Verwaltungsgericht Münster Urteil, 20. Apr. 2015 - 8 K 107/14
Verwaltungsgericht Münster
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 bis 5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob über ein privates Grundstück ein öffentlicher Weg führt.
3Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks H. S. 32 a in N. -H1. , Flur 40 Flurstück 748. Das Grundstück wird erschlossen über die Zufahrt und das Hausgrundstück H. S. 32, Flurstücke 312 und 747, die im Eigentum der Mutter der Klägerin stehen. Entlang der Zufahrt und der beiden genannten Hausgrundstücke verläuft das Flurstück 751. Über dieses Flurstück 751 führt von der H. S. eine Zufahrt zu den Hausgrundstücken der Beigeladenen zu 1 bis 5, H. S. 30 a bis e, Flurstücke 752 bis 756. Das Flurstück 751 steht im Miteigentum der Beigeladenen zu 1 bis 5. Es ist zudem mit einer Scheune bebaut, H. S. 30. Angrenzend an die Flurstücke der Beigeladenen liegt das Flurstück 757, das im Eigentum der Beklagten steht. Dieses wird als Grünfläche genutzt und reicht bis zum H2. . Die Beigeladenen haben auf ihrem Flurstück 751 entlang des klägerischen Grundstückes Flurstück 748 eine Hecke gepflanzt und Stellplätze eingerichtet.
4Die Beigeladenen zu 1 bis 5 erwarben die Flurstücke 751 bis 756 im Jahr 2011 von der Beklagten, die seit 1963 Eigentümerin dieser Grundstücke war. Der Bereich der heutigen Flurstücke 751 bis 757 war früher Flurstück 537. Dieses wiederum ist im Jahr 1988 entstanden aus den Flurstücken 472, 64, 202. Über das nur 121 Quadratmeter große Flurstück 64, das unmittelbar an den H2. grenzte, verlief ein Weg in der Verlängerung der heutigen Q.--stiege . Der Bereich des Flurstücks 472 war zuvor Flurstück 425.
5Die Klägerin hat am 19. November 2013 Klage erhoben. Sie begehrt von der Beklagten, dass sie die Eigentümer des Flurstückes 751 verpflichte, die Zufahrt auf dem Flurstück 751 so freizuhalten, dass die Klägerin über diese Zufahrt ihr eigenes Flurstück 748 befahren kann. Sie trägt im Wesentlichen vor: Über das frühere Flurstück 537 habe seit Menschengedenken eine Straße geführt, deren Nutzung ihr nun verweigert werde. Dieser Weg habe bereits um das Jahr 1200 existiert, wie aus der Karte aus dem Jahr 1839 ersichtlich sei. Der Weg habe die Funktion einer Ortsdurchfahrt gehabt, die später von der S1. Straße übernommen worden sei. Der Stadtplan von 1839 sei ein amtlicher Stadtplan. Die Beklagte habe die Straße, indem sie sie in den öffentlichen Stadtplan aufgenommen habe, als gewidmet angesehen. Die Straße sei als öffentliche Straße genutzt worden. Sie sei immer befestigt gewesen und sei der „schwarzer Weg“ genannt worden. Die Beklagte habe die Brücke über den H2. abgerissen, um den rechtswidrigen Betrieb des Bauhofes zu erleichtern. Sie habe als Straßenanliegerin ein subjektiv öffentliches Recht auf Begehen und Befahren der Straße. Es seien keine Gründe dafür ersichtlich, dass die Straße nicht öffentlich sei. Der Weg sei kraft unvordenklicher Verjährung gewidmet. Die Beklagte lege nur eine lückenhafte Dokumentation vor und sei damit beweisfällig. Sämtliche Stadtpläne bis in die neunziger Jahre zeigten, dass auf einer Teilfläche des Flurstückes 537 eine öffentliche Straße liege. Die Entstehung des Weges liege im Dunkeln. Er sei schon seit hunderten Jahren existent und für den öffentlichen Verkehr frei gewesen. Diesen Übergang über den H2. hätte jedermann von weit her genutzt, um zur V. in N. zu gelangen. Die Verkehrsbedeutung sei niemals verloren gegangen. Die Straße werde auch jetzt an dieser Stelle gebraucht, um die P. -Kaserne Richtung Innenstadt zu erschließen. Die sieben Höfe zwischen der H. S. und der O.-----stiege seien die Ortsmitte von H1. . Nach dem Verkauf der Hausgrundstücke H. S. Nr. 26 und 32 sei der Beklagten nur noch die Verkehrsfläche des Hofes verblieben. Über diese Verkehrsfläche führe der öffentliche Weg direkt an der Scheune vorbei. Dies sei vergleichbar mit den anderen historischen Höfen in unmittelbarer Nähe. Auch diese Wege seien keine Interessentenwege. Hier bestehe zudem die Besonderheit, dass der öffentliche Weg die Ortsdurchfahrt durch die historische Ortsmitte bilde. Es möge sein, dass die Verkehrsfläche in der Urkarte als Hofraum bezeichnet sei, der öffentliche Weg sei aber nur eine Teilfläche des Hofraumes. Die Grundstücke der Beigeladenen lägen unmittelbar an dem historischen Flurstück 64, das als öffentlicher Weg gedient habe. Die Zufahrt zum Haus Nr. 32 sei immer über die öffentliche Straße erfolgt, nicht direkt von der H. S. . Sie nutze gegenwärtig eine enge Notdurchfahrt durch den drei Meter engen Abstandsstreifen des Hauses Nr. 32, die von ihrer Mutter provisorisch quasi durch den Vorgarten gewährt werde. Das Versperren der Zufahrt zur öffentlichen Straße durch die Beigeladenen mit Heckenbepflanzung, Draht und parkenden Autos, belaste ihr Grundstück schwer und unerträglich, wofür es keine Rechtfertigung gebe. Die Straße sei hochwertig gepflastert und unterscheide sich nicht von den anderen alten Straßen in N. . Von ihrem Grundstück führe eine breite Zufahrt zur Straße, die derzeit nicht benutzbar sei. In der Straße lägen Wasserleitungen und Kanäle für Fernwärme und Telefon. Alle Ämter seien sich einig gewesen, dass die Straße öffentlich sei. Die Straße diene als Feuerwehrzufahrt und die große Prozession der Pfarrkirche T. N1. sei immer über diese Straße geführt worden. Die Straße sei nicht entwidmet worden. Sie sei "schwarzer Weg" genannt worden, weil sie mit harter schwarzer Asche befestigt worden sei. Der öffentliche Weg habe zwischen dem Haus Nr. 32 und der Scheune hindurch geführt. Das entspreche auch dem Straßenverlauf im B-Plan XXX. Für das Flurstück 425 habe es Baulasten gegeben. Die entsprechenden Akten seien beizuziehen. Der öffentliche Weg sei nie über das heutige ihr gehörende Flurstück 748 verlaufen, sondern ausschließlich über das Flurstück 537. Diese Fläche habe die Beklagte nicht verkauft, sondern für den Ausbau der von W. -F. -Straße benötigt. Über den H2. habe eine Brücke geführt, kein Durchlass. Darüber seien z.B. Lieferwagen gefahren, um Milch vom Nachbarhof abzuholen.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagte zu verpflichten, die Eigentümer des Flurstückes 751 der Flur 40, N. , werden durch Ordnungsverfügung verpflichtet,
8a) das entlang dieses Flurstückes 751 angebrachte Schild „Privat“ zu beseitigen, sowie
9b) Fahrzeuge aller Art nicht auf dem Flurstück 751 in der im B-Plan vorgesehenen Einfahrt zu Flurstück 748 vor Haus Nr. 30 zu parken,
10c) und die Einfahrt immer zur Durchfahrt freizuhalten,
11hilfsweise festzustellen, dass die streitgegenständliche Straße eine öffentliche Straße ist, eine öffentliche Zuwegung zum Begehen und Befahren zum Grundstück der Klägerin bildet und sie Straßenanliegerin ist.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beigeladenen zu 1 bis 5 beantragen,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Die Klägerin sei nicht klagebefugt. Der Weg sei nicht öffentlich. Die Klage sei auch unbegründet. Der Weg sei nicht nach den Grundsätzen der unvordenklichen Verjährung gewidmet worden. Die danach erforderliche Voraussetzung, dass der Weg nachgewiesenermaßen bereits 1882 existiert haben müsse, sei nicht erfüllt. Aus den Darstellungen in alten Karten, Plänen und Luftbildern ließen sich keine Hinweise auf die Existenz und Öffentlichkeit einer durchgehenden Wegeverbindung von der Q.--stiege zur H. S. finden. Es werde nicht bestritten, dass von der ehemaligen Hofstelle ein Weg Richtung Osten geführt habe, vermutlich zur Erreichbarkeit der dortigen Felder. Der Weg habe an der Hofstelle geendet. Es gebe keine Hinweise, dass dieser Weg öffentlich gewesen sei. Eine Existenz des Weges im Jahr 1200 sei nicht bekannt. Die Darstellung von Wegen in Stadtplänen würden nichts über deren Öffentlichkeit aussagen. Im Liegenschaftskataster sei dieser Bereich mit „Hf“ (Hofraum) bezeichnet. Auf dem Stadtplan von 1980 sei keine durchgehenden Wegeverbindung von der Q.--stiege bis zur H. S. erkennbar, der Weg ende mit einem Strich an der Hofstelle. Die S1. Straße habe nie die Funktion des behaupteten Weges übernommen, sondern habe schon in alten Plänen bestanden und die Funktion einer Landesstraße erfüllt. Im Flurbuch sei für das damalige Flurstück 129 als Kulturart „Haus- und Hofraum" eingetragen. Diese Fläche sei also kein öffentlicher Weg gewesen. In der Reinkarte von 1951 bis 1954 sei das Flurstück nunmehr mit 292/129 bezeichnet und als Nutzung sei in der Karte " Hf" (Hofraum) genannt. Die Deutsche Grundkarte (DGK 5) sei Grundlage des Stadtplanes. In der DGK 5 aus dem Jahr 1974 sei ein untergeordneter Weg vom H2. bis zur Hofstelle erkennbar, in der DGK 5 von 1977 sei dieser Weg nicht mehr vorhanden. Ein Luftbild aus dem Jahr 1968 zeige einen Weg, der auch über das Grundstück der Klägerin führe, auf dem Luftbild von 1973 sei er nicht mehr vorhanden. Es sei nicht bekannt, dass der Weg von der Öffentlichkeit benutzt werden durfte und über die Befestigung sei auch nichts bekannt. Das Flurstück 144 habe im Jahr 1953 erstmals eine Flurstücksnummer erhalten und sei unter "Grundsteuerfreie Wege und Gewässer" eingetragen worden. Vorher sei es eine ungebuchte Parzelle ohne Flurstücksnummer gewesen. Im neuen Liegenschaftskataster später im Jahr 1953 habe es dann die Nr. 64 erhalten. Über den H2. habe ein Durchlass mit einem Durchmesser von 1,50 m geführt, der vermutlich um das Jahr 1987 beim Ausbau des H3. zurückgebaut worden sei. Vor Ort sei damals zu erkennen gewesen, dass der Überweg nicht genutzt worden sei. Im neuen Liegenschaftskataster sei das Flurstück 62 neu bezeichnet worden. Dies sei später etwas verändert das Flurstück 425 geworden. Eigentümer des Flurstückes 62 seien die Eheleute N2. gewesen. W. diesen habe die Beklagten das Grundstück im Jahr 1963 gekauft.
17Die Beigeladenen zu 1 sind mit Beschluss vom 19. Januar 2015 und die Beigeladenen zu 2 bis 5 sind mit Beschluss vom 10. März 2015 beigeladen worden.
18In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Verlauf des Weges, dessen Öffentlichkeit festgestellt werden soll, wie folgt bezeichnet:
19a) für die Teilstrecke bildlich dargestellt im B-Plan XXX von ihrer Grundstücksgrenze bis zur Straße H. S. (bildlich dargestellt in der Anlage zur Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin - Anlage K 8),
20b) in Richtung H2. über die städtische öffentliche Niederschlagswasserleitung, wie klargestellt laut Urteil des Verwaltungsgerichts N. , Urteil vom 15.5.2012, Az. 2 K 2176/11, Seite 5, dann über die noch bestehenden Fundamente der Brücke über den H2. bis zur O.-----stiege und heutigen Q.--stiege .
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten sowie der Gerichtsakte 2 2176/11, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der weiteren Beiakten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage hat keinen Erfolg. Mit dem Hauptantrag ist sie als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die im Hilfsantrag gestellte Feststellungsklage ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
24Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Verpflichtung der Beigeladenen zu 1 bis 5, das auf dem Flurstück 751 angebrachte Schild "Privat" zu beseitigen, Fahrzeuge aller Art nicht auf dem Flurstück 751 in der Einfahrt zu Flurstück 748 vor Hausnummer 30 zu parken und diese Einfahrt immer zur Durchfahrt freizuhalten. Ein solcher Anspruch kann sich vorliegend nur aus § 22 S. 1 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) ergeben. Danach kann in den Fällen, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Aufgaben anordnen. Diese Vorschrift bezieht sich gemäß § 1 S. 1 StrWG NRW auf öffentliche Straßen. Die Voraussetzungen des § 22 S. 1 StrWG NRW sind hier nicht erfllt, weil über das Flurstück 751 keine öffentliche Straße verläuft. Die Beigeladenen zu 1 bis 5 sind Miteigentümer des Flurstücks 751 und benutzen dieses im Rahmen ihres Privateigentums. Eine unerlaubte Sondernutzung einer öffentlichen Straße liegt hier nicht vor.
25Öffentliche Straßen sind gemäß § 2 Abs.1 StrWG NRW diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Widmung ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 StrWG NRW die Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. Hier ist in der Zeit ab Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes NRW am 1. Januar 1962 keine förmliche Widmung eines Weges oder einer Straße über das heutige Flurstück 751 erfolgt.
26Es kann auch nicht festgestellt werden, dass eine öffentliche Straße im Sinne des § 60 S. 1 StrWG NRW über das heutige Flurstück 751 verläuft. Nach § 60 S.1 StrWG NRW sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen. Die Öffentlichkeit eines Weges beurteilt sich in Nordrhein-Westfalen nach dem Wegerecht, unter dessen Herrschaft der Weg angelegt worden ist. Im Übrigen ist der Grundsatz der unvordenklichen Verjährung anzuwenden.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 1963 - IV A 707/61 - Juris.
28Der Grundsatz der unvordenklichen Verjährung besagt, dass die Öffentlichkeit eines alten Weges dann angenommen werden kann, wenn er seit Menschengedenken unter stillschweigender Duldung des nicht wegebau- oder unterhaltungspflichtigen Privateigentümers in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg genutzt worden ist. Er ist entwickelt worden, um auch bei solchen alten öffentlichen Wegen, deren Entstehung in unvordenkliche Zeit zurückreicht und die seit Menschengedenken oder doch seit langer Zeit einem in der Meinung der Rechtmäßigkeit geübten und widerspruchslos geduldeten öffentlichen Verkehr gedient haben, bei denen sich aber im Streitfall deutliche Widmungshandlungen nicht nachweisen lassen, die Eigenschaft als öffentlicher Weg begründen zu können. Dabei ist eine unvordenkliche Verjährung bei einem in Privateigentum stehenden alten Weg nicht stets schon allein deswegen anzunehmen, weil der Weg seit langer Zeit auch für einen allgemeinen Verkehr benutzt wird. Es war und ist gerade in ländlichen Räumen durchaus üblich, die Benutzung in Privateigentum stehender Wege auch durch fremde Personen zu dulden, ohne dass aus einem solchen Verhalten des Grundeigentümers ohne weitere Anhaltspunkte der Schluss gezogen werden kann, er wolle sich damit der privaten Verfügungsmacht über seinen Weg begeben.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. August 2002 - 7 B 892/02, Juris.
30An den Nachweis sind mit Rücksicht auf die erheblichen Auswirkungen auf die Rechtssphäre des Eigentümers, über dessen privaten Grund ein öffentlicher Weg verläuft, strenge Anforderungen zu stellen. Im Zweifel kann nicht von der Existenz eines öffentlichen Weges ausgegangen werden.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 2009 - 1 BvR 3478/08 -, Juris.
32Als notwendige Dauer einer Benutzung in der vorgeschriebenen Weise ist prinzipiell ein Zeitraum von 40 Jahren zu Grunde zu legen, für den die Benutzung nachgewiesen werden muss; für die diesen 40 Jahren vorangegangenen 40 Jahre darf keine gegenteilige Erinnerung an einen anderen Rechtszustand bestehen. Zur Beurteilung der Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung ist demnach eine rückblickende Betrachtung notwendig, die, wie das Abstellen auf die Erinnerung noch lebender Personen ("seit Menschengedenken") zeigt, grundsätzlich von der jeweiligen Gegenwart ihren Ausgang nehmen müsste. Da seit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 1. Januar 1962 Wege nur noch durch eine förmliche Verfügung - eine Widmung - die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erlangen konnten, ist als Bezugspunkt für die rückblickende Betrachtung aber stattdessen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des nordrhein-westfälischen Straßenrechtes abzustellen.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 - 11 A 1045/97 -, Juris.
34Da mit der Annahme der Öffentlichkeit eines Weges weit reichende Einschränkungen des Privateigentums verbunden sind und außerdem der in § 903 S. 1 BGB verankerte Rechtsgrundsatz gilt, dass der Eigentümer einer Sache mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, geht die Nichterweislichkeit der Öffentlichkeit zulasten desjenigen, der sich auf die Öffentlichkeit des Weges beruft.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2003 - 11 A 251/01 -, Juris.
36Das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung dient dazu, mit einer widerlegbaren Vermutung den Nachweis zu erbringen, dass in früherer Zeit eine Widmung stattgefunden hat; sie ist kein Widmungsersatz.
37Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 2009 - 1 BvR 3478/08 -, Juris.
38Entsprechend dieser Grundsätze ist hier nicht feststellbar, dass ein öffentlicher Weg über das heutige Flurstück 751 im Bereich von der H. S. bis zur Einfahrt zum Flurstück 748 verlief. Aufgrund der vorhandenen Akten und Beiakten kann weder die Existenz (1) noch die Öffentlichkeit (2) des behaupteten Weges festgestellt werden. Es spricht vielmehr alles dafür, dass dieser Bereich, der seit seiner Bebauung durchgehend im Privatbesitz gewesen ist, bis die Beklagte das Grundstück von den letzten Privateigentümern I. und D. N2. im Jahr 1963 erworben hat, immer eine private Hoffläche war, deren Nutzung durch Dritte allenfalls geduldet worden ist.
39(1) Auf keiner der in den Akten und Beiakten befindlichen Karten aus dem Zeitraum bis 1962 ist in dem hier maßgeblichen Bereich des heutigen Flurstücks 751 ein Weg erkennbar.
40Dieser Bereich wurde schon früh besiedelt. Zwischen 800 und 900 erschlossen die ersten Siedler das Gebiet entlang der heutigen H. S. . Die Höfe entlang des H4. bildeten die Bauernschaft H1. , die um das Jahr 889 erstmalig urkundlich erwähnt wurde. Die Siedler bauten die C.----stiege , heute H. S. , und auf der anderen Seite des H3. die O.-----stiege . W. den Höfen wurden die Flure auf beiden Seiten des H3. bewirtschaftet.
41Vgl. Q. , Die Kulturlandschaft des Stadtkreises N. um 1828, S. 12-14 sowie Abb. 4 und 22.
42In der ältesten vorgelegten Karte aus dem Jahr 1811 (Beiakte 6, Anlage K 33) ist überhaupt kein Weg, auch kein Teilstück, von der Q.--stiege über den H2. bis zur H. S. erkennbar. Die Karte aus dem Jahr 1828 (Beiakte 12) ist die älteste Karte, auf der nur in der Verlängerung der heutigen Q.--stiege über den H2. ein kleines Wegestück erkennbar ist, das an den Feldern oder Grünflächen nordöstlich des Wohnhauses endet. Eine Fortführung über den Hof oder eine Einmündung in die H. S. sind dort nicht verzeichnet. Auch in der Urkarte aus dem Jahr 1829 (Beiakte 2) und in der Karte aus dem Jahr 1839 (Gerichtsakte Bl. 26) endet der Weg am Hof. Dort ist ebenfalls keine Einmündung zur H. S. eingezeichnet. Das entspricht auch den Karten der folgenden Jahre. In der von der Klägerin eingereichten Karte aus dem Jahr 1884 (Beiakte 10, Anlage K 32, Rolle) ist nur in der Verlängerung der heutigen Q.--stiege über den H2. ein kleines Wegestück erkennbar, das nordöstlich des Wohnhauses mit einem Querstrich endet. Ein Weg von der heutigen H. S. in Richtung Q.--stiege ist nicht eingezeichnet. Die H. S. ist an dieser Stelle als durchgehende Straße ohne Einmündung erkennbar. In der Karte aus dem Jahr 1895 (Beiakte 6, Anlage K 31) endet der erkennbare Weg vom H2. kommend ebenfalls in der dortigen Hof- oder Grünfläche. Eine Einmündung in die heutige H. S. ist an dieser Stelle ebenfalls nicht ersichtlich. Die Reinkarte aus dem Jahr 1951 (Beiakte 2) zeigt vom H2. kommend ein kleines Wegestück (Flurstück 144), das mit einem Strich in den Grünflächen endet. Teilweise überlappend, teilweise daneben ist ein Weg erkennbar, der mit "Hf" bezeichnet ist und bis zum Hofraum am Hof führt. Über den Hofraum ist kein Weg eingezeichnet und zur H. S. findet sich keine Einmündung. Das entspricht auch der von der Klägerin vorgelegten Karte aus dem gleichen Jahr (Beiakte 12), auf der ein Weg vom H2. bis zur Hoffläche zu erkennen ist, aber kein Weg über den Hof und keine Einmündung in die H. S. . Auch aus der Inselkarte aus dem Jahr 1953 (Beiakte 12) lässt sich nur der vom H2. kommende Weg (nunmehr Flurstück 64) erkennen, der am Hofraum endet. Eine Wegesverbindung über den Hof ist nicht erkennbar und weiterhin keine Einmündung in die H. S. . Den beiden Karten aus 1951 und 1953 kommt besondere Bedeutung zu, da es sich um eine Reinkarte bzw. Inselkarte handelt. Nach einer „Anweisung für die Darstellung in einer Katasterkarte“ von 1922 sind "Heerstraßen und öffentliche Wege in ausgezogenen Linien darzustellen, die Privatleuten eigentümlichen Wege und Fußpfade aber in unterbrochenen Linien."
43Vgl. Stuchlik, Straßen- und Wegerecht Nordrhein-Westfalen, S. 96.
44In diesen Karten ist nur das Flurstück am H2. 144, später 64 in durchgezogener Linie dargestellt. Daneben findet sich in gestrichelter Linienführung ein Weg vom H2. zur Hoffläche, aber kein Weg über die Hoffläche bis zur H. S. , also in dem hier maßgeblichen Bereich des heutigen Flurstücks 751.
45Die Karte in dem von der Klägerin vorgelegten Werk von Q. zeigt ebenfalls nur ein Wegesstück vom H2. bis zur Hofstelle.
46Vgl. Q. , Die Kulturlandschaft des Stadtkreises N. um 1828, Abb. 4.
47Aus der Formulierung auf Seite 12:
48"…Es handelt sich um acht vollbäuerliche Hofstellen, deren Abstand voneinander recht unterschiedlich ist. Zumeist nur wenige Meter vor ihren sehr gleichmäßig ausgerichteten Hauptgebäuden führt eine Straße vorbei..."
49kann nicht geschlossen werden, dass ein öffentlicher Weg über das heutige Flurstück 751 verlief. Zum einen kann sich die Formulierung auch auf die Straße H. S. bezogen haben, die wenige Meter entfernt von den Hauptgebäuden verlaufen ist. Zum anderen sagt dies nichts darüber aus, ob die dort genannte Straße privat oder öffentlich war.
50In dem von der Klägerin vorgelegten Werk "Der Stadtkreis N. 1820-1855" von N1. -X. und C. aus dem Jahr 1955, findet sich in der Darstellung der vorhandenen "Straßen, Wege und Stiegen 1828“ (Seite 15 Abb. 9) der hier streitige Weg nicht. Zu erkennen ist die heutige H. S. , die O.-----stiege , Q.--stiege und S1. Straße. Auf der zugehörigen Karte ist für die Zeit um 1828 ebenfalls nur ein kleines Wegstück vom Bach bis zur Hofstelle eingezeichnet. Auch aus "Beharrung und Wandel in ländlich agraren Siedlungen und Siedlungsräumen X1. " von N1. -X. und C. (Gerichtsakte Bl. 279 bis 281) ist nur die heutige Q.--stiege bis zum Hof erkennbar, aber keine durchgehende Verbindung zur H. S. .
51Soweit sich die Klägerin auf Karten aus der Zeit nach 1962 bezieht bzw. Karten vorgelegt hat, die nicht erkennen lassen, aus welcher Zeit sie sind, sind diese Karten für die hier zu entscheidende Rechtsfrage, bei der es auf die Verhältnisse bis 1962 ankommt, nicht relevant.
52Aus den Grundbucheintragungen lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass es einen Weg über das heutige Flurstück 751 gegeben hat. Die Eintragungen im Grundbuch geben Auskunft über die Eigentumsverhältnisse und die Art der Nutzung. Ist als Wirtschaftsart "Weg", "Verkehrsfläche" oder "Straße" angegeben, so folgt daraus, dass dieses Flurstück ganz oder teilweise als Weg oder Straße genutzt wird, ohne einen Rückschluss darauf zuzulassen, ob der Weg privat oder öffentlich ist. Hier findet sich im Grundbuch im Bereich des heutigen Flurstücks 751 keine Eintragung als "Weg" oder ähnliches. Das heutige Flurstück 751 war im Urflurbuch unter der damaligen Flurstücksnummer 129 mit der Kulturart "Haus- und Hofraum" eingetragen (Beiakte 2). Später hatte das Flurstück die Nummer 425 und im Grundbuch war unter "Wirtschaft und Lage" "Hof- und Gebäudefläche, Acker, Acker (Obst), Garten, Grünland" eingetragen (Beiakte 12). Auch in den weiteren Eintragungen dieses Bereiches, der später zu Flurstück 472 ("Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Hof- und Gebäudefläche, Ackerland, Ackerland (Obst), Gartenland, Grünland") und dann zu 537 ("Erholungsfläche, Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche") wurde, finden sich im Grundbuch keine Eintragungen als Verkehrsfläche oder Weg. Erstmalig ist im Grundbuch - zeitlich lange nach dem hier maßgeblichen Zeitraum 1882 bis 1962 - bei dem kurz vor dem Verkauf an die Beigeladenen im Jahr 2011 gebildeten Flurstück 751 als Wirtschaftsart "Verkehrsfläche" angegeben. Auch die Eintragung im Grundbuch bei Flurstück 64 als "Verkehrsfläche, Am H2. " zeigt, dass nur dieses Teilstück als Weg eingeordnet wurde, nicht jedoch der behauptete weitere Verlauf bis zur heutigen H. S. .
53(2) Selbst wenn man davon ausgeht, dass die private Grundstücksfläche des heutigen Flurstücks 751 in der Vergangenheit teilweise tatsächlich von Dritten genutzt worden ist, so lässt sich jedenfalls die Öffentlichkeit eines Teils der Privatfläche nicht feststellen. Die oben genannten Voraussetzungen für die Rechtsvermutung der unvordenklichen Verjährung liegen nicht vor.
54Eine rein tatsächliche Nutzung der befestigten Fläche von der H. S. kommend über den Hof entlang der Scheune bis zum Weg über den H2. und zur Q.--stiege durch die Öffentlichkeit unter stillschweigender Duldung des Eigentümers reicht nicht aus für die Rechtsvermutung der unvordenklichen Verjährung. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, der Weg sei von der Öffentlichkeit frei genutzt worden, viele vom heutigen S2.------Weg und von S3. hätten diesen Weg genutzt, um in Richtung zur W. -F. -Straße und Q.--stiege zu gelangen. Der jeweilige Eigentümer habe dies geduldet, der Weg sei befestigt gewesen und "schwarzer Weg" genannt worden und vom Lieferverkehr von der H. S. und von der Q.--stiege aus genutzt worden. Sie hat weiter hierzu vorgetragen, "dass für die Zeugen die allgemeine Übereinkunft mit Zustimmung des Eigentümers klar war, dass sie den Weg nutzen konnten als öffentlicher Weg." Die Klägerin hat für das Vorliegen dieser Tatsachen einen Beweisantrag auf Vernehmung mehrerer Zeugen gestellt, den das Gericht abgelehnt hat. Auf den Beweis der genannten Tatsachen kommt es hier nicht entscheidungserheblich an, da - wie bereits ausgeführt - schon nicht feststellbar ist, dass bis 1962 überhaupt dort ein Weg vorhanden war. Und selbst wenn die private Hoffläche von der Öffentlichkeit begangen oder befahren worden wäre und der jeweilige Eigentümer dies geduldet hätte, die Fläche befestigt gewesen wäre und "schwarzer Weg" genannt worden wäre, der Lieferverkehr diese Strecke genutzt hätte und für die Zeugen klar gewesen wäre, dass sie diese Strecke als öffentlichen Weg nutzen konnten, würde dies nach den obigen Grundsätzen nicht ausreichen für die Annahme der unvordenklichen Verjährung. Entscheidend ist vielmehr, da es hier um einen behaupteten Wegesverlauf über ein privates Grundstück geht, dass sich der Eigentümer des Grundstücks bei Anlegung der Hoffläche bzw. spätestens um das Jahr 1882 sich der privaten Verfügungsbefugnis über eine Wegesfläche begeben wollte, das heißt eine Eigentumsbeschränkung vorgenommen hat und die darauf folgenden Eigentümer die Überzeugung hatten, dass die Hoffläche zu einem bestimmten Teil rechtmäßig als öffentlicher Weg genutzt wird, ihr Eigentum also insoweit eingeschränkt ist. Um diese Feststellung zu treffen genügt es nicht, die stillschweigende Duldung des jeweiligen Eigentümers mit der Nutzung durch die Öffentlichkeit und die Überzeugung der Zeugen, dass sie die Hoffläche mit Zustimmung des Eigentümers als öffentlichen Weg nutzen konnten, festzustellen. Es muss vielmehr darüber hinaus eindeutige Anhaltspunkte dafür geben, dass eine Eigentumsbeschränkung und nicht nur eine tatsächliche Nutzung durch die Öffentlichkeit gewollt war. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich. Im Gegenteil sprechen die vorhandenen Indizien gegen die Eigentumsbeschränkung und vielmehr dafür, dass es sich nur um eine private Grundstücksfläche gehandelt hat.
55Zum einen spricht gegen eine vorgenommene Eigentumsbeschränkung, dass der von der Klägerin behauptete Weg über den befestigten Hof, zwischen Haus und Scheune hindurch geführt haben soll. Es ist nicht anzunehmen, dass der damalige Privateigentümer sich der Verfügungsbefugnis über eine Fläche seines Grundstücks begeben wollte, die nicht nur am Rand seines Grundstücks lag, sondern mitten über seinem Hof führte und nicht besonders abgegrenzt gewesen ist.
56Zudem spricht gegen eine Eigentumsbeschränkung, dass die Hoffläche von dem Grundstückseigentümer befestigt und unterhalten worden ist. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, und die Klägerin hat auch insoweit nichts vorgetragen, dass die Gemeinde oder später die Stadt N. einen Weg über die private Fläche unterhalten hätte. Es ist kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, weshalb der Privateigentümer eine Hoffläche, die er selbst hergestellt hat und die er selber nutzt, teilweise als öffentlich ansehen sollte.
57Auch aus den Eintragungen im Grundsteuerkataster kann geschlossen werden, dass die Grundstückseigentümer keine Eigentumsbeschränkung vorgenommen haben. Die Eintragung eines Weges als steuerfrei in das Grundsteuerkataster kann nach der Rechtsprechung ein Beweisanzeichen für seine Öffentlichkeit sein und das Gegenteil ein vielleicht noch stärkeres für seine Nichtöffentlichkeit.
58Vgl. Stuchlik, Straßen- und Wegerecht Nordrhein-Westfalen, S. 95.
59Hier ist nur die Wegesparzelle 144 (später 64) im Grundsteuerkataster als steuerfreier Weg eingetragen worden, nicht jedoch ein weiterer Verlauf über ein Vorgängerflurstück zu 751. Das spricht dafür, dass die Grundstückseigentümer selbst den weiteren Verlauf über die Hoffläche nicht als steuerfreien Weg betrachtet hat. Es ist davon auszugehen, dass in dem Fall, wenn die privaten Grundstückseigentümer jedenfalls seit 1882 davon ausgegangen wären, dass über ihre Privatfläche ein öffentlicher Weg verlaufen würde, dafür gesorgt hätten, dass der Weg als Ganzes als steuerfrei in das Grundsteuerkataster aufgenommen worden wäre.
60Weiterhin spricht gegen eine vorgenommene Eigentumsbeschränkung, dass eine besondere Verkehrsbedeutung für die Öffentlichkeit in dem hier maßgeblichen - privaten - Bereich nicht festgestellt werden kann. Damit fehlt ein einleuchtender Grund dafür, dass der damalige Grundstückseigentümer sein Eigentum beschränken wollte. Der behauptete Weg hat nicht zwei Siedlungen miteinander verbunden. Er hat auch nicht eine Siedlung mit wichtigen öffentlichen Gebäuden verbunden. Er hat lediglich die frühere C.----stiege (heute H. S. ) mit der O.-----stiege und Q.--stiege verbunden. Dort waren in der Vergangenheit auf beiden Seiten des H3. Felder, die von den Höfen entlang der C.----stiege bewirtschaftet wurden. Es gab, wie aus den Karten ersichtlich ist, mehrere Wege von den Höfen entlang der C.----stiege , die über den H2. zur O.-----stiege führten. Die Anwohner der benachbarten Höfe waren damit offensichtlich nicht auf den hier behaupteten Weg angewiesen. Diese vielen Überfahrtmöglichkeiten über den H2. finden sich bis in das Jahr 1951 in den Karten (Beiakte 12; Beiakte 2, Reinkarte 1951). Die Gegend jenseits der O.-----stiege entlang der Q.--stiege zur heutigen W. -F. -Straße und die Stadt N. konnten gut über die vorhandene Landstraße S1. Straße erreicht werden. Diese ist bereits in den ältesten Plänen seit 1811 verzeichnet und verläuft im Wesentlichen unverändert seit damals in geringer Entfernung nordöstlich des hier streitigen Weges. Weiter nordwestlich konnte der Bereich jenseits der O.-----stiege von der C.----stiege über einem Weg zwischen den Höfen O1. und I1. , der in den heutigen B.------Weg mündete, erreicht werden (Beiakte 2, Urkarte 1829). Diese beiden Wegesverbindungen von der C.----stiege Richtung Nordosten über den B.------Weg oder über die S1. Straße gab es durchgehend bis 1962 (Beiakte 2, Reinkarte 1951).
61Alle genannten Umstände sprechen dafür, dass die Grundstückseigentümer des Bereichs des heutigen Flurstücks 751 die Nutzung ihres Eigentums durch Fremde allenfalls nur geduldet haben. Dies war in der damaligen Zeit und ist bis heute in ländlichen Gegenden üblich.
62Vgl. zu sog. Interessentenwegen und Wirtschaftswegen: OVG NRW, Urteil vom 26. November 2003 - 11 A 251/01-, Juris. OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2014 - 11 A 2227/12 -, Juris.
63Dazu passt auch der Vortrag der Beklagten, dass sich nach der Entfernung der Überfahrtsmöglichkeit über den H2. um das Jahr 1987 niemand aus der Bevölkerung bei ihr beschwert habe. Hätte es seit 1882 dort durchgehend einen Weg gegeben, der von der Bevölkerung als öffentlicher Weg angesehen worden wäre, dann ist davon auszugehen, dass es entsprechende Beschwerden gegeben hätte.
64Der Sachverhalt musste nicht weiter aufgeklärt werden. Die Rechtsfrage konnte aufgrund der vorhandenen Akten und Beiakten eindeutig entschieden werden, so dass die weiteren Beweisanträge der Klägerin in der mündlichen Verhandlung abgelehnt worden sind. Die Beiziehung der Baulastenverzeichnisse zu Flurstück 425 und sämtlicher Vorgängerflurstücke ist hier nicht erforderlich, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern sich hieraus weitere Erkenntnisse ergeben könnten, die für die hier zu entscheidende Rechtsfrage von Relevanz wären und noch nicht vorgetragen sind. Die Akten zum Widmungsverfahren des B1.------weges sind nicht erforderlich, da es hier nicht um diesen Weg geht und nicht erkennbar ist, welche Informationen diese Akten enthalten könnten, die für das vorliegende Verfahren von Relevanz wären. Eine Inaugenscheinnahme des Gerichtes der örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück der Klägerin ist nicht erforderlich, da sich die Gegebenheiten bereits aus den vorgelegten Beschreibungen, Fotos, Karten und sonstigen Unterlagen ergeben und die aktuellen örtlichen Verhältnisse für die Klärung der Rechtsfrage der Öffentlichkeit eines alten Weges hier unerheblich ist. Die Zeugenaussage des Herrn A. ist nicht erforderlich, da es vorliegend entscheidend darauf ankommt, ob es einen Weg gab, der in der Zeit von 1882 bis 1962 öffentlich war. Die Verlegung der Fernwärmeleitungen im Jahr 2012 ist für das Geschehen in der Vergangenheit unerheblich. Die Zeugenaussage des Herrn U. ist nicht erforderlich, da die auf Bl. 235 der Gerichtsakte genannte Aussage des Zeugen unstreitig ist. Die Veräußerungsakten "Stadt N. , Herr städtischer Gartenbaudirektor T1. zum Sachverhalt vorgetragen im Schriftsatz vom 13. April 2015" sind vorliegend nicht erforderlich, da es - wie bereits ausgeführt - vorliegend auf die Verhältnisse in der Zeit von 1882 bis 1962 ankommt und nicht auf die spätere Zeit. Es ist nicht erkennbar, dass die Veräußerungsakten Informationen enthielten, die für die vorliegende Rechtsfrage erheblich wären und noch nicht vorgetragen sind. Die Inaugenscheinnahme des Gerichtes der amtlichen Stadtkarte von 1839 und eines Sachverständigengutachtens zur Echtheit dieser Karte sind nicht erforderlich, weil die vorgelegte Kopie (Bl. 26 der Gerichtsakte) insoweit ausreichend ist und sie zusammen mit den anderen vorgelegten Karten und sonstigen Unterlagen bei der Entscheidung berücksichtigt worden ist. Soweit die Beiziehung der Akten des Tiefbauamtes, des Katasteramtes, der Gemeinde V. sowie der Stadtwerke N. und der unteren Wasserbehörde zu dem Flurstück 537 und sämtlichen Vorgängerflurstücke beantragt wird, ist nicht ersichtlich, welche Informationen diese Akten - soweit sie überhaupt vorhanden sind - enthalten könnten, die über die bereits eingereichten Unterlagen hinausgehen und für die vorliegende Rechtsfrage erheblich sind. Die Beiziehung der Akten des Amtes für Immobilienmanagement, Baugruppen in N. 232101, Ordner 1 bis 13 ist nicht erforderlich, weil es für die hier zu entscheidende Rechtsfrage unerheblich ist, ob die Fläche bei Verkauf von der Beklagten an die Beigeladenen im Jahr 2011 zum großen Teil straßenmäßig gepflastert war. Hier kommt es vielmehr auf die Umstände in der Zeit von 1882 bis 1962 an.
65Im Übrigen wird ein Weg - unabhängig davon, dass es vorliegend auf die Umstände in der Zeit bis 1962 ankommt, so dass die Verlegung öffentlicher Leitungen und Kanäle in der Zeit nach 1962 schon deshalb nicht maßgeblich ist - nicht dadurch öffentlich, dass unter ihm öffentliche Leitungen oder Kanäle verlegt sind, sondern allein durch straßenrechtliche Widmung. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Die von der Klägerin des Weiteren benannte große Prozession der Pfarrkirche St. N1. , die bis zum Abriss der Brücke immer über den Weg geführt habe, hilft vorliegend auch nicht weiter. Zum einen sagt dies nichts darüber aus, ob der behauptete Weg privat oder öffentlich war und zum anderen wurde die Kirche erst 1968 gebaut und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitraum.
66Die hilfsweise erhobene Klage ist als Feststellungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Weg, den sie in ihrem Verlauf folgendermaßen bezeichnet hat:
67a) für die Teilstrecke bildlich dargestellt im B-Plan XXX von ihrer Grundstücksgrenze bis zur Straße H. S. (bildlich dargestellt in der Anlage zur Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin - Anlage K 8),
68b) in Richtung H2. über die städtische öffentliche Niederschlagswasserleitung, wie klargestellt laut Urteil des Verwaltungsgerichts N. , Urteil vom 15.5.2012, Az. 2 K 2176/11, Seite 5, dann über die noch bestehenden Fundamente der Brücke über den H2. bis zur O.-----stiege und heutigen Q.--stiege ,
69öffentlich ist. Das Gericht versteht diese Beschreibung unter Berücksichtigung der Karte (Beiakte 3, S. 187) und des von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf der Karte gezeigten Verlaufes so, dass die Strecke von der H. S. geradewegs über das Flurstück 751 bis zum Ende des Flurstücks 748 und dann gerade weiter bis zum H2. (oberhalb der verlegten Niederschlagswasserleitung) und dort entlang des Baches bis zu den alten Brückenfundamenten und entsprechend weiter bis zur Q.--stiege gemeint ist.
70Bezüglich des Teilstückes von der H. S. über das heutige Flurstück 751 wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Über dieses Flurstück hat nie ein öffentlicher Weg geführt. Bezüglich des von der Klägerin beschriebenen weiteren Verlaufs des Weges bis zum H2. entlang den Niederschlagswasserleitung gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass es einen Weg mit diesem Verlauf in der Zeit von 1882 bis 1962 gegeben haben könnte. Ein solcher Wegesverlauf findet sich in keiner einzigen Darstellung. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei allein deshalb um einen öffentlichen Weg handelt, weil die darunter liegende Niederschlagswasserleitung öffentlich ist. Eine Straße wird nicht durch die unter ihr verlaufenden öffentlichen Leitungen oder Kanäle öffentlich, sondern allein durch entsprechende straßenrechtliche Widmung. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Ob die frühere Überfahrt über den H2. und die Zuwegung zur Q.--stiege ein öffentlicher Weg waren, muss hier nicht entschieden werden. Die Klägerin ist bezüglich dieses Teilstückes keine Straßenanliegerin und kann daher die Feststellung der Öffentlichkeit alleine dieses Teilstückes nicht zulässigerweise beantragen.
71Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 - 11 A 1045/97 - Juris.
72Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 bis 5 sind hier erstattungsfähig, da dies der Billigkeit entspricht. Die Beigeladenen zu 1 bis 5 haben vorliegend eigene Sachanträge gestellt, so dass sie das Prozessrisiko eingegangen sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
73Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen. Die Rechtssache, die einen Einzelfall betrifft, hat keine grundsätzliche Bedeutung und das Urteil weicht nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung ab.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Münster Urteil, 20. Apr. 2015 - 8 K 107/14
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Verwaltungsgericht Münster Urteil, 20. Apr. 2015 - 8 K 107/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Es wird festgestellt, dass es sich bei der T.----------straße in I. um eine öffentliche Straße handelt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Öffentlichkeit einer Straße in der Stadt I. .
3I. gehörte einst zur Grafschaft Mark, später zu Brandenburg-Preußen, dann zum Großherzogtum Berg und war nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 bis zur Auflösung des Staates Preußen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs preußisch.
4Die Klägerin ist Mieterin von 16 Torbögen auf den Grundstücken T.----------straße 2 bis 6 (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 2, 133 und 307) und betreibt in einem Teil dieser Torbögen eine Fleischerei mit Partyservice. Die Grundstücke stehen im Eigentum der Deutschen Bahn AG.
5Die T.----------straße (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533) ist nach den Angaben der Beklagten seit 1878 vorhanden. Sie ist eine Sackgasse. Auf ihr befinden sich die Gebäude des am 6. Juni 1888 eröffneten und bis zum Jahr 1983 von der Beklagten betriebenen Schlacht- und Viehhofs I. . Neben dem Schlachthof befanden sich von 1888 bis ins 20. Jahrhundert auf dem Gelände u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und Markthallen für Klein- und Großvieh. Die T.----------straße war in dem von 1910 bis 1962 gültigen Kataster (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 83, 89, 84) eingetragen. Im Fluchtlinienplan XI. vom 23. Januar 1915 sind die N.------straße und ein Teil der in diese Straße einmündenden T.----------straße eingezeichnet.
6Die Beklagte stellte im Jahr 1976 verwaltungsintern fest, dass die T.----------straße nach altem Recht als gewidmet anzusehen sei, da sie bereits seit 1878 vorhanden sei. Diese Feststellung vermerkte sie auf einer Karteikarte ihrer Widmungskartei und nahm die T.----------straße im Stadtplan als gewidmete Straße auf.
7Die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße standen bis zum Jahr 2009 im Eigentum der Beklagten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Januar 2009 veräußerte die Beklagte die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße an die Beigeladene. Nach dem Erwerb der Grundstücke verlangte die Beigeladene von der Klägerin für die Nutzung der Wegeflächen eine Nutzungsentschädigung. Beim Landgericht I. ist wegen dieser Nutzungsentschädigung ein Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen - 4 O 327/10 - anhängig, welchen das Landgericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem hier anhängigen Verfahren ausgesetzt hat. Die Beigeladene erklärte gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das deswegen beim Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen - I-22 U 136/11 - geführte Verfahren hat dieses ebenfalls ausgesetzt.
8Am 28. November 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
9Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
10festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
11Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. September 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die T.----------straße sei nicht öffentlich. Sie sei nicht stillschweigend durch die maßgeblichen Rechtsbeteiligten gewidmet worden. Zur Überzeugung des Gerichts habe auf den streitigen Wegeflächen kein uneingeschränkter öffentlicher Verkehr stattgefunden, diese Flächen seien vielmehr nur für einen bestimmten Interessenkreis angelegt gewesen, nämlich für die Personen, die den städtischen Schlachthof und die damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen, Gebäude und Geschäfte (z. B. Viehställe, Schlachthallen, Restauration, Börse, Markthalle, Trichinenschau, Fortbildungsschule, Kühlhäuser, Stangeneisproduktion, Fleisch- und Wurstwarengroß- sowie -einzelhandel, Fleischerei-Einkauf mit Zubehör und Konserven, Räuchereien, Gewürzhandel, Verpackungsmaterial, Schleiferei, Salzerei, Freibank-Fleischverkauf, Wohnhaus) hätten aufsuchen wollen. Nach Angaben der vor dem Landgericht in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑ vernommenen Zeugen sei die T.----------straße nur von denjenigen genutzt worden, die auf dem Schlachthof etwas zu tun gehabt hätten. Dass zum Mittagessen in die Gaststätte auch andere, fremde Leute gekommen seien, stehe der Nichtöffentlichkeit der Straße nicht entgegen. Außerdem habe sich auch ein Tor bzw. richtiger wohl eine Schranke auf der T.----------straße befunden. Das Vorhandensein dieser Schranke, die jederzeit - aus welchen Gründen auch immer - habe geschlossen werden können, spreche dagegen, dass die T.----------straße dem uneingeschränkten öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestanden habe. Die streitigen Wegeflächen hätten allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs und der damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen auf dem Areal gedient. Diese innerbetriebliche Erschließungsfunktion verdeutliche auch der Umstand, dass es sich um eine Sackgasse handele. Ein weiterer Anhalt dafür, dass die streitigen Wegeflächen nicht öffentlich seien, sei auch den Ausführungen in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ zum Jahr 1891 zu entnehmen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der die Schranke und Weichen an der N.------straße zu bedienen gehabt habe.
15Die vom Senat zugelassene Berufung begründet die Klägerin wie folgt: Bei der T.----------straße handele es sich um eine öffentliche Straße. Sie habe ihre öffentliche Wegeeigenschaft, wenn nicht durch ausdrückliche Widmung, aber zumindest durch konkludente Willensübereinstimmung der drei Rechtsbeteiligten erhalten. Die Stadt I. habe den Ausbau der T.----------straße im Jahr 1878 und deren anschließende Nutzung zu Verkehrszwecken nicht wie Privateigentum schlicht geduldet. Vielmehr sei der Straßenbau von der Stadt I. seinerzeit aktiv initiiert und realisiert worden. Ihre Eigentümerschaft sei zwar kein zwingendes Indiz für die Öffentlichkeit der Straße, sie untermauere aber die Vermutung der Öffentlichkeit. Die Stadt I. sei auch unterhaltspflichtig gewesen. Dies sei ein weiteres Indiz für die Öffentlichkeit. Schließlich habe die Stadt I. die Straße im Jahr 1976 selbst als nach preußischem Recht gewidmete Straße angesehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die T.----------straße auch keine „Betriebsstraße“ gewesen, vielmehr seien durch die Straße noch zahlreiche andere Einrichtungen erschlossen gewesen, nämlich eine Börse, eine Markthalle und eine Gastwirtschaft sowie zahlreiche andere Einrichtungen.
16Die Klägerin beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie bezieht sich zur Begründung ihrer Berufungserwiderung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.
21Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte des Landgerichts I. betreffend das Verfahren - 4 O 327/10 - sowie die von der Klägerin vorgelegte Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
24Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Die T.----------straße in I. ist eine öffentliche Straße.
25Die nach Angaben der Beklagten seit 1878 existierende T.----------straße ist eine öffentliche Straße im Sinne des § 60 Satz 1, 1. Halbsatz StrWG NRW. Danach sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft als öffentliche Straßen besitzen. Das ist hinsichtlich der T.----------straße der Fall.
26Die T.----------straße ist vor Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts am 1. Januar 1962 entstanden. Für ihre rechtliche Beurteilung ist deshalb auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung sie entstanden ist.
27Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 ‑ 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 24.
28Zum Zeitpunkt der Entstehung der T.----------straße galt in der Grafschaft Mark das „Edikt wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Marck vom 7. Januar 1769“,
29abgedruckt in: Germershausen/Seydel/Marschall, Wegerecht und Wegeverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland und deren Ländern, II. Band, 5. Auflage 1961, S. 1605 ff.; dieses Edikt galt bis zum Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes fort (vgl. § 69 Nr. 6 LStrG 1961),
30und das preußische Wegerecht. Da weder die Vorschriften des Edikts wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Mark noch das preußische Wegerecht Regelungen über die Entstehung einer öffentlicher Straßen enthielten, ist die Öffentlichkeit einer unter Geltung dieser Vorschriften entstandenen Straße nach der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht entwickelten sogenannten Widmungstheorie zu beurteilen.
31Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 62.
32Nach dieser Theorie setzte das Entstehen einer öffentlichen Straße voraus, dass diese „unter ‑ wenn auch stillschweigender - Zustimmung der rechtlich Betheiligten (d. h. des Eigenthümers, des Unterhaltspflichtigen und der Wegepolizeibehörde) dem öffentlichen Verkehre gewidmet ist“.
33Vgl. PrOVG, Urteil vom 27. Februar 1895 ‑ IV C 52/94 -, PrOVGE 27, 399 (401).
34Hiervon ausgehend steht es nach einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen zur Überzeugung des Senats fest (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die T.----------straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist. Eine Zustimmung der maßgeblichen Rechtsbeteiligten zur Widmung ist gegeben.
35Die drei Rechtsbeteiligten wurden damals von der Stadt I. bzw. ihrem jeweiligen Oberbürgermeister verkörpert. Die Stadt I. war zum Zeitpunkt der Entstehung der Straße (bis 2009) Eigentümerin der Wegegrundstücke der T.----------straße . Sie war auch als Wegebaulastträger für diese unterhaltspflichtig. Bis zum Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßen- und Wegegesetzes am 1. Januar 1962 hatten in der Grafschaft Mark in der Regel die Städte die Wegebaulast zu tragen.
36Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 20 Wegebaulast in Westfalen, S. 207 f.
37Die Stadt I. bzw. deren Oberbürgermeister war unter Geltung des preußischen Rechts auch Wegepolizeibehörde. Wegepolizeibehörde war die Ortspolizeibehörde, in Westfalen waren das die Bürgermeister.
38Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 41 Zuständigkeiten der Behörden in Wegesachen, S. 398 f.
39Es liegen hinreichende Beweise für eine Zustimmung der Stadt I. bzw. ihres Oberbürgermeisters zur Öffentlichkeit der T.----------straße aus der Zeit ihrer Entstehung bzw. vom Beginn des 20. Jahrhunderts vor.
40Diese ergeben sich zwar nicht schon aus der Eintragung der T.----------straße in das von 1910 bis 1962 gültige Kataster. Das Kataster belegt vielmehr allein die Eigentumsverhältnisse an den katastermäßig erfassten Grundstücken, besagt jedoch nichts über die rechtliche Einordnung der Straße.
41Anders verhält es mit Blick auf den durch die Stadt I. erstellten Fluchtlinienplan XI vom 23. Januar 1915, in dem Straßenfluchtlinien eines Teils der T.----------straße enthalten sind.
42Nach § 1 des Gesetzes betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875, Pr. GS S. 561, sind für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften die Straßen- und Baufluchtlinien vom Gemeindevorstand im Einverständnis mit der Gemeinde oder deren Vertretung, dem öffentlichen Bedürfnis entsprechend unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde festzusetzen.
43Bei entsprechend den Festsetzungen solcher Fluchtlinienpläne entstandenen Straßen handelte es sich um öffentliche Straßen. Denn das Gesetz vom 2. Juli 1875 kannte „die Festsetzung von Straßenfluchtlinien nur für die Anlegung öffentlicher Straßen“.
44Vgl. PrOVG, Urteil vom 30. Dezember 1890 ‑ IV B 11/89 -, PrOVGE 20, 223 (225).
45Die Bedeutung der Fluchtlinie bestand nicht darin, festzusetzen, wo gebaut werden durfte, sondern darin, zu kennzeichnen, welche Flächen zu öffentlichen Straßen und Plätzen vorbehalten werden sollten, und deshalb nicht bebaubar waren.
46Vgl. Dieckmann, Das Fluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 und das Wohnsiedlungsgesetz vom 22. September 1933, 1. und 2. Auflage 1936, S. 2.
47Mit Blick auf die Eintragung der Straßenfluchtlinien des Beginns der T.----------straße ab der Einmündung in die N.------straße in den Fluchtlinienplan aus dem Jahr 1915 spricht Überwiegendes dafür, dass die T.----------straße (möglicherweise auf der Grundlage eines Fluchtlinienplans aus der Zeit ihrer Entstehung) von vornherein für den Gebrauch für die Öffentlichkeit gebaut worden ist. Jedenfalls ist aber anzunehmen, dass die Stadt I. bzw. ihr Oberbürgermeister als maßgebliche Rechtsbeteiligte die T.----------straße durch die Festsetzung von deren Straßenfluchtlinien im Fluchtlinienplan von 1915 insgesamt gewidmet haben.
48Insoweit ist unschädlich, dass in diesem Fluchtlinienplan nur der in die N.------straße einmündende etwa 40 m lange Teil der insgesamt ca. 150 m langen T.----------straße wiedergegeben ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerte Vermutung, die T.----------straße sei deshalb nicht vollständig auf dem Fluchtlinienplan wiedergegeben, weil ihre Öffentlichkeit im weiteren nicht dargestellten Verlauf geendet hätte. Denn dann wäre diese Straße wohl wie der nördlich parallel zur T.----------straße verlaufende, kurze (öffentliche) Stichweg der N.------straße eingezeichnet worden; dessen Ende bzw. das Ende seiner Öffentlichkeit ist nämlich kenntlich gemacht. Abgesehen davon handelt es sich nur um einen Auszug aus dem Fluchtlinienplan, der auch die südlich gelegene (öffentliche) B. -Straße wie die T.----------straße nur auszugsweise wiedergibt, ohne dass daraus etwa der Schluss gezogen werden könnte, die B. -Straße sei in ihrem weiteren Verlauf nichtöffentlich gewesen.
49Selbst wenn die Eintragung der Straßenfluchtlinien nicht als Widmung zu qualifizieren sein sollte, lässt sich aber aus den Umständen der Benutzung der Straße auf eine - schon vor 1915 erfolgte - stillschweigende Widmung schließen. Eine stillschweigende Widmung setzt immer tatsächliche Vorgänge voraus, welche den zur Zeit dieser Vorgänge vorhandenen Widmungswillen erkennen lassen. Ein mögliches, nur duldendes Verhalten des jeweiligen privaten Eigentümers lässt nicht den Schluss auf eine konkludente Widmung zu.
50Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 65, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts.
51Der Umstand, dass das Wegegrundstück im Eigentum der Gemeinde steht, „ist insofern bedeutungslos, als aus diesem Eigenthumsverhältniß durchaus nicht nothwendig die Oeffentlichkeit des Weges folgt. Es giebt zahlreiche Wege, die im Eigenthum von Gemeinden stehen, gleichwohl aber, da ihre Benutzung nur einem bestimmten Kreise von Interessenten zu einem bestimmt begrenzten Zwecke zusteht, nicht öffentliche sind“.
52Vgl. PrOVG, Urteil vom 19. Dezember 1883 PrOVGE 10, 347 (355).
53Solche Interessentenwege sind die für den Gebrauch eines bestimmten, mehr oder weniger eng begrenzten Personenkreis bestimmten Wege.
54Vgl. Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 1 Begriff des öffentlichen Weges, S. 22 f.
55Interessentenwege sind Privatwege und werden durch den größeren Umfang der Interessentenschaft, zu denen beispielsweise auch sämtliche Bewohner größerer Gemeinden gehören können, nicht zu öffentlichen.
56Vgl. PrOVG, Urteil vom 28. Januar 1926 ‑ IV C 30/24 -, PrOVGE 80, 253 (255).
57Gemessen hieran hat durch Zurverfügungstellung der T.----------straße durch die Stadt I. an die Öffentlichkeit eine stillschweigende Widmung stattgefunden. Der Gebrauch der T.----------straße war auch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.
58Da die T.----------straße nicht im Privateigentum eines Dritten stand, ist nur auf den konkludenten Widmungswillen der Stadt I. abzustellen. Allein aus ihrem Eigentum an dem Straßengrundstück kann zwar noch nicht geschlossen werden, sie habe den Gebrauch der T.----------straße der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Sie hat aber den Gebrauch des Wegs nicht nur auf den Personenkreis der Nutzer des Schlachthofs und dessen Einrichtungen beschränkt, sondern diesen vielmehr der Allgemeinheit zur Benutzung uneingeschränkt freigegeben.
59Der Umstand, dass die T.----------straße der Erschließung des Schlachthofgeländes diente, steht dieser Annahme nicht entgegen. Die Stadt I. hatte auf der T.----------straße einen allgemeinen Verkehr zugelassen, der nicht - wie etwa bei einem internen Werksverkehr - besonders reglementiert war. In aller Regel wird der Verkehr zwar dem Zweck, den Schlachthof zu erreichen, gedient haben. In diesem Rahmen war der nutzungsberechtigte Personenkreis aber nicht eingeschränkt. Denn die Beschränkung auf einen bestimmten Nutzungszweck steht der Öffentlichkeit einer Straße nicht entgegen.
60Vgl. PrOVG, Urteil vom 25. März 1885 ‑ I C 196/94 -, PrOVGE 12, 282 (286 f.).
61Es gibt keine Anhaltspunkte etwa für eine wegepolizeiliche Anordnung, mit der die Benutzung der T.----------straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und dessen Einrichtungen beschränkt worden wäre. Dem von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat angeführten, in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (53. Seite der Festschrift) zum Jahr 1899 vermerkten Eintrag des Polizeiinspektors, wonach „die Metzger Kinder mit zum Schlachthof brächten, ohne daß dagegen eingeschritten werde“, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen, Kinder seien von der Benutzung der T.----------straße auszuschließen, vielmehr sollten diese nicht zum bzw. in den Schlachthof mitgebracht werden. Hinzu kommt, dass sich dieser Vorgang erst nach einem hier maßgeblichen Widmungsmoment ereignete.
62Auch die tatsächlichen Vorgänge auf und an der T.----------straße sprechen gegen eine nur für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis erfolgte Freigabe dieser Straße.
63Aus der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (15. Seite der Festschrift) ergibt sich, dass sich zum Zeitpunkt der Einweihung des Schlachthofs am 6. Juni 1888 an der T.----------straße neben den verschiedenen Schlachthallen u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und eine Markthalle für Kleinvieh sowie eine weitere für Großvieh befanden. Das Restaurationsgebäude, aber auch die Markthallen und wohl auch das Börsenhaus waren für jedermann zugänglich. Vom Restaurationsgebäude bzw. dem „Gasthof“ existieren zudem (allerdings) undatierte, aber wohl aus der vorletzten Jahrhundertwende stammende Lichtbilder (eines in der Festschrift auf der 5. Seite und zwei in Form von Kopien auf Blatt 134 und 135 der Gerichtsakte des Landgerichts I. in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑, letzteres Lichtbild ist auch in der von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat eingereichten Schrift über „X.--ringhausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, enthalten), die die Annahme bestätigen, dass das über die T.----------straße zugängliche Restaurationsgebäude und damit auch die T.----------straße jedermann zur Nutzung offen standen. Auf dem in der Festschrift abgebildeten Lichtbild sind neben einem Mann, der einen an einem Strick angebundenen Ochsen festhält, und einem ein Schürzenkleid tragenden Mann weitere Personen in Straßenkleidung, darunter auch Kinder, abgebildet. Auf den beiden nur in Kopie vorhandenen Lichtbildern sind ebenfalls Personen in Straßenkleidung und auch Kinder zu erkennen.
64Auch eine Notiz aus dem Jahr 1908 und ein Ausschnitt aus der Hagener Zeitung aus dem Jahr 1912, jeweils vermerkt auf der 57. Seite der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “, sprechen nicht dafür, die Stadt I. habe den Gebrauch der Straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und seiner Einrichtungen begrenzen wollen. Denn andernfalls wäre die Vermietung eines „Eierlager(s)“ im Jahr 1908 an eine I1. Firma auf dem Schlachthofgelände, damit also durch die Stadt I. selbst, nicht nachvollziehbar. Aus dem Ausschnitt aus der I2. Zeitung von 1912 ergibt sich, dass die Errichtung von Verkaufslokalen für Metzgereibedarfsartikel und einer Schleiferei für Metzgerwerkzeuge sowie die Verlegung des Schlachthofrestaurants in einige der „Bogennischen“, in denen sich der Betrieb der Klägerin heute befindet, vorgesehen waren. Auch diese ausdrücklich geäußerten Absichten unterstreichen den Willen der Stadt, die T.----------straße solle nicht allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs - so die Annahme des Verwaltungsgerichts -, sondern auch anderen Erschließungszwecken dienen. Gegen eine „innerbetriebliche Erschließung“ spricht im Übrigen auch allein das Vorhandensein der in dem Ausschnitt der I2. Zeitung erwähnten „Bogennischen“ der „Eisenbahn“, die offenbar zu diesem Zeitpunkt schon baulich genutzt worden und von der T.----------straße aus zugänglich gewesen sind. Diese „Bogennischen“ sind zwar „pachtweise“ der Stadt I. überlassen worden; die Eisenbahn dürfte die Bogennischen aber ursprünglich für ihre Zwecke errichtet (und möglicherweise auch genutzt) haben und nicht zum Zwecke der Nutzung für den Schlachthofbetrieb, eine Nutzung, die davon abgesehen auch von der Stadt I. selbst für diese Bogennischen nicht vorgesehen war.
65Auch die in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ auf der 52. Seite betreffend das Jahr 1891 zu entnehmenden Ausführungen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der „die Schranken und Weiche an der N.------straße zu bedienen“ hatte, sind kein gegen die Öffentlichkeit und für die rein innerbetriebliche Funktion der T.----------straße sprechenden Indizien. Denn dass der Pförtner des Schlachthofs die Benutzung der T.----------straße zu kontrollieren hatte, lässt sich daraus nicht entnehmen. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen, die sich ausdrücklich auf den „Bahnanschluß“ beziehen, ergibt sich vielmehr, dass es sich bei der „Schranke und Weiche“, die der Pförtner zu bedienen hatte, um die Eisenbahnschranke und -weiche an der N1.-------straße handelte, nicht aber um eine Schranke, die den Zugang zur T.----------straße regulieren sollte.
66Auch soweit das Verwaltungsgericht auf die Aussagen der vom Landgericht in dem Verfahren 4 O 327/10 vernommenen Zeugen abstellt, wonach sich auf der T.----------straße (hinter der Einmündung) ein Tor oder eine Schranke (ein Tor ist auch auf dem in der Gerichtsakte des Landgerichts befindlichen Lichtbild, angeheftet an Blatt 64, erkennbar) befinde, und das Vorhandensein dieser „Schranke“, die jederzeit habe geschlossen werden können, als Indiz gegen die Öffentlichkeit der T.----------straße anführt, überzeugt dieses Argument nicht. Es ist damit schon nicht belegt, dass dieses Tor sich dort bereits in der für die Frage der Widmung entscheidungserheblichen Zeit, also von 1878 an, befand. Abgesehen davon bestätigt allein das Vorhandensein eines solchen Tores, jedenfalls dann, wenn es - wie hier ‑ erhebliche Anhaltspunkte für einen Widmungswillen gibt, nicht die Nichtöffentlichkeit eines Wegs oder einer Straße. Denn es kann auch nur zeitweiligen Absperrungen ‑ etwa im Fall einer Seuche ‑ gedient haben.
67Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei der Beklagten im Jahr 1976 und die damit verbundene Einordnung der Straße durch die Beklagte sei für das Gericht nicht bindend. Denn allein entscheidend ist, ob die Vorgänge im für die Widmung entscheidungserheblichen Zeitraum - also in der Zeit von 1878 an - auf einen Widmungsakt schließen lassen, nicht wie die Beklagte diese Vorgänge im Jahr 1976 bewertet hat. Allerdings ist die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei zumindest ein Indiz dafür, dass diese seit jeher öffentlich gewesen ist, weil die Beklagte selbst diese Straße als schon vor langer Zeit gewidmet angesehen hat.
68Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat weiteres Fotomaterial betreffend die T.----------straße und den nördlich von der T.----------straße gelegenen Stichweg der N.------straße sowie eine Schrift über „X.--hausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, zu den Akten gereicht hat, vermögen auch diese Unterlagen nicht die Feststellungen des Senats, es handele sich bei der T.----------straße um eine öffentliche Straße, in Frage zu stellen. Die Lichtbilder spiegeln den aktuellen Zustand wider und sind deshalb nicht hinreichend aussagekräftig für die Beantwortung der Frage, ob die T.----------straße im 19. Jahrhundert gewidmet worden ist. Auch aus der Schriftreihe über X.--hausen ergeben sich aus Sicht des Senats keine gegen eine Widmung sprechenden Indizien. Der auf dem Schlachthofgelände damals betriebene Gasthof wird zwar nicht in der Aufzählung der in X.--hausen seinerzeit bekannten Gaststätten benannt. Über ihn findet sich in der Schrift aber in einem über den Schlachthof verfassten Artikel ein Lichtbild, welches mit „Altes Schlachthofgebäude mit Gaststätte“ überschrieben ist. Auch das Argument der Beklagten, die T.----------straße sei in der Schrift im Zusammenhang mit der im Jahr 1887 errichteten Gasanstalt als „verlängerte N.------straße “ bezeichnet worden, vermag die Auffassung der Beklagten, die T.----------straße sei damals nichtöffentlich gewesen, nicht zu stützen. Die N.------straße war im Fluchtlinienplan vom 23. Januar 1915 eingezeichnet und deshalb nach den obigen Darlegungen eine öffentliche Straße. War die N.------straße aber öffentlich, so gilt dies auch für ihre Verlängerung.
69Einer Anwendung des Grundsatzes der Widmung kraft unvordenklicher Verjährung bedarf es mit Blick auf die Feststellungen einer Widmung der T.----------straße entsprechend den Grundsätzen der Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nicht. Zudem dürfte es für die Anwendung dieses Grundsatzes an der Voraussetzung fehlen, dass es sich um einen so genannten alten Weg handelt, dessen Entstehung nicht geklärt ist.
70Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 87.
71Denn die T.----------straße ist nach den Angaben des Beklagten seit dem Jahr 1878 vorhanden, sodass ihre Entstehung nicht im Dunkeln liegt.
72Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
73Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.