Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 06. Sept. 2017 - 5 K 783/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2017:0906.5K783.16.00
bei uns veröffentlicht am06.09.2017

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme.

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Am 16. August 2015 gegen 2:21 Uhr kam es wegen einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen zu einem Polizeieinsatz der Polizeiinspektion A-Stadt 2 bei der A-Tankstelle in der A-Straße in A-Stadt am .... Der Kläger, ein Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika, der zu diesem Zeitpunkt bei den US-Streitkräften in B-Stadt stationiert war, gehörte zu den am Einsatzort von den Polizeibeamten angetroffenen Personen.

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Gemäß dem Rapporteintrag der Polizeiinspektion A-Stadt 2 vom 16. August 2015 seien beim Eintreffen der Polizeibeamten vor Ort ein Geschädigter mit Namen C mit einer stark blutenden Wunde an der Stirn sowie drei andere Personen angetroffen worden. Weiterhin sei über die gesamte Fläche der Tankstelle Blut festgestellt worden. Verschiedenes Inventar der Tankstelle sei bei der Schlägerei zu Bruch gegangen. Nachdem der Geschädigte sich geweigert habe, in ein deutsches Krankenhaus gebracht zu werden und mehrere Platzverweise erteilt worden seien, sei es zu einer Widerstandshandlung durch den Kläger gekommen. Hierbei sei ein Polizeibeamter durch einen Fingerbiss verletzt worden. Im Anschluss an die Sachverhaltsaufnahme seien alle Personen an die Military Police überstellt worden.

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In dem zusätzlichen Einsatzbericht von Polizeikommissar L von der Polizeiinspektion A-Stadt 2 vom 19. August 2015 heißt es weiter, sowohl Herr C als auch alle anderen Personen hätten vor Ort die Angaben zu den Gründen der Tat verweigert. Herr C habe lediglich angegeben, dass es sich bei den vor Ort befindlichen Personen um seine Freunde handeln würde, die alle beim amerikanischen Militär in B-Stadt stationiert seien. Auf Grund der Verletzungen des Herrn C sei ein Krankenwagen verständigt worden. Als dieser vor Ort eingetroffen und Herr C durch die Sanitäter erstversorgt worden sei, sei die Stimmung der Beteiligten umgeschlagen, weshalb diese hätten in Gewahrsam genommen werden sollen. Im Rahmen dieser Maßnahme sei es zu einem Widerstandsdelikt des Herrn O gekommen. Daraufhin sei die Militär-Polizei der US-Streitkräfte hinzugezogen und die Personen diesen übergeben worden.

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In einer gesonderten Stellungnahme vom 19. August 2015 führte der an dem Einsatz beteiligte Polizeikommissar P aus, der Kläger habe zunächst versucht, in den Krankenwagen zu gelangen, in welchem die verletzte Person der Körperverletzung (Herr C) behandelt worden sei. Da er dort den Einsatz der Rettungskräfte behindert habe, sei ihm ein Platzverweis in englischer Sprache erteilt worden. Aufgrund dessen, dass sich der Kläger sehr aggressiv und unkooperativ gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten verhalten und sich nicht vom Rettungswagen entfernt habe, sei vorgesehen gewesen, ihn mittels Handschellen zu fixieren und einen Durchsetzungsgewahrsam durchzuführen. Weiterhin habe nicht ausgeschlossen werden können, dass er die eingesetzten Beamten angreifen und verletzen würde.

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Als gegenüber dem Kläger die Ingewahrsamnahme ausgesprochen worden sei, habe dieser versucht, über die Fahrspuren und Straßenbahngleise auf der A-Straße zu flüchten. Fußläufig sei er von mehreren Polizeibeamten verfolgt worden. Auf der Fahrbahn sei der Kläger durch ihn (Herrn P) festgehalten und zu Boden gebracht worden. Hierbei habe er sich sein linkes Knie und die linke Hüfte geprellt. Gleichzeitig habe ihm der Kläger in den kleinen Finger der rechten Hand gebissen. Den Biss habe er mittels einfacher körperlicher Gewalt gelöst, indem er dem Kläger dreimal gegen den Kiefer geschlagen habe. Daraufhin habe der Kläger den Biss gelöst. Im Anschluss daran sei der Kläger durch weitere Polizeibeamte am Boden fixiert und mittels Handschellen gefesselt worden.

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Dem Kläger war am 16. August 2015 um 5.21 Uhr eine Blutprobe entnommen worden, die einen Blutalkoholwert von 1,34 Promille ergeben hatte.

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Im Dezember 2015 stellte die Staatsanwaltschaft Frankenthal das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und gab es an die US-Behörden ab.

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In dem anschließenden Zivilgerichtsverfahren, in dem sowohl Polizeikommissar P von dem Kläger als auch der Kläger von Polizeikommissar P Schmerzensgeld wegen des genannten Vorfalls verlangten, wies das Landgericht Frankenthal Klage und Widerklage mit Urteil vom 24. Mai 2017 – 3 O 409/16 – nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab.

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Zuvor hatte der Kläger, der inzwischen in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückgekehrt ist, am 13. September 2016 Klage zum erkennenden Gericht erhoben. Er führt aus, er sei am 16. August 2015 auf einer privaten Feier in A-Stadt gewesen. Sein Freund C sei an der neben der Feierstelle gelegenen A- Tankstelle von mehreren Dunkelhäutigen attackiert worden. Die Kassiererin der Tankstelle habe die Rettungskräfte alarmiert. Kurz vor Eintreffen der Einsatzkräfte seien die Dunkelhäutigen in unterschiedliche Richtungen davongelaufen. Freunde hätten ihn über die erfolgten Verletzungen von Herrn C informiert. Er sei zur Tankstelle gegangen und habe seinen Freund blutend im Rettungswagen liegen sehen. Er sei einige Zeit am Rettungswagen geblieben. Die Blutung habe gefühlte 15 Minuten lang nicht gestillt werden können. Er habe dann gefragt, ob Lebensgefahr bestehe. Die medizinische Helferin habe ihm geantwortet. In diesem Moment seien die Polizeibeamten auf den Kläger zugetreten. Ein uniformierter Polizeibeamter habe ihn mit den Worten „Sie stehen unter Arrest“ begrüßt. Sodann hätten ihn die Polizeibeamten zu Boden geschlagen. Gemeinschaftlich hätten sie ihn erheblich verletzt. Er habe die Provokationen und Gewalttätigkeiten der Polizeibeamten über sich ergehen lassen. Die Handlung sei mit der Kamera seines Mobiltelefons aufgenommen worden.

11

Der Polizeibeamte P habe ihm dreimal gegen den Kiefer geschlagen. Polizeikommissar L habe mit dem rechten Arm gegen das Schulterblatt des Klägers geschlagen, anschließend sei sein Gesicht nach unten auf den Asphalt gedrückt worden. Daraus resultierten Schürfwunden an der Stirn und der Wange. Er sei von den Polizeibeamten gemeinschaftlich gefesselt worden. Er habe versucht zu fliehen, sei aber von den Polizeibeamten eingeholt worden, die ihm weitere Verletzungen zugefügt hätten. Sodann sei er fixiert worden. Seine Freunde hätten dies gesehen. Anschließend sei die amerikanische Militärpolizei gekommen und habe ihn vor weiteren Gewalttätigkeiten der Polizeibeamten bewahrt. Auf dem Polizeirevier habe man ihm dann widerrechtlich eine Blutprobe abgenommen.

12

Das Vorgehen der Polizei gegen ihn sei rechtswidrig gewesen. Wer einem verletzten, blutenden Freund am Rettungswagen Beistand leiste, tue Gutes. Dies habe kein Polizeibeamter zu pervertieren. Keiner habe in dieses Freundschaftsverhältnis einzugreifen.

13

Er habe ein erhebliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme, da zum einen der Polizeibeamte P gegen ihn vorgehe und zum anderen der Beklagte zivilrechtliche Forderungen gegen ihn erhebe. Auch habe er wegen des Vorfalls dienstrechtliche Schwierigkeiten gehabt.

14

Der Vorfall habe seine Menschenwürde und mithin seine Psyche attackiert. Die Bilder des Vorfalls gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er erinnere sich immer wieder an die Schmerzen. Es seien derbe Entwürdigungen gewesen. Dass es die Justiz, insbesondere die Staatsanwaltschaft, bis heute nicht zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gebracht habe, erlege ihm einen Rechtfertigungsdruck auf. Es bestehe ein berechtigtes Interesse an der korrekten juristischen Aufarbeitung.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass der Polizeieinsatz am 16. August 2015 gegen ihn, den Kläger, auf dem Gelände der A-Tankstelle in A-Stadt, A-Straße, rechtswidrig war.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Er führt aus, entgegen der Ansicht des Klägers bestehe kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, insbesondere nicht aufgrund des durch Herrn Polizeikommissar P betriebenen Zivilverfahrens gegen den Kläger. Das von der Rechtsprechung anerkannte Präjudizinteresse im Rahmen von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog sei lediglich in den Fällen anzunehmen, in welchen die Erledigung des Verwaltungsaktes erst nach Klagerhebung eingetreten sei. Im Fall des Klägers liege jedoch die umgekehrte Situation vor. Dieser habe erst Klage erhoben, nachdem sich der Verwaltungsakt erledigt gehabt habe. Zudem sei es nicht der Kläger, der einen zivilrechtlichen Anspruch vor Gericht verfolge, sondern vielmehr der durch den Kläger geschädigte Polizeibeamte.

20

Soweit der Kläger behaupte, dass ein „berechtigtes Interesse an der korrekten juristischen Aufarbeitung“ bestehe, und er psychisch unter dem vor einem Jahr zurückliegenden Ausspruch der Polizeibeamten leide, sei in diesem Vortrag kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu erkennen.

21

In Fällen der vorliegenden Art, in denen sich der Verwaltungsakt typischerweise erledige, könne grundsätzlich ein Interesse an einer Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorliegen, soweit durch den Verwaltungsakt in Grundrechte eingegriffen werde und durch die Erledigung ein rechtsfreier Raum eröffnet würde, der mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 20 GG nicht zu vereinbaren wäre. Im konkreten Fall des Klägers werde jedoch das polizeiliche Handeln in zwei weiteren Verfahren überprüft. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung sei zuständigkeitshalber an die US-Justizverbindungsstelle abgegeben worden. Dort werde über die Strafbarkeit der Widerstandshandlung des Klägers sowie Körperverletzung und inzident auch über das polizeiliche Handeln befunden.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die beigezogene Akte des Landgerichts Frankenthal in der Sache 3 O …/16 und die beigezogene Strafakte ….. Js ……../15 verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2017.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist zulässig (I.), in der Sache aber unbegründet (II.).

24

I. Die Klage ist zulässig.

25

1. Die Klage, die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Beamte der Polizeiinspektion A-Stadt 2 vorgenommenen Polizeieinsatzes am 16. August 2015 gegen den Kläger auf dem Gelände der A-Tankstelle in A-Stadt am ..., A-Straße, gerichtet ist, ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft.

26

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich – wie hier – der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2014 – 7 A 10993/13 –, LKRZ 2014, 363).

27

Vorliegend erfüllen nicht nur der Platzverweis und die angeordnete Ingewahrsamnahme (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2011 – 1 S 2513/10 –, VBlBW 2011, 350), sondern auch das polizeiliche Verhalten mittels Anwendung körperlichen Zwangs die Merkmale eines Verwaltungsakts (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2014 – 7 A 10993/13 –, LKRZ 2014, 363).

28

2. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht der Umstand entgegen, dass die Klage erst mehr als ein Jahr nach dem Vorfall vom 16. August 2015 eingereicht worden ist. Hat sich ein Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft erledigt, so ist eine Klage, die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtet ist, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO gebunden (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 6 C 7/98 –, NVwZ 2000, 63).

29

3. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

30

Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und ergibt sich nach der Rechtsprechung insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie unter bestimmten Bedingungen auch aus der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 2 C 27/15 –, NVwZ-RR 2017, 381). Dies ist vorliegend der Fall.

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3.1. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse lässt sich allerdings nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Bedeutung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 –, NVwZ 2013, 1481). Demgemäß besteht kein berechtigtes Feststellungsinteresse bei nur vager Möglichkeit einer Wiederholung oder bei Ungewissheit, ob künftig gleiche tatsächliche Verhältnisse vorliegen werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2014 – 7 A 11202/13.OVG –, juris).

32

Eine konkrete Wiederholungsgefahr scheidet hier bereits deshalb aus, weil der Kläger inzwischen in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückgekehrt ist und es damit nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass er künftig wieder in eine Lage geraten wird, die hinsichtlich der maßgebliche Umstände dem vorliegenden Fall im Wesentlichen entspricht.

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3.2. Der Kläger kann sein Feststellungsinteresse auch nicht daraus herleiten, dass der an dem Einsatz beteiligte Polizeikommissar P vor dem Landgericht Frankenthal gegen ihn, den Kläger, sowie er im Wege der Widerklage gegen Herrn P zivilrechtliche Forderungen erhoben haben. Dies gilt ebenso für den Fall, dass der Kläger noch beabsichtigen sollte, einen Schadensersatzanspruch gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen Amtspflichtverletzung der Beamten anlässlich des Polizeieinsatzes am 16. August 2015 geltend zu machen. In beiden Fällen handelt es sich um Ansprüche, die in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fallen. Beruft sich ein Kläger im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage darauf, diese diene der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses oder sonstiger Ersatzansprüche, so ist ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur gegeben, wenn sich der streitgegenständliche Verwaltungsakt nicht bereits vor der Klageerhebung erledigt hat (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 – 8 C 30/87 –, NJW 1989, 2486; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Januar 2009 – 10 A 10805/08 –, DVBl 2009, 659). Für diesen Fall ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Partei, die – auch im Sinne des Primärrechtsschutzes (vgl. § 839 Abs. 3 Bürgerliches GesetzbuchBGB –) – gezwungen war, vor dem Verwaltungsgericht zu klagen, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1998 – 4 C 14/96 –, NVwZ 1998, 1295). Diese Konstellation ist hier ersichtlich nicht gegeben, da die verschiedenen Maßnahmen der Polizeibeamten anlässlich des Polizeieinsatzes am 16. August 2015 sich unmittelbar danach erledigt hatten.

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3.3. Die Kammer hat ferner erhebliche Zweifel, ob ein berechtigtes Feststellungsinteresse hier unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung des Klägers gegeben ist.

35

Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene den erledigten Verwaltungsakt als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob abträgliche Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 – 2 A 5/98 –, NVwZ 2000, 574). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (s. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 –, NVwZ 2013, 1481; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2014 – 7 A 10993/13 –, LKRZ 2014, 363).

36

Eine diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkung kann sich nicht nur aus der Art des Verwaltungsaktes, seiner Begründung und den Umständen seines Erlasses ergeben, sondern auch aus der Art und Weise seines Vollzugs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 113 Rn. 143). Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtmäßigkeit von Grundverwaltungsakt und Vollstreckungsmaßnahmen rechtlich getrennt zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 – I C 49.64 –, BVerwGE 26, 161). Der Vollzug eines Verwaltungsaktes kann gleichwohl Bedeutung für die Beurteilung der Frage von dessen Außenwirkung und des dadurch eingetretenen Ansehensverlusts haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 –, NVwZ 2013, 1481).

37

Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung am 6. September 2017 an.

38

Die Kammer hat erhebliche Bedenken, bei objektiver Betrachtung ein berechtigtes Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung des Klägers zu begründen. Der Vorfall liegt über zwei Jahre zurück. Anhaltspunkte, dass von den angegriffenen Maßnahmen der Polizeibeamten noch eine in der Gegenwart andauernde Stigmatisierung des Klägers ausgehen könnte, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen, sind nicht ersichtlich. Der Kläger ist inzwischen in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückgekehrt. Zwar hat er behauptet, er habe wegen des Vorfalls dienstrechtliche Schwierigkeiten gehabt. Dies hat er aber nicht einmal ansatzweise näher präzisiert. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal hat das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung – StPO – eingestellt und an die US-Behörden abgegeben. Dass die US-Behörden wegen dieses Vorfalls in der Folgezeit strafrechtlich gegen ihn Ermittlungen aufgenommen hätten, hat der Kläger nicht behauptet.

39

3.4. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse liegt aber jedenfalls im Hinblick auf einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff vor.

40

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz – GG – verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in zeitlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, NJW 2004, 2510; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 7 B 1/16 –, juris).

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Tiefgreifende Grundrechtseingriffe kommen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz – wie in den Fällen des Art. 13 Abs. 2 – 4 (Unverletzlichkeit der Wohnung) und Art. 104 Abs. 2 und 3 (Freiheitsentziehung) – vorbeugend dem Richter vorbehalten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 1999 – 2 BvR 804/97 –, NJW 1999, 3773 zur Freiheitsentziehung zur Durchsetzung eines Platzverweises). Tiefgreifende Grundrechtseingriffe wurden in der Rechtsprechung weiterhin bejaht bei Eingriffen in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 – I C 49.64 –, BVerwGE 26, 161).

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Hiervon ausgehend kann sich der Kläger auf ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Hinblick auf einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff berufen. Kurzfristig sich erledigende polizeiliche Maßnahmen – Platzverweis, angeordnete Festnahme und Anwendung unmittelbaren Zwangs – liegen vor. Während des Polizeieinsatzes am 16. August 2015 konnte der Kläger auch keinen Rechtsschutz gegen die getroffenen Maßnahmen erreichen. Nach seiner Darstellung wurde der Kläger bei dem Tumult nach dem Platzverweis von Polizeivollzugsbeamten geschlagen. Er hat vorgetragen, die Beamten hätten ihn ohne hinreichenden Grund mit Gewalt misshandelt. Sollte dies wirklich zutreffen, so wäre er durch eine obrigkeitliche Maßnahme in seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG sowie seines Rechts auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und seines Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie die Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 GG verletzt worden. Diese geltend gemachten Grundrechtsverletzungen sind nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen.

43

II. Die Klage ist aber unbegründet. Die gegen den Kläger ergriffenen polizeilichen Maßnahmen waren rechtmäßig.

44

1. Der von Beamten der Polizeiinspektion A-Stadt 2 an der A-Tankstelle in der A-Straße in A-Stadt am ... in der Nacht des 16. August 2015 ausgesprochene Platzverweis findet seine Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG –. Danach können die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person zeitlich befristet von einem Ort verweisen oder ihr zeitlich befristet das Betreten eines Ortes verbieten. Die Maßnahme kann insbesondere gegen Personen angeordnet werden, die den Einsatz der Polizei, der Feuerwehr oder von Hilfs- und Rettungsdiensten behindern.

45

Die Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Platzverweises lagen vor.

46

1.1. In formeller Hinsicht konnte der Platzverweis gegenüber dem Kläger gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – mündlich ergehen.

47

Ein mündlicher Verwaltungsakt geht zu, wenn der Betroffene die Erklärung vernommen und als solche verstanden hat. Sprachunkenntnis und Sprachschwierigkeiten des Betroffenen – bei dem Kläger handelt es sich um einen amerikanischen Staatsbürger, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist – können durch Verwendung einer Fremdsprache beseitigt werden (vgl. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 41 Rn. 96). Dies ist hier erfolgt, da die Polizeibeamten den Platzverweis in englischer Sprache ausgesprochen haben („Go“).

48

1.2. Selbst wenn der im Bekanntgabezeitpunkt alkoholisierte Kläger die Anordnung des Platzverweises nicht vollständig erfasst haben sollte, bestehen keine Zweifel am Wirksamwerden der Grundverfügung ihm gegenüber gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 43 Abs. 1 VwVfG. Nach der Rechtsprechung reicht es zur Bekanntgabe eines Verwaltungsakts aus, dass die Behörde seinen Inhalt willentlich dem Adressaten zur Kenntnis bringt. Zur Kenntniserlangung bedarf es lediglich der Handlungsfähigkeit des Empfängers gemäß § 12 VwVfG, die mit seiner Geschäftsfähigkeit nach bürgerlichem Recht einhergeht (vgl. dazu im Einzelnen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. August 2009 – 5 E 967/09 –, juris).

49

Danach war der mündlich ausgesprochene Verwaltungsakt wirksam geworden, weil die Polizeibeamten nach den für sie erkennbaren Umständen davon ausgingen, der Kläger habe seinen Ausführungen folgen können.

50

1.3. Die Polizeibeamten der Polizeiinspektion A-Stadt 2 waren auch sachlich (§ 13 Abs. 1 POG) und örtlich (§ 78, 77 Abs. 2 POG i.V.m. der Landesverordnung über die Dienstbezirke und die Gliederung der Polizeipräsidien sowie die sachliche Zuständigkeit des Wasserschutzpolizeiamtes – PolPrV –) zuständig, dem Kläger einen Platzverweis zu erteilen.

51

1.4. Auch die materiellen Anforderungen des § 13 Abs. 1 POG sind erfüllt.

52

Da der Platzverweis ausschließlich der Gefahrenabwehr dient, ist im Rückschluss aus § 9 POG eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich. Eine Gefahr ist gegeben, wenn eine Sachlage besteht, die aus der objektiven ex-ante-Sicht der Behörde bei verständiger Würdigung in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an einem Schutzgut der öffentlichen Sicherheit führen wird (vgl. Roos/Lenz, Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz, 4. Auflage 2011, § 9 Rn. 17 m.w.N.). Die Anforderungen an das Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes hängen dabei von der Größe des Schadens und der Wertigkeit des zu schützenden Rechtsgutes ab. Je bedeutender und höherrangiger das bedrohte Rechtsgut ist, desto niedriger sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2012 – 6 C 12/11 –, NJW 2012, 2676). Für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes bedarf es einer Prognose auf der Basis der zum Zeitpunkt der polizeilichen Entscheidung (ex ante) erkennbaren Umstände.

53

Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist u.a. die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Die Polizei ist dazu berufen, den ordnungsmäßigen Betrieb der staatlichen Einrichtungen vor Störungen von außen zu sichern, unabhängig davon, ob diese einen Straftatbestand oder Bußgeldtatbestand erfüllen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Januar 1997 – 5 B 2601/96 –, NJW 1997, 1596). Stören oder behindern Dritte eine polizeiliche Maßnahme, stellt dies eine konkrete Gefahr für das Funktionieren einer staatlichen Einrichtung und damit für die öffentliche Sicherheit dar (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2014 – 7 A 10993/13 –, LKRZ 2014, 363 m.w.N.). Dabei beurteilt sich die Frage, ob eine präventiv-polizeiliche Maßnahme erforderlich ist, nach den Verhältnissen und dem Erkenntnisstand zurzeit ihres Erlasses (sog. ex-ante-Betrachtung, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - 1 C 35.70 -, juris, Rn. 32 = BVerwGE 49, 36).

54

Hiervon ausgehend durften die Beamten der Polizeiinspektion A-Stadt 2 in der Nacht des 16. August 2015 gegenüber dem Kläger einen Platzverweis aussprechen.

55

Aus den Feststellungen des Landgerichts Frankenthal in seinem Urteil vom 24. Mai 2017 – 3 O …/16 – sowie in dem Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 15. März 2017, in der sowohl der Kläger zu dem Sachverhalt am 16. August 2015 informatorisch angehört als auch insgesamt sechs Zeugen vernommen wurden, ergibt sich zweifelsfrei, dass der Kläger, bei dem später ein Alkoholpegel von 1,34 Promille festgestellt wurde, in der besagten Nacht die Rettungskräfte, die nach ihrem Eintreffen auf dem Tankstellengelände den verletzten C dem Rettungswagen ärztlich versorgten, aggressiv störte.

56

Die Kammer darf von diesen Feststellungen ausgehen, da der Kläger Besonderheiten nicht vorgetragen hat und gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen des Landgerichts Frankenthal in dem geführten Zivilprozess nicht ersichtlich sind (vgl. für den Strafprozess BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 – 1 B 34/97 –, GewArch 1997, 242; Bay. VGH, Beschluss vom 12. Februar 2007 – 19 CS 06.2210 –, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 12 ME 142/16 –, juris zur Bindung an Strafurteile bei der Entziehung der Fahrerlaubnis).

57

Soweit die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2017 behauptet hat, der Kläger sei berechtigt gewesen, seinen Freund im Rettungswagen aufzusuchen, sei aber rechtswidriger Weise daran von den Rettungskräften und Polizeibeamten gehindert worden, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Die Rettungskräfte waren zu der Tankstelle in der A-Straße in A-Stadt am ... gerufen worden, weil es dort nach einem Zwischenfall einen Verletzten – Herrn C – gegeben hatte. Gemäß § 22 Abs. 6 Rettungsdienstgesetz – RettDG – in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juni 2013 (GVBl. Seite 254) gilt für die im Rettungsdienst eingesetzten Rettungshelfer, Rettungssanitäter, Rettungsassistenten und Notärzte die Regelungen des durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2010 (GVBl. Seite 567) geänderten § 25 des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes – LBKG – entsprechend. Danach veranlasst der Einsatzleiter nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Gefahrenabwehr notwendigen Maßnahmen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 LBKG). Der Einsatzleiter führt die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen durch, soweit diese nicht von der Polizei oder anderen zuständigen Stellen getroffen werden, und kann insbesondere das Betreten des Einsatzgebiets oder einzelner Einsatzbereiche verbieten, Personen von dort verweisen und das Einsatzgebiet oder einzelne Einsatzbereiche sperren und räumen lassen, soweit dies zur Abwehr von Gefahren nach § 1 Abs. 1 erforderlich ist (§ 25 Abs. 1 Satz 4 LBKG). Er hat die Befugnisse eines Vollstreckungsbeamten nach dem III. Abschnitt des ersten Teiles des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (§ 25 Abs. 1 Satz 5 LBKG).

58

Somit wären bereits die Rettungskräfte berechtigt gewesen, gegenüber dem Kläger einen Platzverweis zu erteilen. Jedenfalls war der (offensichtlich mehrmals) gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion A-Stadt 2 rechtmäßig, da der alkoholisierte Kläger ganz offenkundig die eingesetzten Rettungskräfte bei ihrer Arbeit störte. Dass der Kläger vorgibt, er habe nur seinem Freund beistehen wollen, dies dürfe kein Polizeibeamter „pervertieren“, ist vor diesem Hintergrund haltlos.

59

2. Die Anordnung der Ingewahrsamnahme ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

60

Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamnahme ist die Vorschrift des § 14 Abs. 1 POG. Danach kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn 1. das zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet, 2. das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung zu verhindern, 3. das unerlässlich ist, um eine Platzverweisung oder ein Aufenthaltsverbot nach § 13 durchzusetzen, oder 4. das unerlässlich ist, um private Rechte zu schützen, und eine Festnahme und Vorführung nach den §§ 229 und 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig wäre.

61

2.1. In formeller Hinsicht kann zunächst auf die Ausführungen zu 1.1. und 1.2. verwiesen werden. Die Anordnung der Ingewahrsamnahme erfolgte in englischer Sprache („You are under arrest“ (s. Blatt 4 des Protokolls über die öffentliche Sitzung des Landgerichts Frankenthal vom 15. März 2017) und konnte somit vom Kläger verstanden werden.

62

Der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 POG bedurfte es nicht, weil anzunehmen war, dass die Entscheidung des Richters erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen würde (§ 15 Abs. 1 Satz 2 POG).

63

2.2. Materiell waren zumindest die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 3 POG gegeben.

64

2.2.1. Es lag ein polizeilicher Gewahrsam im Sinne des § 14 Abs. 1 POG vor. Gewahrsam bedeutet, dass die Polizei einer Person ihre Freiheit entzieht, sie in Verwahrung nimmt und sie daran hindert, sich zu entfernen (VG München, Urteil vom 12. Oktober 2016 – M 7 K 14.2128 –, juris). Die Freiheitsentziehung ist abzugrenzen von der Freiheitsbeschränkung, bei der die Bewegungsfreiheit des Betroffenen vorübergehend eingeschränkt ist. Ab wann eine Freiheitsentziehung gemäß Art. 104 Abs. 2 GG (und nicht bloß eine Freiheitsbeschränkung) und damit ein Gewahrsam nach Polizeirecht vorliegt, richtet sich nach der Intensität des Eingriffs (sogenannter materieller Gewahrsamsbegriff). Eine Freiheitsentziehung setzt mindestens voraus, dass die – tatsächlich und rechtlich an sich gegebene – körperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 2002 – 2 BvR 2292/00 –, BVerfGE 105, 239). Danach lag hier ein Gewahrsam vor, denn der Kläger wurde am 16. August 2015 zwischen 2 und 3 Uhr durch Polizeibeamte auf dem Gelände der Tankstelle in der A-Straße in A-Stadt am ... am Boden fixiert und mittels Handschellen gefesselt und bis kurz vor 6 Uhr, als er den US-Streitkräften auf der Dienststelle übergeben wurde, festgehalten. Bei dieser Zeitdauer hatte der Eingriff in die Freiheitsrechte eine solche Intensität erreicht, dass eine Freiheitsentziehung gegeben war (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 12. Januar 2017 – 3 K 141/16 –, juris unter Bezugnahme auf Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Auflage 2015, § 26 Rn. 29: ab einer Stunde).

65

2.2.2. Die Ingewahrsamnahme des Klägers war im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Anordnung (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 5 A 1045/09 –, juris) zur Durchsetzung des zuvor angeordneten Platzverweises erforderlich. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2011 – 1 S 2513/10 –, VBlBW 2011, 350). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden.

66

Die von den Polizeibeamten am 16. August 2015 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Der Kläger war nach den Feststellungen des Landgerichts Frankenthal sowohl von den Rettungskräften als auch von den Polizeibeamten zunächst höflich aufgefordert worden, sich von dem Rettungswagen und dessen unmittelbarer Umgebung zu entfernen. Dies hatte jedoch keinen Erfolg, so dass die Polizeibeamten mehrfach einen förmlichen Platzverweis gegenüber dem Kläger aussprachen, dem dieser jedoch nicht Folge leistete, weil er der unzutreffenden Auffassung war, ein Zugangsrecht zu seinem Freund im Rettungswagen zu haben. Um nicht länger die Rettungskräfte bei ihrer Arbeit stören zu können, war die Ingewahrsamnahme des Klägers zur Durchsetzung des Platzverweises unerlässlich.

67

Ob im Hinblick auf den Umstand, dass der Kläger in der Nacht des 16. August 2015 auch stark alkoholisiert war, daneben auch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 POG als Rechtsgrundlage in Betracht kam (vgl. Roos/Lenz, a.a.O., § 14 Rn. 9), bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

68

3. Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion A-Stadt 2 findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 57, 58 POG. Gemäß § 57 Abs. 1 POG gelten die §§ 2 bis 6 Abs. 1 und die §§ 10, 14 bis 16, 61 bis 67 und 83 bis 85 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG –, wenn die Polizei einen Verwaltungsakt vollstreckt, mit dem eine Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird. Ist die Polizei nach diesem Gesetz, dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz oder anderen Rechtsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt, gelten für die Art und Weise der Anwendung die §§ 58 bis 66 und, soweit sich aus diesen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes (§ 57 Abs. 2 POG). Die Ausführung unmittelbaren Zwanges erfolgt durch Polizeibeamte (§ 57 Abs. 3 POG).

69

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verwaltungszwang nach den genannten Vorschriften waren hier gegeben.

70

Der ausgesprochene Platzverweis sowie die angeordnete Ingewahrsamnahme waren gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar und konnten nach § 2 Nr. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 3 LVwVG, § 58 POG mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.

71

Die Polizeibeamten haben unmittelbaren Zwang in Form von körperlicher Gewalt gegen den Kläger angewendet (vgl. § 58 Abs. 2 POG), indem sie diesen, als er sich der Festnahme entziehen wollte, festhielten und, nachdem der Kläger anlässlich der Festnahme den Polizeikommissar P in den Finger gebissen hatte, schlugen, am Boden fixierten und ihm Handschellen anlegten (s. dazu die Feststellungen des Landgerichts Frankenthal im Verfahren 3 O …/16).

72

Diese Maßnahmen waren rechtmäßig, insbesondere auch verhältnismäßig. Die Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwanges ist aus der ex-ante-Sicht der handelnden Polizeibeamten zu beurteilen. Ein anderes geeignetes, den Kläger weniger belastendes Zwangsmittel stand nicht zur Verfügung. Wie die an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten in der Sitzung des Landgerichts Frankenthal vom 15. März 2017 übereinstimmend ausgesagt haben, war der Kläger von den am 16. August 2015 auf dem Tankstellengelände anwesenden Personen besonders aggressiv und uneinsichtig, weshalb zunächst ein Platzverweis und anschließend die Anordnung der Ingewahrsamnahme ausgesprochen wurde. Weil der Kläger sich der Ingewahrsamnahme widersetzte, durften ihn die Polizeibeamten unter Anwendung unmittelbaren Zwangs festsetzen.

73

Der Umstand, dass der Kläger nach dem Beißvorfall mehrmals von Polizeibeamten geschlagen, auf dem Boden fixiert und gefesselt wurde, war ersichtlich darauf zurück zu führen, dass der Kläger seinerseits mit Gewalt sich der Festnahme entziehen wollte (s. dazu die Feststellungen des Landgerichts Frankenthal im Verfahren 3 O …/16).

74

Es bedurfte auch keiner vorherigen Androhung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 POG vor der Anwendung unmittelbaren Zwangs. Zum einen ließen die Umstände eine Androhung nicht zu (§ 61 Abs. 1 Satz 2 POG), zumal der Kläger stark alkoholisiert und uneinsichtig war. Zum anderen war die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig (§ 61 Abs. 1 Satz 2 POG).

75

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

76

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

77

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 06. Sept. 2017 - 5 K 783/16.NW

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein durch Beamte der Bundespolizei angeordneter Platzverweis sowie die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtswidrig waren.

2

Am 5. Mai 2012 fuhr sie zusammen mit Frau H., die ebenfalls Klage bezüglich der gegen sie ergriffenen polizeilichen Maßnahmen erhoben hat (vgl. Urteil des Senats im Verfahren 7 A 11202/13.OVG), mit dem Zug nach K.. Sie beobachteten dabei zwei Beamte der Bundespolizei, die lagebildabhängige Befragungen und Kontrollen unter anderem zur Dunkelfeldaufhellung im Bereich illegaler Migration durchführten. Nach der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person sprachen sie die Polizeibeamten an und fragten nach den Gründen der Kontrolle. Dabei machten sie deutlich, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

3

Am Hauptbahnhof in K. stiegen sowohl die Klägerin und ihre Begleiterin als auch die beiden Polizeibeamten aus. Im Bahnhofsgebäude beobachteten sie die Befragung und Kontrolle eines dunkelhäutigen Mannes - des Herrn M. - durch die Polizeibeamten. Sie gingen auf die dreiköpfige Personengruppe zu und stellten sich in einem Abstand von etwa 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten. Ihren eigenen Angaben zufolge wollten sie der kontrollierten Person deutlich machen, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung von Frau H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Polizeibeamten forderten sie auf, sich zu entfernen, weil sie eine polizeiliche Maßnahme behinderten. Die Klägerin entgegnete, sie störten doch nicht. Die Polizeibeamten wiederholten die Aufforderung zweimal und wiesen darauf hin, dass dies ein Platzverweis sei. Die Klägerin wendete ein, dafür bestehe ihrer Ansicht nach kein Anlass. Daraufhin drohten die Polizeibeamten mehrfach körperlichen Zwang zur Durchsetzung des Platzverweises an. Nachdem die beiden Frauen der Aufforderung weiterhin nicht nachkamen, ergriff einer der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptmeister B., die Klägerin am Arm, drehte ihn auf den Rücken und brachte sie in diesem Polizeigriff zu einem Seitenausgang aus dem Bahnhofsgebäude. Dort ließ er sie los und kehrte in die Bahnhofshalle zurück. Die Klägerin folgte ihm. Frau H. und der andere Polizeibeamte, Polizeikommissar S., waren im Bahnhofsgebäude geblieben. Da die Klägerin und ihre Begleiterin sich beschweren wollten, wurde der Vorgesetzte der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptkommissar F., hinzugerufen.

4

Polizeihauptmeister B. schrieb unter dem 5. Mai 2012 einen Bericht über den Vorfall. Darin heißt es, Polizeikommissar S. und er seien im Zug nach K. von zwei Frauen angesprochen und gefragt worden, warum sie Personen mit ausländischem Erscheinungsbild kontrollieren würden. Bei einer Personalienüberprüfung in der Halle des Hauptbahnhofs K. seien diese beiden Frauen erneut, dieses Mal seitlich, dicht an die kontrollierenden Beamten herangetreten. Durch das fortan gezeigte, aufdringliche Verhalten sei die ordnungsgemäße Fortführung der laufenden Maßnahme erheblich erschwert worden. Im Anschluss an die Beschwerde seien die beiden Frauen auf den Adressaten der vorangegangenen Kontrolle zugegangen und hätten ihn gefragt, ob er mit der polizeilichen Maßnahme einverstanden sei, ob er sich diskriminiert und ausgestoßen fühle. Der eigentliche Adressat der Maßnahme habe gegenüber Polizeihauptkommissar F. Verständnis für diese gezeigt.

5

Am 4. September 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angeordneten Platzverweises, der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwanges sowie einer Personalienfeststellung, die im Anschluss durch die Polizeibeamten vorgenommen worden sei. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung als auch unter dem der Wiederholungsgefahr und des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs. Ihre Begleiterin und sie hätten sich bei der Kontrolle von Herrn M. im K. Hauptbahnhof lediglich in die Nähe gestellt und diese beobachtet. Sie hätten weder gestört noch überhaupt etwas gesagt.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat angegeben, bei der polizeilichen Maßnahme gegenüber Herrn M. in der Haupthalle des K. Hauptbahnhofs hätten sich die Klägerin und Frau H. seitlich sehr dicht an die handelnden Beamten gestellt und während der Maßnahme wiederholt auf die zu kontrollierende Person - Herrn M. - eingeredet. Die "bedrängende Anwesenheit" der Klägerin habe es nicht zugelassen, die Befragung einer Person unter Beachtung ihrer Persönlichkeitsrechte und Integrität durchzuführen. Ein gewisses Maß an Abstand durch Passanten sei zwingend erforderlich, allein aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Interessen der betreffenden Personen. Außerdem sei zu befürchten gewesen, dass die betreffende Person wegen der Präsenz der Klägerin Angaben nicht korrekt oder nicht vollständig machen würde. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Kontrolle lediglich still beobachtet, treffe nicht zu. Sie habe auch durch gezielte Fragen gestört, wie etwa, ob Herr M. sich durch die Kontrolle diskriminiert und ausgestoßen fühle.

7

Das Verwaltungsgericht hat nach Vernehmung der Polizeibeamten B. und S. sowie von Herrn M. und Frau H. als Zeugen mit Urteil vom 21. August 2013 die Klage abgewiesen. Sie sei in Bezug auf den Platzverweis, die Androhung unmittelbaren Zwangs und die Identitätsfeststellung mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Hinsichtlich der Anwendung unmittelbaren Zwangs sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Maßnahme - ebenso wie der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs - rechtmäßig gewesen sei. Die beiden Polizisten, denen dabei eine Einschätzungsprärogative zukomme, hätten zu Recht von einer Störung ihrer Aufgabenwahrnehmung ausgehen dürfen. Schon die Nähe der Klägerin - und ihrer Begleiterin - zu den kontrollierenden Beamten rechtfertige die Annahme einer solchen Störung. Überdies habe die Klägerin nach Überzeugung der Kammer auf die Dreiergruppe der beiden Polizeibeamten und Herrn M. eingeredet und auch dadurch den Kontrollvorgang gestört.

8

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit auch des Platzverweises und der Androhung unmittelbaren Zwangs. In der Sache sei die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Sie habe die polizeiliche Maßnahme gegenüber Herrn M. nicht gestört, sondern lediglich still beobachtet.

9

Die Klägerin beantragt zuletzt, nachdem sie die Berufung hinsichtlich der Personalienfeststellung zurückgenommen hat,

10

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 festzustellen,

11

1. dass der von Beamten der Beklagten ihr gegenüber angeordnete Platzverweis am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. rechtswidrig gewesen ist,

12

2. dass die von Beamten der Beklagten ihr gegenüber ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist,

13

3. dass die Art und Weise des von Beamten der Beklagten ihr gegenüber durchgeführten unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung des ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist.

14

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 verwiesen. Der Senat hat die Bundespolizeibeamten B., S. und F. sowie Herrn M. und Frau H. als Zeugen über die Umstände der Kontrolle des Herrn M. am 5. Mai 2012 im Hauptbahnhof K. vernommen. Hinsichtlich ihrer Aussage wird ebenfalls auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 Bezug genommen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist unbegründet.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist - soweit sie nach teilweiser Rücknahme der Berufung noch anhängig ist - zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

20

1. Die Klage, die nunmehr allein noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Beamte der Bundespolizei angeordneten Platzverweises der Klägerin sowie der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung gerichtet ist, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 - 6 C 21.07 -, juris, Rn. 10 = BVerwGE 131, 216, m.w.N.). Dabei erfüllen nicht nur der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs, sondern auch das polizeiliche Verhalten mittels Anwendung körperlichen Zwangs die Merkmale eines Verwaltungsakts (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 - 1 C 49.64 -, juris, Rn. 14 = BVerwGE 26, 161).

21

Die Klägerin hat entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

22

Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 20 = BVerwGE 146, 303, m.w.N.). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist hier unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung der Klägerin gegeben.

23

Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene den erledigten Verwaltungsakt als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob abträgliche Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 2 A 5.98 -, Buchholz 310, § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 8 m.w.N.). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 25).

24

Eine diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkung kann sich nicht nur aus der Art des Verwaltungsaktes, seiner Begründung und den Umständen seines Erlasses ergeben, sondern entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch aus der Art und Weise seines Vollzugs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 113 Rn. 143; Knauff, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 113 Rn. 59). Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtmäßigkeit von Grundverwaltungsakt und Vollstreckungsmaßnahmen rechtlich getrennt zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967, a.a.O., Rn. 7 ff.). Dem Vollzug eines Verwaltungsakts kann gleichwohl Bedeutung für die Beurteilung der Frage von dessen Außenwirkung und des dadurch eingetretenen Ansehensverlusts haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 26 f.). So ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse bei einer polizeilichen Identitätsfeststellung angesichts der diskriminierenden Begleitumstände anerkannt worden, weil das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit - bei unbeteiligten Beobachtern des Polizeieinsatzes - eine schwere Einbuße erlitten haben konnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 21 B 90.166 -, juris, Rn. 49). Wenngleich diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkungen einer polizeilichen Maßnahme vor allem dann anzunehmen sind, wenn sie das Ansehen der Betroffenen bei Nachbarn und Bekannten herabsetzen, so kann demnach auch der erhebliche Ansehensverlust in der Öffentlichkeit hierfür ausreichen. Hiervon ausgehend ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse der Klägerin für ihr Feststellungsbegehren zu bejahen. Zwar hat der polizeilich angeordnete Platzverweis an sich das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit bei objektiver Betrachtung nicht erheblich herabgesetzt. Die Begleitumstände dieser polizeilichen Maßnahme dürfen jedoch nicht ausgeblendet werden. Hierzu zählen - wie dargelegt - auch die Art und Weise des Vollzugs des Platzverweises. Die Klägerin wurde, nachdem sie dem Platzverweis auch nach Androhung unmittelbaren Zwangs nicht nachkam, in den sogenannten Polizeigriff genommen - mit dem Arm auf dem Rücken - und zwangsweise aus dem Bahnhofsgebäude des K. Hauptbahnhofs gebracht. Bei einem unbeteiligten Beobachter dieses Vorgangs konnte daher der Eindruck entstehen, die Klägerin habe sich deswegen von der Polizei so behandeln lassen müssen, weil sie in nicht unerheblicher Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen habe. Für die Androhung unmittelbaren Zwangs als untrennbarer Teil des Gesamtvorgangs sowie die Anwendung unmittelbaren Zwangs selbst gilt nichts anderes.

25

2. Die Klage ist unbegründet. Die gegen die Klägerin ergriffenen polizeilichen Maßnahmen waren rechtmäßig.

26

Der von Beamten der Bundespolizei gegenüber der Klägerin im K. Hauptbahnhof angeordnete Platzverweis findet seine Rechtsgrundlage in § 38 Bundespolizeigesetz - BPolG -. Danach kann die Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen (Platzverweis).

27

Die Voraussetzungen für einen solchen Platzverweis lagen vor.

28

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG ist Gefahr im Sinne des § 38 BPolG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 BPolG obliegen. Die Bundespolizei war in ihrer Funktion als Bahnpolizei (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BPolG) sachlich zuständig für die Anordnung eines Platzverweises in der Halle des K. Hauptbahnhofs.

29

Zur öffentlichen Sicherheit gehören auch staatliche Einrichtungen, die sowohl in ihrem Bestand als auch in ihrem Funktionieren Schutz genießen. Wenn Dritte eine polizeiliche Maßnahme stören oder behindern, stellt dies eine konkrete Gefahr für das Funktionieren einer staatlichen Einrichtung und damit für die öffentliche Sicherheit dar (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, D Rn. 22 und 25; Martens, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, VwVG, UZwG, 5. Auflage 2012, § 38 BPolG Rn. 8). Dabei beurteilt sich die Frage, ob eine präventiv-polizeiliche Maßnahme erforderlich ist, nach den Verhältnissen und dem Erkenntnisstand zurzeit ihres Erlasses (sog. ex-ante-Betrachtung, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - 1 C 35.70 -, juris, Rn. 32 = BVerwGE 49, 36). Zwar ist ein polizeiliches Einschreiten auch zur Abwehr einer sogenannten Anscheinsgefahr gerechtfertigt (vgl. Lisken/Denninger, a.a.O., D Rn. 46 ff.; Peilert, in: Heesen/ Hönle/Peilert/Martens, a.a.O., § 14 BPolG Rn. 24 f.), der Polizei steht aber im Rahmen ihrer Gefahrenprognose keine Einschätzungsprärogative im Sinne eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums zu (so ersichtlich auch VGH BW, Urteil vom 17. März 2011 - 1 S 2513/10 -, juris, Rn. 24, der von einer Einschätzungsprärogative lediglich in Bezug auf die gerichtliche Überprüfung am Maßstab der ex-ante-Prognose spricht).

30

Hiervon ausgehend durften die Beamten der Bundespolizei annehmen, dass die Klägerin - zusammen mit ihrer Begleiterin - die polizeiliche Befragung und Kontrolle des Herrn M. im K. Hauptbahnhof behindert hat.

31

Dies ergibt sich aus der Gesamtschau folgender Umstände: Die Klägerin ist ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats zufolge während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. zusammen mit ihrer Begleiterin, Frau H., auf diesen und die beiden Polizeibeamten zugegangen und hat sich in einem Abstand von ca. 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten gestellt. Ihr Vorbringen zur räumlichen Entfernung deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben von Frau H. sowie der Polizeibeamten B. und S. in erster Instanz, die den Abstand auf etwa 1,5 bis 2 m bzw. auf etwa 1 oder 1 bis 2 m schätzten. Nach Angaben der Klägerin wollte sie der kontrollierten dunkelhäutigen Person signalisieren, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung der Zeugin H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie und ihre Begleiterin mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Klägerin und ihrer Begleiterin beobachteten demnach nicht nur aus einem gewissen Abstand eine polizeiliche Befragung und Kontrolle. Sie suchten vielmehr eine demonstrativ geringe Nähe zu den Polizeibeamten und der kontrollierten Person, um ihre Missbilligung der Kontrolle bzw. ihren Beistand mit dem Kontrollierten deutlich zu machen. Dies wurde von den Polizeibeamten auch so verstanden. Sie waren nämlich von der Klägerin und ihrer Begleiterin bereits zuvor im Zug auf der Fahrt nach K. angesprochen und nach den Gründen der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person gefragt worden. Dabei hatten die beiden Frauen deutlich gemacht, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

32

Vor diesem Hintergrund durften die Polizeibeamten in der demonstrativ geringen Nähe der Klägerin eine Behinderung der Befragung und Kontrolle des dunkelhäutigen Herrn M. sehen. Es bestand nicht nur aufgrund der geringen Nähe die konkrete Gefahr, dass die befragte Person keine weiteren oder keine vollständigen Auskünfte mehr geben würde, sobald sie die Anwesenheit der Klägerin und damit eines unbeteiligten Dritten in Hörweite bemerken würde. Es erscheint darüber hinaus aufgrund der demonstrativen Nähe auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Klägerin mit der nonverbalen Kundgabe ihrer Missbilligung bzw. ihres Beistands auf die Fortführung der Befragung und Kontrolle von Herrn M. behindernd einwirken wollte, indem sie ihn durch ihr demonstrativ gezeigtes Verhalten letztlich zu einer Aufgabe seiner Auskunftsbereitschaft gegenüber den Polizeibeamten animieren würde.

33

Ob die Klägerin überdies die polizeiliche Befragung und Kontrolle auch dadurch gestört hat, dass aufgrund der geringen Nähe eine ordnungsgemäße Eigensicherung der kontrollierenden Beamten nicht mehr möglich gewesen ist, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, bedarf demnach keiner Entscheidung.

34

Ebenso kann mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben, ob die Klägerin bereits - wie von der Beklagten geltend gemacht - während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. auf diesen eingeredet und ihn sinngemäß gefragt hat, ob er sich durch die Kontrolle diskriminiert fühle, oder ob sie ihn dies erst nach dem Ende der Kontrolle im Anschluss an ihre Beschwerde gegenüber dem Vorgesetzten der beiden Polizeibeamten gefragt hat.

35

Die Klägerin war auch nicht im Wege der Nothilfe berechtigt, die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. zu behindern. Nothilfe ist nicht geboten, wenn der Rechtsgutsinhaber den Angriff nicht abwehren oder sich selbst verteidigen will; der Nothelfer darf seine Hilfe nicht aufdrängen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1986 - 4 StR 306/86 -, juris, Rn. 4; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, § 227 Rn. 3). Da Herr M. sich gegen seine Befragung und Kontrolle durch die Polizeibeamten ersichtlich nicht wehren wollte, sondern bereitwillig Auskunft erteilt hat, scheidet bereits aus diesem Grunde ein Nothilferecht der Klägerin aus. Es kommt daher nicht darauf an, ob die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. ihrerseits rechtmäßig war. Dadurch entsteht keine Rechtsschutzlücke. Vielmehr kann der von einer polizeilichen Maßnahme Betroffene grundsätzlich bei Vorliegen eines entsprechenden berechtigten Interesses deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen.

36

In diesem Zusammenhang weist der Senat im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren geäußerte Rechtsauffassung zur Rechtmäßigkeit der polizeilichen Kontrolle vorsorglich darauf, dass die beklagte Bundespolizei selbst eine Auswahl der verdachtsunabhängig zu befragenden bzw. kontrollierenden Personen allein aufgrund der Hautfarbe für nicht mit Art. 3 Abs. 3 GG vereinbar hält. Diese Auffassung hat auch der Senat in einem früheren Verfahren zum Ausdruck gebracht.

37

Ist nach alledem der Platzverweis der Klägerin rechtmäßig gewesen, so gilt gleiches für die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung.

38

Hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs kann dahinstehen, auf welche Rechtsgrundlage diese hier gestützt werden kann.

39

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VwVG - müssen Zwangsmittel, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2 VwVG), schriftlich angedroht werden. Nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG ist die Androhung zuzustellen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist die Schriftlichkeit der Androhung nach Bundesrecht zwingend. Damit ist es grundsätzlich ausgeschlossen, ein Zwangsmittel - wie den unmittelbaren Zwang (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) - mündlich anzudrohen. Lediglich in den Fällen der §§ 13, 14 UZwG - der Androhung des Gebrauchs von Schusswaffen sowie der Androhung des Einsatzes von Wasserwerfern, Dienstfahrzeugen und Explosivmitteln - entfällt die Schriftform. Folgt man der Auffassung, dass erst recht im einfachen Fall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG bei einem mündlichen Verwaltungsakt auch die mündliche Androhung eines Zwangsmittels genügen müsse (ablehnend Sadler, VwVG, VwZG, 7. Auflage 2010, § 13 VwVG Rn. 33), sodass auch die Zustellung der Androhung nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG entbehrlich wäre, liegen die weiteren Voraussetzungen für eine Androhung unmittelbaren Zwangs vor.

40

Der Platzverweis ist ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung im Sinne von § 6 Abs. 1 VwVG gerichtet ist. Er kann mit dem Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) durchgesetzt werden, weil Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die unaufschiebbare Anordnung der Polizeivollzugsbeamten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung hatten. Die Androhung war schließlich auch erforderlich, da die Klägerin dem Platzverweis nicht nachgekommen ist.

41

Hält man hingegen eine mündliche Androhung des Zwangsmittels bei einem mündlichen Platzverweis nicht für zulässig, so ist die "Androhung" nur als Ankündigung des darauf folgenden unmittelbaren Zwangs durch sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG anzusehen (vgl. Sadler, a.a.O., § 13 VwVG, Rn. 33). Dann liegt hier der Ausnahmefall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG vor. Da das Zwangsmittel sofort angewendet werden kann im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG, muss es nicht schriftlich angedroht und die Androhung nicht zugestellt werden.

42

Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs findet seine Rechtsgrundlage in § 6 in Verbindung mit § 12 VwVG.

43

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verwaltungszwang nach § 6 Abs. 1 VwVG waren hier gegeben, wie oben bereits ausgeführt. Die Anwendung von Ersatzvornahme oder Zwangsgeld war untunlich im Sinne von § 12 VwVG. Da die mit dem Platzverweis verbundene Verpflichtung, sich zu entfernen, nur von der Klägerin persönlich erfüllt werden konnte, schied eine Ersatzvornahme von vornherein aus. Ein Zwangsgeld wäre hier offensichtlich ineffektiv gewesen, um die mit dem Platzverweis bezweckte Abwehr der Störung der polizeilichen Kontrolle des Herrn M. zu erreichen. Da die Klägerin auf die Androhung unmittelbaren Zwangs dem Platzverweis weiterhin nicht folgte, war die Anwendung unmittelbaren Zwangs auch erforderlich.

44

Die Kostenentscheidung folgt unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus § 154 Abs. 2 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

47

Beschluss

48

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung in der mündlichen Verhandlung des Senats auf 11.875,00 € und im Übrigen auf 6.875,00 € festgesetzt, wobei der Senat für die Identitätsfeststellung, hinsichtlich derer die Berufung zurückgenommen worden ist, den Regelstreitwert von 5.000,00 € veranschlagt (vgl. §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2010 – 4 K 2303/09 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu den Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme.
Am 02.06.2007 fand auf Platz 2 des Wildparkstadions in Karlsruhe eine Regionalligabegegnung zwischen der zweiten Mannschaft des Karlsruher SC und dem SSV Reutlingen statt. Die Reutlinger Fans wurden ab Eintreffen mit der S-Bahn am Durlacher Tor auf ihrem Fußmarsch zum Stadion durch Einsatzkräfte der Polizei begleitet. Gegen 14.00 Uhr wurde die Fangruppe, die auf der Westseite des Adenauerrings entlang des Universitätsgeländes ging, auf Höhe der Fußgängerüberführung Richard-Willstätter-Allee von zum Teil maskierten und vermummten KSC-Fans angegriffen. Dabei wurden eine Rauchbombe gezündet und Flaschen, Steine und Farbeimer gegen die Reutlinger Fans geworfen. Hierbei wurden zwei Polizeibeamte verletzt. Unmittelbar nach der Attacke rannten die Angreifer wieder in das Waldgebiet Richtung Stadion zurück. Von den nachsetzenden Einsatzkräften wurde eine Gruppe von 40 Personen beim Universitätsschwimmbad gestellt und zur Personalienfest-stellung festgehalten. Darunter befand sich auch der Kläger. Da die Polizei nach dem Spiel weitere Angriffe auf die Reutlinger Fans befürchtete, wurde den festgehaltenen Personen zur Verhinderung solcher Störungen der Polizeigewahrsam erklärt mit dem Ziel der Entlassung nach Abreise der Reutlinger Fans. Weil die vorhandenen polizeilichen Transportkapazitäten nicht ausreichten, wurde zum Transport ein Bus der Verkehrsbetriebe Karlsruhe geordert, mit dem die Betroffenen unter Polizeibegleitung zum Zentralgewahrsam des Polizeipräsidiums Karlsruhe in der Moltkestraße gefahren wurden. Nach Abreise der Reutlinger Fans gegen 17.30 Uhr wurden die in Gewahrsam Genommenen sukzessive in Fünfergruppen auf freien Fuß gesetzt.
Das gegen den Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 06.02.2008 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In den Gründen hieß es, es bestünden keine Zweifel an einem im Sinne der §§ 125, 125 a StGB tatbestandlichen Verhalten der einzelnen Mitglieder der Karlsruher Gruppe. Auch sprächen in Anbetracht dessen, dass der Kläger sich kurz nach der Tat in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von „Fußballfans“ bewegt habe, gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er bei den Angreifern dabei gewesen sei. Andererseits könne nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass tatsächlich eine zumindest teilweise Durchmischung der angreifenden Gruppe mit an den Angriffen nicht beteiligten Personen stattgefunden habe.
Mit einer Ausnahme wurden auch gegen die übrigen in Gewahrsam genommenen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet, die in vier Fällen zu einer Anklageerhebung, in allen anderen Fällen ebenfalls zu einer Einstellung führten. Die vier Angeklagten wurden alle vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen.
Mit Gebührenbescheid vom 23.07.2007 zog das Polizeipräsidium Karlsruhe den Kläger zu einer Gebühr in Höhe von 93,-- EUR heran (Transport mit dem Polizeifahrzeug: 48,-- EUR; Unterbringung im Polizeigewahrsam: 45,-- EUR). Auch gegen die übrigen 39 in Gewahrsam genommenen Personen ergingen entsprechende Gebührenbescheide.
Am 30.07.2007 legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, die Zahlungsaufforderung sei für ihn völlig unverständlich und nicht hinnehmbar. Sie seien grundlos und unschuldig abgeführt worden. Der Transport habe nicht in einem Polizeifahrzeug, sondern in einem für die Reutlinger Fans bereitgestellten Linienbus stattgefunden. Der Einsatz von nur ca. zehn Beamten im Bus habe einen Personalaufwand von 240,-- EUR verursacht, was durch 41 Businsassen dividiert 6,-- EUR pro Person ergebe. Schließlich habe es sich um keinen Polizeigewahrsam gehandelt, vielmehr seien sie lediglich in eine Garage verfrachtet worden.
Mit Schreiben vom 29.09.2008 teilte das Polizeipräsidium Karlsruhe dem Kläger mit, dass der Gebührenbescheid vom 23.07.2007 auf die Gebühr für die Unterbringung im Polizeigewahrsam, mithin auf 45,-- EUR, reduziert werde.
Den im Übrigen aufrecht erhaltenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landespolizeidirektion - mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die polizeiliche Ingewahrsamnahme durch den Polizeivollzugsdienst hätten vorgelegen. Die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen stelle eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die eingesetzten Beamten hätten davon ausgehen müssen, dass es während oder nach dem Fußballspiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Gästefans und weiteren Auseinandersetzungen kommen könnte. Die Ingewahr-samnahme habe der Verhinderung weiterer erheblicher Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gedient und sei unter Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers die einzige angemessene Maßnahme gewesen. Die Höhe der Gebühren entspreche den rechtlichen Vorgaben.
Am 11.09.2009 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Von der Ingewahrsamnahme seien auch Personen betroffen gewesen, die - wie er - in keinster Weise an den unschönen Vorfällen im Vorfeld des Fußballspiels beteiligt gewesen seien. Er sei an den Auseinandersetzungen weder aktiv beteiligt gewesen noch habe er diese unterstützt. Er habe damit weder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gestört noch Straftaten begangen. Eine entsprechende Gefahr sei von ihm nicht ausgegangen. Der Beklagte habe seine gegenteilige Behauptung weder dargelegt noch bewiesen. Die bloße Tatsache, dass er sich als Fußballfan auf dem Weg zu einem Fußballspiel befunden habe, in dessen Vorfeld es in der Nähe zu Ausschreitungen gekommen sei, rechtfertige die Ingewahrsamnahme nicht. Deshalb sei auch der Gebührenbescheid aufzuheben.
10 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat ausgeführt, dass gegen den Kläger nach wie vor der Verdacht des Landfriedensbruchs bestehe. Dies ergebe sich auch aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 06.02.2008. Bei der Beurteilung, ob eine unmittelbar bevorstehende Gefahr die Ingewahrsamnahme gerechtfertigt habe, sei eine gruppenbezogene Betrachtung angestellt worden.
11 
Mit Urteil vom 13.01.2010 - 4 K 2303/09 - hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam dürften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme keinen rechtlichen Bedenken begegne. Sie sei von § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG gedeckt. Da für die inzident zu überprüfende Inge-wahrsamnahme die ex ante-Sicht der Polizei maßgeblich sei und der Kläger aus dieser Sicht zur Gruppe der Störer gehört habe, könne hinsichtlich der Heranziehung zu den Kosten nichts anderes gelten.
12 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 04.11.2010 - 1 S 604/10 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren im Wesentlichen vor: Nach den tatsächlichen Feststellungen könne allenfalls davon ausgegangen werden, dass er als sog. Anscheinsstörer anzusehen sei. Ob er als solcher zu Kosten herangezogen werden dürfe, sei aus der ex post-Perspektive zu beantworten. Entscheidend sei, wie sich die Gefahrenlage und ihre Verursachung bei rückwirkender Betrachtung darstellten. Danach erweise sich der Gebührenbescheid als rechtswidrig, weil weder konkret dargelegt noch bewiesen worden sei, dass von dem Kläger eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen sei.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2010 - 4 K 2303/09 - zu ändern und den Gebührenbescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. August 2009 aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Der Kläger sei nicht lediglich Anscheinsstörer, sondern Mitglied einer Gruppe gewesen, von der eine Störung ausgegangen sei. Zudem könne auch der Anscheinsstörer zu Polizeikosten herangezogen werden, wenn er in zurechenbarer Weise den Anschein der Gefahr veranlasst habe. Dies sei hier der Fall.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe - 150 Js 1317/08 - vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz ist zulässig und reicht vorliegend für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung aus, weil der Kläger damit hinreichend deutlich macht, weshalb er die Berufung für begründet hält (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <122> und Urt. v. 08.03.2004 - 4 C 6.03 - NVwZ-RR 2004, 541).
II.
20 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- EUR sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
22 
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
23 
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
24 
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
25 
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
26 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
27 
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
28 
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
29 
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
30 
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
31 
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf „den Gewahrsam“, d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 <249> m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
32 
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
33 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
34 
2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
35 
Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798<800>). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von „Fußballfans“ auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben („… wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt“; „Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden“) deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
36 
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- EUR für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- EUR, die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 EUR - 5.000 EUR) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 17. März 2011
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 69,-- EUR festgesetzt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz ist zulässig und reicht vorliegend für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung aus, weil der Kläger damit hinreichend deutlich macht, weshalb er die Berufung für begründet hält (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <122> und Urt. v. 08.03.2004 - 4 C 6.03 - NVwZ-RR 2004, 541).
II.
20 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- EUR sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
22 
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
23 
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
24 
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
25 
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
26 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
27 
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
28 
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
29 
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
30 
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
31 
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf „den Gewahrsam“, d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 <249> m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
32 
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
33 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
34 
2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
35 
Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798<800>). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von „Fußballfans“ auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben („… wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt“; „Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden“) deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
36 
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- EUR für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- EUR, die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 EUR - 5.000 EUR) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 17. März 2011
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 69,-- EUR festgesetzt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein durch Beamte der Bundespolizei angeordneter Platzverweis sowie die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtswidrig waren.

2

Am 5. Mai 2012 fuhr sie zusammen mit Frau H., die ebenfalls Klage bezüglich der gegen sie ergriffenen polizeilichen Maßnahmen erhoben hat (vgl. Urteil des Senats im Verfahren 7 A 11202/13.OVG), mit dem Zug nach K.. Sie beobachteten dabei zwei Beamte der Bundespolizei, die lagebildabhängige Befragungen und Kontrollen unter anderem zur Dunkelfeldaufhellung im Bereich illegaler Migration durchführten. Nach der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person sprachen sie die Polizeibeamten an und fragten nach den Gründen der Kontrolle. Dabei machten sie deutlich, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

3

Am Hauptbahnhof in K. stiegen sowohl die Klägerin und ihre Begleiterin als auch die beiden Polizeibeamten aus. Im Bahnhofsgebäude beobachteten sie die Befragung und Kontrolle eines dunkelhäutigen Mannes - des Herrn M. - durch die Polizeibeamten. Sie gingen auf die dreiköpfige Personengruppe zu und stellten sich in einem Abstand von etwa 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten. Ihren eigenen Angaben zufolge wollten sie der kontrollierten Person deutlich machen, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung von Frau H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Polizeibeamten forderten sie auf, sich zu entfernen, weil sie eine polizeiliche Maßnahme behinderten. Die Klägerin entgegnete, sie störten doch nicht. Die Polizeibeamten wiederholten die Aufforderung zweimal und wiesen darauf hin, dass dies ein Platzverweis sei. Die Klägerin wendete ein, dafür bestehe ihrer Ansicht nach kein Anlass. Daraufhin drohten die Polizeibeamten mehrfach körperlichen Zwang zur Durchsetzung des Platzverweises an. Nachdem die beiden Frauen der Aufforderung weiterhin nicht nachkamen, ergriff einer der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptmeister B., die Klägerin am Arm, drehte ihn auf den Rücken und brachte sie in diesem Polizeigriff zu einem Seitenausgang aus dem Bahnhofsgebäude. Dort ließ er sie los und kehrte in die Bahnhofshalle zurück. Die Klägerin folgte ihm. Frau H. und der andere Polizeibeamte, Polizeikommissar S., waren im Bahnhofsgebäude geblieben. Da die Klägerin und ihre Begleiterin sich beschweren wollten, wurde der Vorgesetzte der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptkommissar F., hinzugerufen.

4

Polizeihauptmeister B. schrieb unter dem 5. Mai 2012 einen Bericht über den Vorfall. Darin heißt es, Polizeikommissar S. und er seien im Zug nach K. von zwei Frauen angesprochen und gefragt worden, warum sie Personen mit ausländischem Erscheinungsbild kontrollieren würden. Bei einer Personalienüberprüfung in der Halle des Hauptbahnhofs K. seien diese beiden Frauen erneut, dieses Mal seitlich, dicht an die kontrollierenden Beamten herangetreten. Durch das fortan gezeigte, aufdringliche Verhalten sei die ordnungsgemäße Fortführung der laufenden Maßnahme erheblich erschwert worden. Im Anschluss an die Beschwerde seien die beiden Frauen auf den Adressaten der vorangegangenen Kontrolle zugegangen und hätten ihn gefragt, ob er mit der polizeilichen Maßnahme einverstanden sei, ob er sich diskriminiert und ausgestoßen fühle. Der eigentliche Adressat der Maßnahme habe gegenüber Polizeihauptkommissar F. Verständnis für diese gezeigt.

5

Am 4. September 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angeordneten Platzverweises, der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwanges sowie einer Personalienfeststellung, die im Anschluss durch die Polizeibeamten vorgenommen worden sei. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung als auch unter dem der Wiederholungsgefahr und des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs. Ihre Begleiterin und sie hätten sich bei der Kontrolle von Herrn M. im K. Hauptbahnhof lediglich in die Nähe gestellt und diese beobachtet. Sie hätten weder gestört noch überhaupt etwas gesagt.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat angegeben, bei der polizeilichen Maßnahme gegenüber Herrn M. in der Haupthalle des K. Hauptbahnhofs hätten sich die Klägerin und Frau H. seitlich sehr dicht an die handelnden Beamten gestellt und während der Maßnahme wiederholt auf die zu kontrollierende Person - Herrn M. - eingeredet. Die "bedrängende Anwesenheit" der Klägerin habe es nicht zugelassen, die Befragung einer Person unter Beachtung ihrer Persönlichkeitsrechte und Integrität durchzuführen. Ein gewisses Maß an Abstand durch Passanten sei zwingend erforderlich, allein aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Interessen der betreffenden Personen. Außerdem sei zu befürchten gewesen, dass die betreffende Person wegen der Präsenz der Klägerin Angaben nicht korrekt oder nicht vollständig machen würde. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Kontrolle lediglich still beobachtet, treffe nicht zu. Sie habe auch durch gezielte Fragen gestört, wie etwa, ob Herr M. sich durch die Kontrolle diskriminiert und ausgestoßen fühle.

7

Das Verwaltungsgericht hat nach Vernehmung der Polizeibeamten B. und S. sowie von Herrn M. und Frau H. als Zeugen mit Urteil vom 21. August 2013 die Klage abgewiesen. Sie sei in Bezug auf den Platzverweis, die Androhung unmittelbaren Zwangs und die Identitätsfeststellung mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Hinsichtlich der Anwendung unmittelbaren Zwangs sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Maßnahme - ebenso wie der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs - rechtmäßig gewesen sei. Die beiden Polizisten, denen dabei eine Einschätzungsprärogative zukomme, hätten zu Recht von einer Störung ihrer Aufgabenwahrnehmung ausgehen dürfen. Schon die Nähe der Klägerin - und ihrer Begleiterin - zu den kontrollierenden Beamten rechtfertige die Annahme einer solchen Störung. Überdies habe die Klägerin nach Überzeugung der Kammer auf die Dreiergruppe der beiden Polizeibeamten und Herrn M. eingeredet und auch dadurch den Kontrollvorgang gestört.

8

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit auch des Platzverweises und der Androhung unmittelbaren Zwangs. In der Sache sei die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Sie habe die polizeiliche Maßnahme gegenüber Herrn M. nicht gestört, sondern lediglich still beobachtet.

9

Die Klägerin beantragt zuletzt, nachdem sie die Berufung hinsichtlich der Personalienfeststellung zurückgenommen hat,

10

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 festzustellen,

11

1. dass der von Beamten der Beklagten ihr gegenüber angeordnete Platzverweis am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. rechtswidrig gewesen ist,

12

2. dass die von Beamten der Beklagten ihr gegenüber ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist,

13

3. dass die Art und Weise des von Beamten der Beklagten ihr gegenüber durchgeführten unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung des ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist.

14

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 verwiesen. Der Senat hat die Bundespolizeibeamten B., S. und F. sowie Herrn M. und Frau H. als Zeugen über die Umstände der Kontrolle des Herrn M. am 5. Mai 2012 im Hauptbahnhof K. vernommen. Hinsichtlich ihrer Aussage wird ebenfalls auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 Bezug genommen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist unbegründet.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist - soweit sie nach teilweiser Rücknahme der Berufung noch anhängig ist - zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

20

1. Die Klage, die nunmehr allein noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Beamte der Bundespolizei angeordneten Platzverweises der Klägerin sowie der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung gerichtet ist, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 - 6 C 21.07 -, juris, Rn. 10 = BVerwGE 131, 216, m.w.N.). Dabei erfüllen nicht nur der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs, sondern auch das polizeiliche Verhalten mittels Anwendung körperlichen Zwangs die Merkmale eines Verwaltungsakts (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 - 1 C 49.64 -, juris, Rn. 14 = BVerwGE 26, 161).

21

Die Klägerin hat entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

22

Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 20 = BVerwGE 146, 303, m.w.N.). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist hier unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung der Klägerin gegeben.

23

Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene den erledigten Verwaltungsakt als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob abträgliche Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 2 A 5.98 -, Buchholz 310, § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 8 m.w.N.). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 25).

24

Eine diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkung kann sich nicht nur aus der Art des Verwaltungsaktes, seiner Begründung und den Umständen seines Erlasses ergeben, sondern entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch aus der Art und Weise seines Vollzugs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 113 Rn. 143; Knauff, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 113 Rn. 59). Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtmäßigkeit von Grundverwaltungsakt und Vollstreckungsmaßnahmen rechtlich getrennt zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967, a.a.O., Rn. 7 ff.). Dem Vollzug eines Verwaltungsakts kann gleichwohl Bedeutung für die Beurteilung der Frage von dessen Außenwirkung und des dadurch eingetretenen Ansehensverlusts haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 26 f.). So ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse bei einer polizeilichen Identitätsfeststellung angesichts der diskriminierenden Begleitumstände anerkannt worden, weil das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit - bei unbeteiligten Beobachtern des Polizeieinsatzes - eine schwere Einbuße erlitten haben konnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 21 B 90.166 -, juris, Rn. 49). Wenngleich diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkungen einer polizeilichen Maßnahme vor allem dann anzunehmen sind, wenn sie das Ansehen der Betroffenen bei Nachbarn und Bekannten herabsetzen, so kann demnach auch der erhebliche Ansehensverlust in der Öffentlichkeit hierfür ausreichen. Hiervon ausgehend ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse der Klägerin für ihr Feststellungsbegehren zu bejahen. Zwar hat der polizeilich angeordnete Platzverweis an sich das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit bei objektiver Betrachtung nicht erheblich herabgesetzt. Die Begleitumstände dieser polizeilichen Maßnahme dürfen jedoch nicht ausgeblendet werden. Hierzu zählen - wie dargelegt - auch die Art und Weise des Vollzugs des Platzverweises. Die Klägerin wurde, nachdem sie dem Platzverweis auch nach Androhung unmittelbaren Zwangs nicht nachkam, in den sogenannten Polizeigriff genommen - mit dem Arm auf dem Rücken - und zwangsweise aus dem Bahnhofsgebäude des K. Hauptbahnhofs gebracht. Bei einem unbeteiligten Beobachter dieses Vorgangs konnte daher der Eindruck entstehen, die Klägerin habe sich deswegen von der Polizei so behandeln lassen müssen, weil sie in nicht unerheblicher Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen habe. Für die Androhung unmittelbaren Zwangs als untrennbarer Teil des Gesamtvorgangs sowie die Anwendung unmittelbaren Zwangs selbst gilt nichts anderes.

25

2. Die Klage ist unbegründet. Die gegen die Klägerin ergriffenen polizeilichen Maßnahmen waren rechtmäßig.

26

Der von Beamten der Bundespolizei gegenüber der Klägerin im K. Hauptbahnhof angeordnete Platzverweis findet seine Rechtsgrundlage in § 38 Bundespolizeigesetz - BPolG -. Danach kann die Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen (Platzverweis).

27

Die Voraussetzungen für einen solchen Platzverweis lagen vor.

28

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG ist Gefahr im Sinne des § 38 BPolG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 BPolG obliegen. Die Bundespolizei war in ihrer Funktion als Bahnpolizei (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BPolG) sachlich zuständig für die Anordnung eines Platzverweises in der Halle des K. Hauptbahnhofs.

29

Zur öffentlichen Sicherheit gehören auch staatliche Einrichtungen, die sowohl in ihrem Bestand als auch in ihrem Funktionieren Schutz genießen. Wenn Dritte eine polizeiliche Maßnahme stören oder behindern, stellt dies eine konkrete Gefahr für das Funktionieren einer staatlichen Einrichtung und damit für die öffentliche Sicherheit dar (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, D Rn. 22 und 25; Martens, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, VwVG, UZwG, 5. Auflage 2012, § 38 BPolG Rn. 8). Dabei beurteilt sich die Frage, ob eine präventiv-polizeiliche Maßnahme erforderlich ist, nach den Verhältnissen und dem Erkenntnisstand zurzeit ihres Erlasses (sog. ex-ante-Betrachtung, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - 1 C 35.70 -, juris, Rn. 32 = BVerwGE 49, 36). Zwar ist ein polizeiliches Einschreiten auch zur Abwehr einer sogenannten Anscheinsgefahr gerechtfertigt (vgl. Lisken/Denninger, a.a.O., D Rn. 46 ff.; Peilert, in: Heesen/ Hönle/Peilert/Martens, a.a.O., § 14 BPolG Rn. 24 f.), der Polizei steht aber im Rahmen ihrer Gefahrenprognose keine Einschätzungsprärogative im Sinne eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums zu (so ersichtlich auch VGH BW, Urteil vom 17. März 2011 - 1 S 2513/10 -, juris, Rn. 24, der von einer Einschätzungsprärogative lediglich in Bezug auf die gerichtliche Überprüfung am Maßstab der ex-ante-Prognose spricht).

30

Hiervon ausgehend durften die Beamten der Bundespolizei annehmen, dass die Klägerin - zusammen mit ihrer Begleiterin - die polizeiliche Befragung und Kontrolle des Herrn M. im K. Hauptbahnhof behindert hat.

31

Dies ergibt sich aus der Gesamtschau folgender Umstände: Die Klägerin ist ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats zufolge während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. zusammen mit ihrer Begleiterin, Frau H., auf diesen und die beiden Polizeibeamten zugegangen und hat sich in einem Abstand von ca. 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten gestellt. Ihr Vorbringen zur räumlichen Entfernung deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben von Frau H. sowie der Polizeibeamten B. und S. in erster Instanz, die den Abstand auf etwa 1,5 bis 2 m bzw. auf etwa 1 oder 1 bis 2 m schätzten. Nach Angaben der Klägerin wollte sie der kontrollierten dunkelhäutigen Person signalisieren, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung der Zeugin H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie und ihre Begleiterin mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Klägerin und ihrer Begleiterin beobachteten demnach nicht nur aus einem gewissen Abstand eine polizeiliche Befragung und Kontrolle. Sie suchten vielmehr eine demonstrativ geringe Nähe zu den Polizeibeamten und der kontrollierten Person, um ihre Missbilligung der Kontrolle bzw. ihren Beistand mit dem Kontrollierten deutlich zu machen. Dies wurde von den Polizeibeamten auch so verstanden. Sie waren nämlich von der Klägerin und ihrer Begleiterin bereits zuvor im Zug auf der Fahrt nach K. angesprochen und nach den Gründen der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person gefragt worden. Dabei hatten die beiden Frauen deutlich gemacht, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

32

Vor diesem Hintergrund durften die Polizeibeamten in der demonstrativ geringen Nähe der Klägerin eine Behinderung der Befragung und Kontrolle des dunkelhäutigen Herrn M. sehen. Es bestand nicht nur aufgrund der geringen Nähe die konkrete Gefahr, dass die befragte Person keine weiteren oder keine vollständigen Auskünfte mehr geben würde, sobald sie die Anwesenheit der Klägerin und damit eines unbeteiligten Dritten in Hörweite bemerken würde. Es erscheint darüber hinaus aufgrund der demonstrativen Nähe auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Klägerin mit der nonverbalen Kundgabe ihrer Missbilligung bzw. ihres Beistands auf die Fortführung der Befragung und Kontrolle von Herrn M. behindernd einwirken wollte, indem sie ihn durch ihr demonstrativ gezeigtes Verhalten letztlich zu einer Aufgabe seiner Auskunftsbereitschaft gegenüber den Polizeibeamten animieren würde.

33

Ob die Klägerin überdies die polizeiliche Befragung und Kontrolle auch dadurch gestört hat, dass aufgrund der geringen Nähe eine ordnungsgemäße Eigensicherung der kontrollierenden Beamten nicht mehr möglich gewesen ist, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, bedarf demnach keiner Entscheidung.

34

Ebenso kann mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben, ob die Klägerin bereits - wie von der Beklagten geltend gemacht - während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. auf diesen eingeredet und ihn sinngemäß gefragt hat, ob er sich durch die Kontrolle diskriminiert fühle, oder ob sie ihn dies erst nach dem Ende der Kontrolle im Anschluss an ihre Beschwerde gegenüber dem Vorgesetzten der beiden Polizeibeamten gefragt hat.

35

Die Klägerin war auch nicht im Wege der Nothilfe berechtigt, die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. zu behindern. Nothilfe ist nicht geboten, wenn der Rechtsgutsinhaber den Angriff nicht abwehren oder sich selbst verteidigen will; der Nothelfer darf seine Hilfe nicht aufdrängen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1986 - 4 StR 306/86 -, juris, Rn. 4; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, § 227 Rn. 3). Da Herr M. sich gegen seine Befragung und Kontrolle durch die Polizeibeamten ersichtlich nicht wehren wollte, sondern bereitwillig Auskunft erteilt hat, scheidet bereits aus diesem Grunde ein Nothilferecht der Klägerin aus. Es kommt daher nicht darauf an, ob die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. ihrerseits rechtmäßig war. Dadurch entsteht keine Rechtsschutzlücke. Vielmehr kann der von einer polizeilichen Maßnahme Betroffene grundsätzlich bei Vorliegen eines entsprechenden berechtigten Interesses deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen.

36

In diesem Zusammenhang weist der Senat im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren geäußerte Rechtsauffassung zur Rechtmäßigkeit der polizeilichen Kontrolle vorsorglich darauf, dass die beklagte Bundespolizei selbst eine Auswahl der verdachtsunabhängig zu befragenden bzw. kontrollierenden Personen allein aufgrund der Hautfarbe für nicht mit Art. 3 Abs. 3 GG vereinbar hält. Diese Auffassung hat auch der Senat in einem früheren Verfahren zum Ausdruck gebracht.

37

Ist nach alledem der Platzverweis der Klägerin rechtmäßig gewesen, so gilt gleiches für die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung.

38

Hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs kann dahinstehen, auf welche Rechtsgrundlage diese hier gestützt werden kann.

39

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VwVG - müssen Zwangsmittel, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2 VwVG), schriftlich angedroht werden. Nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG ist die Androhung zuzustellen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist die Schriftlichkeit der Androhung nach Bundesrecht zwingend. Damit ist es grundsätzlich ausgeschlossen, ein Zwangsmittel - wie den unmittelbaren Zwang (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) - mündlich anzudrohen. Lediglich in den Fällen der §§ 13, 14 UZwG - der Androhung des Gebrauchs von Schusswaffen sowie der Androhung des Einsatzes von Wasserwerfern, Dienstfahrzeugen und Explosivmitteln - entfällt die Schriftform. Folgt man der Auffassung, dass erst recht im einfachen Fall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG bei einem mündlichen Verwaltungsakt auch die mündliche Androhung eines Zwangsmittels genügen müsse (ablehnend Sadler, VwVG, VwZG, 7. Auflage 2010, § 13 VwVG Rn. 33), sodass auch die Zustellung der Androhung nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG entbehrlich wäre, liegen die weiteren Voraussetzungen für eine Androhung unmittelbaren Zwangs vor.

40

Der Platzverweis ist ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung im Sinne von § 6 Abs. 1 VwVG gerichtet ist. Er kann mit dem Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) durchgesetzt werden, weil Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die unaufschiebbare Anordnung der Polizeivollzugsbeamten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung hatten. Die Androhung war schließlich auch erforderlich, da die Klägerin dem Platzverweis nicht nachgekommen ist.

41

Hält man hingegen eine mündliche Androhung des Zwangsmittels bei einem mündlichen Platzverweis nicht für zulässig, so ist die "Androhung" nur als Ankündigung des darauf folgenden unmittelbaren Zwangs durch sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG anzusehen (vgl. Sadler, a.a.O., § 13 VwVG, Rn. 33). Dann liegt hier der Ausnahmefall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG vor. Da das Zwangsmittel sofort angewendet werden kann im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG, muss es nicht schriftlich angedroht und die Androhung nicht zugestellt werden.

42

Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs findet seine Rechtsgrundlage in § 6 in Verbindung mit § 12 VwVG.

43

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verwaltungszwang nach § 6 Abs. 1 VwVG waren hier gegeben, wie oben bereits ausgeführt. Die Anwendung von Ersatzvornahme oder Zwangsgeld war untunlich im Sinne von § 12 VwVG. Da die mit dem Platzverweis verbundene Verpflichtung, sich zu entfernen, nur von der Klägerin persönlich erfüllt werden konnte, schied eine Ersatzvornahme von vornherein aus. Ein Zwangsgeld wäre hier offensichtlich ineffektiv gewesen, um die mit dem Platzverweis bezweckte Abwehr der Störung der polizeilichen Kontrolle des Herrn M. zu erreichen. Da die Klägerin auf die Androhung unmittelbaren Zwangs dem Platzverweis weiterhin nicht folgte, war die Anwendung unmittelbaren Zwangs auch erforderlich.

44

Die Kostenentscheidung folgt unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus § 154 Abs. 2 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

47

Beschluss

48

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung in der mündlichen Verhandlung des Senats auf 11.875,00 € und im Übrigen auf 6.875,00 € festgesetzt, wobei der Senat für die Identitätsfeststellung, hinsichtlich derer die Berufung zurückgenommen worden ist, den Regelstreitwert von 5.000,00 € veranschlagt (vgl. §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der 1950 geborene Kläger ist Studiendirektor a.D. (Besoldungsgruppe A 15 HBesO) im Dienst des beklagten Landes. Er verfolgt im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage ein Beförderungsbegehren.

2

Im März 2009 schrieb der Beklagte die Stelle des Direktors an einer Gesamtschule ohne Oberstufe mit bis zu 1 000 Schülern (Besoldungsgruppe A 15 HBesO plus Amtszulage) an der A-Schule in B. aus. Neben dem Kläger bewarben sich hierauf vier weitere Bewerber, die allerdings - anders als der Kläger - ihre Bewerbungen im Verfahrensverlauf wieder zurücknahmen. Daraufhin brach der Beklagte das Auswahlverfahren ab und schrieb die Stelle im April 2010 erneut, aber unter einer anderen Verfahrensnummer aus. Widerspruch und gerichtlicher Eilrechtsschutz des Klägers gegen die Auswahl eines Mitbewerbers blieben erfolglos. Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers stellte das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs fest. Mangels schriftlicher Dokumentation des Abbruchgrundes sei die Beendigung des ersten Auswahlverfahrens rechtswidrig gewesen.

3

Das Bundesverfassungsgericht verwies die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück, der dem Beklagten daraufhin vorläufig die Fortführung des zweiten Auswahlverfahrens untersagte.

4

Nach zwei weiteren, jeweils im gerichtlichen Eilverfahren beanstandeten Versuchen im März und Mai 2012, das erste Auswahlverfahren abzubrechen, entschied sich der Beklagte im März 2013, das Auswahlverfahren mit dem Kläger als einzigem Bewerber fortzuführen. Hierfür wurde eine aktuelle dienstliche Beurteilung für den Kläger erstellt, die mit dem Gesamturteil "befriedigend" abschloss. Zur Klärung darin aufgetretener Zweifel an der Eignung für das angestrebte Direktorenamt forderte der Beklagte den Kläger zur Teilnahme an einem "Überprüfungsverfahren" auf. Nachdem der Kläger zunächst mehr Vorbereitungszeit für eine aktuelle Überprüfung seiner Eignung erbeten hatte, lehnte er im Juli 2013 eine Mitwirkung hieran endgültig ab. Weitere Überprüfungen seien weder vom Bundesverfassungsgericht gefordert worden noch sonst notwendig.

5

Die nachfolgend erhobene Klage auf Übertragung der Direktorenstelle hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Über die darüber hinaus - im Dezember 2013 - erhobene Schadensersatzklage wegen Nichtbeförderung hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Während des Berufungsverfahrens ist der Kläger nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit Ablauf des 31. Juli 2015 in den Ruhestand getreten und hat daher seinen Antrag auf eine Fortsetzungsfeststellung umgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, ein Beamter habe grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung. Eine Ausnahme liege schon deshalb nicht vor, weil der Dienstherr noch gar keine abschließende Auswahlentscheidung getroffen habe. Ursächlich hierfür sei die Weigerung des Klägers gewesen, an der Aktualisierung seiner Eignungsfeststellung mitzuwirken.

6

Mit seiner bereits vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2013 aufzuheben und festzustellen, dass das beklagte Land - spätestens - zum Zeitpunkt des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze des Klägers verpflichtet war, dem Kläger die Stelle des Direktors einer Gesamtschule als Leiter einer Gesamtschule ohne Oberstufe mit bis zu 1 000 Schüler/innen an der A-Schule in B. zu übertragen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil beruht zwar auf der Verletzung revisiblen Bundesrechts, stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist bereits unzulässig, weil es an dem hierfür erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlt (1.). Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht dagegen die Begründetheit der Klage verneint (2.). Der Beklagte war nicht verpflichtet, dem Kläger die ausgeschriebene Direktorenstelle zu übertragen oder eine Auswahlentscheidung zu Gunsten des Klägers hierüber zu treffen, sodass der Kläger eine entsprechende Feststellung nicht beanspruchen kann.

9

1. Die in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage (a) ist unzulässig, da der Kläger nicht über das hierfür nötige berechtigte Interesse verfügt. Ein solches ergibt sich weder aus einem Präjudiz- (b) noch aus einem Rehabilitierungsinteresse (c).

10

a) Das ursprüngliche, auf Übertragung der ausgeschriebenen Direktorenstelle gerichtete Klagebegehren hat sich erledigt, nachdem der Kläger mit Ablauf des 31. Juli 2015 die gesetzliche Altersgrenze erreicht hat.

11

An diesem kraft Gesetzes erfolgten Ruhestandseintritt hat der Verlängerungsantrag des Klägers nichts zu ändern vermocht (vgl. § 25 BeamtStG, § 33 Abs. 1 Satz 1 HBG). Das Hinausschieben des Beginns des Ruhestands ist nur möglich, solange dieser noch nicht begonnen hat. Dem entspricht auch der erkennbare Zweck einer Verlängerung, die befristete Fortführung des Dienstes des Beamten im dienstlichen Interesse zu ermöglichen, etwa um ein bestimmtes Vorhaben zum Abschluss zu bringen (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 2 B 94.11 - juris Rn. 14).

12

Der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens hat der Kläger im Berufungsverfahren dadurch Rechnung getragen, dass er den Klageantrag umgestellt und nunmehr eine Fortsetzungsfeststellung beantragt hat. Da Rechtsschutzziel und Prozessstoff unverändert geblieben sind, war die Umstellung des Antrags nicht als eine Änderung der Klage im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO anzusehen, sondern gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO unabhängig von einer Zustimmung des Beklagten zulässig (BVerwG, Urteile vom 2. April 2008 - 8 C 7.07 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 69 Rn. 18 und vom 20. November 2014 - 3 C 25.13 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 67 Rn. 11).

13

Zulässig ist diese Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO allerdings nur, wenn der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung und nicht nur einen abstrakten Klärungsbedarf hat. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und ergibt sich nach der Rechtsprechung insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 41.12 - juris Rn. 20).

14

b) Der Kläger verfügt nicht über ein Präjudizinteresse an der von ihm erstrebten Feststellung.

15

Soll die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungshandelns der Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses dienen, so kann auch dies grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzungsfeststellung begründen, sofern der Prozess nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 286 Rn. 26). Dahinter steht die Erwägung, dass der Kläger durch die Erledigung nicht um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht werden soll.

16

Ein derartiges Interesse an einer Präjudizwirkung kann jedoch dann nicht angenommen werden, wenn ein Beamter einen Schadensersatzprozess vor den Verwaltungsgerichten nicht nur beabsichtigt, sondern bereits betreibt. Die Fragen, die mit der Fortsetzungsfeststellungsklage geklärt werden sollen, stellen sich dann gleichermaßen in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem der Betroffene seinen Anspruch auf Schadensersatz unmittelbar geltend macht. Hat ein Beamter den Anspruch auf Ersatz eines ihm durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Dienstherrn entstandenen Schadens bereits zum Gegenstand eines besonderen Verwaltungsstreitverfahrens gemacht, besteht daher kein Bedürfnis dafür, ihm daneben noch Rechtsschutz für eine gesonderte Klage auf Feststellung zu gewähren, dass das Verhalten des Dienstherrn rechtswidrig gewesen ist (BVerwG, Urteile vom 6. März 1975 - 2 C 20.73 - Buchholz 237.6 § 8 LBG Niedersachsen Nr. 1 S. 1 und vom 17. Dezember 1981 - 2 C 69.81 - ZBR 1982, 350 Rn. 24).

17

Da der Kläger bereits im Erledigungszeitpunkt eine Schadensersatzklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben hatte, fehlt es hier an einem Rechtsschutzinteresse für die isolierte Fortsetzungsfeststellung. Die Fragen, die das Beförderungsbegehren des Klägers aufwirft und die mit der vorliegenden Klage geklärt werden sollen, stellen sich - soweit sie präjudizielle Wirkung entfalten können - ebenso in dem seit Dezember 2013 vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt anhängigen Verwaltungsstreitverfahren, in dem der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtbeförderung geltend macht.

18

Im Übrigen bestehen Zweifel, ob die beantragte Feststellung eines Beförderungsanspruchs überhaupt geeignet ist, dem bereits im Ruhestand befindlichen Kläger im Schadensersatzprozess einen relevanten Vorteil zu verschaffen. In versorgungsrechtlicher Hinsicht resultieren die Zweifel daraus, dass die Versorgung nur dann aus dem letzten Amt gewährt wird, wenn der Beamte zumindest zwei Jahre lang zuvor aus diesem Amt besoldet wurde (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 HBeamtVG in der zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts geltenden Fassung vom 27. Mai 2013 ; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der zweijährigen Wartefrist BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 2 C 2.15 - NVwZ 2016, 1099 <1100>). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob dem Kläger die begehrte Stelle zu übertragen gewesen wäre, ist derjenige des erledigenden Ereignisses, hier also der Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 2015. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich eine Stellenübertragung aber nicht mehr versorgungsrelevant auswirken können, weil die Wartefrist nicht mehr zu erfüllen war.

19

Darüber hinaus ist die begehrte Fortsetzungsfeststellung auch nicht geeignet, eine vollständige Präjudizwirkung für den anhängigen Schadensersatzprozess zu entfalten. Denn der Streitgegenstand des auf Schadensersatz gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist mit dem vorliegenden nicht identisch, sondern geht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht darüber hinaus. Vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger beantragt, ihn dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob er zum 20. Dezember 2009 in das Amt des kommissarischen Schulleiters der A-Schule in B. eingesetzt und nach der Probezeit in ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 HBesO befördert worden wäre. Demgegenüber ist für die vorliegende Fortsetzungsfeststellungsklage nicht die Beurteilung der Sach- und Rechtslage am 20. Dezember 2009, sondern der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses - das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit Ablauf des 31. Juli 2015 - maßgeblich. Auch steht hier allein ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 HBesO einschließlich Amtszulage in Rede. Dieses bleibt hinter dem vom Kläger im Schadensersatzprozess erstrebten Statusamt der Besoldungsgruppe A 16 HBesO zurück, das auf der vom Kläger behaupteten Schulgröße von mehr als 1 000 Schüler/innen beruht.

20

c) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann auch nicht aus einem Rehabilitierungsinteresse hergeleitet werden.

21

Ein schützenswertes Interesse an Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus dem in Rede stehenden behördlichen Handeln eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 41.12 - juris Rn. 25). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

22

Der Kläger macht der Sache nach im Wesentlichen geltend, im Zusammenhang mit seinem gerichtlich über viele Jahre verfolgten Rechtsschutzbegehren Opfer einer negativen Presseberichterstattung geworden und dadurch in der Öffentlichkeit herabgewürdigt zu sein. Da die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage für sich genommen indes nicht ehrenrührig ist, kann sie keine diskriminierende Wirkung im Rechtssinne hervorgerufen haben. Ferner hat der Kläger zwar eine lange Prozessgeschichte hinter sich, die jedenfalls teilweise auch im Fokus der Öffentlichkeit stand. Diese ist jedoch nicht ohne klägerischen Erfolg geblieben. Vielmehr hat der Kläger im Jahr 2011 vor dem Bundesverfassungsgericht und im darauffolgenden Jahr zweimal vor den Verwaltungsgerichten obsiegt. Schließlich hat das Berufungsgericht auch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, dass sich die Prozessführung des Klägers auf dessen Ansehen in der Öffentlichkeit negativ ausgewirkt hat.

23

2. Die Klage ist darüber hinaus auch nicht begründet. Beamten steht ein Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamts nur ausnahmsweise und unter Voraussetzungen zu, die hier nicht vorliegen (a). Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, spätestens bis zum Ruhestandseintritt des Klägers eine Auswahlentscheidung (zu dessen Gunsten) zu treffen (b).

24

a) Dem Kläger stand ein Beförderungsanspruch nicht zu.

25

Gegenstand der vom Kläger begehrten Feststellung ist die Übertragung der vom Beklagten ausgeschriebenen Stelle "Direktorin/Direktor einer Gesamtschule als Leiterin/Leiter einer Gesamtschule ohne Oberstufe mit bis zu 1 000 Schülerinnen und Schülern" und mithin ein Beförderungsbegehren. Zwar unterfallen das innegehabte Statusamt des Klägers und das von ihm erstrebte derselben Besoldungsgruppe (A 15 HBesO). Für das erstrebte Statusamt wird indes eine Amtszulage gewährt (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 1 HBesG i.V.m. dessen Anlage I), die gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 HBesG als ruhegehaltfähiger Bestandteil des Grundgehalts gilt. Angesichts dessen handelt es sich bei dem Amt des "Gesamtschuldirektors" gegenüber dem gleichrangigen Statusamt des Klägers um ein Amt mit höherem Endgrundgehalt, d.h. um ein Beförderungsamt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 2013 - 2 B 129.11 - juris Rn. 7 und vom 19. November 2015 - 2 B 26.15 - Buchholz 250 § 46 BPersVG Nr. 38 Rn. 6).

26

Ein Beamter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <354>, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <295>, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 75). Hat sich der Dienstherr zur Besetzung einer freien Planstelle entschlossen, vermittelt Art. 33 Abs. 2 GG dem Bewerber lediglich ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht folgt nichts anderes (BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 26).

27

Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn eine freie und besetzbare Beförderungsstelle vorhanden ist, die der Dienstherr im Zeitpunkt der Entscheidung über den Beförderungsantrag auch tatsächlich besetzen will und der Bewerber - im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null - der am besten geeignete Kandidat ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 2010 - 2 BvR 811/09 - BayVBl 2010, 303 Rn. 8, hierzu auch Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvR 2453/15 - NJW 2016, 3425 Rn. 28; BVerwG, Urteile vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 22, vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 9 und vom 11. Dezember 2014 - 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 15).

28

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beklagte hat nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts noch keine Auswahlentscheidung getroffen. Das Auswahlermessen des Beklagten war ferner nicht dergestalt auf Null reduziert, dass einzig die Auswahl des Klägers den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht geworden wäre. Die Annahme einer Verdichtung des Auswahlermessens scheidet vielmehr schon deshalb aus, weil nach der letzten dienstlichen Beurteilung des Klägers Zweifel an dessen Eignung für das angestrebte Direktorenamt verblieben (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 17).

29

b) Der Beklagte hat es auch nicht rechtswidrigerweise unterlassen, eine Auswahlentscheidung zu Gunsten des Klägers zu treffen.

30

aa) Eine entsprechende Verpflichtung resultierte insbesondere nicht aus der früheren Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Klägers.

31

Der Abbruch des ersten Auswahlverfahrens im Jahr 2009 war mangels schriftlicher Dokumentation des hierfür maßgeblichen Grundes unwirksam, sodass eine Neuausschreibung nicht hätte erfolgen dürfen. Aus dieser vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG kann der Kläger indes keinen Beförderungsanspruch herleiten. Er hatte lediglich einen Anspruch auf Fortführung des ursprünglichen Auswahlverfahrens nach dessen Maßgaben. Der Fortsetzungsanspruch hat dem Kläger dagegen zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch vermittelt, dass das Auswahlverfahren zu Ende geführt oder er gar ausgewählt wird (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - NVwZ 2012, 366 <368>; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 17 ff.).

32

Indem der Beklagte seit März 2013 das ursprüngliche Auswahlverfahren - und dies sogar mit dem Kläger als einzigem Bewerber - fortgeführt hat, ist der fehlerhafte Verfahrensabbruch kompensiert. Weitere Rechte kann der Kläger aus der verfassungsgerichtlich festgestellten Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht für sich herleiten.

33

bb) Der Beklagte war ferner nicht verpflichtet, spätestens bis zum Ruhestandseintritt des Klägers eine Entscheidung über die Vergabe des Beförderungsamtes zu treffen.

34

Ob, in welcher Gestalt und zu welchem Zeitpunkt eine Stelle besetzt werden soll, entscheidet der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. Die Schaffung und Besetzung von Planstellen dient grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgt nicht in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14.98 - Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG Nr. 3 S. 5). Subjektive Rechte etwaiger Bewerber auf den Erlass einer solchen Entscheidung bestehen grundsätzlich nicht, sondern setzen sie voraus. Dies gilt auch für die vorgelagerte Frage, wann eine hierauf bezogene Auswahlentscheidung getroffen wird.

35

Aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn folgt, dass es ihm im Grundsatz obliegt, nicht nur darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter vorhält, sondern - im Rahmen einer angemessenen Ausgestaltung des Auswahlverfahrens - auch, wann er diese endgültig besetzen will (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 C 11.11 - BVerwGE 145, 237 Rn. 20 und vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 29). Die organisatorische Entscheidungshoheit des Dienstherrn über die zeitliche Dimension der Stellenbesetzung wird somit - abgesehen von Missbrauchsfällen - nicht durch subjektive Rechtspositionen des Beamten eingeschränkt. Es gibt keinen Anspruch auf die vom Kläger erstrebte zügige Durchführung des Bewerbungsverfahrens oder auf eine Entscheidung über die Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dies beruht darauf, dass bereits kein Anspruch auf Bereitstellung einer Stelle besteht.

36

Die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens muss aber dem grundgesetzlich verbürgten Bewerbungsverfahrensanspruch Rechnung tragen und darf dessen Inanspruchnahme nicht vereiteln oder unangemessen erschweren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 u.a. - BVerfGK 12, 284 <288>; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 18). Der Dienstherr darf seine Organisationsgewalt nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um eine Auswahlentscheidung zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zu steuern (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 182/82 - ZBR 1983, 336 = juris Rn. 28).

37

Anhaltspunkte für eine manipulativ-verzögernde Gestaltung des Auswahlverfahrens sind hier indes nicht ersichtlich. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Beklagte an der fortbestehenden Eignung des Klägers gezweifelt und ihn daher zur Mitwirkung an einem "Überprüfungsverfahren" aufgefordert hat.

38

Eine Ernennung darf nur vorgenommen werden, wenn die gesetzlichen Ernennungsvoraussetzungen zu diesem Zeitpunkt gegeben sind (BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 2012 - 2 B 113.11 - DÖD 2012, 104 Rn. 7). Der Beklagte war daher nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, nicht die dienstliche Beurteilung des Klägers aus dem Jahr 2009 heranzuziehen, sondern - wie geschehen - eine aktuelle dienstliche Beurteilung zu erstellen (BVerwG, Urteile vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 46 und vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 15; Beschlüsse vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 21 und vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 22).

39

Die dienstliche Beurteilung vom 24. Juni 2013 enthielt indes tatsächliche Anhaltspunkte für berechtigte Zweifel an der fortbestehenden Eignung des Klägers für das in Rede stehende Statusamt eines Direktors. Diese - mit dem Gesamturteil "befriedigend" schließende - Beurteilung war nicht nur deutlich schlechter ausgefallen als die vorangehenden dienstlichen Beurteilungen. Der Beurteiler hat vielmehr auch Zweifel an der Eignung des Klägers zu Führung und Leitung angeführt und im Einzelnen belegt. Die Ausführungen der dienstlichen Beurteilung begründeten damit Zweifel an der aktuellen Eignung des Klägers für das angestrebte Direktorenamt.

40

Dass sich der Erstbeurteiler im Zeitpunkt der Erstellung der dienstlichen Beurteilung bereits im Ruhestand befand, ändert an den tatsächlich aufgekommenen Zweifeln an der Eignung nichts (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 HBG). Ungeachtet dessen ist die Erstellungskompetenz des Beurteilers auch gegeben. Zwar sind in den Ruhestand versetzte Beamte grundsätzlich nicht mehr befugt, eine dienstliche Beurteilung zu erstellen und eine solche in dienstlicher Eigenschaft zu verantworten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2016 - 2 A 1.14 - Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 3 Rn. 25; Beschlüsse vom 20. August 2004 - 2 B 64.04 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 25 S. 9 und vom 16. April 2013 - 2 B 134.11 - juris Rn. 18). Vorliegend war der Beurteiler allerdings auf Grundlage eines Arbeitsvertrages zum kommissarischen Schulleiter bestellt worden und damit Vorgesetzter des Klägers im Sinne des § 3 Abs. 3 HBG (zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 2 B 7.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 61 Rn. 18). Da der Beurteiler mithin Dienstvorgesetzter des Klägers war, fiel es auch in seine Kompetenz, eine dienstliche Beurteilung für ihn zu erstellen.

41

cc) Insbesondere liegt in der zeitlichen Verfahrensgestaltung keine manipulative Verzögerung durch das beklagte Land. Vielmehr war es der Kläger selbst, der Feststellungen zu seiner Eignung vereitelt und dadurch eine zeitnahe Auswahlentscheidung verhindert hat.

42

Da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hier der Ernennungszeitpunkt maßgeblich ist, musste der Beklagte Zweifel an der Eignung des Klägers auch bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 12 und vom 23. April 2015 - 2 C 35.13 - BVerwGE 152, 68 Rn. 27; BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 182/82 - ZBR 1983, 336 = juris Rn. 60 zur gesundheitlichen Eignung). Der Beklagte war daher verpflichtet, die mit der dienstlichen Beurteilung vom 24. Juni 2013 zutage getretenen Zweifel an der fortbestehenden Eignung des Klägers für das von diesem begehrte Beförderungsamt weiter aufzuklären.

43

Das hierfür vom Beklagten gewählte Überprüfungsverfahren - das aus der Durchführung eines schulfachlichen Gesprächs sowie eines Beratungsgesprächs mit dem Bewerber nach einer "Unterrichtsmitschau" besteht - ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Es entsprach auch der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten in Anlehnung an dessen Erlass "Ausschreibungs- und Auswahlverfahren zur Besetzung von Stellen" vom 22. November 2001 (- I A 3.1 - 051.030.000 - 3 -, ABl. 1/2002 S. 8). Dabei ist unerheblich, dass der Erlass zu diesem Zeitpunkt formell keine Gültigkeit mehr besaß. Denn die tatsächliche Verwaltungspraxis des Beklagten orientierte sich weiterhin an dem Erlass und den entsprechenden Vorgaben.

44

Die erforderlichen weiteren Eignungsfeststellungen hat der Kläger durch die Absage des für Anfang Juli 2013 geplanten Überprüfungsverfahrens zunächst verzögert und mit seiner im Schreiben vom 29. Juli 2013 geäußerten endgültigen und unmissverständlichen Weigerung schließlich vereitelt. Die im Raum stehenden Zweifel an der fortbestehenden Eignung des Klägers für das Direktorenamt konnten damit nicht geklärt oder beseitigt werden (vgl. den aus §§ 427, 444 und 446 ZPO folgenden allgemeinen Rechtsgedanken zur vorwerfbaren Beweisvereitelung).

45

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Justizminister des Beklagten war bis zu seiner Ernennung zum Minister am 18. Mai 2006 Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz. Nachdem diese nach R 8 besoldete Stelle frei geworden war, wurde sie im Justizblatt vom 6. Juni 2006 ausgeschrieben. Daraufhin bewarben sich unter anderem der Kläger - als nach R 6 besoldeter Präsident des Landgerichts Koblenz - sowie der Beigeladene - als ebenfalls nach R 6 besoldeter Präsident des Landessozialgerichts -. Beide wurden aus Anlass ihrer Bewerbung dienstlich beurteilt, der Kläger am 6. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht X…. - als Vertreter des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts, der sich ebenfalls auf die Präsidentenstelle beworben hatte - und der Beigeladene am 11. Oktober 2006 durch den Justizminister selbst. Dabei war der Beurteilung des Klägers eine Beurteilung durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Y…. - als seinerzeitigen Vertreter des Vizepräsidenten - vom 11. August 2006 vorausgegangen, die jedoch aufgehoben worden war, nachdem der Kläger gegen sie Einwände erhoben hatte. Zu dieser Beurteilung wie auch zu der Beurteilung des Klägers vom 6. November 2006 gab der Justizminister - als ehemaliger OLG-Präsident - einen Beurteilungsbeitrag ab. Sowohl die Beurteilung des Klägers vom 6. November 2006 als auch die Beurteilung des Beigeladenen schlossen mit der zusammenfassenden Gesamtbeurteilung „hervorragend“. Für das angestrebte Amt wurde der Kläger als „sehr gut geeignet“, der Beigeladene als „hervorragend geeignet“ erachtet.

2

Dem Besetzungsvermerk des Justizministeriums vom 3. Januar 2007 wurde vorangestellt, welchen Anforderungen des zu vergebenden Amtes der Bewerber genügen müsse. Dabei wurde nicht darauf abgestellt, dass dieser über profunde Kenntnisse und Erfahrungen in allen Bereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit verfügen müsse. In dem Besetzungsvermerk wurde sodann im Einzelnen dargelegt, dass und warum der Beigeladene den Anforderungen des zu vergebenden Amtes am besten gerecht werde und ihm namentlich auch gegenüber dem Kläger der Vorzug zu geben sei. Abschließend wurde vorgeschlagen, die Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts dem Beigeladenen zu übertragen.

3

Der Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit stimmte in seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2007 dem Besetzungsvorschlag des Justizministers nicht zu. Er vertrat die Auffassung, dass dem Anforderungsprofil des Amtes des Präsidenten des Oberlandesgerichts nur derjenige gerecht werde, der – wie bisher stets gefordert - zumindest auch mit den Besonderheiten und der Vielschichtigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit vertraut sei und in diesem Bereich die zu fordernden herausragenden fachlichen Fähigkeiten nachweisen könne. Davon könne bei dem Beigeladenen aber nicht die Rede sein.

4

Das daraufhin anberaumte Einigungsgespräch zwischen dem Justizminister und dem Präsidialrat am 30. Januar 2007 führte zu keinem Erfolg. Der Präsidialrat nahm dies zum Anlass, mit Schreiben vom 1. Februar 2007 noch einmal seinen Standpunkt darzulegen. Darin hob er unter anderem hervor, das Ministerium habe einen Paradigmenwechsel vorgenommen, der den Eindruck erwecken könne, das Anforderungsprofil sei auf den Beigeladenen zugeschnitten.

5

Die Sitzung des Richterwahlausschusses vom 6. Februar 2007 zur Besetzung der Stelle des OLG-Präsidenten wurde auf den 8. Februar 2007 vertagt.

6

Eine Stunde vor dieser Sitzung kam es auf Initiative der Staatssekretärin im Justizministerium zu einem Gespräch zwischen ihr und den beiden richterlichen Mitgliedern des Richterwahlausschusses.

7

In der Sitzung vom 8. Februar 2007 erklärten diese unmittelbar vor der Abstimmung über den Besetzungsvorschlag des Justizministers, dass sie zwar in der Sache die Meinung des Präsidialrats teilten, dass sie sich aber bei der Abstimmung der Stimme enthalten würden, um so ihre Missbilligung des Verhaltens von Ausschussmitgliedern deutlich zu machen, die die anstehende Personalfrage in der Öffentlichkeit politisiert und Einzelheiten über den Verlauf der Sitzung vom 6. Februar an die Presse gegeben hätten.

8

Bei der Abstimmung votierten 5 Ausschussmitglieder für den Besetzungsvorschlag des Justizministers, 4 lehnten ihn ab und die beiden richterlichen Mitglieder enthielten sich der Stimme.

9

Unter dem 14. Februar 2007 teilte daraufhin das Justizministerium dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, die OLG-Präsidenten-Stelle dem Beigeladenen zu übertragen. Der Richterwahlausschuss habe dem Besetzungsvorschlag zugestimmt.

10

Gegen diese Mitteilung erhob der Kläger Widerspruch und suchte beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Dieses lehnte den Antrag, dem Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Beigeladenen vorläufig nicht zum Präsidenten des Oberlandesgerichts zu ernennen, mit Beschluss vom 25. April 2007 ab.

11

Gegen diesen Beschluss legte der Kläger Beschwerde ein.

12

Nachdem der Senat den Beteiligten unter dem 8. Juni 2007 mitgeteilt hatte, am 13. Juni eine Entscheidung treffen zu wollen, wandte sich der Kläger mit Schriftsatz vom 12. Juni 2007 an das Bundesverfassungsgericht und kündigte unter kurzer Darlegung des Verfahrensstandes einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an. Dabei wies er darauf hin, dass zu erwarten sei, dass umgehend nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts am 13. Juni 2007 eine Urkundenaushändigung erfolge, wenn die Entscheidung zu seinen Lasten ausfalle. Schließlich bat er darum, kurzfristig eine Zwischenregelung zu treffen oder dem Justizministerium eine Zusicherung abzuverlangen, dass die Urkunde nicht ausgehändigt werde, bis das Bundesverfassungsgericht über den beabsichtigten einstweiligen Anordnungsantrag entschieden habe. Eine Abschrift dieses Schreibens übersandte er dem Justizministerium am 13. Juni 2007 per Fax. In dem Begleitschreiben hob er hervor, dass er davon ausgehe, dass vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im einstweiligen Anordnungsverfahren keine Ernennungsurkunde ausgehändigt werde.

13

Der Senat wies die Beschwerde mit Beschluss vom 13. Juni 2007 zurück. Den zugleich gestellten Hilfsantrag des Klägers, dem Beklagten aufzugeben, den Beigeladenen nicht vor Ablauf der Frist für die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde bzw. - bei Einlegung einer solchen - vor dem Zeitpunkt, bis zu dem das Bundesverfassungsgericht eine Zwischenregelung habe treffen können, zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz zu ernennen, verwarf der Senat.

14

Der Beschluss wurde dem Kläger und dem Beklagten am 22. Juni 2007 gleichzeitig mittags per Fax übermittelt. Wenig später händigte der Justizminister dem Beigeladenen die Ernennungsurkunde aus.

15

In Unkenntnis der bereits erfolgten Ernennung des Beigeladenen zum OLG-Präsidenten beantragte der Kläger noch am selben Tage beim Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag nahm er eine Woche später zurück, um stattdessen eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Senats im Eilverfahren zu erheben.

16

Außerdem legte er mit Schriftsatz vom 30. Juli 2007 gegen die zwischenzeitliche Aushändigung der Ernennungsurkunde an den Beigeladenen Widerspruch ein.

17

Das Bundesverfassungsgericht nahm mit Beschluss vom 24. September 2007 die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Zur Begründung führte es aus: Dem Kläger stehe die Möglichkeit zur Seite, zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten zu suchen, dessen Inanspruchnahme nicht offensichtlich aussichtslos erscheine. Die trotz bereits angekündigter Absicht der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts erfolgte Aushändigung der Ernennungsurkunde an den Beigeladenen verletze den Kläger in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Es sei in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass aus diesen Vorschriften eine Verpflichtung des Dienstherrn folge, vor Aushändigung der Ernennungsurkunde einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem unterlegenen Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben, wenn nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes bestehe. Zur Verfolgung seiner Rechte stehe dem Kläger jedoch zunächst die Hauptsacheklage vor den Verwaltungsgerichten offen. Angesichts der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die in verschiedenen mit dem hier gegebenen Sachverhalt durchaus vergleichbaren Fallgestaltungen die Durchführung des Hauptsacheverfahrens trotz bereits erfolgter Ernennung eines Mitbewerbers für zulässig halte, könne die Durchführung eines solchen fachgerichtlichen Verfahrens nicht als offensichtlich aussichtslos bewertet werden. Dem Kläger sei daher die Erschöpfung des Rechtsweges zuzumuten.

18

Als der Kläger dem Beklagten gegenüber klargestellt hatte, an seinen Widersprüchen gegen die Mitteilung vom 14. Februar 2007 und die Ernennung des Beigeladenen festzuhalten, wies der Beklagte die Widersprüche mit Bescheid vom 1. Oktober 2007 zurück. Zur Begründung führte er aus: Der Rechtsbehelf gegen die Ernennung sei bereits unstatthaft. Es gebe keine gegen die Ernennung gerichtete „Beamtenkonkurrentenklage“. Der Widerspruch gegen die Negativmitteilung sei mit der Ernennung des Beigeladenen unzulässig geworden. Aus dem Grundsatz der Ämterstabilität folge, dass mit der endgültigen anderweitigen Besetzung der Stelle sich die Entscheidung, mit der die Bewerbung eines nicht berücksichtigten Beamten abschlägig beschieden werde, erledige. Für die Weiterverfolgung des hiergegen gerichteten Rechtsbehelfs fehle es am Sachbescheidungsinteresse.

19

Nachdem der Kläger daraufhin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Überprüfung der Widerspruchsentscheidung angeregt hatte, antwortete ihm der Beklagte unter dem 22. Oktober 2007, es gebe keine Veranlassung zu einer Änderung des Widerspruchsbescheids. Im Übrigen wären die beiden Widersprüche auch als unbegründet zurückzuweisen. Die Auswahlentscheidung sei, wie es sich aus der rechtskräftigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ergebe, inhaltlich nicht zu beanstanden. Im Folgenden wurde dies dann noch kurz ausgeführt.

20

Am 31. Oktober 2007 hat der Kläger sodann Klage erhoben und zu ihrer Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Das Stellenbesetzungsverfahren sei noch nicht beendet. Damit sei auch sein Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Der Grundsatz der Ämterstabilität sei hier durchbrochen. Ihm sei durch die Vorgehensweise des Beklagten in verfassungswidriger Weise die Möglichkeit genommen worden, eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zu erwirken. Vermutlich sei sogar die Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung zwischen dem Oberverwaltungsgericht und dem Justizministerium abgestimmt worden, um vollendete Tatsachen schaffen zu können. Damit könnten sowohl die Ernennung des Beigeladenen angefochten als auch der Bewerbungsverfahrensanspruch voll weiterverfolgt werden. Sollte die Ernennung dagegen nicht angefochten werden können, so komme jedenfalls seine Bestellung neben dem Beigeladenen in Betracht. Hilfsweise rechtfertige sich sein Begehren als Fortsetzungsfeststellungsklage. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus der beabsichtigten Geltendmachung von Schadensersatz und unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation.

21

In der Sache sei zunächst zu sehen, dass der Beklagte, was das überhaupt erst nachträglich erstellte Anforderungsprofil anlange, von den sonst herangezogenen Grundsätzen, die zweifellos für ihn gesprochen hätten, abgewichen sei. Das neue Anforderungsprofil sei auf den Beigeladenen, der auch für weitaus weniger Bedienstete als er Verantwortung trage, zugeschnitten worden. Die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen habe der Justizminister, praktisch ohne eigene Erkenntnisse zu dessen Leistungsstand und ohne die Anforderungen von Beurteilungsbeiträgen oder die Beiziehung von Verwaltungsvorgängen und anderem mehr, stimmig zu diesem Anforderungsprofil erstellt. Des Weiteren sei unberücksichtigt geblieben, dass er die bessere Beurteilungsentwicklung vorzuweisen habe. Darauf sei aber bei einem Beurteilungsgleichstand, wie er hier gegeben sei, maßgeblich abzustellen. Im Besetzungsvermerk seien - wie im Übrigen auch schon in den diesem zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen - wesentliche Leistungen seinerseits gar nicht erwähnt worden, während beim Beigeladenen selbst Unbedeutendes groß herausgestellt worden sei; dessen angebliche Leistungen als Präsident des Landessozialgerichts würden im Übrigen relativiert durch Feststellungen des Landesrechnungshofes. Alles dies zeige, dass der Justizminister ihm gegenüber voreingenommen sei. Darauf deuteten auch weitere Umstände hin, wie die Verhinderung einstweiligen Rechtsschutzes beim Bundesverfassungsgericht, die Erstellung eines zunächst unzutreffende gravierende Einschränkungen enthaltenden Beurteilungsbeitrags, dem zudem eine gezielte Suche nach Defiziten in seiner Amtsführung vorausgegangen sei, die Einbestellung der richterlichen Mitglieder des Richterwahlausschusses vor der Sitzung am 8. Februar 2007, um, wie anzunehmen sei, auf deren Stimmverhalten einzuwirken, und die Bemühungen um weitere Kandidaten für das Amt, um an seiner Bewerbung vorbeikommen zu können. Zu Beginn des Besetzungsverfahrens - im Juni/Juli 2006 - sei der Justizminister noch erklärtermaßen davon ausgegangen, dass der Beigeladene für das zu vergebende Amt nicht in Betracht zu ziehen sei, zumal er „es nicht so gut mit den Leuten könne“. Der von ihm hilfsweise ins Auge gefasste Schadensersatzanspruch betreffe nicht nur die Gehaltsdifferenz, sondern auch die nutzlos aufgewandten Kosten. Schließlich halte er auch seinen bereits im Eilverfahren geltend gemachten Einwand aufrecht, dass der Richterwahlausschuss dem Besetzungsvorschlag des Justizministers nicht mit der erforderlichen Mehrheit zugestimmt habe.

22

Der Kläger hat beantragt,

23

1. die Entscheidung über die Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts und die Besetzung des Dienstpostens des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz mit dem Beigeladenen sowie den Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2007 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 22. Oktober 2007, soweit er auf den Widerspruch gegen die Ernennung und die vollzogene Stellenbesetzung bezogen ist, aufzuheben,

24

2. den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2007 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 22. Oktober 2007 im Übrigen und Änderung der für ihn abschlägigen Entscheidung vom 14. Februar 2007 über seine Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren zu verpflichten,

25

a) ihn zum Präsidenten des Oberlandesgerichts zu ernennen und in den Dienstposten des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz einzuweisen,

26

b) hilfsweise: dem Richterwahlausschuss seine Bestellung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz vorzuschlagen,

27

c) äußerst hilfsweise: über die Besetzung des Dienstpostens des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

28

3. hilfsweise:

29

festzustellen, dass die Besetzung des Dienstpostens des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz mit dem Beigeladenen durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde am 22. Juni 2007 rechtswidrig gewesen ist,

30

weiter hilfsweise:

31

festzustellen, dass die Aushändigung der Ernennungsurkunde und des Einweisungsschreibens an den Beigeladenen am 22. Juni 2007 rechtswidrig gewesen ist und ihn in seinen Rechten verletzt.

32

Der Beklagte hat

33

Klageabweisung

34

beantragt und entgegnet: Der Kläger habe es unterlassen - was möglich gewesen wäre - beim Bundesverfassungsgericht Vollstreckungsschutz gegen die anstehende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu beantragen. Eine Anfechtung der Ernennung eines Mitbewerbers habe das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht für zulässig erachtet. Eine Ernennung des Klägers neben dem Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz sei nicht möglich. Es gehe um eine Funktionsstelle, die nicht geteilt werden könne. Es könne auch nur zwei Oberlandesgerichte in Rheinland-Pfalz geben. Ferner dürfe aus einer Funktionsstelle auch nur einer besoldet werden. In einem Besetzungsverfahren könne nach Organisationsermessen sehr wohl ein verändertes Anforderungsprofil erstellt werden. Die vom Kläger darin vermissten Einschränkungen seien keineswegs geboten. Die Verengung eines Anforderungsprofils - insbesondere auf Erfahrung - sei vielmehr durchaus problematisch. Im Übrigen gehe es um ein Amt mit überwiegend Verwaltungsaufgaben, wie sie auch in einer anderen Gerichtsbarkeit anstünden. Der Justizminister habe über den Beigeladenen ausreichende Kenntnisse gehabt, um ihn dienstlich beurteilen zu können. Entgegen der Auffassung des Klägers sei bei einem Gleichstand im Gesamturteil der dienstlichen Beurteilungen zweier Konkurrenten nicht sofort auf die Leistungsentwicklung abzustellen. Es seien vielmehr zunächst die Einzelaussagen auszuwerten. Wenn der Kläger den Justizminister ihm gegenüber für voreingenommen halte, hätte er die über ihn erstellte dienstliche Beurteilung anfechten müssen. Dieser sei im Besetzungsverfahren im Übrigen nur soweit tätig geworden, wie es aufgrund der Konstellation unvermeidbar gewesen sei. Was die angebliche Einwirkung auf den Richterwahlausschuss angehe, werde vom Kläger nichts Konkretes vorgetragen. Die dienstliche Beurteilung eines Chefpräsidenten müsse anderen Regeln folgen als die dienstliche Leistungserfassung eines in die Gerichtshierarchie eingebundenen Richters. Es gebe keinen Vorgesetzten, der mit einem Chefpräsidenten täglich zusammenarbeite.

35

Der Beigeladene hat sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht zur Sache geäußert.

36

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2008 ergangenem Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Hauptanträge zu 1. und 2 a. seien zwar zulässig; insoweit könne dem Kläger ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Die Entscheidung des Ministers der Justiz, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen, begegne jedoch keinen rechtlichen Bedenken.

37

Die Beschreibung der Anforderungen im Rahmen des Besetzungsvermerks sei rechtlich unbedenklich. Nicht zu beanstanden sei zunächst, dass erst der Besetzungsvermerk eine Beschreibung der Anforderungen enthalten habe. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ermessensmissbrauchs seien nicht zu erkennen. Insbesondere ergebe sich dies nicht schon daraus, dass der Beklagte entgegen seiner bisherigen Besetzungspraxis keine Erfahrungen der Bewerber in der entsprechenden Gerichtsbarkeit gefordert habe. Mit Blick auf das öffentliche Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Dienstposten sei die Durchführung einer „offenen“ Ausschreibung rechtlich unbedenklich. Eine Bindung des Dienstherrn an frühere Anforderungsprofile gebe es nicht. Schließlich würden auch nicht „von der Natur der Sache her“ Erfahrungen des Bewerbers im Bereich der entsprechenden Gerichtsbarkeit gefordert.

38

Des Weiteren beruhe die Auswahlentscheidung nicht auf einer fehlerhaften Entscheidungsgrundlage. Die ihr zugrunde gelegten Beurteilungen des Klägers und des Beigeladenen hielten der gerichtlichen Überprüfung stand. Seine eigene Beurteilung habe der Kläger akzeptiert und gegen die Beurteilung des Beigeladenen sei nichts zu erinnern. Diese unterliege dabei in gleichem Maße einer gerichtlichen Überprüfung wie die des Klägers. Die Beurteilung des Beigeladenen beruhe auf gesicherten Erkenntnisquellen des Beurteilers. Es sei insofern zu berücksichtigen, dass eine Beurteilungssituation, wie sie in der Regel gegeben sei, hier nicht vorgelegen habe. Der Minister der Justiz sei zwar der unmittelbare Dienstvorgesetzte der Präsidenten der Landesobergerichte, stehe aber nicht in einem solch unmittelbaren und ständigen Kontakt zu diesen, dass er sich deren Tätigkeit, deren Einsatz und deren persönliches Verhalten gleichsam täglich über einen längeren Zeitraum hinweg unmittelbar vor Augen führen könne. Hinzu komme, dass Art, Inhalt und Umfang der Tätigkeit eines Chefpräsidenten und damit auch die an diesen zu stellenden Anforderungen sich grundlegend und qualitativ von denjenigen unterschieden, die ein Richter oder ein Vorsitzender Richter zu erfüllen habe. Der Präsident eines Landesobergerichts müsse sich überwiegend an anderen Kriterien messen lassen. Prägendes Qualitätsmerkmal sei insoweit das gute und reibungslose Funktionieren der betreffenden Gerichtsbarkeit. Ob, wie und in welchem Umfang ein Chefpräsident diese Vorgaben habe erreichen können, bedürfe der Würdigung des Gesamtbildes der Gerichtsbarkeit; Aussagekräftiges lasse sich weder durch die tägliche Beobachtung noch durch die Bewertung einzelner Vorkommnisse und Ereignisse gewinnen. Die objektivierbare Faktenlage in Bezug auf das Gesamtbild der Gerichtsbarkeit lasse sich namentlich vorhandenem Zahlenmaterial über den Geschäftsanfall, die Erledigungen, die Dauer der Verfahren und die Stellung im Vergleich zu den entsprechenden Obergerichten anderer Bundesländer entnehmen. Aus der Natur dieser Beurteilungsgrundlage folge, dass das hierfür herangezogene Material den Beurteilungszeitraum abdecken und dem Beurteiler zum Zeitpunkt der Beurteilung verfügbar sein müsse. Demgegenüber komme es nicht darauf an, dass der Beurteiler während des gesamten Beurteilungszeitraumes der unmittelbare Dienstvorgesetzte des Beurteilten gewesen sei. Ebenso wenig bedürfe es insoweit der Einholung von Beurteilungen dritter Personen. Auch das in der Beurteilung des Beigeladenen abgegebene persönlichkeitsbedingte Werturteil beruhe auf einer tragfähigen Grundlage. Der Justizminister kenne den Beigeladenen nicht nur aus seiner Ministerzeit, sondern auch aus seiner mehrjährigen Zusammenarbeit im Kreis der Chefpräsidenten der rheinland-pfälzischen Obergerichte. Wenn der Kläger meine, es müsse hier wegen des gleichen Gesamturteils auf die Beurteilungsentwicklung abgestellt werden, übersehe er, dass zunächst die letzten Beurteilungen in Bezug auf die Einzelaussagen auszuwerten seien. Erst wenn sie insofern ausgeschöpft und die Bewerber im Wesentlichen gleich einzustufen seien, komme es auf die Beurteilungsentwicklung an. Vorliegend stütze sich die Beurteilung, der Beigeladene sei besser geeignet, auf die Bewertung einzelner - im Erwartungshorizont des Dienstherrn als besonders wichtig bezeichneter - Eigenschaften des Beigeladenen. Dies sei rechtlich nicht zu beanstanden.

39

Auch der Besetzungsvermerk sei verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und inhaltlich nicht zu beanstanden. Für die Behauptung des Klägers, der Justizminister sei ihm gegenüber voreingenommen gewesen, fehle es, wie es bereits im Eilverfahren festgestellt worden sei, an Anhaltspunkten. Soweit der Kläger vortrage, er sei insgesamt besser geeignet als der Beigeladene, setze er unzulässigerweise seine Selbsteinschätzung an die Stelle der Wertung des Dienstherrn.

40

Schließlich begegne, wie ebenfalls bereits im Eilverfahren festgestellt, die Beschlussfassung des Richterwahlausschusses keinen rechtlichen Bedenken. Was den angeblichen Versuch der Justizstaatssekretärin angehe, auf das Abstimmungsverhalten der beiden richterlichen Mitglieder des Richterwahlausschusses Einfluss zu nehmen, sei zu sehen, dass diese sich in deutlicher Form dazu erklärt hätten, dass und warum sie sich der Stimme enthalten wollten.

41

Die Hilfsanträge zu 2 b. und c. sowie der erste Hilfsantrag zu 3. seien zulässig, aber unbegründet, da die Auswahlentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei. Der zweite Hilfsantrag zu 3. sei demgegenüber bereits unzulässig. Es sei schon nicht erkennbar, in welchem Recht der Kläger hierdurch möglicherweise verletzt sein könnte. Durch die erfolgte Ernennung des Beigeladenen könne die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung nicht nachträglich in Frage gestellt werden und auf eine mögliche Verletzung durch sie in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes könne sich der Kläger nicht mehr berufen, nachdem ihm im Rahmen des vorliegenden Verfahrens effektiver Rechtsschutz gewährt worden sei. Es fehle zudem ein besonderes Feststellungsinteresse. Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs sei bereits nicht substantiiert dargetan. Darüber hinaus werde ein berechtigtes Interesse insoweit nur dann anerkannt, wenn die Erledigung des Verwaltungsaktes erst nach Klageerhebung eingetreten sei.

42

Gegen das Urteil hat der Kläger fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zunächst die nach der Geschäftsverteilung des 10. Senats zur Mitwirkung im Berufungsverfahren berufenen Senatsmitglieder wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Gesuch hat der Senat in anderer Besetzung mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Gegenvorstellung, hilfsweise Anhörungsrüge, blieb erfolglos.

43

Zur Begründung der Berufung wiederholt der Kläger unter Aufrechterhaltung der vorgetragenen Befangenheitsgründe und des hierauf gestützten Befangenheitsgesuchs gegen die zur Mitwirkung am Verfahren berufenen Richter im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Dabei stellt er insbesondere noch einmal heraus, dass jeder Verfahrensschritt, der möglicherweise den Richterwahlausschuss zu einem anderen Votum veranlasst hätte, unmittelbar auf das Gesamtergebnis durchschlüge; dem Richterwahlausschuss seien jedoch relevante Auswahlinformationen vorenthalten worden. Was die Beurteilung des Beigeladenen angeht, hält er daran fest, dass insofern nichts anderes gelte, als für dienstliche Beurteilungen ganz allgemein; die früheren Dienstvorgesetzten des Beigeladenen hätten dessen Personalführungs- und Sozialkompetenz aber weniger euphorisch beurteilt. Mit Blick auf die Erforderlichkeit einer Einbeziehung auch der Beurteilungsentwicklung in den Eignungs- und Leistungsvergleich hebt er namentlich nochmals hervor, dass der qualitative Gehalt seiner vorausgegangenen Beurteilungen deutlich für ihn spreche und dass diese Ausrichtung erstmals mit der Anlassbeurteilung vom 6. November 2006 „gekippt“ sei. Was die geltend gemachte Voreingenommenheit des Justizministers ihm gegenüber angeht, stellt er klar, dass es insoweit auf eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung der betreffenden Tatsachen ankomme. Zum Verfahren vor dem Richterwahlausschuss rügt er vor allem weiterhin, dass die Staatssekretärin auf das Stimmverhalten der richterlichen Ausschussmitglieder Einfluss genommen habe. Hierzu trägt er ergänzend vor, dass er, wenn er von dem betreffenden Gespräch rechtzeitig Kenntnis erlangt hätte, die beiden Richter als befangen abgelehnt hätte. Ferner macht er als Mangel des Besetzungsverfahrens erstmals geltend, dass sich der Niederschrift über das Einigungsgespräch zwischen dem Präsidialrat und dem Justizminister nicht entnehmen lasse, aufgrund welcher Erwägungen der Justizminister die Einschätzung des Präsidialrats für entkräftet erachtet habe. Zu den hilfsweise gestellten Feststellungsanträgen weist er darauf hin, dass er unabhängig von der Ordnungsgemäßheit des Auswahlverfahrens schon durch die Art und Weise der Urkundenaushändigung an den Beigeladenen in seinen Rechten verletzt sein könne; zumindest komme insoweit ein Anspruch auf Übernahme der im verfassungsgerichtlichen Eilverfahren vergeblich aufgewandten Kosten in Betracht. Im Übrigen beruft er sich zum Feststellungsinteresse erneut auf den Gesichtspunkt der Rehabilitierung; dazu sieht er insbesondere mit Rücksicht auf die „Blitzernennung“ des Beigeladenen Anlass.

44

Der Kläger beantragt,

45

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen Anträgen erster Instanz zu erkennen.

46

Der Beklagte beantragt,

47

die Berufung zurückzuweisen.

48

Zu der umgehenden Ernennung des Beigeladenen nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung im Eilverfahren weist er darauf hin, dass es bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2007 keinerlei Rechtsprechung dazu gegeben habe, dass nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens zum Konkurrentenrechtsschutz allein die Ankündigung einer Anrufung dieses Gerichts durch den unterlegenen Bewerber eine Sperrwirkung in Bezug auf die Ernennung des Konkurrenten auslösen solle. In der Sache beruft er sich zunächst erneut auf das Recht des Dienstherrn, für jedes Stellenbesetzungsverfahren ein eigenständiges Anforderungsprofil erstellen zu können, und weist hierzu darauf hin, dass die Auffassung antiquiert sei, dass Leitungsfunktionen der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur mit Personen aus eben dieser Gerichtsbarkeit besetzt werden könnten. Des Weiteren bleibt er bei seiner Auffassung, dass die Beurteilung des Beigeladenen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Beurteilung eines Chefpräsidenten auf ausreichenden Erkenntnissen des Justizministers in Bezug auf die Leistungen des Beigeladenen beruhe und dass es auf die Beurteilungsentwicklung erst dann ankomme, wenn auch nach Auswertung der Einzelaussagen der letzten dienstlichen Beurteilungen ein Beurteilungsgleichstand gegeben sei. Zur Voreingenommenheit des Justizministers hebt er insbesondere hervor, dass es zur Feststellung einer solchen im Gegensatz zu einer Besorgnis der Befangenheit auf die Sicht eines objektiven Dritten ankomme und insofern zu berücksichtigen sei, dass die Führungsaufgaben eines Vorgesetzten naturgemäß Konflikte mit sich bringen könnten; dabei seien zudem nur vor der in Rede stehenden Maßnahme aufgetretene Umstände in die Betrachtung mit einzubeziehen. Zum Verfahren vor dem Richterwahlausschuss führt er ergänzend aus, dass eine Ablehnung von Ausschussmitgliedern nur vor der zu treffenden Entscheidung möglich sei. Was die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge angeht, fehlt es seiner Auffassung nach an einem Rehabilitationsinteresse, da es hinzunehmen sei, im Rahmen einer Beförderungsauswahl nur als zweitbester Kandidat zu gelten; daran ändere auch eine breite Presseberichterstattung nichts. Ein Feststellungsinteresse aus Gründen einer beabsichtigten Schadensersatzklage hält er wegen der Möglichkeit, insoweit Leistungsklage zu erheben, sowie mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 839 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches für nicht gegeben. Zu letzterem weist er auf die unzureichende „Einschaltung“ des Bundesverfassungsgerichts durch den Kläger und die Nichtanfechtung seiner eigenen dienstlichen Beurteilung hin.

49

Der Beigeladene hat sich auch im Berufungsverfahren nicht zur Sache eingelassen.

50

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die aus der Anlage zur Sitzungsniederschrift ersichtlichen Beweisanträge gestellt. Diese sind vom Senat mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss abgelehnt worden.

51

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zu den Prozessakten gereichten Schriftsätze sowie der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgänge, Personalakten des Klägers und des Beigeladenen sowie Gerichtsakten betreffend den Eilrechtsschutz verwiesen.

Entscheidungsgründe

52

Der Senat kann ungeachtet der Aufrechterhaltung des Befangenheitsgesuchs des Klägers gegen die nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zur Mitwirkung am vorliegenden Verfahren berufenen Senatsmitglieder in der regulären Besetzung über die Berufung entscheiden, nachdem das betreffende Befangenheitsgesuch bereits mit den Beschlüssen vom 7. Oktober und 3. November 2008 zurückgewiesen worden ist, ohne dass der Kläger in der Folgezeit neue Befangenheitsgründe geltend gemacht hätte.

53

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

54

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht in vollem Umfang abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Klage allerdings nicht nur in Bezug auf einzelne Anträge unzulässig und im Übrigen unbegründet; vielmehr sind sämtliche Klageanträge bereits unzulässig.

55

Soweit der Kläger die Aufhebung der Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts und die Verpflichtung des Beklagten erstrebt, ihn selbst zum OLG-Präsidenten zu ernennen, ist die Klage - einschließlich der insoweit zum Verpflichtungsbegehren gestellten Hilfsanträge - unzulässig, weil wegen der Stabilität des dem Beigeladenen mit der Aushändigung der Ernennungsurkunde am 22. Juni 2007 verliehenen Amtes weder die Ernennung vom Beklagten rückgängig gemacht noch gerichtlicherseits aufgehoben werden kann. Damit ist der auf die eigene Ernennung anstelle des Beigeladenen gerichtete Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers mangels Erfüllbarkeit untergegangen.

56

An dem beamten- und richterrechtlichen Grundsatz der Ämterstabilität, der besagt, dass eine einmal erfolgte Ernennung nur unter den gesetzlich festgelegten engen Voraussetzungen - die hier nicht gegeben sind - rückgängig gemacht werden kann - und damit einer auf die Verletzung des Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG - gestützten Anfechtung durch einen unterlegenen Beförderungsbewerber entzogen ist -, hat das Bundesverwaltungsgericht bis zuletzt festgehalten. Dies gilt auch insoweit, als es in bestimmten Fällen eine Weiterverfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch den im Stellenbesetzungsverfahren unterlegenen Beförderungsbewerber ungeachtet der zwischenzeitlichen Beförderung des Konkurrenten für möglich gehalten hat. Der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht haben sich dem ebenso wie auch der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsauffassung in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet.

57

Bis zu seinem Urteil vom 13. September 2001 (BVerwGE 115, 89) war gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass sich mit der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit erledigt, weil die Beförderung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. hierzu z.B. Urteil vom 25. August 1988, BVerwGE 80, 127, sowie Beschluss vom 30. Juni 1993, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 49). Nachdem in der Entscheidung vom 25. August 1988 noch offen gelassen worden war, ob und inwieweit dem bei einer Stellenbesetzung nicht berücksichtigten Bewerber durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung des vorgezogenen Konkurrenten Rechtsschutz gewährt werden könne, wurde im Beschluss vom 30. Juni 1993 überdies klargestellt, dass nach der Ernennung des ausgewählten Mitbewerbers auch das auf Aufhebung dieser Entscheidung gerichtete Klagebegehren des nichtberücksichtigten Bewerbers von Anfang an keinen Erfolg haben könne.

58

Diese Rechtsprechung, der sich auch der Bundesgerichtshof (vgl. z.B. Urteil vom 6. April 1995, BGHZ 129, 226) sowie das Bundesarbeitsgericht (vgl. z.B. Urteil vom 2. Dezember 1997, BAGE 87, 165) anschlossen, begegnete, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung feststellte (vgl. z.B. Beschluss vom 19. September 1989, NJW 1990, 501) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

59

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht dann in einem „sich …. schon im Ausgangspunkt von einem Streit um die Auswahl für eine Beförderungsstelle“ unterscheidenden Verfahren in einem „obiter dictum“ zu seinem Urteil vom 13. September 2001 (a.a.O.) Zweifel geäußert hatte, ob an der oben dargestellten Rechtsprechung festzuhalten sei, hat es in seinem Urteil vom 21. August 2003 (BVerwGE 118, 370) klargestellt, dass die bisherige Rechtsauffassung aufrechterhalten werde, und zur Begründung darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die im Urteil vom 13. September 2001 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken durch Beschluss vom 24. September 2002 (DVBl. 2002, 1633) entkräftet habe. Dort hatte das Bundesverfassungsgericht ein weiteres Mal die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 21. August 2003 in bestimmten Fällen eine Weiterverfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch den unterlegenen Beförderungsbewerber trotz der zwischenzeitlichen Beförderung des Konkurrenten für möglich gehalten hat, hat es ergänzend hervorgehoben, dass dies nicht die Möglichkeit voraussetze, die bereits erfolgte Ernennung aufzuheben.

60

In seinem Beschluss vom 28. April 2005 (NJW-RR 2005, 998) hat das Bundesverfassungsgericht dann in einem die Besetzung einer Notarstelle betreffenden Verfahren noch einmal bei Prüfung der Zulässigkeit der erhobenen Verfassungsbeschwerde den Grundsatz der Ämterstabilität und dessen Rechtsfolgen für das Besetzungsverfahren angesprochen. Es hat ausgeführt, für die Verfassungsbeschwerde sei das Rechtsschutzinteresse gegeben, obwohl wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität die bereits erfolgte Bestellung des ausgewählten Bewerbers nicht widerrufen und der Beschwerdeführer auf der diesem übertragenen Notarstelle nicht ernannt werden könne.

61

In seinem ebenfalls zu einer Notarstelle ergangenen Beschluss vom 28. November 2005 (BGHZ 165, 139) hat der Bundesgerichtshof die eigene dem entsprechende Rechtsprechung fortgeführt und nochmals hervorgehoben, dass einer Rückgängigmachung der zwischenzeitlich erfolgten Ernennung des Mitbewerbers der Grundsatz der Ämterstabilität entgegenstehe; die Rechtsposition, welche der Mitbewerber durch seine Bestellung erlangt habe, könne von dem unberücksichtigt gebliebenen Bewerber nicht erfolgreich angefochten werden, da sie nicht mehr revidiert werden könne.

62

Die Verfassungsbeschwerde gegen diesen BGH-Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 29. März 2006 (NJW 2006, 2395) nicht zur Entscheidung angenommen. In den Gründen hat es die Auffassung des Bundesgerichtshofs für verfassungsgemäß erachtet.

63

Vor allem aber hat das Bundesverfassungsgericht noch zwei Monate vor seiner Entscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren des Klägers - mit Beschluss vom 9. Juli 2007 (NVwZ 2007, 1178) - in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren wiederum bei Prüfung der Zulässigkeit der erhobenen Verfassungsbeschwerde herausgestellt, ihr fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis, obwohl die bereits erfolgte Ernennung des ausgewählten Bewerbers wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität nicht zurückgenommen und dem Beschwerdeführer die ausgeschriebene Stelle daher auch nicht mehr übertragen werden könne. Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde hat es dann unter Zitierung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 2003 zum Beleg der „ständigen Rechtsprechung“ dieses Gerichts festgestellt, dass sich nach dieser Rechtsprechung der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit grundsätzlich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt.

64

Warum das Bundesverfassungsgericht nur kurz danach in seinem Kammerbeschluss vom 24. September 2007 (NVwZ 2008, 70) in Sachen des Klägers bei dem dargestellten Meinungsstand in der höchstrichterlichen - und seiner eigenen - Rechtsprechung einen Klärungsbedarf in Bezug auf die sich in einem Stellenbesetzungsverfahren aus dem Grundsatz der Ämterstabilität ergebenden Rechtsfolgen glaubte feststellen zu können, erschließt sich dem Senat nicht, jedenfalls dann nicht, wenn man dem Begriff der Ämterstabilität das allgemeine Verständnis zugrunde legt. Namentlich kann danach nicht davon die Rede sein, dass der Bundesgerichtshof „in Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts“ am Grundsatz der Ämterstabilität festhält. Vielmehr hat dies auch das Bundesverwaltungsgericht bis zuletzt getan.

65

Insbesondere sei dazu hier noch hervorgehoben, dass nicht nur, wie oben bereits angesprochen, eine unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG erfolgende Ernennung, sondern auch eine die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) vereitelnde Ernennung nicht dazu berechtigt, die Ernennung zurückzunehmen; auch eine solche Ernennung erfüllt keinen der abschließend gesetzlich bestimmten Tatbestände, die eine Rückgängigmachung der Ernennung zulassen.

66

Die Klage ist auch insoweit unzulässig, als der Kläger mit seinem Klageantrag zu 2. des Weiteren jedenfalls die Verpflichtung des Beklagten zu seiner Ernennung zum OLG-Präsidenten ungeachtet der zwischenzeitlichen Verleihung dieses Amtes an den Beigeladenen erstrebt. Unzulässig sind dabei auch die hierauf bezogenen Hilfsanträge zu 2 b) und c). Eine solche Möglichkeit besteht nach der bisherigen Rechtsprechung nur in engen Ausnahmefällen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, bzw. deren Annahme verbietet sich angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles.

67

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. August 2003 (a.a.O.) im Anschluss an seine oben schon in Bezug genommene Klarstellung, dass es bei seiner bisherigen Rechtsprechung verbleibe, festgestellt, wenn entgegen einer einstweiligen Anordnung ein Mitbewerber befördert worden sei, könne der im vorläufigen Rechtsschutz erfolgreiche Beamte seinen Bewerbungsverfahrensanspruch im Hauptsacheverfahren weiterverfolgen. Ein unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG abgelehnter Beförderungsbewerber müsse vor Gericht seinen Bewerbungsverfahrensanspruch durchsetzen können. Die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung oder die Verweisung auf Schadensersatz genügten dem Rechtsschutzanspruch nicht, wenn nicht tatsächliche Umstände oder zwingende Gründe des allgemeinen Wohls der Beseitigung der ablehnenden Entscheidung entgegenstünden. Werde die Verletzung eines subjektiven Rechts gerügt, fordere das Gebot effektiven Rechtsschutzes die Möglichkeit einer vollständigen rechtlichen und tatsächlichen Nachprüfung durch ein Gericht und dessen ausreichende Entscheidungsmacht, um drohende Rechtsverletzungen abzuwenden und geschehene Rechtsverletzungen zu beheben. Praktische Schwierigkeiten rechtfertigten es nicht, den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutz einzuschränken. Mit diesen Vorgaben sei die Annahme unvereinbar, der Bewerbungsverfahrensanspruch gehe auch dann mangels Erfüllbarkeit durch den Dienstherrn unter, wenn dieser unter Verstoß gegen eine den Anspruch sichernde einstweilige Anordnung einen Konkurrenten befördere. Ebenso wie es Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG verletze, wenn der unterlegene Bewerber vom Ausgang des Stellenbesetzungsverfahrens erst nach der Ernennung des Mitbewerbers erfahre, sei dies auch dann der Fall, wenn der Dienstherr sich mit der Ernennung des Konkurrenten unter zusätzlicher Verletzung des Art. 20 Abs. 3 GG über eine einstweilige Anordnung hinwegsetze. Der Betroffene habe vielmehr einen Anspruch auf Wiederherstellung, wenn die Verwaltung durch ihr Verhalten rechtzeitigen vorläufigen Rechtsschutz verhindere oder dessen erfolgreiche Inanspruchnahme missachte. Der Dienstherr könne dem übergangenen Bewerber nicht das Fehlen einer besetzbaren Planstelle entgegenhalten. Dieser könne vielmehr verlangen, verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich so gestellt zu werden, als sei die einstweilige Anordnung befolgt worden. Die Beförderung eines erweislich zu Unrecht nicht ausgewählten Bewerbers sei von Rechts wegen nicht ausgeschlossen, wenn der Dienstherr eine einstweilige Sicherungsanordnung missachtet habe. Erforderlichenfalls sei eine benötigte weitere Planstelle zu schaffen.

68

Ob dem uneingeschränkt zu folgen ist, kann hier letztlich dahingestellt bleiben. Rechtliche Bedenken könnten sich insoweit insbesondere (vgl. im Übrigen z.B. Schnellenbach, Anmerkung zu dem Urteil, ZBR 2004, 104) daraus ergeben, dass die Vergabe einer anderen als der ursprünglich ausgeschriebenen Stelle - um eine solche handelte es sich zweifellos bei einer „neu geschaffenen“ Stelle, im Übrigen aber auch dann, wenn die mit dem Konkurrenten besetzte Stelle etwa durch dessen Versetzung oder Umsetzung wieder frei geworden ist (vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urteil vom 25. August 1988, a.a.O.) - ohne eine Ausschreibung, wie sie für derartige Stellen zwingend vorgeschrieben ist (vgl. zur Ausschreibungspflicht hinsichtlich freier Richterstellen z.B. Beschluss des Senats vom 19. Dezember 1996, ZBR 1998, 61), das grundrechtsgleiche Recht anderer (auch neuer) - möglicherweise leistungsstärkerer - Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzen könnte (vgl. dazu neben dem Urteil des BVerwG vom 25. August 1988 den Beschluss des BGH vom 28. November 2005, a.a.O.).

69

Denn auch aus dieser Rechtsprechung lässt sich ein Anspruch des Klägers auf Ernennung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts nicht herleiten.

70

Es stellt sich bereits die Frage, ob sie sich überhaupt auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen lässt. Der Senat teilt jedenfalls nicht die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 24. September 2007 (a.a.O.) geäußerte Auffassung, dass zwischen den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angesprochenen Fallgestaltungen und den im Falle des Klägers gegebenen Umständen eine „sachliche Übereinstimmung“ besteht. Keiner weiteren Vertiefung bedarf es, dass von einer solchen Übereinstimmung zwischen der Fallgestaltung, die das Bundesverwaltungsgericht zu würdigen hatte, und der hier vorliegenden nicht die Rede sein kann, ging es dort doch um eine Beförderung des Mitbewerbers unter Missachtung einer einstweiligen Anordnung, während hier eine Beförderung nach unanfechtbarer Ablehnung einer einstweiligen Anordnung inmitten steht. Aber auch in Bezug auf den nach dem angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vergleichbaren Fall, dass der unterlegene Bewerber vom Ausgang des Stellenbesetzungsverfahrens erst nach der Ernennung des Mitbewerbers erfährt, fehlt es nach Auffassung des Senats an einer „sachlichen Übereinstimmung“. Vorliegend erfolgte die Ernennung des Beigeladenen erst nach Mitteilung an den Kläger, dass beabsichtigt sei, jenem die Stelle zu übertragen, und nach Erschöpfung des Rechtsweges im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz.

71

Eine „sachliche Übereinstimmung“ mit den hier gegebenen Umständen folgt schließlich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die Stellung eines einstweiligen Anordnungsantrages angekündigt und den Beklagten davon in Kenntnis gesetzt hatte. Selbst wenn die ungeachtet dessen kurz nach Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung erfolgte Ernennung des Beigeladenen den Kläger in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verletzte, wie dies das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24. September 2007 einleitend herausgestellt hat, ließe sich der hier gegebene Sachverhalt nicht gleichsetzen mit dem Fall der Beförderung ohne vorherige Negativmitteilung. Dem steht zumindest entgegen, dass sich dem Beklagten nach dem Stand der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Aushändigung der Ernennungsurkunde keineswegs aufdrängen musste, dass die ihm bekannte bloße Ankündigung eines einstweiligen Anordnungsantrages seitens des Klägers gegenüber dem Bundesverfassungsgericht ihn von Verfassungs wegen daran hindern könnte, den Beigeladenen nach der unanfechtbaren Ablehnung des Antrags des Klägers auf Gewährung verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes zum OLG-Präsidenten zu ernennen. Das gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht die ihm „vorab per Fax“ zugeleitete Schutzschrift des Klägers vom 12. Juni 2007, in der dieser die Ankündigung eines einstweiligen Anordnungsantrages mit dem Ersuchen verbunden hatte, kurzfristig eine Zwischenregelung zu treffen oder dem Justizministerium die Zusicherung eines Zuwartens mit der Urkundenaushändigung bis zur Entscheidung über den beabsichtigten einstweiligen Anordnungsantrag abzuverlangen, bis zum 22. Juni 2006 nicht zum Anlass genommen hatte, dieser Bitte nachzukommen. Auch sie war dem Beklagten aber bekannt, da der Kläger ihm am 13. Juni 2006 die Schutzschrift an das Bundesverfassungsgericht in Abschrift zugeleitet hatte.

72

Auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist die Verfassungsbeschwerde kein zusätzlicher Rechtsbehelf zum fachgerichtlichen Verfahren, der sich diesem in gleicher Funktion ohne weiteres anschließt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1987, BVerfGE 74, 220). Sie ist ein besonderes Rechtsschutzmittel zur prozessualen Durchsetzung der Grundrechte oder der diesen gleichgestellten Rechte (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 27. September 1951, BVerfGE 1, 4), mithin ein außerordentlicher Rechtsbehelf; mit ihr wurde nicht eine Ergänzung des fachgerichtlichen Rechtsschutzes, nicht ein weiterer Rechtsweg, sondern ein Rechtsinstitut geschaffen, das in einem außerhalb des Rechtswegs angesiedelten außerordentlichen Rechtsbehelfsverfahren eine Überprüfung am Maßstab der Grundrechte ermöglicht (vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996, BVerfGE 94, 166). Kontrolle der Einhaltung und die Beachtung der Grundrechte sind zunächst Sache der fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1986, BVerfGE 74, 69). Die bloße Erhebung der Verfassungsbeschwerde entfaltet noch keine aufschiebende Wirkung (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 1996, BVerfGE 93, 381). Die Prozessordnungen gewährleisten die nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996, a.a.O.). Wenn im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, ist ihm erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003, DVBl. 2003, 1524).

73

Was in Sonderheit die Effektivität des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes nach Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtsschutzes, die Sicherung des Übergangs vom fachgerichtlichen Verfahren zum außerordentlichen Rechtsbehelfsverfahren der Verfassungsbeschwerde, angeht, gab es bis zum 22. Juni 2007 keine – jedenfalls keine veröffentlichte – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dahin, dass in einem Beförderungskonkurrentenstreit stets nach Erschöpfung des Rechtswegs im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz die Aushändigung der Ernennungsurkunde an den ausgewählten Mitbewerber zunächst über einen ausreichenden Zeitraum zurückgestellt werden müsse, um dem unterlegenen Mitbewerber auch noch die Möglichkeit zu geben, Verfassungsbeschwerde zu erheben – oder doch dass dies jedenfalls dann nötig sei, wenn der unterlegene Mitbewerber bereits die Absicht angekündigt habe, beim Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gemäß § 32 des BundesverfassungsgerichtsgesetzesBVerfGG – zu stellen.

74

So hatte das Bundesverfassungsgericht noch in seinem Urteil vom 14. Mai 1996 (a.a.O.) erkannt, dass „die Rechtsordnung …. nicht …. (vorsehe), dass mit der Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen solange innezuhalten sei, bis ein Betroffener dem Bundesverfassungsgericht darlegen …. (könne), die Entscheidung verletze ihn in Grundrechten, und es Gelegenheit …. (gehabt habe), ihn durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor den faktischen Folgen möglicher Grundrechtsverletzungen zu schützen“. Das Bundesverfassungsgericht hatte nur entschieden, dass die Exekutive ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht durch den faktischen Vollzug des angegriffenen Hoheitsaktes überspielen dürfe (vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 18. Juni 1973, BVerfGE 35, 257). Dem entsprach der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2005 (a.a.O.), der den Fall einer Ernennung des ausgewählten Mitbewerbers um eine Notarstelle nach Erhebung einer Verfassungsbeschwerde und Beantragung einer verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung seitens des unterlegenen Mitbewerbers betraf. Dort hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, auch wenn sich das Justizministerium nicht über eine einstweilige Anordnung hinweggesetzt habe, sei dem Beschwerdeführer durch die umgehende Ernennung des Mitbewerbers faktisch die Möglichkeit genommen worden, die Besetzung der Notarstelle durch eine verfassungsgerichtliche Eilentscheidung zu verhindern; daher folge aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes in Verbindung mit den zu wahrenden Grundrechten, dass dem Beschwerdeführer die Weiterverfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruchs im Wege der Verfassungsbeschwerde möglich sein müsse. Zitiert war dazu die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50), die eine Ernennung zum Notar sogar unter Missachtung einer verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung zugunsten des unterlegenen Mitbewerbers betraf.

75

Unter Berücksichtigung des aufgezeigten Standes der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts am 22. Juni 2007 musste sich dem Beklagten zu dem genannten Zeitpunkt nicht die erstmals im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juli 2007 (a.a.O.) und sodann in dessen die Verfassungsbeschwerde des Klägers betreffenden Beschluss vom 24. September 2007 (a.a.O.) zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung aufdrängen.

76

Danach geht der Senat – in Übereinstimmung mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (vgl. Beschluss vom 4. September 2007, ESVGH 58, 123) – allerdings davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht mit diesen Entscheidungen unabhängig davon, ob ein Eilantrag zum Bundesverfassungsgericht bereits angekündigt ist, ein angemessen langes Zuwarten mit der Aushändigung der Ernennungsurkunde an den ausgewählten Mitbewerber nach Erschöpfung des Rechtswegs im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz fordert. So wird im Beschluss vom 9. Juli 2007 ohne gesonderte Erwähnung der auch in jenem Fall bereits vorliegenden Ankündigung eines Antrags gemäß § 32 BVerfGG ausgeführt, aus denselben Erwägungen – wie zu den Erfordernissen eines effektiven verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes im Konkurrentenstreit – folge auch eine Verpflichtung, vor Aushändigung der Urkunde einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, „Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde“ zu erheben, weil nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes bestehe. Durch die umgehende Ernennung des Mitbewerbers werde dem unterlegenen Konkurrenten faktisch die Möglichkeit genommen, die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle durch eine verfassungsgerichtliche Eilentscheidung zu verhindern. Zitiert wurde hierzu die allerdings den Fall einer nach Stellung eines Eilantrages beim Bundesverfassungsgericht erfolgten Ernennung betreffende Entscheidung vom 28. April 2005 (a.a.O.). In dem Beschluss vom 24. September 2007 (a.a.O.) wurde dann der Beschluss vom 9. Juli 2007 als Beleg dafür angeführt, dass es „in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts …. geklärt …. (sei), dass aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG eine Verpflichtung des Dienstherrn …. (folge), vor Aushändigung der Ernennungsurkunde einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem unterlegenen Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben, wenn nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes …. (bestehe)“.

77

Der Beklagte musste sich indes auch nicht wegen der hier aber doch zumindest gegebenen – und im Beschluss vom 24. September 2007 anders als im Beschluss vom 9. Juli 2007 zumindest angesprochenen – „Besonderheit“ der bereits vorliegenden Ankündigung eines Eilantrags an das Bundesverfassungsgericht daran gehindert sehen, den Beigeladenen alsbald nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 13. Juni 2007 zum OLG-Präsidenten zu ernennen. Dies folgt daraus, dass der Kläger die – dem Beklagten bekannte – Ankündigung des Eilantrags mit der – dem Beklagten gleichermaßen bekannten – Bitte an das Bundesverfassungsgericht um eine Zwischenregelung bzw. eine „Stillhalteabsprache“ verbunden hatte, ohne dass das Bundesverfassungsgericht in den ihm dafür zur Verfügung stehenden 9 Tagen in irgendeiner Weise reagiert hätte.

78

Nach alledem fehlt es nach Auffassung des Senats schon an einer „sachlichen Übereinstimmung“ zwischen den hier gegebenen Umständen und den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 2003 (a.a.O.) angesprochenen Fallgestaltungen.

79

Eine Ernennung des Klägers zum OLG-Präsidenten ungeachtet der zwischenzeitlichen Verleihung dieses Amtes an den Beigeladenen scheidet aber auch deswegen – mit der Folge der Unzulässigkeit der hierauf gerichteten Klage – aus, weil mit Rücksicht auf die hier gegebenen Besonderheiten aus zwingenden Rechtsgründen der Weg verstellt ist, den Kläger unabhängig von der nicht mehr revidierbaren Rechtsposition des Beigeladenen zu befördern. Die Rechtslage ist insofern vergleichbar mit den rechtlichen Gegebenheiten, wie sie vom Bundesgerichtshof in seinem – vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeten (vgl. Beschluss vom 29. März 2006, a.a.O.) – Beschluss vom 28. November 2005 (a.a.O.) mit Blick auf eine Notarstelle gewürdigt wurden.

80

Eine Ernennung des Klägers zum – nach R 8 besoldeten – Präsidenten des Oberlandesgerichts kann zunächst nicht dadurch ermöglicht werden, dass der Beigeladene versetzt wird (vgl. hierzu z.B. die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 1988, a.a.O., und 13. September 2001, a.a.O.). Dem steht schon die verfassungsrechtlich gewährleistete persönliche Unabhängigkeit der Richter auf Lebenszeit entgegen. Gemäß Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG können die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, an eine andere Stelle versetzt werden. Unter welchen Voraussetzungen ein Lebenszeitrichter gegen seinen Willen versetzt werden kann, ist in § 30 des Deutschen Richtergesetzes – DRiG – abschließend geregelt. Nach Absatz 1 der Vorschrift kann ein Richter auf Lebenszeit ohne seine Zustimmung nur im Verfahren über die Richteranklage gemäß Art. 98 Abs. 2 und Abs. 5 GG, im gerichtlichen Disziplinarverfahren, im Interesse der Rechtspflege oder bei Veränderung der Gerichtsorganisation in ein anderes Amt versetzt werden. Eine Versetzung im Interesse der Rechtspflege, wie sie vorliegend überhaupt nur in Betracht gezogen werden könnte, erfordert gemäß § 31 DRiG, dass Tatsachen außerhalb der richterlichen Tätigkeit des betreffenden Richters eine Versetzung in ein anderes Richteramt mit dem gleichen Endgrundgehalt zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden. Es bedarf keiner weiteren Vertiefung, dass es bei einer Versetzung des Beigeladenen zu dem alleinigen Zweck, die Planstelle, in die er mit seiner Ernennung zum OLG-Präsidenten eingewiesen wurde, besetzbar zu machen, nicht um die Abwendung einer schweren Beeinträchtigung der Rechtspflege geht. Eine Ernennung des Klägers zum OLG-Präsidenten, die nur unter Einweisung in eine diesem Amt zugeordnete – besetzbare – Planstelle erfolgen könnte (§ 49 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung – LHO -), unter vorheriger Versetzung des Beigeladenen scheidet damit aus.

81

Eine andere – bereits vorhandene – besetzbare dem Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts (Besoldungsgruppe R 8) zugeordnete Planstelle ist in Rheinland-Pfalz derzeit nicht vorhanden. Die Stelle des Präsidenten des zweiten gemäß dem Gerichtsorganisationsgesetz – GerOrgG – in Rheinland-Pfalz eingerichteten Oberlandesgerichts – des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken -, die ebenfalls in die Besoldungsgruppe R 8 eingestuft ist, ist besetzt. Der derzeitige Amtsinhaber tritt Ende Februar 2009 zwar in den Ruhestand; die Stelle wurde aber bereits am 26. Januar 2009 – mit Wirkung zum 1. März 2009 – mit dem derzeitigen Präsidenten des Landgerichts Mainz neu besetzt.

82

Eine Beförderung des Klägers unter zusätzlicher Einweisung in die an den Beigeladenen vergebene Planstelle ist nicht möglich. Besetzbar ist eine Planstelle nur, wenn in sie kein anderer eingewiesen ist (vgl. z.B. Piduch, Bundeshaushaltsordnung, Stand Juni 2007, Rdnr. 4 zu § 49); aus einer Planstelle darf jeweils nur ein (vollzeitbeschäftigter) Beamter bzw. Richter besoldet werden (vgl. z.B. das Urteil des BVerwG vom 13. September 2001, a.a.O.).

83

Auch die Schaffung einer weiteren der Besoldungsgruppe R 8 zugeordnete OLG-Präsidentenstelle scheidet aus.

84

Das Gerichtsorganisationsgesetz sieht in Rheinland-Pfalz zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege schon nur zwei Oberlandesgerichte als erforderlich aber auch ausreichend vor (§ 4 GerOrgG). Gemäß § 115 des GerichtsverfassungsgesetzesGVG – werden die Oberlandesgerichte wiederum nur mit einem Präsidenten sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern besetzt. Das Gerichtsverfassungsgesetz schließt damit für die Oberlandesgerichte das Vorhandensein einer weiteren Funktionsstelle des Gerichtspräsidenten aus. Da die Anzahl der im Stellenplan für bestimmte Ämter ausgewiesenen Planstellen der Zahl der insoweit eingerichteten Ämter entsprechen muss (vgl. § 17 Abs. 5 LHO; vgl. hierzu auch die Urteile des BVerwG vom 13. September 2001, a.a.O., und 25. April 1996, BVerwGE 101, 112; ferner z.B. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand Januar 2009, C § 8 Rdnr. 88), kann somit in Rheinland-Pfalz keine dritte Planstelle für einen OLG-Präsidenten ausgebracht werden.

85

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, dass es ihm nicht in jedem Fall darum geht, die mit dem Amt eines OLG-Präsidenten verbundenen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass dies nicht daran vorbeizuführen vermag, dass die Verleihung eines Amtes die gleichzeitige Einweisung in eine besetzbare Planstelle zur unverzichtbaren haushaltsrechtlichen Voraussetzung hat, und die Ausbringung einer solchen voraussetzt, dass ein entsprechendes Amt eingerichtet ist. Im Übrigen hat sich ein Richter gemäß § 5 Abs. 1 des Landesrichtergesetzes – LRiG – i.V.m. § 64 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes – LBG – mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Dass dabei die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben, die mit dem ihm verliehenen Statusamt – nach dem sich auch seine Alimentation richtet – verbunden sind, und nicht ein Tätigwerden in einem früher bekleideten Amt in Rede steht, versteht sich von selbst. Der OLG-Präsident nimmt die ihm zugewiesenen Aufgaben der Gerichts- und Justizverwaltung wahr und führt in einem Umfang, der ihm einen Richtung gebenden Einfluss auf dessen Rechtsprechung erlaubt (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 20. November 1967, BGHZ 49, 64), den Vorsitz in einem Senat.

86

Wenn sich der Kläger in dem hier behandelten Zusammenhang in der Berufungsverhandlung des Weiteren darauf berufen hat, es habe in Rheinland-Pfalz – bei nur einer OVG-Präsidenten-Stelle – ja auch schon einmal zwei OVG-Präsidenten gegeben, übersieht er, dass sich das damalige zeitweise Vorhandensein zweier OVG-Präsidenten aus zwingenden Rechtsgründen (vgl. § 16 Ministergesetz) ergab, während es hier um die Herbeiführung einer solchen Situation im Rahmen der Auswahl für eine Beförderungsstelle geht.

87

Unabhängig von der vorstehend dargestellten sich aus dem Landesorganisations- und -haushaltsrecht ergebenden Unmöglichkeit einer Ernennung des Klägers neben dem Beigeladenen zum OLG-Präsidenten, stünde einer solchen mit Rücksicht darauf, dass sie aus den dargelegten Gründen nicht ohne Amtsausübung denkbar ist, auch der Anspruch des Beigeladenen auf amtsangemessene (Vollzeit-)Beschäftigung entgegen.

88

Der Inhaber eines statusrechtlichen Amtes kann gemäß Art. 33 Abs. 5 GG beanspruchen, dass ihm ein abstrakt-funktionelles Amt sowie ein amtsangemessenes konkret-funktionelles Amt übertragen werden (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985, BVerfGE 70, 251). Mit der das Statusamt kennzeichnenden Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und einer Laufbahngruppe, dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und der verliehenen Amtsbezeichnung wird in abstrakter Weise seine Wertigkeit im Verhältnis zu anderen Ämtern zum Ausdruck gebracht (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 3. März 2005, BVerwGE 123, 107). Das abstrakt-funktionelle Amt betrifft den einem statusrechtlichen Amt entsprechenden Aufgabenkreis, der einem Inhaber dieses Statusamtes bei einer bestimmten Behörde auf Dauer zugewiesen ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985, a.a.O.); es wird durch gesonderte Verfügung des Dienstherrn übertragen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004, BVerwGE 122, 53). Das konkret-funktionelle Amt, der Dienstposten, bezeichnet die dem Beamten tatsächlich übertragene Funktion, seinen Aufgabenbereich. Die für die amtsgemäße Besoldung notwendige Zusammenschau von Amt im statusrechtlichen und im funktionellen Sinne steht einer dauernden Trennung von Amt und Funktion grundsätzlich entgegen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985, a.a.O.). Im Rahmen dieser Vorgaben liegt es im Ermessen des Dienstherrn, den Inhalt des abstrakt- und des konkret-funktionellen Amts festzulegen. Der Dienstherr ist dabei aber gehalten, dem Beamten bzw. Richter solche Funktionsämter zu übertragen, die in ihrer Wertigkeit dem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 3. März 2005, a.a.O.). Damit ist der Beamte bzw. Richter zwar nicht vor einer Änderung seines abstrakten und konkreten Aufgabenbereichs nach Maßgabe seines statusrechtlichen Amtes gefeit (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004, a.a.O.). Ihm muss dabei jedoch stets ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich verbleiben (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 1995, BVerwGE 98, 334). Ohne seine Zustimmung darf dem Beamten bzw. Richter diese Beschäftigung weder entzogen, noch darf er auf Dauer unterwertig beschäftigt werden (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006, BVerwGE 126, 182).

89

Eine hälftige Aufteilung der dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz zukommenden Gerichts- und Justizverwaltungsaufgaben, sei es in zeitlicher oder aber sachlicher Hinsicht, wie sie die Einrichtung einer „Doppelspitze“ in der Leitung des Oberlandesgerichts zwangsläufig zur Folge hätte, verletzte den Beigeladenen jedoch in diesem Recht auf amtsangemessene Beschäftigung. Dabei ist zu sehen, dass es hier um eine einmalige Funktionsstelle mit einem gerichts- und justizorganisationsrechtlich fest umrissenen Aufgabenbereich geht. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass dem Statusamt eines höchstmöglich besoldeten OLG-Präsidenten eine besondere Anforderungen stellende Umfänglichkeit der ihm obliegenden Dienstgeschäfte entspricht. Allein hierauf beruht die Einstufung des Amtes in die oberste Besoldungsgruppe für OLG-Präsidenten; die richterliche Tätigkeit entspricht in ihrer Wertigkeit bei allen OLG-Präsidenten gleichermaßen der für Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht geltenden Besoldungsgruppe R 3. Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass mit diesem „Alleinstellungsanspruch auf höchstem Niveau“ des Beigeladenen eine erhebliche Einengung seines Tätigkeitsfeldes ohne adäquaten Ersatz unvereinbar wäre.

90

Schließlich würde eine Ernennung des Klägers zum weiteren (vollzeitbeschäftigten) Präsidenten des Oberlandesgerichts den Anspruch des Rechtssuchenden auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips verletzen. Damit wären nämlich anstelle des im Gesetz insofern vorgesehenen einzigen Richters zwei Richter der Konkretisierung des gesetzlichen Richters durch das dazu grundsätzlich berufene Gremium entzogen. Gemäß § 21 e Abs. 1 Satz 1 GVG bestimmt das Präsidium die Besetzung der Spruchkörper und verteilt die Geschäfte. Dem Bestimmungsrecht des Präsidiums hinsichtlich der Spruchkörperbesetzung unterfällt jedoch nicht der Präsident. Er bestimmt gemäß Satz 3 der Bestimmung vielmehr selbst, welchem Spruchkörper er sich als Vorsitzender anschließt. Diese Ausnahmeregelung zum grundsätzlichen Bestimmungsrecht des Präsidiums bezieht sich dabei nun aber zweifelsfrei auf eine Einzelperson: Nur ein Einzelner kann autark bestimmen, in welchem Senat er den Vorsitz übernimmt. Bei zwei Personen bedürfte es dagegen fester Regeln zur Ausübung des Bestimmungsrechts, die indes fehlen.

91

Im Übrigen verletzt aber auch schon allgemein die Übertragung eines Richteramtes bei einem bestimmten Gericht an einen Lebenszeitrichter, ohne dass hierfür eine Planstelle vorhanden wäre, den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (vgl. hierzu etwa Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., Rdnr. 28 zu § 16).

92

Nach alledem scheidet es auch von vornherein aus, dass der Kläger neben dem Beigeladenen zum OLG-Präsidenten ernannt wird. Die Klage erweist sich damit, was die Hauptanträge – einschließlich der Hilfsanträge zu 2 b) und 2 c) – angeht, insgesamt als unzulässig.

93

Unzulässig sind aber auch die beiden Hilfsklageanträge zu 3.

94

Wie der Kläger in der Berufungsverhandlung klargestellt hat, bezieht sich das erste Feststellungsbegehren auf die Auswahlentscheidung in der Sache selbst.

95

Es handelt sich insoweit um eine Fortsetzungsfeststellungsklage in doppelter Analogie zu § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, nämlich eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens noch vor der Klageerhebung – während des Widerspruchsverfahrens -.

96

Ob diese Klage bereits mangels Durchführung eines Widerspruchsverfahrens unzulässig ist, lässt der Senat offen. Gemäß § 5 Abs. 1 LRiG i.V.m. § 218 Abs. 3 LBG – der dem § 126 Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) entspricht – ist zwar vor jeder Klage eines Richters aus dem Richterverhältnis ein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO durchzuführen. Damit bedarf es auch vor Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach einer vorprozessualen Erledigung grundsätzlich eines auf die Fortsetzungsfeststellung gerichteten Widerspruchsverfahrens (vgl. z.B. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand März 2008, Rdnr. 99 zu § 113 und Rdnr. 22 zu § 68). Vorliegend ist allerdings die Erledigung nach Erhebung des (Verpflichtungs-)Widerspruchs in der Sache selbst eingetreten und der Beklagte hat, nachdem er zunächst richtigerweise (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989, BVerwGE 81, 226) keine Sachentscheidung mehr getroffen und den vom Kläger ausdrücklich aufrechterhaltenen Widerspruch vielmehr mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2007 als unzulässig zurückgewiesen hatte, aber doch mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 kurz dargelegt, dass und warum der Widerspruch auch als unbegründet zurückzuweisen sei. Dies könnte ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger auch in seiner diesem Schreiben zugrunde liegenden Eingabe vom 8. Oktober 2007 nicht zum Ausdruck gebracht hatte, gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen und/oder um seine nachträgliche Rehabilitierung kämpfen zu wollen, hier den Vorgaben des § 5 Abs. 1 LRiG i.V.m. § 218 Abs. 3 LBG genügen.

97

Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung als solcher mit Blick auf die beabsichtigte Schadensersatzklage mit dem Ziel erstrebt, ihn besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als wäre er befördert worden, ist die Klage bereits aus Gründen der Subsidiarität dieses Feststellungsbegehrens unzulässig.

98

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, begründet die Absicht, eine Schadensersatzklage zu erheben, kein schutzwürdiges Interesse an einer verwaltungsgerichtlichen Klage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes festzustellen, wenn sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat (vgl. z.B. Beschluss vom 27. Juni 1985, Buchholz 310 § 113 Nr. 150; Urteile vom 17. August 1982, InfAuslR 1982, 276, 25. August 1988, a.a.O., und 20. Januar 1989, a.a.O.; des Weiteren z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Oktober 2008 – 1 A 4543/06 -, Juris; VGHBW, Urteil vom 29. Juli 2003, VBlBW 2003, 475; BayVGH, Beschluss vom 27. November 1995, NVwZ-RR 1997, 23; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., Rdnr. 35 zu § 113; Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 136 zu § 113; Schnellenbach, DVBl. 1990, 140). Damit kann auch nach der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten in einem Beförderungsauswahlverfahren noch vor Erhebung der „Konkurrentenklage“ bzw. Verpflichtungsklage auf Beförderung wegen der beabsichtigten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen keine auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben werden. Dies gilt auch dann, wenn die Fortsetzungsfeststellungsklage hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem zur Weiterverfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruchs eingebrachten Hauptantrag erhoben wird. Zur Begründung seiner Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage gemäß Art. 34 GG i.V.m. § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – ausgeführt: In Fällen dieser Art würden für das Fortsetzungsfeststellungsinteresse dieselben – strengeren – Maßstäbe wie für das Rechtsschutzinteresse bei einer Feststellungsklage im Sinne des § 43 VwGO gelten. Es fehle dann an der besonderen Schutzwürdigkeit des Interesses an einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Sie beruhe darauf, dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden dürfe, insbesondere dann nicht, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht habe und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrages die Frage stelle, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein solle und der Kläger der Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen müsse („Fortsetzungsbonus“). Der Hinweis auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage genüge jedoch nicht zur Begründung des Rechtsschutzinteresses für eine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO. Es müsse vielmehr wegen des erstrebten Schadensersatzes sogleich das zuständige Zivilgericht angerufen werden, das im Amtshaftungsprozess auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig sei. Ein Anspruch auf den (angeblich) „sachnäheren“ Richter bestehe nicht; vielmehr seien die Rechtswege prinzipiell gleichwertig.

99

Der damit zum Ausdruck gebrachte Subsidiaritätsgedanke greift dabei, wie hier ergänzt sein soll, auch dann Platz, wenn aus Gründen eines Verstoßes gegen das Bestenausleseprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) beabsichtigt ist, eine Schadensersatzklage wegen Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 79 des BundesbeamtengesetzesBBG – bzw. § 87 LBG) bzw. Verletzung einer eigenen, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelnden (quasi-vertraglichen) Verbindlichkeit beim Verwaltungsgericht zu erheben (vgl. zur Zweispurigkeit des Rechtsschutzes z.B. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, Stand November 2008, Rdnr. 26 zu § 79 BBG; GKÖD, Stand November 2008, Rdnr. 58 zu § 79 BBG). Insoweit gilt nichts anderes wie für die Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO, in dessen Absatz 2 der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage niedergelegt ist. Danach darf keine Feststellungsklage erhoben werden, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Damit sollen unnötige Feststellungsklagen verhindert werden, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbarere sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen. Zur Verfolgung eines Schadensersatzbegehrens im Verwaltungsrechtsweg kann jedoch unmittelbar beim zuständigen Verwaltungsgericht auf die Verpflichtung des Dienstherrn zur Gewährung von Schadensersatz geklagt werden. Für eine vorgeschaltete, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung gerichtete Klage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist daneben kein Raum (vgl. z.B. Schnellenbach, DVBl 1990, 140). Dabei bedarf, wie ebenfalls noch bemerkt sein mag, das Schadensersatzbegehren der erkennbaren und bescheidbaren Konkretisierung gegenüber dem Dienstherrn spätestens im Widerspruch gemäß § 126 Abs. 3 BRRG bzw. § 218 Abs. 3 LBG (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2001, BVerwGE 114, 350; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rdnr. 25 zu § 79 BBG).

100

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse mit Blick auf die beabsichtigte Schadensersatzklage scheidet schließlich auch deshalb aus, weil diese Klage offensichtlich aussichtslos ist (vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urteile vom 25. August 1988, a.a.O., und 22. Januar 1998, ZBR 1998, 316; Beschluss vom 9. März 2005, 2 B 111.04, Juris). Das ist in aller Regel der Fall, wenn ein Kollegialgericht das als rechtswidrig und schadenstiftend angegriffene Verwaltungshandeln als objektiv rechtmäßig angesehen hat, weil dann regelmäßig ein behördliches Verschulden trotz Verletzung einer Dienstpflicht ausgeschlossen werden kann (vgl. hierzu die oben angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts; ferner z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 1996, ZBR 1996, 310, und 14. März 1997, ZBR 1997, 229). Vorliegend ist die Auswahlentscheidung des Beklagten als solche jedoch zunächst im Eilverfahren durch das Verwaltungsgericht – mit Beschluss vom 25. April 2007 – sowie auf die Beschwerde des Klägers hin durch den Senat – mit Beschluss vom 13. Juni 2007 – und schließlich nochmals mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2008 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts als objektiv rechtmäßig gewertet worden. Mit Blick auf die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen ist dazu ergänzend darauf hinzuweisen, dass diese nach Maßgabe der weiter oben bereits wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs zu treffen waren.

101

Zwar gibt es von dem vorgenannten Grundsatz Ausnahmen, doch greifen diese hier nicht Platz. Die Indizwirkung der Bewertung durch ein Kollegialgericht für das behördliche Verschulden, entfällt dabei nicht schon dadurch, dass die gerichtliche Würdigung materiell-rechtlich fehlerhaft ist bzw. nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1998, a.a.O.; Urteil vom 27. Februar 2003, DVBl. 2003, 1548). Eine kollegialgerichtliche Billigung des Verwaltungshandelns schließt behördliches Verschulden allerdings dann nicht aus, wenn besondere Umstände dafür sprechen, dass die Behördenbediensteten es „besser“ hätten wissen müssen, was namentlich dann der Fall sein kann, wenn das Gericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist oder eine eindeutige Vorschrift handgreiflich falsch ausgelegt hat (vgl. z.B. den Beschluss des BVerwG vom 9. März 2005, a.a.O., m.w.N.). Für Letzteres ist hier nichts ersichtlich; dafür wird auch vom Kläger mit der Berufung nichts vorgetragen.

102

In seiner Beschwerdeentscheidung vom 13. Juni 2007 ist allerdings der Senat davon ausgegangen (vgl. S. 15, 1. Absatz), der Justizminister habe den Entwurf seiner Beurteilung des Beigeladenen der Personalreferentin des Ministeriums mit der Bitte um Überprüfung zugeleitet. Dieses Vorbringen des Beklagten erweist sich jedoch als offenbar unzutreffend, nachdem es vom Beklagten im Hauptsacheverfahren nicht mehr aufgegriffen worden ist. Die genannte Sachverhaltsvariante ist nun aber für die Entscheidung des Senats im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren nicht tragend gewesen. Zudem hat dieser Gesichtspunkt weder im Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2007 Niederschlag gefunden – weil er im erstinstanzlichen einstweiligen Anordnungsverfahren vom Beklagten noch nicht geltend gemacht worden war -, noch im mit der Berufung angefochtenen Urteil – weil sich der Beklagte im Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht hierauf nicht mehr berufen hatte.

103

Darüber hinaus lässt sich nicht feststellen, dass die Entscheidungen im Ergebnis falsch sind und der Beklagte die Gründe dafür kennt oder kennen müsste. Namentlich gilt dies sowohl in Bezug auf das Gespräch der Staatssekretärin mit den beiden richterlichen Mitgliedern des Richterwahlausschusses vor der Ausschusssitzung vom 8. Februar 2007 als auch im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Äußerung des Justizministers über die Eignung des Beigeladenen zum OLG-Präsidenten zu Beginn des Besetzungsverfahrens noch im Juli 2006.

104

Was das Gespräch der Staatssekretärin mit den zwei Richterwahlausschussmitgliedern angeht, ist der Beklagte bis ins Hauptsacheverfahren hinein bei seiner Darstellung verblieben, das Gespräch habe der Unterrichtung der beiden Richter über den Ausgang der ihrerseits angeregten Kompromisssuche gedient. Nach wie vor lässt sich nicht ausschließen, dass dieses Vorbringen zutrifft. Dass den Gerichtsentscheidungen insoweit ein falscher Sachverhalt zugrunde gelegt worden wäre, lässt sich somit nicht feststellen. Gegen den vom Kläger gemutmaßten Inhalt des Gesprächs spricht im Übrigen, wie in dem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben soll, dass zunächst nur ein Richter zur Staatssekretärin gebeten worden sein soll: Mit nur einer Stimmenthaltung – bei einer weiteren Gegenstimme – wäre aber der Besetzungsvorschlag des Justizministers ebenfalls gescheitert, da der Richterwahlausschuss seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen fasst (§ 22 Abs. 1 LRiG). Abgesehen davon kann eine Beweisaufnahme im Rahmen der Prüfung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses zur Aufklärung der Frage, ob eine Ausnahme zur Indizwirkung einer kollegialgerichtlichen Billigung vorliegt, nicht stattfinden. Im Übrigen kommt es aus den im Beschluss des Senats vom 13. Juni 2007 zu den „Auswirkungen des Stimmverhaltens der beiden Ausschussmitglieder“ dargelegten Gründen (S. 10, 2. Absatz, S. 11, 1. Absatz) nicht darauf an, ob das Vorbringen des Beklagten richtig ist oder aber das Gespräch dem Zweck diente, wie ihn der Kläger vermutet. Als „weiterer Beleg“ für eine Voreingenommenheit des Justizministers dem Kläger gegenüber kann das Gespräch ohnehin nicht dienen, da es nicht von diesem, sondern eben von der Staatssekretärin geführt wurde.

105

Auch wegen der vom Kläger erstmals im vorliegenden Prozess vorgetragenen Äußerung des Justizministers über die Eignung des Beigeladenen zum OLG-Präsidenten im Juli 2006 kann der beabsichtigten Schadensersatzklage ungeachtet der verwaltungsgerichtlichen Kollegialentscheidungen keine Erfolgsaussicht beigemessen werden. Diese – angeblichen – Erklärungen des Justizministers fanden zwar bei der Entscheidungsfindung im einstweiligen Anordnungsverfahren keine Berücksichtigung, da sich der Kläger hierauf im Eilverfahren noch nicht berufen hatte. Ihretwegen hätte dem Kläger aber auch nicht der begehrte vorläufige Rechtsschutz gewährt werden können. Es spielt für die nach Maßgabe der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte gewürdigte Rechtmäßigkeit der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung keine Rolle, wie sich der Justizminister unter Zugrundelegung der Darstellung in den Schriftsätzen des Klägers vom 3. April und 23. Mai 2008 zu einem Zeitpunkt, zu dem sich weder der Beigeladene noch der Kläger auf die Stelle des OLG-Präsidenten beworben hatten, mit Blick auf eine Bewerbung des Präsidenten des Landgerichts Trier zu der Eignung des Beigeladenen für das Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts geäußert hat. Unter Berücksichtigung der Zeit, zu der die Äußerungen gefallen sein sollen, taugen sie vor allem auch nicht dazu, eine Voreingenommenheit des Justizministers dem Kläger gegenüber deutlich zu machen. Von daher ist auch – was der Kläger im Berufungsverfahren rügt – unschädlich, dass das Verwaltungsgericht, nachdem sich der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf diese Äußerungen berufen hatte, auf sie in seiner Entscheidung nicht weiter eingegangen ist. Daraus kann in Sonderheit nicht geschlossen werden, es habe einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Fehlt es an klaren Hinweisen darauf, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder doch nicht erwogen worden ist, genügt es, wenn sich das Gericht mit dem wichtigsten, für die Entscheidung unmittelbar und primär relevanten Parteivorbringen – wie hier geschehen - im Urteil auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2003, NVwZ-RR 2004, 3).

106

Schließlich hat der Kläger auch nicht aus Gründen seiner Rehabilitation ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Auswahlentscheidung in der Sache selbst rechtswidrig gewesen ist.

107

Der Kläger, der auch insoweit die Umstände darlegen muss, aus denen er sein Feststellungsinteresse – hier also das Interesse an seiner Rehabilitierung – ableitet (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 1976, BVerwGE 53, 134, und 15. November 1990, NVwZ 1991, 570), hat sich dazu in seiner Klagebegründung auf mehrere Umstände berufen: die Bedeutung des angestrebten Amtes und das große öffentliche Interesse sowie den Widerhall, den das Besetzungsverfahren und dessen Begleitumstände in der Medienberichterstattung gefunden hat, seine Stellung als Landgerichtspräsident, die Sondersitzungen des Rechtsausschusses und des Landtages sowie die vom Justizminister nach wie vor in den Medien und im Parlament artikulierte Auffassung, er habe sich in der Sache und rechtlich korrekt verhalten. Soweit er des Weiteren die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Grundrechtsvereitelung des Justizministers geltend gemacht hat, betrifft dies das sich auf die Art und Weise der Ernennung beziehende zweite Feststellungsbegehren im Rahmen des Klageantrags zu 3. In seiner Berufungsbegründung verweist er ergänzend darauf, dass in der Medienberichterstattung hinsichtlich seiner Bewerbung von Anfang an eine positive Tendenz herauszulesen gewesen sei und seine Bewerbung in Justizkreisen und in der Bevölkerung auf eine hohe Akzeptanz getroffen sei, während sich das Besetzungsverfahren als solches einer zunehmenden Kritik in den Medien und der Öffentlichkeit ausgesetzt gesehen habe.

108

Damit hat der Kläger ein Rehabilitationsinteresse nicht dargetan.

109

Das Rehabilitationsinteresse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der die Rechtswidrigkeit einer Auswahlentscheidung im beamten-(richter-)rechtlichen Beförderungskonkurrenzverhältnis festgestellt werden soll, setzt voraus, dass von der Bevorzugung des Konkurrenten als solcher, nach ihrer Begründung oder nach den Begleitumständen der Beförderungsentscheidung eine fortdauernde diskriminierende Wirkung für den unterlegenen Mitbewerber ausgeht, oder dass sich diese Entscheidung – weil mit ihr eine grundlegende Befähigung oder Eignung abgesprochen wird – doch jedenfalls ungünstig auf die weitere berufliche Entwicklung auswirken dürfte (vgl. hierzu z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 9. August 1990, NVwZ 1991, 270, und 4. März 1976, a.a.O.; Urteile vom 19. März 1992, BayVBl. 1992, 596, 25. August 1988, a.a.O., und 9. Mai 1985, DVBl. 1985, 1233; Schnellenbach, DVBl. 1990, 140; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rdnr. 92 zu § 113). Ein bloß ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung ohne Rücksicht darauf, ob sie – weiterhin – ehrverletzend wirkt oder sich jedenfalls nachteilig auf das berufliche Fortkommen des Betroffenen auszuwirken vermag, reicht zur Annahme eines Rehabilitationsinteresses also nicht aus. Die Rechtswidrigkeit als solche diskriminiert nicht.

110

Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, dass und warum die Auswahlentscheidung als solche, wegen ihrer Begründung oder insoweit infolge ihrer Begleitumstände sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt oder ihn in der Achtung der Öffentlichkeit oder der Kollegen herabzusetzen vermag bzw. seine berufliche Entwicklung behindern wird.

111

Dazu besagt insbesondere nichts, dass es um die Besetzung der herausgehobenen Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz gegangen ist und er sich als Präsident des größten Landgerichts in Rheinland-Pfalz auf diese beworben hatte. So hatte sich der Beigeladene auf dieselbe herausgehobene Stelle als ebenso wie der Kläger besoldeter Präsident eines oberen Landesgerichts beworben. Allein daraus, dass ein Beförderungsbewerber einem Mitbewerber „unterlegen“ ist, ergibt sich ebenfalls noch kein Rehabilitationsinteresse für den nicht berücksichtigten Bewerber. Dabei handelt es sich vielmehr um die zwangsläufige Folge in jedem Beförderungsverfahren mit mehr als einem Bewerber. Hier gilt insofern auch nicht etwa mit Rücksicht auf das „Rangverhältnis“ zwischen dem beförderten und dem leer ausgegangenen Bewerber etwas anderes. Wie bereits bemerkt, hatten der Kläger und der Beigeladene von den Anforderungen des seinerzeit innegehabten Amtes her den gleichen Rang. Mit anderen Worten ergibt sich aus dem Umstand für sich allein, dass sich ein Landgerichtspräsident einem gleich besoldeten Landessozialgerichtspräsidenten geschlagen geben muss, noch keine Diskriminierung für den Landgerichtspräsidenten.

112

Auch aus der bloßen Umfänglichkeit der Medienberichterstattung folgt noch kein Rehabilitationsinteresse. Das gilt schon deshalb, weil insofern kein dem Dienstherrn zurechenbares Geschehen in Rede steht. Ein Grund, die Rehabilitierung zu betreiben, lässt sich dabei hier zudem nicht aus dem Inhalt der Berichterstattung herleiten. So trägt der Kläger selbst vor, dass in der „Berichterstattung …. in Bezug auf die Bewerbung des Klägers von Anfang an eine positive Tendenz herauszulesen“ gewesen sei und „sich das Besetzungsverfahren als solches …. einer zunehmenden Kritik in den Medien ausgesetzt“ gesehen habe. Entsprechendes gilt, was die Aufnahme der Bewerbung des Klägers in „Justizkreisen und in der Bevölkerung“ betrifft. Hierzu beruft sich der Kläger darauf, dass sie dort „auf eine hohe Akzeptanz“ getroffen habe und „sich das Besetzungsverfahren als solches …. (auch) einer zunehmenden Kritik …. in der Öffentlichkeit ausgesetzt“ gesehen habe.

113

Eine Diskriminierung des Klägers lässt sich ferner nicht aus der Tatsache herleiten, dass es wegen der Auswahlentscheidung zu Sondersitzungen des Rechtsausschusses und des Landtages gekommen ist. Sie belegen als solche vielmehr nur die „Politisierung“, die die Angelegenheit in Rheinland-Pfalz gefunden hat.

114

Eine solche Wirkung kommt schließlich auch nicht dem Umstand zu, dass der Justizminister - wie der Kläger geltend macht - „in den Medien und im Parlament …. (die) Auffassung …. (vertreten hat), er habe sich in der Sache und rechtlich korrekt verhalten“. Dies vermag - ebenso wie auch die vorgenannten Gesichtspunkte - vielmehr allein das große Interesse des Klägers daran deutlich zu machen, gerichtlich festgestellt zu sehen, dass ihm - wie er es sieht - „Unrecht“ geschehen ist.

115

Nach alledem erweist sich das erste Feststellungsbegehren im Rahmen des Klageantrags zu 3. als unzulässig.

116

Gleichermaßen unzulässig ist aber auch das weitere dort zum Ausdruck gebrachte Feststellungsbegehren, das die Rechtmäßigkeit der „Blitzernennung“ des Beigeladenen am 22. Juni 2007 zum Gegenstand hat.

117

Bei dieser – hilfsweisen – Feststellungsklage handelt es sich nicht um eine Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, sondern um eine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO. Die dort angegriffene „Art und Weise der Ernennung“ bezieht sich auf das den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers erledigende Ereignis selbst; insofern ist nachträglich keine – weitere – Erledigung eingetreten.

118

Die Feststellungsklage ist bereits deswegen unzulässig, weil ihr kein Widerspruchsverfahren vorausgegangen ist.

119

Wie oben bereits festgestellt wurde, ist gemäß § 5 Abs. 1 LRiG i.V.m. § 218 Abs. 3 LBG vor jeder Klage eines Richters aus dem Richterverhältnis und damit auch vor Erhebung einer Feststellungsklage, wie sie hier in Rede steht, ein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO durchzuführen. Der Anfechtungswiderspruch des Klägers gegen die Ernennung des Beigeladenen – der von Anbeginn an unzulässig war und deshalb auch richtigerweise aus diesem Grund mit dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2007 zurückgewiesen wurde – genügt dem Widerspruchserfordernis für die hier behandelte hilfsweise Feststellungsklage nicht. Es hätte dem Kläger vielmehr oblegen, hilfsweise zum Anfechtungswiderspruch unter Deutlichmachung der das hilfsweise Feststellungsinteresse begründenden Umstände - für die er, wie oben bereits hervorgehoben wurde, die Darlegungslast trägt - auch Feststellungswiderspruch zu erheben. Das gilt hier jedenfalls deshalb, weil mit der Feststellungsklage ein neuer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt wird. Ging es bis zur Klageerhebung – namentlich auch mit dem Widerspruch gegen die Ernennung des Beigeladenen – allein um die Auswahlentscheidung als solche, die Weiterverfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruchs mit dem Ziel einer Beförderung des Klägers anstelle des Beigeladenen oder neben dem Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts, betrifft die Feststellungsklage – isoliert – die Art und Weise der Ernennung des Beigeladenen unter dem Blickwinkel einer gesonderten Verletzung des Klägers in seinen Rechten. Dementsprechend kommt es hier – anders als im Rahmen der oben behandelten Fortsetzungsfeststellungsklage – von vornherein nicht in Betracht, dass sich jedenfalls mit Rücksicht auf das Schreiben des Beklagten vom 22. Oktober 2007 die Notwendigkeit eines – zumindest hilfsweisen – Feststellungswiderspruchs erübrigt haben könnte. Dass auch der diesem Schreiben zugrunde liegenden Eingabe des Klägers vom 8. Oktober 2007 nicht etwa zu entnehmen war, der Kläger wolle ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen bzw. seine Rehabilitation betreiben, wurde dabei ebenfalls oben schon herausgestellt. Da die Durchführung des Vorverfahrens gemäß § 126 Abs. 3 BRRG bzw. § 218 Abs. 3 LBG zwingende Prozessvoraussetzung der Klage (Sachurteilsvoraussetzung) ist, kann auf die Durchführung seitens der Beteiligten auch nicht verzichtet werden. Jedenfalls im Anwendungsbereich dieser Normen kann dies nach Auffassung des Senats auch nicht – seitens der Verwaltung – durch rügelose Einlassung auf eine ohne Vorverfahren erhobene Klage geschehen (so generell z.B. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnrn. 10 und 11 zu Vorbem. § 68, Rdnrn. 1 und 28 zu § 68; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rdnr. 29 zu § 68; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., Rdnr. 162 zu § 68; a.M. wohl die überwiegende Rechtsprechung des BVerwG, vgl. z.B. Urteil vom 4. Juli 2002, NVwZ 2002, 1505).

120

Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Ernennung des Beigeladenen wegen seiner Absicht, eine Schadensersatzklage - mit dem Ziel des Ersatzes der vergeblich aufgewendeten Kosten der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts - zu erheben, begehrt, ist die Feststellungsklage darüber hinaus auch deshalb unzulässig, weil ihr die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegensteht. Hierzu kann wiederum auf die obigen diesen Gesichtspunkt betreffenden Ausführungen zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage Bezug genommen werden. Wurden dort mangels „Fortsetzungsbonus“ die für die Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO geltenden Grundsätze im Rahmen der Würdigung der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, der Subsidiaritätsgedanke, herangezogen, gelangt hier § 43 Abs. 2 VwGO unmittelbar zur Anwendung.

121

Aber auch, soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ernennung des Beigeladenen mit Blick auf deren Begleitumstände aus Gründen seiner Rehabilitierung begehrt, ist die Feststellungsklage aus einem weiteren Grund unzulässig. Der Kläger hat sich für die Feststellungsklage zwar auf den Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses berufen, ohne dass sich jedoch auf der Grundlage seines Vorbringens hierzu ein dahingehendes berechtigtes Interesse, d.h. feststellen ließe, dass – über die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 24. September 2007 (a.a.O.) hervorgehobene Verletzung des Klägers in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG hinaus – von der Art und Weise der Ernennung des Beigeladenen nach wie vor eine ihn diskriminierende Wirkung ausgeht. Wie oben schon betont wurde, reicht insofern ein ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Maßnahme nicht aus.

122

In seiner Berufungsschrift macht der Kläger zu seinem Rehabilitationsinteresse aus Gründen der Art und Weise der Ernennung des Beigeladenen geltend, die „Blitzernennung“ sei mit Blick auf den Gesichtspunkt der Rehabilitierung umso bemerkenswerter, als der Kläger zu diesem Zeitpunkt als Richter über 27 Jahre hinweg, davon allein 11 Jahre als Landgerichtspräsident in der rheinland-pfälzischen Justiz tätig gewesen sei und der Aufsicht, aber auch der Fürsorge des Dienstvorgesetzten unterstehe; er habe davon ausgehen dürfen, dass seine schriftlich angekündigte Absicht der Einlegung der Verfassungsbeschwerde nicht durch eine Blitzaktion des Justizministers konterkariert werde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 24. September 2007 ausgeführt, dass der Justizminister ihm durch diese Vorgehensweise den Zugang zum Verfassungsgericht vereitelt und ihn hierdurch in seinen Grundrechten verletzt habe. Diese Entscheidung sei Gegenstand einer Sondersitzung des Rechtsausschusses sowie einer Sondersitzung des Landtages gewesen. Gleichwohl habe der Justizminister gegenüber der Öffentlichkeit beständig die Auffassung vertreten, sich mit seiner Verfahrensweise völlig korrekt verhalten zu haben.

123

Die in der Berufungsbegründung speziell in Bezug auf die „Blitzernennung“ angeführten Umstände, namentlich die langjährige Verbundenheit zwischen dem Kläger und seinem Dienstvorgesetzten zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ihren gegenseitigen Rechten und Pflichten, insbesondere der Treue- bzw. Fürsorgepflicht, könnten durchaus bei einer „Blitzernennung“ trotz bekannter Absicht, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, wegen der damit verbundenen Herabwürdigung zum „Manipulationsobjekt“ ein Rehabilitationsinteresse begründen.

124

Das setzte jedoch ein nicht zu erwartendes – arglistiges – gezieltes „Ausmanövrieren“ voraus. Davon kann hier aber nun trotz der dem Beklagten bekannten Absicht des Klägers, im Falle des Unterliegens im verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen, aufgrund der hier gegebenen weiteren Besonderheiten nicht die Rede sein. Dem Justizminister musste sich nämlich, wie oben bereits festgestellt wurde, nach dem seinerzeitigen Stand der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keineswegs aufdrängen, dass die ihm bekannte bloße Ankündigung eines einstweiligen Anordnungsantrages seitens des Klägers gegenüber dem Bundesverfassungsgericht ihn von Verfassungs wegen daran hindern könnte, den Beigeladenen nach der unanfechtbaren Ablehnung des Antrags des Klägers auf Gewährung verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes zum Oberlandesgerichtspräsidenten zu ernennen; das brauchte sich ihm dabei nicht zuletzt auch deshalb nicht aufzudrängen, weil darüber hinaus das Bundesverfassungsgericht die dem Beklagen bekannte Bitte des Klägers an das Bundesverfassungsgericht, eine Zwischenregelung zu treffen bzw. auf eine „Stillhalteabsprache“ mit dem Justizministerium hinzuwirken, 9 Tage lang nicht zum Anlass genommen hatte, in dieser Richtung aktiv zu werden. Hierzu sind im Rahmen der Prüfung, ob zwischen der Ernennung eines Mitbewerbers ohne vorherige Negativmitteilung an den unterlegenen Bewerber und einer Ernennung unter den hier gegebenen Umständen „sachliche Übereinstimmung“ besteht, umfängliche Ausführungen gemacht worden, auf die im hier behandelten Zusammenhang zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann.

125

Nach alledem erweist sich die Klage in vollem Umfang als unzulässig. Deshalb brauchte auch den gestellten Beweisanträgen nicht nachgegangen werden.

126

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser keinen eigenen Antrag gestellt und damit auch kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. hierzu § 154 Abs. 3 VwGO).

127

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

128

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht die Gelegenheit geben, die nach seiner Entscheidung vom 21. August 2003 (a.a.O.) offenen Fragen einer weiteren Klärung zuzuführen sowie zum Grundsatz der Ämterstabilität nochmals seine Rechtsauffassung deutlich zu machen.

129

Beschluss

130

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 51.800,-- € festgesetzt (§§ 47, 53 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -).

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein durch Beamte der Bundespolizei angeordneter Platzverweis sowie die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtswidrig waren.

2

Am 5. Mai 2012 fuhr sie zusammen mit Frau H., die ebenfalls Klage bezüglich der gegen sie ergriffenen polizeilichen Maßnahmen erhoben hat (vgl. Urteil des Senats im Verfahren 7 A 11202/13.OVG), mit dem Zug nach K.. Sie beobachteten dabei zwei Beamte der Bundespolizei, die lagebildabhängige Befragungen und Kontrollen unter anderem zur Dunkelfeldaufhellung im Bereich illegaler Migration durchführten. Nach der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person sprachen sie die Polizeibeamten an und fragten nach den Gründen der Kontrolle. Dabei machten sie deutlich, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

3

Am Hauptbahnhof in K. stiegen sowohl die Klägerin und ihre Begleiterin als auch die beiden Polizeibeamten aus. Im Bahnhofsgebäude beobachteten sie die Befragung und Kontrolle eines dunkelhäutigen Mannes - des Herrn M. - durch die Polizeibeamten. Sie gingen auf die dreiköpfige Personengruppe zu und stellten sich in einem Abstand von etwa 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten. Ihren eigenen Angaben zufolge wollten sie der kontrollierten Person deutlich machen, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung von Frau H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Polizeibeamten forderten sie auf, sich zu entfernen, weil sie eine polizeiliche Maßnahme behinderten. Die Klägerin entgegnete, sie störten doch nicht. Die Polizeibeamten wiederholten die Aufforderung zweimal und wiesen darauf hin, dass dies ein Platzverweis sei. Die Klägerin wendete ein, dafür bestehe ihrer Ansicht nach kein Anlass. Daraufhin drohten die Polizeibeamten mehrfach körperlichen Zwang zur Durchsetzung des Platzverweises an. Nachdem die beiden Frauen der Aufforderung weiterhin nicht nachkamen, ergriff einer der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptmeister B., die Klägerin am Arm, drehte ihn auf den Rücken und brachte sie in diesem Polizeigriff zu einem Seitenausgang aus dem Bahnhofsgebäude. Dort ließ er sie los und kehrte in die Bahnhofshalle zurück. Die Klägerin folgte ihm. Frau H. und der andere Polizeibeamte, Polizeikommissar S., waren im Bahnhofsgebäude geblieben. Da die Klägerin und ihre Begleiterin sich beschweren wollten, wurde der Vorgesetzte der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptkommissar F., hinzugerufen.

4

Polizeihauptmeister B. schrieb unter dem 5. Mai 2012 einen Bericht über den Vorfall. Darin heißt es, Polizeikommissar S. und er seien im Zug nach K. von zwei Frauen angesprochen und gefragt worden, warum sie Personen mit ausländischem Erscheinungsbild kontrollieren würden. Bei einer Personalienüberprüfung in der Halle des Hauptbahnhofs K. seien diese beiden Frauen erneut, dieses Mal seitlich, dicht an die kontrollierenden Beamten herangetreten. Durch das fortan gezeigte, aufdringliche Verhalten sei die ordnungsgemäße Fortführung der laufenden Maßnahme erheblich erschwert worden. Im Anschluss an die Beschwerde seien die beiden Frauen auf den Adressaten der vorangegangenen Kontrolle zugegangen und hätten ihn gefragt, ob er mit der polizeilichen Maßnahme einverstanden sei, ob er sich diskriminiert und ausgestoßen fühle. Der eigentliche Adressat der Maßnahme habe gegenüber Polizeihauptkommissar F. Verständnis für diese gezeigt.

5

Am 4. September 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angeordneten Platzverweises, der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwanges sowie einer Personalienfeststellung, die im Anschluss durch die Polizeibeamten vorgenommen worden sei. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung als auch unter dem der Wiederholungsgefahr und des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs. Ihre Begleiterin und sie hätten sich bei der Kontrolle von Herrn M. im K. Hauptbahnhof lediglich in die Nähe gestellt und diese beobachtet. Sie hätten weder gestört noch überhaupt etwas gesagt.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat angegeben, bei der polizeilichen Maßnahme gegenüber Herrn M. in der Haupthalle des K. Hauptbahnhofs hätten sich die Klägerin und Frau H. seitlich sehr dicht an die handelnden Beamten gestellt und während der Maßnahme wiederholt auf die zu kontrollierende Person - Herrn M. - eingeredet. Die "bedrängende Anwesenheit" der Klägerin habe es nicht zugelassen, die Befragung einer Person unter Beachtung ihrer Persönlichkeitsrechte und Integrität durchzuführen. Ein gewisses Maß an Abstand durch Passanten sei zwingend erforderlich, allein aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Interessen der betreffenden Personen. Außerdem sei zu befürchten gewesen, dass die betreffende Person wegen der Präsenz der Klägerin Angaben nicht korrekt oder nicht vollständig machen würde. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Kontrolle lediglich still beobachtet, treffe nicht zu. Sie habe auch durch gezielte Fragen gestört, wie etwa, ob Herr M. sich durch die Kontrolle diskriminiert und ausgestoßen fühle.

7

Das Verwaltungsgericht hat nach Vernehmung der Polizeibeamten B. und S. sowie von Herrn M. und Frau H. als Zeugen mit Urteil vom 21. August 2013 die Klage abgewiesen. Sie sei in Bezug auf den Platzverweis, die Androhung unmittelbaren Zwangs und die Identitätsfeststellung mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Hinsichtlich der Anwendung unmittelbaren Zwangs sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Maßnahme - ebenso wie der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs - rechtmäßig gewesen sei. Die beiden Polizisten, denen dabei eine Einschätzungsprärogative zukomme, hätten zu Recht von einer Störung ihrer Aufgabenwahrnehmung ausgehen dürfen. Schon die Nähe der Klägerin - und ihrer Begleiterin - zu den kontrollierenden Beamten rechtfertige die Annahme einer solchen Störung. Überdies habe die Klägerin nach Überzeugung der Kammer auf die Dreiergruppe der beiden Polizeibeamten und Herrn M. eingeredet und auch dadurch den Kontrollvorgang gestört.

8

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit auch des Platzverweises und der Androhung unmittelbaren Zwangs. In der Sache sei die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Sie habe die polizeiliche Maßnahme gegenüber Herrn M. nicht gestört, sondern lediglich still beobachtet.

9

Die Klägerin beantragt zuletzt, nachdem sie die Berufung hinsichtlich der Personalienfeststellung zurückgenommen hat,

10

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 festzustellen,

11

1. dass der von Beamten der Beklagten ihr gegenüber angeordnete Platzverweis am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. rechtswidrig gewesen ist,

12

2. dass die von Beamten der Beklagten ihr gegenüber ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist,

13

3. dass die Art und Weise des von Beamten der Beklagten ihr gegenüber durchgeführten unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung des ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist.

14

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 verwiesen. Der Senat hat die Bundespolizeibeamten B., S. und F. sowie Herrn M. und Frau H. als Zeugen über die Umstände der Kontrolle des Herrn M. am 5. Mai 2012 im Hauptbahnhof K. vernommen. Hinsichtlich ihrer Aussage wird ebenfalls auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 Bezug genommen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist unbegründet.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist - soweit sie nach teilweiser Rücknahme der Berufung noch anhängig ist - zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

20

1. Die Klage, die nunmehr allein noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Beamte der Bundespolizei angeordneten Platzverweises der Klägerin sowie der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung gerichtet ist, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 - 6 C 21.07 -, juris, Rn. 10 = BVerwGE 131, 216, m.w.N.). Dabei erfüllen nicht nur der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs, sondern auch das polizeiliche Verhalten mittels Anwendung körperlichen Zwangs die Merkmale eines Verwaltungsakts (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 - 1 C 49.64 -, juris, Rn. 14 = BVerwGE 26, 161).

21

Die Klägerin hat entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

22

Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 20 = BVerwGE 146, 303, m.w.N.). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist hier unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung der Klägerin gegeben.

23

Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene den erledigten Verwaltungsakt als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob abträgliche Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 2 A 5.98 -, Buchholz 310, § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 8 m.w.N.). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 25).

24

Eine diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkung kann sich nicht nur aus der Art des Verwaltungsaktes, seiner Begründung und den Umständen seines Erlasses ergeben, sondern entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch aus der Art und Weise seines Vollzugs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 113 Rn. 143; Knauff, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 113 Rn. 59). Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtmäßigkeit von Grundverwaltungsakt und Vollstreckungsmaßnahmen rechtlich getrennt zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967, a.a.O., Rn. 7 ff.). Dem Vollzug eines Verwaltungsakts kann gleichwohl Bedeutung für die Beurteilung der Frage von dessen Außenwirkung und des dadurch eingetretenen Ansehensverlusts haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 26 f.). So ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse bei einer polizeilichen Identitätsfeststellung angesichts der diskriminierenden Begleitumstände anerkannt worden, weil das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit - bei unbeteiligten Beobachtern des Polizeieinsatzes - eine schwere Einbuße erlitten haben konnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 21 B 90.166 -, juris, Rn. 49). Wenngleich diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkungen einer polizeilichen Maßnahme vor allem dann anzunehmen sind, wenn sie das Ansehen der Betroffenen bei Nachbarn und Bekannten herabsetzen, so kann demnach auch der erhebliche Ansehensverlust in der Öffentlichkeit hierfür ausreichen. Hiervon ausgehend ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse der Klägerin für ihr Feststellungsbegehren zu bejahen. Zwar hat der polizeilich angeordnete Platzverweis an sich das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit bei objektiver Betrachtung nicht erheblich herabgesetzt. Die Begleitumstände dieser polizeilichen Maßnahme dürfen jedoch nicht ausgeblendet werden. Hierzu zählen - wie dargelegt - auch die Art und Weise des Vollzugs des Platzverweises. Die Klägerin wurde, nachdem sie dem Platzverweis auch nach Androhung unmittelbaren Zwangs nicht nachkam, in den sogenannten Polizeigriff genommen - mit dem Arm auf dem Rücken - und zwangsweise aus dem Bahnhofsgebäude des K. Hauptbahnhofs gebracht. Bei einem unbeteiligten Beobachter dieses Vorgangs konnte daher der Eindruck entstehen, die Klägerin habe sich deswegen von der Polizei so behandeln lassen müssen, weil sie in nicht unerheblicher Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen habe. Für die Androhung unmittelbaren Zwangs als untrennbarer Teil des Gesamtvorgangs sowie die Anwendung unmittelbaren Zwangs selbst gilt nichts anderes.

25

2. Die Klage ist unbegründet. Die gegen die Klägerin ergriffenen polizeilichen Maßnahmen waren rechtmäßig.

26

Der von Beamten der Bundespolizei gegenüber der Klägerin im K. Hauptbahnhof angeordnete Platzverweis findet seine Rechtsgrundlage in § 38 Bundespolizeigesetz - BPolG -. Danach kann die Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen (Platzverweis).

27

Die Voraussetzungen für einen solchen Platzverweis lagen vor.

28

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG ist Gefahr im Sinne des § 38 BPolG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 BPolG obliegen. Die Bundespolizei war in ihrer Funktion als Bahnpolizei (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BPolG) sachlich zuständig für die Anordnung eines Platzverweises in der Halle des K. Hauptbahnhofs.

29

Zur öffentlichen Sicherheit gehören auch staatliche Einrichtungen, die sowohl in ihrem Bestand als auch in ihrem Funktionieren Schutz genießen. Wenn Dritte eine polizeiliche Maßnahme stören oder behindern, stellt dies eine konkrete Gefahr für das Funktionieren einer staatlichen Einrichtung und damit für die öffentliche Sicherheit dar (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, D Rn. 22 und 25; Martens, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, VwVG, UZwG, 5. Auflage 2012, § 38 BPolG Rn. 8). Dabei beurteilt sich die Frage, ob eine präventiv-polizeiliche Maßnahme erforderlich ist, nach den Verhältnissen und dem Erkenntnisstand zurzeit ihres Erlasses (sog. ex-ante-Betrachtung, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - 1 C 35.70 -, juris, Rn. 32 = BVerwGE 49, 36). Zwar ist ein polizeiliches Einschreiten auch zur Abwehr einer sogenannten Anscheinsgefahr gerechtfertigt (vgl. Lisken/Denninger, a.a.O., D Rn. 46 ff.; Peilert, in: Heesen/ Hönle/Peilert/Martens, a.a.O., § 14 BPolG Rn. 24 f.), der Polizei steht aber im Rahmen ihrer Gefahrenprognose keine Einschätzungsprärogative im Sinne eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums zu (so ersichtlich auch VGH BW, Urteil vom 17. März 2011 - 1 S 2513/10 -, juris, Rn. 24, der von einer Einschätzungsprärogative lediglich in Bezug auf die gerichtliche Überprüfung am Maßstab der ex-ante-Prognose spricht).

30

Hiervon ausgehend durften die Beamten der Bundespolizei annehmen, dass die Klägerin - zusammen mit ihrer Begleiterin - die polizeiliche Befragung und Kontrolle des Herrn M. im K. Hauptbahnhof behindert hat.

31

Dies ergibt sich aus der Gesamtschau folgender Umstände: Die Klägerin ist ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats zufolge während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. zusammen mit ihrer Begleiterin, Frau H., auf diesen und die beiden Polizeibeamten zugegangen und hat sich in einem Abstand von ca. 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten gestellt. Ihr Vorbringen zur räumlichen Entfernung deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben von Frau H. sowie der Polizeibeamten B. und S. in erster Instanz, die den Abstand auf etwa 1,5 bis 2 m bzw. auf etwa 1 oder 1 bis 2 m schätzten. Nach Angaben der Klägerin wollte sie der kontrollierten dunkelhäutigen Person signalisieren, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung der Zeugin H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie und ihre Begleiterin mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Klägerin und ihrer Begleiterin beobachteten demnach nicht nur aus einem gewissen Abstand eine polizeiliche Befragung und Kontrolle. Sie suchten vielmehr eine demonstrativ geringe Nähe zu den Polizeibeamten und der kontrollierten Person, um ihre Missbilligung der Kontrolle bzw. ihren Beistand mit dem Kontrollierten deutlich zu machen. Dies wurde von den Polizeibeamten auch so verstanden. Sie waren nämlich von der Klägerin und ihrer Begleiterin bereits zuvor im Zug auf der Fahrt nach K. angesprochen und nach den Gründen der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person gefragt worden. Dabei hatten die beiden Frauen deutlich gemacht, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

32

Vor diesem Hintergrund durften die Polizeibeamten in der demonstrativ geringen Nähe der Klägerin eine Behinderung der Befragung und Kontrolle des dunkelhäutigen Herrn M. sehen. Es bestand nicht nur aufgrund der geringen Nähe die konkrete Gefahr, dass die befragte Person keine weiteren oder keine vollständigen Auskünfte mehr geben würde, sobald sie die Anwesenheit der Klägerin und damit eines unbeteiligten Dritten in Hörweite bemerken würde. Es erscheint darüber hinaus aufgrund der demonstrativen Nähe auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Klägerin mit der nonverbalen Kundgabe ihrer Missbilligung bzw. ihres Beistands auf die Fortführung der Befragung und Kontrolle von Herrn M. behindernd einwirken wollte, indem sie ihn durch ihr demonstrativ gezeigtes Verhalten letztlich zu einer Aufgabe seiner Auskunftsbereitschaft gegenüber den Polizeibeamten animieren würde.

33

Ob die Klägerin überdies die polizeiliche Befragung und Kontrolle auch dadurch gestört hat, dass aufgrund der geringen Nähe eine ordnungsgemäße Eigensicherung der kontrollierenden Beamten nicht mehr möglich gewesen ist, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, bedarf demnach keiner Entscheidung.

34

Ebenso kann mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben, ob die Klägerin bereits - wie von der Beklagten geltend gemacht - während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. auf diesen eingeredet und ihn sinngemäß gefragt hat, ob er sich durch die Kontrolle diskriminiert fühle, oder ob sie ihn dies erst nach dem Ende der Kontrolle im Anschluss an ihre Beschwerde gegenüber dem Vorgesetzten der beiden Polizeibeamten gefragt hat.

35

Die Klägerin war auch nicht im Wege der Nothilfe berechtigt, die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. zu behindern. Nothilfe ist nicht geboten, wenn der Rechtsgutsinhaber den Angriff nicht abwehren oder sich selbst verteidigen will; der Nothelfer darf seine Hilfe nicht aufdrängen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1986 - 4 StR 306/86 -, juris, Rn. 4; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, § 227 Rn. 3). Da Herr M. sich gegen seine Befragung und Kontrolle durch die Polizeibeamten ersichtlich nicht wehren wollte, sondern bereitwillig Auskunft erteilt hat, scheidet bereits aus diesem Grunde ein Nothilferecht der Klägerin aus. Es kommt daher nicht darauf an, ob die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. ihrerseits rechtmäßig war. Dadurch entsteht keine Rechtsschutzlücke. Vielmehr kann der von einer polizeilichen Maßnahme Betroffene grundsätzlich bei Vorliegen eines entsprechenden berechtigten Interesses deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen.

36

In diesem Zusammenhang weist der Senat im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren geäußerte Rechtsauffassung zur Rechtmäßigkeit der polizeilichen Kontrolle vorsorglich darauf, dass die beklagte Bundespolizei selbst eine Auswahl der verdachtsunabhängig zu befragenden bzw. kontrollierenden Personen allein aufgrund der Hautfarbe für nicht mit Art. 3 Abs. 3 GG vereinbar hält. Diese Auffassung hat auch der Senat in einem früheren Verfahren zum Ausdruck gebracht.

37

Ist nach alledem der Platzverweis der Klägerin rechtmäßig gewesen, so gilt gleiches für die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung.

38

Hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs kann dahinstehen, auf welche Rechtsgrundlage diese hier gestützt werden kann.

39

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VwVG - müssen Zwangsmittel, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2 VwVG), schriftlich angedroht werden. Nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG ist die Androhung zuzustellen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist die Schriftlichkeit der Androhung nach Bundesrecht zwingend. Damit ist es grundsätzlich ausgeschlossen, ein Zwangsmittel - wie den unmittelbaren Zwang (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) - mündlich anzudrohen. Lediglich in den Fällen der §§ 13, 14 UZwG - der Androhung des Gebrauchs von Schusswaffen sowie der Androhung des Einsatzes von Wasserwerfern, Dienstfahrzeugen und Explosivmitteln - entfällt die Schriftform. Folgt man der Auffassung, dass erst recht im einfachen Fall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG bei einem mündlichen Verwaltungsakt auch die mündliche Androhung eines Zwangsmittels genügen müsse (ablehnend Sadler, VwVG, VwZG, 7. Auflage 2010, § 13 VwVG Rn. 33), sodass auch die Zustellung der Androhung nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG entbehrlich wäre, liegen die weiteren Voraussetzungen für eine Androhung unmittelbaren Zwangs vor.

40

Der Platzverweis ist ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung im Sinne von § 6 Abs. 1 VwVG gerichtet ist. Er kann mit dem Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) durchgesetzt werden, weil Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die unaufschiebbare Anordnung der Polizeivollzugsbeamten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung hatten. Die Androhung war schließlich auch erforderlich, da die Klägerin dem Platzverweis nicht nachgekommen ist.

41

Hält man hingegen eine mündliche Androhung des Zwangsmittels bei einem mündlichen Platzverweis nicht für zulässig, so ist die "Androhung" nur als Ankündigung des darauf folgenden unmittelbaren Zwangs durch sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG anzusehen (vgl. Sadler, a.a.O., § 13 VwVG, Rn. 33). Dann liegt hier der Ausnahmefall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG vor. Da das Zwangsmittel sofort angewendet werden kann im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG, muss es nicht schriftlich angedroht und die Androhung nicht zugestellt werden.

42

Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs findet seine Rechtsgrundlage in § 6 in Verbindung mit § 12 VwVG.

43

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verwaltungszwang nach § 6 Abs. 1 VwVG waren hier gegeben, wie oben bereits ausgeführt. Die Anwendung von Ersatzvornahme oder Zwangsgeld war untunlich im Sinne von § 12 VwVG. Da die mit dem Platzverweis verbundene Verpflichtung, sich zu entfernen, nur von der Klägerin persönlich erfüllt werden konnte, schied eine Ersatzvornahme von vornherein aus. Ein Zwangsgeld wäre hier offensichtlich ineffektiv gewesen, um die mit dem Platzverweis bezweckte Abwehr der Störung der polizeilichen Kontrolle des Herrn M. zu erreichen. Da die Klägerin auf die Androhung unmittelbaren Zwangs dem Platzverweis weiterhin nicht folgte, war die Anwendung unmittelbaren Zwangs auch erforderlich.

44

Die Kostenentscheidung folgt unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus § 154 Abs. 2 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

47

Beschluss

48

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung in der mündlichen Verhandlung des Senats auf 11.875,00 € und im Übrigen auf 6.875,00 € festgesetzt, wobei der Senat für die Identitätsfeststellung, hinsichtlich derer die Berufung zurückgenommen worden ist, den Regelstreitwert von 5.000,00 € veranschlagt (vgl. §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Gründe

I

1

Die Kläger wenden sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung vom 1. August 2006, die der Beigeladenen zur Änderung des Betriebes ihres Stahl- und Walzwerkes erteilt wurde. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Während des Berufungsverfahrens erteilte der Beklagte der Beigeladenen weitere Änderungsgenehmigungen.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die gegen den Bescheid vom 1. August 2006 gerichteten Anfechtungsklagen seien unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger entfallen sei. Eine Aufhebung des Bescheides hätte keine Verbesserung ihrer Rechtsposition zur Folge. Die Anlage der Beigeladenen werde auf der Grundlage der bestandskräftigen Änderungsgenehmigung vom 25. Oktober 2012 betrieben. Die hilfsweise erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklagen seien ebenfalls unzulässig, weil es an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Kläger fehle.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

II

4

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. a) Im Hinblick auf die Abweisung der Anfechtungsklagen ist die Revision nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil das Berufungsgericht angenommen hat, die der Beigeladenen erteilte weitere Änderungsgenehmigung vom 25. Oktober 2012 sei gegenüber den Klägern bestandskräftig. Es kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht unter Verletzung von Verfahrensrecht zu diesem Ergebnis gekommen ist. Selbst wenn das der Fall sein sollte, beruht sein Urteil hierauf jedenfalls nicht. Das Berufungsgericht verneint das Rechtsschutzinteresse der Kläger deswegen, weil die Anlage der Beigeladenen nicht mehr auf der Grundlage des angefochtenen Bescheides, sondern nach den Regelungen der Änderungsgenehmigung vom 25. Oktober 2012 betrieben werde. Diese Regelungswirkung des zuletzt genannten Bescheides hängt aber lediglich von seiner Wirksamkeit im Sinne des § 43 VwVfG ab, ohne dass es auf seine Bestandskraft ankäme. Die Beschwerde legt nicht dar, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hätte. Der Hinweis auf die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Genehmigung vom 25. Oktober 2012 bestandskräftig geworden sei, reicht dafür nicht.

6

b) aa) Unabhängig davon war der den Klägern vom Berufungsgericht mit Schreiben vom 26. März 2015 erteilte Hinweis entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht unrichtig oder aktenwidrig, so dass die daran anknüpfenden Ausführungen der Kläger nicht auf einen Verfahrensmangel führen. Aus der Formulierung dieses Hinweises ergibt sich eindeutig, dass mit ihm eine nur vorläufige Bewertung der Sach- und Rechtslage zum Ausdruck gebracht werden sollte. Das Berufungsgericht macht eingangs seines Schreibens deutlich, dass den Beteiligten die vorläufige Auffassung des Senats zur Sach- und Rechtslage mitgeteilt werde, nach der sich der Rechtsstreit hinsichtlich des Bescheides vom 1. August 2006 erledigt haben "dürfte". Weiter wird ausgeführt, das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses sei "zweifelhaft". Auch wenn der Hinweis im Übrigen ganz überwiegend im Indikativ formuliert ist, ließen die vorgenannten Formulierungen für die anwaltlich vertretenen Kläger eindeutig erkennen, dass die mitgeteilte Bewertung der Sach- und Rechtslage insgesamt vorläufig war. Die Beteiligten konnten eine abweichende Auffassung nicht nur dem Berufungsgericht innerhalb der von diesem gesetzten Frist zur Kenntnis bringen, sondern auch aus ihrer Sicht erforderliche weitere Maßnahmen - namentlich in Gestalt einer Anfechtung des Bescheides vom 25. Oktober 2012 - ergreifen.

7

bb) Der gerichtliche Hinweis musste entgegen der Auffassung der Kläger nicht "wesentlich früher" erteilt werden; ebenso wenig liegt im Hinblick auf den Bescheid vom 25. Oktober 2012 eine irreführende Verfahrensleitung durch das Oberverwaltungsgericht vor. Das Berufungsgericht war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt dieses Bescheides dessen rechtliche Konsequenzen für das anhängige Verfahren zu würdigen oder gar den Klägern Hinweise für ein Vorgehen gegen diesen Bescheid zu erteilen. Die Kläger tragen selbst vor, dass der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen bereits im Schriftsatz vom 10. April 2014 auf den Bescheid vom 25. Oktober 2012 hingewiesen habe, der dem seinerzeitigen Bevollmächtigten der Kläger mit Schreiben des Beklagten vom 22. August 2014 übersandt worden sei. Es wäre daher Sache der Kläger gewesen, hierauf gegebenenfalls zu reagieren.

8

2. a) Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO), soweit es die Frage, ob der Bescheid vom 1. August 2006 die Grundlage für die Kapazitätserweiterung der Anlage der Beigeladenen und die Erhöhung der Absaugleistung in der Schmelzhalle bildet, offenlässt. Das Berufungsgericht war zwar verpflichtet, der Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis nachzugehen, denn das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. In tatsächlicher Hinsicht bedürfen hierbei aber nur diejenigen Umstände der Aufklärung, von deren Vorliegen das Rechtsschutzbedürfnis abhängt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1993 - 4 B 110.93 - NVwZ 1994, 482 f.). Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde gelegt, dass eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht zu einer Verbesserung der Rechtsposition der Kläger führt. Eine derartige Verbesserung setzt nach der - von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen - Ansicht des Berufungsgerichts die Beseitigung einer Beeinträchtigung der Kläger voraus. Letztere könne sich, wie das Berufungsgericht weiter ausführt, jedoch nicht unmittelbar aus dem Produktionsumfang der Anlage ergeben, sondern nur aus der Höhe der genehmigten Immissionen. Kam es daher auf den genannten Umstand nicht entscheidungserheblich an, so bedurfte es hierzu auch keiner gerichtlichen Sachaufklärung. Die Beschwerde legt insoweit nicht mit Substanz dar, weshalb die Erhöhung des Produktionsumfangs auf der Grundlage des angefochtenen Bescheides für sich genommen bereits zu einer Beeinträchtigung der Kläger führen könnte.

9

b) Das Berufungsurteil beruht in diesem Zusammenhang nicht deswegen auf einer objektiv willkürlichen oder aktenwidrigen Würdigung des Sachverhalts, weil es - wie die Kläger meinen - die aus dem genehmigten Umfang der Produktion sich ergebenden Beeinträchtigungen der Kläger zu Unrecht auf Lärmimmissionen verkürzte und die in den Nebenbestimmungen Nr. 2.2, 2.5 und 2.6 der angefochtenen Genehmigung geregelten Luftschadstoffe zu Unrecht außer Acht ließe. Das Berufungsgericht hat diese Regelungen vielmehr in den Blick genommen, ihnen indessen keine Regelungswirkung mehr beigemessen, weil der Beklagte am Inhalt dieser Nebenbestimmungen in dem Bescheid vom 25. Oktober 2012 festgehalten, sie aber im Sinne eines Zweitbescheides neu festgesetzt habe (UA Rn. 28). Mit dieser Erwägung setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend auseinander. Soweit sie die Nebenbestimmung Nr. 2.5 für nicht anwendbar hält, wendet sie sich lediglich gegen die Sachverhaltswürdigung durch das Berufungsgericht, ohne damit einen Verfahrensfehler darzulegen.

10

3. Das Berufungsgericht hat nicht deswegen den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, weil es ihren Vortrag zur Unklarheit der Größe der Dachöffnungen in der Produktionshalle, der Freisetzung so genannter diffuser Emissionen und des Anstiegs von Staubemissionen unzureichend berücksichtigt hätte. Das Berufungsgericht ist auf dieses Vorbringen eingegangen und hat ausgeführt (UA Rn. 32 f.), dass zu den genannten Umständen in den Folgebescheiden neue Regelungen getroffen worden seien, bei deren Erlass der Beklagte an seine frühere Sachverhaltsermittlung nicht gebunden gewesen sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichts beruhen daher alle Belastungen aufgrund der genannten Umstände nicht mehr auf dem angefochtenen Bescheid, sondern auf den folgenden Änderungsgenehmigungen. Der Umstand, dass die Kläger diese Einschätzung nicht teilen, begründet keinen Gehörsverstoß.

11

4. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil es nicht auf die von den Klägern geltend gemachte Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang mit dem Änderungsbescheid vom 1. August 2006 eingeht.

12

Der Überzeugungsgrundsatz erfordert es grundsätzlich nicht, dass sich das Gericht mit allen Einzelheiten des Vorbringens eines Beteiligten auseinandersetzt. Wenn das Gericht in seiner Entscheidung jedoch gewichtige Tatsachen oder Tatsachenkomplexe, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt, unerwähnt lässt, spricht dies dafür, dass der Überzeugungsbildung des Gerichts nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugrunde liegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 6 B 73.05 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 Nr. 13 Rn. 5 m.w.N.). Gemessen daran ist ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht ersichtlich. Zu einer ausdrücklichen Auseinandersetzung mit den an das Bauplanungsrecht anknüpfenden Ausführungen der Kläger bestand kein Anlass, da sich diesem Vorbringen eine mögliche Beeinträchtigung von Belangen der Kläger, aus der sich ihr Rechtsschutzbedürfnis ergeben könnte, nicht entnehmen lässt.

13

a) Eine Beeinträchtigung der Belange der Kläger läge auch dann nicht vor, wenn - wie sie meinen - für die Anlage der Beigeladenen eine baurechtliche Planungspflicht bestünde. Eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung, die nach § 13 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. März 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2749) eine Baugenehmigung einschließt, mag objektiv rechtswidrig sein, wenn sie ohne vorausgehende Planung für ein Vorhaben erteilt wird, das einer verbindlichen Bauleitplanung bedarf. Gleichwohl kann eine solche Genehmigung subjektive Rechte eines Nachbarn nicht verletzen, da es ein subjektives Recht des Einzelnen auf eine Bauleitplanung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 1982 - 4 B 145.82 - Buchholz 406.11 § 2a BBauG Nr. 4).

14

b) Soweit die Kläger geltend machen, dass das Vorhaben der Beigeladenen die gebotene Rücksichtnahme vermissen lasse und daher mit § 34 Abs. 1 BauGB nicht im Einklang stehe, lässt sich ihrem Vorbringen ebenfalls keine Beeinträchtigung ihrer Belange entnehmen. Der Umstand, dass das Berufungsgericht sich damit nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, führt daher nicht auf einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz.

15

aa) Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots kommt nicht in Betracht, soweit das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG verursacht. Gegenüber diesen vermittelt das Bauplanungsrecht keinen weitergehenden Nachbarschutz als § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz hat die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht allgemein bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 - 4 C 74.78 - Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 7 S. 25).

16

bb) Zwar gewährt das im Baurecht geltende Rücksichtnahmegebot darüber hinaus auch den Schutz vor anderen, nicht vom Bundes-Immissionsschutzgesetz erfassten Beeinträchtigungen wie etwa der erdrückenden Wirkung einer benachbarten Anlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 - 4 C 74.78 - Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 7 S. 25). Dass solche anderen Beeinträchtigungen von den Klägern geltend gemacht worden seien, zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf.

17

5. a) Das Berufungsurteil leidet auch nicht deswegen an einem Verfahrensfehler, weil das Berufungsgericht zu Unrecht von einer Erledigung der Anfechtungsklage ausgegangen wäre. Das Berufungsurteil stützt die Abweisung ausschließlich auf den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Kläger, ohne näher auf die Voraussetzungen einer Erledigung der Anfechtungsklage im Übrigen einzugehen. Auf deren fehlerhaftem Verständnis kann das Berufungsurteil daher nicht beruhen.

18

b) Die von den Klägern in diesem Zusammenhang als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage

"Kann die Genehmigungswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung über ihren aus dem Bescheid ersichtlichen Regelungsgegenstand hinausgehen?"

führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde. Das Berufungsgericht hat nicht angenommen, dass die Genehmigungswirkung des angefochtenen Bescheides über seinen Regelungsgegenstand hinausgeht. Derartiges legt die Beschwerde auch nicht mit Substanz dar, sondern verweist in erster Linie darauf, dass das Verhältnis mehrerer aufeinander folgender Änderungsgenehmigungen in der Literatur umstritten sei. Der Regelungsgehalt verschiedener auf eine Anlage bezogener Bescheide und ihr Verhältnis zueinander ergeben sich indessen - was auf der Hand liegt - aus den jeweils im Einzelfall getroffenen Entscheidungen und entziehen sich einer grundsätzlichen Klärung.

19

6. Die Revision ist nicht zuzulassen, soweit das Berufungsgericht den auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 1. August 2006 gerichteten Hilfsantrag als unzulässig abgewiesen hat. Zwar liegt in der Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil ein Verfahrensmangel, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht. Erklärt das Berufungsgericht eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Fehlens eines berechtigten Interesses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für unzulässig, begründet dies einen Verfahrensmangel, wenn in der Sache hätte entschieden werden müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 - 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 2 und vom 11. November 2009 - 6 B 22.09 - Buchholz 448.0 § 29 WPflG Nr. 23 Rn. 3). Ein derartiger Verfahrensmangel ist hier jedoch ebenso zu verneinen wie die von den Klägern außerdem geltend gemachte Grundsatzbedeutung.

20

Das Oberverwaltungsgericht hat den Begriff des Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend interpretiert, dass ein solches Interesse auch im Hinblick auf tiefgreifende Grundrechtseingriffe nur bestehen kann, wenn die begehrte Feststellung die Position des Klägers verbessern kann oder wenn Eingriffe der in Rede stehenden Art sich typischerweise so kurzfristig endgültig erledigen, dass sie sonst nicht gerichtlich in einem Hauptsacheverfahren zu überprüfen wären (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 29 und Leitsatz 2). Einen Fehler bei der Anwendung dieser Grundsätze oder einen hieran anknüpfenden grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

21

a) Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass sich die Situation der Kläger im Fall einer Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 1. August 2016 nicht verbessere (UA Rn. 36), wendet sich die Beschwerde hiergegen nicht.

22

b) Ein Verfahrensmangel folgt nicht daraus, dass das Oberverwaltungsgericht den Darlegungen der Kläger zu einer schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigung die hinreichende Substantiierung abspricht. Bei dem hierauf bezogenen Abschnitt der Urteilsgründe (UA Rn. 38) handelt es sich, wie sich aus der Formulierung "Im Übrigen" ergibt, um eine weitere und daher selbstständig tragende Begründung. Im Fall der Mehrfachbegründung eines Urteils kann die Revision jedoch nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2010 - 7 B 67.10 - juris Rn. 8 m.w.N.).

23

c) Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, dass der Bescheid vom 1. August 2016 weder einen Bescheid darstellt, der sich typischerweise kurzfristig erledigt, noch einem solchen Bescheid gleichzustellen ist, führen die hierzu von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig angesehenen Fragen nicht zur Zulassung der Revision.

24

aa) Die Frage,

"ob eine (immissionsschutzrechtliche) Genehmigung, die sich im Laufe eines Anfechtungsklageverfahrens durch Erlass eines Änderungsbescheids erledigt, einem Verwaltungsakt gleichzustellen ist, der sich typischerweise kurzfristig erledigt, so dass ein besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 47 GRCh bestehen kann",

ist, soweit sie einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist, mit dem Berufungsgericht zu verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

25

Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffe in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sich sein Anliegen in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsaktes erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob sich die kurzfristige Erledigung aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u.a. - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86>).

26

Zu diesen besonderen Verwaltungsakten, hinsichtlich derer der Betroffene gerichtlichen Rechtsschutz in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz typischerweise kaum erlangen kann, gehört die Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG nicht.

27

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist zwar kein Dauerverwaltungsakt (BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 - Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 5), gestattet aber nicht nur die Errichtung, sondern auch den Betrieb der genehmigten Anlage (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 7 C 48.07 - BVerwGE 132, 224 Rn. 27) und erschöpft sich schon aus diesem Grunde nicht in einer einmaligen oder punktuellen Regelung. Dies ergibt sich zudem daraus, dass das Bundes-Immissionsschutzgesetz Regelungen enthält, die es ermöglichen, nach Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zu reagieren (vgl. §§ 17 und 21 BImSchG). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass gegen immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigungen gleichwohl Rechtsschutz in der Hauptsache typischerweise nicht zu erlangen wäre, zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie ergeben sich namentlich nicht aus dem Verlauf des vorliegenden Verfahrens, in dem eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache am 7. Juli 2010 und damit knapp vier Jahre nach Erlass des angefochtenen Bescheides erging.

28

bb) Die weitere Frage

"Stellt es einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch unzulässige Versagung von Rechtsschutz dar, wenn eine in der Vergangenheit bestehende Beschwer wegen der Dauer des gerichtlichen Verfahrens und der Abfolge mehrerer Änderungsgenehmigungen, die zur Erledigung der ursprünglichen Beschwer führt, nicht mehr rückwirkend überprüft werden kann, weil auch das Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneint wird?"

ist, soweit sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde, bereits geklärt. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung sonst keiner Klärung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten; eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs ist nicht geboten (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 29). Im Übrigen ist auf die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage eine Entscheidung in der Sache ergangen. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert indessen bereits keine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall und erst recht keinen Instanzenzug (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 32).

29

d) Der Beschwerde lässt sich kein Verfahrensfehler des Berufungsgerichts bei der Verneinung einer Wiederholungsgefahr entnehmen. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (stRspr, BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 21; Beschluss vom 10. Februar 2016 - 10 B 11.15 - juris Rn. 6). Die Beschwerde legt nicht dar, dass das Berufungsgericht diese Anforderungen verfehlt hätte. Zwar mag die Formulierung, der Erlass einer Änderungsgenehmigung "mit demselben Inhalt" (UA Rn. 39) sei nicht zu erwarten, für sich genommen missverständlich sein. Aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe, namentlich dem Verweis auf die zwischenzeitlichen Änderungen im Bau- und Betriebsablauf (UA Rn. 36), erschließt sich jedoch, dass das Berufungsgericht die Änderungen der von der Beigeladenen betriebenen Anlage für so erheblich ansieht, dass die tatsächlichen Umstände nicht mehr als im Wesentlichen unverändert angesehen werden können und ein darauf bezogener gleichartiger Verwaltungsakt nicht erneut ergehen wird. Die Beschwerde verweist in diesem Zusammenhang auf die Änderungsgenehmigung vom 14. November 2014, trägt aber nicht mit Substanz vor, dass in der Zukunft mit dem Erlass gleichartiger Verwaltungsakte zu rechnen ist.

30

e) Die Revision ist nicht im Hinblick darauf zuzulassen, dass das Berufungsgericht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen eines von den Klägern noch geltend zu machenden Schadenersatzanspruchs nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG verneint hat. Selbst wenn die vom Berufungsgericht zur Substantiierung des Vorbringens der Kläger angestellten Erwägungen auf eine fehlerhafte Anwendung prozessualer Vorschriften schließen ließen, legt die Beschwerde nicht dar, dass das Berufungsurteil auf einem derartigen Verstoß beruhen könnte. Zu den im Berufungsurteil angesprochenen Voraussetzungen für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Präjudizialität gehört, dass eine Klage auf Schadensersatz anhängig oder ihre alsbaldige Erhebung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (BVerwG, Beschluss vom 9. März 2005 - 2 B 111.04 - juris Rn. 7). Hierzu hat weder das Berufungsgericht Feststellungen getroffen noch die Beschwerde substantiiert vorgetragen.

31

Unabhängig davon besteht unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs dann kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn die beabsichtigte Schadensersatzklage offenbar aussichtslos ist, etwa dann, wenn jedenfalls ein Verschulden auszuschließen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Kollegialgericht das Verwaltungshandeln als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1998 - 2 C 4.97 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 113 S. 16 f. m.w.N.; Beschluss vom 9. März 2005 - 2 B 111.04 - juris Rn. 9). So liegt es hier, da das Verwaltungsgericht die Änderungsgenehmigung, soweit eine Verletzung von Rechten der Kläger in Betracht kam, als rechtmäßig beurteilt hat.

32

f) Frei von Verfahrensfehlern ist das Berufungsurteil, soweit es ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Kläger nicht aus dem Gesichtspunkt der Rehabilitation hergeleitet hat. Ein derartiges Rehabilitationsinteresse haben die Kläger, was die Beschwerde nicht verkennt, im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht. Dieses Unterlassen beruht nicht auf einem Verstoß des Berufungsgerichts gegen Verfahrensrecht; es kann daher offenbleiben, ob die von der Beschwerde vorgetragenen Umstände, namentlich die von ihnen erwähnte Presseberichterstattung, überhaupt geeignet wären, ein Rehabilitationsinteresse zu begründen.

33

Weder aus § 86 Abs. 3 VwGO noch aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergab sich eine Verpflichtung des Berufungsgerichts, die Kläger darauf hinzuweisen, dass es beabsichtige, ihren Hilfsantrag wegen des aus seiner Sicht fehlenden Fortsetzungsfeststellungsinteresses abzuweisen. Das Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1999 - 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2). Das Berufungsgericht war daher nicht verpflichtet, die Kläger über seine abweichende Auffassung vorab zu informieren. Die These der Beschwerde, ein Gericht müsse stets einen ausdrücklichen Hinweis erteilen, wenn es sich der Rechtsauffassung eines Beteiligten nicht anzuschließen beabsichtige, findet im Prozessrecht keine Stütze.

34

g) Schließlich hat das Berufungsgericht nicht das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Recht der Kläger auf ein faires Verfahren verletzt. Ein derartiger Verfahrensfehler ergibt sich nicht daraus, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht vor Eintritt der Erledigung getroffen hat. Das ruhende Berufungsverfahren wurde durch die Kläger erst am 13. September 2013 und damit nach Erlass des Bescheides vom 25. Oktober 2012, der nach Auffassung des Berufungsgerichts das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger entfallen ließ, wieder aufgerufen, so dass eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts vor Erlass dieses Bescheides nicht möglich war. Im Übrigen können die Sachurteilsvoraussetzungen nicht, wie die Beschwerde meint, im Hinblick auf eine - vermeintliche - Verzögerung des Rechtsstreits großzügiger ausgelegt werden, zumal gegen eine aus Sicht des Betroffenen unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens im Wege der §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3150) vorgegangen werden kann.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, §§ 159 und 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig sind,
2.
natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens durch Vorschriften des bürgerlichen Rechts als geschäftsfähig oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt sind,
3.
juristische Personen und Vereinigungen (§ 11 Nr. 2) durch ihre gesetzlichen Vertreter oder durch besonders Beauftragte,
4.
Behörden durch ihre Leiter, deren Vertreter oder Beauftragte.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Die §§ 53 und 55 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt einen Zeitungsverlag und begehrt die Feststellung, dass die gegen zwei ihrer Journalisten gerichtete Untersagung von Bildaufnahmen eines Polizeieinsatzes rechtswidrig war.

2

Am 16. März 2007 wurde ein Untersuchungsgefangener der Justizvollzugsanstalt ... von acht Beamten des Spezialeinsatzkommandos der Polizei des Beklagten (SEK) in eine Augenarztpraxis im Zentrum von ... gebracht. Während des Arztbesuchs blieben zwei Beamte bei dem Gefangenen. Die anderen Beamten bezogen vor dem Praxisgebäude Stellung. Etwa zehn Minuten vor dem Ende der ärztlichen Untersuchung traten ein Photograph und ein Volontär des von der Klägerin verlegten ... Tagblattes auf den Kommandoführer zu und fragten ihn nach dem Grund des Einsatzes. Dieser gab zwar die erbetene Auskunft, untersagte ihnen aber die Anfertigung von Bildaufnahmen. Ob er ihnen darüber hinaus die Beschlagnahme der Kamera androhte oder eine solche Maßnahme nur "ankündigte", hat das Berufungsgericht offengelassen. Die beiden Reporter befolgten das Photographierverbot und betrachteten das weitere Geschehen aus der Ferne. Kurz darauf wurde der Gefangene zurücktransportiert. Am nächsten Tag erschien im ... Tagblatt ein Wortbericht über den Einsatz.

3

In einem vorprozessualen Schriftwechsel brachte die Klägerin zum Ausdruck, dass sie das Photographierverbot und die Beschlagnahmeandrohung als unzulässige Beeinträchtigung ihrer Pressefreiheit ansehe. Der Beklagte berief sich demgegenüber auf ein berechtigtes Interesse an der Aufrechterhaltung der Anonymität seiner eingesetzten Beamten. Die Wahrung der Anonymität sei erforderlich, um die Einsatzfähigkeit des SEK etwa bei verdeckten Maßnahmen und den Schutz der SEK-Kräfte vor Repressalien zu gewährleisten. Die Anfertigung und Veröffentlichung von Bildern sei mit diesen Interessen nicht vereinbar.

4

Die daraufhin erhobene Feststellungsklage der Klägerin, dass das Photographierverbot und die Beschlagnahmeandrohung rechtswidrig gewesen seien, hat das Verwaltungsgericht Stuttgart abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 19. August 2010 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die beantragte Feststellung ausgesprochen. Das Photographierverbot und die Beschlagnahmeandrohung seien rechtswidrig gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei es dem Einsatzleiter nicht um die Abwehr von Gefahren gegangen, die aus der Anwesenheit der Pressevertreter und der konkreten Situation vor Ort resultierten. Für das Bestehen einer solchen Gefahr gebe es auch keine Anhaltspunkte. Stattdessen habe der Einsatzleiter nur Gefahren im Blick gehabt, die sich bei einer Enttarnung der SEK-Beamten realisiert hätten. Darauf könnten die beanstandeten Maßnahmen aber nicht gestützt werden. Es habe keine Gefahr bestanden, dass die Klägerin durch die Anfertigung von Lichtbildern und deren Veröffentlichung gegen §§ 22, 23 und 33 KunstUrhG verstoßen würde. Die Bildaufnahmen und deren Veröffentlichung seien ohne Einwilligung der betroffenen Beamten zulässig gewesen, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Einsatz um ein lokales zeitgeschichtliches Ereignis gehandelt habe (§§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Der Veröffentlichung habe auch kein berechtigtes Interesse der Beamten entgegengestanden (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die Beamten hätten zwar ein berechtigtes Interesse daran, sich durch Wahrung ihrer Anonymität etwaigen Racheakten zu entziehen. Dieses Interesse könne aber auch dadurch geschützt werden, dass Bildaufnahmen in geeigneter Weise - hier durch eine vollständige Pixelung der Gesichter - unkenntlich gemacht würden. Da grundsätzlich von der Rechtstreue der Presse auszugehen sei, habe der Beklagte darauf vertrauen müssen, dass die Klägerin eine solche Pixelung vornehme. Habe mithin keine veröffentlichungsbedingte Enttarnungsgefahr bestanden, sei auch die Gefahr einer darauf beruhenden Funktionsbeeinträchtigung des SEK zu verneinen. Soweit eine Enttarnungsgefahr mit der Möglichkeit eines kriminellen Zugriffs auf gefertigte Bildaufnahmen begründet werde, sei das Photographierverbot zur Gefahrenabwehr zwar geeignet, aber nicht erforderlich. Der bezeichneten Gefahr könne im Regelfall dadurch wirksam begegnet werden, dass der Pressevertreter zur vorübergehenden Herausgabe des Speichermediums bis zu einer gemeinsamen Sichtung der gefertigten Aufnahmen durch Presseunternehmen und Polizei aufgefordert werde. Die Maßnahmen seien auch nicht zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der eingesetzten Beamten gerechtfertigt. Da die §§ 22 ff. KunstUrhG für ihren Geltungsbereich im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht spezielle Normen seien, scheide im Bereich des Bildnisschutzes ein Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus. Auch die Beschlagnahmeandrohung sei rechtswidrig. Hierbei könne dahinstehen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahme vorgelegen hätten. Jedenfalls sei die Androhung wegen der Verknüpfung mit dem rechtswidrigen Photographierverbot ermessensfehlerhaft.

5

Seine vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision hat der Beklagte wie folgt begründet: Hinsichtlich der vom Berufungsgericht angenommenen Beschlagnahmeandrohung fehle es bereits an der Zulässigkeit der Feststellungsklage. Insoweit liege das angenommene Rechtsverhältnis nicht vor. Der Einsatzleiter habe eine Beschlagnahme weder angedroht noch angekündigt, sondern nur erwähnt, dass die Möglichkeit einer solchen Beschlagnahme durch die Einsatzdienststelle geprüft werden könne. Das Berufungsgericht sei deshalb ohne die an sich erforderliche und von ihm - dem Beklagten - auch beantragte Beweiserhebung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der Verwaltungsgerichtshof habe damit gegen das Sachaufklärungsprinzip und den Überzeugungsgrundsatz verstoßen.

6

Die Klage sei auch unbegründet. Der Einsatzleiter habe seine Bitte, das Photographieren zu unterlassen, auch und gerade zur Abwehr einer konkreten Gefahr vor Ort geäußert. Er habe verhindern wollen, dass es durch die Anfertigung von Bildaufnahmen zu einer Ablenkung der eingesetzten SEK-Beamten komme und sich damit die Gefahr eines Befreiungsschlags mit Gefahren für Leib und Leben aller Anwesenden erhöhe. Dies gehe aus dem gesamten Zweck des Einsatzes sowie den vorprozessualen und prozessualen Äußerungen hervor. Der Verwaltungsgerichtshof hätte diese Gefahr jedenfalls nicht ohne die insoweit erforderliche Beweisaufnahme verneinen dürfen. Er habe damit gegen seine Sachaufklärungspflicht und das Verbot einer Vorwegnahme der Beweiswürdigung verstoßen.

7

Es habe auch die Gefahr einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der eingesetzten SEK-Beamten bestanden. Dieses Recht umfasse das Recht am eigenen Bild. Es schütze auch vor nicht genehmigten Bildaufnahmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs werde dieses Recht nicht durch die speziellen Vorschriften der §§ 22, 23 KunstUrhG verdrängt. Die Gefahr einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild habe auch mit Rücksicht auf die insoweit erforderliche Interessenabwägung mit der Pressefreiheit der Klägerin bestanden. SEK-Beamte seien einer besonders hohen Gefährdung ausgesetzt. Sie seien insbesondere bei verdeckten Maßnahmen nur einsetzbar, wenn ihre Anonymität gewahrt bleibe. Demgegenüber sei das Interesse der Klägerin an einer Bildberichterstattung weniger schutzwürdig.

8

Die Beschlagnahme des Speichermediums stelle entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kein milderes Mittel dar als eine Untersagung von Bildaufnahmen. Die Untersagung von Bildaufnahmen könne auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden und verlange deshalb nur eine einfache Gefahr. Die Beschlagnahme setze hingegen nach § 33 PolG BW eine bereits vorliegende oder zumindest unmittelbar bevorstehende Störung voraus. Die mithin an strengere Voraussetzungen geknüpfte Beschlagnahme könne nicht milder sein als das an weniger strenge Voraussetzungen geknüpfte Photographierverbot. Mit seiner gegenteiligen Annahme habe der Verwaltungsgerichtshof gegen die Denkgesetze verstoßen. Zudem habe es der Verwaltungsgerichtshof unterlassen, die Voraussetzungen einer Beschlagnahme zu prüfen. Damit habe er auch gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen. Die Voraussetzungen einer Beschlagnahme hätten im Übrigen auch nicht vorgelegen. Die Beschlagnahme sei zur Gefahrenabwehr nicht geeignet. Auch sei sie unpraktikabel und erfordere einen unverhältnismäßig hohen Personaleinsatz. Sie greife ihrerseits in die Pressefreiheit ein und sei auch der Sache nach kein milderes Mittel als das Photographierverbot, weil sie den Photoreporter an der Wahrnehmung nachfolgender Termine hindere.

9

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. August 2010 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 zurückzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Zur Begründung verteidigt sie im Wesentlichen das Berufungsurteil.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Revision für begründet. Er teilt die Ausführungen des Beklagten im Revisionsverfahren.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und festgestellt, dass die Untersagung von Bildaufnahmen während des SEK-Polizeieinsatzes in ... am 16. März 20.. (1.) unter Androhung einer Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium im Fall des Zuwiderhandelns (2.) rechtswidrig war.

14

1. Das Berufungsurteil hat die Klage gegen das Photographierverbot ohne Verletzung von Bundesrecht als zulässig (a)) und begründet (b)) angesehen.

15

a) Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Feststellung beantragt hat, dass die Untersagung von Bildaufnahmen von dem Polizeieinsatz rechtswidrig gewesen ist, ist die Klage entweder als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (so: Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 7 A 4.07 - Buchholz 445.5 § 48 WaStrG Nr. 1; Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 26 = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 59) oder als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl.: Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.> = Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 12) statthaft und auch im Übrigen zulässig, nachdem sich dieser Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hatte. Insbesondere ist das für beide Klagearten gleichermaßen erforderliche schutzwürdige Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung gegeben. Ein solches Interesse besteht nämlich in den Fällen einer Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu etwa Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O.), die hier zu bejahen ist. Denn nach der Auffassung des Beklagten besteht generell ein Interesse an der Wahrung der Anonymität von SEK-Beamten, damit diese vor Repressalien geschützt und für getarnte Einsätze verwendungsfähig bleiben. Die Klägerin muss deshalb befürchten, in vergleichbaren Fällen wie dem vorliegenden wieder einem Photographierverbot ausgesetzt zu werden. Darüber hinaus kann sich die Klägerin auf ein Rehabilitationsinteresse berufen, weil solche Verbote ihr Grundrecht auf Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berühren.

16

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht die Klage auch für begründet gehalten. Dabei hat es ohne Verstoß gegen Bundesrecht den Erlass eines Photographierverbotes durch den Beklagten in der Rechtsform einer Polizeiverfügung festgestellt (aa)), die zwar formell rechtmäßig (bb)), aber materiell rechtswidrig (cc)) gewesen ist.

17

aa) Nach den getroffenen Tatsachenfeststellungen und der darauf gestützten landesrechtlichen Bewertung hat ein SEK-Beamter am Vorfallsort gegen den Photographen der Klägerin einen mündlichen Verwaltungsakt erlassen (aaa)) und diesen auch zu Recht auf baden-württembergisches Landespolizeirecht gestützt (bbb)).

18

aaa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei dem Photographierverbot unabhängig davon, mit welchen Worten es ausgesprochen wurde, um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Auch wenn es - wie der Beklagte vortrage - höflich als Bitte formuliert gewesen sein sollte, sei es nach seinem objektiven Sinngehalt auf eine unmittelbare, für die Betroffenen verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten gerichtet gewesen, so dass der Regelungscharakter zu bejahen sei (Berufungsurteil S. 10). Diese Feststellung wird vom Beklagten nicht mit einer ausdrücklichen Verfahrensrüge angegriffen und bindet den Senat deshalb gemäß § 137 Abs. 2 VwGO.

19

bbb) Den Verwaltungsakt hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf die Generalermächtigung zur Gefahrenabwehr in den §§ 1, 3 BW PolG gestützt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs war er daran auch nicht durch § 1 Abs. 2 BW PresseG gehindert, wonach die Freiheit der Presse nur den Beschränkungen unterliegt, die durch das Grundgesetz unmittelbar und in seinem Rahmen durch das Landespressegesetz zugelassen sind. Die in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Grundrechte können durch die Polizei- und Ordnungsgesetze beschränkt werden und sind nicht generell polizeifest, d.h. sind auf der Basis der allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze einschränkbar. Hier enthält allerdings Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG, der die Vorzensur verbietet, eine absolute Schranke für polizeiliche Maßnahmen. Die Anwendung der allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze bei Eingriffen in die Pressefreiheit ist aber zum Teil durch Spezialgesetze ausgeschlossen. So ist z.B. die präventivpolizeiliche Beschlagnahme von Presseerzeugnissen in den Landespressegesetzen abschließend geregelt. Diese Regelungen betreffen jedoch nur den geistigen Inhalt der Presseerzeugnisse und die davon ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und entfalten deshalb auch nur insoweit abschließende Wirkung. Beschränkungen, die den äußeren Rahmen der Pressetätigkeit betreffen, sind nach Polizeirecht zulässig, so etwa ein Platzverweis (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, Rn. 347).

20

Eine Zensur nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG steht nicht in Rede. Die Veröffentlichung einer Information wird durch die polizeiliche Generalermächtigung aus §§ 1, 3 BW PolG nicht von einer vorherigen Kontrolle des Staates abhängig gemacht. Vielmehr geht es um die Vorfrage, ob etwas zum Inhalt einer Presseinformation werden kann (BVerfG NJW 2001, 503 Rn. 15). Maßnahmen aufgrund der vorgenannten Regelungen im baden-württembergischen Polizeigesetz können die Pressefreiheit als allgemeine Gesetze i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG in zulässiger Weise begrenzen.

21

bb) In formeller Hinsicht begegnet die Polizeiverfügung keinen Bedenken. Die Zuständigkeit des Einsatzleiters des SEK folgt nach dem Berufungsurteil - revisionsrechtlich unangreifbar - aus § 60 Abs. 2 BW PolG. Die Verfügung konnte auch mündlich erlassen werden. Eine bestimmte Form war für sie nicht vorgeschrieben.

22

cc) Das Berufungsurteil geht in revisionsrechtlich beanstandungsfreier Weise davon aus, dass den Journalisten der Klägerin durch einen Beamten des SEK - "Beamter Nr. 1" - die Anfertigung von Fotoaufnahmen vom streitbefangenen Einsatz mündlich in der Rechtsform einer Polizeiverfügung auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung untersagt wurde. Die Polizei hat nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BW PolG die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Nach § 3 BW PolG hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen. In bundesrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht zwar eine Betroffenheit des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit durch die beabsichtigten Photoaufnahmen gesehen (aaa)), aber keine drohende Gefahr (bbb)); insbesondere fehlt es dem Photographierverbot aber an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit; die insoweit vorgebrachten Revisionsrügen des Beklagten bleiben ohne Erfolg (ccc)).

23

aaa) Das inhaltlich auf § 14 PreußPVG zurückgehende polizeirechtliche Schutzgut der öffentlichen Sicherheit, wie es auch dem § 1 Abs. 1 BW PolG zu Grunde liegt, umfasst neben der Unverletzlichkeit der Normen der Rechtsordnung die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des Einzelnen sowie den Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen. Geschützt werden demnach sowohl Individual- wie auch Gemeinschaftsrechtsgüter (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, Rn. 53). Im vorliegenden Fall geht das Berufungsurteil daher zu Recht von einer möglichen Betroffenheit des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit hinsichtlich der Sicherheit des durchgeführten Polizeieinsatzes (a1)), einer befürchteten Bedrohung der Funktionsfähigkeit des SEK durch Enttarnung (b1)) sowie des Rechts der SEK-Beamten am eigenen Bild (c1)) aus.

24

a1) Die vom Beklagten mit dem Photographierverbot unternommene Sicherung des streitgegenständlichen Polizeieinsatzes gehört zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit i.S.d. polizeilichen Generalermächtigung. Es handelt sich bei der polizeilichen Eskortierung eines Untersuchungshäftlings zu einem Arztbesuch um eine Rechtshandlung, die in Ausübung staatlicher Sicherheitsgewährleistung erfolgte und folglich dem Schutz der staatlichen Funktionsordnung diente. Das Berufungsurteil steht dieser rechtlichen Bewertung nicht entgegen. Es hat sich zur Frage des Schutzgutes zwar nicht ausdrücklich geäußert, hat aber dessen Gefährdung verneint (Berufungsurteil S. 16) und somit notwendigerweise die mögliche Betroffenheit des Schutzgutes vorausgesetzt.

25

b1) Die zur Begründung des Photographierverbotes außerdem angeführte Bedrohung der Funktionsfähigkeit des SEK durch Enttarnung seiner Angehörigen betrifft ebenfalls das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit i.S.d. polizeilichen Generalermächtigung. Die Einsatzfähigkeit der Polizeiorganisation ist Teil der Sicherheit des Staates und seiner Einrichtungen. Es ging dem Einsatzleiter bei der fraglichen Polizeiverfügung darum, dass die eingesetzten Beamten nicht abgelichtet werden sollten, um ihre Identität zu schützen und um mögliche Sanktionen der Gegenseite auszuschließen. Er sah somit die Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein könnten.

26

c1) Schließlich ist als weiteres Schutzgut der öffentlichen Sicherheit das Recht der eingesetzten Beamten am eigenen Bild betroffen.

27

bbb) Nach der revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Auslegung durch das Berufungsgericht besagt die landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage, dass ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr eine konkrete Gefahr voraussetzt. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d.h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (Berufungsurteil S. 14). Das Berufungsurteil hat drei Gefahren untersucht (a1 bis c1)), die mit der Untersagungsverfügung hätten abgewehrt werden können, und - im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) - auf bundesrechtlich unangreifbare Weise verneint.

28

a1) Soweit nach dem Vortrag des Beklagten im Prozess durch das ausgesprochene Verbot der konkrete Polizeieinsatz gegen Gefährdungen infolge anwesender und photographierender Personen gesichert werden sollte, kann offenbleiben, ob das Verbot hierauf schon deshalb nicht gestützt werden darf, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs der Einsatzleiter nach seinen Vorstellungen mit dem Verbot eine solche Gefahr nicht abwenden wollte. Ebenso kann offenbleiben, ob der Verwaltungsgerichtshof diese Feststellung unter Verletzung seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) getroffen hat.

29

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auf die weitere selbständig tragende Begründung gestützt, angesichts der tatsächlichen Verhältnisse wäre die nunmehr angeführte Gefahrenprognose nicht vertretbar gewesen, bereits das Hantieren eines Photoreporters mit der Kamera habe bei Passanten zusätzliches Aufsehen erregen und zu einer unübersichtlichen Situation führen können, bei der im Falle einer etwaigen Gefangenenbefreiung konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Anwesenden hätten eintreten können.

30

Die hiergegen erhobene Rüge einer mangelnden Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen greift nicht durch. Der Beklagte meint, der Verwaltungsgerichtshof hätte die Gefährdungsanalyse des Landeskriminalamts, auf deren Grundlage der SEK-Einsatz angeordnet worden ist, beiziehen und den Beamten hören müssen, der diese Gefährdungsanalyse angefertigt hat. Hierauf kam es aber in diesem Zusammenhang nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht die allgemeine Gefahrenlage anders als das Landeskriminalamt beurteilt, sondern nur die konkrete Entwicklung während des Einsatzes auf dem Hintergrund dieser allgemeinen Gefahrenlage gewürdigt.

31

Zwar ist dem Verwaltungsgerichtshof insofern ein Fehler im Rahmen seiner Überzeugungsbildung unterlaufen, als er bei Würdigung der Gefahrenlage vor Ort die Möglichkeit außer Betracht gelassen hat, dass die eingesetzten Beamten durch die Anwesenheit von Pressevertretern von der Durchführung der ihnen zugewiesenen Sicherungsaufgaben hätten abgelenkt werden können; auf sie war ausweislich der Wiedergabe des Tatbestands im angefochtenen Urteil (UA S. 5) vom Beklagten bereits erstinstanzlich hingewiesen worden. Auf diesem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), den der Beklagte im Revisionsverfahren auch gerügt hat, beruht das angefochtene Urteil aber nicht. Zur Ausschaltung einer etwaigen Ablenkungsgefahr hätte es ausgereicht, den in Rede stehenden Pressevertretern durch Ausspruch eines Platzverweises verbindlich aufzugeben, das Geschehen aus einer gewissen räumlichen Distanz zu den eingesetzten Beamten weiter zu beobachten. Der Ausspruch eines Photographierverbots, das die Ausübung der Pressefreiheit stärker beschränkt hat, als es ein entsprechender Platzverweis getan hätte, war demnach nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Mithin erweist es sich im Ergebnis als richtig, dass der Verwaltungsgerichtshof es als rechtswidrig angesehen hat, die vor Ort infolge der Präsenz der Pressevertreter entstehenden Gefahren durch Ausspruch des Photographierverbots abwehren zu wollen.

32

b1) Auf eine Gefahr für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit des SEK durch Enttarnung seiner Angehörigen (vgl. aaa) b1)) sowie das Schutzgut des Rechts der SEK-Beamten am eigenen Bild (vgl. aaa) c1)) konnte das vom Beklagten gegen die Klägerin verhängte Photographierverbot ebenfalls nicht gestützt werden, insbesondere aber auch nicht auf eine drohende Schutzgutverletzung wegen der Gefahr der Veröffentlichung von Photos. Dabei hält der erkennende Senat nicht die Erwägung des Berufungsgerichts zu der zu vermutenden Rechtstreue von Journalisten beim Umgang mit Bildmaterial für entscheidend. Vielmehr geht es um die Abwägung der einander gegenüberstehenden Rechtspositionen der Presse und der Gefahrenabwehr sowie deren angemessenen Ausgleich.

33

aa1) Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Pressefreiheit gewährleistet nicht nur die Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen; sie schützt vielmehr auch den gesamten Bereich publizistischer Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere die Beschaffung von Informationen gehört (BVerfG NJW 2001, 503 Rn. 13), wie sie u.a. mit der Herstellung von Bildaufnahmen durch Photojournalisten verbunden ist. Der Staat ist - unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 20, 162 <175>). Die Gerichte ihrerseits müssen bei der Auslegung derartiger einfachrechtlicher Normen und ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall diese grundgesetzliche Wertentscheidung berücksichtigen (BVerfG NJW 2001, 503 Rn. 16). Dem hat die Auslegung von Rechtsnormen Rechnung zu tragen, soweit sie einzeln oder im Zusammenwirken die Pressefreiheit beeinträchtigen können.

34

bb1) Der Beklagte beabsichtigte, mit der der Klägerin auferlegten Einschränkung ihres Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Gefahren von den Schutzgütern der Funktionsfähigkeit des SEK sowie der Rechte der SEK-Beamten am eigenen Bild abzuwehren. Dabei hätte er vermeiden müssen, bereits das einfache Recht in einseitiger Weise zum Nachteil der Klägerin auszulegen. Zum Schutz der in Rede stehenden Rechte bzw. Rechtsgüter bedurfte es nicht unbedingt eines Photographierverbots. Das Berufungsgericht ist in seiner rechtlichen Bewertung beanstandungsfrei davon ausgegangen, eine polizeiliche Gefahr aufgrund der Anfertigung von Bildaufnahmen drohe überhaupt erst, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass derjenige, der Lichtbilder herstelle, diese ohne Einwilligung der abgebildeten Person sowie anderer Rechtfertigungsgründe veröffentlichen und sich dadurch gemäß § 33 KunstUrhG strafbar machen werde. Solche - die drohende Rechtsverletzung ausschließenden - Rechtfertigungsgründe können typischerweise in der Einwilligung nach § 22 KunstUrhG sowie darin liegen, dass es sich bei den Photos von der abgebildeten Person i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Um ein zeitgeschichtliches Ereignis von jedenfalls lokaler Bedeutung hat es sich nach der Beurteilung durch das Berufungsgericht bei dem SEK-Einsatz in ... gehandelt (Berufungsurteil S. 17). Diesen Rechtfertigungsgründen können allerdings nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG zu berücksichtigende berechtigte Interessen der Abzubildenden entgegenstehen, wie sie etwa mit befürchteten Repressalien gegen die Betroffenen selbst oder ihre Familien dargetan sind. Der Beklagte hat die Abwägung dieser Rechts- und Schutzgüter einseitig zu Lasten der Pressefreiheit vorgenommen.

35

cc1) Die streitgegenständliche Polizeiverfügung berücksichtigt unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen nicht im ausreichenden Maße das Grundrecht der Klägerin auf Pressefreiheit. Die mit einer Bildaufnahme verbundene Möglichkeit eines rechtsverletzenden Gebrauchs, insbesondere einer gegen Rechte von Dritten verstoßenden Veröffentlichung, muss nicht notwendig immer auf der ersten Stufe abgewehrt werden; dies kann in vielen Fällen vielmehr auch auf der zweiten Stufe des Gebrauchs des entstandenen Bildes geschehen. Wird ein Journalist daran gehindert, eine Photoaufnahme zu tätigen, wird insoweit irreversibel in sein Recht auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) eingegriffen. Dies kann in der Regel nicht hingenommen werden. Insbesondere kann diese Rechtsbeeinträchtigung nicht auf die Erwägung gestützt werden, die Wortberichterstattung bleibe auch dann möglich, wenn die Bildberichterstattung vereitelt werde. Denn es kommt nicht der Polizei gegenüber der Presse zu, zu entscheiden, welche Form der Berichterstattung erfolgen soll und welcher Art von vorbereitender Recherche es demgemäß bedarf. Verhältnismäßig ist es in einem solchen Fall daher in der Regel nicht, die durch den Journalisten beabsichtigte Photoaufnahme selbst zu verhindern, sondern nur, Vorkehrungen für die befürchtete anschließende Verletzung eines Rechtsgutes durch den Gebrauch des Bildes zu treffen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Polizei ihren Rechtsstandpunkt dem Journalisten oder dem ihn beschäftigenden Presseunternehmen mitteilt und auf eine Verständigung über "ob" und "wie" der Veröffentlichung drängt. Dabei wird sich aus dem Zusammenspiel von Landespolizei- und Landespresserecht ergeben, ob ein etwaiger daran anschließender Konflikt durch den Erlass einer Polizeiverfügung mit der Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes durch den Journalisten oder das Presseunternehmen ausgetragen wird oder durch die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes vor den ordentlichen Gerichten durch die Polizei. Ein solches Vorgehen hätte vorliegend auch nahe gelegen, weil die Journalisten nach den Feststellungen im Berufungsurteil sich durch ihre Presseausweise gegenüber dem Einsatzleiter ausgewiesen haben und kooperationsbereit gewesen sind (Berufungsurteil S. 19). Nur wenn es aus ex-ante-Sicht des polizeilichen Einsatzleiters aus zeitlichen oder anderen Gründen von vornherein keinen Erfolg verspricht, gegenüber Pressevertretern auf konsensualem Weg die Beachtung rechtlicher Beschränkungen bezüglich der Veröffentlichung angefertigter Bildaufnahmen sicherzustellen, ist dieser befugt, durch Nutzung polizeirechtlicher Anordnungsbefugnisse bereits die Bildanfertigung zu unterbinden. Gleiches gilt, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände des Einzelfalls bereits die Anfertigung von Photos mit dem Anliegen eines wirksamen Schutzes eines in Rede stehenden Schutzgutes schlechthin unvereinbar wäre. Weder hierfür noch für eine von vornherein bestehende Aussichtslosigkeit einer konsensual erfolgenden Sicherstellung rechtlicher Veröffentlichungsbeschränkungen bietet der vorliegende Fall jedoch Anhaltspunkte.

36

c1) Schließlich konnte das vom Beklagten gegen die Klägerin verhängte Photographierverbot nicht auf eine Gefahr für das Schutzgut der "Funktionsfähigkeit des SEK durch Enttarnung seiner Angehörigen" (vgl. aaa) b1)) sowie das Schutzgut des "Rechts der SEK-Beamten am eigenen Bild" (vgl. aaa) c1)) gestützt werden, weil ein krimineller Zugriff auf das Bildmaterial der Klägerin gedroht habe. Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen, nach denen auf eine derartige Gefahr zu schließen wäre.

37

ccc) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge einer Verletzung von Gesetzen der Denklogik bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (a1)) durch den Beklagten sowie der Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO (b1)), insoweit der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung sei, dass eine Beschlagnahme gegenüber einem Photographierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel sei, weil dadurch eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglicht werde. Ohne Erfolg bleibt ferner die Rüge, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichthofs stelle sich eine Beschlagnahmeverfügung nicht als milderes Mittel im Rechtssinne dar (c1)).

38

a1) Einen Verstoß gegen die Gesetze der Denklogik sieht der Beklagte, weil der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung sei, dass eine Beschlagnahme gegenüber einem Photographierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel sei, weil dadurch eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglicht würden. Das Berufungsgericht verkenne insoweit, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs als milderes Mittel keine Maßnahme in Betracht gezogen werden dürfe, welche völlig andere oder qualifizierte Tatbestandsvoraussetzungen für deren Eingreifen habe, als die tatsächlich getroffene Maßnahme, deren Verhältnismäßigkeit geprüft werde. Das Photographierverbot habe auf der Generalermächtigung nach §§ 1, 3 BW PolG beruht und sei deshalb vom Vorliegen einer "bevorstehenden Gefahr" abhängig gewesen. Die vom Berufungsgericht für milder erachtete Beschlagnahme hätte hingegen auf § 33 BW PolG beruht und hätte deshalb von einer "unmittelbar bevorstehenden Störung" abgehangen. Eine an erhöhte Eingriffsvoraussetzungen geknüpfte Maßnahmemöglichkeit könne nicht als milderes Mittel gegenüber einem an geringere Voraussetzungen geknüpften bezeichnet werden.

39

Die vorgebrachte Rüge betrifft nicht die richtige Anwendung von Denkgesetzen durch das Berufungsgericht wie beispielsweise die Regeln der Logik, sondern die richtige Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Form des Gebotes der Anwendung des mildesten Mittels. Der Beklagte hält eine polizeiliche Maßnahme auf einer gesetzlichen Grundlage mit qualifizierten tatbestandlichen Anforderungen nicht für ein denkbar milderes Mittel gegenüber einer Maßnahme auf einer gesetzlichen Grundlage mit einfachen tatbestandlichen Anforderungen. Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes "milder" ist nämlich nicht das Mittel mit den einfacher strukturierten Tatbestandsvoraussetzungen, sondern dasjenige mit der geringeren Eingriffsintensität. Daran gemessen lassen die Erwägungen des Berufungsurteils keinen Rechtsverstoß erkennen. Die vorübergehende Beschlagnahme eines Speichermediums greift weniger in die Pressefreiheit ein als die Verhinderung einer Photoaufnahme und somit deren Speicherung auf dem Medium.

40

b1) Auch die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) in diesem Zusammenhang bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte ist insoweit der Ansicht, der Verwaltungsgerichtshof habe es fehlerhaft unterlassen, das Vorliegen einer Beschlagnahmeandrohung oder Beschlagnahmeanordnung zu prüfen. Daher habe er das Mittel der Beschlagnahme auch nicht in die von ihm angestellte Verhältnismäßigkeitsprüfung einbeziehen dürfen.

41

Diese Rüge ist unsubstantiiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach seinem Begründungsgang lediglich die hypothetischen Voraussetzungen geprüft, unter denen eine vorübergehende Beschlagnahme des Speichermediums in Betracht komme. Daher war eine weitergehende Sachaufklärung nicht angezeigt. Im Übrigen ist es unverzichtbare Voraussetzung der Aufklärungsrüge, dass sie unter Benennung des hypothetischen Beweisthemas und der für maßgeblich gehaltenen Beweismittel substantiiert wird. Beides hat der Beklagte vorliegend unterlassen.

42

c1) Schließlich bleibt auch die Rüge des Beklagten ohne Erfolg, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs stelle sich eine Beschlagnahmeverfügung nicht als gleichermaßen wirksames Mittel dar. Hiermit zeigt der Beklagte keinen möglichen Verstoß gegen Bundesrecht auf.

43

2. Das Berufungsurteil hat die Klage wegen der Androhung oder Ankündigung der Beschlagnahme der Kamera samt Speichermedium ebenfalls zu Recht als zulässig und begründet angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht auch insoweit die Klage für zulässig gehalten, insbesondere angenommen, dass zwischen den Beteiligten das Bestehen eines Rechtsverhältnisses streitig ist. Ob aufgrund des konkret gegebenen Sachverhalts ein Recht des Beklagten besteht, die Kamera einschließlich des Speichermediums zu beschlagnahmen, stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO dar. Dieses Rechtsverhältnis war als künftiges Rechtsverhältnis auch dann streitig, wenn nur der Tatsachenvortrag des Beklagten zugrunde gelegt wird, der Einsatzleiter habe die Möglichkeit erwähnt, die Beschlagnahme durch die Einsatzdienststelle prüfen zu lassen. Schon dies löst ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung aus. Das danach als Feststellungsklage statthafte Begehren ist begründet, weil die Annahme einer vom Beklagten angenommenen rechtlich zulässigen Beschlagnahmeandrohung ermessensfehlerhaft war. Die Ermessensfehlerhaftigkeit beruhte - wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angenommen hat - darauf, dass der Beklagte erwogen hat, eine Beschlagnahmeandrohung zur Durchsetzung eines rechtswidrigen Photographierverbotes einzusetzen.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein durch Beamte der Bundespolizei angeordneter Platzverweis sowie die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtswidrig waren.

2

Am 5. Mai 2012 fuhr sie zusammen mit Frau H., die ebenfalls Klage bezüglich der gegen sie ergriffenen polizeilichen Maßnahmen erhoben hat (vgl. Urteil des Senats im Verfahren 7 A 11202/13.OVG), mit dem Zug nach K.. Sie beobachteten dabei zwei Beamte der Bundespolizei, die lagebildabhängige Befragungen und Kontrollen unter anderem zur Dunkelfeldaufhellung im Bereich illegaler Migration durchführten. Nach der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person sprachen sie die Polizeibeamten an und fragten nach den Gründen der Kontrolle. Dabei machten sie deutlich, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

3

Am Hauptbahnhof in K. stiegen sowohl die Klägerin und ihre Begleiterin als auch die beiden Polizeibeamten aus. Im Bahnhofsgebäude beobachteten sie die Befragung und Kontrolle eines dunkelhäutigen Mannes - des Herrn M. - durch die Polizeibeamten. Sie gingen auf die dreiköpfige Personengruppe zu und stellten sich in einem Abstand von etwa 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten. Ihren eigenen Angaben zufolge wollten sie der kontrollierten Person deutlich machen, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung von Frau H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Polizeibeamten forderten sie auf, sich zu entfernen, weil sie eine polizeiliche Maßnahme behinderten. Die Klägerin entgegnete, sie störten doch nicht. Die Polizeibeamten wiederholten die Aufforderung zweimal und wiesen darauf hin, dass dies ein Platzverweis sei. Die Klägerin wendete ein, dafür bestehe ihrer Ansicht nach kein Anlass. Daraufhin drohten die Polizeibeamten mehrfach körperlichen Zwang zur Durchsetzung des Platzverweises an. Nachdem die beiden Frauen der Aufforderung weiterhin nicht nachkamen, ergriff einer der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptmeister B., die Klägerin am Arm, drehte ihn auf den Rücken und brachte sie in diesem Polizeigriff zu einem Seitenausgang aus dem Bahnhofsgebäude. Dort ließ er sie los und kehrte in die Bahnhofshalle zurück. Die Klägerin folgte ihm. Frau H. und der andere Polizeibeamte, Polizeikommissar S., waren im Bahnhofsgebäude geblieben. Da die Klägerin und ihre Begleiterin sich beschweren wollten, wurde der Vorgesetzte der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptkommissar F., hinzugerufen.

4

Polizeihauptmeister B. schrieb unter dem 5. Mai 2012 einen Bericht über den Vorfall. Darin heißt es, Polizeikommissar S. und er seien im Zug nach K. von zwei Frauen angesprochen und gefragt worden, warum sie Personen mit ausländischem Erscheinungsbild kontrollieren würden. Bei einer Personalienüberprüfung in der Halle des Hauptbahnhofs K. seien diese beiden Frauen erneut, dieses Mal seitlich, dicht an die kontrollierenden Beamten herangetreten. Durch das fortan gezeigte, aufdringliche Verhalten sei die ordnungsgemäße Fortführung der laufenden Maßnahme erheblich erschwert worden. Im Anschluss an die Beschwerde seien die beiden Frauen auf den Adressaten der vorangegangenen Kontrolle zugegangen und hätten ihn gefragt, ob er mit der polizeilichen Maßnahme einverstanden sei, ob er sich diskriminiert und ausgestoßen fühle. Der eigentliche Adressat der Maßnahme habe gegenüber Polizeihauptkommissar F. Verständnis für diese gezeigt.

5

Am 4. September 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angeordneten Platzverweises, der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwanges sowie einer Personalienfeststellung, die im Anschluss durch die Polizeibeamten vorgenommen worden sei. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung als auch unter dem der Wiederholungsgefahr und des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs. Ihre Begleiterin und sie hätten sich bei der Kontrolle von Herrn M. im K. Hauptbahnhof lediglich in die Nähe gestellt und diese beobachtet. Sie hätten weder gestört noch überhaupt etwas gesagt.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat angegeben, bei der polizeilichen Maßnahme gegenüber Herrn M. in der Haupthalle des K. Hauptbahnhofs hätten sich die Klägerin und Frau H. seitlich sehr dicht an die handelnden Beamten gestellt und während der Maßnahme wiederholt auf die zu kontrollierende Person - Herrn M. - eingeredet. Die "bedrängende Anwesenheit" der Klägerin habe es nicht zugelassen, die Befragung einer Person unter Beachtung ihrer Persönlichkeitsrechte und Integrität durchzuführen. Ein gewisses Maß an Abstand durch Passanten sei zwingend erforderlich, allein aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Interessen der betreffenden Personen. Außerdem sei zu befürchten gewesen, dass die betreffende Person wegen der Präsenz der Klägerin Angaben nicht korrekt oder nicht vollständig machen würde. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Kontrolle lediglich still beobachtet, treffe nicht zu. Sie habe auch durch gezielte Fragen gestört, wie etwa, ob Herr M. sich durch die Kontrolle diskriminiert und ausgestoßen fühle.

7

Das Verwaltungsgericht hat nach Vernehmung der Polizeibeamten B. und S. sowie von Herrn M. und Frau H. als Zeugen mit Urteil vom 21. August 2013 die Klage abgewiesen. Sie sei in Bezug auf den Platzverweis, die Androhung unmittelbaren Zwangs und die Identitätsfeststellung mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Hinsichtlich der Anwendung unmittelbaren Zwangs sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Maßnahme - ebenso wie der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs - rechtmäßig gewesen sei. Die beiden Polizisten, denen dabei eine Einschätzungsprärogative zukomme, hätten zu Recht von einer Störung ihrer Aufgabenwahrnehmung ausgehen dürfen. Schon die Nähe der Klägerin - und ihrer Begleiterin - zu den kontrollierenden Beamten rechtfertige die Annahme einer solchen Störung. Überdies habe die Klägerin nach Überzeugung der Kammer auf die Dreiergruppe der beiden Polizeibeamten und Herrn M. eingeredet und auch dadurch den Kontrollvorgang gestört.

8

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit auch des Platzverweises und der Androhung unmittelbaren Zwangs. In der Sache sei die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Sie habe die polizeiliche Maßnahme gegenüber Herrn M. nicht gestört, sondern lediglich still beobachtet.

9

Die Klägerin beantragt zuletzt, nachdem sie die Berufung hinsichtlich der Personalienfeststellung zurückgenommen hat,

10

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. August 2013 festzustellen,

11

1. dass der von Beamten der Beklagten ihr gegenüber angeordnete Platzverweis am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. rechtswidrig gewesen ist,

12

2. dass die von Beamten der Beklagten ihr gegenüber ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist,

13

3. dass die Art und Weise des von Beamten der Beklagten ihr gegenüber durchgeführten unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung des ihr am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. erteilten Platzverweises rechtswidrig gewesen ist.

14

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 verwiesen. Der Senat hat die Bundespolizeibeamten B., S. und F. sowie Herrn M. und Frau H. als Zeugen über die Umstände der Kontrolle des Herrn M. am 5. Mai 2012 im Hauptbahnhof K. vernommen. Hinsichtlich ihrer Aussage wird ebenfalls auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2014 Bezug genommen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist unbegründet.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist - soweit sie nach teilweiser Rücknahme der Berufung noch anhängig ist - zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

20

1. Die Klage, die nunmehr allein noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Beamte der Bundespolizei angeordneten Platzverweises der Klägerin sowie der Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung gerichtet ist, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 - 6 C 21.07 -, juris, Rn. 10 = BVerwGE 131, 216, m.w.N.). Dabei erfüllen nicht nur der Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs, sondern auch das polizeiliche Verhalten mittels Anwendung körperlichen Zwangs die Merkmale eines Verwaltungsakts (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 - 1 C 49.64 -, juris, Rn. 14 = BVerwGE 26, 161).

21

Die Klägerin hat entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

22

Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 20 = BVerwGE 146, 303, m.w.N.). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist hier unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung der Klägerin gegeben.

23

Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene den erledigten Verwaltungsakt als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob abträgliche Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 2 A 5.98 -, Buchholz 310, § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 8 m.w.N.). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 25).

24

Eine diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkung kann sich nicht nur aus der Art des Verwaltungsaktes, seiner Begründung und den Umständen seines Erlasses ergeben, sondern entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch aus der Art und Weise seines Vollzugs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 113 Rn. 143; Knauff, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 113 Rn. 59). Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtmäßigkeit von Grundverwaltungsakt und Vollstreckungsmaßnahmen rechtlich getrennt zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967, a.a.O., Rn. 7 ff.). Dem Vollzug eines Verwaltungsakts kann gleichwohl Bedeutung für die Beurteilung der Frage von dessen Außenwirkung und des dadurch eingetretenen Ansehensverlusts haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 26 f.). So ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse bei einer polizeilichen Identitätsfeststellung angesichts der diskriminierenden Begleitumstände anerkannt worden, weil das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit - bei unbeteiligten Beobachtern des Polizeieinsatzes - eine schwere Einbuße erlitten haben konnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 21 B 90.166 -, juris, Rn. 49). Wenngleich diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkungen einer polizeilichen Maßnahme vor allem dann anzunehmen sind, wenn sie das Ansehen der Betroffenen bei Nachbarn und Bekannten herabsetzen, so kann demnach auch der erhebliche Ansehensverlust in der Öffentlichkeit hierfür ausreichen. Hiervon ausgehend ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse der Klägerin für ihr Feststellungsbegehren zu bejahen. Zwar hat der polizeilich angeordnete Platzverweis an sich das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit bei objektiver Betrachtung nicht erheblich herabgesetzt. Die Begleitumstände dieser polizeilichen Maßnahme dürfen jedoch nicht ausgeblendet werden. Hierzu zählen - wie dargelegt - auch die Art und Weise des Vollzugs des Platzverweises. Die Klägerin wurde, nachdem sie dem Platzverweis auch nach Androhung unmittelbaren Zwangs nicht nachkam, in den sogenannten Polizeigriff genommen - mit dem Arm auf dem Rücken - und zwangsweise aus dem Bahnhofsgebäude des K. Hauptbahnhofs gebracht. Bei einem unbeteiligten Beobachter dieses Vorgangs konnte daher der Eindruck entstehen, die Klägerin habe sich deswegen von der Polizei so behandeln lassen müssen, weil sie in nicht unerheblicher Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen habe. Für die Androhung unmittelbaren Zwangs als untrennbarer Teil des Gesamtvorgangs sowie die Anwendung unmittelbaren Zwangs selbst gilt nichts anderes.

25

2. Die Klage ist unbegründet. Die gegen die Klägerin ergriffenen polizeilichen Maßnahmen waren rechtmäßig.

26

Der von Beamten der Bundespolizei gegenüber der Klägerin im K. Hauptbahnhof angeordnete Platzverweis findet seine Rechtsgrundlage in § 38 Bundespolizeigesetz - BPolG -. Danach kann die Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen (Platzverweis).

27

Die Voraussetzungen für einen solchen Platzverweis lagen vor.

28

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG ist Gefahr im Sinne des § 38 BPolG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 BPolG obliegen. Die Bundespolizei war in ihrer Funktion als Bahnpolizei (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BPolG) sachlich zuständig für die Anordnung eines Platzverweises in der Halle des K. Hauptbahnhofs.

29

Zur öffentlichen Sicherheit gehören auch staatliche Einrichtungen, die sowohl in ihrem Bestand als auch in ihrem Funktionieren Schutz genießen. Wenn Dritte eine polizeiliche Maßnahme stören oder behindern, stellt dies eine konkrete Gefahr für das Funktionieren einer staatlichen Einrichtung und damit für die öffentliche Sicherheit dar (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, D Rn. 22 und 25; Martens, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, VwVG, UZwG, 5. Auflage 2012, § 38 BPolG Rn. 8). Dabei beurteilt sich die Frage, ob eine präventiv-polizeiliche Maßnahme erforderlich ist, nach den Verhältnissen und dem Erkenntnisstand zurzeit ihres Erlasses (sog. ex-ante-Betrachtung, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - 1 C 35.70 -, juris, Rn. 32 = BVerwGE 49, 36). Zwar ist ein polizeiliches Einschreiten auch zur Abwehr einer sogenannten Anscheinsgefahr gerechtfertigt (vgl. Lisken/Denninger, a.a.O., D Rn. 46 ff.; Peilert, in: Heesen/ Hönle/Peilert/Martens, a.a.O., § 14 BPolG Rn. 24 f.), der Polizei steht aber im Rahmen ihrer Gefahrenprognose keine Einschätzungsprärogative im Sinne eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums zu (so ersichtlich auch VGH BW, Urteil vom 17. März 2011 - 1 S 2513/10 -, juris, Rn. 24, der von einer Einschätzungsprärogative lediglich in Bezug auf die gerichtliche Überprüfung am Maßstab der ex-ante-Prognose spricht).

30

Hiervon ausgehend durften die Beamten der Bundespolizei annehmen, dass die Klägerin - zusammen mit ihrer Begleiterin - die polizeiliche Befragung und Kontrolle des Herrn M. im K. Hauptbahnhof behindert hat.

31

Dies ergibt sich aus der Gesamtschau folgender Umstände: Die Klägerin ist ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats zufolge während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. zusammen mit ihrer Begleiterin, Frau H., auf diesen und die beiden Polizeibeamten zugegangen und hat sich in einem Abstand von ca. 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten gestellt. Ihr Vorbringen zur räumlichen Entfernung deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben von Frau H. sowie der Polizeibeamten B. und S. in erster Instanz, die den Abstand auf etwa 1,5 bis 2 m bzw. auf etwa 1 oder 1 bis 2 m schätzten. Nach Angaben der Klägerin wollte sie der kontrollierten dunkelhäutigen Person signalisieren, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung der Klägerin - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung der Zeugin H. - den Polizisten kenntlich machen, dass sie und ihre Begleiterin mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Klägerin und ihrer Begleiterin beobachteten demnach nicht nur aus einem gewissen Abstand eine polizeiliche Befragung und Kontrolle. Sie suchten vielmehr eine demonstrativ geringe Nähe zu den Polizeibeamten und der kontrollierten Person, um ihre Missbilligung der Kontrolle bzw. ihren Beistand mit dem Kontrollierten deutlich zu machen. Dies wurde von den Polizeibeamten auch so verstanden. Sie waren nämlich von der Klägerin und ihrer Begleiterin bereits zuvor im Zug auf der Fahrt nach K. angesprochen und nach den Gründen der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person gefragt worden. Dabei hatten die beiden Frauen deutlich gemacht, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

32

Vor diesem Hintergrund durften die Polizeibeamten in der demonstrativ geringen Nähe der Klägerin eine Behinderung der Befragung und Kontrolle des dunkelhäutigen Herrn M. sehen. Es bestand nicht nur aufgrund der geringen Nähe die konkrete Gefahr, dass die befragte Person keine weiteren oder keine vollständigen Auskünfte mehr geben würde, sobald sie die Anwesenheit der Klägerin und damit eines unbeteiligten Dritten in Hörweite bemerken würde. Es erscheint darüber hinaus aufgrund der demonstrativen Nähe auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Klägerin mit der nonverbalen Kundgabe ihrer Missbilligung bzw. ihres Beistands auf die Fortführung der Befragung und Kontrolle von Herrn M. behindernd einwirken wollte, indem sie ihn durch ihr demonstrativ gezeigtes Verhalten letztlich zu einer Aufgabe seiner Auskunftsbereitschaft gegenüber den Polizeibeamten animieren würde.

33

Ob die Klägerin überdies die polizeiliche Befragung und Kontrolle auch dadurch gestört hat, dass aufgrund der geringen Nähe eine ordnungsgemäße Eigensicherung der kontrollierenden Beamten nicht mehr möglich gewesen ist, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, bedarf demnach keiner Entscheidung.

34

Ebenso kann mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben, ob die Klägerin bereits - wie von der Beklagten geltend gemacht - während der polizeilichen Befragung und Kontrolle von Herrn M. auf diesen eingeredet und ihn sinngemäß gefragt hat, ob er sich durch die Kontrolle diskriminiert fühle, oder ob sie ihn dies erst nach dem Ende der Kontrolle im Anschluss an ihre Beschwerde gegenüber dem Vorgesetzten der beiden Polizeibeamten gefragt hat.

35

Die Klägerin war auch nicht im Wege der Nothilfe berechtigt, die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. zu behindern. Nothilfe ist nicht geboten, wenn der Rechtsgutsinhaber den Angriff nicht abwehren oder sich selbst verteidigen will; der Nothelfer darf seine Hilfe nicht aufdrängen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1986 - 4 StR 306/86 -, juris, Rn. 4; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, § 227 Rn. 3). Da Herr M. sich gegen seine Befragung und Kontrolle durch die Polizeibeamten ersichtlich nicht wehren wollte, sondern bereitwillig Auskunft erteilt hat, scheidet bereits aus diesem Grunde ein Nothilferecht der Klägerin aus. Es kommt daher nicht darauf an, ob die polizeiliche Befragung und Kontrolle von Herrn M. ihrerseits rechtmäßig war. Dadurch entsteht keine Rechtsschutzlücke. Vielmehr kann der von einer polizeilichen Maßnahme Betroffene grundsätzlich bei Vorliegen eines entsprechenden berechtigten Interesses deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen.

36

In diesem Zusammenhang weist der Senat im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren geäußerte Rechtsauffassung zur Rechtmäßigkeit der polizeilichen Kontrolle vorsorglich darauf, dass die beklagte Bundespolizei selbst eine Auswahl der verdachtsunabhängig zu befragenden bzw. kontrollierenden Personen allein aufgrund der Hautfarbe für nicht mit Art. 3 Abs. 3 GG vereinbar hält. Diese Auffassung hat auch der Senat in einem früheren Verfahren zum Ausdruck gebracht.

37

Ist nach alledem der Platzverweis der Klägerin rechtmäßig gewesen, so gilt gleiches für die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dessen Durchsetzung.

38

Hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs kann dahinstehen, auf welche Rechtsgrundlage diese hier gestützt werden kann.

39

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VwVG - müssen Zwangsmittel, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2 VwVG), schriftlich angedroht werden. Nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG ist die Androhung zuzustellen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist die Schriftlichkeit der Androhung nach Bundesrecht zwingend. Damit ist es grundsätzlich ausgeschlossen, ein Zwangsmittel - wie den unmittelbaren Zwang (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) - mündlich anzudrohen. Lediglich in den Fällen der §§ 13, 14 UZwG - der Androhung des Gebrauchs von Schusswaffen sowie der Androhung des Einsatzes von Wasserwerfern, Dienstfahrzeugen und Explosivmitteln - entfällt die Schriftform. Folgt man der Auffassung, dass erst recht im einfachen Fall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG bei einem mündlichen Verwaltungsakt auch die mündliche Androhung eines Zwangsmittels genügen müsse (ablehnend Sadler, VwVG, VwZG, 7. Auflage 2010, § 13 VwVG Rn. 33), sodass auch die Zustellung der Androhung nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VwVG entbehrlich wäre, liegen die weiteren Voraussetzungen für eine Androhung unmittelbaren Zwangs vor.

40

Der Platzverweis ist ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung im Sinne von § 6 Abs. 1 VwVG gerichtet ist. Er kann mit dem Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs (vgl. § 9 Abs. 1c VwVG) durchgesetzt werden, weil Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die unaufschiebbare Anordnung der Polizeivollzugsbeamten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung hatten. Die Androhung war schließlich auch erforderlich, da die Klägerin dem Platzverweis nicht nachgekommen ist.

41

Hält man hingegen eine mündliche Androhung des Zwangsmittels bei einem mündlichen Platzverweis nicht für zulässig, so ist die "Androhung" nur als Ankündigung des darauf folgenden unmittelbaren Zwangs durch sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG anzusehen (vgl. Sadler, a.a.O., § 13 VwVG, Rn. 33). Dann liegt hier der Ausnahmefall des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG vor. Da das Zwangsmittel sofort angewendet werden kann im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG, muss es nicht schriftlich angedroht und die Androhung nicht zugestellt werden.

42

Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs findet seine Rechtsgrundlage in § 6 in Verbindung mit § 12 VwVG.

43

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verwaltungszwang nach § 6 Abs. 1 VwVG waren hier gegeben, wie oben bereits ausgeführt. Die Anwendung von Ersatzvornahme oder Zwangsgeld war untunlich im Sinne von § 12 VwVG. Da die mit dem Platzverweis verbundene Verpflichtung, sich zu entfernen, nur von der Klägerin persönlich erfüllt werden konnte, schied eine Ersatzvornahme von vornherein aus. Ein Zwangsgeld wäre hier offensichtlich ineffektiv gewesen, um die mit dem Platzverweis bezweckte Abwehr der Störung der polizeilichen Kontrolle des Herrn M. zu erreichen. Da die Klägerin auf die Androhung unmittelbaren Zwangs dem Platzverweis weiterhin nicht folgte, war die Anwendung unmittelbaren Zwangs auch erforderlich.

44

Die Kostenentscheidung folgt unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus § 154 Abs. 2 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

47

Beschluss

48

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung in der mündlichen Verhandlung des Senats auf 11.875,00 € und im Übrigen auf 6.875,00 € festgesetzt, wobei der Senat für die Identitätsfeststellung, hinsichtlich derer die Berufung zurückgenommen worden ist, den Regelstreitwert von 5.000,00 € veranschlagt (vgl. §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu je ¼ zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen polizeiliche Maßnahmen bei der Rückreise mit der Regionalbahn von einem Fußballspiel.

Am ... Februar 2014 fand um 18.30 Uhr die Begegnung zwischen den Fußballmannschaften der 2. Bundesliga FC Ingolstadt 04 und TSV 1860 München im Stadion in Ingolstadt statt. Aufgrund der guten Bahnverbindung rechnete die Bundespolizei mit einer hohen Anzahl bahnreisender Gästefans. Hinsichtlich des Gefährdungspotenzials der Fans des TSV 1860 München ging sie von einem hohen Alkoholkonsum der Fans und damit einhergehenden Störungen und Verunreinigungen in der An- und Abreisephase aus. In der Vergangenheit war es hier insbesondere zu Sachbeschädigungen und anlassbezogenen Beleidigungen zum Nachteil von Zugbegleitkräften gekommen. Die Bundespolizei stellte daher sowohl für die Anreise wie für die Rückreise polizeiliche Zugbegleitkräfte. Nach den Stellungnahmen der Einsatzkräfte kam es bereits auf der Hinreise im Zug zu massiven Ordnungsstörungen, welche sich als Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz, als Verunreinigungen, als Sachbeschädigungen und als Beleidigungen darstellten. Bei der Ankunft in Ingolstadt kam es zu einem massiven Einsatz von Pyrotechnik durch die Fans von 1860 München. Auf der Fahrt der Fans zum Stadion wurden in drei Bussen Scheiben mit dem Nothammer eingeschlagen. Auch während der Spielphase kam es zu Ausschreitungen der Fans des TSV 1860, wobei das Spiel aufgrund des Einsatzes von Pyrotechnik und dem Werfen von mehreren Gegenständen auf das Spielfeld - darunter kleine gläserne Schnapsflaschen und Feuerzeuge - zweimal unterbrochen wurde. Nach dem Spiel war die Stimmung der Fans aufgrund Alkoholkonsums und der Niederlage gereizt. Etwa 600 Fans traten die Rückreise von Ingolstadt mit dem bereitgestellten Zug RB 59107 an, der um 21.32 Uhr abfuhr. Als die eingesetzten Kräfte der Bundespolizei mit Gefährderansprachen gegen rauchende und gegen die Deckenverkleidung schlagende Fans tätig werden wollten, wurde ein Polizeibeamter von einem Fan (S. R.) tätlich angegriffen. Die Polizeibeamten entschieden, eine Feststellung seiner Personalien erst zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, um nicht zu einer weiteren Eskalation der Situation beizutragen. Als S. R. nach ca. einer halben Stunde seinen Sitz kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Petershausen verlassen wollte, kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizeibeamten, die von den Beteiligten jeweils unterschiedlich geschildert werden. Dabei wurde von der Polizei im Zug Pfefferspray eingesetzt. Danach verließen die Polizeibeamten den Zug. Als es aus dem stehenden Zug heraus zu Glasflaschenwürfen auf Polizeikräfte kam, wurde erneut Pfefferspray eingesetzt. Der verantwortliche Einsatzleiter ordnete an, dass der Zug bis zur Freigabe in Petershausen stehen bleibt. Bundespolizeibeamte, die sich im nachfolgenden Zug befanden, erhielten den Auftrag, kurz vor Petershausen den Zug zu verlassen, und wurden mit Einsatzfahrzeugen zum Bahnhof Petershausen gefahren, um die Polizeikräfte für die Fahrt nach München zu verstärken. Es wurde von der Einsatzleitung beschlossen, die Personalien der beteiligten Fans nicht am Bahnhof Petershausen festzustellen, sondern den Zug zum Hauptbahnhof München weiterfahren zu lassen und dort die Personalien mit Hilfe einer Bearbeitungsstraße festzustellen. Da die in München gebildete Polizeikette aufgrund des großen Drucks der Fans nicht zu halten war, wurden lediglich selektiv Kontrollen durch die Polizei durchgeführt.

Nachfolgend kam es zu einer Reihe von Strafverfahren. Das Gericht hat einige Strafakten zum Verfahren beigezogen. S. R. wurde wegen versuchter vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verteilt (AG Pfaffenhofen, U. v. 1.7.2014 - 1 Ds 24 Js 5364/14), die zur Bewährung ausgesetzt wurde (LG Ingolstadt, U. v. 11.12.2014 - 3 Ns 24 Js 5364/14). Nach den Feststellungen des Strafgerichts schlug er auf Höhe des Bahnstreckenpunktes Rohrbach den uniformierten Polizeibeamten M. R. ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund mit der Faust gegen den Brustkorb und anschließend nochmals mit der Faust in den Bereich der Gürtellinie. Nachdem die uniformierten Polizeibeamten, etwa eine halbe Stunde später, wegen des Vorfalls die Identität des Fans feststellen wollten, wehrte er sich gegen die polizeiliche Feststellung seiner Personalien und es kam zu einer Rangelei zwischen ihm und dem Polizeibeamten B.. Der Fan versuchte sodann, den Polizeibeamten S. zu verletzen, indem er ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund in Richtung von dessen Kopf schlug. Ein weiterer Fan (S.H.) wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verurteilt (AG Dachau, Strafbefehl vom 14.5.2014, 5 Cs 24 Js 12458/14). Ihm wurde zur Last gelegt, drei Polizeibeamten, die ihren Kollegen in Folge der genannten zweiten tätlichen Auseinandersetzung helfen wollten, mit zwei anderen Fußballfans den Weg durch den Mittelgang des Zuges versperrt zu haben, indem er sich in den Mittelgang stellte, die Sitzlehnen rechts und links ergriff und sich mit seinem Körpergewicht gegen die Sitzlehnen stemmte. Auch verbal brachte er zum Ausdruck, dass er die Polizeibeamten nicht passieren lassen wollte. T. H. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Dachau vom 25. September 2014 (5 Ds 37 Js 15776/14) wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts kam es während der Fahrt vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen den Fußballfans und den eingesetzten Polizeibeamten, bei denen die Polizisten auch körperlich angegriffen wurden. Am regulären Haltepunkt in Petershausen versuchten die eingesetzten Polizeibeamten die Fußballfans am Verlassen des Zugs zu hindern, um eine Verlagerung der Ausschreitungen auf den schmalen Bahnsteig zu verhindern. T. H. stand im Zug an einer Tür und warf eine gläserne Bierflasche in voller Wucht in Richtung des Kopfes des die Tür sichernden Polizeibeamten. Die Klägerin zu 2. wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Ingolstadt vom 26. März 2014 (Az. 23 Js 3701/14) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen verurteilt. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen zeigte sie am Bahnhof Ingolstadt mit dem Finger auf den Polizeibeamten V. und äußerte: „Das sind die Schweine aus Berlin“. Weiter wurde gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstands gegen Polizeibeamte (Az. 245 Js 147070/14) geführt, das gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurde. Das aufgrund einer Strafanzeige der Klägerin zu 2. eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten H. wegen Körperverletzung im Amt (Az. 11 Js 21422/14) wurde von der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 7. Juli 2014 wegen erwiesener Unschuld gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass der Einsatz des Pfeffersprays im Zug als unmittelbarer Zwang rechtmäßig war. Eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung blieb erfolglos.

Am 15. Mai 2014 erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragten:

Es wird festgestellt, dass die am ... Februar 2014 durch die Bundespolizei München gegenüber den Klägern zu 2. und 3. angewendete körperliche Gewalt durch Einsatz von Reizstoff, Einsatzmehrzweckstöcken und die gegen sämtliche Kläger durchgeführten Gewahrsamnahmen rechtswidrig waren.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Stimmung am Bahnsteig des Ingolstädter Bahnhofs entspannt gewesen sei. Eine angeblich verbotenerweise gerauchte Zigarette habe zu einem massiven Polizeieinsatz geführt, durch den die Kläger geschädigt worden seien. Die Beamten hätten ohne erkennbaren Anlass und ohne Rechtfertigung Schlagstöcke eingesetzt und zahlreichen Personen aus kürzester Distanz große Mengen Reizstoff ins Gesicht gesprüht. Allein die Klägerin zu 2. sei zweimal derart massiv durch die Polizeibeamten mit Reizstoff besprüht worden, dass ihr die Flüssigkeit triefend die Haare heruntergelaufen sei. Der Zug sei kurz darauf in Petershausen eingefahren und stehengeblieben. Alle Türen seien verriegelt worden, so dass es keine Möglichkeit gegeben habe, dem Reizstoff zu entrinnen. Sämtliche Kläger seien in dem Zug eingesperrt worden und hätten diesen nicht verlassen dürfen. Dadurch seien Gesundheitsschäden für sämtliche Kläger in Kauf genommen worden. Der Reizstoff habe sich überall in der Luft befunden. Auch von außerhalb des Waggons sei willkürlich Reizgas in den Waggon gesprüht worden. Auch die Klägerin zu 2. sei hiervon getroffen worden. Als der Zug nach ca. zwei Stunden nach München weitergefahren sei, sei dieser zum Starnberger Flügelbahnhof umgeleitet worden. Das gesamte Areal sei von Polizeibeamten und Polizeihunden ohne Maulkorb umstellt gewesen. Die gesamte Personengruppe sei eingekesselt worden; dies habe mindestens 30 Minuten gedauert. Die Polizeibeamten hätten sofort Schlagstock und Pfefferspray gezückt. Die Maßnahmen der Bundespolizei seien rechtswidrig gewesen. Der Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray im Zug sei rechtswidrig gewesen. Weder habe ein Anlass für körperliche Gewalt bestanden noch sei diese angedroht worden. Es habe schon gar keine Aufgabeneröffnung vorgelegen, polizeilich einzuschreiten, nur weil angeblich gegen ein privatrechtliches Hausverbot verstoßen worden sei. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei jedenfalls unverhältnismäßig gewesen. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, eine große Zahl von Menschen willkürlich in einem geschlossenen Raum (Waggon) mit Pfefferspray einzusprühen. Bereits aus der Art und Weise des Vorgehens folge, dass der unmittelbare Zwang nicht allen Personen angedroht worden sein könne. Das Spray sei von oben in den Waggon eingebracht worden. Eine Entfernungsmöglichkeit für die Personen habe nicht bestanden. Auch der Schlagstockeinsatz dürfe nicht willkürlich gegen eine unbestimmte Zahl von Personen, von denen überhaupt keine Gefahr ausgehe, angewandt werden. Bei dem ca. zweistündigen Anhalt des Zuges handle es sich um eine Gewahrsamnahme. Diese sei nicht richterlich angeordnet worden. Ebenso verhalte es sich mit der Gewahrsamnahme nach Ausstieg aus dem Zug in München. Die Polizei habe hier Panikreaktionen der Menschen riskiert. Es sei unmenschlich gewesen, die Personen, die zuvor stundenlang im Zug hätten ausharren müssen und teilweise durch Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt worden seien, noch einmal zusammenzudrängen und festzuhalten.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 6. August 2014,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei verfristet. Die Kläger begehrten die Feststellung der Rechtswidrigkeit von polizeilichen Maßnahmen durch die Bundespolizei. Aus der klägerischen Sachverhaltsschilderung ergebe sich jedoch, dass auch eingesetzte Kräfte der Bayerischen Landespolizei gemeint sein könnten. Ein besonderes Feststellungsinteresse sei von den Klägern weder dargelegt worden noch sei ein solches ersichtlich. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da mit einem zukünftigen rechtswidrigen Verhalten der Kläger nicht zu rechnen sei. Auch sei bereits die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Einsatzes von einigen Strafgerichten festgestellt worden. Weiter fehle ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes sei bereits mehrfach strafgerichtlich festgestellt worden. Die Klage wäre im Übrigen auch unbegründet. Die Bundespolizei habe bei der Rückreise bereits aufgrund der vorausgegangenen Lage versucht, eine Trennung von Normalreisenden und Fußballfans zu erreichen. Die Gefährdung von Unbeteiligten sollte auf ein Minimum reduziert werden. Im oberen Teil des vorletzten Doppelstockwagens seien von den Beamten dann Rauchentwicklung und Schläge gegen die Deckenverkleidung bemerkt worden. Die Beamten hätten die Lage aufklären und ggf. Gefährderansprachen durchführen wollen. Bereits auf dem Weg zum Ort des Geschehens seien die Beamten massiv behindert worden durch Verstellen der Durchgänge, Anfassen der Einsatzausrüstung und sogar Handgreiflichkeiten. In diesem Zusammenhang sei ein Polizeibeamter von einem Fan (später identifiziert als S. R.) mit der Faust zweimal in den Bauch geschlagen worden. Aufgrund der zwischenzeitlich aufgeheizten Stimmung hätten die Polizeibeamten auf die notwendige Identitätsfeststellung verzichtet und diese bei Ankunft des Zuges in München durchführen wollen. Die eingesetzten Kräfte seien zum Teil weiter massiv bedrängt und angegriffen worden. Ein Beamter (PK V.) sei von einem Fan gegen das Schienbein getreten und in den Bauch geschlagen worden. Hier sei einmal der Schlagstock angedroht worden, um weitere Angriffe auf den Kollegen zu unterbinden; ein Einsatz des Schlagstocks sei jedoch nicht erfolgt. Kurze Zeit später habe S. R. angegeben, dass er auf die Toilette müsse. Es habe der Verdacht nahe gelegen, dass er sich durch Flucht den polizeilichen Maßnahmen habe entziehen wollen. Die Beamten hätten daraufhin den Entschluss gefasst, S. R. zur Toilette zu begleiten, um zu verhindern, dass er sich einer Identitätsfeststellung entziehe. Darauf seien Fanrufe „jetzt geht’s los“ erfolgt und 10 bis 15 der anwesenden Fans hätten sich plötzlich vermummt. Sie hätten sich den Polizeibeamten in den Weg gestellt und somit eine polizeiliche Maßnahme behindert. Die vermummten Personen seien aufgefordert worden, den Platz zu räumen. Dem seien sie jedoch nicht nachgekommen. Sie hätten vielmehr mit eindeutigen Gesten (mit geballten Fäusten in die flache Hand schlagen; mit dem Daumen entlang des Halses streichen) darauf aufmerksam gemacht, dass sie der Platzverweisung nicht Folge leisten werden. Daher sei durch die Polizeibeamten der unmittelbar Zwang zur Durchsetzung des Platzverweises durch Vorhalten des RSG 8 angedroht worden. Die mündliche Androhung sei durch POM H. erfolgt. Die vermummten Personen hätten sich daraufhin gezielt in Richtung der Polizeikräfte bewegt. Im Rücken der Polizeibeamten, die sich auf der Treppe befunden hätten, seien ebenfalls Fans in aggressiver Stimmung gestanden, die ihnen den Rückweg versperrt hätten. Die Polizeibeamten hätten dies als Angriff gewertet und hätten einmal das RSG 8 gegen die Personen eingesetzt. Gleichzeitig sei der Einsatzmehrzweckstock zum „Wegdrücken“ der Personen durch PM M. eingesetzt worden, jedoch nicht im Sinne des UZwG. Die Klägerin zu 2. habe ebenfalls den Platzverweis ignoriert und hierbei, u. a. durch Festhalten am Geländer, massiven Widerstand geleistet. Die eingesetzten Polizeikräfte seien im gesamten Verlauf nicht nur durch In-den-Weg-Stellen von mehreren Fans an ihrer Dienstausübung gehindert worden, sondern auch körperlich mit Schlägen und Anrempeln angegriffen worden. Nachdem S. R. im Handgemenge verschwunden gewesen sei und polizeiliche Maßnahmen wie Identitätsfeststellungen in diesem Tumult ohnehin nicht mehr ohne erhebliche Eigengefährdung der Beamten durchführbar gewesen seien, habe der Zugführer zur Deeskalation das Verlassen des Zuges in Petershausen angeordnet. Bei dem Halt in Petershausen seien die am Bahnsteig befindlichen Polizeibeamten aus dem hinteren Teil des Zugs heraus massiv beschimpft worden, sofort mit Flaschen beworfen und mit Fußtritten gegen den Körper attackiert worden. Einem Polizeivollzugsbeamten sei durch einen Wurf mit einer vollen Glasflasche an den Oberkörper das Handy zerstört worden. Als er auf die Plattform gesprungen sei, um den Werfer zu identifizieren, habe er das Gefühl gehabt, jemand versuche ihm die Dienstwaffe zu entreißen. Da der Flaschenbewurf durch die Fans nicht beendet worden sei, hätten die Polizeikräfte nach Androhung Pfefferspray und Schlagstock (gezielt zur Abwehr beim mehrfachen Angriff eines Fans mit Fußtritten gegen den Kopf eines Beamten) gegen die Fans eingesetzt. Der Einsatz des Pfeffersprays sei von außen in den Zug (Eingangsbereich) erfolgt und gezielt gegen Fans gerichtet gewesen, die Flaschen aus den Türbereichen heraus geworfen hätten. Die Zugtüren seien nicht verriegelt gewesen und seien von den Fans auch immer wieder geöffnet worden, um Flaschen in Richtung der Polizeibeamten zu werfen. Die Kippfenster in den Waggons hätten ebenfalls geöffnet werden können. Aufgrund der unübersichtlichen Lage am Zug und da Fans aus dem hinteren Wagen versucht hätten, über die benachbarten Gleise zu flüchten, habe der Zugführer angeordnet, dass die drei letzten Türen des Zuges verschlossen würden, um eine Verlagerung der Auseinandersetzung auf den Bahnsteig zu verhindern. Es habe die Gefahr bestanden, dass Personen von durchfahrenden Zügen erfasst und überrollt würden. Die drei verschlossenen Türen seien nach Lagebereinigung wieder geöffnet worden. Die Bundespolizei habe den Rettungsdienst alarmiert, um die Versorgung von Personen zu gewährleisten, die dem Pfefferspray ausgesetzt gewesen seien. Die Bundespolizei habe nicht zur Durchsetzung privater Rechte gehandelt. Rauchen im öffentlichen Personenverkehr sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 BNichtrSchG verboten. Die eingesetzten Polizeivollzugsbeamten im Zug seien auch berechtigt gewesen, hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit Maßnahmen zu treffen. Ermächtigungsgrundlage für den ersten Einsatz des Pfeffersprays sei § 38 BPolG gewesen. Der Einsatz des RSG 8 sei ein geeignetes und erforderliches Mittel gewesen, um die Platzverweisung durchzusetzen. Die vermummten aggressionsbereiten Personen, die die polizeilichen Maßnahmen (Begleitung und Identitätsfeststellung von S. R.) hätten verhindern wollen, seien eindeutig die Adressaten des unmittelbaren Zwangs gewesen. Die Anwendung des RSG 8 sei auch erforderlich gewesen, da die Personen gezielt eine Maßnahme behindert hätten und durch ihre Vermummung bzw. durch das aktive Zugehen auf die Polizeivollzugsbeamten die unmittelbare Gefahr eines Angriffs auf die Beamten bestanden habe. Der Einsatz einfacher körperlicher Gewalt (z. B. Abdrängen) sei nicht ausreichend gewesen. Der Einsatz von Pfefferspray vom Bahnsteig aus sei ein geeignetes und erforderliches Mittel gewesen, um den Bewurf mit Flaschen zu unterbinden. Ein gezieltes „Schlüsseln“ aller Türen hätte einer (verbotenen) Einkesselung entsprochen. Ein sukzessives Herausgreifen und Verbringen der angreifenden Fans sei aufgrund der Kräftelage nicht möglich gewesen; zudem hätten sich die Problemfans im Zug unter die Unbeteiligten gemischt. Unbeteiligte wären somit bei der Durchführung von Maßnahmen gefährdet worden. Nach ca. 20 Minuten habe sich die Lage am Bahnsteig auch beruhigt; die Fans hätten den Flaschenbewurf eingestellt. Dem hervorgerufenen Nachteil durch den Einsatz des Pfeffersprays wie Reizung der Augen, Haut und Atemwege habe die körperliche Unversehrtheit der eingesetzten Beamten gegenüber gestanden. Ein Missverhältnis in der Güterabwägung liege nicht vor. Den Fans sei durch die Einsatzkräfte mehrfach die Möglichkeit angeboten worden, die Hilfe der drei sich vor Ort befindlichen Rettungswagenbesatzungen in Anspruch zu nehmen. Dies sei stets abgelehnt worden. Ziel des Anhaltens des Zuges in Petershausen sei kein Gewahrsam gewesen, sondern die Identitätsfeststellung. Da es sich hierbei um eine größere Personengruppe gehandelt habe (ca. 100 Problemfans), hätten zuerst die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen getroffen werden müssen. Als Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung komme § 23 BPolG in Betracht. Die Fans hätten bereits auf der Hinfahrt Straftaten begangen und es habe die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden, dass weitere Straftaten begangen würden. Da es im Zug tatsächlich aufgrund der aggressiven Stimmung und tätlichen Angriffe nicht möglich gewesen sei, die Identitäten ohne Gefährdung der Beamten durchzuführen, habe sich der Polizeiführer entschieden, diese im Bahnhof München Hbf durchzuführen. Weiter komme als Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung §§ 163b, c StPO in Betracht. Da bereits ab der Hinfahrt eine Reihe von Straftaten begangen worden sei (Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Widerstand, versuchte Körperverletzung, Verdacht Landfriedensbruch), hätten gemäß § 163b StPO die erforderlichen Maßnahmen zur Feststellung der Identität getroffen werden können. Bei der Ankunft in München hätten sich die Gefahrenverursacher wieder mit den Unbeteiligten vermischt und sich teilweise vermummt. Die abgesperrte Fläche habe ca. 800 m² betroffen. Da es zu Durchbrechungen in den Absperrungen gekommen, die Stimmung immer aggressiver geworden sei und sich immer noch Unbeteiligte in der Absperrung befunden hätten, habe sich der Polizeiführer, um eine Gefährdung der Unbeteiligten zu verhindern, entschlossen, von der Identitätsfeststellung abzusehen und habe in Abstimmung mit den Entscheidungsbeamten des Landes die Absperrung geöffnet. Im Bereich des Münchner Bahnhofs sei es nicht zum Einsatz von Pfefferspray gekommen.

Zu dem umfangreichen Vortrag der Beklagten äußerte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit weiteren Schriftsätzen. Es wird geltend gemacht, dass das Feststellungsinteresse aus den erheblichen Grundrechtseingriffen der geschilderten Maßnahmen folge. Es bestehe auch Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr würde nur dann nicht vorliegen, wenn die Beklagte darlegen würde, dass künftig bahnreisende Fußballfans nicht mehr von der Bundespolizei begleitet würden. Das Verfahren gegen POM H. sei zwar eingestellt worden, dagegen sei jedoch Beschwerde erhoben worden. Dass in den Verfahren die Rechtmäßigkeit des gesamten Polizeieinsatzes gerichtlich festgestellt worden sei, werde bestritten. An den Maßnahmen in der Regionalbahn seien keine Beamten der Landespolizei beteiligt gewesen. Die Bundespolizei habe sich ohne Rücksicht auf die überfüllten Waggons durch die Reihen gedrängt, so dass es hierdurch zu Berührungen mit den Einsatzausrüstungen der Beamten gekommen sei. Eine erhebliche Rauchentwicklung habe es nicht gegeben, vielmehr sei einem Fan vorgeworfen worden, geraucht zu haben. Dieser sei körperbehindert. Als er zur Toilette habe müssen, hätten sich die Beamten durch den völlig überfüllten Zug gedrängt. Personen, die auf der Treppe gestanden hätten, seien dabei überrannt und schreiend zum Weggehen aufgefordert worden, was aber mangels Platz überhaupt nicht möglich gewesen sei. Daraufhin seien die Beamten aggressiv geworden und hätten versucht, mit körperlichem Zwang sich Platz zu verschaffen. Nachdem kein Zurückweichen möglich gewesen sei, sei der Schlagstock eingesetzt und daraufhin auch massiv das Pfefferspray in die Gruppe und auch gezielt auf einzelne Personen gerichtet worden. Auch nachdem alle zurückgewichen gewesen seien, sei weiter Pfefferspray gesprüht worden. Das angebliche „Schlagen“ an die Decke sei Klopfen zu den Fangesängen gewesen, wie dies auf vergleichbaren Fahrten festzustellen sei und keinesfalls Anlass für Polizeimaßnahmen darstelle. Zum Zeitpunkt des außerplanmäßigen Halts in Petershausen sei beim Verlassen des Zuges weiterhin Pfefferspray gesprüht worden, die Türen seien verriegelt und den Passagieren frische Luft verwehrt worden. Die Toiletten seien durch die Bundespolizei vorher verriegelt worden, so dass es keinem möglich gewesen sei, diese zu benutzen, oder sich das Pfefferspray aus dem Gesicht zu waschen. Es werde bestritten, dass durch einen angeblichen Flaschenwurf das Mobiltelefon des POM H. kaputtgegangen sein solle. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass angeblich die Dienstwaffe entrissen werden sollte. Ebenso wenig sei es möglich gewesen, aus dem Zug heraus die Beamten zu treten, da diese sich in entsprechendem Abstand postiert hätten. Ob der Rettungsdienst verständigt worden sei, könnten die Kläger nicht sagen. Ihnen sei davon jedenfalls nichts bekannt gewesen. Die von der Bundespolizei genannten Sachverhalte wie „demonstratives Rauchen“, „Beschädigung der Deckenverkleidung und Verunreinigungen“ rechtfertigten die polizeilichen Maßnahmen nicht. Die Anhaltung des Zuges in Petershausen unter gleichzeitiger Unterbindung des Aussteigens sei nicht nachvollziehbar, insbesondere da zuvor Pfefferspray innerhalb des Zuges eingesetzt worden sei. Das gelte auch, wenn einzelne Personen angeblich vermummt gewesen seien, da eine große Anzahl von Personen betroffen gewesen sei und in dem Waggon sich auch Kinder aufgehalten hätten. Die Berichte würden auch Unklarheiten dahingehend aufweisen, an welchem Waggon die Tür geöffnet gewesen sein solle. Dass Fans das Aussteigen von Personen verhindert haben sollten, die sich wegen des Pfeffersprayeinsatzes aus dem Waggon bewegen wollten, erscheine lebensfremd und werde bestritten. Das Verlassen des Zuges sei jedenfalls an den fraglichen Waggontüren untersagt gewesen.

Zu dem Hinweis des Gerichts, dass im Hinblick auf das Aufhalten von Personen zur Identitätsfeststellung eine Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit in Betracht komme, äußerte sich die Beklagte mit Schreiben vom 19. Mai 2016. Ziel und Schwerpunkt der angefochtenen polizeilichen Maßnahmen habe im repressiven Bereich gelegen. Die behaupteten Gewahrsamnahmen durch Anhalten des Zuges in Petershausen und durch die Absperrungen am Münchner Hauptbahnhof, die tatsächlich nur kurzfristige Freiheitsbeschränkungen dargestellt hätten, hätten dem Ziel gedient, die zuvor bereits durch Straftaten aufgefallenen Personen zu identifizieren. Weiter wird ausgeführt, dass es an einer Darlegung der persönlichen Betroffenheit der Kläger durch die polizeilichen Maßnahmen fehle.

Der Klägerbevollmächtigte machte geltend, dass zum Feststellungsinteresse ausreichend vorgetragen worden sei. Die Kläger hätten aufgrund des verwendeten Reizstoffes Brennen verspürt und darüber hinaus nicht den Zug verlassen können. Bei dem Einsatz des Pfeffersprays handle es sich um einen grundrechtsrelevanten Eingriff, so dass auch ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellung bestehe. Durch das Einsprühen des Sprays in einen abgeschlossenen Raum bei Anwesenheit einer Vielzahl von Personen werde die Verletzung der dort befindlichen Personen in Kauf genommen, da der Beamte gar nicht „im Griff“ habe, wen er treffe und wen nicht. Es bestehe auch eine entsprechende Wiederholungsgefahr, da im Fall gleichgelagerter Maßnahmenausführung erneut Gesundheitsschäden und körperlich unangemessene Behandlungen drohten. Nicht anders verhalte es sich mit dem Schlagstockeinsatz. Es komme insoweit nicht darauf an, ob jeder einzelne der Kläger auch getroffen worden sei. Denn diese hätten sich alle im Zuge befunden und seien daher konkret gefährdet gewesen, von entsprechenden Schlagstöcken getroffen zu werden. Die ca. zweistündige Anhaltung des Zuges unter Fortwirkung der brennenden Wirkung des Pfeffersprays habe ebenfalls alle Kläger betroffen und stelle einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Soweit die Beklagte behaupte, die Maßnahme am Bahnhof sei repressive Identitätsfeststellung gewesen, könne dies schon deshalb nicht zutreffen, da überhaupt nur neun ID-Feststellungen erfolgt seien, wie sich aus den Behördenakten ergebe. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich und dargelegt, weshalb diese dann nicht bereits während des zweistündigen Anhaltens des Zuges hätten durchgeführt werden können.

Das Gericht hat am 10. August und 12. Oktober 2016 mündlich zur Sache verhandelt. Für die Aussagen der Kläger und der Zeugen wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Mit Beschluss vom 10. August 2016 hat das Gericht das Verfahren, soweit von den Klägern polizeiliche Maßnahmen am Münchner Hauptbahnhof/Starnberger Flügelbahnhof angegriffen werden, an das Amtsgericht München verwiesen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte zuletzt:

Es wird festgestellt, dass die am ... Februar 2014 durch die Bundespolizei München gegenüber den Klägern zu 2. und 4. angewendete körperliche Gewalt durch den Einsatz von Einsatzmehrzweckstöcken, der gegenüber allen Klägern erfolgte Einsatz von Pfefferspray und die gegen sämtliche Kläger durchgeführten „Gewahrsamnahmen“ in Petershausen rechtswidrig waren.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakte mit dem vorhandenen Einsatzvideo sowie die beigezogenen Strafakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Verwaltungsrechtsweg ist für den beim Verwaltungsgericht verbliebenen Rechtsstreit eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Das gilt auch, soweit sich die Kläger gegen das polizeilich angeordnete Stehenbleiben des Zuges in Petershausen mit dem Verbot, den Zug dort zu verlassen, wenden. Für diese polizeiliche Maßnahme wurden von der Beklagten sowie den vom Gericht einvernommenen Einsatzleitern mehrere Einsatzziele genannt. Sie sei erforderlich gewesen, um die im Zug eskalierte Lage unter Kontrolle zu bringen. Die Fans sollten im Zug bleiben, um eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Fans und Polizeibeamten auf dem Bahnsteig zu verhindern. Personen sollten aus Gründen der Gefahrenabwehr nicht auf die Gleise gelangen. Es seien einsatztaktische Absprachen erforderlich gewesen; die Zeit sei genutzt worden, um Einsatzkräfte zur Verstärkung zum Bahnhof Petershausen zu bringen und ausreichende Kräfte am Zielbahnhof in München bereitzustellen. Weiter habe der Halt in Petershausen dazu gedient, die zuvor durch Straftaten aufgefallenen Personen zu identifizieren. Dieses Ziel sei aber letztlich wegen der Ungeeignetheit der Örtlichkeit und der zu geringen Einsatzstärke der Polizei aufgegeben worden. Die Identitätsfeststellungen sollten am Münchner Hauptbahnhof bzw. Starnberger Flügelbahnhof mit Hilfe einer Bearbeitungsstraße erfolgen. Verfolgt eine polizeiliche Maßnahme sowohl präventive als auch repressive Zwecke, ist anhand des erkennbaren Schwerpunkts der Maßnahme zu bestimmen, ob die Maßnahme der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung gedient hat (vgl. BVerwG, U. v. 3.12.1974 - I C 11.73 - juris Rn. 24; VGH BW, U. v. 27.9.2004 - 1 S 2206/03 - juris Rn. 28; BayVGH, B. v. 5.11.2009 - 10 C 09.2122 - juris Rn. 12). Die von der Bundespolizei genannten Einsatzziele am Bahnhof Petershausen hatten mehrheitlich den Zweck der Gefahrenabwehr, es sollte ein störungsfreier Betriebsablauf gewährleistet werden. Dafür sollte insbesondere die polizeiliche Kontrolle über die gewaltbereiten Fans im Zug wiederhergestellt werden und eine Auseinandersetzung auf dem engen Bahnsteig verhindert werden. Der zunächst auch verfolgte Zweck von Identitätsfeststellungen, um begangene Straftaten ahnden zu können, und das Ziel zu verhindern, dass sich potentielle Straftäter entfernen können, war gegenüber dem Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nachrangig. Weiter haben die Kläger nachvollziehbar geltend gemacht, dass nach dem Geschehensablauf am Halt in Petershausen für sie erkennbar keine Strafverfolgung im Vordergrund stand. Strafverfolgungsmaßnahmen und Identitätsfeststellungen sind, wie die Beklagte vorgetragen hat, bewusst nicht angekündigt worden, damit sich Betroffene diesen Maßnahmen nicht gezielt entziehen konnten.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Es bedarf keiner Einstufung der angegriffenen polizeilichen Maßnahmen als polizeiliche Verwaltungsakte oder als auf einen rein tatsächlichen Erfolg gerichtete Realakte, da in beiden Fällen ein effektiver nachträglicher gerichtlicher Rechtsschutz der vor Klageerhebung beendeten Maßnahmen gewährleistet ist (vgl. BayVGH, U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 24, 25). Das von den Klägern geltend gemachte Feststellungsinteresse besteht aber nur teilweise.

Für eine auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen gerichtete Klage ist in jedem Fall ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage muss in besonderer Weise schutzwürdig sein. Dies ist der Fall bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe. Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen - vornehmlich solchen Eingriffen, die schon das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat - besteht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse in den Fällen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, B. v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 - juris Rn. 54; B. v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - juris Rn. 36).

Kurzfristig sich erledigende polizeiliche Maßnahmen liegen hier vor. Soweit die Kläger geltend machen, vom Einsatz des Pfeffersprays im Zug (Kläger zu 2., 3. und 4.) oder vom Bahnsteig aus (Kläger zu 3.) in größerem Umfang betroffen gewesen sein, besteht ein Feststellungsinteresse aufgrund eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs. So haben die Kläger zu 2. und 4. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sich bei dem Einsatz von Pfefferspray im Zug in unmittelbarer Nähe des Polizeieinsatzes aufgehalten zu haben und von einem Sprühstoß in beachtlicher Weise getroffen worden zu sein (Schwellungen im Gesicht, nasse Haare, gerötete Augen, brennende Haut). Ob bei dem Kläger zu 4. eine tatsächliche Betroffenheit vorliegt, was die Beklagte unter Hinweis auf das Einsatzvideo verneint, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Der Kläger zu 3. hat angegeben, von dem im Zug eingesetzten Pfefferspray betroffen gewesen zu sein (feuchte Kleidung) und auch von dem Pfefferspray, das in den Zug gesprüht worden sei, etwas abbekommen zu haben, da er sich zunächst im Eingangsbereich aufgehalten habe. Danach habe er sich entfernt.

Soweit die Kläger darüber hinaus die Überprüfung des Einsatzes von Pfefferspray geltend machen, fehlt ihnen das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Der Vortrag, dass der Reizstoff sich überall in der Luft befunden habe, reicht hierfür nicht aus. Der Einsatz des Pfeffersprays, der im Eingangsbereich und in den Eingangsbereich des vorletzten Waggons (vordere Tür) hinein erfolgt ist, reicht für eine allgemeine Betroffenheit der Personen, die sich in dem vorletzten Zug aufgehalten haben, nicht aus. Wie oben ausgeführt, bedarf es eines schwerwiegenden Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit. Dies ist grundsätzlich bei einem zielgerichteten Einsatz von Pfefferspray gegenüber Personen zu bejahen. Auch soweit geltend gemacht wurde, dass die Kläger sich in unmittelbarer Nähe des Einsatzes aufgehalten hätten und damit ebenfalls stark betroffen gewesen wären, besteht ein berechtigtes Interesse an der Überprüfung der polizeilichen Maßnahme. Geringfügigere Beeinträchtigungen aufgrund einer polizeilichen Maßnahme, die nicht unmittelbar gegen sie gerichtet war, reichen jedoch nicht aus. Die Klägerin zu 1. hat vorgetragen, sich im unteren Teil des Waggons und damit nicht in Einsatznähe aufgehalten zu haben. Sie sei selbst vom Pfeffersprayeinsatz nicht so stark betroffen gewesen, sie habe u. a. der Klägerin zu 2. geholfen, die Augen auszuwaschen. Die Klägerin zu 2. hat sich wie die Klägerin zu 1. bei dem Einsatz von Pfefferspray vom Bahnsteig aus im unteren Teil des Waggons aufgehalten. Der Kläger zu 4. hat selbst angegeben, beim Anhalt in Petershausen kein Pfefferspray mehr abbekommen zu haben.

Die gleiche Erheblichkeitsschwelle gilt für das Rechtsschutzinteresse hinsichtlich des geltend gemachten Einsatzes des Einsatzmehrzweckstockes. Soweit der Kläger zu 4. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass er damit geschlagen worden sei, besteht ein Feststellungsinteresse. Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff liegt aber nicht vor, soweit die Klägerin zu 2. ein Wegdrücken mit dem Einsatzmehrzweckstock angegeben hat. Damit ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass sie in erheblichem Maße in ihrer körperlichen Unversehrtheit betroffen war. Mit ihrem Strafantrag vom 19. Februar 2014 und dem eingereichten ärztlichen Attest hat sie eine Körperverletzung aufgrund des Einsatzes von Pfefferspray, aber keine Schlagverletzung geltend gemacht.

Weiter geht das Gericht von einem Feststellungsinteresse aufgrund eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffes aus, soweit die Kläger die Rechtswidrigkeit des polizeilich verfügten Anhaltens des Zuges in Petershausen und des Verbots, den Zug zu verlassen, geltend machen. Zwar handelt es sich hier im Gegensatz zu der von den Klägern vertretenen Rechtsansicht nicht um eine Gewahrsamnahme. Gewahrsam bedeutet, dass die Polizei einer Person ihre Freiheit entzieht, sie in Verwahrung nimmt und sie daran hindert, sich zu entfernen. Die Freiheitsentziehung ist abzugrenzen von der Freiheitsbeschränkung, bei der die Bewegungsfreiheit des Betroffenen vorübergehend eingeschränkt ist. Beide Begriffe sind ihrer Intensität nach abzugrenzen, kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen keine Freiheitsentziehung dar. Zu berücksichtigen ist auch der Zweck der polizeilichen Maßnahme (vgl. zum Ganzen BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 114; BVerfG, B. v. 21.5.2004 - 2 BvR 715/04 - juris Rn. 20; BVerfG, B. v. 8.3.2011 - 1 BvR 47/05 - juris Rn. 26, BVerwG, U. v. 23.6.1981 - I C 78.77 - juris Rn. 11 ff.). Bei einer wertenden, auf die Intensität des Eingriffs abstellenden Beurteilung handelt es sich bei den ergriffenen Maßnahmen um eine kurzfristige Behinderung der Bewegungsfreiheit der Kläger, die Ausfluss der von der Polizei zur Gefahrenabwehr ergriffenen Maßnahmen war und in diesem Rahmen zu überprüfen ist. Dabei begründet die Dauer des polizeilich angeordneten Anhaltens des Zuges (etwas mehr als eine Stunde, die Zeit für bahnbetriebliche Maßnahmen kann nicht eingerechnet werden) und das Verbot des Aussteigens allein kein Feststellungsinteresse aus Art. 2 Abs. 1 GG. In Zusammenschau mit den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizeibeamten am vorletzten Zug, in dem sich die Kläger aufgehalten haben, und ihrer geltend gemachten Betroffenheit von vorhergehenden Pfeffersprayeinsätzen bzw. der Angst (Klägerin zu 1.), hiervon selbst mehr betroffen zu werden, bejaht das Gericht das notwendige Rechtsschutzinteresse.

Soweit das Rechtsschutzinteresse für die Überprüfung der angegriffenen polizeilichen Maßnahmen wegen eines fehlenden tiefgreifenden Grundrechtseingriffs bei einzelnen Klägern abgelehnt wurde, kann dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr bejaht werden. Ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird. Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Feststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (vgl. BVerwG, U. v. 12.10.2006 - 4 C 12/04 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.629 - juris Rn. 8). Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass sich die am ... Februar 2014 ergriffenen polizeilichen Maßnahmen wiederholen werden. Allein die Tatsache, dass die Kläger auch in Zukunft mit der Bahn zu Auswärtsspielen des TSV 1860 reisen und Bundespolizisten dabei die Fans begleiten werden, reicht für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht aus. Bei der Vielzahl von Bahnreisen von Fußballfans zu einem Spiel handelte es sich am ... Februar 2014 um eine besondere Situation, die aufgrund von Straftaten und dem Verhalten von Fans im Zug eskalierte und die Polizeikräfte veranlasste, Zwangsmittel einzusetzen.

Soweit das Gericht ein Feststellungsinteresse bejaht hat, scheitert die Zulässigkeit der Klage nicht daran, dass mehrere Strafgerichte die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Einsatzes bejaht haben. Soweit es zu Verurteilungen von Fans kam, waren polizeiliche Maßnahmen nur inzident zu prüfen. Bei dem Ermittlungsverfahren gegen POM H. kam es nicht zu einer Anklage. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit Beschluss vom 7. Juli 2014 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, da der Einsatz des Pfeffersprays rechtmäßig gewesen sei. Zwar spricht viel dafür, dass man ein Feststellungsinteresse oder Rechtsschutzbedürfnis für ein weiteres verwaltungsgerichtliches Verfahren verneinen muss, wenn in einem strafgerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Pfefferspray geprüft wird (kein Anspruch auf den angeblich „sachnäheren“ Richter, vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1989 - 8 C 30/87 - juris Rn. 9). Es können auch rechtskräftige Feststellungen eines Strafgerichts einem verwaltungsgerichtlichen Urteil zugrunde gelegt werden. Ein anhängiges strafrechtliches Ermittlungsverfahren hindert aber nicht die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage.

Die Klage ist auch nicht verfristet. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage, bei der sich der Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft erledigt hat, und für eine Feststellungsklage gelten nicht die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, U. v. 14.7.1999 - 6 C 7 /98 - juris Rn. 20 ff.). Auch wenn man den Rechtsgedanken aus § 58 Abs. 2 VwGO berücksichtigt, da die Klage nicht zeitlich unbeschränkt erhoben werden kann (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rn. 72), wurde die Klage rechtzeitig erhoben.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die vom Kläger zu 4. geltend gemachten Schläge mit einem Einsatzmehrzweckstock der Polizei haben nach Überzeugung des Gerichts nicht stattgefunden (1.). Der Einsatz von Pfefferspray im Zug durch POM H. zur Durchsetzung eines Platzverweises war gemäß § 38 BPolG, §§ 6, 12 VwVG, §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig und verletzte die Kläger zu 2., 3. und 4. nicht in ihren Rechten (2.). Der Einsatz von Pfefferspray durch Bundespolizisten vom Bahnsteig aus, um sich vor Angriffen von Fans zu schützen, war gemäß § 6 Abs. 2 VwVG, §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig und verletzte den Kläger zu 3. nicht in seinen Rechten (3.). Die Bundespolizei konnte gemäß § 14 i. V. m. § 3 Abs. 1 BPolG den Regionalzug am Bahnhof Petershausen anhalten und den Klägern das Aussteigen verbieten (4.).

1. Der Kläger zu 4. hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2016 geltend gemacht, dass er mit einem Einsatzmehrzweckstock der Polizei zweimal geschlagen worden sei, als er bei dem Einsatz der Polizei - Verlassen des Platzes durch S. R. - beschwichtigend habe eingreifen wollen. Dieser Vortrag ist jedoch nicht glaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Klägers spricht zunächst, dass der Kläger dies in der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal vorgetragen hat. Nach dem ursprünglichen Klageantrag sollte die Rechtswidrigkeit der gegenüber den Klägern zu 2. und 3. angewendeten körperlichen Gewalt durch Einsatz von Reizstoff, Einsatzmehrzweckstöcken festgestellt werden. In dem umfangreichen Klagevortrag fehlt jeglicher konkrete Vortrag zu dem Einsatz eines Einsatzmehrzweckstockes. Vielmehr wurde vorgetragen, dass es nicht darauf ankäme, ob jeder einzelne der Kläger auch getroffen worden sei; sie hätten sich alle im Zug befunden und seien daher konkret gefährdet gewesen, von entsprechenden Schlagstöcken getroffen zu werden (Schriftsatz vom 3. Juni 2016). Für den erstmaligen Vortrag in der mündlichen Verhandlung wurde auch keine plausible Erklärung gegeben. So hat der Prozessbevollmächtigte lediglich ausgeführt, dass der Tatsachenvortrag Sinn der mündlichen Verhandlung sei. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass es im Zug zu keinem Schlagstockeinsatz gekommen sei; der Einsatzmehrzweckstock sei lediglich zum „Wegdrücken“ durch PM M. eingesetzt worden, als die Beamten auf der Plattform von Fans bedrängt worden seien. Letzteres hat auch der Zeuge M. mit seiner Aussage bestätigt. Gegen die Aussage des Klägers zu 4., bei dem polizeilichen Einsatz gegen S. R. zweimal geschlagen worden sei, spricht auch das polizeiliche Einsatzvideo. Zwar sieht man den Vorgang dort nur ganz kurz, da dem Videobeamten von den Fans die Sicht versperrt wurde, man hört aber die jeweiligen Kommentare der Fans. Dabei werden der Toilettengang von S. R. und der Einsatz von Pfefferspray kommentiert, nicht aber, dass es zu Schlägen gegen einen Fan gekommen ist. Weiter spricht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage, dass der Kläger zu 4. auch bei seiner Aussage, wie stark er von dem Pfeffersprayeinsatz betroffen gewesen sei, offensichtlich übertrieben hat. Denn man sieht ihn kurz darauf auf dem Video ohne körperliche Anzeichen (keine tränende Augen).

2. Der Einsatz von Pfefferspray durch POM H. im Zug war rechtmäßig. Es lagen sowohl die gesetzlichen Voraussetzungen für den ausgesprochenen Platzverweis als auch für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zu seiner Durchsetzung vor.

Nach § 38 BPolG kann die Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr Personen vorübergehend von einem Ort verweisen. Eine Platzverweisung setzt eine konkrete Gefahr voraus, d. h. eine Sachlage, die im Einzelfall tatsächlich oder jedenfalls aus der (ex-ante-)Sicht des für die Polizei handelnden Amtswalters bei verständiger Würdigung der Sachlage in absehbarer Zeit die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf ein polizeirechtlich geschütztes Rechtsgut in sich birgt (vgl. Schenke in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 38 BPolG Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind gegeben. POM Hempel hat den Platzverweis ausgesprochen, um eine polizeiliche Maßnahme - Begleitung des straftatverdächtigen S. R. zur Toilette - durchzuführen und, um sich und seine Kollegen vor (weiteren) Angriffen durch Fans zu schützen.

Nach der Zeugeneinvernahme der Polizeibeamten, den Aussagen der Kläger, soweit ihnen gefolgt werden kann, dem polizeilichen Einsatzvideo, soweit Aufnahmen vorliegen, und den Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils gegen S. R. (AG Pfaffenhofen, U. v. 1.7.2014, 1 Ds 24 Js 5364/14) sowie des Strafbefehls gegen S.H. (AG Dachau vom 14.5.2014, 5 Cs 24 Js 12458/14) geht das Gericht von folgendem Sachverhalt aus: S. R., der im oberen Bereich des vorletzten Waggons saß, hatte zuvor einen Polizeibeamten mit der Faust gegen den Brustkorb und anschließend nochmals mit der Faust in den Bereich der Gürtellinie geschlagen. Dieser Vorfall ergibt sich auch aus dem polizeilichen Video über die Begleitung der Fußballfans (00027.MTS, etwa 21.45 Uhr - die angegebene Zeit der Videoaufnahme ist noch Sommerzeit, weiter ist die Videozeit offensichtlich nicht minutengenau - von der Polizei angegebene Tatzeit im Strafverfahren 21.40 Uhr). Eine Identitätsfeststellung unterblieb zunächst, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Als S. R. etwa eine halbe Stunde später, kurz vor dem Halt in Petershausen, seinen Platz verlassen wollte, gingen die Polizeibeamten davon aus, dass er sich einer polizeilichen Maßnahme entziehen will. Es kam zu einer Rangelei, wobei S. R. erneut versuchte, einen Polizeibeamten zu verletzen. Aus dem polizeilichen Video (00028.MTS) ergibt sich eine aggressive Stimmung der Fans mit Rufen „jetzt knallts“, „jetzt schepperts“. Weiter sieht man auf dem Video, dass Fans den Polizeibeamten, die sich im oberen hinteren Teil des Waggons befanden, den Weg zu ihren Kollegen versperrten. Der Fan S.H. wurde deswegen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. Nachdem S. R. angegeben hatte, dass er auf die Toilette müsse, beschlossen die Polizeibeamten, ihn dahin zu begleiten. Sie bahnten sich einen Weg durch den Waggon, gefolgt von Fans. Als sie zu der Treppe kamen, die nach unten zum Eingangsbereich führte, sahen sie dort ihre Kollegen, die unten auf bzw. an der Treppe standen. Auf der Plattform standen 10 bis 15 Personen, die vermummt waren und Bierflaschen in der Hand hatten. Sie machten „Halsabschneider“-Gesten und schlugen mit der geballten Faust in die Hand. POM H. forderte die Fans auf, Platz zu machen. Dieser Aufforderung kamen diese aber nicht nach.

Die Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten H., M., B. und C., die eine bedrohliche Situation schilderten, waren glaubhaft. Sie waren im Wesentlichen deckungsgleich mit den Aussagen (Aussagen von H., M. und C.), die sie im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 2. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Az. 245 Js 147070/14) gemacht hatten. Soweit es dabei teilweise noch zu detailreicheren Schilderungen kam, spricht es für die Glaubwürdigkeit der Zeugen, dass sie vor Gericht nur das geschildert haben, woran sie sich erinnert haben. Der Kläger zu 4. hat eingeräumt, dass er Leute gesehen habe, die sich vermummt hätten. Die Klägerin zu 2. hat ausgesagt, dass sie von den Polizeibeamten aufgefordert worden sei, wegzugehen. Von dem Geschehen auf der Plattform gibt es keine Videoaufzeichnungen, da sich der Videobeamte B., den das Gericht ebenfalls als Zeugen vernommen hat, im hinteren Teil des oberen Waggons aufhielt, ihm der Weg zu seinen Kollegen durch Fans versperrt wurde und er sich auch nicht in eine gefährliche Situation begeben wollte. Die aufgeheizte Stimmung im oberen Teil des Waggons und die dort ersichtliche Gewaltbereitschaft von Fans stützen aber die Schilderungen der Polizeibeamten über das Geschehen auf der Plattform. Der klägerische Vortrag, dass die Fans ruhig gewesen seien und die Beamten sich ohne Grund aggressiv verhalten hätten, ist nach den vorliegenden Videoaufnahmen unrichtig.

Der ausgesprochene Platzverweis war gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar und konnte nach § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Buchstabe c, § 12 VwVG mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Der Einsatz von Pfefferspray als Zwangsmittel war gemäß §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig, insbesondere auch verhältnismäßig. Die Androhung des Gebrauchs von Reizstoffen ist nach den Regelungen des UZwG nicht erforderlich. § 13 VwVG ist nicht einschlägig, da der sofortige Vollzug des Platzverweises nach § 6 Abs. 2 VwVG zur Abwehr einer drohenden Gefahr notwendig war. Über den Wortlaut des § 6 Abs. 2 VwVG hinaus ist der sofortige Vollzug auch dann zulässig, wenn der Grundverwaltungsakt bereits erlassen wurde, aber die weiteren Voraussetzungen des gestuften Vollstreckungsverfahrens wegen auftretender Eilbedürftigkeit nicht eingehalten werden können (vgl. Deusch/Burr, Beck-Online-Kommentar VwVfG, VwVG, § 6 Rn. 25). Allerdings sieht die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministers des Innern zum Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 18. Januar 1974 (UZwVwV-BMI) vor, dass der unmittelbare Zwang in diesen Fällen mündlich oder auf andere nach der Lage gebotene Weise angedroht werden soll, soweit es die Umstände nicht unmöglich machen (X. Abs. 1 Satz 2). Eine mündliche Androhung des Einsatzes von Pfefferspray ist nach der glaubhaften Aussage des POM H. erfolgt. Dies wird auch durch die zeugenschaftliche Äußerung der Kollegin J. und des Polizeibeamten C., die sich in seiner unmittelbaren Nähe befanden, im Ermittlungsverfahren 245 Js 147070/14 bestätigt. Zwar war diese Androhung möglicherweise nicht für jeden verständlich. Der Beamte hat dies selbst eingeräumt, indem er angab, dass er einen Helm aufgehabt habe, in dem ein Mundschutz integriert sei. Er hat aber weiter das Pfeffersprühgerät sichtbar vor sich gehalten, was auch der Kläger zu 3. mit seiner Aussage bestätigt hat. Damit sind jedenfalls die Anforderungen, die angesichts der bedrohlichen Situation von einer Androhung des unmittelbaren Zwangs erwartet werden konnten, erfüllt.

Die Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwanges ist aus der ex-ante-Sicht der handelnden Polizeibeamten zu beurteilen. Ein anderes geeignetes, den Einzelnen weniger belastendes Zwangsmittel (§ 4 Abs. 1 UZwG) stand nicht zur Verfügung. Wie die Polizeibeamten H., B. und M. glaubhaft ausgesagt haben, hatten sie zunächst versucht, sich mit einfacher körperlicher Gewalt einen Weg frei zu machen bzw. die Fans auf Abstand zu halten. Dies führte aber nicht zu dem gewünschten Erfolg. Es ist nachvollziehbar, dass die Beamten, die auf und unten an der Treppe standen, gegen die Fans auf der Plattform nur jeweils in geringer Mannstärke auftreten und sich damit nicht mit Erfolg durchsetzen konnten.

Der Einsatz von Pfefferspray im Zug stand auch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg (§ 4 Abs. 2 UZwG). Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Polizeibeamten, wie die Kläger teilweise vorgetragen haben, wahllos und mehrfach Pfefferspray gesprüht haben. POM H. hat widerspruchsfrei zu seinen Angaben im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 2. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (245 Js 147070/14) angegeben, dass er oben auf der Treppe einen Sprühstoß abgegeben hat. Dies haben die Polizeibeamten M., B. und C. („ich bin mir nicht ganz sicher“) bestätigt. Dass sich der Zeuge C. nicht mehr ganz sicher war, ist aufgrund des länger zurückliegenden Zeitpunkts verständlich und spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Soweit die Kläger vorgetragen haben, dass auch auf der Plattform Pfefferspray gesprüht worden sei, der Reizstoff auch seitlich in die Waggons gesprüht worden sei, und sich hierfür auf vorgelegte Fotos berufen, konnten die Kläger damit den Nachweis nicht erbringen. Einen genauen Ort kann man aus den unscharfen, kleinen Bildausschnitten nicht erkennen. Der Klägerbevollmächtige, der die Fotovorlage in der mündlichen Verhandlung in seinem Schriftsatz vom 11. März 2015 ankündigte, hat auch nicht vorgetragen, wer die Fotos gefertigt hat. Der Sprühstoß von unten nach oben spricht dafür, dass die Fotos Pfeffersprayeinsätze zeigen, bei denen vom Bahnsteig aus Pfefferspray in den Zug gesprüht wurde. Allein die Tatsache, dass auf dem Foto wohl ein behelmter Polizeibeamter zu sehen ist, beweist nicht, dass der Sprühstoß auf der Plattform abgegeben wurde. Gegen einen mehrfachen Einsatz von Pfefferspray von der Treppe oder der Plattform aus spricht auch die auf dem Video zu sehende geringe Beeinträchtigung des Klägers zu 4. vom Pfeffersprayeinsatz, der sich nach seinem Vortrag und der Skizze auf der Plattform befand. Auf dem Video ist auch sein relativ unaufgeregter Kommentar zu hören „... dass ihr stärker seid, mit diesem Spray“ (00028.MTS). Der vom POM H. abgegebene Spraystoß ging offensichtlich in Richtung der Klägerin zu 2., die sich an anderer Stelle auf der Plattform aufhielt.

Der durch die Abgabe eines Sprühstoßes zu erwartende Schaden stand auch nicht deshalb außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg, weil seine Abgabe im Zug erfolgte. Zwar ist grundsätzlich beim Einsatz von Pfefferspray in geschlossenen Räumen Zurückhaltung geboten. Soweit die Verwaltungsvorschrift von 1974 (UZwVwV-BMI IV. Abs. 5 Satz 3) noch vorsieht, dass Reizstoffe in geschlossenen Räumen nur gegen Personen eingesetzt werden dürfen, die sich gegen eine Festnahme gewaltsam zur Wehr setzen, ist diese Regelung im Hinblick auf das bei der Bundespolizei in neuerer Zeit verwendete Pfefferspray (vgl. Ruthig in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 2 UZwG Rn. 13) und der möglichen, unterschiedlichen Reizstoffwurfkörper obsolet geworden. Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2016 auf die geltenden Regelungen in der Ausbildung der Polizei hingewiesen. Weicht eine Behörde generell von Richtlinien ab, so verlieren sie ihre ermessensbindende Wirkung (vgl. BVerwG, U. v. 25.4.2012 - 8 C 18/11 - juris Rn. 32). Das bei der Bundespolizei eingeführte und in den Reizstoffsprühgeräten verwendete Pfefferspray PAVA verbreitet sich erheblich weniger in der Raumluft als der in anderen Geräten verwendete Wirkstoff CN/CS, es kann mit den eingeführten Reizstoffsprühgeräten zielgenauer eingesetzt werden und ist deshalb auch für den Einsatz in geschlossenen Räumen geeignet (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 6. Juli 2015 auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE zu einem Polizeieinsatz im Regionalexpress 3666 am 12. April 2015, Drucksache 18/5474 S. 4). Mit der Abgabe eines Sprühstoßes kurz vor Öffnen der Türen am regulären Haltepunkt in Petershausen hat die Bundespolizei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin zu 2. damit erheblich, vor allem auch im Gesicht, getroffen wurde. Gerade die Klägerin zu 2. ist von den Polizeibeamten aber mehrfach aufgefordert worden ist, wegzugehen, sich nicht einzumischen (auch POM M. und PHM C.). Sie hat sich trotzdem weiterhin bewusst in der Mitte des Geschehens aufgehalten. Ihr Vortrag, dass sie aus Platzgründen nicht habe weggehen können, hält das Gericht für einen Schutzvortrag.

3. Der Einsatz vom Pfefferspray vom Bahnsteig aus ist vom Gericht nur zu überprüfen, soweit der Kläger zu 3. eine erhebliche Betroffenheit geltend gemacht hat. Der Kläger zu 3. hat angegeben, dass er am Anfang der Auseinandersetzungen zwischen Fans im Zug und Polizeibeamten am Bahnsteig von dem Einsatz von Pfefferspray betroffen war und sich danach entfernt hat. Von dem Einsatzgeschehen am Anfang gibt es keine Videoaufzeichnungen, da sich der Videobeamte der Bundespolizei zunächst noch im oberen Teil des vorletzten Waggons aufgehalten hat. Der Kläger zu 3. hat selbst kein konkretes Einsatzgeschehen geschildert. Das Gericht geht aufgrund der Zeugeneinnahme der Polizeibeamten (PHK G., POM H., POM M., PHM C., POK B.), den späteren Videoaufzeichnungen und der rechtskräftigen Verurteilung von T. H. (AG Dachau, U. v. 25.9.2014, 5 Ds 37 Js 15776/14) davon aus, dass die Polizeibeamten mit dem Sprühen von Pfefferspray auf das Werfen von Flaschen und Gegenständen durch die Fans reagierten.

Dieser Einsatz von Pfefferspray war gemäß § 6 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Buchst. c, § 12 VwVG, §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig. Der Verwaltungszwang konnte ohne vorausgehenden Verwaltungsakt zur Abwehr einer drohenden Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Polizeibeamten angewendet werden. Besonders in der Anfangsphase der Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizeibeamten, die vom Gericht nur zu überprüfen ist, standen den Polizeibeamten gleich geeignete Einsatzmittel, um die Situation unter Kontrolle zu bringen, nicht zur Verfügung. Auf die von der Beklagten getroffene Bewertung möglicher Handlungsoptionen muss daher nicht eingegangen werden. Der Einsatz von Pfefferspray erfolgte hier zielgerichtet gegen Fans, die zum Werfen von Gegenständen ansetzten. Die Verhältnismäßigkeit gemäß § 4 Abs. 2 UZwG war damit gewahrt.

4. Für das angeordnete Stehenbleiben des Zuges am Bahnhof Petershausen und das Verbot für die Kläger, den Waggon zu verlassen, konnte sich die Polizei auf die allgemeine Befugnisnorm des § 14 Abs. 1 BPolG stützen. Danach kann die Bundespolizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Gemäß § 3 Abs. 1 BPolG hat die Bundespolizei die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder beim Betrieb der Bahn entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen. Dies bedeutet insbesondere die Verhütung von Straftaten in den Bahnhöfen, Zügen, auf den Bahnanlagen und umfasst auch die Begleitung von gewaltbereiten Gruppen bei Großveranstaltungen (vgl. Graulich in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 3 Rn. 6). Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn im Einzelfall tatsächlich oder jedenfalls aus der (ex-ante-)Sicht des für die Polizei handelnden Amtswalters bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage in absehbarer Zeit die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG). Die von den zuständigen Einsatzleitern angestellte Gefahrenprognose ist nicht zu beanstanden.

Es bestand die konkrete Gefahr, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei auf den engen Bahnsteig verlagerten und damit auch im Hinblick auf den laufenden Bahnbetrieb Einsatzkräfte und Fans geschädigt würden. Wie die Videoaufnahmen zeigen, war die Stimmung der Fans an der vorderen Türe des vorletzten Waggons aufgeheizt, die Polizeibeamten wurden beleidigt („Wichser“), es flogen Flaschen. Auch unbeteiligte Bahnreisende hätten bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung auf dem Bahnsteig diesen nicht ohne Gefahr für ihre Sicherheit benutzen können. Weiter konnte die Polizei davon ausgehen, dass sich einzelne Fans einer Polizeikontrolle entziehen und über die Bahngleise flüchten würden, was nicht erlaubt (Ordnungswidrigkeit nach § 64b Abs. 2 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung - EBO) und im Hinblick auf durchfahrende Züge auch äußerst gefährlich ist. So sieht man auf dem Video (00029.MTS), dass insgesamt vier Personen vom Bahnsteig aus auf die Gleise steigen, zwei Gleise überqueren und sich dann entfernen. PHK G. hat daher zu Recht angeordnet, dass die drei letzten Türen Richtung Bahnsteig von außen mit dem Vierkant verschlossen werden. Die Türe, an der Pfefferspray eingesetzt wurde, konnte immer geöffnet worden, ebenso die davor liegenden Türen des Zuges. Die verschlossenen Türen wurden, nachdem sich die Situation im hinteren Bereich des Zuges beruhigt hatte, wieder geöffnet. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Zug war es erforderlich, dass der Regionalzug weiter von Beamten der Bahnpolizei begleitet wurde. Während des Aufenthalts des Zugs am Bahnhof Petershausen konnten die Polizeikräfte für die Weiterfahrt verstärkt werden.

Die polizeilichen Maßnahmen wurden von der Polizei nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen und waren verhältnismäßig (§§ 15, 16 BPolG).

Soweit der Prozessbevollmächtigte vorgetragen hat, dass es in Petershausen keinen Grund gegeben habe, den Zug anzuhalten, da die Identitätsfeststellungen in München getroffen werden sollten, verkennt er, dass die Gründe für das Anhalten des Zuges in Petershausen mehrheitlich im präventiven Bereich lagen. Vor einer Weiterfahrt des Zuges musste die Sicherheit und Ordnung im Zug wiederhergestellt werden. Eine Weiterfahrt des Zuges ohne Polizeikräfte kam im Hinblick auf den Schutz unbeteiligter Personen sowie der Gefahr von weiteren Sachbeschädigungen im Zug nicht in Betracht. Zum Schluss der Videoaufzeichnungen wird eindrucksvoll ein Überblick über die Schmierereien, sonstige Beschädigungen wie z. B. Herausreißen eines Feuerlöschers und massiven Verunreinigungen im Zug gegeben (000.55 MTS - 00061.MTS). Die Anordnung für die Personen im vorletzten Zug und damit auch für die Kläger, im Zug zu bleiben, ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil es zuvor zu einem Einsatz von Pfefferspray an der vorderen Türe gekommen ist und es im Anschluss daran aufgrund des gewaltsamen Verhaltens von Fans nochmals zu Sprühstößen im Türenbereich kam. Aus den Videoaufzeichnungen ergibt sich, dass bereits nach etwa 10 Minuten die hintere Tür im vorletzten Waggon wieder offen stand und sich dort Fans an der offenen Türe bzw. auf dem Bahnsteig aufhielten (00030.MTS, 22.30 Uhr). Etwas später hielt sich sogar eine Vielzahl von Personen aus dem hinteren Zugteil auf dem Bahnsteig auf (00034.MTS, 22.38 Uhr). Weiter ergibt sich aus den letzten Videoaufnahmen im Zug, dass die Belastung durch Pfefferspray jedenfalls im oberen Bereich des hinteren Teils offensichtlich nicht spürbar war (00028.MTS). Dort hatte sich der Kläger zu 4. aufgehalten. Die Klägerin zu 1., die sich im unteren Teil des Waggons aufgehalten hat, hat angegeben, dass sie durch das Pfefferspray nicht wesentlich beeinträchtigt war. Soweit sie Angst gehabt hat, ist das verständlich, führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme. Die Klägerin zu 2., die von dem Einsatz von Pfefferspray im Zug stark betroffen war, hätte medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können. Die Polizeibeamten haben Rettungswagen zum Bahnhof Petershausen beordert, offensichtlich legten die Fans aber keinen Wert auf ärztliche Betreuung. So sieht man auf dem Video, dass ein Polizeibeamter einem Fan helfen will, der von einem Sprühstoß getroffen wurde, ihm aus dem Waggon hilft, dieser aber sofort wieder von seinen Kollegen hineingezogen wird (00029.MTS). Die Polizei hat den Regionalzug etwa 1 ¼ Stunden angehalten. Diese Zeitdauer war im Hinblick auf die verfolgten polizeilichen Zwecke nicht unangemessen. Nachdem die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Fans und Polizeibeamten beendet war und alle Türen im vorletzten Waggon geöffnet werden konnten, reduzierte sich die Belastung für die Kläger im Wesentlichen auf eine Zeitverzögerung. Nach der polizeilichen Freigabe bedurfte es noch bahnbetrieblicher Maßnahmen, bevor der Zug tatsächlich abfahren konnte.

Die Maßnahmen konnten gegen die Klägerin zu 2. gem. § 17 Abs. 1 BPolG, wenn man sie im Hinblick auf die begangene Beleidigung sowie des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte als Störerin ansieht, ansonsten wie bei den Klägern zu 1., 3. und 4. nach § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2 BPolG angeordnet werden. Danach können auch nicht verantwortliche Personen in Anspruch genommen werden, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist oder Maßnahmen gegen die Verantwortlichen keinen Erfolg versprechen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Wie die Beklagtenvertreterin nachvollziehbar vorgetragen hat, ist ein sukzessives Herausgreifen der angreifenden Fans aufgrund der Kräftelage nicht möglich und auch nicht erfolgversprechend gewesen, da sich diese jedenfalls teilweise unter Unbeteiligte im Zug gemischt hatten. Weiter mussten die Polizeibeamten bei einem Eingreifen im Zug damit rechnen, dass auch Unbeteiligte gefährdet würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 20.000,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Feststellung der Rechtswidrigkeit verschiedener polizeilicher Maßnahmen, die gegen sie im Zusammenhang mit einem Fußballspiel ergangen sind.
Die Kläger trafen sich nach ihren eigenen Angaben am 24.10.2015 mit ca. 160 anderen Personen vor dem Heimspiel des Karlsruher Sport-Clubs (KSC) gegen den 1. Fußball-Club Kaiserslautern (FCK) in der Karlsruher Oststadt, um gemeinsam zum Wildparkstadion zu laufen. Gegen zehn Uhr setzte sich die Gruppe in Bewegung und gelangte um ca. 10:40 Uhr zur Einmündung Lärchenallee/Adenauerring. Dort wurde die Gruppe in dem östlich des Adenauerrings gelegenen Waldstück ca. 100 Meter vom Stadion entfernt von Einsatzkräften der Polizei angehalten. Ab etwa 11:10 Uhr war die Personengruppe von Polizeibeamten vollständig umschlossen, sodass die Kläger diese Umschließung nicht mehr verlassen konnten.
Auf die Durchsage der Polizei gegen 11:30 Uhr, alle festgehaltenen Personen einzeln zu durchsuchen, warfen mehrere der festgehaltenen Personen unter anderem Vermummungsgegenstände und Gegenstände zur Schutzbewaffnung auf den Boden. In der Folge wurden alle festgehaltenen Personen einzeln aus der Umschließung heraus- und zu Einsatzwagen der Polizei geführt, die in einer Reihe entlang der mittlerweile für den regulären Verkehr gesperrten Adenauerallee abgestellt waren. Dort folgte die Personalienfeststellung, Durchsuchung und erkennungsdienstliche Behandlung. Diese Maßnahmen wurden außerhalb der Polizeifahrzeuge und auch auf der straßenzugewandten Seite der Fahrzeugreihe durchgeführt, was von zahlreichen Passanten auf dem Weg zum Stadion beobachtet werden konnte. Bei ihrer fotografischen Erfassung wurde den Klägern auferlegt, ein Schild mit einer Nummer vor den Körper halten. Nach Abschluss der Individualmaßnahmen wurden die Betroffenen in eine separate polizeiliche Umschließung geführt, nach jeweils unterschiedlichen Wartezeiten von dort in Gruppen zum Eingang „Mitte“ des Stadions begleitet; anschließend konnten sie sich frei bewegen.
Gegen alle festgehaltenen Personen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Ermittlungsverfahren gegen die Kläger wurden von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In den jeweiligen Einstellungsverfügungen heißt es, dass die aufgefundenen Gegenstände zwar unter § 27 Abs. 1 und Abs. 2 VersG fielen, eine individuelle Zuordnung zu einzelnen Personen aber nicht möglich sei. Für eine Strafbarkeit nach § 127 StGB fehle es am individuellen Nachweis der Kenntnis, dass in der Gruppe gefährliche Gegenstände vorhanden waren. Mit einer Straftat nach den §§ 125, 125a StGB sei infolge des polizeilichen Einschreitens noch nicht begonnen worden.
Die Kläger haben am 18.01.2016 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass von den festgehaltenen Personen keinerlei Gefahr ausgegangen sei. In der Gruppe hätten sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene beiderlei Geschlechts befunden. Zu keinem Zeitpunkt hätte jemand aus dem Fanmarsch heraus provoziert oder angegriffen werden sollen. Kurz vor der Umschließung sei die Gruppe friedlich auf die Polizei zugelaufen; Fans oder Busse der Gästemannschaft seien nicht zu sehen gewesen. Die Polizei habe erstmals um 11:30 Uhr mit der Gruppe kommuniziert, indem sie angekündigt habe, dass die umschlossenen Personen nunmehr einzeln kontrolliert und fotografiert werden würden. Am Festhalteort seien tatsächlich nur wenige Mützen, Handschuhe, Tücher und Schals aufgefunden worden. Durch die Art und Weise der polizeilichen Einzelmaßnahmen seien die Kläger öffentlichkeitswirksam in stigmatisierender und diskriminierender Form „zur Schau gestellt“ worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien nicht verhältnismäßig gewesen. Insbesondere wären etwa Platzverweise und die Feststellung der Personalien gegenüber der Ingewahrsamnahme und der erkennungsdienstlichen Behandlung mildere Mittel gewesen. Vor allem aber hätte die Möglichkeit bestanden, die Personengruppe mittels umschließender Begleitung über den Eingang „Mitte“ ins Stadion zu führen. Die polizeilichen Einzelmaßnahmen hätten pro Person ca. 15 Minuten gedauert. Die Einzelmaßnahmen zulasten des Klägers zu 1 seien gegen 13 Uhr beendet gewesen, zu diesem Zeitpunkt seien gerade einmal 20-30 Personen erkennungsdienstlich behandelt gewesen. Das Spiel habe um 13 Uhr begonnen, die Kläger hätten aber erst gegen 14:10 Uhr ins Stadion gehen können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Begegnung mit 2:0 für den KSC bereits entschieden gewesen.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, dass die durch den Polizeivollzugsdienst des Beklagten gegenüber den Klägern durchgeführte Umschließung sowie die erkennungsdienstliche Behandlung am 24.10.2015 zwischen 10:40 Uhr und 14:10 Uhr im Bereich der Einmündung Lärchenallee/Adenauerring rechtswidrig gewesen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Zur Begründung wird vorgetragen, die Begegnung des KSC gegen den FCK sei aufgrund zahlreicher Vorfälle in der Vergangenheit und teilweiser verfeindeter Fangruppierungen aus polizeilicher Sicht als Hochrisikospiel eingestuft worden. Zur Verhinderung der erwarteten körperlichen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fangruppen – wie bei vorangegangenen Begegnungen geschehen – habe die Polizei versucht, Anhänger der beiden Mannschaften vor, während und nach dem Spiel räumlich zu trennen. Wie in der Vergangenheit auch sei im Vorfeld ein Fanmarsch vom Fanprojekt Karlsruhe in der Nordstadt über den Kanalweg, die Willy-Brandt-Allee und den nördlichen Adenauerring zum Stadion abgesprochen worden. Fanmärsche von der Oststadt zum Stadion am Gästeeingang vorbei seien wegen des damit verbundenen Konfliktpotentials in der Vergangenheit bereits mehrfach untersagt und auch unterbunden worden.
11 
Am Morgen des 24.10.2015 habe man von der Polizei in Kaiserslautern mitgeteilt bekommen, dass mehrere Busse mit sogenannten Problemfans des FCK bereits gegen halb neun Uhr in Richtung Karlsruhe losgefahren seien. Ab der Rheinbrücke Maxau sei dieser Konvoi gegen 10:15 Uhr von Einsatzkräften der Polizei begleitet worden. Während der Fahrt zum Stadion hätten sich zahlreiche Businsassen direkt an den Türen aufgestellt, weshalb davon auszugehen gewesen sei, dass diese Personen bei einem Angriff sofort aus dem Bus gestiegen wären und die Konfrontation aufgenommen hätten. Der Konvoi habe um 10:38 Uhr den Gästeeingangsbereich des Stadions erreicht. Um 10:39 Uhr habe sich eine größere Gruppe von als KSC-Anhänger erkennbaren Personen aus dem Bereich der Einmündung Adenauerring/Lärchenallee auf den Gästeeingangsbereich zubewegt. Eine solche Annäherung an gegnerische Bereiche werde von Fangruppen als Provokation angesehen und habe regelmäßig verbale und auch tätliche Auseinandersetzungen zur Folge. Die Gruppe habe offensichtlich die Konfrontation gesucht und die Busse der Gästefans abpassen wollen. Durch das Einschreiten der Polizei sei die Personengruppe gestoppt und damit ein weiteres Vordringen in Richtung des Gästeeingangsbereichs knapp vermieden worden.
12 
Ab ca. elf Uhr habe der Shuttle-Transport von rund 1.300 Gästefans vom Karlsruher Hauptbahnhof vorbei an der Einmündung Adenauerring/Lärchenallee zum Stadion begonnen. Durch die anhaltende Präsenz von Anhängern des FCK auf dem Adenauerring, im Bereich des Gästeeingangs und im Gästeblock im Stadion habe die von der umschlossenen Personengruppe ausgehende Gefahr einer gewalttätigen Auseinandersetzung fortbestanden. Entgegen der Behauptung der Kläger hätten sich in der umschlossenen Gruppe weder Kinder noch Frauen befunden. Es habe sich vielmehr um 121 Erwachsene und 31 Heranwachsende männlichen Geschlechts gehandelt, die in erster Linie dunkel gekleidet gewesen seien. Darunter hätten sich viele Angehörige der Fangruppierung „...“ befunden, die in der Vergangenheit bereits mehrfach für tätliche Auseinandersetzung verantwortlich gewesen seien. Auch die Kläger seien in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfasst. Ab ca. 11:30 Uhr habe mit der Personalienfeststellung und der körperlichen Durchsuchung der festgehaltenen Personen begonnen werden sollen. Nach Ankündigung dieser Maßnahmen hätten zahlreiche Personen aus der umschlossenen Gruppe Vermummungsgegenstände, Pyrotechnik und Schutzbewaffnung auf den Boden geworfen, um eine individuelle Zuordnung zu vereiteln. Nach Beendigung aller polizeilichen Maßnahmen seien an der Örtlichkeit 88 schwarze Schlauchschals, neun Sturmhauben, zwei spezielle Vermummungswesten, sieben Gebissschutze und ein Abschussgerät für Pyrotechnik mit acht Schuss Munition aufgefunden worden. Damit habe festgestanden, dass die Gruppe gezielt eine körperliche Auseinandersetzung beabsichtigt habe. Wegen der Gefahr weiterer Übergriffe sei zunächst geplant gewesen, die umschlossenen Personen bis zur Abfahrt der Anhänger des FCK nach dem Spiel in Folgegewahrsam zu nehmen. Hierfür hätte die Gruppe zum Polizeirevier West in der Moltkestraße verbracht werden sollen. Zur Vorbereitung des Gewahrsams sei vor Ort damit begonnen worden, die Personen nach Feststellung ihrer Identität einzeln zu durchsuchen und zu fotografieren. Bis 12:30 Uhr seien etwa 25 Personen auf diese Weise bearbeitet worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die telefonisch verständigte Bereitschaftsrichterin des Amtsgerichts Karlsruhe den Folgegewahrsam abgelehnt. Deshalb sei die erkennungsdienstliche Behandlung erforderlich geworden, um die festgehaltenen Personen aus der Anonymität zu reißen und auf diesem Wege weitere Straftaten zu unterbinden. Die polizeilichen Einzelmaßnahmen hätten auf beiden Seiten der in einer Reihe abgestellten Fahrzeuge stattgefunden, was zu einer Verkürzung der Bearbeitungszeiten zugunsten der Betroffenen geführt habe. Ein gezieltes „zur Schau stellen“ der Betroffenen sei nicht beabsichtigt gewesen.
13 
Nach den jeweiligen Einzelmaßnahmen seien die festgehaltenen Personen in eine weitere Umschließung verbracht und von dort um 13:00 Uhr, 13:21 Uhr, 13:37 Uhr und 13:57 Uhr in kleinen Gruppen vorbei am Gästeeingangsbereich zum Stadion begleitet worden. Die Personen hätten das Stadion allerdings erst betreten, als die polizeilichen Maßnahmen abgeschlossen und alle festgehaltenen Personen am Stadion angekommen seien. Nach den polizeilichen Aufzeichnungen sei der Kläger zu 1 um 12:10 Uhr, der Kläger zu 2 um 13:06 Uhr und der Kläger zu 3 um 13:08 Uhr erkennungsdienstlich behandelt worden. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger zu 1 in der ersten Gruppe und die Kläger zu 2 und 3 in der zweiten Gruppe zum Stadion gebracht worden seien. Insgesamt seien 152 Personen erkennungsdienstlich behandelt worden.
14 
Vor dem 24.10.2015 seien von den Klägern zu 2 und 3 in den polizeilichen Auskunftssystemen keine Lichtbilder vorhanden gewesen. Von dem Kläger zu 1 seien aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung vom ...2006 zwar Lichtbilder (Porträtaufnahme, Profil rechts, Halbprofil links, Ganzkörperansicht, Tätowierungen) vorhanden gewesen, diese seien angesichts ihres Alters aber nicht mehr ausreichend gewesen, um eine Wiedererkennung zu ermöglichen.
15 
Das Gericht hat eine dienstliche Stellungnahme der am 24.10.2015 diensthabenden Bereitschaftsrichterin des Amtsgerichts Karlsruhe eingeholt. Hierin heißt es, dass zu dem Vorgang weder ein schriftlicher Antrag der Polizei noch eigene Aufzeichnungen existieren würden. Soweit erinnerlich sei der Folgegewahrsam abgelehnt worden, weil ein Gewahrsamsgrund nicht hinreichend konkret benannt worden sei. Eine gerichtliche Entscheidung über einen Identitätsgewahrsam nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 PolG sei – soweit erinnerlich – nicht beantragt worden.
16 
In der mündlichen Verhandlung wurden die Kläger informatorisch befragt. Auf die Anlage zur Niederschrift vom 12.01.2017 wird verwiesen. Im Wesentlichen haben die Kläger auf Fragen das Folgende ausgeführt: Sie seien der Fangruppierung „...“ zugehörig, dies sei eine lose Gemeinschaft leidenschaftlicher Unterstützer des KSC. Gewöhnlich laufe man bei Heimspielen zusammen mit anderen KSC-Anhängern vom Fanprojekt in der Nordstadt zum Stadion. Etwa ein- bis zweimal pro Saison organisiere man bei besonderen Spielen aber einen eigenen Fanmarsch mit eigener Route zum Stadion. Diese eigenen Fanmärsche seien regelmäßig von der Polizei aufgehalten worden. Am 24.10.2015 habe man früh am Stadion sein wollen, um eine Choreographie für das Spiel einzuüben. Sie seien in der Gruppe weiter hinten gelaufen. Als sie die Adenauerallee erreicht haben, hätten sie nicht bemerkt, dass sich zu diesem Zeitpunkt Anhänger des FCK beim Stadion aufgehalten hätten. Die Gruppe sei auch nicht ausgewichen, als man Polizeikräfte wahrgenommen habe, sondern man sei auf die Beamten zu in Richtung Stadion gelaufen. Sie selbst hätten keine verbotenen Gegenstände mitgeführt. Ihnen sei auch nicht bekannt gewesen, dass andere Personen aus der Gruppe derartige Gegenstände bei sich hatten. Die Maßnahmen der Polizei seien unverhältnismäßig gewesen; von der Gruppe sei überhaupt keine Gefahr ausgegangen. Durch das öffentliche Fotografieren mit einer Nummer vor dem Körper sei bei den zahlreichen Passanten der Eindruck erweckt worden, sie seien Kriminelle. Der Kläger zu 1 erklärte, ein Polizeibeamter habe ihn auf dem Weg zu den Polizeifahrzeugen festgehalten und dabei zu ihm gesagt, dass er festgenommen sei und man dies auch sehen solle. Er sei auf der straßenzugewandten Seite der Fahrzeuge fotografiert worden. Währenddessen seien hunderte Passanten auf dem Adenauerring an ihm vorbei zum Stadion gelaufen. Dies sei etwa gegen 12:15 Uhr gewesen. Nach Abschluss der Maßnahmen sei er in die zweite Umschließung gebracht worden. Erst nach 13 Uhr sei er zum Stadion geführt worden. Der Kläger zu 2 gab an, seine erkennungsdienstliche Behandlung sei nach 13 Uhr zwischen zwei Polizeifahrzeugen durchgeführt worden. Er habe in der zweiten Umschließung etwa eine halbe Stunde warten müssen. Der Kläger zu 3 erklärte, auch er sei erst nach 13 Uhr und auf der straßenzugewandten Seite der Polizeifahrzeuge durchsucht und fotografiert worden.
17 
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung der Polizeibeamten ... und ... Auf die Anlage zur Niederschrift vom 12.01.2017 wird auch insoweit verwiesen. Die Lichtbilder der festgehaltenen Personengruppe und der aufgefundenen Gegenstände wurden in der Verhandlung in Augenschein genommen.
18 
Der Zeuge ... gab auf Fragen im Wesentlichen an: Er sei am fraglichen Tag Einsatzleiter gewesen. In der Vergangenheit habe es bei Begegnungen des KSC gegen den FCK immer wieder Auseinandersetzungen gegeben. Bei dem vorangegangenen Spiel in Kaiserslautern sei es zu schweren Auseinandersetzungen vor und während dem Spiel gekommen, weil es den Polizeikräften nicht gelungen sei, die Fangruppen zu trennen. In Karlsruhe hätten bestimmte Fangruppen in der Vergangenheit wiederholt versucht, zum Gästeeingangsbereich zu gelangen. Zuletzt sei dies bei einer Begegnung gegen den VfB Stuttgart geschehen, damals seien die Angreifer aus Richtung Schlossgarten gekommen. Am 24.10.2015 sei die Theodor-Heuss-Allee die Trennlinie zwischen den jeweiligen Problemfans der beiden Mannschaften gewesen, dort sei auch ein Gitterzaun aufgebaut worden. Gegenüber dem KSC-Fanprojekt sei im Vorfeld kommuniziert worden, dass organisierte Fangruppen im Bereich des Gästeeingangs nicht erwünscht seien.
19 
Er habe selbst festgestellt, dass die Insassen der Busse aus Kaiserslautern auf dem Weg zum Stadion an den Türen Aufstellung genommen hätten. Er habe sich von szenekundigen Beamten bestätigen lassen, dass es sich bei der festgehaltenen Personengruppe um die Karlsruher „Ultras“ gehandelt habe. Die beiden Gruppen hätten sich damit nur knapp verfehlt. Bei einem Zusammentreffen hätte es mit Sicherheit körperliche Auseinandersetzung und auch pyrotechnische Schüsse gegeben. Auch die „Ultras“ des FCK seien mit Pyrotechnik munitioniert gewesen und hätten diese nach Anpfiff im Stadion abgefeuert. Nach Umschließung der Personengruppe habe er zunächst die Identitätsfeststellung und die Durchsuchung der festgehaltenen Personen angeordnet. Eine umschließende Begleitung der Gruppe vorbei am Gästeeingangsbereich sei zur Gefahrenabwehr nicht ausreichend gewesen, weil sich der Konflikt dann zu einem späteren Zeitpunkt verwirklicht hätte. Nachdem er die Mitteilung erhalten habe, dass die festgehaltenen Personen Vermummungsgegenstände bei sich führten, habe er beim Amtsgericht wegen der Verbringung der Gruppe in den Zentralgewahrsam in der Moltkestraße anrufen lassen. Das Festhalten vor Ort sei für ihn noch kein Gewahrsam und damit auch nicht Gegenstand des Telefonats mit der Bereitschaftsrichterin gewesen. Nach Ablehnung des Gewahrsams habe er die erkennungsdienstliche Behandlung der Gruppe angeordnet, um sie bei weiteren Auseinandersetzungen gegebenenfalls identifizieren zu können. Er sei weiterhin von einer bevorstehenden Auseinandersetzung der „Ultra“-Gruppierungen ausgegangen. Weil der Veranstaltungsleiter des KSC kein Stadionverbot habe aussprechen wollen, seien keine Platzverweise erlassen worden. In den genauen Ablauf der durchgeführten polizeilichen Maßnahmen sei er nicht eingebunden gewesen, diese habe Herr ... organisiert.
20 
Der Zeuge ... gab auf Fragen im Wesentlichen an: Er sei am fraglichen Tag der zuständige Abschnittsleiter für den Bereich Interventionseinsatzkräfte gewesen. Er habe die Information erhalten, dass bestimmte, als problematisch eingestufte Unterstützer des FCK bereits sehr früh mit eigens angemieteten Bussen losgefahren seien und sich auf dem Weg mit zwei Anhängern des KSC getroffen hätten. Aus der Bevölkerung habe man um kurz nach zehn Uhr die Mitteilung erhalten, dass sich eine Gruppe KSC-Fans in der Nähe der Haid-und-Neu-Straße aufhalten würde. Nach Lage der Dinge sei man deshalb von einer geplanten und abgesprochenen Konfrontation ausgegangen. Er habe einen Teil der Einsatzkräfte in Richtung Haid-und-Neu-Straße verlegt, weil er dort mit einem Angriff auf die Gästebusse gerechnet habe. Von dem plötzlichen Erscheinen der sich erkennbar als „Ultra“-Gruppierung bewegenden Personen in der Nähe des Gästeeingangsbereichs sei er überrascht worden. Unmittelbar zuvor seien die Busse mit den Kaiserslauterer „Ultras“ am Stadion angelangt. Zunächst habe er vor Ort nur 30 Beamte zur Verfügung gehabt, mit denen er die Personengruppe angehalten habe. Erst durch Hinzuziehung weiterer Beamter habe er die Gruppe gegen 11:10 Uhr vollständig umschließen können, sodass sich die festgehaltenen Personen nicht mehr hätten wegbewegen können. Parallel dazu habe er den Adenauerring in diesem Bereich für den normalen Kraftfahrtverkehr sperren lassen. Zu dieser Zeit habe auch der Shuttleverkehr für die mit dem Zug angereisten Gästefans vom Bahnhof zum Stadion über den Adenauerring begonnen.
21 
Aufgrund der Situation und der polizeilichen Erkenntnis, dass einige der festgehaltenen Personen Vermummungsgegenstände mit sich führten, habe er angeregt, einen Folgegewahrsam zu beantragen. Zur Vorbereitung der im Raum stehenden Verbringung in den Zentralgewahrsam in der Moltkestraße habe er Einsatzfahrzeuge mit Büroausstattung (sogenannte Module) angefordert. Um die hierfür erforderlichen Maßnahmen – Identitätsfeststellung, Durchsuchung, fotographische Erfassung – möglichst ohne Eskalation durchführen zu können, seien über den Fanbeauftragten des KSC Gespräche mit der umschlossenen Gruppe geführt worden. Nach etwa 15 bis 20 Minuten, etwa gegen 11:30 Uhr, sei dann nach einer entsprechenden Durchsage mit den polizeilichen Maßnahmen begonnen worden. Dabei seien in großem Umfang Vermummungsgegenstände auf den Boden geworfen worden. Infolge der Vermittlung des Fanbetreuers sei es nur zu wenigen Widerstandshandlungen gekommen. Die Personen seien einzeln zu den Modulen verbracht und dort durchsucht und fotografiert worden. Das Abfotografieren mit einer vorgehaltenen Nummer ermögliche die Zuordnung der Fotos zu den festgestellten Personalien. Für einen Polizeigewahrsam müsse - bundeseinheitlich - ein mehrseitiges Formular ausgefüllt werden, die Bearbeitung einer Person dauere dadurch etwa 15 bis 20 Minuten. Im weiteren Verlauf hätten immer mehr Beamte und Module für die Maßnahmen zur Verfügung gestanden. Nachdem festgestanden habe, dass kein Folgegewahrsam durchgeführt werde, habe mit Videodurchlassstellen gearbeitet werden können. Hierbei werde die jeweilige Person samt Ausweisdokumente nur kurz abgefilmt, wodurch sich der Ablauf erheblich beschleunigt habe. Ab ca. 12:30 Uhr seien bis kurz vor 14 Uhr 127 Personen per Videodurchlassstelle bearbeitet worden. Am Ende seien es sieben oder acht Bearbeitungsstellen gewesen.
22 
Er habe die polizeilichen Fahrzeuge in einer Reihe an der östlichen Seite des Adenauerrings aufstellen lassen, um eine optische Trennung zur Straße herzustellen und damit Solidarisierungen und Provokationen durch andere Fans zu verhindern. Gleichzeitig habe aber auch verhindert werden müssen, dass sich die noch in der Umschließung befindlichen Personen mit den einzeln bearbeiteten Personen solidarisierten und es hierdurch zu einer Eskalation komme. Später habe er im Interesse einer möglichst kurzen Bearbeitungsdauer einer Bearbeitung auch auf der straßenzugewandten Seite zugestimmt. Nach seiner Erinnerung seien die polizeilichen Maßnahmen überwiegend auf der straßenabgewandten Seite durchgeführt worden. Bei der Vielzahl der über den Adenauerring zum Stadion gelangenden Zuschauer sei letztlich nicht zu verhindern gewesen, dass einzelne Personen unmittelbar an den Betroffenen vorbei gelaufen seien.
23 
Nach Abschluss der Maßnahmen habe es zwar eigentlich keinen Grund für ein weiteres Festhalten gegeben. Allerdings hätten die festgehaltenen Personen noch in das Stadion gehen wollen und wären auf dem Weg zum Eingang Mitte unmittelbar am Gästeeingang vorbeigekommen. Dort hätten sich auch nach Spielbeginn um 13 Uhr noch einzelne Anhänger des FCK aufgehalten, denen - aus welchen Gründen auch immer - der Eintritt ins Stadion verwehrt worden war. Es sei wahrscheinlich gewesen, dass diese Personen einzelne der freigelassenen Personen angegriffen hätten. Vor allem aber habe er damit gerechnet, dass die freigelassenen Personen auf einander gewartet hätten und gemeinsam am Gästeeingang vorbei zum Stadion gelaufen wären. In jedem Fall sei er davon ausgegangen, dass es ohne polizeiliche Begleitung dort zwangsläufig zu wechselseitigen Provokationen und Konflikten gekommen wäre. Nach seiner Erfahrung genügten Kleinigkeiten, um eine solche Situation eskalieren zu lassen. Personen aus dem Stadion hätten ohne Schwierigkeiten wieder herauskommen können. Die an den Stadioneingängen vorhandenen Polizeikräfte hätten eine Eskalation nicht sofort unterbinden können. Deshalb seien die Betroffenen nicht an Ort und Stelle freigelassen worden, sondern zunächst in eine zweite Umschließung aus Polizeibeamten gebracht und später in kleinen Gruppen zum Stadioneingang „Mitte“ geführt worden. Für eine Einzelbegleitung zum Stadion seien nicht genügend Einsatzkräfte vorhanden gewesen.
24 
Dem Gericht liegen die Verwaltungsakte des Beklagten – in Auszügen – und die Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen und Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
25 
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Soweit die Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Ingewahrsamnahme begehren, liegt hierüber keine gerichtliche Entscheidung vor, die nach § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG zu einem Ausschluss verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelfe führt. Nach den Angaben des Zeugen ... und der eingeholten schriftlichen Stellungnahme der zuständigen Bereitschaftsrichterin des Amtsgerichts Karlsruhe steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die durchgeführte Umschließung nicht Gegenstand einer amtsgerichtlichen Entscheidung war. Der Beklagte hat um 12:30 Uhr telefonisch eine gerichtliche Entscheidung über die von ihm als Folgegewahrsam bezeichnete Maßnahme beantragt. Gegenstand des Verfahrens war damit die Verbringung der Personengruppe zum Polizeirevier West in der Moltkestraße und die dortige Ingewahrsamnahme bis zur Abreise der Gästefans. Das Festhalten der Personengruppe im Bereich der Einmündung Lärchenallee/Adenauerring wurde dem Amtsgericht hingegen nicht zur Entscheidung gestellt. Nach Ablehnung des Folgegewahrsams wurde seitens der Polizei auch keine gerichtliche Entscheidung über die Fortdauer der Umschließung bis zum Abschluss der Einzelmaßnahmen beantragt. Damit sind die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung in vollem Umfang zugänglich.
II.
26 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Dabei kann offen bleiben, inwiefern es sich bei den angegriffenen polizeilichen Maßnahmen um Verwaltungsakte oder Realakte handelt und statthafte Klageart damit eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) oder eine allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist. Denn in beiden Fällen ist jeweils angesichts der Erledigung der polizeilichen Maßnahmen kein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Auch ist eine Klage, die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts gerichtet ist, der sich vor Eintritt der Bestandskraft erledigt hat, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7/98 -, BVerwGE 109, 203, juris). Zudem ist bei beiden Klagearten ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich. Ein solches Interesse ist in Fällen gewichtiger Grundrechtseingriffe gegeben, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verlauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung in der Regel nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2007 - 1 BvR 538/06, 1 BvR 21 BvR 2045/06 -, BVerfGE 117, 244, juris Rn. 69, m.w.N.). Dies ist der Fall. Bei der angegriffenen Umschließung handelt es sich um einen Eingriff in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die erkennungsdienstliche Behandlung betrifft das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Beide Maßnahmen sind typischerweise nur von kurzer Dauer.
III.
27 
Die Klagen haben allerdings in der Sache keinen Erfolg.
28 
1. Die Ingewahrsamnahme der Kläger war über ihre gesamte Dauer rechtmäßig.
29 
a) Entgegen der Einschätzung des Polizeivollzugsdienstes lag ein polizeilicher Gewahrsam im Sinne des § 28 Abs. 1 PolG vor. Ab wann eine Freiheitsentziehung gemäß Art. 104 Abs. 2 GG (und nicht bloß eine Freiheitsbeschränkung) und damit ein Gewahrsam nach Polizeirecht vorliegt, richtet sich nach der Intensität des Eingriffs (sogenannter materieller Gewahrsamsbegriff). Eine Freiheitsentziehung setzt mindestens voraus, dass die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 – 2 BvR 2292/00 –, BVerfGE 105, 239-252, juris Rn. 23). Dies war jedenfalls ab etwa 11:10 Uhr bis mindestens 13 Uhr der Fall. Bei dieser Zeitdauer hatte der Eingriff in die Freiheitsrechte eine solche Intensität erreicht, dass eine Freiheitsentziehung gegeben war (vgl. Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Auflage 2015, § 26 Rn. 29: ab einer Stunde; ähnlich auch Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage 2014, § 4 Rn. 12). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es nicht darauf an, dass das Festhalten der Hauptzweck der Maßnahme ist oder dass eine Verbringung an einen anderen als den Festhalteort erfolgt (so der sogenannte formelle Gewahrsamsbegriff; ausführlich hierzu Gusy, Freiheitsentziehung und Grundgesetz, NJW 1992, 457).
30 
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Kläger war nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG). Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 PolG kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Hiernach sind dem Betroffenen der Grund des Gewahrsams und die zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekanntzugeben. Diese Belehrungspflicht - ebenso wie etwa § 1 DVO PolG und im Unterschied zu den übrigen Absätzen des § 28 PolG trotz identischer Formulierung - setzt (neben einer gewissen Intensität der Maßnahme) die Verbringung in behördliche Gewahrsamsräume voraus (vgl. - insoweit folgerichtig schweigend - VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2011 - 1 S 2513/10 -, juris Rn. 23). Im Fall einer kurzzeitigen Ingewahrsamnahme einer größeren Personengruppe durch polizeiliche Umschließung an Ort und Stelle ist eine Belehrung nach § 28 Abs. 2 PolG nicht praktikabel und auch vom Zweck der Norm nicht gefordert.
31 
c) Als die Personengruppe von Einsatzkräften der Polizei umschlossen und damit auch die Kläger in Gewahrsam genommen wurden, lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auf andere Weise nicht verhindert werden kann. Die Rechtmäßigkeit der hierfür anzustellenden Gefahrenprognose bestimmt sich aus Sicht eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten ex ante. Der Polizei steht insoweit eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2011, a. a. O., Rn. 25). Ob im Nachhinein betrachtet tatsächlich eine Gefahr vorgelegen hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht von Bedeutung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26, m.w.N.). Unmittelbar bevor steht eine Störung, wenn mit ihr sofort oder in allernächster Zeit gerechnet werden muss.
32 
Die Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung an diesem Maßstab stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Begehung von Straftaten, insbesondere die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG darstellt. Auch ist die Annahme der Polizei nicht zu beanstanden, die umschlossene Personengruppe habe gezielt die körperliche Auseinandersetzung mit Fangruppierungen des FCK gesucht. Vor dem Hintergrund der Vorfälle bei dem vorangegangenen Spiel der beiden Mannschaften war von einer latenten Gefahr auszugehen. Nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Einschätzung des Beklagten bestand die Gefahr einer gewaltsamen Auseinandersetzung insbesondere bei einem unkontrollierten Aufeinandertreffen der jeweiligen „Ultra“-Gruppierungen. Genau diesem Gefährdungsszenario entsprach dann die aus Sicht der Polizei unvermittelte Annäherung der Gruppe aus Richtung Oststadt - entgegen der üblichen Route des abgesprochenen Fanmarsches - an den Gästeeingangsbereich weit vor Spielbeginn und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ankunft der Busse der Kaiserslauterer „Ultra“-Gruppierungen, deren Insassen sich in scheinbarer Erwartung einer Auseinandersetzung bereits an den Türen aufgestellt hatten. Das Erscheinungsbild der geschlossen auftretenden, einheitlich gekleideten ca. 150 Personen ausschließlich männlichen Geschlechts ließ keinen anderen Schluss zu, als dass hier eine organisierte Gruppe bewusst die Konfrontation suchte. Die gegenteilige Behauptung der Kläger, es hätten sich Kinder und Frauen an dem friedlichen Marsch beteiligt, wurde in der mündlichen Verhandlung nicht weiter konkretisiert und ist widerlegt durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder, die eine Gruppe ausschließlich erwachsener, einheitlich gekleideter Männer zeigt, von denen einer bereits vermummt ist. Durch die räumlich-zeitliche Nähe des Erscheinens der Personengruppe zu den unmittelbar zuvor unter Polizeibegleitung am Stadion angekommenen Bussen aus Kaiserslautern stand die Gefahr einer erheblichen Störung der öffentlichen Sicherheit aus ex-ante-Sicht auch unmittelbar bevor. Der Verdacht, dass eine Auseinandersetzung von beiden Lagern abgesprochen war, lag auf der Hand. Die Kläger wurden zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Ob sie von der zeitgleichen Anwesenheit der Kaiserslauterer „Ultra“-Busse selbst Kenntnis hatten bzw. sich an einer körperlichen Auseinandersetzung beteiligen wollten, ist für die Gefahrenprognose aus objektiver ex-ante-Sicht nicht von Relevanz.
33 
d) Die Umschließung der Kläger war auch verhältnismäßig. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 – 2 BvR 2292/00 –, BVerfGE 105, 239, juris Rn. 23). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen.
34 
Die zur Gefahrenabwehr geeignete Ingewahrsamnahme der Kläger war aus ex-ante-Perspektive erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht ersichtlich waren. Ein Platzverweis nach § 27a Abs. 1 PolG, welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges (§§ 49 Abs. 2, 50 PolG) hätte durchgesetzt werden müssen, wäre wegen der Gefahr, dass zumindest ein Teil der umschlossenen Personen zum Gästeeingangsbereich vordringt oder sonst in unmittelbarer Umgebung auf gewaltbereite Fans des FCK trifft, nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen. Mit den konkret vorhandenen Polizeikräften wäre es nach den glaubhaften Angaben des Zeugen ... nicht möglich gewesen, Platzverweise effektiv zu vollziehen. Viele der eingesetzten Beamten waren bis Spielbeginn durch andere Aufgaben gebunden. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2011, a. a. O., Rn 27). Zur Abwehr der Gefahr für die körperlichen Unversehrtheit auch Unbeteiligter war der mit der Ingewahrsamnahme verbundene Grundrechtseingriff auch angemessen.
35 
e) Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen die rechtlichen Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern auch während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde.
36 
Auch unter diesem Gesichtspunkt begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams keinen durchgreifenden Bedenken. Der Zweck des Gewahrsams war, Auseinandersetzungen im Bereich des Gästeeingangs mit bestimmten Fangruppen des FCK zu verhindern. Nach den auch insoweit schlüssigen Angaben der Zeugen bestand die Gefahr einer derartigen Auseinandersetzung bis nach Spielbeginn unverändert fort, weil sich Fangruppierungen des FCK weiterhin in unmittelbarer Nähe befanden. Die Gefahr eines Aufeinandertreffens konnte letztlich nur dadurch beseitigt werden, dass die Karlsruher „Ultra“-Gruppierung bis hinter die Gitterzaunlinie zum Eingang „Mitte“ begleitet wurden.
37 
Im Hinblick auf die bestehende Gefahr einer Auseinandersetzung nach Spielende ist nicht zu beanstanden, dass die Polizei die Personengruppe nicht unmittelbar aus dem Gästebereich heraus und zum Stadioneingang Mitte geführt hat, sondern für die Personalienfeststellung, Durchsuchung und erkennungsdienstliche Behandlung weiter festgehalten hat. Dies lässt sich zwar aufgrund der verstrichenen Zeitdauer nicht mehr auf § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG stützen. Auf Grundlage des § 28 Abs. 1 Nr. 3 PolG ist zum Zweck der Identitätsfeststellung aber auch ein Gewahrsam zulässig. Dass die Kläger für die genannten Maßnahmen festgehalten wurden, war auch im Hinblick auf die zeitliche Dauer nicht unverhältnismäßig. Wie der Zeuge ... nachvollziehbar dargelegt hat, gab es sachliche Gründe für die Dauer der Maßnahmen. Auch die Kläger haben nicht gerügt, dass die einzelnen Maßnahmen hätten zügiger durchgeführt werden können.
38 
Soweit die Kläger nach Abschluss der polizeilichen Einzelmaßnahmen nicht sofort freigelassen, sondern zunächst in eine zweite Umschließung gebracht wurden, ist dies ebenfalls gerechtfertigt. Denn auch zu diesem Zeitpunkt stand eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG noch unmittelbar bevor. Wären die Kläger unmittelbar freigelassen worden, wären sie einzeln - und für Dritte erkennbar aus der polizeilichen Umschließung der „Ultras“ stammend - oder (nach vorherigem aufeinander warten) als gesamte Gruppe auf dem Weg zum Stadion direkt am Gästeeingangsbereich vorbeigekommen. Hierbei wäre es aller Voraussicht nach zu Provokationen und in der Folge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit doch noch zu den befürchteten Auseinandersetzungen gekommen. Dass für eine Begleitung der bearbeiteten Personen jeweils einzeln zum Eingang Mitte nicht genügend Polizeibeamte zur Verfügung standen, ist für das Gericht nach den Angaben des Zeugen ... nicht zweifelhaft.
39 
f) Der Gewahrsam der Kläger war auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss ein Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden. Deshalb hat die Polizei nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die richterliche Entscheidung muss also ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002, a. a. O., Rn. 26). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge. Die Polizei genügt dem Gebot zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung grundsätzlich dadurch, dass sie die Sache beim zuständigen Amtsgericht anhängig macht, d.h. dem Gericht den Sachverhalt vorträgt mit der Bitte um Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung. Aber auch die weitere Sachbehandlung durch das Amtsgericht muss den Anforderungen des § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art 104 Abs. 2 Satz 2 GG genügen, insbesondere muss dessen Entscheidung grundsätzlich unverzüglich ergehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.09.2004 – 1 S 2206/03 –, juris Rn. 53). Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 4 PolG bedarf es einer unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung allerdings nicht, wenn eine Prognose ergibt, dass die gerichtliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Ausnahme vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 02.11.2016 – 1 BvR 289/15 –, juris Rn. 22).
40 
Gemessen hieran lässt sich ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Der Beklagte war nicht verpflichtet, den tatsächlich durchgeführten Gewahrsam bei Gericht anhängig zu machen. Denn bis zur Beendigung des Gewahrsams hätte eine gerichtliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen nicht ergehen können. Die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung setzt - zur Gewährung rechtlichen Gehörs - grundsätzlich die persönliche Anhörung der Betroffenen voraus (vgl. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), die bei 152 festgehaltenen Personen mit Sicherheit länger gedauert hätte als die tatsächliche Dauer des Gewahrsams. Für diese rechtliche Beurteilung ist unerheblich, dass der Einsatzleiter des Beklagten, der Zeuge ..., nicht vom Vorliegen eines Gewahrsams ausging. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 Satz 4 PolG vorliegen, bestimmt sich aus objektiver Sicht ex-ante. Es kann auch dahinstehen, ob der beabsichtigte Folgegewahrsam in der Moltkestraße unverzüglich im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG bei Gericht anhängig gemacht wurde. Dieser Gewahrsam wurde letztlich nicht durchgeführt und ist nicht Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Überprüfung.
41 
2. Auch die erkennungsdienstliche Behandlung der Kläger war rechtmäßig.
42 
a) Die erkennungsdienstliche Behandlung der Kläger erfolgte zur (präventiven) Verhütung künftiger Straftaten und nicht zum Zweck der (repressiven) Strafverfolgungsvorsorge (zur schwierigen Abgrenzung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003 – 1 S 2211/02 –, juris Rn. 27 ff.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.09.2009 – 11 ME 402/09 –, juris Rn. 26 f.). Die Betroffenen sollten durch die erkennungsdienstlichen Behandlung aus der Anonymität gerissen und durch die geschaffene Möglichkeit, Straftaten gegebenenfalls leichter aufklären zu können, von der Begehung von Straftaten gegen die Allgemeinheit oder gegen Anhänger der Gästemannschaft nach Entlassung aus dem polizeilichen Gewahrsam abgeschreckt werden (eine solche Wirkung - für den „genetischen Fingerabdruck“ - bezweifelnd allerdings BVerfG, Beschl. v. 14. 12.2000 – 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 22 BvR 2061/00 –, BVerfGE 103, 21, juris Rn. 48). Rechtsgrundlage ist damit nicht § 81b Alt. 2 StPO, sondern § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG. Im Übrigen ist die Wahl der Ermächtigungsgrundlage ohne Konsequenz, weil beide Vorschriften weitgehend die gleichen Voraussetzungen besitzen und in beiden Fällen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (zu den Unterschieden vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, VBlBW 2016, 424, juris; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348; sowie VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003, a. a. O.).
43 
b) Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen keine Bedenken.
44 
c) Auch die materiellen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG lagen vor. Hiernach kann der Polizeivollzugsdienst erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und die Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, dass er zukünftig eine Straftat begehen wird.
45 
aa) Zunächst bestand jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als mehrere Vermummungsgegenstände, Gegenstände zur Schutzbewaffnung und Pyrotechnik aus der Gruppe heraus auf den Boden geworfen wurden, hinsichtlich aller umschlossener Personen der Verdacht von Straftaten nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VersG sowie § 127 StGB. Dementsprechend wurden auch gegen die Kläger Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dass bei Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, schließt einen Verdacht im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG nicht aus. Auch die spätere Einstellung der Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO bleibt bei der Beurteilung der ex-ante-Einschätzung der Polizei außer Betracht. Zudem kann auch nach Einstellung des Verfahrens ein Tatverdacht im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu bejahen sein (vgl. zum Vorstehenden VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.04.2016, a. a. O.).
46 
bb) Nach den Umständen des Einzelfalls war auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Kläger zukünftig solche Straftaten begehen werden (zur Einschränkung dieses Tatbestandsmerkmals auf Straftaten, für die im konkreten Fall eine Wiederholungsgefahr begründet werden kann, vgl. - zu § 81b Alt. 2 StPO - VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003, a.a.O., Rn. 9). Die Zeugen ... und ... haben in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie seien trotz der durchgeführten Maßnahmen davon ausgegangen, dass es im weiteren Verlauf zu Auseinandersetzungen zwischen den festgehaltenen Personen und bestimmten Fangruppierungen des FCK kommen könne. Aus ihrer Sicht seien Auseinandersetzungen geplant gewesen. Erfahrungsgemäß fänden die meisten Auseinandersetzungen nach Spielende statt. Im Rahmen der Abreise der Gästefans hätte es hierzu auch zahlreiche Möglichkeiten in der Nähe des Gästeeingangsbereichs und auf den Abfahrtswegen vom Stadion gegeben. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Im Übrigen wäre auch die Annahme gerechtfertigt gewesen, die festgehaltenen Personen würden bei künftigen Spielen des KSC gegen Anhänger bestimmter gegnerischer Mannschaften Straftaten begehen.
47 
cc) Die erkennungsdienstliche Behandlung der Kläger war auch verhältnismäßig.
48 
Sie war zur Gefahrenabwehr geeignet, weil potentielle Störer hierdurch aus der Anonymität gerissen werden und wissen, dass sie fortan für jede weitere ihnen zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden können. Hierfür genügte die bloße Personalienfeststellung nach § 26 Abs. 1 PolG als milderes Mittel grundsätzlich nicht. Im Hinblick auf die Vielzahl der kontrollierten Personen, die überwiegend ähnlich gekleidet waren, hätte man die Kläger nicht ohne weiteres wiedererkannt. Zu den ebenfalls erfassten Personalien musste die fotografische Erfassung hinzukommen, um die Betroffenen vollständig der Anonymität zu entreißen und ihnen bewusst zu machen, dass sie etwa aufgrund von Videoaufzeichnungen möglicher weiterer Ausschreitungen anhand der Lichtbilder identifiziert und strafrechtlich verfolgt werden könnten (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 24.09.2014 – 5 K 659/14.F –, juris Rn. 106).
49 
Mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedarf es allerdings in jedem Einzelfall der Prüfung, ob die durchgeführten erkennungsdienstlichen Maßnahmen (§ 36 Abs. 2 PolG) auch ihrem Umfang nach notwendig sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003, a. a. O., Rn. 13). Eine erkennungsdienstliche Behandlung ist nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig, wenn von dem Betroffenen bereits technisch einwandfreie Daten aus der jüngeren Vergangenheit vorliegen und zudem feststeht, dass diese genauso geeignet sind wie neues Material. Allerdings kann die Behörde dabei nicht auf Datenmaterial verwiesen werden, das möglicherweise nicht mehr hinreichend aktuell ist. Daher ist es trotz der vorhandenen Lichtbilder des Klägers zu 1 aus dem Jahr 2006 rechtlich nicht zu beanstanden, dass nach Ablauf von zehn Jahren eine Aktualisierung erkennungsdienstlicher Unterlagen für erforderlich gehalten wird (vgl. zum Ganzen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.08.2016 – 5 A 2212/15 –, juris Rn. 5).
50 
Entgegen dem Vorbringen der Kläger bestehen auch gegen die Art und Weise der Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung keine Bedenken.
51 
Zwar gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, polizeiliche Maßnahmen so durchzuführen, dass diskriminierende Begleitumstände vermieden werden (Grundsatz der geringsten Beeinträchtigung). Eine polizeiliche Maßnahme in aller Öffentlichkeit ist für die Betroffenen grundsätzlich mit einem zusätzlichen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre verbunden, weil sie von Passanten wahrgenommen werden kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 08.03.2012 – 10 C 12.141 –, juris Rn. 18). Insbesondere das durch Dritte wahrnehmbare Abfotografieren mit einer Nummer vor dem Körper stellt einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen dar.
52 
Der Zeuge ... hat jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass es bei der Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen zunächst zu verhindern galt, dass die Situation durch Solidarisierungen bzw. Provokationen eskaliert. Die optische Trennung der Gruppe sowohl von Passanten auf dem Adenauerring als auch von den einzeln bearbeiteten Personen sei hierfür zeitweise notwendig gewesen. Erst mit zunehmender Dauer habe er Polizeikräfte in ausreichender Zahl zur Verfügung gehabt. Die mit der Art und Weise der polizeilichen Maßnahmen verbundenen zusätzlichen Rechtseingriffe sind insoweit aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Soweit im Interesse einer möglichst kurzen Dauer des Gewahrsams für alle Betroffenen die Entscheidung getroffen wurde, erkennungsdienstliche Maßnahmen auch auf der straßenzugewandten Seite durchzuführen, weil auf der straßenabgewandten Seite der Polizeifahrzeuge hierfür nicht genügend Platz zur Verfügung stand, ist dies aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn anderenfalls hätten die Kläger zwar von weniger Personen wahrgenommen werden können, was den mit der Maßnahme verbundenen zusätzlichen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre verringert hätte. Zugleich hätten aber auch weniger Personen parallel bearbeitet werden können. Dies hätte für die meisten Betroffenen zu einer Verlängerung der Freiheitsentziehung und damit insgesamt zu schwereren Grundrechtsbeeinträchtigungen geführt. Aus den gleichen Gründen wäre die Verbringung zur nächstgelegenen Polizeidienststelle zur Durchführung der erkennungsdienstliche Behandlung kein schonenderer Eingriff gewesen. Eine mildere Form der Durchführung der – im Übrigen rechtmäßigen – Maßnahme bestand folglich nicht.
53 
Sonstige Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung sind nicht ersichtlich und wurden auch von den Klägern nicht vorgetragen. Zur Verhinderung von Straftaten waren die mit dieser Maßnahme verbundenen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Kläger auch angemessen.
III.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 VwGO i. V. m. § 100 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegt nicht vor.
55 
Beschluss
56 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG, § 39 Abs. 1 GKG auf 30.000 Euro festgesetzt.
57 
Angesichts ihres Gewichts ist für beide angegriffenen Maßnahmen jeweils der Auffangstreitwert festzusetzen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.10.2010 – 1 S 338/10 –, juris Rn. 10). Dieser Streitwert war für jeden der drei Kläger gesondert festzusetzen und gemäß § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen. Von diesem Vorgehen ist bei subjektiver Klagehäufung nur abzusehen, wenn die Klageanträge keine selbstständige Bedeutung haben, sondern wirtschaftlich denselben Gegenstand betreffen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 04.05.2006 - 1 S 2525/05, openJur 2013, 14370). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere stehen die Kläger nicht in dem Sinne in einer Rechtsgemeinschaft, dass ihnen gegenüber das Verfahren nur einheitlich entschieden werden könnte (siehe auch Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, Nr. 1.1.3).
58 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
I.
25 
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Soweit die Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Ingewahrsamnahme begehren, liegt hierüber keine gerichtliche Entscheidung vor, die nach § 28 Abs. 4 Satz 6 PolG zu einem Ausschluss verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelfe führt. Nach den Angaben des Zeugen ... und der eingeholten schriftlichen Stellungnahme der zuständigen Bereitschaftsrichterin des Amtsgerichts Karlsruhe steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die durchgeführte Umschließung nicht Gegenstand einer amtsgerichtlichen Entscheidung war. Der Beklagte hat um 12:30 Uhr telefonisch eine gerichtliche Entscheidung über die von ihm als Folgegewahrsam bezeichnete Maßnahme beantragt. Gegenstand des Verfahrens war damit die Verbringung der Personengruppe zum Polizeirevier West in der Moltkestraße und die dortige Ingewahrsamnahme bis zur Abreise der Gästefans. Das Festhalten der Personengruppe im Bereich der Einmündung Lärchenallee/Adenauerring wurde dem Amtsgericht hingegen nicht zur Entscheidung gestellt. Nach Ablehnung des Folgegewahrsams wurde seitens der Polizei auch keine gerichtliche Entscheidung über die Fortdauer der Umschließung bis zum Abschluss der Einzelmaßnahmen beantragt. Damit sind die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung in vollem Umfang zugänglich.
II.
26 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Dabei kann offen bleiben, inwiefern es sich bei den angegriffenen polizeilichen Maßnahmen um Verwaltungsakte oder Realakte handelt und statthafte Klageart damit eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) oder eine allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist. Denn in beiden Fällen ist jeweils angesichts der Erledigung der polizeilichen Maßnahmen kein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Auch ist eine Klage, die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts gerichtet ist, der sich vor Eintritt der Bestandskraft erledigt hat, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7/98 -, BVerwGE 109, 203, juris). Zudem ist bei beiden Klagearten ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich. Ein solches Interesse ist in Fällen gewichtiger Grundrechtseingriffe gegeben, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verlauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung in der Regel nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2007 - 1 BvR 538/06, 1 BvR 21 BvR 2045/06 -, BVerfGE 117, 244, juris Rn. 69, m.w.N.). Dies ist der Fall. Bei der angegriffenen Umschließung handelt es sich um einen Eingriff in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die erkennungsdienstliche Behandlung betrifft das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Beide Maßnahmen sind typischerweise nur von kurzer Dauer.
III.
27 
Die Klagen haben allerdings in der Sache keinen Erfolg.
28 
1. Die Ingewahrsamnahme der Kläger war über ihre gesamte Dauer rechtmäßig.
29 
a) Entgegen der Einschätzung des Polizeivollzugsdienstes lag ein polizeilicher Gewahrsam im Sinne des § 28 Abs. 1 PolG vor. Ab wann eine Freiheitsentziehung gemäß Art. 104 Abs. 2 GG (und nicht bloß eine Freiheitsbeschränkung) und damit ein Gewahrsam nach Polizeirecht vorliegt, richtet sich nach der Intensität des Eingriffs (sogenannter materieller Gewahrsamsbegriff). Eine Freiheitsentziehung setzt mindestens voraus, dass die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 – 2 BvR 2292/00 –, BVerfGE 105, 239-252, juris Rn. 23). Dies war jedenfalls ab etwa 11:10 Uhr bis mindestens 13 Uhr der Fall. Bei dieser Zeitdauer hatte der Eingriff in die Freiheitsrechte eine solche Intensität erreicht, dass eine Freiheitsentziehung gegeben war (vgl. Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Auflage 2015, § 26 Rn. 29: ab einer Stunde; ähnlich auch Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage 2014, § 4 Rn. 12). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es nicht darauf an, dass das Festhalten der Hauptzweck der Maßnahme ist oder dass eine Verbringung an einen anderen als den Festhalteort erfolgt (so der sogenannte formelle Gewahrsamsbegriff; ausführlich hierzu Gusy, Freiheitsentziehung und Grundgesetz, NJW 1992, 457).
30 
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Kläger war nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG). Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 PolG kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Hiernach sind dem Betroffenen der Grund des Gewahrsams und die zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekanntzugeben. Diese Belehrungspflicht - ebenso wie etwa § 1 DVO PolG und im Unterschied zu den übrigen Absätzen des § 28 PolG trotz identischer Formulierung - setzt (neben einer gewissen Intensität der Maßnahme) die Verbringung in behördliche Gewahrsamsräume voraus (vgl. - insoweit folgerichtig schweigend - VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2011 - 1 S 2513/10 -, juris Rn. 23). Im Fall einer kurzzeitigen Ingewahrsamnahme einer größeren Personengruppe durch polizeiliche Umschließung an Ort und Stelle ist eine Belehrung nach § 28 Abs. 2 PolG nicht praktikabel und auch vom Zweck der Norm nicht gefordert.
31 
c) Als die Personengruppe von Einsatzkräften der Polizei umschlossen und damit auch die Kläger in Gewahrsam genommen wurden, lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auf andere Weise nicht verhindert werden kann. Die Rechtmäßigkeit der hierfür anzustellenden Gefahrenprognose bestimmt sich aus Sicht eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten ex ante. Der Polizei steht insoweit eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2011, a. a. O., Rn. 25). Ob im Nachhinein betrachtet tatsächlich eine Gefahr vorgelegen hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht von Bedeutung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26, m.w.N.). Unmittelbar bevor steht eine Störung, wenn mit ihr sofort oder in allernächster Zeit gerechnet werden muss.
32 
Die Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung an diesem Maßstab stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Begehung von Straftaten, insbesondere die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG darstellt. Auch ist die Annahme der Polizei nicht zu beanstanden, die umschlossene Personengruppe habe gezielt die körperliche Auseinandersetzung mit Fangruppierungen des FCK gesucht. Vor dem Hintergrund der Vorfälle bei dem vorangegangenen Spiel der beiden Mannschaften war von einer latenten Gefahr auszugehen. Nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Einschätzung des Beklagten bestand die Gefahr einer gewaltsamen Auseinandersetzung insbesondere bei einem unkontrollierten Aufeinandertreffen der jeweiligen „Ultra“-Gruppierungen. Genau diesem Gefährdungsszenario entsprach dann die aus Sicht der Polizei unvermittelte Annäherung der Gruppe aus Richtung Oststadt - entgegen der üblichen Route des abgesprochenen Fanmarsches - an den Gästeeingangsbereich weit vor Spielbeginn und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ankunft der Busse der Kaiserslauterer „Ultra“-Gruppierungen, deren Insassen sich in scheinbarer Erwartung einer Auseinandersetzung bereits an den Türen aufgestellt hatten. Das Erscheinungsbild der geschlossen auftretenden, einheitlich gekleideten ca. 150 Personen ausschließlich männlichen Geschlechts ließ keinen anderen Schluss zu, als dass hier eine organisierte Gruppe bewusst die Konfrontation suchte. Die gegenteilige Behauptung der Kläger, es hätten sich Kinder und Frauen an dem friedlichen Marsch beteiligt, wurde in der mündlichen Verhandlung nicht weiter konkretisiert und ist widerlegt durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder, die eine Gruppe ausschließlich erwachsener, einheitlich gekleideter Männer zeigt, von denen einer bereits vermummt ist. Durch die räumlich-zeitliche Nähe des Erscheinens der Personengruppe zu den unmittelbar zuvor unter Polizeibegleitung am Stadion angekommenen Bussen aus Kaiserslautern stand die Gefahr einer erheblichen Störung der öffentlichen Sicherheit aus ex-ante-Sicht auch unmittelbar bevor. Der Verdacht, dass eine Auseinandersetzung von beiden Lagern abgesprochen war, lag auf der Hand. Die Kläger wurden zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Ob sie von der zeitgleichen Anwesenheit der Kaiserslauterer „Ultra“-Busse selbst Kenntnis hatten bzw. sich an einer körperlichen Auseinandersetzung beteiligen wollten, ist für die Gefahrenprognose aus objektiver ex-ante-Sicht nicht von Relevanz.
33 
d) Die Umschließung der Kläger war auch verhältnismäßig. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 – 2 BvR 2292/00 –, BVerfGE 105, 239, juris Rn. 23). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen.
34 
Die zur Gefahrenabwehr geeignete Ingewahrsamnahme der Kläger war aus ex-ante-Perspektive erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht ersichtlich waren. Ein Platzverweis nach § 27a Abs. 1 PolG, welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges (§§ 49 Abs. 2, 50 PolG) hätte durchgesetzt werden müssen, wäre wegen der Gefahr, dass zumindest ein Teil der umschlossenen Personen zum Gästeeingangsbereich vordringt oder sonst in unmittelbarer Umgebung auf gewaltbereite Fans des FCK trifft, nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen. Mit den konkret vorhandenen Polizeikräften wäre es nach den glaubhaften Angaben des Zeugen ... nicht möglich gewesen, Platzverweise effektiv zu vollziehen. Viele der eingesetzten Beamten waren bis Spielbeginn durch andere Aufgaben gebunden. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2011, a. a. O., Rn 27). Zur Abwehr der Gefahr für die körperlichen Unversehrtheit auch Unbeteiligter war der mit der Ingewahrsamnahme verbundene Grundrechtseingriff auch angemessen.
35 
e) Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen die rechtlichen Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern auch während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde.
36 
Auch unter diesem Gesichtspunkt begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams keinen durchgreifenden Bedenken. Der Zweck des Gewahrsams war, Auseinandersetzungen im Bereich des Gästeeingangs mit bestimmten Fangruppen des FCK zu verhindern. Nach den auch insoweit schlüssigen Angaben der Zeugen bestand die Gefahr einer derartigen Auseinandersetzung bis nach Spielbeginn unverändert fort, weil sich Fangruppierungen des FCK weiterhin in unmittelbarer Nähe befanden. Die Gefahr eines Aufeinandertreffens konnte letztlich nur dadurch beseitigt werden, dass die Karlsruher „Ultra“-Gruppierung bis hinter die Gitterzaunlinie zum Eingang „Mitte“ begleitet wurden.
37 
Im Hinblick auf die bestehende Gefahr einer Auseinandersetzung nach Spielende ist nicht zu beanstanden, dass die Polizei die Personengruppe nicht unmittelbar aus dem Gästebereich heraus und zum Stadioneingang Mitte geführt hat, sondern für die Personalienfeststellung, Durchsuchung und erkennungsdienstliche Behandlung weiter festgehalten hat. Dies lässt sich zwar aufgrund der verstrichenen Zeitdauer nicht mehr auf § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG stützen. Auf Grundlage des § 28 Abs. 1 Nr. 3 PolG ist zum Zweck der Identitätsfeststellung aber auch ein Gewahrsam zulässig. Dass die Kläger für die genannten Maßnahmen festgehalten wurden, war auch im Hinblick auf die zeitliche Dauer nicht unverhältnismäßig. Wie der Zeuge ... nachvollziehbar dargelegt hat, gab es sachliche Gründe für die Dauer der Maßnahmen. Auch die Kläger haben nicht gerügt, dass die einzelnen Maßnahmen hätten zügiger durchgeführt werden können.
38 
Soweit die Kläger nach Abschluss der polizeilichen Einzelmaßnahmen nicht sofort freigelassen, sondern zunächst in eine zweite Umschließung gebracht wurden, ist dies ebenfalls gerechtfertigt. Denn auch zu diesem Zeitpunkt stand eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG noch unmittelbar bevor. Wären die Kläger unmittelbar freigelassen worden, wären sie einzeln - und für Dritte erkennbar aus der polizeilichen Umschließung der „Ultras“ stammend - oder (nach vorherigem aufeinander warten) als gesamte Gruppe auf dem Weg zum Stadion direkt am Gästeeingangsbereich vorbeigekommen. Hierbei wäre es aller Voraussicht nach zu Provokationen und in der Folge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit doch noch zu den befürchteten Auseinandersetzungen gekommen. Dass für eine Begleitung der bearbeiteten Personen jeweils einzeln zum Eingang Mitte nicht genügend Polizeibeamte zur Verfügung standen, ist für das Gericht nach den Angaben des Zeugen ... nicht zweifelhaft.
39 
f) Der Gewahrsam der Kläger war auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss ein Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden. Deshalb hat die Polizei nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die richterliche Entscheidung muss also ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002, a. a. O., Rn. 26). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge. Die Polizei genügt dem Gebot zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung grundsätzlich dadurch, dass sie die Sache beim zuständigen Amtsgericht anhängig macht, d.h. dem Gericht den Sachverhalt vorträgt mit der Bitte um Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung. Aber auch die weitere Sachbehandlung durch das Amtsgericht muss den Anforderungen des § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art 104 Abs. 2 Satz 2 GG genügen, insbesondere muss dessen Entscheidung grundsätzlich unverzüglich ergehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.09.2004 – 1 S 2206/03 –, juris Rn. 53). Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 4 PolG bedarf es einer unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung allerdings nicht, wenn eine Prognose ergibt, dass die gerichtliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Ausnahme vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 02.11.2016 – 1 BvR 289/15 –, juris Rn. 22).
40 
Gemessen hieran lässt sich ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Der Beklagte war nicht verpflichtet, den tatsächlich durchgeführten Gewahrsam bei Gericht anhängig zu machen. Denn bis zur Beendigung des Gewahrsams hätte eine gerichtliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen nicht ergehen können. Die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung setzt - zur Gewährung rechtlichen Gehörs - grundsätzlich die persönliche Anhörung der Betroffenen voraus (vgl. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), die bei 152 festgehaltenen Personen mit Sicherheit länger gedauert hätte als die tatsächliche Dauer des Gewahrsams. Für diese rechtliche Beurteilung ist unerheblich, dass der Einsatzleiter des Beklagten, der Zeuge ..., nicht vom Vorliegen eines Gewahrsams ausging. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 Satz 4 PolG vorliegen, bestimmt sich aus objektiver Sicht ex-ante. Es kann auch dahinstehen, ob der beabsichtigte Folgegewahrsam in der Moltkestraße unverzüglich im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG bei Gericht anhängig gemacht wurde. Dieser Gewahrsam wurde letztlich nicht durchgeführt und ist nicht Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Überprüfung.
41 
2. Auch die erkennungsdienstliche Behandlung der Kläger war rechtmäßig.
42 
a) Die erkennungsdienstliche Behandlung der Kläger erfolgte zur (präventiven) Verhütung künftiger Straftaten und nicht zum Zweck der (repressiven) Strafverfolgungsvorsorge (zur schwierigen Abgrenzung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003 – 1 S 2211/02 –, juris Rn. 27 ff.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.09.2009 – 11 ME 402/09 –, juris Rn. 26 f.). Die Betroffenen sollten durch die erkennungsdienstlichen Behandlung aus der Anonymität gerissen und durch die geschaffene Möglichkeit, Straftaten gegebenenfalls leichter aufklären zu können, von der Begehung von Straftaten gegen die Allgemeinheit oder gegen Anhänger der Gästemannschaft nach Entlassung aus dem polizeilichen Gewahrsam abgeschreckt werden (eine solche Wirkung - für den „genetischen Fingerabdruck“ - bezweifelnd allerdings BVerfG, Beschl. v. 14. 12.2000 – 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 22 BvR 2061/00 –, BVerfGE 103, 21, juris Rn. 48). Rechtsgrundlage ist damit nicht § 81b Alt. 2 StPO, sondern § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG. Im Übrigen ist die Wahl der Ermächtigungsgrundlage ohne Konsequenz, weil beide Vorschriften weitgehend die gleichen Voraussetzungen besitzen und in beiden Fällen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (zu den Unterschieden vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.04.2016 - 1 S 275/16 -, VBlBW 2016, 424, juris; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348; sowie VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003, a. a. O.).
43 
b) Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen keine Bedenken.
44 
c) Auch die materiellen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG lagen vor. Hiernach kann der Polizeivollzugsdienst erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und die Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, dass er zukünftig eine Straftat begehen wird.
45 
aa) Zunächst bestand jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als mehrere Vermummungsgegenstände, Gegenstände zur Schutzbewaffnung und Pyrotechnik aus der Gruppe heraus auf den Boden geworfen wurden, hinsichtlich aller umschlossener Personen der Verdacht von Straftaten nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VersG sowie § 127 StGB. Dementsprechend wurden auch gegen die Kläger Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dass bei Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, schließt einen Verdacht im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG nicht aus. Auch die spätere Einstellung der Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO bleibt bei der Beurteilung der ex-ante-Einschätzung der Polizei außer Betracht. Zudem kann auch nach Einstellung des Verfahrens ein Tatverdacht im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu bejahen sein (vgl. zum Vorstehenden VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.04.2016, a. a. O.).
46 
bb) Nach den Umständen des Einzelfalls war auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Kläger zukünftig solche Straftaten begehen werden (zur Einschränkung dieses Tatbestandsmerkmals auf Straftaten, für die im konkreten Fall eine Wiederholungsgefahr begründet werden kann, vgl. - zu § 81b Alt. 2 StPO - VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003, a.a.O., Rn. 9). Die Zeugen ... und ... haben in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie seien trotz der durchgeführten Maßnahmen davon ausgegangen, dass es im weiteren Verlauf zu Auseinandersetzungen zwischen den festgehaltenen Personen und bestimmten Fangruppierungen des FCK kommen könne. Aus ihrer Sicht seien Auseinandersetzungen geplant gewesen. Erfahrungsgemäß fänden die meisten Auseinandersetzungen nach Spielende statt. Im Rahmen der Abreise der Gästefans hätte es hierzu auch zahlreiche Möglichkeiten in der Nähe des Gästeeingangsbereichs und auf den Abfahrtswegen vom Stadion gegeben. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Im Übrigen wäre auch die Annahme gerechtfertigt gewesen, die festgehaltenen Personen würden bei künftigen Spielen des KSC gegen Anhänger bestimmter gegnerischer Mannschaften Straftaten begehen.
47 
cc) Die erkennungsdienstliche Behandlung der Kläger war auch verhältnismäßig.
48 
Sie war zur Gefahrenabwehr geeignet, weil potentielle Störer hierdurch aus der Anonymität gerissen werden und wissen, dass sie fortan für jede weitere ihnen zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden können. Hierfür genügte die bloße Personalienfeststellung nach § 26 Abs. 1 PolG als milderes Mittel grundsätzlich nicht. Im Hinblick auf die Vielzahl der kontrollierten Personen, die überwiegend ähnlich gekleidet waren, hätte man die Kläger nicht ohne weiteres wiedererkannt. Zu den ebenfalls erfassten Personalien musste die fotografische Erfassung hinzukommen, um die Betroffenen vollständig der Anonymität zu entreißen und ihnen bewusst zu machen, dass sie etwa aufgrund von Videoaufzeichnungen möglicher weiterer Ausschreitungen anhand der Lichtbilder identifiziert und strafrechtlich verfolgt werden könnten (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 24.09.2014 – 5 K 659/14.F –, juris Rn. 106).
49 
Mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedarf es allerdings in jedem Einzelfall der Prüfung, ob die durchgeführten erkennungsdienstlichen Maßnahmen (§ 36 Abs. 2 PolG) auch ihrem Umfang nach notwendig sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.2003, a. a. O., Rn. 13). Eine erkennungsdienstliche Behandlung ist nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig, wenn von dem Betroffenen bereits technisch einwandfreie Daten aus der jüngeren Vergangenheit vorliegen und zudem feststeht, dass diese genauso geeignet sind wie neues Material. Allerdings kann die Behörde dabei nicht auf Datenmaterial verwiesen werden, das möglicherweise nicht mehr hinreichend aktuell ist. Daher ist es trotz der vorhandenen Lichtbilder des Klägers zu 1 aus dem Jahr 2006 rechtlich nicht zu beanstanden, dass nach Ablauf von zehn Jahren eine Aktualisierung erkennungsdienstlicher Unterlagen für erforderlich gehalten wird (vgl. zum Ganzen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.08.2016 – 5 A 2212/15 –, juris Rn. 5).
50 
Entgegen dem Vorbringen der Kläger bestehen auch gegen die Art und Weise der Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung keine Bedenken.
51 
Zwar gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, polizeiliche Maßnahmen so durchzuführen, dass diskriminierende Begleitumstände vermieden werden (Grundsatz der geringsten Beeinträchtigung). Eine polizeiliche Maßnahme in aller Öffentlichkeit ist für die Betroffenen grundsätzlich mit einem zusätzlichen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre verbunden, weil sie von Passanten wahrgenommen werden kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 08.03.2012 – 10 C 12.141 –, juris Rn. 18). Insbesondere das durch Dritte wahrnehmbare Abfotografieren mit einer Nummer vor dem Körper stellt einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen dar.
52 
Der Zeuge ... hat jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass es bei der Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen zunächst zu verhindern galt, dass die Situation durch Solidarisierungen bzw. Provokationen eskaliert. Die optische Trennung der Gruppe sowohl von Passanten auf dem Adenauerring als auch von den einzeln bearbeiteten Personen sei hierfür zeitweise notwendig gewesen. Erst mit zunehmender Dauer habe er Polizeikräfte in ausreichender Zahl zur Verfügung gehabt. Die mit der Art und Weise der polizeilichen Maßnahmen verbundenen zusätzlichen Rechtseingriffe sind insoweit aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Soweit im Interesse einer möglichst kurzen Dauer des Gewahrsams für alle Betroffenen die Entscheidung getroffen wurde, erkennungsdienstliche Maßnahmen auch auf der straßenzugewandten Seite durchzuführen, weil auf der straßenabgewandten Seite der Polizeifahrzeuge hierfür nicht genügend Platz zur Verfügung stand, ist dies aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn anderenfalls hätten die Kläger zwar von weniger Personen wahrgenommen werden können, was den mit der Maßnahme verbundenen zusätzlichen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre verringert hätte. Zugleich hätten aber auch weniger Personen parallel bearbeitet werden können. Dies hätte für die meisten Betroffenen zu einer Verlängerung der Freiheitsentziehung und damit insgesamt zu schwereren Grundrechtsbeeinträchtigungen geführt. Aus den gleichen Gründen wäre die Verbringung zur nächstgelegenen Polizeidienststelle zur Durchführung der erkennungsdienstliche Behandlung kein schonenderer Eingriff gewesen. Eine mildere Form der Durchführung der – im Übrigen rechtmäßigen – Maßnahme bestand folglich nicht.
53 
Sonstige Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung sind nicht ersichtlich und wurden auch von den Klägern nicht vorgetragen. Zur Verhinderung von Straftaten waren die mit dieser Maßnahme verbundenen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Kläger auch angemessen.
III.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 VwGO i. V. m. § 100 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegt nicht vor.
55 
Beschluss
56 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG, § 39 Abs. 1 GKG auf 30.000 Euro festgesetzt.
57 
Angesichts ihres Gewichts ist für beide angegriffenen Maßnahmen jeweils der Auffangstreitwert festzusetzen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.10.2010 – 1 S 338/10 –, juris Rn. 10). Dieser Streitwert war für jeden der drei Kläger gesondert festzusetzen und gemäß § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen. Von diesem Vorgehen ist bei subjektiver Klagehäufung nur abzusehen, wenn die Klageanträge keine selbstständige Bedeutung haben, sondern wirtschaftlich denselben Gegenstand betreffen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 04.05.2006 - 1 S 2525/05, openJur 2013, 14370). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere stehen die Kläger nicht in dem Sinne in einer Rechtsgemeinschaft, dass ihnen gegenüber das Verfahren nur einheitlich entschieden werden könnte (siehe auch Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, Nr. 1.1.3).
58 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2010 – 4 K 2303/09 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu den Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme.
Am 02.06.2007 fand auf Platz 2 des Wildparkstadions in Karlsruhe eine Regionalligabegegnung zwischen der zweiten Mannschaft des Karlsruher SC und dem SSV Reutlingen statt. Die Reutlinger Fans wurden ab Eintreffen mit der S-Bahn am Durlacher Tor auf ihrem Fußmarsch zum Stadion durch Einsatzkräfte der Polizei begleitet. Gegen 14.00 Uhr wurde die Fangruppe, die auf der Westseite des Adenauerrings entlang des Universitätsgeländes ging, auf Höhe der Fußgängerüberführung Richard-Willstätter-Allee von zum Teil maskierten und vermummten KSC-Fans angegriffen. Dabei wurden eine Rauchbombe gezündet und Flaschen, Steine und Farbeimer gegen die Reutlinger Fans geworfen. Hierbei wurden zwei Polizeibeamte verletzt. Unmittelbar nach der Attacke rannten die Angreifer wieder in das Waldgebiet Richtung Stadion zurück. Von den nachsetzenden Einsatzkräften wurde eine Gruppe von 40 Personen beim Universitätsschwimmbad gestellt und zur Personalienfest-stellung festgehalten. Darunter befand sich auch der Kläger. Da die Polizei nach dem Spiel weitere Angriffe auf die Reutlinger Fans befürchtete, wurde den festgehaltenen Personen zur Verhinderung solcher Störungen der Polizeigewahrsam erklärt mit dem Ziel der Entlassung nach Abreise der Reutlinger Fans. Weil die vorhandenen polizeilichen Transportkapazitäten nicht ausreichten, wurde zum Transport ein Bus der Verkehrsbetriebe Karlsruhe geordert, mit dem die Betroffenen unter Polizeibegleitung zum Zentralgewahrsam des Polizeipräsidiums Karlsruhe in der Moltkestraße gefahren wurden. Nach Abreise der Reutlinger Fans gegen 17.30 Uhr wurden die in Gewahrsam Genommenen sukzessive in Fünfergruppen auf freien Fuß gesetzt.
Das gegen den Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 06.02.2008 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In den Gründen hieß es, es bestünden keine Zweifel an einem im Sinne der §§ 125, 125 a StGB tatbestandlichen Verhalten der einzelnen Mitglieder der Karlsruher Gruppe. Auch sprächen in Anbetracht dessen, dass der Kläger sich kurz nach der Tat in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von „Fußballfans“ bewegt habe, gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er bei den Angreifern dabei gewesen sei. Andererseits könne nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass tatsächlich eine zumindest teilweise Durchmischung der angreifenden Gruppe mit an den Angriffen nicht beteiligten Personen stattgefunden habe.
Mit einer Ausnahme wurden auch gegen die übrigen in Gewahrsam genommenen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet, die in vier Fällen zu einer Anklageerhebung, in allen anderen Fällen ebenfalls zu einer Einstellung führten. Die vier Angeklagten wurden alle vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen.
Mit Gebührenbescheid vom 23.07.2007 zog das Polizeipräsidium Karlsruhe den Kläger zu einer Gebühr in Höhe von 93,-- EUR heran (Transport mit dem Polizeifahrzeug: 48,-- EUR; Unterbringung im Polizeigewahrsam: 45,-- EUR). Auch gegen die übrigen 39 in Gewahrsam genommenen Personen ergingen entsprechende Gebührenbescheide.
Am 30.07.2007 legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, die Zahlungsaufforderung sei für ihn völlig unverständlich und nicht hinnehmbar. Sie seien grundlos und unschuldig abgeführt worden. Der Transport habe nicht in einem Polizeifahrzeug, sondern in einem für die Reutlinger Fans bereitgestellten Linienbus stattgefunden. Der Einsatz von nur ca. zehn Beamten im Bus habe einen Personalaufwand von 240,-- EUR verursacht, was durch 41 Businsassen dividiert 6,-- EUR pro Person ergebe. Schließlich habe es sich um keinen Polizeigewahrsam gehandelt, vielmehr seien sie lediglich in eine Garage verfrachtet worden.
Mit Schreiben vom 29.09.2008 teilte das Polizeipräsidium Karlsruhe dem Kläger mit, dass der Gebührenbescheid vom 23.07.2007 auf die Gebühr für die Unterbringung im Polizeigewahrsam, mithin auf 45,-- EUR, reduziert werde.
Den im Übrigen aufrecht erhaltenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landespolizeidirektion - mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die polizeiliche Ingewahrsamnahme durch den Polizeivollzugsdienst hätten vorgelegen. Die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen stelle eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die eingesetzten Beamten hätten davon ausgehen müssen, dass es während oder nach dem Fußballspiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Gästefans und weiteren Auseinandersetzungen kommen könnte. Die Ingewahr-samnahme habe der Verhinderung weiterer erheblicher Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gedient und sei unter Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers die einzige angemessene Maßnahme gewesen. Die Höhe der Gebühren entspreche den rechtlichen Vorgaben.
Am 11.09.2009 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Von der Ingewahrsamnahme seien auch Personen betroffen gewesen, die - wie er - in keinster Weise an den unschönen Vorfällen im Vorfeld des Fußballspiels beteiligt gewesen seien. Er sei an den Auseinandersetzungen weder aktiv beteiligt gewesen noch habe er diese unterstützt. Er habe damit weder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gestört noch Straftaten begangen. Eine entsprechende Gefahr sei von ihm nicht ausgegangen. Der Beklagte habe seine gegenteilige Behauptung weder dargelegt noch bewiesen. Die bloße Tatsache, dass er sich als Fußballfan auf dem Weg zu einem Fußballspiel befunden habe, in dessen Vorfeld es in der Nähe zu Ausschreitungen gekommen sei, rechtfertige die Ingewahrsamnahme nicht. Deshalb sei auch der Gebührenbescheid aufzuheben.
10 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat ausgeführt, dass gegen den Kläger nach wie vor der Verdacht des Landfriedensbruchs bestehe. Dies ergebe sich auch aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 06.02.2008. Bei der Beurteilung, ob eine unmittelbar bevorstehende Gefahr die Ingewahrsamnahme gerechtfertigt habe, sei eine gruppenbezogene Betrachtung angestellt worden.
11 
Mit Urteil vom 13.01.2010 - 4 K 2303/09 - hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam dürften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme keinen rechtlichen Bedenken begegne. Sie sei von § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG gedeckt. Da für die inzident zu überprüfende Inge-wahrsamnahme die ex ante-Sicht der Polizei maßgeblich sei und der Kläger aus dieser Sicht zur Gruppe der Störer gehört habe, könne hinsichtlich der Heranziehung zu den Kosten nichts anderes gelten.
12 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 04.11.2010 - 1 S 604/10 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren im Wesentlichen vor: Nach den tatsächlichen Feststellungen könne allenfalls davon ausgegangen werden, dass er als sog. Anscheinsstörer anzusehen sei. Ob er als solcher zu Kosten herangezogen werden dürfe, sei aus der ex post-Perspektive zu beantworten. Entscheidend sei, wie sich die Gefahrenlage und ihre Verursachung bei rückwirkender Betrachtung darstellten. Danach erweise sich der Gebührenbescheid als rechtswidrig, weil weder konkret dargelegt noch bewiesen worden sei, dass von dem Kläger eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen sei.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2010 - 4 K 2303/09 - zu ändern und den Gebührenbescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. August 2009 aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Der Kläger sei nicht lediglich Anscheinsstörer, sondern Mitglied einer Gruppe gewesen, von der eine Störung ausgegangen sei. Zudem könne auch der Anscheinsstörer zu Polizeikosten herangezogen werden, wenn er in zurechenbarer Weise den Anschein der Gefahr veranlasst habe. Dies sei hier der Fall.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe - 150 Js 1317/08 - vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz ist zulässig und reicht vorliegend für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung aus, weil der Kläger damit hinreichend deutlich macht, weshalb er die Berufung für begründet hält (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <122> und Urt. v. 08.03.2004 - 4 C 6.03 - NVwZ-RR 2004, 541).
II.
20 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- EUR sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
22 
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
23 
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
24 
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
25 
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
26 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
27 
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
28 
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
29 
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
30 
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
31 
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf „den Gewahrsam“, d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 <249> m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
32 
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
33 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
34 
2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
35 
Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798<800>). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von „Fußballfans“ auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben („… wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt“; „Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden“) deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
36 
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- EUR für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- EUR, die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 EUR - 5.000 EUR) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 17. März 2011
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 69,-- EUR festgesetzt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz ist zulässig und reicht vorliegend für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung aus, weil der Kläger damit hinreichend deutlich macht, weshalb er die Berufung für begründet hält (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <122> und Urt. v. 08.03.2004 - 4 C 6.03 - NVwZ-RR 2004, 541).
II.
20 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- EUR sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
22 
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
23 
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
24 
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
25 
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
26 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
27 
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
28 
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
29 
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
30 
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
31 
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf „den Gewahrsam“, d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 <249> m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
32 
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
33 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
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2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
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Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798<800>). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von „Fußballfans“ auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben („… wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt“; „Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden“) deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
36 
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- EUR für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- EUR, die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 EUR - 5.000 EUR) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 17. März 2011
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 69,-- EUR festgesetzt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.