohl formell wie materiell als rechtmäßig.

3.1 In formeller Hinsicht liege ein Mangel bei der nach Art. 28 BayVwVfG gebotenen Anhörung nicht vor. Die Klägerin sei durch Schreiben vom 30. Juni 2011 und 13. Juli 2011 zur beabsichtigten Betriebsuntersagung ordnungsgemäß angehört worden (vgl. BayVGH B.v. 29.9.2011 - 12 CS 11.2022 - juris Rn. 61 ff.). Selbst wenn es an einer Anhörung gefehlt hätte, wäre nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG durch den umfangreichen Sachvortrag im gerichtlichen Verfahren Heilung eingetreten. Überdies würde sich eine unterbliebene Anhörung nach Art. 46 BayVwVfG als unbeachtlich erweisen, da ein unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommener Verwaltungsakt nicht allein deshalb aufgehoben werden könne, wenn in der Sache eine andere Entscheidung nicht hätte getroffen werden können. Dies sei hier der Fall, weil Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG eine gebundene Entscheidung beinhalte, dem Beklagten mithin kein Ermessensspielraum bezüglich der Betriebsuntersagung zustehe, und die Tatbestandsvoraussetzung für den Erlass der Untersagungsverfügung vorgelegen hätten, sodass eine unterbliebene Anhörung die Entscheidung in der Sache auch nicht berührt hätte.

3.2 Auch in materieller Hinsicht sei die angefochtene Betriebsuntersagung rechtmäßig, da die Klägerin die Anforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht erfüllt habe und heimrechtliche Anordnungen zur Behebung der festgestellten Mängel nicht ausgereicht hätten, sodass der Betrieb nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG zu untersagen gewesen sei.

3.2.1 Eine Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG sei als gebundene Entscheidung regelmäßig nicht davon abhängig, dass sämtliche Umstände, auf die sich die Behörde gestützt habe, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihre Bestätigung finden. Die heimrechtliche Untersagung habe vielmehr auch dann Bestand, wenn die gerichtlich festgestellten Umstände ihrerseits die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG erfüllten. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Betriebsuntersagung sei derjenige des Erlasses der letzten Behördenentscheidung. Mithin müsse im vorliegenden Fall, da kein Widerspruchsbescheid ergangen sei, auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 20. Juli 2011 abgestellt werden.

3.2.2 Zu diesem Zeitpunkt hätten im Altenheim der Klägerin zahlreiche Dokumentationsmängel bestanden. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 PfleWoqG hätten der Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung sicherzustellen, dass für pflegebedürftige Bewohner Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet würden. Zudem habe der Heimträger nach Art. 7 PfleWoqG nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung Aufzeichnungen über den Betrieb zu fertigen und Qualitätssicherungsmaßnahmen und deren Ergebnisse so zu dokumentieren, dass der ordnungsgemäße Betrieb festgestellt werden könne. Dieser Dokumentationspflicht unterfielen sowohl die Pflegeplanung wie auch die Pflegeverläufe. Ausgehend vom Zweck der Dokumentationspflicht, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen, erfordere eine den gesetzlichen Anforderungen gerecht werdende Pflegeplanung über die Erfassung der Daten eines Heimbewohners hinaus eine konkrete, auf die vorhandenen, individuellen Ressourcen abgestimmte und die Selbstverantwortlichkeit der Heimbewohner wahrende und aktivierende Pflegeplanung nach dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnis. Dabei müsse die Pflegeplanung/Dokumentation die wesentlichen Schritte des Pflegeverfahrens erfassen, wozu die Pflegeanamnese, die Pflegeplanung im engeren Sinn, die einzelnen durchgeführten Pflegeleistungen einschließlich des Einsatzes von Pflegemitteln, der tatsächliche Verlauf der Pflege, das Verhalten der gepflegten Heimbewohner, die Evaluation der Pflegeergebnisse und die Aktualisierung der Pflege rechneten. Die genannten Informationen müssten insoweit schriftlich in geeigneter, leicht nachvollziehbarer Form dokumentiert werden, sodass sich aus den Unterlagen der Pflegedokumentation der aktuelle Verlauf und Stand des Pflegeprozesses jederzeit ablesen lasse.

Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete indes eine Betriebsuntersagung nicht schon dann, wenn lediglich vereinzelte Fehler in der Dokumentation vorlägen, die ersichtlich auf einem punktuellen und individuellen Fehlverhalten beruhen. Lägen jedoch bei einer signifikant hohen Anzahl von Heimbewohnern durchgehend Defizite in der Pflegedokumentation vor, die bereits aus unterlassenen bzw. falschen oder widersprüchlichen Eintragungen resultieren können, reiche dies, sofern die Mängel sich nicht durch Anordnungen nach Art. 13 PfleWoqG beseitigen lassen, für eine Betriebsuntersagung aus, denn in diesem Fall sei von nachhaltigen, strukturellen Mängeln im Bereich der Organisation und/oder des Personals auszugehen, die die Gefahr einer Beeinträchtigung der Belange der Heimbewohner indiziere. Wann der entsprechende „Schwellenwert“ bei Dokumentationsmängeln erreicht sei, lasse sich nicht pauschal festlegen. Vielmehr seien bei der Gefahrenprognose die Maßstäbe des Gefahrenabwehrrechts heranzuziehen, wonach bei einer Gefahr für gewichtige Schutzgüter wie Leib oder Leben an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts geringere Anforderungen zu stellen seien. Im vorliegenden Fall sei aufgrund der Vielzahl von Dokumentationsmängeln mit teilweise sehr hohem Gefährdungspotential der Schwellenwert, der die Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG rechtfertige, überschritten.

Im Einzelnen sei vom Vorliegen von Dokumentationsmängeln in den im Untersagungsbescheid vom 20. Juli 2011 aufgeführten Fällen 2.1.3 (Flüssigkeitsgabe für die Bewohnerin B2 am 21. Juni 2011; Dokumentation erst am 26. Juli 2011), 2.1.4 (Umlagerung bei Bewohnerin B3), 2.1.5 (Lagerungsplan für Bewohnerin B4, Eintragungen 5 bis 14 Tage später), 2.1.6 (nicht mehr aktuelle Pflegeplanung bei Bewohnerin B5, nachträgliche Eintragungen in der Pflegedokumentation; Lücken im Mobilisierungs-/Lagerungs- und Fixierungsplan; Lücken bei den Bewohnern B6, B7 und B8), 2.1.7 (Kontrakturenprophylaxe bei den Bewohnerinnen B9, B10 und B11, Mängel in der Pflegedokumentation und bei der Umsetzung der Pflegemaßnahme), 2.1.8 (keine systematische Schmerzanalyse bei Bewohnerin B12; Dokumentation widersprüchlich und irreführend), 2.1.9 (falsche Gewichtseintragung bei der Bewohnerin B12), 2.1.10 (fehlerhafte Dokumentation der Toilettengänge der Bewohnerin B12), 2.3.2, 2.3.4 (Widersprüche im Zusammenhang mit Zuckermessung, Insulingabe und Unterzuckerung bei Bewohnerin B13), 2.3.3 (fehlerhafte Dokumentation der Blutzuckerwerte der Bewohnerin B14), 2.3.5 (nachträglicher Eintrag der Gaben von Ringerlösung an Bewohner B4 am 1., 3. und 4.7. erst am 21.7.), 2.3.6 (Marcumargabe für Bewohner B15; am 9. und 12.6.2011 nicht abgezeichnet; Bestätigung der Verabreichung erst am 23.7.2011), 2.3.7 (fehlendes Anbruchdatum für Medikament bei Bewohnerin B16; erst nachträglich aufgetragen), 2.3.8 (fehlende Transparenz der Medikamentengabe bei Bewohnerin B26, B4, B19, B20, B18), 2.4 (Dokumentationsmängel bei freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Bewohnerin B16, B17) und 2.6.1 (irreführende bzw. widersprüchliche Dokumentation des Dekubitus bei Bewohner B27) auszugehen.

3.2.3 Weiterhin lägen im Heim der Klägerin auch Pflegemängel vor, sodass sie auch insoweit die Anforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht erfülle. Dies betreffe die im Untersagungsbescheid vom 20. Juli 2011 genannten Fälle 2.1.9 (kein Ernährungsplan trotz Untergewicht bei Bewohnerin B12), 2.2.2 (fehlende bzw. nicht ordnungsgemäße Mund- und Zahnhygiene bei Bewohnerin B13), 2.3.1 (abgelaufene Augentropfen bei Bewohner B1), 2.3.2 (Lebensgefahr aufgrund starker Unterzuckerung bei Bewohnerin B13), 2.3.8 (Gabe von Medikamenten ohne oder entgegen ärztlicher Anordnung bei Bewohner B4, B18, B21, B20), 2.3.9 (Flüssigkeitsmanagement bei Bewohner B22), 2.4.1 (Bettgitter bei Bewohner B13 obwohl richterlicher Beschluss bereits abgelaufen war), 2.4.2 (Bauchgurt bei Bewohner B22 ohne Einwilligung), 2.4.3 (zu lockerer Schulter- bzw. Bauchgurt bei Bewohner B23 und B22) und 2.8.1 (Nichterreichbarkeit von Notrufglocken am 31. Mai 2011).

3.2.4 Mithin seien insgesamt gesehen in einer Vielzahl von Fällen die Anforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht erfüllt worden. Dies bestätige im Übrigen auch der MDK im Prüfbericht vom 7. Juli 2011. Anordnungen als milderes Mittel hätten aufgrund des Umstands, dass diese in der Vergangenheit zu keiner wesentlichen Verbesserung der Situation im Heim geführt hätten, nicht ausgereicht, um ordnungsgemäße Zustände herzustellen. Ebenso wenig hätten der im Bescheid vom 3. März 2011 verfügte Aufnahmestopp sowie zahlreiche Zwangsgeldandrohungen zu einer Verbesserung der Zustände geführt. Ferner sei es angesichts der Personalsituation und der erheblichen Fluktuation auf der Leitungsebene nachvollziehbar, dass das Landratsamt die Bestellung eines kommissarischen Leiters nicht in Betracht gezogen habe, da die Leitung bereits häufig gewechselt habe und dennoch eine grundlegende Verbesserung im Betrieb des Heims nicht eingetreten sei. Die Betriebsuntersagung begegne daher auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen Bedenken.

3.2.5 Aufgrund der aufgezeigten zahlreichen und zum Teil gravierenden Mängel lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG vor. Das Vorliegen weiterer, im Bescheid vom 20. Juli 2011 aufgelisteter Mängel, für das Vieles spräche, könne daher dahingestellt bleiben.

3.3 Schließlich erweise sich die Betriebsuntersagung auch nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG, die der Beklagte hilfsweise herangezogen habe, als rechtmäßig, da die Klägerin heimrechtliche Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1, 2 PfleWoqG nicht innerhalb der gesetzten Frist befolgt habe.

3.3.1 Soweit sich die Klägerin darauf berufe, mittlerweile aufgehobene Zwangsgeldandrohungen in den Anordnungsbescheiden hätten keine Frist enthalten, sodass eine Betriebsuntersagung nicht auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PflewoqG hätte gestützt werden können, greife der Einwand nicht durch, da die fehlende Frist nur die Rechtsmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen bzw. die Fälligkeit der angedrohten Zwangsgelder tangiere, die Anordnungen als solche jedoch nicht in Frage stelle.

3.3.2 Wie das Gericht in den Urteilen vom 11. Juli 2013 (Az. M 17 K 11.1743) und 10. Juli 2013 (Az. M 17 K 12.5854) entschieden und ausführlich begründet habe, seien die Anordnungen des Beklagten vom 3. März 2011 und vom 22. Juni 2011 zu Recht ergangen. Ein Verstoß gegen die dort getroffenen Anordnungen liege in den im Bescheid vom 20. Juli 2011 unter Ziffer 2.1.1 (Bescheid vom 3. März 2011 Nr. 1.2: Anordnung, bei Arzneimitteln ab sofort das Anbruchdatum zu vermerken), 2.1.2 (Bescheid vom 3. März 2011 Nr. 1.6 Durchführung der Medikamentengabe nach ärztlicher Anordnung sowie transparente Darstellung), 2.1.3 (Bescheid vom 3. März 2011 Nr. 1.14: Durchführung freiheitsentziehender Maßnahmen nur nach entsprechender richterlicher Genehmigung oder Einverständniserklärung oder bei rechtfertigendem Notstand), 2.1.4 (Bescheid vom 3. März 2011 Nr. 1.18: Dokumentation der Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen), 2.1.5 bis 2.1.7 (Bescheid vom 22. Juni 2011 - keine Verbesserung bei Erreichbarkeit und Funktionsfähigkeit der Rufglocken) genannten Fällen vor. Die Klägerin habe daher wiederholt gegen Anordnungen des Beklagten verstoßen, sodass auch der Tatbestand des Art. 15 Abs. 2 PfleWoqG erfüllt sei. Aufgrund der zahlreichen Verstöße sei es wiederum nicht unverhältnismäßig gewesen, eine Betriebsuntersagung zu verfügen. Mildere Mittel seien nicht in Betracht gekommen, da davon auszugehen gewesen sei, dass weitere Anordnungen nicht zur Herstellung gesetzmäßiger Zustände geführt hätten. In der Vergangenheit seien allenfalls geringfügige und partielle Verbesserungen eingetreten. Auch seien keine Ermessensfehler ersichtlich, da der Beklagte die Interessen der Bewohner, insbesondere den Schutz von Leib und Leben, höher bewertet habe, als das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und deren Berufsfreiheit als Heimbetreiber.

4. Gegen das am 4. September 2013 zugestellte verwaltungsgerichtliche Urteil ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. September 2013 Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, den sie mit weiterem Schriftsatz vom 2. November 2013 begründete. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da das Verwaltungsgericht sowohl entscheidungserhebliche Tatsachen wie auch die zur Verfügung stehenden Beweismittel fehlerhaft gewürdigt, ferner die Anforderungen des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) an eine Betriebsuntersagung verkannt habe. Darüber hinaus weise die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sowie grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Schließlich liege eine die Zulassung der Berufung erfordernde Divergenz zum Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2011 (Az. 12 A 241/10 - juris) vor. Mit weiteren Schriftsätzen vom 26. Mai 2014 und 7. Dezember 2015 nahm die Klägerin in der Folge ergänzend zu ihrem Zulassungsvorbringen Stellung. Letzterem Schriftsatz war ein Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. September 2015 (Az. S 86 P 1714/11) beigefügt, das die fristlose Kündigung des zwischen der Klägerin und verschiedenen Landesverbänden der Pflegekassen bestehenden Versorgungsvertrags zum Gegenstand hatte. Die Klägerin betreibt des Weiteren gegen den Beklagten aufgrund der vorliegend streitgegenständlichen Betriebsuntersagung ein Amtshaftungsverfahren vor dem Landgericht München I (Az. 15 O 24383/14), über das bislang noch nicht entschieden ist.

Dem Zulassungsvorbringen trat der Beklagte mit Schriftsätzen vom 15. Januar 2014, 10. Juli 2014 und 29. Januar 2016 entgegen und verteidigte das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung erweist sich vorliegend bereits als unzulässig, darüber hinaus auch in der Sache als unbegründet. Die Berufungszulassung scheidet nämlich bereits deshalb aus, weil die Klägerin die Erledigung der Untersagungsverfügung durch die Neu- bzw. Wiedereröffnung des Altenheims in I. während des Zulassungsverfahrens nicht zum Anlass genommen hat, ihre Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen bzw. das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Zulassungsverfahren darzulegen (1.). Darüber hinaus greifen die von ihr mit der Zulassungsbegründung innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragenen Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, auch inhaltlich nicht ein (3.), sodass der Zulassungsantrag im Ergebnis auch materiell zurückzuweisen gewesen wäre. Ebenso wenig könnte die Klägerin durch den Vortrag weiterer Zulassungsgründe, die nicht der Vertiefung des bereits innerhalb der Begründungsfrist Vorgetragenen dienen, nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist eine Berufungszulassung erwirken (4.).

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war bereits deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil sich die im Streit stehenden Betriebsuntersagung des Beklagten in Ziffer 1. des Bescheids vom 20. Juli 2011 durch die Neu- bzw. Wiedereröffnung des Altenheims in der S.-Straße 4 in I. am 15. Oktober 2015 erledigt hat (1.1), die Klägerin aus der Erledigung jedoch nicht die erforderlichen prozessualen Konsequenzen gezogen und ihr Anfechtungsbegehren in ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt sowie ein bei ihr vorliegendes besonderes Feststellungsinteresse im Zulassungsverfahren dargelegt hat (1.2). Eines gesonderten richterlichen Hinweises auf den Eintritt der Erledigung und die hieraus zu ziehenden prozessualen Konsequenzen bedurfte es gegenüber der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht (1.3).

1.1 Wie sich dem allgemein zugänglichen Internetauftritt der Klägerin (vgl. http: …www…..de/pflege-und-wohnzentrum-bergblick-i…) entnehmen lässt, hat sie unter der Anschrift S.-Straße 4 am 15. Oktober 2015 das Pflege- und Wohnzentrum Bergblick I. neu eröffnet. Die Anschrift entspricht derjenigen, unter der sie - noch als H… mbH firmierend - bis zur Untersagung des Heimbetriebs durch den Beklagten das im Streit stehende Altenheim betrieben hat. Die Neu- oder Wiedereröffnung des Altenheims an gleicher Stelle führt zur Erledigung der Betriebsuntersagung in Ziffer 1. der Verfügung vom 20. Juli 2011, ebenso von Ziffer 2. der Untersagungsverfügung, soweit man in dem Hinweis, die Betriebsuntersagung beinhalte den bereits am 24. Februar 2011 verfügten Aufnahmestopp eine eigenständige Regelung erblickt.

Zwar bleibt nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG ein Verwaltungsakt grundsätzlich wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Diese Regelung steht im inneren Zusammenhang mit der in Art. 35 Satz 1 BayVwVfG normierten Regelungsfunktion des Verwaltungsakts (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, U.v. 19.4.2011 - 1 C 2.11 - BVerwGE 139, 337 Rn. 14 m.w.N.). Indem Art. 35 Satz 1 BayVwVfG festlegt, dass ein Verwaltungsakt auf eine bestimmte Rechtswirkung „gerichtet“ ist, betont er die Finalität des Verwaltungshandelns in dieser Handlungsform. Demgegenüber erfasst Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG spiegelbildlich die Fälle, in denen die dem Verwaltungsakt ursprünglich zukommende steuernde Funktion des Verwaltungshandelns nachträglich entfällt. Dies kann beim Wirksamkeitsverlust „auf andere Weise“ der Fall sein, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage selbst zur Beendigung der Rechtswirkung führt. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt folglich dadurch ein, dass er sich als nicht mehr geeignet erweist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder dass die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich wegfällt (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 - 7 C 5.08 - NVwZ 2009, 122 Rn. 13).

Ungeachtet dessen, ob es sich bei der Neueröffnung um die Fortsetzung des Betriebs des mit Verfügung vom 20. Juli 2011 geschlossenen Heims oder aber um die Eröffnung einer völlig neuen Einrichtung handelt, führt dieser Umstand jedenfalls zur Erledigung der Untersagungsverfügung „auf andere Weise“. Denn die Untersagungsverfügung entfaltet seit der Neueröffnung keinerlei Rechtswirkungen mehr, sei es, dass der Beklagte sie - ausdrücklich oder konkludent - aufgehoben oder sie mit der Eröffnung eines völlig neuen Heims anstelle des alten an gleicher Stelle ihr Regelungsobjekt endgültig verloren hat (vgl. hierzu OVG Bremen, U.v. 18.6.2013 - 1 A 31/09 - juris, Rn. 43, wonach Erledigung einer heimrechtlichen Betriebsuntersagung bereits mit der vollständigen Einstellung des Heimbetriebs eintreten soll; zur Dauerwirkung der heimrechtlichen Betriebsuntersagung vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 12). Gehen von der mit der Anfechtungsklage angefochtenen Betriebsuntersagung aktuell keine Rechtswirkungen mehr aus, hat sie sich auch im prozessrechtlichen Sinn erledigt.

1.2 Tritt im Verfahren auf Zulassung der Berufung nach Stellung des Zulassungsantrags hinsichtlich des Gegenstands der streitbefangenen Entscheidung Erledigung ein, kommt dem Kläger grundsätzlich die Möglichkeit zu, seinen Anfechtungsantrag in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umzustellen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 17.8.2006 - 2 LA 1192/04 - NVwZ-RR 2007, 67 f.; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 341a). Er muss in diesem Fall jedoch bei noch laufender Begründungsfrist nach § 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO im Rahmen der Zulassungsbegründung sein besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (Fortsetzungsfeststellungsinteresse) darlegen. Tritt die Erledigung nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO ein, trifft den Kläger ebenfalls die Verpflichtung, noch im Rahmen des laufenden Zulassungsverfahrens seinen Klageantrag umzustellen und das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse darzutun (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2012 - 22 ZB 11.2915 - NVwZ-RR 2013, 218, 219; B.v. 1.8.2011 - 8 ZB 11.345 - BayVBl. 2012, 287; OVG Lüneburg, B.v. 8.7.2004 - 2 LA 53/03 - NVwZ-RR 2004, 912). Denn nach dem die gesetzliche Regelung des Berufungszulassungsverfahrens beherrschenden Grundgedanken soll ein Berufungsverfahren nur eröffnet werden, wenn die angeführten Zulassungsgründe für die Entscheidung in der Hauptsache erheblich sind. Sofern dazu Veranlassung besteht, muss daher die Entscheidungserheblichkeit mit der Zulassungsbegründung dargelegt werden. Mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung vorgebrachte Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO sind nach der Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts indes nur dann für eine im Berufungsverfahren zu treffende Entscheidung erheblich, wenn in diesem Verfahren eine Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ergehen kann, was einerseits die Antragsumstellung durch die Klägerin, andererseits die Geltendmachung eines besonderen Feststellungsinteresses erfordert (vgl. hierzu m.w.N. BayVGH, B.v. 1.8.2011 - 8 ZB 11.345 - BayVBl. 2012, 287; B.v. 24.10.2011 - 8 ZB 10.957 - juris Rn. 12 f.; Sächsisches OVG, B.v. 2.10.2014 - 2 A 798/12 - juris Rn. 5; für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision BVerwG, B.v. 21.8.1995 - 8 B 43.95 - NVwZ-RR 1996, 122). Erfolgt nach Eintritt der Erledigung die Umstellung der Anfechtungsin eine Fortsetzungsfeststellungsklage hingegen nicht, muss die Berufungszulassung bereits allein deshalb abgelehnt werden, weil die Klage sich im Berufungsverfahren mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig erweisen würde (vgl. Roth in BeckOK/VwGO, § 124a Rn. 57.1).

Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin nach Erledigung der Betriebsuntersagung durch (Wieder-)Eröffnung ihres Heims in I. am 15. Oktober 2015 im noch laufenden Berufungszulassungsverfahren ihre Anfechtungsklage nicht in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt und auch kein Fortsetzungsfeststellunginteresse geltend gemacht. Die Zulassung der Berufung war daher bereits infolge des Entfallens des Rechtsschutzbedürfnisses nach Erledigung der angefochtenen Verfügung abzulehnen. Gründe, die die anwaltlich vertretene Klägerin gehindert haben könnten, ihr Antragsbegehren unter Kontrolle zu halten und die erforderliche Umstellung vorzunehmen, sind nicht ersichtlich.

1.3 Hinsichtlich der Berücksichtigung der (Wieder-)Eröffnung des Heims in I. im Rahmen des Zulassungsverfahrens, die der Senat dem allgemein zugänglichen Internetauftritt der Klägerin entnommen hat, sowie der aus der Annahme einer Erledigung abzuleitende prozessuale Konsequenzen bedurfte es keines richterlichen Hinweises. Die vom Senat vertretene Rechtsauffassung stellt insbesondere keine, die Garantie rechtlichen Gehörs der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzende Überraschungsentscheidung dar (vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich Schmidt in Eyermann, VwGO 14. Aufl. 2014, § 108 Rn. 24). Eine sog. Überraschungsentscheidung liegt nur dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (BVerfG, B.v. 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 LS; B.v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133, LS 1, BVerwG, B.v. 2.3.2010 - 6 B 72.09 - NVwZ 2010, 845 Rn. 14). Das Gericht ist im Allgemeinen nicht verpflichtet, seine Rechtsauffassung den Verfahrensbeteiligten zu offenbaren (BVerfG, B.v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133, 145 Rn. 36). Ein entsprechender Hinweis ist nur dann geboten, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf mit der rechtlichen Einschätzung des Sachverhalts durch das Gericht nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, B.v.14.10.2010 - 2 BvR 409/09 - juris Rn. 20). Vielmehr muss ein Verfahrensbeteiligter von sich aus alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfG, B.v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 183 Rn. 36).

Im vorliegenden Fall hat die stets anwaltlich vertretene Klägerin die Erledigung der Untersagungsverfügung mit der Eröffnung eines (neuen) Heims an gleicher Stelle selbst herbeigeführt. Sie hatte daher Kenntnis von den tatsächlichen Umständen, die die Erledigung der Untersagungsverfügung bewirken. Sie musste folglich als kundige Prozesspartei damit rechnen, dass der Senat die prozessualen Konsequenzen aus dem Erledigungseintritt zieht. Demzufolge bedurfte es eines rechtlichen Hinweises auf den Erledigungseintritt nicht.

2. Anders als bei der Untersagungsverfügung ist hinsichtlich der die Klägerin nach wie vor belastenden Kostenentscheidung in Ziffer 4. des Bescheids vom 20. Juli 2011 durch die Neueröffnung des Altenheims in I. am 15. Oktober 2015 keine Erledigung eingetreten (vgl. hierzu ausführlich VG Augsburg, U.v. 16.6.2015 - Au 3 K 14.1138 - juris Rn. 59 ff.). Mit Blick auf deren Bestätigung durch das erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin indes innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO keine Zulassungsgründe geltend gemacht. Der Zulassungsantrag war daher auch insoweit als unzulässig zu verwerfen.

3. Aber auch soweit die Klägerin im Rahmen ihres Zulassungsbegründungsschriftsatzes vom 2. November 2013 in der Sache Zulassungsgründe geltend macht, greifen diese nicht durch.

3.1 Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. Juli 2013 unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klägerin hat mit ihrem Zulassungsvorbringen weder einen tragenden Rechtssatz noch eine maßgebliche Tatsachenfeststellung des Urteils so infrage gestellt, dass der Ausgang eines zugelassenen Berufungsverfahrens zumindest ungewiss erschiene.

3.1.1 Die Klägerin hat mit ihren Zulassungsgründen einen tragenden Rechtssatz der angefochten Entscheidung nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163, 1164).

3.1.1.1 Die Klägerin erachtet es zunächst für rechtsfehlerhaft, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen einer Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG auf der Basis der zugrunde gelegten Dokumentations- und Pflegemängel für gegeben erachtet habe (S. 68 - 71 sub 2. (1) der Zulassungsbegründung). Insbesondere habe es den insoweit anzuwendenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Acht gelassen. Danach käme eine Betriebsuntersagung nicht schon dann in Betracht, wenn lediglich vereinzelte Dokumentationsfehler festzustellen seien, die ersichtlich auf punktuellem, individuellem Fehlverhalten der Beschäftigten beruhten. Ferner habe das Verwaltungsgericht den in einer Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris) angenommen „Schwellenwert“ von Dokumentationsfehlern bei einem Drittel der Heimbewohner als Anhaltspunkt für strukturelle Mängel und damit Grundlage einer Betriebsuntersagung nicht berücksichtigt. Selbst bei Zugrundelegung von Pflege- und Dokumentationsmängeln bei 23 Heimbewohnern, deren Feststellung durch das Verwaltungsgericht bei mehreren nicht erfolgt bzw. fraglich sei, läge die Quote im vorliegenden Fall lediglich bei 16%. Dies könne für eine Betriebsuntersagung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht ausreichen.

Mit dieser Argumentation kann die Klägerin die Zulassung der Berufung nicht erwirken. Eine rechtsfehlerhafte Anwendung der Vorschriften des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes durch das Verwaltungsgericht liegt nicht vor.

Nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG hat die zuständige Behörde den Betrieb einer stationären Einrichtung zu untersagen, wenn die Anforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht erfüllt sind und Anordnungen nicht ausreichen. Anknüpfungspunkt der Betriebsuntersagung bilden danach die Qualitätsanforderungen des Art. 3 PfleWoqG, insbesondere des Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG, denen das betroffene Heim nicht genügt. So haben nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 3 PfleWoqG der Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung eine angemessene Qualität der Betreuung, Pflege und Verpflegung der Bewohner in der stationären Einrichtung sicherzustellen, ferner nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 PfleWoqG die Pflegeleistungen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnis zu erbringen. Weiter fordert Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 PfleWoqG die Aufstellung einer Pflegeplanung für die Heimbewohner sowie die Aufzeichnung von deren Umsetzung. Ergänzt wird Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 PfleWoqG durch Art. 7 PfleWoqG, wonach der Träger einer stationären Einrichtung nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung Aufzeichnungen über den Betrieb zu machen und Qualitätssicherungsmaßnahmen und deren Ergebnisse dergestalt zu dokumentieren hat, dass der ordnungsgemäße Betrieb der Einrichtung festgestellt werden kann. Die Aufzeichnungspflicht des Art. 7 PfleWoqG umfasst dabei regelmäßig die persönlichen Daten der Heimbewohner, Daten zum Umgang mit Arzneimitteln einschließlich deren Verabreichung an die Heimbewohner, Pflegeplanungen und Pflegeverläufe der pflegebedürftigen Heimbewohner sowie Aufzeichnungen über freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen bei Heimbewohnern (vgl. Burmeister/Gassner/König/Müller, Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, 2009, Art. 7 Rn. 6). Die Erstellung und Führung einer sog. Pflegedokumentation rechnet daher in mehrfacher Hinsicht zu den Qualitätsanforderungen, die Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG an den Betrieb eines Alten- und Pflegeheims stellt (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 16; VG Göttingen, U.v. 8.1.2009 - 2 A 3/08 - juris Rn. 24 f.).

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang mehrfach darauf verweist, die Regelungen des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes hätten im Zusammenhang mit der Führung der Pflegedokumentation eine „Entbürokratisierung der Pflege“ zum Ziel gehabt, insbesondere im Gegensatz zum Heimgesetz keine Regelungen über die Form der Pflegedokumentation enthalten, sodass ihr die Wahl eines - im vorliegenden Fall computergestützten - „einrichtungsindividuellen“ Dokumentationssystems freistehe, was der Beklagte und das Verwaltungsgericht bei der Feststellung von Dokumentationsmängeln hingegen nicht berücksichtigt hätten, kann dies die Annahme fehlerhafter Rechtsanwendung nicht begründen. Zwar trifft es zu, dass das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz hinsichtlich der Form der Pflegedokumentation keine speziellen Regelungen trifft. Damit ist die Klägerin in der Gestaltung der Pflegedokumentation indes nicht völlig frei. Denn die Anforderungen, die an die Pflegedokumentation zu stellen sind, bestimmen sich in erster Linie nach dem Zweck, dem die Führung der Pflegedokumentation dient. Nur eine zweckgerechte Dokumentation entspricht den Qualitätsanforderungen des Heimbetriebs. Eine wesentliche Funktion der Pflegedokumentation liegt dabei in der Herstellung der Nachvollziehbarkeit des Pflegeverlaufs (sog. Transparenzfunktion; vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 52). Zum Schutz von Leben und Gesundheit der Heimbewohner muss der aktuelle Stand der Pflege - dies beinhaltet beispielsweise Daten zur körperlichen Konstitution des Heimbewohners, zur Medikamentengabe und zur Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen - für das Pflegepersonal schon bei einem Schichtwechsel so verfügbar sein, dass die fachgerechte Pflege des Heimbewohners sichergestellt ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 65 ff.). Ein EDV-gestütztes Dokumentationssystem, das die Herstellung von Transparenz nicht leistet, ist - ungeachtet der Wahlfreiheit des Trägers und der Heimleitung - mangelhaft. Mithin bestimmt die Zwecksetzung der Pflegedokumentation das Vorliegen von Dokumentationsmängeln bzw. -fehlern (ausführlich zur Funktion der Pflegedokumentation Sträßner, PflR 2012, 279 ff., 284, OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 46 ff.).

Wenn die Klägerin in ihrem Zulassungsvorbringen daher unter Berufung auf die Gesetzesbegründung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes die Annahme des Verwaltungsgerichts für rechtsfehlerhaft erachtet, das „pauschale Abhaken von Maßnahmebündeln“ stelle einen Dokumentationsmangel dar, trifft dies, jedenfalls für die vom Verwaltungsgericht gewürdigten Fälle, nicht zu. Denn immer dann, wenn es auf die konkrete Durchführung einer bestimmten Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt im Pflegeprozess ankommt, lässt sich die erforderliche Transparenz für das Pflegepersonal gerade nicht durch pauschales Abhaken eines Maßnahmebündels herstellen (vgl. etwa für die Pauschalbezeichnung „Ganzkörperwäsche“ OVG Münster, B.v. 27.5.2009 - 12 A 2944/06 - juris Rn. 32; ausführlich zum Abzeichnen „pauschaler Eintragungen“ beispielhaft auch OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 115, 152). Muss etwa ein Heimbewohner zur Dekubitusprophylaxe in bestimmten zeitlichen Abständen umgelagert werden, ist es beim Wechsel des Pflegepersonals erforderlich, dass der genaue Zeitpunkt der letzten Umlagerung dokumentiert ist, da nur so sichergestellt werden kann, dass innerhalb des festgelegten zeitlichen Intervalls eine erneute Umlagerung erfolgt. Gleiches gilt in besonderem Maße für die Gabe von Arzneimitteln oder aber die Blutzuckermessung einschließlich der hieran anknüpfenden Insulingabe. Ungeachtet der Wahlfreiheit bei der Form der Dokumentation erfordert daher der Gesundheitsschutz der Heimbewohner in bestimmten Fällen die konkrete Aufzeichnung der Pflegemaßnahme einschließlich des Zeitpunkts ihrer Durchführung. Umgekehrt stellt eine lediglich allgemein gehaltene Umschreibung der Pflegemaßnahme ohne Benennung konkreter Zeitpunkte ihrer Durchführung in diesem Fall einen Dokumentationsmangel dar.

Aus den gleichen Gründen kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch eine nachträgliche Dokumentation von Pflegemaßnahmen einen Dokumentationsmangel darstellen, selbst wenn die Dokumentation sich inhaltlich als zutreffend erweist. Denn sind bestimmte Pflegemaßnahmen zum Zeitpunkt des Schichtendes des Pflegepersonals nicht dokumentiert, kann das übernehmende Personal die Durchführung der Maßnahmen aus der Pflegedokumentation nicht ablesen, sodass die Gefahr von Pflegefehlern besteht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 213). Ein prägnantes Beispiel hierfür stellt die Medikamentengabe an den jeweiligen Bewohner dar. Das Verwaltungsgericht geht in diesem Zusammenhang zutreffend davon aus, dass die Pflegedokumentation jedenfalls zum Schichtende des Pflegepersonals vollständig erstellt sein muss, es daher einen Mangel darstellt, wenn Eintragungen erst nachträglich, beispielsweise am Folgetag erfolgen. Erst recht ist eine Dokumentation ungeachtet ihrer inhaltlichen Richtigkeit fehlerhaft, wenn die entsprechenden Eintragungen erst Wochen später erfolgen, da sie in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht zu Recht annimmt, dem Risiko von Erinnerungslücken beim Pflegepersonal ausgesetzt sind, sodass die Gefahr von Falscheintragungen besteht.

Ausgehend vom Dokumentationszweck der Transparenz des Pflegeprozesses und damit dem Schutz der Gesundheit der Heimbewohner stellt es entgegen der Auffassung der Klägerin ebenfalls einen Dokumentationsmangel dar, wenn es das verwendete Dokumentationssystem erlaubt, dass Ausdrucke „veralteter“ Dokumentationsblätter „in Umlauf geraten“. Denn die Dokumentation des Pflegeprozesses liefert nur dann die erforderliche Transparenz, wenn sie stets den aktuellen Stand widerspiegelt. „Veraltete“ Ausdrucke bergen demgegenüber, wie sich beispielhaft an der Dokumentation der ärztlich angeordneten Medikation eines Bewohners verdeutlichen lässt, Risiken von Fehlern im Pflegeprozess. Es stellt daher einen Dokumentationsmangel, jedenfalls aber einen Organisationsmangel dar, wenn der Heimaufsicht im Rahmen einer Kontrolle veraltete Dokumentationsblätter ausgehändigt werden.

Dies gilt in gleicher Weise auch, soweit die Pflegedokumentation für das Pflegepersonal nicht an einer Stelle schnell und vollständig erfasst werden kann, sondern die Dokumentation auf verschiedene Quellen, ggf. auch auf verschiedene Räumlichkeiten aufgeteilt (Bsp.: separate Ordner an verschiedenen Orten; vgl. hierzu beispielhaft OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 78, 163, 326) wird. Denn für den Fall, dass schnell der augenblickliche Stand der Pflege erfasst werden muss, beinhaltet die Notwendigkeit des „Zusammentragens“ der erforderlichen Informationen aus verschiedenen Quellen ebenfalls ein Risiko im Hinblick auf Pflegefehler.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Freiheit bei der Gestaltung der gebotenen Pflegedokumentation ihre Grenzen durch die mit der Dokumentation verfolgten Zwecke, allen voran die Sicherstellung der Gesundheit der Bewohner durch richtige Pflege, findet und dass infolgedessen eine „einrichtungsindividuelle“ Dokumentation, die die Transparenz des Pflegeprozesses nicht sicherstellt, fehlerhaft erfolgt.

Dokumentationsfehler können des Weiteren auch herangezogen werden, um unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Untersagung des Betriebs eines Heims nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG zu rechtfertigen. Dabei ist wesentlich darauf abzustellen, dass die Betriebsuntersagung eine Maßnahme der Gefahrenabwehr darstellt, d.h. in erster Linie der Sicherung der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der in der Regel besonders schutzwürdigen Heimbewohner dient (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 43, 53 „vorbeugender Gesundheitsschutz“; BayVGH, B.v. 22.10.2010 - 12 CS 10.2243 - juris Rn. 34; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 27.5.2009 - 12 A 2944/06 - juris Rn. 26 ff.). Sie erfordert daher von Seiten der Heimaufsicht zunächst eine tatsachengestütze Gefahrenprognose. Festgestellte Mängel bei der Einhaltung der Qualitätsstandards des Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG müssen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Gefährdung der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner zulassen. Dabei bestimmt sich der für die Annahme einer Gefährdung heranzuziehende Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach dem Gewicht des möglicherweise gefährdeten Rechtsguts. Stehen bei der Untersagung eines Heimbetriebs regelmäßig gewichtige Rechtsgüter wie Leben oder körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner in Rede, bedarf es nach sicherheitsrechtlichen Grundsätzen für die Annahme einer Gefahr nur eines geringen Wahrscheinlichkeitsgrades (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 57 ff.). Entgegen der wiederholt von der Klägerin geäußerten Auffassung kommt es im Rahmen der Gefährdungsprognose auch nicht darauf an, ob es bei einem bestimmten Heimbewohner aufgrund von Pflege- oder Dokumentationsmängeln bereits zu einer konkreten Gefährdung gekommen ist; vielmehr ist der Pflege- oder Dokumentationsmangel daraufhin zu untersuchen, ob er im Fall seines erneuten Auftretens abstrakt geeignet wäre, bei einem Heimbewohner eine Gesundheitsgefährdung hervorzurufen (vgl. hierzu VGH Mannheim, B.v. 8.6.2004 - 6 S 22/04 - NVwZ-RR 2004, 756 Rn. 14; VG Göttingen, U.v. 8.1.2009 - 2 A 3/08 - juris Rn. 24 f., das bereits bei Feststellung eines Dokumentationsmangels vom Vorliegen einer Gesundheitsgefährdung ausgeht). Ist aufgrund des Pflege- oder Dokumentationsmangels ein Heimbewohner bereits konkret an Leben oder Gesundheit gefährdet worden, erhöht dies indes das Gewicht, mit dem der Mangel im Rahmen der Gefährdungsprognose zu berücksichtigen ist.

Ausgehend von dem vorstehend Ausgeführten können daher neben Pflegemängeln auch Dokumentationsmängel grundsätzlich für eine Betriebsuntersagung eines Alten- und Pflegeheims nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG herangezogen werden. Denn jedenfalls abstrakt bergen Dokumentationsfehler das Risiko einer Gefährdung der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit in sich (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 53; VG Göttingen, U.v. 8.1.2009 - 2 A 3/08 - juris Rn. 24 f.). Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn notwendige Umlagerungen eines Heimbewohners zur Dekubitusprophylaxe infolge von Dokumentationsfehlern unterbleiben und es so zur Ausbildung eines Dekubitus kommt, ebenso wenn aufgrund von Dokumentationsfehlern die Gabe erforderlicher Medikamente unterbleibt. Mit Blick auf eine Betriebsuntersagung ist es daher erforderlich, die zur Grundlage gemachten Dokumentationsaber auch Pflegemängel auf ihr jeweiliges Gefährdungspotential zu untersuchen. Dabei ist indes entgegen der Auffassung der Klägerin jedenfalls auch eine qualitative, nicht hingegen eine rein quantitative Betrachtung anzustellen. So können selbst einzelne gravierende Mängel mit hohem Gefährdungspotential im Ergebnis eine Betriebsuntersagung tragen.

Die mit Blick auf die grundrechtliche Relevanz der Betriebsuntersagung für den betroffenen Heimträger anzustellende Verhältnismäßigkeitsprüfung führt weiter dazu, dass, wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeht, einzelne Dokumentationsmängel, die ersichtlich auf einem punktuellen, individuellen Fehlverhalten von Pflegekräften beruhen, die Betriebsuntersagung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten regelmäßig nicht tragen (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 56). Indes besteht ausgehend von dem eingangs entwickelten gefahrenabwehrrechtlichen Maßstab unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten kein bestimmter (quantitativer) „Schwellenwert“ von Dokumentationsmängeln, ab dessen Erreichen eine Betriebsuntersagung erst zulässig wird. Vielmehr kommt es - qualitativ - auf die aufgrund der jeweiligen Dokumentationsmängel resultierende Gefährdungslage an. Auch die diesbezüglich von der Klägerin für ihre Rechtsposition in Anspruch genommene Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris) setzt in diesem Sinne keinen spezifischen „Schwellenwert“ von Dokumentationsmängeln bei mindestens einem Drittel der Heimbewohner fest, sondern sieht die Gefahrenschwelle für eine Betriebsuntersagung „jedenfalls dann“ als überschritten an, wenn bei mindestens einem Drittel der Heimbewohner Dokumentationsmängel festgestellt werden konnten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 56 ff.). Dies beinhaltet zugleich die Möglichkeit, dass auch bei einer geringeren Anzahl an von Dokumentationsmängeln tangierten Heimbewohnern bereits eine Gefährdung vorliegen kann, die eine Betriebsuntersagung rechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist daher in Bezug auf Dokumentationsmängel das Erreichen eines bestimmten „Schwellenwerts“ für eine Betriebsuntersagung nicht erforderlich.

Mithin hat das Verwaltungsgericht, das in der angefochtenen Entscheidung im Gegensatz zum Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen (B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris) nicht ausschließlich Dokumentationsmängel für die Betriebsuntersagung herangezogen hat, durch die „Nichtbeachtung“ eines „Schwellenwerts“ für Dokumentationsmängel für die Verhältnismäßigkeitsprüfung keinen rechtlich fehlerhaften Maßstab angelegt. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen würden, ergeben sich daher aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht.

3.1.1.2 Die weitere Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe sich in seiner Entscheidung nicht mit dem Inhalt von in der Vergangenheit ihr gegenüber erlassenen heimrechtlichen Anordnungen auseinandergesetzt und habe nicht berücksichtigt, dass zu vorangegangenen Anordnungen keine Anhörungen stattgefunden hätten, ferner dass über diese Anordnungen noch nicht rechtskräftig entschieden sei und sie auch nicht in einem inneren Zusammenhang zu der streitbefangenen Untersagung gestanden hätten (S. 71 f. der Zulassungsbegründung sub 2 (2)), führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.

Denn insoweit beachtet die Klägerin bereits das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Ihre Rüge erweist sich vielmehr als unsubstantiiert, da sie nicht ausführt, welche in der Vergangenheit ihr gegenüber ergangene Anordnungen vom Verwaltungsgericht inhaltlich nicht berücksichtigt worden sein sollen, bei welchen keine Anhörungen stattgefunden haben sollen und inwieweit hier ein behaupteter Anhörungsmangel durch die von ihr offensichtlich angestrengten gerichtlichen Verfahren geheilt wurde. Keinerlei Erläuterung erfährt ferner der Umstand, dass es bei den „vorangegangenen Anordnungen“ am inneren Zusammenhang zur Untersagungsverfügung gefehlt haben soll. Letzteres liegt deshalb fern - und hätte daher der Darlegung bedurft - weil Anordnungen nach Art. 13 PfleWoqG der Behebung festgestellter Mängel dienen sollen und sich eine Betriebsuntersagung regelmäßig auf Mängel, nämlich die Nichterfüllung der Qualitätsanforderungen stationärer Einrichtungen nach Art. 3 PfleWoqG, und deren mangelnde Behebbarkeit durch heimrechtliche Anordnungen nach Art. 13 PfleWoqG stützt.

Auf den weiter angeführten Umstand, dass über Anordnungen vor der Betriebsuntersagung nicht rechtskräftig entschieden worden sei, kommt es im vorliegenden Fall nicht maßgeblich an. Denn Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG macht die Betriebsuntersagung nicht vom Vorliegenbestandskräftiger Anordnungen zur Mängelbeseitigung abhängig. Geboten ist vielmehr - da es sich bei der Betriebsuntersagung wie bereits dargelegt um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr handelt - eine Prognoseentscheidung dahingehend, dass Anordnungen zur Einhaltung der Qualitätsanforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht ausreichen. Diese Prognose bedarf einer entsprechenden Tatsachengrundlage. Diese ist hier gegeben - und auch so vom Verwaltungsgericht festgestellt worden. Denn es sind vor der Betriebsuntersagung mit Bescheid vom 20. Juli 2011 gegenüber der Klägerin mehrfach Anordnungen nach Art. 13 PfleWoqG ergangen. Das Verwaltungsgericht nimmt insoweit ausdrücklich auf den Bescheid vom 3. März 2011, in dem gegenüber der Klägerin ein Aufnahmestopp verfügt worden ist, Bezug. Weiter sind, so die ausdrücklichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, auch nach dem Aufnahmestopp Mängel festgestellt worden. Weshalb angesichts dieser Umstände die Prognose des Beklagten, dass Anordnungen zur Mängelbeseitigung nicht ausreichen, nicht zutreffen soll, erläutert die Klägerin nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Schließlich blendet die Klägerin den sowohl vom Beklagten im angefochtenen Bescheid wie auch vom Verwaltungsgericht aufgegriffenen Gesichtspunkt, dass im vorliegenden Fall auch eine Maßnahme nach Art. 14 PfleWoqG - die Einsetzung einer kommissarischen Leitung - aufgrund der hohen Personalfluktuation im Leitungsbereich des streitgegenständlichen Heims zur Beseitigung der Mängel keinen Erfolg versprochen hätte, aus ihrer Rüge, im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung seien weniger belastende Maßnahmen nicht hinreichend geprüft worden, vollständig aus. Sie kann daher im Ergebnis keinen Erfolg haben.

3.1.1.3 Auch soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG ebenfalls vorliegen (S. 72 f. sub 2. (3) der Zulassungsbegründung), kann sie damit nicht durchdringen.

Ihr Einwand, eine Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG sei dann nicht möglich, wenn Anordnungen und Zwangsgeldandrohungen keine Fristen enthielten, was im vorliegenden Fall „unstreitig“ gegeben sei, greift nicht durch. Denn auf die Frage der Rechtmäßigkeit von Zwangsgeldandrohungen, auf die das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Notwendigkeit einer Fristsetzung Bezug nimmt, kommt es für die Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG nicht an. Ausschlaggebend ist insoweit allein, dass „Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1 und 2 PfleWoqG nicht innerhalb der gesetzten Frist befolgt“ worden sind.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es im vorliegenden Fall auch nicht „unstreitig“, dass Anordnungen - im Gegensatz zu den Zwangsgeldandrohungen - keine Fristen enthalten haben. Vielmehr lässt sich jedenfalls den Anordnungen vom 3. März 2011 und 22. Juni 2011 entnehmen, dass diese jeweils „ab sofort“ Geltung beansprucht haben. Sofern daher, wie das Verwaltungsgericht in den Urteilsgründen (S. 59 ff. des Entscheidungsumdrucks) näher ausführt, bei Heimbegehungen nach Erlass der heimrechtlichen Anordnungen gleiche Missstände erneut festgestellt worden sind - z.B. die mangelnde Erreichbarkeit der Rufglocken - sind die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG erfüllt, auch ohne dass im jeweiligen Bescheid ein fixes Datum zur Abstellung der Mängel bestimmt worden ist.

Im Übrigen fehlt es dem klägerischen Vortrag wiederum an der nötigen Substantiierung, um dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zu genügen. Welche „Anordnungen“ des Beklagten nun „unstreitig“ keine Fristen enthalten haben sollen, wird nicht erläutert. Derart allgemeine und oberflächliche Darlegungen sind demzufolge nicht geeignet, die Zulassung der Berufung zu erwirken.

Schließlich greift das Argument der Klägerin nicht durch, auf die Nichterfüllung von Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 PfleWoqG könne sich der Beklagte für die Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG nicht berufen, da die Anordnungen gegenüber der Klägerin missbräuchlich ergangen seien, da es der Beklagte von vornherein darauf angelegt habe, den Betrieb des Heims der Klägerin zu untersagen. Soweit die Klägerin insoweit auf den Aktenvermerk, Bl. 99, Hauptakte I verweist, lassen sich trotz der Notiz „Untersagung des Betriebs, Wann möglich?“ keine Anhaltspunkte für den von der Klägerin behaupteten „Rechtsmissbrauch“ entnehmen, da sich aus dem Kontext ergibt, dass hier neben einer für möglich gehaltenen Betriebsuntersagung auch weitere Handlungsoptionen festgehalten worden sind. Auch der weitere Vermerk auf Bl. 100, Hauptakte I, belegt das angeblich „rechtsmissbräuchliche“ Vorgehen des Beklagten nicht. Unter Ziffer 8 ist dort Folgendes festgehalten: „Nach Rücksprache mit der Heimaufsicht der Regierung von O. kam es in letzter Zeit zu keinen Betriebsuntersagungen in Bayern. Lediglich im Landkreis R. wurde einem Heimleiter ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Für eine Betriebsuntersagung sollten nach Aussage der Regierung noch mehr Anordnungsbescheide gemacht werden und vor allem Zwangsgelder beigetrieben werden (bei Zuwiderhandlungen der Bescheide).“ Insoweit wird lediglich eine Auskunft der Regierung von O. referiert, die ihrerseits entgegen der Auffassung der Klägerin mit dem Hinweis auf den Erlass heimrechtlicher Anordnungen und deren Durchsetzung mittels Zwangsgeldern den ultima-ratio-Charakter der Heimuntersagung unterstreicht. Inwieweit sich hieraus ein Rechtsmissbrauch der Beklagten ableiten soll, legt die Klägerin nicht dar. Nicht nachvollziehbar bleibt in diesem Zusammenhang der Hinweis darauf, dass der Klägerin „für die Erfüllung der Anordnungen und der Zwangsgelder keine Fristen gesetzt wurden.“ Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung legt die Klägerin mit ihrem Vorbringen daher nicht dar.

3.1.2 Auch soweit die Klägerin die Tatsachenfeststellung bzw. Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts („fehlerhafte Würdigung entscheidungserheblicher Tatsachen“) mit der Zulassungsbegründung angreift, kann sie damit nicht durchdringen.

Die Zulassung der Berufung aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, die auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung beruht, setzt voraus, dass erhebliche Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163, 1164). Schlüssige Gegenargumente liegen nur dann vor, wenn substantiiert tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546, 548). Dies bewirken die von der Klägerin vorgetragenen Zulassungsgründe indes nicht.

Darüber hinaus könnten sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung auch aus einer fehlerhaften Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ergeben. Eine Beweiswürdigung erweist sich indes nicht bereits dann als rechtsfehlerhaft, wenn sich die ihr zugrunde liegenden Tatsachen auch anders als in der streitbefangenen Entscheidung interpretieren lassen. Von daher reicht es für die Annahme der Rechtsfehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung regelmäßig nicht aus, der Entscheidung eine eigene Würdigung des festgestellten Sachverhalts entgegen zu stellen. Erforderlich ist vielmehr, worauf die Klägerin selbst hinweist, die Darlegung, dass die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn 19). Mithin rechtfertigt allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme die Zulassung der Berufung nicht.

3.1.2.1 Mit ihren Ausführungen zu Ziffer 2.1.3 der streitgegenständlichen Betriebsuntersagung betreffend die Dokumentation der Flüssigkeitsgabe an die Bewohnerin B2 (S. 14 - 16 der Zulassungsbegründung) legt die Klägerin eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht dar. Vielmehr bestätigt sie zunächst das Vorliegen eines Dokumentationsmangels dergestalt, dass in der Pflegedokumentation der Bewohnerin B2 die Eintragung versäumt wurde, dass ihr neben 250 ml Flüssigkeitsgabe am 21. Juni 2011 um 23 Uhr eine subkutane Infusion verabreicht wurde. Diese Eintragung hätte die zuständige Pflegekraft am 26. Juli 2011, mithin mehr als einen Monat später nachgeholt.

Inwieweit die Annahme des Verwaltungsgerichts, hier liege ein grober Verstoß gegen die Dokumentationspflicht vor, da nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Pflegedokumentation Aufzeichnungen zeitnah zu erfolgen hätten, um jederzeit die ordnungsgemäße Versorgung der Heimbewohnerin mit Flüssigkeit überprüfen zu können, unzutreffend sein soll, wird von der Klägerin nicht erläutert. Dies gilt in gleicher Weise für die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei einer Ergänzung der Pflegedokumentation nach 5 Wochen bestehe die Gefahr, dass es aufgrund von Erinnerungslücken des Pflegepersonals zu Fehleintragungen komme, die letztlich auch die Gesundheit des Bewohners beeinträchtigen könnten.

Auch mit ihrem unter Beweis gestellten Vorbringen, bei einer Zufuhr von 250 ml Flüssigkeit lediglich an einem Tag bei ansonsten normaler Trinkmenge von 1000 ml habe keine Gefahr für Leib oder Leben der betroffenen Bewohnerin B2 bestanden, stellt die Klägerin weder den zugestandenen Dokumentationsmangel noch die hieraus vom Verwaltungsgericht abgeleitete Folge in Frage. Dies gilt ebenso für ihre Ansicht, der Dokumentationsmangel hätte auch später nicht zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit der Bewohnerin führen können, da eine für einen Tag verordnete Trinkmenge nicht ersatzweise an einem anderen Tag verabreicht werden könne. Maßgeblich ist für das Verwaltungsgericht insoweit allein das Fehlen einer zeitnahen Eintragung bzw. die mit dem Risiko von Erinnerungslücken behaftete Eintragung nach fünf Wochen, was die Klägerin mit ihrem Vortrag nicht substantiiert angreift.

Schließlich bleibt der Vortrag der Klägerin unsubstantiiert, dass, hätte das Gericht den Vortrag der Parteien hinreichend gewürdigt, es hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass es sich bei dem vorliegenden Dokumentationsmangel nicht um ein strukturelles Problem, sondern um individuelles Fehlverhalten gehandelt habe. Insoweit wird bereits nicht klar, welcher Vortrag der Parteien im vorliegenden Fall nicht hinreichend gewürdigt worden sein soll. Ob es sich bei Dokumentationsmängeln um strukturelle Probleme oder individuelles Fehlverhalten handelt, lässt sich ferner nicht aus einem einzelnen Dokumentationsmangel ableiten, sondern erst aus der Gesamtschau der festgestellten Dokumentationsmängel. Mithin lässt sich die von der Klägerin gewünschte Schlussfolgerung aus dem von Verwaltungsgericht behandelten und im Übrigen zugestandenen Dokumentationsmangel nicht ziehen. Zweifel an der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts legt die Klägerin mit ihrem Vorbringen daher nicht dar.

3.1.2.2 Sofern das Verwaltungsgericht Dokumentationsmängel am 25. Juni 2011 im Hinblick auf die Eintragung von Umlagerungen bzw. Druckentlastungen der Bewohnerin B3, bei der ein mittleres Dekubitusrisiko gegeben war, angenommen hat (vgl. Ziffer 2.1.4 des streitgegenständlichen Bescheids), legt die Klägerin eine fehlerhafte Würdigung der festgestellten Tatsachen nicht dar (vgl. S. 17 - 20 der Zulassungsbegründung vom 2. November 2013). Aus dem sog. Lagerungsplan der Bewohnerin B3 (Nebenakte 6, Teil 3, Bl. 39) ergeben sich, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgeht, für den Zeitraum zwischen 7:20 und 15:00 Uhr keinerlei Eintragungen. Auf dem weiteren Datenblatt „Durchführungen“ (Nebenakt 7, Teil 1, Bl. 38) findet sich jeweils mit einem Häkchen versehen für 8.00 und 12:00 Uhr folgende Maßnahme: „Regelmäßiges Toilettentraining anbieten, b.B. Wechsel von IKM sowie Richten der Bekleidung, b.B. Intimpflege (Urin)“. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die alle 2 Stunden erforderlichen Umlagerungen bzw. Druckentlastungen seien durch Toilettengänge erfolgt und diese durch das Abhaken im Datenblatt „Durchführungen“ hinreichend dokumentiert, trifft dies nicht zu. Denn ungeachtet der weiteren, von der Klägerin thematisierten Frage der Zulässigkeit eines Abhakens von „Maßnahmebündeln“ in der Pflegedokumentation lässt sich im vorliegenden Fall aus dem „Angebot“ eines regelmäßigen Toilettentrainings bzw. des Wechsels von Inkontinenzmaterial „bei Bedarf (b.B.)“ gerade nicht ableiten, dass Toilettengänge und damit zugleich notwendigerweise verbundene Umlagerungen tatsächlich erfolgt sind. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht daher davon aus, dass ohne konkrete Eintragungen im Lagerungsplan bzw. im Datenblatt „Durchführungen“ die Umlagerungen nicht hinreichend dokumentiert sind, mithin sich die Pflegedokumentation insoweit als defizitär erweist.

3.1.2.3 Soweit die Klägerin die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Lagerungsprotokoll des Bewohners B4 sei bei der Heimbegehung am 28. Juni 2011 für die Tage 14./15. Juni 2011, 16. Juni 2011, 21. Juni 2011 und 23. Juni 2011 lückenhaft gewesen, indem in einem Zeitraum zwischen 9,5 und 12 Stunden keine Umlagerungen verzeichnet waren (vgl. Ziffer 2.1.5 des streitgegenständlichen Bescheids), für fehlerhaft und durch die Angaben der Geschäftsführerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 29. November 2011 für widerlegt ansieht (S. 20 - 22 der Zulassungsbegründung), kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen.

Das Verwaltungsgericht stützt sich für seine Annahme eines Dokumentationsmangels auf die seitens der FQA des Beklagten anlässlich der Heimbegehung am 28. Juni 2011 von den Lagerungsprotokollen des Bewohners B4 gefertigten Fotokopien (Nebenakt 6, Teil 3 Bl. 395 ff.). Die von der Klägerin - soweit ersichtlich erstmals im Zuge des Widerspruchs gegen den Untersagungsbescheid - vorgelegten Lagerungsprotokolle, die für die genannten Zeiträume regelmäßige Umlagerungen ausweisen (vgl. Nebenakte 7 Teil 1 Bl. 53 ff.) wertete das Verwaltungsgericht dahingehend, dass diese Eintragungen offensichtlich erst nach der Heimbegehung und damit mindestens 5 bis 14 Tage später erfolgt seien. Die Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 29. November 2011, dass die Eintragungen vom 14. und 26. Juni 2011 bereits am folgenden Tag ergänzt worden seien, hält das Verwaltungsgericht angesichts der vorliegenden Dokumentation für nicht nachvollziehbar.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 29. November 2011 (Bl. 512 der VG-Akte) hat die seinerzeitige Geschäftsführerin der Klägerin, Frau K., zu den Widersprüchen in den Lagerungsplänen am 14. und 26. Juni 2011 erklärt, „die Pflegeleitung habe am Folgetag die Lagerungspläne kontrolliert und die Pflegepersonen auf die fehlenden Eintragungen hingewiesen. Deshalb seien am nächsten Tag die fehlenden Lagerungspläne ergänzt worden. Um den Mitarbeiter darauf hinzuweisen, seien von den Plänen Kopien gefertigt worden.“ Insoweit werden bereits keine Angaben zu den defizitären Lagerungsplänen am 16. Juni 2011, 21. Juni 2011 und 23. Juni 2011 gemacht. Überdies fehlt es an einer nachvollziehbaren Erklärung, weshalb die vom FQA der Beklagten anlässlich der Begehung am 28. Juni 2011 gefertigten Kopien, obwohl die Dokumentation angeblich bereits am Folgetag ergänzt worden sein soll, gleichwohl keine Eintragungen über durchgeführte Lagerungen auswiesen.

Soweit nunmehr im Rahmen der Zulassungsbegründung vorgetragen wird, dass die Eintragungen in den Lagerungsplänen vom 14./15., 17., 20., 21., 22. und 23. Juni 2011 durch die entsprechenden Pflegekräfte einen Tag später nachgeholt worden seien, stimmt dies bereits nicht mit der Aussage der Geschäftsführerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überein, die dies nur für die Lagerungspläne vom 14. und 26. Juni 2011 angegeben hatte. Auch die Erklärung für das Fehlen der Eintragungen in den für die FQA der Beklagten am 28. Juni 2011 gefertigten Kopien ist nicht nachvollziehbar. Danach sollen die Mitarbeiter der Beklagten „lediglich Kopien von Kopien“ gefertigt haben. Ferner sollen diese angeblich „bei den Bewohnern auf dem Tisch gelegen“ haben, und zwar als „Erinnerungsstütze für die Pflegekraft, damit diese ihre Eintragung im Original nachholt“. Soweit die Klägerin rügt, dass sich das Verwaltungsgericht hiermit nicht auseinandergesetzt habe, geht diese Rüge bereits deshalb an der Sache vorbei, weil dies so von der Geschäftsführerin der Klägerin, wie oben zitiert, nicht angegeben worden ist. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die fehlenden Eintragungen erst nach der Heimbegehung ergänzt wurden, mithin zwischen 5 und 14 Tagen später, zieht der entsprechende Vortrag der Klägerin folglich nicht dergestalt in Zweifel, dass eine Zulassung der Berufung zum Zwecke einer erneuten Beweisaufnahme geboten wäre. Ernstliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Beweiswürdigung sind daher nicht dargetan.

3.1.2.4 Dies gilt in gleicher Weise, soweit das Verwaltungsgericht auch mit Blick auf Ziffer 2.1.6 des Untersagungsbescheids zumindest von Dokumentations- und Organisationsmängeln hinsichtlich der Bewohner B5, B6, B7 und B8 im Heim der Klägerin ausgeht (vgl. S. 22 - 28 der Zulassungsbegründung).

So widerlegt die Einlassung der Klägerin, anlässlich der Heimbegehung am 24. Februar 2011 sei „aufgrund eines Eingabefehlers in das EDV-System“ einem Mitarbeiter der Beklagten ein überholtes, die Änderung der Pflegeplanung vom 8. Februar 2011 nicht beinhaltendes Datenblatt vorgelegt worden, bei dem der entsprechende Mitarbeiter der FQA „bei genügender Sorgfalt den Irrtum [hätte] bemerken und einen aktuellen Ausdruck anfordern können“, die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht, die Übergabe des fehlerhaften, weil nicht aktualisierten Datenblatts stelle einen Organisations-, jedenfalls aber einen Dokumentationsmangel dar. Die Klägerin erläutert insbesondere nicht, wie der Mitarbeiter des Beklagten hätte erkennen können, dass es sich bei dem ausdrücklich angeforderten Datenblatt nicht um die aktuelle Fassung gehandelt hat. Der Umstand, dass selbst 14 Tage nach Änderung der Pflegeplanung veraltete Datenblätter der Heimaufsicht ausgedruckt und übergeben werden können, stellt, ohne dass es hierzu näherer Erläuterungen bedürfte, ganz offenkundig einen Organisationsmangel dar.

Auch der Schluss des Verwaltungsgerichts von Lücken im Lagerungsplan der Bewohnerin B5 am 23. und 24. Februar 2011 auf Dokumentationsmängel, die im Fehlen einer „zeitnahen“ Eintragung begründet liegen, unterliegt keinen Zweifeln. Wenn es Aufgabe der Dokumentation von Pflegemaßnahmen ist, den jeweils aktuellen Stand von deren Durchführung zu dokumentieren und so - beispielsweise bei einem Wechsel der Pflegemitarbeiter - den aktuellen Informationsstand über bereits durchgeführte oder gegebenenfalls noch ausstehende Pflegemaßnahmen weiterzugeben (vgl. hierzu oben sub. 3.1.1.1), reicht die Nachholung der entsprechenden Eintragungen in der Dokumentation am folgenden Tag regelmäßige nicht aus und erweist sich deshalb die Dokumentation als fehlerhaft. Die Annahme der Klägerin, auch bei einer Eintragung von Pflegemaßnahmen innerhalb von 24 Stunden nach der Ausführung könne noch von einer „zeitnahen“ Dokumentation gesprochen werden, trifft daher jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zu. Auch hinsichtlich der nachträglich erfolgten zweimaligen Eintragung einer „Rechtslagerung“ bei der Bewohnerin B5 sieht das Verwaltungsgericht darin möglicherweise einen Pflegemangel, stellt in diesem Zusammenhang aber entscheidungstragend auf den Umstand der nachträglichen Eintragung ab, sodass es auf die von der Klägerin behaupteten „Eigenbewegung“ der Bewohnerin B5 in diesem Zusammenhang nicht ankommt.

Soweit das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Bewohnerin B6 zunächst eine zu allgemein bzw. abstrakt formulierte Pflegeplanung bemängelt, ferner einen Dokumentationsmangel im Abzeichnen pauschaler Eintragungen sieht, die nicht erkennen lassen, welche konkrete Maßnahme zu welchem Zeitpunkt durchgeführt wurde, schließlich in fehlenden Eintragungen von Mobilisierungen (ggf. durch Toilettengänge) im individuellen Bewegungsplan vom 15. Januar 2011 ebenfalls einen Dokumentationsmangel erblickt, kann die Klägerin dies mit ihrem Sachvortrag nicht dergestalt in Zweifel ziehen, dass eine Zulassung der Berufung in Betracht käme. So greift der Hinweis auf eine ausführliche Pflegeplanung in den Akten deshalb nicht durch, weil sowohl bei der Dekubitusprophylaxe wie auch der Kontrakturenprophylaxe als eine neben weiteren Maßnahmen abstrakt „Mobilisierung“ bzw. „Bewegungsübungen im Bett“ und „Bew. mehrmalig am Tag mobilisieren“ verzeichnet sind, ohne dies näher zu konkretisieren (vgl. Bl. 2030 ff. der VG-Akte, vgl. ferner S. 285 ff. Nebenakte 4, Teil 1; S. 69 ff. Nebenakte 7 Teil 1). Weshalb die Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein pauschales Abzeichnen derartiger „Mobilisierungsmaßnahmen“ belege die konkrete Durchführung zu konkreten Zeitpunkten nicht und stelle deshalb einen Dokumentationsmangel dar, unzutreffend sein soll, legt die Klägerin nicht dar. Unbehelflich ist dabei der Hinweis, der Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen (B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris), auf den sich das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang stütze, nehme auf eine andere Rechtsgrundlage Bezug. Inwieweit sich diesbezüglich aus Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 PfleWoqG etwas anderes ergeben soll, legt die Klägerin indes nicht dar. Zu dem für defizitär angesehenen Bewegungsplan der Bewohnerin B6 nimmt die Klägerin in der Zulassungsbegründung keine Stellung. Eine unzutreffende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht wird damit nicht in der Sache nachvollziehbar aufgezeigt.

Dies gilt in gleicher Weise, soweit sich die Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, die Pflegeplanung des Bewohners B7 sei ebenfalls zu allgemein gehalten gewesen und habe nur „regelmäßige Lagerungen“ bzw. „Mobilisierung“ umfasst, ferner sei eine Planung konkreter Lagerungsintervalle und deren Durchführung, die aufgrund des mittleren Dekubitusrisikos erforderlich gewesen wäre, nicht vorgelegt worden. Ohne einen näheren Beleg zu liefern, führt die Klägerin hierzu lediglich aus, es seien aufgrund des mittleren Dekubitusrisikos alle erforderlichen Maßnahmen, wie insbesondere die Mobilisation des Bewohners geplant und dann „entsprechend des Feststellungen der täglichen Statusüberprüfung“ durchgeführt worden, was dem entsprechenden Expertenstandard entsprochen habe. Mit der nicht näher begründeten anderweitigen Wertung der Pflegedokumentation des Bewohners B7 kann die Klägerin indes eine unzutreffende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht nicht aufzeigen.

Letztlich setzt die Klägerin auch der Annahme des Verwaltungsgerichts, beim Bewohner B8 sei die Pflegeplanung „Prophylaxe durch Mobilisierung“ ohne jeden individuellen Gehalt gewesen, konkrete Lagerungsintervalle seien nicht geplant gewesen und aus dem Abhaken der pauschalen Beschreibung lasse sich die Durchführung einer ordnungsgemäßen Pflege nicht belegen, nichts Durchgreifendes entgegen. Sie merkt hierzu lediglich an, dass sich in der Pflegeplanung der Bewohnerin B8 als aus dem geringen Dekubitusrisiko abgeleitete Maßnahme lediglich „Bewegungsförderung“ und „Mobilisierung“ finden. Soweit sie weiter ausführt, ihre Dekubitusprophylaxe habe dem „Expertenstandard Dekubitusprophylaxe“ des deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege entsprochen, weist dies keinen Bezug zu den vom Verwaltungsgericht aufgegriffenen Dokumentationsmängeln (zu allgemeine Maßnahmebeschreibung; pauschales „Abhaken“ der Beschreibung) auf. Die Unrichtigkeit der Annahmen des Verwaltungsgerichts werde damit nicht dargetan.

3.1.2.5 Auch die Annahmen des Verwaltungsgerichts zu Dokumentationsmängeln hinsichtlich der unter Ziffer 2.1.7 des Untersagungsbescheids aufgelisteten Mängeln im Bereich Kontrakturen/Kontrakturenprophylaxe bei den Bewohnerinnen B9, B10 und B11 kann die Zulassungsbegründung der Klägerin (S. 28 - 30) nicht dergestalt in Frage stellen, dass es die Zulassung der Berufung rechtfertigen würde.

Dies gilt zunächst mit Blick auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Pflegeplanung betreffend die Bewohnerin B9 sei deshalb unvollständig, weil sie im Rahmen der Kontrakturenprophylaxe ein bestimmtes Hilfsmittel, nämlich den Gebrauch eines Fußschemels, nicht ausweise. Dem hält die Klägerin entgegen, bei dem fraglichen Fußschemel handele es sich um ein „privates Erinnerungsstück“, das die Tochter der Bewohnerin B9 in das Bewohnerzimmer gestellt habe, und damit nicht „um ein Hilfsmittel im eigentlichen Sinne“. Dem steht indes die Aktenlage entgegen (vgl. Nebenakte 1 Teil 1 Bl. 7), wonach es sich bei dem Fußschemel, den die Tochter der Bewohnerin separat beschafft habe, um ein Hilfsmittel beim Sitzen handele, das die Bewohnerin B9 infolge von Kontraktionen im Bereich der Kniegelenke auch benötige. Die Klägerin stellt mithin im Rahmen der Zulassungsbegründung ihre Wertung des Einsatzes des Schemels gegen die des Verwaltungsgerichts, ohne indes zu belegen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nachvollzogen werden könne. Dies reicht für die Annahme einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung nicht aus.

Soweit das Verwaltungsgericht mit Blick auf die Bewohnerin B9 weiterhin von einer widersprüchlichen Erfassung der Kontrakturen in verschiedenen Dokumenten (AEDL vom 23.3.2011, Ausdruck v. 27.7.2011 - Stand 21.3.2011 und Ausdruck vom 31.5.2011) ausgeht, setzt sich die Klägerin hiermit nicht substantiiert auseinander. Zunächst wird in diesem Zusammenhang auf eine AEDL (AEDL = Aktivitäten und existentielle Erfahrungen des Lebens; Instrument zur Erfassung des Pflegebedarfs) vom 10.3.2011 verwiesen, die weder vorgelegt noch deren Bestand in den Akten nachgewiesen wird. Mit den weiteren, vom Verwaltungsgericht genannten Pflegedokumenten erfolgt keinerlei Auseinandersetzung, ebenso wenig mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es bei der Bewohnerin B9 an der Dokumentation angemessener Pflegemaßnahmen zur Kontrakturenprophylaxe fehle. Die pauschale Behauptung, die „Beschreibung der Bewegungseinschränkungen, der gefährdeten Gelenke und der Kontrakturen“ habe „den tatsächlichen Gegebenheiten“ entsprochen, vermag die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es lägen widersprüchliche Beschreibungen vor, nicht zu wiederlegen. Gleiches gilt für die pauschale Behauptung, der Beklagten hätten zum Teil veraltete Dokumente vorgelegen bzw. sie hätte den entsprechenden Stand der jeweiligen Pflegeplanung nicht beachtet. Dies trifft indes nicht zu, da das Verwaltungsgericht, neben dem Ausdruckdatum jeweils auch - soweit verschieden - den „Stand“ der Dokumente berücksichtigt hat. Schließlich kommt es auf die Frage, wie eine „Faustbildung“ der Bewohnerin B9 zu bewerten sei, nicht entscheidungserheblich an, zumal diese in keinen Zusammenhang zu einer der drei herangezogenen Kontrakturbeschreibungen gesetzt wird. Dass schließlich nach Aussage der Klägerin der MDK bei seiner Überprüfung am 28. Juni 2011 keine Mängel bei der Kontrakturenerhebung festgestellt habe, führt nicht zu einer fehlerhaften Tatsachenbewertung durch das Verwaltungsgericht. Hierzu hätte die Klägerin substantiiert darlegen müssen, dass gerade die vom Gericht in Bezug genommenen Fälle vom MDK ebenfalls überprüft und keine Defizite festgestellt wurden. Die pauschale Behauptung, der MDK haben keine Defizite festgestellt, reicht hierfür nicht aus. Eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung legt die Klägerin folglich nicht dar.

Auch der Annahme, die Pflegeplanung der Bewohnerin B10 weise hinsichtlich der Kontrakturen nicht übereinstimmende Befunde auf bzw. führe in der Pflegeplanung zu Defiziten in der Kontrakturenprophylaxe, vermag die Klägerin mit der Zulassungsbegründung nicht in Frage zu stellen. Soweit sie zunächst ausführt, die Kontrakturenprophylaxe sei bei der Bewohnerin B10 geplant und regelmäßig erbracht worden, betrifft dies die Bewertung des Verwaltungsgerichts nicht. Das weitere Vorbringen, die Annahme des Gerichts, die Pflegeplanung vom 25.3.2011 habe keine Angaben zu kontrakturgefährdeten Körperpartien enthalten, sei unrichtig und diese Angaben befänden sich unter der Rubrik Pflegeplanung (Nebenakte 5, Teil 1, Bl. 165), berücksichtigt die Auffassung des Verwaltungsgerichts nur unzutreffend. Denn die Pflegeplanung weist als „Problem“ nur Kontrakturen in der rechten Hand und beiden Kniegelenken aus, während die Kontrakturenlokalisation noch weitere kontrakturgefährdete Köperpartien angibt. Diese Differenz, auf die das Verwaltungsgericht maßgeblich abstellt, wird von der Klägerin mit ihrem Vorbringen gerade nicht in Frage gestellt.

Mit der Differenz zwischen der AEDL (Ausdruck 24.3.2011 - Stand 15.7.2010) und der - fehlenden - Kontrakturenlokalisation sowie der für zu allgemein erachteten Pflegeplanung der Bewohnerin B11 setzt sich die Klägerin im weiteren Verlauf ihrer Zulassungsbegründung ebenfalls nicht auseinander. Ihr Vorbringen, Angaben zu Kontrakturen und Kontrakturgefährdungen seien in der Pflegeplanung (Nebenakte 5, Teil 1, Bl. 176) zu finden, entspricht der Annahme des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen. Auf den hierzu vom Verwaltungsgericht erhobenen Vorwurf, die in der Pflegeplanung erfassten Kontrakturen sein bei der Kontrakturenlokalisation nicht bezeichnet worden, geht die Klägerin indes nicht ein. Im Ergebnis gelingt es ihr daher nicht, eine fehlerhafte Tatsachenbewertung durch das Verwaltungsgericht darzulegen.

3.1.2.6 Soweit das Verwaltungsgericht ferner im Zusammenhang mit der Schmerzanalyse der Bewohnerin B12 (vgl. Ziffer 2.1.8 des Untersagungsbescheids) Dokumentationsmängel der Klägerin darin sieht, dass einerseits eine Schmerzerfassung nicht für erforderlich angesehen wird, da das Jammern und Stöhnen der Bewohnerin B12 demenz- und nicht schmerzbedingt sei, andererseits sich aus der Pflegedokumentation wiederholt starke Schmerzen der Bewohnerin entnehmen lassen sowie die Pflegeplanung die Beobachtung von Schmerzphasen und deren Intensität vorsieht, tritt die Klägerin dem nicht durchgreifend entgegen (S. 30 - 32 der Zulassungsbegründung). Sie bestätigt vielmehr den verwaltungsgerichtlichen Befund dadurch, dass einerseits auf die Stellungnahme des Hausarztes der Bewohnerin B12 vom 10. Oktober 2010 verwiesen wird, der eine dementielle Ursache des Jammerns und Stöhnens diagnostiziert hat, andererseits aber vorgebracht wird, dass im Rahmen des pflegerischen Schmerzmanagements „vorsorglich dennoch weiterhin Schmerzprotokolle geführt und die Schmerzerfassung“ nach Expertenstandards ausgeführt wurde. Weshalb dies bei der Bewohnerin B12 trotz nicht vorhandener Schmerzen notwendig gewesen sein soll, erläutert die Klägerin hingegen nicht. Mithin liegt, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, hinsichtlich der Schmerzanalyse der Bewohnerin B12 eine widersprüchliche Dokumentation vor.

3.1.2.7 Weiter geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass in der AEDL der Bewohnerin B12 am 24. Februar 2011 immer noch ein Gewicht von 57,2 kg eingetragen war, obwohl die Bewohnerin B12 in den Jahren 2010/2011 nie mehr als 46 kg gewogen habe (vgl. Untersagungsbescheid Ziffer 2.1.9). Wenn die Klägerin dem nunmehr in der Zulassungsbegründung entgegenhält (S. 32 - 33), das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die am 24. Februar 2011 ausgedruckte AEDL einen Stand vom 4. Dezember 2009 aufweise, trifft dies nicht zu, weil das Verwaltungsgericht ausdrücklich auf die fehlende Aktualisierung der AEDL abstellt, die offensichtlich seit Ende 2009 nicht erfolgt war. Der Hinweis, dass die notwendige Anpassung der Dokumentation „im Rahmen der Einfuhr- und Ernährungsprotokolle geführt“ worden sei, wird indes von der Klägerin nicht weiter belegt. Ferner ist das Verwaltungsgericht entgegen dem Vortrag der Klägerin auch nicht davon ausgegangen, dass bei der Bewohnerin B12 im Rahmen des PDL-Controllings festgestellt worden sei, dass sämtliche Ernährungsprotokolle fehlten, sodass die entsprechende Rüge ins Leere geht. Soweit die Klägerin schließlich auf ihren Vortrag im Schriftsatz des vormaligen Bevollmächtigten vom 5. März 2013 verweist (Bl. 1275 ff. der VG-Akte), den das Gericht nicht berücksichtigt haben soll, geht auch dies fehl, da an der genannten Stelle zu Dokumentationsmängeln nicht Stellung genommen wird, es vielmehr um das ordnungsgemäße „Ernährungsmanagement“ bei der Bewohnerin B12 ging. Einer Aus-einandersetzung hiermit bedurfte es folglich bei der Behandlung von Dokumentationsmängeln nicht.

3.1.2.8 Nicht im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel zu ziehen vermag die Klägerin ferner die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Dokumentation zur Bewohnerin B12 hinsichtlich Inkontinenz sei einerseits widersprüchlich, anderseits zumindest unklar bzw. verwirrend (vgl. Untersagungsbescheid Ziffer 2.1.10). Das Verwaltungsgericht stellt entgegen den Darlegungen der Klägerin (Zulassungsbegründung S. 33 - 34) nicht infrage, dass die Bewohnerin B12 jedenfalls seit 2010 ggf. aber auch bereits seit Einzug in das Heim der Klägerin inkontinent gewesen ist. Insofern ergibt sich aus der von der Klägerin in Bezug genommenen AEDL nicht Neues. Weshalb sich indes in der Dokumentation (VG-Akte Bl. 2078, 2093) andere Angaben zur Inkontinenz finden (Bl. 2078 ärztlicher Fragebogen bei Heimaufnahme Ziffer 10. und 11.; Bl. 2093 „Auswertung“ vom 7.12.2011), erklärt die Klägerin nicht. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Dokumentation „Ausscheidungen“ (Nebenakte 2, Herb, Bl. 18 ff.) sei zumindest insoweit unklar, als einerseits Toilettengänge aufgeführt, andererseits als Maßnahme Inkontinenzmaterialwechsel aufgeführt werde, wird von der Klägerin nicht durchgreifend infrage gestellt. Der Verweis auf Toilettengänge als Maßnahme der Mobilisierung kann schon deshalb nicht überzeugen, weil derartige „Toilettengänge“ in der - nicht chronologisch sondern nach „Uhrzeit“ geordneten - Aufstellung mit einer Ausnahme nur zur Nachtzeit vorgenommen wurden. Zur unmittelbar aufeinanderfolgenden Eintragung von Toilettengang und Inkontinzmaterialwechsel, die das Verwaltungsgericht für „verwirrend“ erachtet, verhält sich die Klägerin in der Zulassungsbegründung nicht. Der Vortrag im Schriftsatz vom 5. Oktober 2013 (S. 96 f.), auf den die Klägerin erneut verweist und dessen Nichtbeachtung durch das Gericht rügt, verhält sich zu den in Rede stehenden Dokumentationsfragen nicht. Mithin lässt sich eine fehlerhafte Tatsachenbewertung durch das Verwaltungsgericht nach dem Vortrag in der Zulassungsbegründung nicht feststellen.

3.1.2.9 Soweit das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Dokumentation der Blutzuckerwerte und Insulingaben der Bewohnerin B13 (vgl. Untersagungsbescheid Ziffer 2.3.2 und 2.3.4) zahlreiche Widersprüche und Mängel feststellt, werden diese von der Klägerin in der Zulassungsbegründung (S. 34 - 35) überwiegend mit dem Hinweis auf „Nachlässigkeiten bei den Pflegekräften“ konzediert. Die vom Verwaltungsgericht festgestellte Widersprüchlichkeit bei den Blutzuckerwerten am 20.12.2010 um 2:30 Uhr, die sich aus dem Dokumentationsblatt „Berichte“ (Nebenakte 7, Teil 1 Bl. 141) ergeben, kann die Klägerin nicht mit dem Verweis auf die „ärztliche Kommunikation“ (Nebenakte 7 Teil 1 Bl. 146) in Zweifel ziehen. Auf dem angegebenen Dokumentationsblatt findet sich unter der Rubrik „Durchführungen“ eine Insulingabe an die Bewohnerin B13 am 24. Dezember 2010 um 17:00 Uhr. Demnach konnte sich das Verwaltungsgericht die Frage, wann genau der kritische Insulinwert von 22 mg/dl bei der Bewohnerin B13 am 20. Dezember 2010 festgestellt worden war, nicht selbst beantworten, wie die Klägerin behauptet.

Auch soweit das Verwaltungsgericht auf eine im Insulinplan dokumentierte Insulingabe am 19. Januar 2011 (Nebenakte 5 Teil 1 Bl. 498) abstellt, obwohl die Bewohnerin B13 an diesem Tag nachweislich im Krankenhaus war, kann die Klägerin diesen Dokumentationsmangel nicht in Zweifel ziehen. Angesichts der unter diesem Datum dokumentierten zweifachen Insulingabe, nämlich um 08:00 Uhr und um 19:30 Uhr, ist die Behauptung der Klägerin nicht nachvollziehbar, der Insulinplan „weise keineswegs aus, dass Insulin gegeben worden sei, obwohl die Bewohnerin zu diesem Zeitpunkt unstrittig im Krankenhaus war.“ Auch die weitere Einlassung, es sei lediglich „vergessen“ worden, im Insulinplan das Datum 24. Januar 2011 zu notieren, überzeugt nicht, da sich dieser Umstand, unterstellt er träfe zu, für einen normalen Leser nicht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - ohne Weiteres aus der Dokumentation erschließt.

Soweit die Klägerin im Übrigen die Dokumentationsmängel dadurch zu relativieren trachtet, dass „zu keiner Zeit eine Gefahr für Leib und Leben der Bewohner mit diesen Dokumentationsmängeln verbunden war“, bleibt dieser Vortrag unsubstantiiert. Im Übrigen erkennt die Klägerin nicht, dass es für die Einordnung eines festgestellten Dokumentationsmangels als „erheblich“ darauf ankommt, ob dieser Mangel im Rahmen einer anzustellenden Gefährdungsprognose prinzipiell dazu geeignet ist, Gefahren für Leib und Leben der Bewohner zu begründen (vgl. hierzu oben sub. 3.1.1.1). Dies ist indes bei fehlerhaften Eintragungen von Blutzuckerwerten und Insulingaben sehr wohl anzunehmen. Darauf, ob im vorliegenden Fall bei der Bewohnerin B13 durch die konkreten Eintragungen zur Insulingabe und zu Blutzuckermesswerten eine Gefahr für Leib oder Leben eingetreten ist, kommt es nicht maßgeblich an.

3.1.2.10 Der Annahme des Verwaltungsgerichts, hinsichtlich der Dokumentation der Blutzuckerwerte und der Insulingabe bei der Bewohnerin B14 (Ziffer 2.3.3 des Untersagungsbescheids) lägen ebenfalls massive Dokumentationsfehler vor, tritt die Klägerin in der Zulassungsbegründung (S. 35) nicht durchgreifend entgegen. Sie konzediert insoweit die Dokumentationsmängel, will sie aber augenscheinlich lediglich als „leichte Dokumentationsmängel“ bewertet wissen, da es angesichts der kleinstmöglichen Abweichung bei Insulingaben niemals zu einer Gesundheitsgefährdung der Bewohnerin B14 gekommen sei bzw. hätte kommen können. Weshalb keine gravierenden Dokumentationsmängel vorliegen sollen, wird indes nicht näher dargelegt, auch nicht durch den Verweis auf einen anwaltlichen Schriftsatz im Klageverfahren erster Instanz. Das Vorbringen der Klägerin erweist sich insoweit als unsubstantiiert. Darüber hinaus ist wiederum darauf hinzuweisen, dass es für die Einordnung der Schwere eines Dokumentationsmangels nicht in erster Linie darauf ankommt, ob dieser bei dem konkret betroffenen Bewohner eine Gesundheitsgefahr tatsächlich ausgelöst hat, sondern dass auf die abstrakte Eignung des Mangels, zukünftig eine Gesundheitsgefahr bei diesem oder anderen Bewohnern des Heims zu begründen, abzustellen ist. Sollte tatsächlich bei dem konkret betroffenen Bewohner eine Gesundheitsgefahr eingetreten sein, verstärkt dies allerdings das Gewicht des Dokumentationsmangels für die Gefahrenprognose (vgl., oben sub 3.1.1.1).

3.1.2.11 Das vorstehend Ausgeführte gilt in gleicher Weise für das Vorbringen der Klägerin (Zulassungsbegründung S. 36) zum Dokumentationsmangel beim Bewohner B4 (vgl. Ziffer 2.3.5 des Untersagungsbescheids). Auch hier ist darauf hinzuweisen, dass die Qualifikation eines - zugestandenen - Dokumentationsmangels als „leichter Dokumentationsfehler“ sich nicht danach bemisst, ob dieser bei dem konkret betroffenen Bewohner zu einer Gesundheitsgefährdung geführt hat. Vielmehr ist der konkrete Dokumentationsmangel im Rahmen der Gefährdungsprognose zu bewerten und zu gewichten. Ferner lässt sich aus dem Umstand, dass dem Bewohner B4 am 1., 3. und 4. Juli 2011 jeweils 1000 ml Ringerlösung verabreicht, dies indes erst am 21. Juli 2011 dokumentiert wurde, unproblematisch der Schluss ziehen, dass die unterbliebene Eintragung eine Quelle für unzutreffende Schlussfolgerungen einer Pflegekraft bietet kann, an die sich wiederum Pflegefehler anschließen können. So kann die fehlende Eintragung in der Dokumentation dazu führen, dass dem betroffenen Bewohner erneut Ringerlösung zugeführt wird, obwohl dies nicht erforderlich ist. Der weitere Vortrag der Klägerin, unterlassene Pflegemaßnahmen könnten nicht nachgeholt werden, weist keinen Bezug zu der vorliegend allein streitgegenständlichen Unterlassung einer bestimmten Pflegedokumentation auf.

3.1.2.12 Auch den Dokumentationsmangel hinsichtlich der unterbliebenen Eintragung der Gabe des Medikaments „Marcumar“ an den Bewohner B25 am 9. und 12. Juli 2011 sowie die schriftliche „Bestätigung“ der zuständigen Pflegekraft über die Medikamentengabe am 23. Juli 2011 (vgl. Ziffer 2.3.6 des Untersagungsbescheids) zieht die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen (S. 36 f.) nicht in Zweifel. Denn woraus der Schluss gezogen werden kann, dass der Dokumentationsmangel nicht mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit der Bewohner verbunden gewesen sein soll, da er nicht zu einer Falschmedikation habe führen können, legt die Klägerin nicht dar. Vielmehr folgt aus der unterbliebenen Eintragung einer Marcumargabe konkret die Gefahr, dass eine andere Pflegekraft dem Betroffenen erneut Marcumar verabreicht, was im Ergebnis zu einer Falschmedikation und angesichts der Wirkungsweise des Medikaments, die Blutgerinnung zu hemmen, zu erheblichen Gesundheitsgefahren - die die Klägerin selbst beschreibt - führen kann. Inwieweit hier das Verwaltungsgericht von falschen oder unvollständigen Tatsachen ausgegangen sein soll, erschließt sich nicht, zumal der Dokumentationsmangel von der Klägerin selbst zugestanden wird.

3.1.2.13 Auch der fehlende Vermerk des Anbruchdatums auf einem Medikament der Bewohnerin B16 (vgl. Ziffer 2.3.7 des Untersagungsbescheids) wird von der Klägerin in der Zulassungsbegründung (S. 37) konzediert. Insoweit bleibt unerfindlich, inwiefern der Abschluss eines Versorgungsvertrages mit einem Apotheker nach § 12a ApoG, den die Klägerin ausführlich darlegt, den Dokumentationsmangel widerlegen soll.

3.1.2.14 Den Vorwurf fehlender „Transparenz“ hinsichtlich der Dokumentation der Medikamentengabe bei verschiedenen Heimbewohnern (vgl. Ziffer 2.3.8 der Untersagungsverfügung) tritt die Klägerin mit der Zulassungsbegründung (S. 37 - 41) ebenfalls nicht durchgreifend entgegen.

Soweit das Verwaltungsgericht die verschiedenen Datenblätter „Ärztliche Verordnung/feste Medikation“ der Bewohnerin B26 hinsichtlich der Verordnung des Medikaments „Omeprazol“ jedenfalls für einen mit der Patientengeschichte nicht vertrauten Mitarbeiter für verwirrend erachtet, führt die Klägerin an, das Medikament sei zwischenzeitlich abgesetzt worden, sodass es in den Datenblättern vom 24.2.2011 und 21.3.2011 nicht aufgeführt werde. Nach erneuter Verordnung am 21.3.2011 sei es wieder in die Dokumentation aufgenommen worden und erscheine folglich im Ausdruck vom 31.5.2011 wieder. Dem wäre zuzustimmen, wenn sich das „Absetzen“ des Medikaments auch tatsächlich aus den Datenblättern „Ärztliche Verordnung/feste Medikation“ ergeben würde. Dies lässt sich indes - anders als bei der erneuten Verordnung vom 21.3.2011 (vgl. Nebenakte 5 Teil 1, Bl. 548) - aus den vorherigen Datenblättern gerade nicht entnehmen, die wie im Datenblatt vom 3. Dezember 2010 zwar ärztlichen Verordnungen vom 30. November 2010 aufweisen, jedoch „Omeprazol“ ohne Angabe von Gründen einfach weglassen. Hinzu kommt, dass von den vier in Rede stehenden Datenblättern lediglich zwei die vorgesehene Unterschrift des Arztes tragen. Insofern ist die Dokumentation, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, durchaus fehlerhaft, weil sich aus ihr gerade das zwischenzeitliche Absetzen des Medikaments nicht eindeutig ersehen lässt.

Soweit das Verwaltungsgericht ferner das Fehlen eines Bewohnernamens auf zwei Seiten eines Insulinplans bemängelt, gesteht dies die Klägerin zu, führt indes aus, dass dies unschädlich sei, da sich der Insulinplan in der Bewohnerdokumentation befinde und damit dem Bewohner auch zugeordnet werden könne. Indes geht die Klägerin offensichtlich davon aus, dass es sich um den Insulinplan des Bewohners B4 handle, ohne darzulegen, woraus sie dies konkret ableitet. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht lediglich vermutet, dass es sich „wohl“ um den Bewohner B4 handle. Jedenfalls der Insulinplan Bl. 420 Nebenakte 5 Teil 1 ordnet sich zeitlich nicht in die weiteren Aktenstücke ein (Bl. 420 erfasst den Zeitraum 3.4.2011 bis 12.4.2011, Bl. 421 den Zeitraum vom 26.4.2011 bis 6.5.2011), sodass ohne Namensnennung eine Bewohnerzuordnung jedenfalls mit Unsicherheiten behaftet ist. Mithin ist von einem Dokumentationsmangel auszugehen.

Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Widersprüche zwischen dem Datenblatt „Ärztliche Verordnung - feste Medikation“ und dem Marcumarausweis der Bewohnerin B19 wird von der Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht in Zweifel gezogen. Denn wenn ausweislich des Datenblatts die Marcumarverordnung vom 11.12.2010 stammt und auf eine Einheit abends lautete, der Marcumarausweis jedoch bereits ab 9.12.2010 eine Marcumargabe von ½ Einheiten vorsah, vermag auch der Verweis auf dem Datenblatt „1 Stück abends richtet sich nach Plan/Ausweis“ den Widerspruch nicht aufzulösen. Wenn, wie die Klägerin vorträgt, die Marcumargabe von den jeweils gemessenen Quick- bzw. INR-Werten abhängt und diese fortlaufend im Marcumarausweis erfasst werden, wird nicht klar, weshalb dann im Datenblatt zur „festen Verordnung“ von Medikamenten überhaupt der Wert 1 Einheit abends aufgenommen wird, insbesondere da zu diesem Zeitpunkt offensichtlich die tatsächliche Medikation bereits darunter lag. Weiter fehlt auch auf diesem Datenblatt die Unterschrift eines Arztes. Mithin ist auch diesbezüglich von einer mangelhaften Dokumentation auf Seiten der Klägerin auszugehen.

Auch die Dokumentationsdefizite hinsichtlich der Marcumargabe bei der Bewohnerin B20 kann die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht entkräften. Ausweislich der vorliegenden Akte (Nebenakte 2 Herb Bl. 39) weist der Marcumarausweis der Bewohnerin B20 für Montag, den 7.2.2011, eine Nulleintragung auf, für den 8.2. ergeben sich zwei, für den 9.2. eine und für den 10. und 11.2.2011 jeweils eine halbe Einheit Marcumar. Demgegenüber weist die angebrachte „Anmerkung“ darauf hin, dass am 8.2 die Bewohnerin Marcumar nicht erhalten habe. Nach telefonischer Anordnung des Arztes Dr. S solle die Dienstagsdosis auf Mittwoch und Donnerstag gesplittet werden. Als neue Werte ergäben sich dienstags 2 Einheiten und Mittwoch 1½ Einheiten. Die Anmerkung stimmt indes mit den Eintragungen im Ausweis nicht überein. Inwieweit sich, wie die Klägerin behauptet, aus dem Marcumarausweis ergeben soll, dass die Bewohnerin „am Montag, beginnend ab dem 7.2.2011 kein Marcumar erhält“, bleibt unerfindlich. Auf die in der Antragserwiderung vom Beklagten wiedergegebenen weiteren Notizen über Telefonate mit Dr. S. betreffend die Marcumargabe, die ihrerseits wiederum in Widerspruch zur Notiz auf dem Marcumarpass stehen, geht die Klägerin in ihrem weiteren schriftsätzlichen Vorbringen nicht ein.

Soweit die Klägerin ebenfalls mit Blick auf die Bewohnerin B 20 (die Zulassungsbegründung spricht insoweit unzutreffend von den weiteren Ausführungen zur Bewohnerin B19) ausführt, dass das Gericht wie auch der Beklagte die Systematik des verwendeten Datenblatts „Ärztliche Verordnung - feste Medikation“ in Kombination mit dem Marcumarausweis der betroffenen Bewohnerin verkannt habe, trifft dies nicht zu. Denn wenn der Marcumarausweis, wie die Klägerin vorträgt, die ursprünglich verordnete Marcumargabe entsprechend den jeweils gemessenen Quick- bzw. INR-Werten anpasst, bedürfte es jedenfalls zum Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung - bei der Bewohnerin B20 laut Datenblatt am 8.2.2011 - einer Übereinstimmung der entsprechenden Werte. Dies ist indes nicht der Fall. Darüber hinaus erweist es sich als verwirrend, wenn in einem Datenblatt unter der Rubrik „Feste Medikation“ eine bestimmte Marcumareinheitengabe erfasst, sie zugleich durch Verweis auf den Marcumarausweis jedoch wieder relativiert wird. Die bei der Medikamentengabe erforderliche Eindeutigkeit der Dokumentationsangaben weisen die vorliegenden Aufzeichnungen der Klägerin folglich nicht auf. Die Dokumentation ist daher als fehlerhaft anzusehen.

Auch den Widersprüchen bei der Marcumargabe des Bewohners B18 tritt die Klägerin nicht mit durchgreifenden Argumenten entgegen. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass im Datenblatt der entsprechende - nach Ansicht der Klägerin systemprägende - Hinweis auf die konkrete Dosierung nach Maßgabe des Marcumarpasses fehlt. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf „telefonisch angegebene zukünftige Dosierungen für die kommenden Tage“ des jeweiligen Arztes verweist, fehlt es an jeglichem Nachweis hierfür im konkreten Fall des Bewohners B18. Das entsprechende Vorbringen erweist sich daher als unsubstantiiert.

Schließlich setzt die Klägerin der Feststellung des Verwaltungsgerichts, eine ordnungsgemäße Dokumentation erfordere, sofern Teile hiervon separat aufbewahrt würden, einen entsprechenden Hinweis in anderen Dokumentationsteilen, damit der konkrete Stand der Pflegeplanung und Durchführung ohne Verzug und ohne Zuhilfenahme Dritter festgestellt werden könne, nichts entgegen. Sie verweist vielmehr allein darauf, dass im Bereich der Medikamentenverordnung bzw. Medikamentengabe es telefonische Anweisungen der behandelnden Ärzte gegeben habe, diese in das EDV-System eingegeben worden seien und die Verordnung dem behandelnden Arzt „bei nächster Gelegenheit“ zur Unterschrift vorgelegt worden und der entsprechende Ausdruck in einem separaten Ordner abgeheftet worden sei. Damit geht das Zulassungsvorbringen an den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts vorbei.

3.1.2.15 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Dokumentation freiheitsentziehender Maßnahmen (vgl. Ziffer 2.4 des Untersagungsbescheids) bei der Bewohnerin B16 erweise sich als teilweise defizitär, kann die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen (S. 41 - 43) ebenfalls nicht in einer die Zulassungsvoraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründenden Weise in Zweifel ziehen. Denn wenn im Dokumentationsblatt „Durchführungen“ unter Angabe einer bestimmten Uhrzeit (24.2.2011 - 06:00 Uhr) vermerkt ist „Bettgitter öffnen/schließen“, lässt sich daraus nicht ersehen, was konkret zu diesem Zeitpunkt geschehen ist. Dem Verweis der Klägerin auf den Inhalt des gerichtlichen Beschlusses, der keine Verpflichtung zur Durchführung freiheitsentziehender Maßnahmen beinhalte, kommt demgegenüber keine Bedeutung zu. Weshalb angesichts der im richterlichen Beschluss genehmigten freiheitsentziehenden Maßnahmen bei der Bewohnerin B16 darüber hinaus kein Fixierungsplan erforderlich sein bzw. warum die freiheitsentziehende Maßnahme des Anbringens eines Bettgitters keinen Fixierungsplan erfordern soll, legt die Klägerin ebenfalls nicht weiter dar. Dies gilt umso mehr, als beispielsweise bei der Bewohnerin B17 im Fixierungsplan das Schließen und Öffnen eines Bettgitters als freiheitsentziehende Maßnahme ausdrücklich aufgeführt ist (Bl. 188 Nebenakte 7 Teil 3). Das Vorbringen erweist sich daher als unsubstantiiert.

Hinsichtlich der fehlerhaften Dokumentation freiheitsentziehender Maßnahmen bei der Bewohnerin B17 bestätigt die Klägerin im Zulassungsvorbringen den vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatbestand. Soweit sie sich im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen gegen die Annahme eines gravierenden Dokumentationsmangels durch das Verwaltungsgericht wendet, greift ihr Vorbringen ebenfalls nicht durch. Denn erst die lückenlose Dokumentation freiheitsentziehender Maßnahmen erlaubt aus Sicht des Verwaltungsgerichts die Abschätzung, ob es angesichts der Entwicklung der Bewohner möglicherweise Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen gibt. Lücken in der Dokumentation freiheitsentziehender Maßnahmen, wie sie im vorliegenden Fall festgestellt wurden, besitzen daher entgegen der Auffassung der Klägerin ein besonderes Gewicht.

3.1.2.16 Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Eintragungen in der Pflegedokumentation zu einem angeblich beim Bewohner B27 bestehenden Dekubitus bei den Zehen am linken Fuß (vgl. Untersagungsverfügung Ziffer 2.6.1), seien irreführend und widersprüchlich, kann die Klägerin nicht durchgreifend in Zweifel ziehen (vgl. Zulassungsbegründung S. 43 f.). Denn ausgehend von ihrem Vortrag, dass die festgestellte eitrige Wunde am rechten Fuß, zweiter Zeh, nach Amputation richtig behandelt und die Behandlung ordnungsgemäß abgeschlossen wurde, bleibt der Vermerk zu einem angeblichen Dekubitus am linken Fuß (Eintrag „Dekubitus am li. Fuß 2 Zäh.“ Bl. 84 Nebenakte 7 Teil 2) unklar. Dass es sich dabei um eine noch am gleichen Tag korrigierte Fehleintragung handelt, lässt sich dem Dokumentationsblatt „Pflegeplanung“ nicht unmittelbar entnehmen. Denn es wird darin nicht das festgestellte Problem als unzutreffend gekennzeichnet, sondern vielmehr die Pflegemaßnahme als am Tag der Eintragung bereits abgeschlossen gewertet. Daraus lässt sich der Schluss, am linken Fuß sei irrtümlich ein Dekubitus eingetragen worden, nicht ziehen. Auch insoweit vermag das Vorbringen der Klägerin keine unrichtige Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts zu belegen.

3.1.2.17 Die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht bewirken vermag die Klägerin mit ihrem im Rahmen der Zusammenfassung zu Dokumentationsmängeln ergänzten Vorbringen (S. 64 des Schriftsatzes vom 2. November 2013), Mängel in der Pflegedokumentation, die das Verwaltungsgericht in in den Behördenakten befindlichen, teilweise überholten, teilweise nicht den aktuellen Stand der Pflegeplanung wiedergebenden einzelnen Dokumentationsblättern gesehen habe, lägen nicht vor, da die Pflegefachkräfte stets die Möglichkeit besessen hätten, die aktuelle Pflegedokumentation einzusehen und gegebenenfalls auch auszudrucken. Auch diese Darlegungen sind unsubstantiiert, da sie nicht in konkretem Bezug zu einzelnen, in der streitbefangenen Entscheidung behandelten Dokumentationsmängeln stehen. Demzufolge kann seitens des Senats auch nicht geprüft werden, ob und inwieweit dieser Umstand in der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden hat.

3.1.2.18 Ebenso erweist sich der weitere Vortrag in der Zulassungsbegründung vom 2. November 2013 (S. 64 f.) als zu allgemein und nicht hinreichend substantiiert, soweit die Klägerin behauptet, eine Bewertung einzelner Auszüge einer Pflegedokumentation sei aufgrund fehlender Expertise weder den Mitarbeitern des Beklagten noch dem Verwaltungsgericht möglich gewesen. Vielmehr hätte in diesen Fällen stets die gesamte Dokumentation eines Bewohners herangezogen und sachverständig begutachtet werden müssen. Indes legt die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht dar, in welchen vom Verwaltungsgericht in der streitbefangenen Entscheidung im Einzelnen behandelten Fällen von Dokumentationsmängeln die Heranziehung der kompletten Pflegedokumentation des Bewohners eine andere Bewertung der jeweils behandelten Eintragungen ergeben hätte. Darüber hinaus erscheint es angesichts der vom Verwaltungsgericht tatsächlich herangezogenen Dokumentationsmängel fraglich, inwieweit der Rückgriff auf die komplette Bewohnerdokumentation tatsächlich zu einer anderen Bewertung hätte führen können, wenn beispielsweise für einzelne Tage fehlende Eintragungen etwa in Lagerungs- und Fixierungsprotokollen als mangelhaft angesehen wurden.

3.1.2.19 Dem vom Verwaltungsgericht betreffend die Bewohnerin B12 des Weiteren angenommenen Pflegemangel (vgl. Untersagungsverfügung Ziffer 2.1.9) tritt die Klägerin ebenfalls nicht mit durchgreifenden Argumenten entgegen (vgl. Zulassungsbegründung S. 45 - 47). Das Verwaltungsgericht sieht den Pflegemangel ausdrücklich darin, dass die Klägerin trotz eines jedenfalls am 19. Oktober 2010 festgestellten (Unter-) Gewichts von 39,1 kg für die Bewohnerin B12 zu diesem Zeitpunkt keinen individuellen Ernährungsplan aufgestellt hatte, ein solcher vielmehr erst am 6. März 2011 nach einer zuvor durchgeführten Heimbegehung erstellt wurde. Die Klägerin würde insoweit auch der dokumentierte Wunsch der Tochter und Betreuerin der Bewohnerin B12, auf Zusatznahrung und hochkalorische Ernährung (Astronautenkost) zu verzichten, nicht entlasten, da die Möglichkeit bestanden hätte, eine Gewichtszunahme durch viele kleine Mahlzeiten entsprechend den Vorlieben der Bewohnerin zu erreichen. Zum Wunsch der Tochter im Widerspruch stünde des Weiteren die Pflegeplanung, die die Verabreichung hochkalorischer Kost „bei Bedarf“ ausdrücklich vorsehe. Im Übrigen erweise sich die Pflegeplanung als nicht ausreichend konkret, um dem Untergewicht zu begegnen, da sie weder festlege, wann der entsprechende „Bedarf“ bestehe, noch wann und welche Nahrung der Bewohnerin B12 zu geben sei.

Soweit die Klägerin demgegenüber vorträgt, zwischen der Pflegedienstleitung und der Tochter und Betreuerin der Bewohnerin B12 habe ein reger Austausch zu dem Problem der Unterernährung stattgefunden, betrifft dies den vom Gericht angenommenen Pflegemangel, nämlich die fehlende Aufstellung eines individuellen Ernährungsplans angesichts eines Gewichts von nur 39,1 kg am 19. Oktober 2010, nicht. Im Übrigen belegt die Klägerin den behaupteten „regen“ Austausch auch nicht hinreichend, da sie lediglich auf eine kurze, im Nachhinein von der Tochter der Bewohnerin B12 unterzeichnete Telefonnotiz hinweist. Auch die tatsächliche Gewichtszunahme auf 44,6 kg - ungeachtet, bis zu welchem Zeitpunkt sie erfolgt sein soll - bzw. auf 46 kg bis 25. Mai 2011 widerlegt die Annahme einer fehlenden individuellen Ernährungsplanung nicht. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Pflegemangel nicht in einem dauerhaft unveränderten Gewicht der Bewohnerin B12 gesehen; die „Erwartungen“ des Gerichts lagen auch nicht, wie die Klägerin meint, in einer Gewichtszunahme der Bewohnerin B12, sondern in einer entsprechenden Planung als Reaktion auf ein erhebliches Untergewicht. Letztlich gesteht die Klägerin das Fehlen eines individuellen Ernährungsplans selbst in ihrem Zulassungsvorbringen zu (Bl. 251 der Gerichtsakte).

3.1.2.20 Auch soweit das Verwaltungsgericht einen Pflegemangel bei der Bewohnerin B13 für gegeben erachtet (vgl. Untersagungsverfügung Ziffer 2.2.2), tritt dem die Klägerin nicht hinreichend substantiiert entgegen (vgl. Zulassungsbegründung S. 47 f.). Das Verwaltungsgericht geht von einer mangelhaften Mund- bzw. Zahnhygiene bei der Bewohnerin B13 aus und leitet diese zum einen aus zwei in den Akten befindlichen Fotos (Nebenakte 1 Teil 2 Bl. 364 f.) ab, auf denen Entzündungen des Zahnfleisches, starke Beläge und Speisereste zu erkennen seien. Zum anderen stützt das Verwaltungsgericht dies auf die Angaben der als Beistand des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2013 anwesenden Frau S. (Bl. 2818 der VG-Akte), einer examinierten Altenpflegerin, die bei der Erstellung der Fotoaufnahmen zugegen gewesen sei und die bestätigt habe, dass die Zähne der Bewohnerin B13 zu diesem Zeitpunkt schmutzig und belegt gewesen seien. Demgegenüber könne das von der Klägerin erstellte Dokumentationsblatt „Durchführungen“ die ordnungsgemäße Mundpflege nicht belegen, da darin lediglich pauschal die Maßnahme „Zahn- und Mundpflege“ abgehakt gewesen sei, sich hingegen der Dokumentation nicht entnehmen lasse, was bei der Mundpflege wie lange durchgeführt worden sei. Der offenkundig verfehlte Pflegeerfolg belege des Weiteren, dass die erforderliche Evaluation der Pflegemaßnahme nicht stattgefunden habe.

Der vorstehend dargestellten Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts tritt die Klägerin in der Zulassungsbegründung indes nicht in der Weise entgegen, dass sich diese als nicht nachvollziehbar bzw. widersprüchlich erweisen könnte. Ihre Behauptung, auf den in Bezug genommenen Fotos lasse sich weder eine Entzündung des Zahnfleisches noch starke Beläge bzw. Speisereste erkennen, erweist sich angesichts der in den Akten befindlichen und dem Senat vorliegenden Fotografien als nicht zwingend. Umgekehrt liegt es angesichts der deutlich erkennbaren Verfärbungen der Zähne, der starken Rotfärbung des Zahnfleisches, einiger erkennbar kariöser Stellen sowie verschiedener Zahnbeläge näher, von einer mangelhaften Zahn- bzw. Mundhygiene auszugehen. Nicht zielführend erweist sich in diesem Zusammenhang auch der Verweis auf die Pflegedokumentation, aus der sich die fachgerechte Durchführung der Mund- und Zahnpflege bei der Bewohnerin B13 ergeben soll. Denn insoweit setzt sich die Klägerin mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, das pauschale Abhaken lasse keinen Schluss darauf zu, welche Maßnahme konkret wie lange durchgeführt worden sei, nicht auseinander, sondern wiederholt lediglich ihren Ansatz, die Dokumentation stelle einen Beleg für eine ordnungsgemäße Pflege dar. Auch die Behauptung, der Bewohnerin B13 sei „mit Gewalt“ der Mund geöffnet worden bzw. sie habe hierzu sowie zum Fertigen der Fotoaufnahmen ihr Einverständnis nicht erteilt, ergibt sich weder aus den Fotos noch aus den weiteren Darlegungen der Klägerin. Das entsprechende Vorbringen ist daher unsubstantiiert. Dass es sich bei den Angaben von Frau S. lediglich um deren „subjektive Wahrnehmung“ handelt, steht nicht im Widerspruch zu den Annahmen des Verwaltungsgerichts; es entspricht ihnen vielmehr. In welcher Funktion Frau S. an der Heimbegehung am 24. Februar 2011 beteiligt war, ist mit Blick auf ihre Bekundung unbeachtlich. Dass Frau S. über die Qualifikation einer examinierten Altenpflegerin verfügt habe, stellt die Klägerin in ihrem Vorbringen nicht in Abrede. Mithin vermag ihr Vortrag im Zulassungsvorbringen die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung nicht dergestalt in Zweifel zu ziehen, dass eine Zulassung der Berufung in Betracht käme (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3.1.2.22 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die am 28. Juni 2011 beim Bewohner B1 vorgefundenen, dem Haltbarkeitsdatum nach bereits abgelaufenen Augentropfen stellten einen Pflegemangel, nämlich einen Verstoß gegen die Qualitätsanforderungen des Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG, dar (vgl. Untersagungsbescheid Ziffer 2.3.1), tritt die Klägerin ebenfalls nicht substantiiert entgegen (vgl. Zulassungsbegründung S. 48 f.). Dass beim Bewohner B1 dem Haltbarkeitsdatum nach abgelaufene Augentropfen am 28. Juni 2011 vorgefunden worden sind, gesteht sie ausdrücklich zu. Ihr Einwand, es habe sich dabei um einen privaten „Altbestand“ des Bewohners B1 gehandelt, der zwischenzeitlich nicht mehr in der Lage sei, sich die Augentropfen selbst zu verabreichen, der tatsächlich von den Pflegekräften verwendete Bestand habe sich demgegenüber im Stationszimmer befunden, wird in keiner Weise belegt, bleibt mithin unsubstantiiert. Allein der Vortrag eines anderen Geschehensablaufs reicht zur Erschütterung der Annahmen des Verwaltungsgerichts nicht aus. Vielmehr spricht der Vortrag des Beklagten in der Antragserwiderung, die Dokumentation der Klägerin weise für den 27. Juni 2011 den (nicht abgehakten) Eintrag auf, der Bewohner B1 verabreiche sich die Augentropfen selbst, gegen die Darstellung der Klägerin.

3.1.2.23 Den weiteren, vom Verwaltungsgericht angenommenen Pflegemangel im Hinblick auf eine am 20. Dezember 2010 um 02:30 Uhr eingetretene, lebensbedrohliche Unterzuckerung der Bewohnerin B13 verbunden mit einer Verständigung des Hausarztes erst 13 Stunden später (vgl. Untersagungsbescheid Ziffer 2.3.2), kann die Klägerin ebenfalls nicht widerlegen (Zulassungsbegründung S. 49 - 52).

Insoweit ergibt sich aus der Dokumentation der Klägerin (Nebenakte 7 Teil 1 Bl. 141, 143) zunächst für den 20. Dezember 2010, 2:30 Uhr (sowohl als Dokumentationszeit wie Ereigniszeit vermerkt) folgende Eintragung:

„Bew war im 1RG Kaltschweißig BZ-kontrolle wurde durchgeführt war sehr niedrig 22 mg/dl Bew war noch im Wachen zustand so dass PP was Orales Traubensaft mit Honig eingeben konnte, PP hatte nochmals nach 15min gemessen war der BZ auf 30 mg/dl, PP gab Bew nochmals was zu Trinken. Bei Bew wird in ca. 1h nochmals nachgemessen.

„Evaluierung: MRN, 20.12.2010 05:43: Bew hatte 3:30h einen BZ von 123 mg/dl. Bew war wieder Wacher und Arbeitete mit den Beinen.“

Für den 20. Dezember 2010, 13:41 Uhr ergibt sich weiter folgende Eintragung:

„Telefonat mit HA Insulingabe geändert (abends 16 I.E.)“.

Wiederum für den 20. Dezember 2010 ergibt sich auf dem Dokumentationsblatt „Ärztliche Kommunikation“ die Eintragung

„Bew. Hatte sehr niedrigen BZ um ca. 23.30h 22 mg/dl. Vorschlag eine Sondennahrung zusätzlich“

Und unter der Rubrik „Antwort/Anordnung/Mitteilung an die Pflegeperson“ die Eintragung

„Insulingabe am Abend geändert 16 I.E.“.

Der von der Klägerin vorgetragene Geschehensablauf, nämlich dass die Bewohnerin B13 bereits am 19. Dezember 2010 um 23:30 Uhr einen Blutzuckerwert von 22 mg/dl aufgewiesen hatte, ihr anschließend oral Fruchtsaft und Honig gegeben worden sei, woraufhin um 23:45 Uhr ihr Blutzuckerwert bereits wieder 30 mg/dl und um 2:30 Uhr 33 mg/dl, schließlich bei der Kontrollmessung um 3:30 Uhr 123 mg/dl betragen habe, ergibt sich nicht eindeutig aus den vorliegenden Eintragungen. Diese sind, wie bereits unter 3.1.2.9 festgestellt hinsichtlich der Daten (19. oder 20. Dezember 2010) sowie der genauen zeitlichen Abläufe widersprüchlich. Insbesondere ergibt sich aus den vorstehend zitierten Eintragungen nicht, dass bei der Bewohnerin B13 keine Notlage vorgelegen hätte, die die sofortige Konsultation eines Arztes erforderlich gemacht hätte.

In diesem Zusammenhang legt die Klägerin nicht substantiiert dar, weshalb die Annahme des Verwaltungsgerichts, es habe bei einem Blutzuckerwert von 22 mg/dl eine Notlage vorgelegen, die die sofortige Hinzuziehung eines Arztes erforderlich gemacht hätte, unzutreffend sein soll. Dabei kann zunächst dahinstehen, ob die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts zutrifft, es seien bei der Bewohnerin B13 bereits „gewisse Bewusstseinstrübungen“ eingetreten. Jedenfalls hat der als sachverständiger Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2012 vernommene Dr. G (vgl. Bl. 575 der VG-Akte) hierzu bekundet, dass die Pflegekraft angesichts des gemessenen Blutzuckerspiegels von 22 mg/dl zutreffend als Erstmaßnahme Saft mit Honig zugeführt habe, sie indes in der Folge unbedingt einen Notarzt hätte verständigen müssen, da für sie die weitere Entwicklung nicht absehbar gewesen sei. Soweit das Verwaltungsgericht weiter für die Annahme einer Notlage die „allgemeine Lebenserfahrung“ herangezogen hat, ist auch dies nicht zu beanstanden, da allgemeinkundig eine starke Unterzuckerung - diese konzediert auch die Klägerin - potenziell lebensbedrohlich sein kann. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass aufgrund der Eintragung im Dokumentationsblatt „Berichte“ bei der Bewohnerin B13 auch „kalter Schweiß“ festgestellt worden war, was indiziell ebenfalls auf das Vorliegen einer Notlage hinweist. Weshalb angesichts der Zeugenaussage von Dr. G. sowie der angenommenen Allgemeinkundigkeit der Gesundheitsgefahren starker Unterzuckerung die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts unzutreffend sein soll, es wäre zum Zeitpunkt der Feststellung der Unterzuckerung die Hinzuziehung eines Notarztes erforderlich gewesen, legt die Klägerin indes nicht dar. Ihr Vorbringen bleibt auch insoweit unsubstantiiert, als sie hinsichtlich der aus ihrer Sicht mangelnden Fachkunde von Dr. G. auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 1. März 2013, Seite 20 ff., verweist. Ohne Bezug auf den hier konkret in Rede stehenden Pflegemangel bei der Bewohnerin B13 werden in dem genannten Schriftsatz ab S. 21 ff. verschiedene angeblich unzutreffende Prüfbemerkungen von Dr. G. aufgelistet. Weshalb seine Aussage, ein Blutzuckerspiegel von 22 mg/dl erfordere nach Sofortmaßnahmen die Hinzuziehung eines Notarztes, unzutreffend sein soll, lässt sich indes aus dem pauschalen Verweis nicht ablesen. Dass sich die Annahme des Verwaltungsgerichts auf unzutreffende Tatsachen stützt, hat die Klägerin mithin nicht dargelegt.

3.1.2.24 Den vom Verwaltungsgericht weiter angenommenen Pflegemangel durch Verabreichung von Medikamenten ohne oder entgegen ärztlicher Verordnung (vgl. Untersagungsbescheid Ziffer 2.3.8.) widerlegt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht (Zulassungsbegründung S. 52 f.). Soweit sie im Rahmen der Zulassungsbegründung pauschal auf die Ausführungen und Beweisanträge im Schriftsatz des vormaligen Bevollmächtigten vom 5. März 2013, „S. 104 ff.“ im erstinstanzlichen Verfahren verweist, mangelt es bereits an einer hinreichend substantiierten Darlegung. Zwar sind Bezugnahmen auf weitere Schriftsätze auch im Rahmen der Zulassungsbegründung grundsätzlich zulässig. Sie müssen indes so präzise und konkret sein, dass es dem die Zulassung prüfenden Berufungsgericht möglich ist, den genauen Gegenstand der Bezugnahme festzustellen. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, sich aus einem pauschal in Bezug genommen Vorbringen diejenigen Argumente herauszusuchen, die möglicherweise geeignet sind, die Zulassung der Berufung zu begründen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 65). Demgemäß erweist sich der Verweis auf „S. 104 ff.“ des Schriftsatzes vom 5. März 2013, der zur Thematik eines Pflegemangels bei der Medikamentengabe eine Fülle verschiedenster Einlassungen enthält, nicht als hinreichend konkret, einzelne Annahmen des Verwaltungsgerichts zur Praxis der Medikamentengabe der Klägerin durchgreifend in Zweifel zu ziehen.

Auch im Übrigen greift das Zulassungsvorbringen in diesem Punkt nicht durch. So geht das Verwaltungsgericht von der Praxis der Klägerin aus, dass ärztliche Verordnungen von Medikamenten grundsätzlich auch telefonisch durch die behandelnden Ärzte erfolgen können. In diesem Fall erfolge eine entsprechende Eingabe in das EDV-System. Bei „nächster Gelegenheit“ unterschreibe dann der verordnende Arzt einen entsprechenden EDV-Ausdruck, der in der Folge in einem separaten Ordner abgelegt werde. Wenn, wie im vorliegenden Fall, EDV-Ausdrucke mit der Unterschrift des verordnenden Arztes erst einen bzw. mehrere Monate nach der maßgeblichen Heimbegehung erstellt worden sind, liegt auch unter Berücksichtigung der Vorgehensweise der Klägerin der Schluss nahe, dass es zum Zeitpunkt der Verabreichung des Medikaments an der erforderlichen ärztlichen Verordnung gefehlt hat (vgl. hierzu die Fallgestaltung bei VG Hannover, U.v. 9.3.2006 - 11 A 443/06 - juris Rn. 44 ff.). Jedenfalls belegt die Klägerin das Vorliegen einer ärztlichen Verordnung - in welcher Form auch immer - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Medikamentengabe nicht. Von daher kann sie mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen die Zulassung der Berufung nicht erwirken.

Hinsichtlich der einmalig unterbliebenen Marcumargabe bei der Bewohnerin B20 bzw. dem Unterbleiben eines Quicktest an zehn Tagen und daran anschließend einer ausgebliebenen Marcumargabe gesteht die Klägerin insoweit ein „Versehen“ zu, will aber darin einen Pflegemangel nicht erkennen, da - im Fall der einmalig unterbliebenen Marcumargabe - unverzüglich Rücksprache mit dem Hausarzt genommen und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet worden seien. Weshalb hierin kein Pflegemangel in Form der unterlassenen Medikamentengabe liegen soll, macht die Klägerin indes nicht deutlich. Umgekehrt belegt die Erforderlichkeit hausärztlicher Maßnahmen, dass die Pflege hinsichtlich der Gabe des Medikaments „Marcumar“ bei der Bewohnerin B20 nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Auch insoweit kann das Zulassungsvorbringen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel ziehen.

3.1.2.25 Das Vorliegen eines Pflegemangels durch ein hochgezogenes Bettgitter bei der Bewohnerin B13 ohne Vorliegen einer richterlichen Genehmigung (vgl. Untersagungsverfügung Ziffer 2.4.1) stellt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen ebenso wenig durchgreifend in Frage (vgl. Zulassungsbegründung S. 53 - 55). Den Sachverhalt als solchen gesteht sie zu. Soweit sie weiter ausführt, dass die „vermeintlich freiheitsentziehende Maßnahme“ zum Schutz der Bewohnerin geboten, durch den Hausarzt angeordnet und durch die Betreuerin genehmigt worden sei, entkräftet dies die Annahme der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme nicht. Das Fehlen von deren richterlicher Genehmigung ist nur unter der Voraussetzung von § 1906 Abs. 4, Abs. 2 Satz 2 BGB unschädlich (vgl. hierzu Jaschinski in jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2016, § 1906 Rn. 182 ff.). Dass ohne die Einholung der richterlichen Genehmigung eine „Gefahr“ vorgelegen hat, hat die Klägerin nicht dargelegt. Dagegen spricht insbesondere, dass die vorausgehende richterliche Genehmigung des Bettgitters bereits am 28. April 2011, mithin seit mehreren Monaten abgelaufen war, sodass auch von einer „unverzüglichen“ Nachholung nicht ausgegangen werden kann.

Ebenso belegt die Klägerin ihre Behauptung der Entbehrlichkeit der richterlichen Genehmigung aufgrund der fehlenden Bewegungsfähigkeit der Bewohnerin nicht. Denn, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, hat der „anordnende“ Hausarzt der Bewohnerin B13 in zwei Dokumentationsbögen (vom 20. April 2011 und 19. Mai 2011) zwar jeweils die fehlende Einwilligungsfähigkeit aufgrund ihrer Demenz bestätigt, nicht hingegen den von der Klägerin vorgetragenen Umstand, die Bewohnerin sei „völlig immobil und zu willentlichen Bewegungen nicht mehr in der Lage“ in den Dokumentationsbögen entsprechend gekennzeichnet. Mit diesem Umstand setzt sich die Klägerin in der Zulassungsbegründung nicht auseinander.

Dass das Pflegepersonal der Klägerin extern zum Thema „freiheitsentziehende Maßnahmen“ im Rahmen der Qualitätssicherung geschult worden war, führt ebenso wenig zu einer anderen Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts. Ebenso erweist es sich als nicht entscheidungserheblich, ob im vorliegenden Fall der Straftatbestand des § 230 StGB erfüllt worden ist und eine entsprechende Strafanzeige des Beklagten keinen Erfolg gehabt hat. Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht vom Vorliegen eines Pflegemangels ausgegangen.

3.1.2.26 Die Annahme eines Pflegemangels infolge der fehlenden richterlichen Genehmigung bzw. des fehlenden Einverständnisses des Bewohners B22 für die Anbringung eines „Bauchgurts am Stuhl“ am 21. und 23. Februar 2012 (vgl. Untersagungsverfügung Ziffer 2.4.2) tritt die Klägerin in ihrem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht mit durchgreifenden Argumenten entgegen (vgl. Zulassungsbegründung S. 55 f.). Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen einer freiheitsentziehenden Maßnahme durch Anbringen eines „Bauchgurts“ an den genannten Tagen aus entsprechenden Eintragungen auf dem Dokumentationsblatt „Mobilisierungs-/Lagerungs-/Fixierungsplan“ (Nebenakte 7 Teil 2 Bl. 38) abgeleitet (Kürzel 14 bzw. 15 für „Bauchgurt am Stuhl an“ und „Bauchgurt am Stuhl ab“). Dem Vortrag der Klägerin, im vorliegenden Fall habe es sich nicht um einen „Bauchgurt“ als freiheitsentziehende Maßnahme, sondern vielmehr um einen „Sicherheitsgurt“ des verwendeten Rollstuhls gehandelt, hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bereits entgegengehalten, dass in diesem Fall eine Eintragung in den Fixierungsplan nicht erforderlich gewesen wäre.

Im Rahmen der Zulassungsbegründung trägt die Klägerin nunmehr erneut die Anwendung eines „Sicherheitsgurts“ anstelle eines freiheitsentziehenden „Bauchgurts“ vor. In „vereinzelten Fällen“ hätten Pflegekräfte irrtümlich in den Fixierungsplan tatsächlich mit aufgenommen, dass ein Bauchgurt am Stuhl an- bzw. abgelegt worden sei. Dies rechtfertige jedoch nicht den Schluss, es habe sich bei dem Sicherheitsgurt tatsächlich um einen Bauchgurt gehandelt. Damit entkräftet die Klägerin die gerichtliche Sachverhaltswürdigung indes nicht. Denn sie legt weder dar, dass gerade im vorliegenden Fall am 21. und 23. Februar 2011 eine „irrtümliche“ Eintragung in den Fixierungsplan vorgenommen wurde, noch belegt sie, dass beim Bewohner B22 - wie vorgetragen - der Rollstuhl „Classic 140“ unter Benutzung eines Beckengurts als Sicherheitsgurt Anwendung gefunden hat. Von daher ist gegen die gerichtliche Beweiswürdigung nichts zu erinnern. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch ein „Sicherheitsgurt“ an einem Rollstuhl eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellen kann, nämlich dann, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, diesen selbständig zu öffnen. Auch in diesem Fall wäre eine richterliche Genehmigung selbst für die Benutzung eines Sicherheitsgurts erforderlich gewesen.

3.1.2.27 Auch den als Pflegemangel vom Verwaltungsgericht gewerteten nicht fachgerechten Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen durch zu lockeren Sitz des Schultergurts beim Bewohner B23 und des Bauchgurts beim Bewohner B22 (vgl. Untersagungsverfügung Ziffer 2.4.3) wird durch den Vortrag der Klägerin im Zulassungsverfahren (Zulassungsbegründung S. 56 f.) nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Zum zu lockeren Sitz des Schultergurts beim Bewohner B23 äußert sich die Klägerin in der Zulassungsbegründung nicht. Zum zu lockeren Sitz des Bauch- bzw. Beckengurts beim Bewohner B22 wendet die Klägerin wiederum ein, dass es sich nicht um einen Bauchgurt (als freiheitsentziehende Maßnahme), sondern vielmehr um den Sicherheitsgurt (Beckengurt) des verwendeten Rollstuhls gehandelt haben soll. Ungeachtet des Umstands, dass diese Behauptung hinsichtlich der konkreten Prüfungssituation am 24. Februar 2011 nicht belegt wird, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an, da die Annahme eines Pflegemangels allein auf dem zu lockeren Sitz eines Gurtes mit der daraus resultierenden Verletzungsgefahr durch „Herausrutschen“ aus dem Rollstuhl gründet. Auch der - im Übrigen nicht substantiierte - Einwand, der Bewohner B22 sei zum Zeitpunkt der Begehung einwilligungs- und einsichtsfähig gewesen, vermag die Feststellung des zu lockeren Sitz des Gurtes nicht in Zweifel zu ziehen. Ob und inwieweit durch ein „Nachfragen“ beim Bewohner B22 durch Mitarbeiter des Beklagten hätte geklärt werden könne, ob dieser den Gurt selbst und absichtlich gelockert habe, erweist sich als reine Spekulation.

Soweit die Klägerin weiter vorträgt, sie habe durch die Vorlage der Bedienungsanleitungen und Fotos der bei den genannten Bewohnern verwendeten Rollstühle entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts belegt, dass ein Herausrutschen aus dem Rollstuhl nicht möglich gewesen sei und daher eine Strangulierungsgefahr nicht bestanden haben, zieht dies die Auffassung des Verwaltungsgerichts, aus den Bedienungsanleitungen ließen sich keine Rückschlüsse auf den von den Mitarbeitern der Klägerin beanstandeten Sitz der Gurte zum konkreten Prüfungszeitpunkt ziehen, nicht in Zweifel. Dass in diesem Fall die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter der Beklagten einen Pflegemangel eher zu belegen vermag, als die Vorlage von der konkreten Situation losgelöster Bedienungsanleitungen und Fotos, ist offensichtlich.

3.1.2.28 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die in mehreren Bewohnerzimmern und in Sanitärräumen für die Bewohner entweder nicht erreichbaren oder weitgehend funktionsunfähigen Notrufanlagen (vgl. Ziffer 2.8.1 der Untersagungsverfügung) stellten einen Pflegemangel dar, wird durch das Vorbringen der Klägerin in der Zulassungsbegründung (S. 57 - 63) nicht erschüttert. Zum einen genügt die Klägerin insoweit bereits dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht, weil sie sich nicht mit den Gründen der vorliegend streitbefangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts München betreffend die Untersagungsverfügung vom 20. Juli 2011 auseinandersetzt, sondern vielmehr ihre Zulassungsbegründung gegen das weitere Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Juli 2013 (Az. M 17 K 12.5854), das eine heimrechtliche Anordnung betreffend die Notrufglocken vom 22. Juni 2011 zum Gegenstand hat, lediglich teilweise wiedergibt. Indes sind die Entscheidungsgründe der jeweiligen Urteile des Verwaltungsgerichts München nicht deckungsgleich. Während die heimrechtliche Anordnung nach Art. 13 PfleWoqG auf der Grundlage der Heimbegehung vom 31. Mai 2011 ergangen ist, beruht die Annahme eines zur Betriebsuntersagung führenden Pflegemangels nach Ziffer 2.8.2 des streitgegenständlichen Untersagungsbescheids auf weiteren Begehungen vom 28., 29. Juni 2011 und 7. Juli 2011. Demzufolge setzt sich die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründung nicht, wie es erforderlich wäre, mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander, sondern mit den Gründen der Entscheidung vom 10. Juli 2013, Az. M 17 K 12.5854. Sie genügt von daher dem Darlegungsgebot nicht.

Des Weiteren nehmen die von der Klägerin wiedergegebenen Passagen der Zulassungsbegründung lediglich auf einen Teil der vom Verwaltungsgericht angenommenen Pflegemängel Bezug, nämlich die Nichterreichbarkeit von Notrufen in einzelnen Bewohnerzimmern, nicht hingegen auf den weiteren vom Verwaltungsgericht festgestellten Mangel, nämlich die weitgehend funktionsunfähigen Rufglocken in den Nasszellen. Bezüglich letzterer werden mithin schon keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der zugrundeliegenden Tatsachen dargelegt.

Aber auch inhaltlich vermag die wiedergegebene Passage der Zulassungsbegründung aus dem anderen Verfahren die Berufungszulassung im vorliegenden Fall nicht zu begründen. Denn soweit die Klägerin zunächst vorträgt, die vom Verwaltungsgericht für die Feststellung der Nichterreichbarkeit der Rufglocken aus dem Bett herangezogenen, in den Akten befindlichen Fotoaufnahmen, seien, da sie überwiegend lediglich Bildausschnitte zeigten, ungeeignet, ebenso wie die weiter herangezogenen Mitarbeiternotizen, kann sie damit nicht durchdringen. Der Vortrag der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe angesichts der nicht hinreichend aussagekräftigen Fotoaufnahmen andere, genauso wahrscheinliche Geschehensabläufe bzw. Sachverhaltsfeststellungen, auf die die Klägerin hingewiesen habe, außer Acht gelassen und sei folglich von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, reicht nicht aus, eine rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung anzunehmen. Denn allein die Behauptung, der Sachverhalt könne aufgrund der vorliegenden Beweismittel - hier der Fotoaufnahmen und der Mitarbeiternotizen - auch anders als vom Verwaltungsgericht in der Beweiswürdigung vorgenommen, interpretiert werden, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Vielmehr hätte die Klägerin darlegen müssen, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar ist, logische Brüche oder Widersprüche aufweist. Dies leistet die Zulassungsbegründung der Klägerin im Kontext der Frage der Bedienbarkeit von Notrufglocken indes nicht.

Betreffend die Bew. 1 (Bezeichnung aus dem Bescheid vom 11. Juli 2011) und die Abbildung NA 3 Bl. 155, die ein mehrfach um das Bettgitter geschlungenes Kabel zeigt, wobei sich die jeweiligen Fortführungen des Kabels jeweils unter dem Bett befinden, will die Klägerin die anderweitige Erreichbarkeit der Notrufglocke als ebenso wahrscheinliche Interpretation des Bildes verstanden wissen. Darüber hinaus sei auch fraglich, ob sich aus der eine Momentaufnahme darstellenden Situation eine abstrakte Gefahr für den Bewohner ableiten lasse, da die Aufnahme auch nach dem Aufstehen des Bewohners aus dem Bett hätte gemacht sein können, wobei der Notruftaster zwischen Wand und Bettdecke hätte fallen und beim Richten des Betts wieder auf die Bettdecke hätte gelegt worden sein können. Wie dieses Beispiel zeige, erwiesen sich die Anforderungen, die das Verwaltungsgericht in der Beweiswürdigung stelle, als praxisfern. Hinzu komme, dass das Umwickeln des Bettgitters mit dem Kabel des Notruftasters auch der Erleichterung des Zugriffs auf den Notruf für die Bewohner dienen könne, da diese regelmäßig den Notruftaster anhand des Kabels ertasten würden. Angesichts des vorstehend Ausgeführten reicht dieser Vortrag der Klägerin allerdings nicht aus, eine fehlende Nachvollziehbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung, insbesondere deren Widersprüchlichkeit anzunehmen. Denn das in den Akten befindliche Foto (Nebenakte 3 Bl. 155) erlaubt mit gleicher Wahrscheinlichkeit die Annahme, aufgrund der mehrfachen Umwicklung des Bettgitters mit dem Kabel des Notruftasters sei dieser für die Bewohner nicht erreichbar gewesen.

Dies gilt in gleicher Weise auch für die Feststellungen hinsichtlich der Notrufglocke beim Bew. 2 (Nebenakte 3 Bl. 157). In diesem Fall wird die Fotoaufnahme durch die Notiz einer Mitarbeiterin des Beklagten, bei der zugrundeliegenden Heimbegehung sei im genannten Fall die Notrufglocke nicht erreichbar gewesen, ergänzt. Hierzu führt die Klägerin aus, es sei nicht erkennbar gewesen, ob die Bewohnerin sich zum Zeitpunkt der Aufnahme im Bett befunden habe. Darüber hinaus sei es auch möglich, dass eine Rufglocke beim Aufstehen des Bewohners oder bei anderer Gelegenheit aus dem Bett gefallen und beim nächsten Kontrollgang dem Bewohner wieder ins Bett gelegt worden sei. Die Annahme, dass der Bewohner durch die Lage des Notruftasters einer potentiellen Gefahr ausgesetzt gewesen sei, sei mithin unhaltbar. Hiermit kann die Klägerin erneut nicht darlegen, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts trotz denkbarer „anderer“ Geschehensabläufe widersprüchlich und nicht nachvollziehbar ist. Auch soweit die Klägerin mit ihren „alternativen“ Sachverhaltsfeststellungen eine Gefahr für den betroffenen Bewohner ausschließen möchte, kann sie damit nicht durchdringen. Denn bei der im Rahmen der Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG anzustellenden Gefahrenprognose kommt es, wie bereits mehrfach ausgeführt, nicht darauf an, dass aus dem Pflegemangel eine (Gesundheits-)Gefahr für den betroffenen Bewohner tatsächlich entstanden ist, sondern dass im Wiederholungsfall, d.h. bei erneuter Umwicklung des Bettgitters mit dem Notruftasterkabel, möglicherweise eine Gefährdung des jeweiligen Bewohners aufgrund der Nichterreichbarkeit des Notruftasters mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten kann. Diesen allein maßgeblichen Schluss lassen sowohl die Fotoaufnahme (Nebenakte 3 Bl. 157) wie auch die Notizen der Mitarbeiterin des Beklagten zu.

Soweit die Klägerin mit Blick auf die Bew. 3 (Nebenakte 3 Bl. 163) und Bew. 6 (Bl. 171) darauf hinweist, dass auf dieser Aufnahme neben einem Kabelauslass an der Wand oberhalb des Bettes auch ein Notrufschalter zu erkennen sei, sodass ungeachtet dessen, wo sich die Notrufglocke befunden habe, für den Bewohner jedenfalls die Möglichkeit bestanden habe, durch Betätigen des Schalters einen Notruf abzusetzen, zieht auch dieses Vorbringen die Annahme vom Vorliegen eines Pflegemangels nicht durchgreifend in Zweifel. So fehlt es insbesondere an der Darlegung, dass dieser Schalter für die entsprechenden Bewohner aufgrund deren körperlicher Situation auch tatsächlich erreichbar war. Dies ist aufgrund der Lage des Schalters hinter dem Kopfende des Betts (Bl. 163) bzw. erhöht an der Wand über dem Bett (Bl. 171) durchaus zweifelhaft. Dass die Klägerin mit dem Vorhalten der Notrufschalter neben den Notrufglocken ihre Verpflichtung aus § 7 HeimMindBauV erfüllt haben will, ist insoweit unerheblich.

Mithin vermögen die Darlegungen der Klägerin zur Frage der Erreichbarkeit von Notrufschaltern bzw. Notrufglocken in den Badezimmern eine unrichtige Beweiswürdigung oder die Annahme eines unzutreffenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht zu belegen.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass die Zulassungsbegründung der Klägerin die tatsächlichen Feststellungen bzw. die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung nicht durchgreifend in Frage gestellt hat, sodass diesbezüglich die Zulassung der Berufung ausscheidet.

3.2 Das Verfahren weist weiterhin keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten.

Die Berufungszulassung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten setzt voraus, dass die Klägerin Rechts- oder Tatsachenfragen darlegt, die nicht bereits im Berufungszulassungsverfahren geklärt werden können und die eine höhere, normale Verwaltungsstreitverfahren übersteigende Komplexität aufweisen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im vorgenannten Sinne zeigt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen indes nicht auf.

3.2.1 Soweit die Klägerin eine besonders schwierige und komplexe Rechtsfrage darin erblickt, welche Anforderungen angesichts des zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit an Dokumentations- und Pflegemängel zu stellen sind, um eine Betriebsuntersagung auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG zu rechtfertigen, legt sie einen durchgreifenden Berufungszulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dar. Denn die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen einer sicherheitsrechtlichen Anordnung - eine solche stellt die Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG dar - ist durch die Rechtsprechung hinreichend konturiert, insbesondere mit Blick auf den gefahrenabwehrrechtlichen Prognosemaßstab. Wann daher Dokumentations- und Pflegemängel eine Betriebsuntersagung rechtfertigen, lässt sich, wie unter 3.1.1.1 gezeigt, durch die Anwendung gefahrenabwehrrechtlicher Grundsätze ermitteln. Eine besonders schwierige Rechtsfrage, die sich nicht bereits im Berufungszulassungsverfahren klären lässt, liegt folglich nicht vor.

3.2.2 Dies gilt des Weiteren auch für die Frage, inwiefern eine Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG bei vorangegangenen Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 PfleWoqG das (explizite) Setzen einer Frist erfordert. Auch diese Rechtsfrage lässt sich, wie unter 3.1.1.3 gezeigt, bereits im Berufungszulassungsverfahren beantworten. Die Klägerin blendet - ungeachtet der Nichterfüllung des Darlegungsgebots nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO - bereits den Umstand aus, dass Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG keine Fristsetzung für Anordnungen zur Mängelbeseitigung verlangt, d.h. Anordnungen grundsätzlich auch „ab sofort“ getroffen werden können. Von daher stellt sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage fehlender Fristen bei Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 PfleWoqG nicht. Zudem übersieht die Klägerin, dass es sich bei den Erwägungen zur Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG um eine Hilfserwägung handelt, die deshalb nicht zum Tragen kommt, weil der Beklagte bereits eine rechtmäßige Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG verfügt hat. Besondere rechtliche Schwierigkeiten gebieten daher diesbezüglich die Durchführung eines Berufungsverfahrens ebenfalls nicht.

3.2.3 Besondere rechtliche bzw. tatsächliche Schwierigkeiten weist schließlich auch die von der Klägerin thematisierte Frage nicht auf, ob es zum Beleg für durchgeführte Pflegemaßnahmen ausreicht, in der Pflegedokumentation pauschal ein Maßnahmebündel abzuhaken oder ob darüber hinaus eine Beschreibung konkret durchgeführter Pflegemaßnahmen erforderlich sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hierin keine überdurchschnittlich komplexe Grundsatzfrage der „Entbürokratisierung der Pflege“, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich macht. Die Frage kann vielmehr mit Blick auf Sinn und Zweck der Pflegedokumentation, insbesondere auf die Transparenzfunktion, unschwer beantwortet werden. Auf die Ausführungen oben sub 3.1.1.1 hierzu wird verwiesen. Es liegen diesbezüglich daher keine besonders schwierigen Tatsachen- oder Rechtsfragen vor, die die Zulassung der Berufung gebieten würden.

3.3 Die von der Klägerin weiterhin als Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachtegrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt ebenfalls nicht vor.

Einer Rechtsfrage kommt dann grundsätzliche Bedeutung mit der Notwendigkeit der Durchführung eines Berufungsverfahrens zu, wenn sie sich im konkreten Fall entscheidungserheblich stellt, sich nicht durch Subsumtion unter den Gesetzestext oder durch Heranziehung der bisher ergangenen Rechtsprechung beantworten lässt und ihr über den konkreten Einzelfall hinaus für weitere Fälle Bedeutung zukommt. Eine derartige Rechtsfrage hat die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht aufgeworfen.

3.3.1 Dies gilt zunächst, soweit sie der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 in Verbindung mit Art. 7 PfleWoqG unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 oder Art. 15 Abs. 2 PfleWoqG rechtfertigt.

Nachdem Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG die Pflicht zur Betriebsuntersagung dann statuiert, wenn „die Anforderungen des Art. 3 nicht erfüllt sind und Anordnungen nicht ausreichen“, Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 PfleWoqG die Sicherstellung durch Träger und Heimleitung verlangt, dass „für pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzungen aufgezeichnet werden“, sowie Art. 7 PfleWoqG ergänzend den Träger verpflichtet, nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung Aufzeichnungen über den Betrieb einer stationären Einrichtung zu machen und Qualitätssicherungsmaßnahmen und deren Ergebnisse so zu dokumentieren, dass der ordnungsgemäße Betrieb festgestellt werden kann, lässt sich die von der Klägerin mit Blick auf Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG formulierte Frage bereits aus dem Gesetz heraus beantworten. Hinzu kommt, dass zu den von der Klägerin angesprochenen Dokumentationsmängeln als Grundlage einer Betriebsuntersagung bereits Rechtsprechung - nämlich der mehrfach vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2011 (B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/ 10 - juris) - vorliegt, der dies ausdrücklich bejaht. Die weitergehende Frage, welche Auswirkungen die verfassungsrechtlich gebotene Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Dokumentationsmängeln zeitigt, ist indes einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, sondern nur im konkreten Einzelfall zu beantworten. Mit dieser Fragestellung lässt sich daher die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht erwirken.

Soweit die Klägerin der identischen Fragestellung auch mit Blick auf die Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 PfleWoqG grundsätzliche Bedeutung beimessen will, fehlt es bereits an einer hinreichenden Konkretisierung, weil sie weder darlegt, welche Tatbestandsalternativen von Art. 15 Abs. 2 PfleWoqG angesprochen sein sollen, noch welcher Zusammenhang zum Qualitätserfordernis des Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 PfleWoqG besteht.

3.3.2 Auch der weiteren, von der Klägerin formulierten Rechtsfrage, ob eine Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG erfolgen kann, wenn Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 PfleWoqG nicht unter Angabe einer Frist ausgesprochen wurden, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Sie ist im vorliegenden Verfahren schon nicht entscheidungserheblich, weil sowohl der Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Betriebsuntersagung auf Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG und nur hilfsweise bzw. alternativ auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG gestützt haben. Angesichts der Rechtmäßigkeit der auf Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG gestützten Betriebsuntersagung kommt es daher auf die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich an. Im Übrigen würde sie sich in der Form im vorliegenden Verfahren auch nicht stellen, weil die Klägerin auf Tatbestandsseite unterstellt, dass Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1, 2 PfleWoqG ohne Angabe einer Frist ausgesprochen worden seien, und sie damit außer Acht lässt, dass die Anordnungen ohne explizite Fristsetzung auch „ab sofort“ Geltung beanspruchen können. Auch deswegen erweist sich die Fragestellung nicht als entscheidungserheblich.

3.3.3 Soweit die Klägerin weiter ausführt, dass sich im vorliegenden Verfahren wie im Verfahren 12 ZB 13.2101 die Grundsatzfrage stelle, ob Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG die in speziellen Verordnungen ausdrücklich geregelten und ihnen vorbehaltenen Anforderungen an technische und bauliche Gegebenheiten in einem Pflegeheim konkretisiere bzw. ausweite, kann sie hiermit ebenfalls nicht durchdringen.

Denn bezogen auf § 7 HeimMindBauV führt das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Entscheidung - anders als in der von der Klägerin zitierten Textpassage (S. 81 der Zulassungsbegründung), die aus dem Urteil des VG München vom 10. Juli 2013, Az. M 17 K 12.5854, S. 23 stammt - Folgendes aus:

„Auch der klägerische Vortrag, § 7 HeimMindBauV sei insoweit erfüllt, da die Räume entsprechend dieser Vorschrift mit vom Bett aus bedienbaren Rufanlagen ausgestattet seien, verfängt nicht. § 7 HeimMindBauV beschreibt nur die baulichen Mindestanforderungen. Das Argument, eine grundsätzlich vorhandene, aber nicht voll funktionstüchtige Notrufanlage im Bad sei gleichzustellen mit einer nicht vorhandenen und bleibe beim Fehlen einer ausdrücklichen Verpflichtung zur Ausstattung ohne Folgen, greift daher nicht. Eine tatsächlich vorgehaltene Rufanlage hat jedenfalls gemäß den Vorgaben des Herstellers installiert, voll funktionsfähig und ihrem Zweck entsprechend bedien- und erreichbar zu sein.“

Damit misst das Verwaltungsgericht der Regelung des § 7 HeimMindBauV für die erörterte Frage des Vorliegens eines Pflegemangels gerade keine ausschlaggebende Bedeutung bei. Demzufolge ist die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage nach der Modifikation „spezieller Verordnungen“ durch Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, da das Verwaltungsgericht allein auf das tatsächliche Vorhandensein und die Nichtbedienbarkeit der Notrufanlagen als Pflegemangel abgestellt hat.

3.3.4 Soweit schließlich die Klägerin grundsätzliche Bedeutung in der Frage sieht, ob im Verwaltungsverfahren nachgereichte ärztliche Atteste und sonstige Dokumente im Nachgang einer Heimbegehung die dortigen Feststellungen widerlegen können, obwohl sie nicht Gegenstand der Pflegedokumentation sind, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.

Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die in der Zulassungsbegründung (S. 84 - 86) hierzu gegebenen Erläuterungen sich auf die Frage beziehen, ob angesichts nachgereichter Atteste gleichwohl eine Anordnung nach Art. 13 Abs. 2 PfleWoqG ergehen kann. Eine derartige Anordnung ist indes nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Sie ist vielmehr Gegenstand des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 10. Juli 2013, Az. M 17 K 5854, gegen das ein Antrag auf Zulassung der Berufung unter dem Az. 12 ZB 13.2101 ebenfalls beim Senat anhängig ist. Weshalb sich die dem Verfahren 12 ZB 13.2101 zugehörige Rechtsfrage auch im vorliegenden Verfahren stellen soll, legt die Klägerin nicht dar.

Soweit sich das Verwaltungsgericht im streitgegenständlichen Verfahren mit nicht funktionsfähigen Rufglocken als Pflegemangel beschäftigt und dazu ausgeführt hat, dass, soweit zu späteren Zeitpunkten, d.h. nach der Heimbegehung am 31. Mai 2011, im Juni und Juli 2011 unterzeichnete Atteste und Erklärungen vorgelegt wurden, diese für die Feststellung von Mängeln am 31. Mai 2011 aufgrund der verspäteten Vorlage unerheblich gewesen sein sollen, stellt sich die von der Klägerin formulierte Frage nicht. Denn im Juni und Juli 2011 ausgestellte Atteste können das Vorliegen eines bestimmten Zustands, in diesem Fall eines bestimmten Heimbewohners im Mai 2011 nicht belegen. Insoweit sind sie auch „verspätet“ vorgelegt worden. Worin hier eine Frage rechtsgrundsätzlicher Bedeutung liegen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

3.3.5 Auch wenn die Klägerin schließlich im Gewand der Divergenzrüge aus der behaupteten Abweichung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2011 (Az. 12 A 241/10 - juris) die grundsätzliche Bedeutung sich konkret stellender Rechtsfragen ableiten will, dringt sie damit nicht durch.

Sinngemäß erachtet die Klägerin dabei die angeblich vom Verwaltungsgericht München und dem OVG Nordrhein-Westfalen unterschiedlich beantwortete Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob allein aufgrund von Dokumentationsmängeln, insbesondere der Annahme einer lückenhaften und widersprüchlichen Dokumentation, eine erhebliche abstrakte Gefahr für die Heimbewohner resultieren könne, die ihrerseits eine Betriebsuntersagung rechtfertige. Diese Frage stellt sich indes im vorliegenden Verfahren deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht die Betriebsuntersagung nicht allein aufgrund von Dokumentationsmängeln für gerechtfertigt gehalten, sondern hierfür auch Pflegemängel herangezogen hat. Dies gilt in gleicher Weise für die Annahme eines sog. „Schwellenwerts“ von Dokumentationsmängeln bei einem Drittel der Heimbewohner für die Betriebsuntersagung. Im Übrigen knüpft, wie oben sub 3.1.1.1 dargestellt, die Betriebsuntersagung eines Heimes nicht an ein quantitatives, sondern ein qualitatives Kriterium an, insofern als aus der Feststellung bestimmter Mängel - darunter auch Dokumentationsmängel - eine Gefährdungsprognose der Heimbewohner in der Zukunft abgeleitet wird. Von daher kommt auch der Frage der Erforderlichkeit der Überschreitung eines bestimmten Schwellenwerts zur Rechtfertigung einer heimrechtlichen Betriebsuntersagung im vorliegenden Fall keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, die die Zulassung der Berufung rechtfertigt.

3.4 Auch die von der Klägerin als Zulassungsgrund vorgetragene Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt nicht vor.

In ihrem Vortrag zu den Zulassungsgründen, mit denen die Klägerin eine Abweichung des Verwaltungsgerichts München vom Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2011 (Az. 12 A 214/10 - juris) rügt, übersieht sie, dass eine die Zulassung der Berufung rechtfertigende Divergenz zur Rechtsprechung nicht irgendeines Oberverwaltungsgerichts, sondern vielmehr zur derjenigen des örtlich zuständigen Oberverwaltungsgerichts vorliegen muss. Lediglich die Abweichung von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - neben derjenigen des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundesverfassungsgerichts - führt, sofern die maßgebliche Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, zur Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Abweichungen des Verwaltungsgerichts München von der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen können daher nicht zur Berufungszulassung führen.

3.5 Schließlich führt das Vorbringen der Klägerin auch, soweit sie sinngemäß Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts als Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend macht, nicht zur Zulassung der Berufung.

3.5.1 Soweit die Klägerin bezogen auf Ziffer 2.1.3 der streitbefangenen Betriebsuntersagung vorträgt, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und damit, jedenfalls sinngemäß, einen Verstoß gegen § 86 VwGO behauptet, ferner vorträgt, das Verwaltungsgericht habe ihren in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2013 gestellten Beweisantrag unzulässigerweise abgelehnt, kann sie damit nicht durchdringen. Hinsichtlich der Aufklärungsrüge fehlt es bereits an der Darlegung, welchen gemessen an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Sachverhalt die Kammer hätte aufklären sollen, welche Beweismittels sich hierfür angeboten hätten und welches Beweisergebnis eine Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätte. Das Verwaltungsgericht würdigt Ziffer 2.1.3 der Untersagungsverfügung ausschließlich unter dem Aspekt eines Dokumentationsmangels. Hierzu trägt die Klägerin indes nichts vor; sie gesteht diesen Mangel vielmehr zu. Soweit sie, auch mit ihrem Beweisantrag, eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Bewohnerin B2 nicht aufgrund des Dokumentationsmangels, sondern aufgrund einer einmalig geringen Flüssigkeitszufuhr am 21. Juni 2011 geklärt haben möchte, ist dies, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, bereits nicht entscheidungserheblich. Auf die weitere Frage, ob es sich bei dem Beweisantrag um einen sog. Ausforschungsbeweisantrag gehandelt hat, kommt es daher nicht mehr an. Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts sind diesbezüglich nicht erkennbar.

3.5.2 Auch die weitere Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte im Zusammenhang mit den zu Ziffer 2.1.5 des Untersagungsbescheids festgestellten Dokumentationsmängeln ein beantragtes Sachverständigengutachten eines Pflegesachverständigen zu der Frage einholen müssen, „ob aufgrund der in der Pflegedokumentation des Bewohners B4 ausgewiesenen geplanten und durchgeführten Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe von einer ordnungsgemäßen Dokumentation ausgegangen werden“ könne und dass dieses Gutachten ergeben hätte, „dass ein Dokumentationsmangel nicht vorgelegen“ hätte, geht fehl.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts München vom 11. Juli 2013 (Bl. 2828 der VG-Akte) hat die Klägerin zum Bewohner B4 folgenden Beweisantrag gestellt:

„Es wird die Einholung eines Gutachtens eines Pflegesachverständigen beantragt, ob aufgrund der in der Pflegedokumentation des Herrn P. (= Bewohner B4) ausgewiesenen geplanten und durchgeführten Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe diese als ausreichend und dem Standard in der Pflege entsprechend zu bewerten sind.“

Mithin hat der Beweisantrag allein die Frage zum Gegenstand, ob die Klägerin - gemessen an der vorliegenden Dokumentation - ausreichende Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe beim Bewohner B4 getroffen hatte. Diese Frage ist indes nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Urteilsfindung, mithin nicht entscheidungserheblich. Einen auf das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Dokumentation gerichteten Beweisantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Ihre entsprechende Aufklärungsrüge geht daher fehl, da auch sonst nicht ersichtlich ist, dass sich dem Gericht eine entsprechende Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.

3.5.3 Auch die Rüge der Klägerin, im Zusammenhang mit Ziffer 2.1.6 des streitbefangenen Untersagungsbescheids hätte das Verwaltungsgericht angesichts des Beweisantrags „das Gutachten eines Pflegesachverständigen einzuholen, dass aufgrund der in der Pflegedokumentation der Bewohner B6, B7 und B8 beschriebenen Probleme, Ressourcen und Maßnahmen der Dekubitusprophylaxe für diese Bewohner als ausreichend zu betrachten sind“ ein Sachverständigengutachten einholen müssen und habe insoweit seine Pflicht zur Amtsvermittlung verletzt, greift nicht durch. Denn die Frage, ob die „Ressourcen und Maßnahmen der Dekubitusprophylaxe“ bei den genannten Bewohnern als ausreichend zu betrachten sind, stellt sich angesichts der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, es lägen Dokumentationsmängel vor, nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen legt die Klägerin auch nicht dar, worin konkret eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das Verwaltungsgericht gelegen haben soll. Weshalb die Wahrunterstellung des Umstands, dass die Lagerung der Bewohnerin B5 am 23. Februar 2011 durch die Zeugin R. fachgerecht erfolgt und die Dokumentation am folgenden Tag nachgeholt worden sei, nicht zutreffen soll, wird ebenfalls nicht näher erläutert. Die Frage, ob insoweit ein Dokumentationsmangel vorliegt, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Weshalb diese unzutreffend sein soll, legt die Klägerin ebenfalls nicht dar (vgl. hierzu sub. 3.1.2.4).

3.5.4 Fehl geht ebenfalls die Aufklärungsrüge betreffend das Vorbringen zu Ziffer 2.1.8 des Untersagungsbescheids. Hierfür erweist sich bereits das Vorbringen in der Zulassungsbegründung, das Verwaltungsgericht hätte „zumindest dem Sachvortrag der Klägerin und dem Beweisantrag gemäß Schriftsatz vom 5.3.2013, S. 89 ff. nachgehen müssen“, als zu unbestimmt. Die Klägerin unterlässt es insoweit, den konkreten Sachvortrag zu benennen, der - unter Berücksichtigung der Rechtsposition des Verwaltungsgerichts - zu ermitteln gewesen wäre. Sie geht insbesondere nicht darauf ein, dass das Verwaltungsgericht bereits unterstellt hatte, dass die Bewohnerin B12 nicht unter Schmerzen gelitten habe, sondern ihr Jammern und Stöhnen demenziell bedingt gewesen war, sodass sich eine Befragung des Arztes hierzu erübrigt hatte. Ferner gestaltet sich der Verweis auf den „Beweisantrag vom 5.3.2013, S. 89 ff.“ als nicht eindeutig, da sich auf Seite 89 des Schriftsatzes des vormaligen Bevollmächtigten der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Bl. 1271 der VG-Akte) zunächst ein Beweisantrag zur Bewohnerin B11 findet, der die Bewohnerin B12 betreffende Beweisantrag sich hingegen erst auf S. 93 des angesprochenen Schriftsatzes findet. Soweit danach Beweis durch Vernehmung des Hausarztes der Bewohnerin zu der Frage erhoben werden soll, „ob die Bewohnerin B12 überhaupt unter Schmerzen litt und Schmerzmedikamente erhalten musste“ bzw. ob der Hausarzt „vom Seniorenheim I. fortlaufend über die Schmerzäußerungen der Bewohnerin B12 unterrichtet wurde“, erweisen sich die unter Beweis gestellten Tatsachen hinsichtlich der vom Gericht angenommenen Dokumentationsmängel als nicht entscheidungserheblich. Auch in diesem Zusammenhang ist ferner auf die vom Gericht angenommene Wahrunterstellung zu verweisen. Ein Verfahrensfehler ist mithin von der Klägerin nicht dargetan.

3.5.5 Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung zur Frage der Unterernährung der Bewohnerin B12 (Untersagungsverfügung Ziffer 2.1.9) vorträgt, das Gericht hätte im Zweifel Beweis erheben müssen, legt sie einen sinngemäß geltend gemachten Verfahrensmangel nicht durchgreifend dar. Denn die vom vormaligen Bevollmächtigten der Klägerin zu diesem Themenkomplex im Schriftsatz vom 5. März 2013 (Bl. 1278 der VG-Akte) formulierten und in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2013 gestellten Beweisanträge betreffend die Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Ernährungswissenschaftlers zum Ernährungszustand der Bewohnerin B12 sowie der Vernehmung von deren Tochter zu den Essgewohnheiten und ihrem Wunsch, keine Ergänzungsnahrung zu verabreichen, erweisen sich damit als nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht einen Pflegemangel im Unterlassen der Erstellung einer individuellen Ernährungsplanung gesehen hat, das die Klägerin selbst zugesteht.

3.5.6 Mit Blick auf den vom Verwaltungsgericht angenommenen Pflegemangel bei der Bewohnerin B13 - keine sofortige Verständigung eines Notarztes nach festgestellter starker Unterzuckerung von 22 mg/dl - rügt die Klägerin sowohl einen Verstoß gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO wie auch die fehlerhafte Behandlung des von ihr in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2013 gestellten Beweisantrags.

Die Aufklärungsrüge erweist sich indes bereits als nicht hinreichend substantiiert. Das Verwaltungsgericht stützt seine Auffassung, der festgestellte Blutzuckerspiegel von 22 mg/dl hätte nach Sofortmaßnahmen die umgehende Verständigung eines Notarztes erfordert, zum einen auf die Bekundung des sachverständigen Zeugen Dr. G., auf allgemeinkundiges Erfahrungswissen sowie auf die in einem anderen Fall von der Klägerin bei einem Blutzuckerspiegel eines anderen Bewohners von 48 mg/dl erfolgte Notarztverständigung. Weshalb es angesichts dessen gleichwohl der Einholung eines internistischen Sachverständigengutachtens bedurft hätte, legt die Klägerin nicht dar. Allein die durch einen Pauschalverweis auf einen erstinstanzlichen Schriftsatz (Schriftsatz vom 1. März 2013, S. 20 ff.) behauptete „Befangenheit“ von Dr. G. reicht nicht aus, um die Notwendigkeit einer sachverständigen Abklärung zu begründen.

In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht auch den entsprechenden Beweisantrag der Klägerin nicht fehlerhaft abgelehnt. Dieser lautete wie folgt:

„Das Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin (Internisten) einzuholen, ob die Pflegefachkraft des Seniorenheims I. am 20.12.2011 wegen der Unterzuckerung der Frau R. (B 13) 22 mg/dl um 23:30 Uhr unbedingt und zwingend sofort den Notarzt hätte rufen müssen, obwohl ihr die Disposition der Bewohnerin sehr gut bekannt war und keine Bewusstlosigkeit vorlag, d.h. die Bewohnerin ansprechbar blieb und reagierte, oder ob die Gabe von Saft mit Honig als Sofortmaßnahme mit engmaschiger Verlaufsbeobachtung und BZ-Kontrollen ausreichend war.“

Damit enthält der Beweisantrag Sachverhaltsunterstellungen, nämlich - anders als das Verwaltungsgericht meint - dass der Pflegefachkraft „die Disposition der Bewohnerin sehr gut bekannt war“. Darüber hinaus reproduziert er die Unsicherheiten im zeitlichen Anlauf aufgrund der mangelhaften Dokumentation durch die Klägerin, aus der eindeutig ablesbar allein der Umstand ist, dass die Bewohnerin am 20. Dezember 2011 um 2:30 Uhr einen Blutzuckerspiegel von 22 mg/dl aufgewiesen habe, der sich indes bei einer Kontrollmessung um 3:30 Uhr wieder auf 123 mg/dl erhöht habe. Demzufolge kommt es auf die Frage, ob am 20. Dezember 2011 um 23:30 Uhr ein Blutzuckerspiegel von 22 mg/dl vorgelegen hat, nicht entscheidungserheblich an. Überdies erachtet das Verwaltungsgericht den Beweisantrag auch zutreffend als ungeeignet, weil nicht ersichtlich ist, wie der genaue gesundheitliche Zustand der Bewohnerin B13 in der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 2011 zweieinhalb Jahre später durch ein Sachverständigengutachten reproduziert werden kann. Die Ablehnung des Beweisantrags erweist sich damit nicht als verfahrensfehlerhaft.“

3.5.7 Soweit die Klägerin schließlich allgemein vorträgt (S. 64 des Schriftsatzes vom 2. November 2013), das Verwaltungsgericht hätte „den zahlreichen Beweisanträgen nachgehen müssen, da es zum Einen um die Frage ging, inwieweit die Pflegedokumentationen Mängel aufwiesen und ob Bewohnerinnen und Bewohner einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt waren“, wobei diese Fragen angesichts fehlender Expertise bei den Mitarbeitern des Beklagten wie auch beim Verwaltungsgericht nur durch Sachverständige hätten geklärt werden können, fehlt es mangels hinreichender Konkretisierung eines angeblichen Verfahrensfehlers bereits an der erforderlichen Substantiierung des Zulassungsvorbringens. Mit diesem Vortrag lässt sich die Zulassung der Berufung wegen behaupteter Verfahrensfehler nicht erreichen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die sinngemäß von der Klägerin behauptete Verfahrensfehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht besteht und damit ein Berufungszulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vorliegt.

4. Soweit die Klägerin über das vorstehend behandelte Zulassungsvorbringen in der Zulassungsbegründung vom 2. November 2013 hinaus in ihren Schriftsätzen vom 26. Mai 2014 und 7. Dezember 2015 - jeweils Repliken auf die Antragserwiderung des Beklagten - weitere Zulassungsgründe bzw. zulassungsrelevante Umstände betreffend das streitbefangene Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. Juli 2013 vorträgt, sind diese infolge des Ablaufs der Zulassungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht zu berücksichtigen. Nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist besteht lediglich die Möglichkeit, innerhalb der Frist bereits vorgetragene Zulassungsgründe inhaltlich zu vertiefen.

Für die Prüfung der Zulassung der Berufung ebenfalls nicht relevant erweist sich das Vorbringen der Klägerin in den genannten Schriftsätzen, soweit dieses sich nicht mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung, sondern vielmehr mit dem Vortrag der Beklagten in den Erwiderungsschriftsätzen vom 15. Januar 2014 (einschließlich beigefügter Stellungnahme des Landratsamts T. vom 13. Januar 2014) und 10. Juli 2014 (einschließlich Stellungnahme des Landratsamts T. vom 7. Juli 2014 sowie der Regierung von O. vom 30. Juni 2014) inhaltlich auseinandersetzt. Die Richtigkeit der Ausführungen des Beklagten in den genannten Schriftsätzen bildet indes keinen Gegenstand der Zulassungsprüfung.

4.1 Gemessen an dem Vorstehenden nicht zu berücksichtigen sind im Schriftsatz der Klägerin vom 26. Mai 2014 zunächst ihre Darlegungen zum Vorliegen eines Pflegemangels wegen Nichterreichbarkeit bzw. nur eingeschränkter Funktionsfähigkeit von Rufglocken in den Nasszellen mehrerer Bewohnerzimmer (vgl. Untersagungsverfügung Ziffer 2.8.1; ferner oben sub 3.1.2.26). Hierzu fehlen entsprechende Ausführungen im fristgemäß eingegangenen Zulassungsbegründungsschriftsatz vom 2. November 2013 (dort auf den Seiten 57 - 63). Soweit im Rahmen des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Frage des Zusammenhangs zwischen Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG und § 7 HeimMindBauV weitere Erwägungen angestellt werden, beziehen sich diese, wie sub 3.3.3 dargestellt, nicht auf die vorliegend streitgegenständliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Die Berücksichtigung des genannten Vorbringens im Schriftsatz vom 26. Mai 2014 kommt daher aufgrund der bereits abgelaufenen Begründungsfrist nicht in Betracht. Dies gilt in gleicher Weise, soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 86 VwGO darin erblicken will, dass das Verwaltungsgericht zur Frage, ob der körperliche oder geistige Zustand der Bewohner die Benutzung von Notrufeinrichtungen von vornherein ausgeschlossen habe, weder die nachgereichten Atteste der behandelnden Ärzte berücksichtigt noch die Ärzte zu dieser Frage als sachverständige Zeugen vernommen habe. Die entsprechende Rüge findet sich im Zulassungsbegründungsschriftsatz vom 3. November 2011 nicht, wie generell darauf hinzuweisen ist, dass die Klägerin im genannten Schriftsatz Verfahrensmängel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO explizit nicht gerügt hat.

Ebenso wenig kann die Rüge der Klägerin Berücksichtigung finden, das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil bei der Anwendung von Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere eine Abwägung zwischen den Interessen der Klägerin und den vermeintlichen Rechtsgutsbeeinträchtigungen der Heimbewohner sowie die Prüfung, ob andere Anordnungen nicht ausgereicht hätten, die vermeintlichen Mängel zu beheben, unterlassen, was ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründe. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Betriebsuntersagung, die das Verwaltungsgericht im Übrigen entgegen dem Vortrag der Klägerin auf Seite 57 des Entscheidungsumdrucks behandelt, hat die Klägerin indes in der im Rahmen der Zulassungsbegründungsfrist eingegangenen Zulassungsbegründung vom 2. November 2013 (dort S. 69 - 72) lediglich als fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt, dass das Verwaltungsgericht die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten erforderliche Differenzierung von einzelnen Dokumentationsfehlern und strukturellen Dokumentationsmängeln nicht hinreichend herausgearbeitet habe, ferner, dass es rechtsfehlerhaft der Annahme struktureller Dokumentationsmängel, die eine Betriebsuntersagung rechtfertigten, keinen prozentualen Schwellenwert zugrunde gelegt habe. Hinsichtlich der Frage, inwieweit andere, weniger belastende Maßnahmen als die Betriebsuntersagung bestanden hätten, rügt die Klägerin lediglich (S. 72 der Zulassungsbegründung), dass das Verwaltungsgericht sich in seinem Urteil nicht mit dem Inhalt in der Vergangenheit erlassener Anordnungen beschäftigt habe, dass es nicht berücksichtigt habe, dass zu diesen Anordnungen keine Anhörungen stattgefunden hätten, dass über diese Anordnungen noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei und dass diese „auch nicht in einem inneren Zusammenhang mit der nunmehr erfolgten Untersagung“ stünden. Dieses Vorbringen erweist sich, wie bereits dargestellt, als unsubstantiiert.

Demgegenüber handelt es sich bei der mit Schriftsatz vom 26. Mai 2014 erhobenen - im Übrigen auch unzutreffenden (vgl. S. 57 des Entscheidungsumdrucks) - Rüge eines völligen Ausfalls der Verhältnismäßigkeitskontrolle um einen neuen, nicht mehr innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten weiteren Gesichtspunkt, der infolge verfristeten Vorbringens keiner weiteren Vertiefung bedarf. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auf S. 57 des Entscheidungsumdrucks näher dargelegt, dass mildere Maßnahmen nicht in Betracht kamen und sich damit mit Fragen der Verhältnismäßigkeit in noch ausreichender Weise befasst, sodass Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem - nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eingegangenen - Vortrag der Klägerin nicht aufgeworfen werden.

Soweit die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 26. Mai 2014 des weiteren ernstliche Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Bezug auf die - hilfsweise geprüfte - Betriebsuntersagung auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG geltend macht (S. 45 - 52 des Schriftsatzes), können die dort aufgeführten (weiteren) Zulassungsgründe ebenfalls keine Berücksichtigung finden. In der fristgemäß eingegangenen Zulassungsbegründung vom 2. November 2013 rügt die Klägerin im Hinblick auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht lediglich im Hinblick darauf, dass die zum Anlass für die Untersagung genommenen heimrechtlichen Anordnungen keine Fristen enthalten hätten, das Verwaltungsgericht der fehlenden Fristsetzung nur hinsichtlich der mit den Anordnungen verbundenen Zwangsgeldandrohungen Bedeutung beigemessen habe, ferner dass die heimrechtlichen Anordnungen gegenüber der Klägerin rechtsmissbräuchlich ergangen seien (S. 72 f. des Schriftsatzes vom 2. November 2013). In der Frage der Erforderlichkeit einer Fristsetzung sieht die Klägerin ferner eine besondere rechtliche Schwierigkeit i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (S. 75 f. des Schriftsatzes) und misst ihr weiterhin grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bei (S. 80 f. des Schriftsatzes vom 2. November 2013). Weitere Zulassungsgründe trug die Klägerin diesbezüglich damals nicht vor. Da ihre Darlegungen zur fehlerhaften Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung bzw. zur fehlerhaften Ermessensausübung im Zusammenhang mit der hilfsweise auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG gestützten Betriebsuntersagung im Schriftsatz vom 26. Mai 2014 keine inhaltliche Vertiefung ihrer fristgemäß geltend gemachten Zulassungsgründe beinhalten, sondern neue Gesichtspunkte betreffen, können sie folglich ebenso wenig Berücksichtigung finden. Die Verpflichtung zur Einhaltung der in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgesehenen Frist steht dem entgegen.

4.2 Auch soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 vorträgt, das Verwaltungsgericht hätte bei der Prüfung der auf Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG gestützten Untersagungsverfügung vom 20. Juli 2011 lediglich diejenigen Mängel prüfen dürfen, die bei der Heimbegehung am 28. und 29. Juni 2016 festgestellt worden seien, handelt es sich um neues Zulassungsvorbringen, das nicht der Ergänzung bzw. Vertiefung der ursprünglichen Zulassungsbegründung dient und daher bei der Prüfung der Berufungszulassung außer Betracht bleiben muss. Dies gilt in gleicher Weise, soweit die Klägerin wie schon im Schriftsatz vom 26. Mai 2014 geltend macht, die hilfsweise Stützung der Betriebsuntersagung auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG leide an einem Ermessensausfall. Schließlich liegt im Vortrag, bei den vom Verwaltungsgericht angenommenen Dokumentationsmängeln der Klägerin habe mangels entsprechender, gerade auf Dokumentationsmängel abstellender heimrechtlicher Anordnungen des Beklagten im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht festgestellt werden können, dass Anordnungen zur Erfüllung der Qualitätsanforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht ausreichen, neues, jedoch mangels Einhaltung der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht zu berücksichtigendes Zulassungsvorbringen. Dies gilt schließlich auch für das Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei im Zusammenhang mit der einmalig unterbliebenen Gabe des Medikaments „Marcumar“ bzw. mit dem 10-tägigen Unterlassen des sog. Quicktests (vgl. Ziffer 2.3.8 der Untersagungsverfügung) zu Unrecht von einem Pflegemangel ausgegangen, da stattdessen ein ärztlicher Behandlungsfehler vorgelegen habe. Auch dieser Vortrag findet sich in der ursprünglichen Zulassungsbegründung nicht und kann daher im Zulassungsverfahren nicht verwendet werden.

Soweit schließlich die Klägerin mit Schriftsatz ebenfalls vom 7. Dezember 2015 ergänzend ausführt, dass im vorliegenden Fall insbesondere der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorliege, was sich aus dem „Umfang“ der Streitsache ergebe - die Parteien würden sich auf hunderten von Seiten über den „wahren“ Sachverhalt streiten -, liegt hierin ebenfalls die Berufung auf neues, in der ursprünglichen Zulassungsbegründung nicht enthaltenes Vorbringen. Nur ergänzend sei hierzu angemerkt, dass allein der Umfang einer Streitsache, bei der viele Einzelpunkte kontrovers sind, diese nicht automatisch zu einer tatsächlich besonders schwierigen Streitsache macht. Denn davon ist nur auszugehen, wenn sich die einzelnen im Streit stehenden Tatsachen nicht im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens klären lassen, vielmehr eine Beweiserhebung im Rahmen eines Berufungsverfahrens erfordern (vgl. zu dem Einwand des „Umfangs“ der Streitsache speziell bei einer heimrechtlichen Untersagungsverfügung OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.2.2011 - 12 A 241/10 - juris Rn. 428). Dies ist vorliegend jedoch, wie oben dargestellt, nicht der Fall.

Da die Klägerin ungeachtet der Erledigung der Betriebsuntersagung durch die Wiedereröffnung des Heims in I. innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO keine materiell durchgreifenden Berufungszulassungsgründe vorgetragen hat, war der Berufungszulassungsantrag insgesamt abzulehnen.

5. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren bemisst sich nach § 52 Abs. 1 GKG nach dem Interesse der Klägerin an der Aufhebung der angegriffenen Betriebsuntersagung. Der Senat folgt insoweit dem Verwaltungsgericht, das auf der Basis eines geschätzten Jahresgewinns einen Betrag von 400.000 EUR für angemessen erachtet hat. Mit der Ablehnung des Berufungszulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2013 nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein ihm gegenüber ergangener zweckentfremdungsrechtlicher Bescheid vom 20. Oktober 2015 rechtswidrig gewesen ist.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20. Oktober 2015, Gz. S-III-W/BS 124, gab die Beklagte dem Kläger auf, die Nutzung der bescheidgegenständlichen Wohneinheit zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziffer 1.), drohte ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 7.500 an für den Fall, dass der Anordnung in Ziffer 1. nicht binnen zwei Monaten ab Zustellung des Bescheid nachgekommen wird (Ziffer 2.) und ordnete unter Ziffer 3. des Bescheids die sofortige Vollziehung von Ziffer 1. des Bescheids an.

Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 117 Abs. 3 VwGO.

Mit Klage vom 19. November 2015 beantragte der Kläger zunächst, den Bescheid aufzuheben. Nachdem die Kammer mit Beschluss vom 4. Februar 2016 - M 9 S. 15.5264 - BA den zugehörigen Eilantrag abgelehnt hatte, begründete der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 7. Februar 2016 wie folgt: Der Kläger sei nicht der richtige Adressat für die Anordnung. Er sei zwar Hauptmieter der Wohnung, habe diese aber an einen Untermieter weitervermietet. Im Untermietverhältnis sei Letzterem ausdrücklich untersagt worden, die Wohnung zweckfremd zu nutzen. Ob dies dennoch geschehen sei, sei dem Kläger nicht bekannt, eine Gestattung sei nicht erfolgt. Der Eigentümer habe die Untervermietung genehmigt; der Kläger sei dazu kraft seiner Verfügungsbefugnis auch berechtigt. Der Kläger selbst nutze die Wohnung nicht zweckfremd und müsse sich eine etwaige zweckfremde Nutzung seines Untermieters auch nicht zurechnen lassen. Aus den Ermittlungen der Beklagten ergebe sich die Verantwortung des Klägers nicht; er sei auch nicht mittelbarer Handlungsstörer, da der Untermieter nicht in seinem Auftrag handle. Dem Kläger sei eine Mitwirkung nach Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG unzumutbar gewesen, da parallel ein Verfahren nach OWiG gelaufen sei und er dort zu Recht von seinem Verweigerungsrecht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. §§ 55 OWiG hätte Gebrauch machen dürfen; aus der Parallelität der Verfahren dürfe kein Nachteil entstehen. Es werde im Übrigen bestritten, dass überhaupt eine zweckfremde Nutzung vorliege. Die Anordnung sei weiter unbestimmt, weil nicht klar sei, welche Handlungen dem Untermieter gegenüber vom Kläger verlangt seien; es bleibe unklar, ob eine Kündigung ausreiche oder ein Räumungsprozess geführt werden müsse. Im letzteren Fall sei auch die Frist zu kurz.

Einen Untermietvertrag legte der Kläger weder in seiner Antragsnoch in seiner Klagebegründung vor.

Die Beklagte stellte mit Schriftsatz vom 29. März 2016 Antrag auf Klageabweisung.

Das OWi-Verfahren und das Verwaltungsverfahren stünden parallel nebeneinander. Es sei nicht möglich, im OWi-Verfahren die Aussage zu verweigern - was isoliert zulässig sei - und parallel im Verwaltungsverfahren von Mitwirkungspflichten verschont zu bleiben. Dies gelte umso mehr, wenn es sich - wie vorliegend - um Tatsachen aus der Sphäre des Klägers handle; bereits nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen habe er diese offenzulegen. Im Falle einer Weigerung müsse er das Risiko einer für ihn ungünstigen Tatsachenwürdigung im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Sachentscheidung durch Bescheid tragen. Die Anordnung sei auch nicht unbestimmt; vielmehr sei es bereits aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur möglich, ein Ziel festzulegen, das der Kläger durch eigene und von ihm gewählte Maßnahmen erreichen müsse und dürfe.

Als Anlage war diesem Schriftsatz ein Schreiben der Staatsanwaltschaft München I beigegeben, wonach der Kläger im Laufe eines Zivilprozesses eine Untervermietung in derselben Personenkonstellation bestritten habe, was den Verdacht eines Prozessbetrugs begründe. Deshalb werde nun ermittelt.

Am 10. März 2016 begründete der Klägerbevollmächtigte seine Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen den Beschluss der Kammer vom 4. Februar 2016 - M 9 S. 15.5264 - BA. Im Zuge dessen legte er erstmals einen Untermietvertrag über ein zwischen dem Kläger und seinem Untermieter bestehendes Mietverhältnis vor. Dieser Untermietvertrag datiert vom 30. Dezember 2013.

Die Beklagte erwiderte auf die Beschwerde mit Schriftsatz vom 29. März 2016.

Am 15. April 2016 setzte sich die mit der Beschwerde befasste Berichterstatterin am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof telefonisch mit der Beklagten in Verbindung und erläuterte dieser ihre vorläufige Rechtsauffassung (Bl. 357 d. BA).

Daraufhin teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Mai 2016 mit, dass der streitgegenständliche Bescheid aufgrund richterlichen Hinweises des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Bescheid vom 22. April 2016 aufgehoben worden sei. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids habe die Beklagte aber noch von der Störereigenschaft des Klägers ausgehen können, weswegen der Kläger zum jedenfalls überwiegenden Teil die Kosten tragen müsse Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2016 änderte der Klägerbevollmächtigte daraufhin seinen Antrag und präzisierte ihn weiter im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2017. Er beantragt nunmehr, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2015 rechtswidrig war mit der Maßgabe, dass für den Zeitpunkt der Rechtswidrigkeit auf den 29. März 2016 abzustellen ist.

Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergebe sich aus der bestehenden Wiederholungsgefahr. Die Voraussetzung einer derartigen Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird, sei gegeben, da der Kläger noch weitere Wohnungen besitze und deshalb zweckentfremdungsrechtliche Anordnungen der Beklagten befürchte. Darüber hinaus beabsichtige der Kläger, wegen der rechtswidrigen Nutzungsuntersagung Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Der Kläger habe angesichts der drohenden bzw. fällig gestellten Zwangsgelder das Untermietverhältnis gekündigt; dieses sei bis 14. September 2016 befristet gewesen, womit dem Kläger Mieteinnahmen i.H.v. EUR 6.600 entgangen seien. Nachdem die Nutzungsuntersagung dem Kläger gegenüber unwirksam gewesen sei, habe nur deshalb Veranlassung bestanden, das Untermietverhältnis zu kündigen, weil die Beklagte eine rechtswidrige Grundverfügung vollstreckt habe. Auch ein drohendes OWiG-Verfahren begründe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf ihre Ausführungen wird Bezug genommen.

Am 24. Mai 2016 stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren ein (BayVGH, B.v. 24.5.2016 - 12 CS 16.347 - BA). Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen, § 117 Abs. 3 VwGO.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogenen Behördenakten.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der aufgehobene - und damit erledigte, Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG - Bescheid vom20. Oktober 2015 rechtswidrig gewesen ist, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

Für das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzunehmende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftliche oder ideeller Art, wobei sich bestimmte Hauptfallgruppen herausgebildet haben, bei deren Vorliegen regelmäßig ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu bejahen ist; für die Festlegung, ob ein derartiges Feststellungsinteresse gegeben ist, ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, B.v. 24.10.2006 - 6 B 61/06 - juris; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - juris; Eyermann, VwGO, Stand: 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 84, 86). Im danach maßgeblichen Zeitpunkt der hiesigen Entscheidung ist weder unter dem Aspekt einer Wiederholungsgefahr (1.) noch unter dem Aspekt der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsanspruchs (2.) ein derartiges Feststellungsinteresse erkennbar.

1. Versteht man den klägerischen Vortrag dahingehend, dass er für das streitgegenständliche Objekt eine Wiederholungsgefahr dergestalt befürchtet, dass ein weiterer zweckentfremdungsrechtlicher Bescheid ergehen könnte, der ihn wiederum - aus Sicht des Bevollmächtigten: fälschlicherweise - als Störer in Anspruch nimmt, so besteht bereits deswegen kein Feststellungsinteresse, weil dieser befürchtete Bescheid zwischenzeitlich erlassen worden ist. Die Beklagte ordnete dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 17. August 2016 - bezogen auf die streitgegenständliche Wohneinheit - erneut an, die Überlassung der Wohneinheit zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden. Dieser Bescheid wurde vonseiten des Klägers auch bereits angefochten und ist Streitgegenstand der Verfahren M 9 S. 16.4695 und M 9 K 16.4276 vor der hiesigen Kammer. Die behauptete Wiederholungsgefahr hat sich für diesen Einzelfall also bereits realisiert. Damit besteht für die hiesige Klage kein Feststellungsinteresse mehr. Denn eine Wiederholungsgefahr - so sie vorliegt - begründet ein berechtigtes Feststellungsinteresse gerade deshalb, weil die gerichtliche Feststellung den Beteiligten eine Richtschnur für ihr künftiges Verhalten bieten soll. Sie ist mit anderen Worten von der Erwartung getragen, dass eine Behörde von dem Erlass des erwarteten Verwaltungsaktes Abstand nehmen wird, wenn das Gericht feststellt, dass der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Diese Lenkungswirkung kann ein feststellendes Urteil nicht mehr entfalten, wenn der erwartete Verwaltungsakt bereits erlassen ist. In diesem Fall ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes für den Kläger nutzlos, weil der Erlass des Verwaltungsaktes nicht mehr abgewendet werden kann. Er bedarf der Feststellung dann auch deshalb nicht, weil er den zwischenzeitlich erlassenen neuen Verwaltungsakt anfechten kann und muss, um seine Rechte wahrzunehmen (zum Ganzen bspw. OVG LSA, U.v. 24.11.2010 - 3 L 91/10 - juris). Für den neuen Bescheid liegen mittlerweile auch nicht mehr die gleichen tatsächlichen (und rechtlichen) Verhältnisse vor wie in dem für die Beurteilung des erledigten Bescheids maßgeblichen Zeitpunkt - nunmehr wurde ein Untermietverhältnis substantiiert offengelegt -, weswegen ein Feststellungsinteresse ebenfalls ausscheidet (BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - juris; Eyermann, VwGO, Stand: 14. Auflage 2014).

Damit ist es, anders als der Bevollmächtigte des Klägers meint, auch von vorn herein irrelevant, ob die Beklagte im Laufe des Beschwerdeverfahrens nach Vorlage des Untermietvertrags zunächst noch an ihrem Bescheid festgehalten habe, was sich in der Beschwerdeerwiderung vom 29. März 2016 manifestiere. Nur ergänzend wird deshalb darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht gehalten war, sofort nach Vorlage des Untermietvertrags im Beschwerdeverfahren selbstinitiativ den Bescheid aufzuheben. Eine Behörde darf selbstverständlich einen richterlichen Hinweis abwarten, bevor sie den Kläger, der seinerseits Informationen nur schrittweise und stets nur auf ausdrückliche gerichtliche Aufforderung offengelegt und auf jegliche Anhörungs- und Kontaktversuche der Beklagten nicht reagiert hat, klaglos stellt. Nichts anderes ist vorliegend geschehen: Wie sich aus den Behördenakten (Bl. 357 d. BA) ergibt, wurde die Beklagtenseite von der Berichterstatterin im Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 15. April 2016 telefonisch über ihre vorläufige Rechtsauffassung informiert. Daraufhin hat die Beklagte am 22. April 2016 und damit unverzüglich den Bescheid aufgehoben.

Weiter wird lediglich ergänzend darauf hingewiesen, dass die Beklagte den Bescheid nach Ansicht der Kammer nicht zwingend hätte aufheben müssen. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage für bestimmte in der Vergangenheit liegende Zeiträume bei Dauerverwaltungsakten (BVerwG, B.v. 5.1.2012 - 8 B 62/11 - juris) - wie vorliegend der Nutzungsuntersagung -wäre eine Ergänzung des Bescheids vom 20. Oktober 2015 um weitere Ermessenserwägungen zur Störerauswahl möglich gewesen. Parallel hätte die Beklagte eine weitere Nutzungsuntersagung gegen den Unter-(ver-)mieter erlassen können, um das wegen des Untermietvertrags allein bestehende Vollstreckungshindernis aus der Welt zu schaffen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 6.12.2011 - 15 CS 11.2402 - juris). Eine Aufhebung des Bescheids war deshalb keineswegs zwingend.

Sollte der Vortrag dahingehend zu verstehen sein, dass der Kläger auch für andere von ihm angemietete Objekte entsprechende zweckentfremdungsrechtliche Bescheide befürchtet, mithin gleichsam eine „Wiederholungsgefahr im weiten Sinne“ im Raum steht, so kann auch dies kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen. Die Frage, ob der Kläger als Hauptmieter Störer sein kann, ist für den jeweiligen Einzelfall zu entscheiden und wurde bzw. wird hinsichtlich des im Streit stehenden Objekts in den Verfahren M 9 S. 16.4695 und M 9 K 16.4276 geklärt; sie bleibt damit „für andere Objekte“ außer Betracht (siehe oben). Als Kritikpunkt des Klägers stand vorliegend weiter die fehlende Berücksichtigung der vor Bescheiderlass und auch während des erstinstanzlichen Eilverfahrens zu Unrecht von ihm nicht offengelegten bzw. substantiierten Tatsache einer Untervermietung des streitgegenständlichen Objekts im Raum. Der Kläger sieht sich mithin im Hinblick auf andere von ihm angemietete Wohneinheiten dadurch gefährdet, dass die Behörde bei aus seiner Sicht unsicherer bzw. unzureichender Sachlage beschwerende Bescheide erlässt. Da diese Unsicherheit aber nur auf seiner fehlenden Mitwirkung beruht(e), kann er daraus für andere Objekte keinen Nutzen ziehen, denn er hätte über das laut Untermietvertrag bereits seit 2013 bestehende Untermietverhältnis aufklären müssen: Die Vorschriften des Art. 4 Satz 1 ZwEWG und des § 12 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum i.d.F. d. Bek. vom 30.12.2013 - ZeS - modifizieren insoweit den Untersuchungsgrundsatz und begründen Mitwirkungs-, Darlegungs- und Beweisführungspflichten (BayVGH, B.v. 9.11.2010 - 12 CS 10.2508 - juris; B.v. 7.1.2015 - 10 C 14.895 - juris). Auch im Einstellungsbeschluss vom 24. Mai 2016 - 12 CS 16.347 - BA hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof klar herausgestellt, dass eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Klägers bestand. Wenn die Mitwirkung verweigert wird, so bleibt es der Behörde unbenommen, trotzdem einen Bescheid zu erlassen, da es der Kläger ansonsten in der Hand hätte, durch Nichtoffenlegung von aus seiner Sphäre stammenden Informationen die Rechtsdurchsetzung zu verhindern; mit den Worten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im B.v. 24.5.2016 - 12 CS 16.347 - BA „konnte die [Beklagte] aus der Nichtmitwirkung zunächst die entsprechenden für den [Kläger] ungünstigen Schlüsse ziehen“ (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2001 - 4 B 37/00 - juris; B.v. 28.7.2006 - 9 B 3/06 - juris; B.v. 2.2.2015 - 1 WDS-VR 3/14 - juris). Unabhängig davon wäre es bereits als rechtsmissbräuchlich anzusehen, aus diesem Gesichtspunkt heraus die Feststellung einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Bescheids zu verfolgen: Ein Feststellungsinteresse dergestalt, dass man - im Hinblick auf andere Objekte - wieder plant, Informationen zurückzuhalten, gleichzeitig aber von Nutzungsuntersagungen auf dementsprechend „zurückgenommener“ Tatsachenbasis verschont bleiben möchte, ist mit Blick auf § 242 BGB nicht anzuerkennen.

Hinsichtlich des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gilt dasselbe. Der Kläger ist gehalten, seine Argumente und Verteidigungsmittel im Rahmen der neuen Vorgänge bzw. Gerichtsverfahren geltend zu machen.

2. Auch aus dem Gesichtspunkt der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses ergibt sich kein Feststellungsinteresse, da ein solcher Prozess offensichtlich aussichtslos wäre (vgl. VG München, U.v. 2.3.2015 - M 8 K 13.4546 - juris m.w.N.; VG Augsburg, U.v. 30.6.2016 - Au 2 K 15.457 - juris). Offensichtliche Aussichtslosigkeit ist dann anzunehmen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (BVerwG, U.v. 22.1.1998 - 2 C 4.97 - juris; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 89). Unabhängig davon, dass im Sinne der sog. Kollegialgerichtsrichtlinie zwar grundsätzlich auf eine Entscheidung in der Hauptsache abzustellen ist (BayVGH, U.v. 17.10.2016 - 9 B 13.1400 - juris), geht sowohl aus dem Beschluss der hiesigen Kammer vom 4. Februar 2016 - M 9 S. 15.5264 - UA als auch aus dem nachfolgenden Einstellungsbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Mai 2016 - 12 CS 16.347 - BA klar hervor, dass die Behörde so, wie geschehen, verfahren durfte. Weder eine Amtspflichtverletzung noch ein Verschulden sind unter irgendeinem Gesichtspunkt erkennbar. Weiter wird darauf hingewiesen, dass bereits nicht nachvollziehbar ist, welche Mieteinnahmen wegen der Kündigung des Untermietverhältnisses entgangen sein sollen: Der Untermieter setzt seine zweckfremde Nutzung, soweit ersichtlich, bis heute fort; diese Nutzung ist Gegenstand neuerlicher Bescheide vom 17. August 2016.

Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.