Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 19. Mai 2017 - 1 B 30/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0519.1B30.17.00
bei uns veröffentlicht am19.05.2017

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 50.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Untersagung des Inverkehrbringens eines Präparats zur Beeinflussung des Cholesterinspiegels.

2

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, welches auf dem Gebiet der Mikroalgen und der natürlichen Nahrungsergänzung in Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb tätig ist. Unter der Bezeichnung „XXX“ vertreibt die Antragstellerin seit Mitte 2012 ein Präparat als Nahrungsergänzungsmittel, welches pro Kapsel laut Auslobung 333 mg rot fermentierten Reis mit 10 mg des Wirkstoffs Monacolin K enthält. Bei Rotschimmelreis handelt es sich um ein Produkt der Fermentation von gewöhnlichem Reis mit bestimmten Schimmelpilzstämmen. Das Produkt „ XXX“ solle zum Erhalt eines normalen Cholesterin-Spiegels im Blut beitragen. Der Inhaltsstoff Monacolin K ist chemisch identisch mit dem Wirkstoff Lovastatin, der in zugelassenen und verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln zur Senkung des Cholesterinspiegels enthalten ist.

3

Mit Schreiben vom 25.02.2014 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, es bestehe der Verdacht, dass es sich bei dem Produkt „ XXX“ um ein Arzneimittel handele, das zulassungspflichtig sei. Die Antragstellerin bestritt die Arzneimitteleigenschaft. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Einstufung als pharmakologisch wirkendes Arzneimittel nur in Betracht komme, wenn für ein Produkt eine therapeutische Wirkung zur Heilung oder Linderung von Krankheiten wissenschaftlich valide belegt sei. Die gleiche Wirkung dürfe dabei nicht über die übliche Ernährung erzielt werden können. Es müsse eine Erheblichkeitsschwelle einer signifikanten Beeinflussung des Stoffwechsels überschritten werden.

4

Der Antragsgegner legte mit Schreiben vom 25.03.2014 dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Produkt zur Einstufung vor. Das BfArM stellte mit Bescheid vom 24.08.2015 fest, dass es sich bei dem Produkt „ XXX“ um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele. Das BfArM führte in seinem Bescheid unter Nennung von Literaturhinweisen aus, dass die pharmakologische Wirkung von Lovastatin für die mit dem Mittel „ XXX“ angebotene Dosis von 10 mg pro Kapsel wissenschaftlich belegt sei. In kontrollierten klinischen Studien sei eine Senkung des LDL-Cholesterinspiegels im Bereich von 21,6 bis 24 % nachgewiesen worden. Dies stelle eine erhebliche Beeinflussung der physiologischen Funktionen dar. Gegen den Bescheid des BfArM legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des BfArM vom 08.09.2016 zurückgewiesen. Die Antragstellerin erhob gegen den feststellenden Bescheid und den Widerspruchsbescheid des BfArM am 13.10.2016 Klage bei dem Verwaltungsgericht Köln.

5

Mit der Ordnungsverfügung vom 24.02.2017 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin das Inverkehrbringen des nicht zugelassenen Arzneimittels „ XXX“ und ordnete den Rückruf vom Markt aller innerhalb von 12 Monaten vor Zustellung der Ordnungsverfügung ausgelieferten Arzneimittel „ XXX“ an. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung der Untersagung und der Rückrufanordnung angeordnet. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung und für den Fall des unterlassenen Rückrufs innerhalb eines Monats nach Zustellung der Ordnungsverfügung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 € angedroht.

6

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass es sich bei „ XXX“ aufgrund der nachgewiesenen pharmakologischen Wirkung des Inhaltsstoffes Monacolin K um ein Arzneimittel handele. Aus einer veröffentlichten Stellungnahme der gemeinsamen Expertenkommission des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und des BfArM zur Einstufung von Rotschimmelreisprodukten gehe hervor, dass die signifikante Senkung des LDL-Cholesterins bereits bei einer Dosierung von 5 mg Monacolin K (Lovastatin) einsetze. Die gleiche Menge Lovastatin könne nicht über die normale Ernährung aufgenommen werden. Der in der Literatur angeführte Gehalt an Monacolin K von bis zu 6 mg pro Gramm Pilztrockenmasse sei in der durch das BfArM in Auftrag gegebenen Studie nicht nachvollziehbar gewesen. Bei einem beispielhaften Verzehr von 100 bis 200 g könnten maximal 4 bis 11 µg Lovastatin (Monacolin K) aufgenommen werden.

7

Auch für den Verbraucher stelle sich das Produkt „ XXX“ aufgrund der Informationen zu dem Produkt, in denen bei bestehenden Erkrankungen die ärztliche Beratung zur Einnahme des Produkt empfohlen werde bzw. bestimmten Personengruppen von der Einnahme abgeraten werde, als Arzneimittel dar.

8

Es handele sich nicht um ein Lebensmittel nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG, da nach Art. 2 Satz 2 Buchstabe d der Verordnung Nr. 178/2002/EG i.V.m. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie Nr. 65/65/EWG wegen der Beeinflussung der menschlichen Körperfunktionen ein Arzneimittel vorliege.

9

Die Untersagung des Inverkehrbringens des nicht zugelassenen Arzneimittels „ XXX“ sei zum Schutz der Verbraucher vor beträchtlichen Gesundheitsgefahren erforderlich und angemessen. Nicht zugelassene Fertigarzneimittel, die der Verschreibungspflicht unterlägen, seien ein unverhältnismäßig hohes Gesundheitsrisiko für den Verbraucher. Die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin müssten hinter dem hohen Schutzgut der Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurückstehen.

10

Von dem Präparat „XXX“ seien in diversen Veröffentlichungen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen beschrieben. Aus dem Bescheid des BfArM vom 24.08.2015 gehe hervor, dass von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde für den Zeitraum 1990 bis 2002 147 Rhabdomyolysen im Zusammenhang mit der Behandlung mit Lovastatin registriert worden seien. Diese seien in 14,2 % der Fälle als lebensbedrohlich eingestuft worden und in 10,2 % der Fälle tödlich verlaufen. Das BfArM habe zudem in einer Pressemitteilung vor unerwünschten Wirkungen von Monacolin K gewarnt. So seien beispielsweise Schädigungen der Skelettmuskulatur und der Leber wahrscheinlich. Bei gleichzeitiger Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Monacolin K und Arzneimitteln zur Senkung des Cholesterinspiegels könne es zu Muskelschädigungen kommen. Die Einnahme von „XXX“ als Nahrungsergänzungsmittel ohne ärztliche Überwachung stelle zudem ein besonders hohes Risiko dar. Bedingt durch die fehlende ärztliche Diagnose einer Hyperlipidämie und die fehlende ärztliche Betreuung bei der Therapie könnten sekundäre Ursachen für erhöhte Blutfettwerte nicht vorab festgestellt werden. Wechselwirkungen blieben so möglicherweise unerkannt. Ein weiteres Risiko durch Präparate mit Rotem Reis bestehe in der Bildung toxischer Nebenprodukte bei der Fermentation von Reis. Bei einer Analyse in den USA sei in 7 von 9 untersuchten Produkten Citrinin gefunden worden. Citrinin habe eine nierenschädigende Wirkung.

11

Auch die auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG beruhende Rückrufanordnung sei erforderlich zur Verhütung von Gesundheitsgefahren für eine Vielzahl von Konsumenten. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel stehe nicht zur Verfügung, da die öffentliche Warnung des BfArM die aktuellen Käufer nicht erreicht habe. Es liege für die Antragstellerin keine Deckungsvorsorge für die Haftung für die Verletzung oder Tötung eines oder mehrerer Menschen vor. Die Rückrufanordnung sei insbesondere wegen der zeitlichen Beschränkung auf 12 Monate vor Zustellung der Verfügung erforderlich und zumutbar. Denn die Arzneimittel seien nach allgemeiner Lebenserfahrung nach 12 Monaten in nahezu allen Käuferhaushalten aufgebraucht.

12

Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung führte der Antragsgegner aus, dass diese dem notwendigen sofortigen Schutz einer Vielzahl von Menschen vor unvertretbaren Risiken einer Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels diene. Darin liege ein über das übliche Interesse an der Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Regelungen hinausgehendes, besonderes öffentliches Interesse, das den Vollzug der Maßnahmen besonders eilbedürftig mache. Es solle sichergestellt werden, dass sich die befürchteten Risiken im Falle einer Anfechtungsklage nicht aufgrund der aufschiebenden Wirkung während der Dauer des Verfahrens realisieren könnten. Das Vollzugsinteresse überwiege das Aussetzungsinteresse, da die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen ein bedeutendes, grundgesetzlich geschütztes Rechtsgut sei.

13

Gegen die Ordnungsverfügung vom 24.02.2017 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.03.2017 Widerspruch ein.

14

Am 17.03.2017 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.

15

Die Antragstellerin trägt vor, dass das Bedürfnis für einen Rückruf und die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach dreijähriger Ruhe bereits nicht nachvollziehbar sei. Es handele sich bei „ XXX“ nicht um ein Arzneimittel, da die pharmakologische Wirkung nicht nachgewiesen sei. Die Behörde sei für die Behauptung einer pharmakologischen Wirkung beweispflichtig. Eine Einstufung als pharmakologisch wirkendes Arzneimittel komme nach der Rechtsprechung nur in Betracht, wenn für ein Produkt eine therapeutische Wirkung zur Heilung oder Linderung von Krankheiten wissenschaftlich valide belegt sei, nicht die gleichen Wirkungen auch über die übliche Ernährung erzielt werden könnten und eine Erheblichkeitsschwelle einer signifikanten Beeinflussung des Stoffwechsels überschritten werde. Eine klinische Studie sei mit dem streitigen Produkt nie durchgeführt worden. Der Sachverhalt sei nicht durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten aufgeklärt worden. Daher könne der Sachverhalt nicht als bewiesen unterstellt werden. Über diese Voraussetzungen helfe auch nicht die Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie Nr. 2001/83/EG hinweg. Diese komme nur zur Anwendung, wenn feststehe, dass ein pharmakologisch wirkendes Arzneimittel vorliege.

16

Es sei bei „ XXX“ von einem Lebensmittel und einem Nahrungsergänzungsmittel auszugehen. Für Rotschimmelreis finde sich in der Liste zulässiger gesundheitsbezogener Lebensmittel in der Verordnung Nr. 432/2012/EG die Zulassung der Bewerbung von Lebensmitteln mit diesem Inhaltsstoff mit dem Hinweis, dass Monacolin K aus Rotschimmelreis zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut beitrage. Dies setze eine Aufnahme von mindestens 10 mg Monacolin K aus Rotschimmelreis voraus. In einem Sachverständigengutachten von Dr. XXX sei zudem festgestellt worden, dass die Tagesverzehrempfehlung von 10 mg Monacolin K die arzneiliche Wirkmenge unterschreite, die in der „expanded clinical evaluation of lovastatin“ ermittelt worden sei.

17

Eine vergleichbare Menge Monacolin K könne mit einer verzehrüblichen Portion Austernpilzen von 300 g aufgenommen werden. Der Lovastatin-Gehalt von Pilzen habe mit einer Untersuchung mittels HPLC-Analyse ermittelt werden können. Diese Methode sei anerkannt. Eine Studie der Universität Hannover habe zu dem Ergebnis geführt, dass der tägliche Verzehr von 600 ml Suppe aus getrockneten Austernpilzen zu einer signifikanten Senkung des Cholesterinspiegels führe. Ein Verweis auf die gegenteilige Auffassung der Expertenkommission von BVL und BfArM sei als Beweis unbrauchbar, da der Sachverhalt im Hinblick auf die entsprechenden wissenschaftlichen Publikationen umstritten sei.

18

Der Effekt von 5 bis 10 mg Monacolin K führe unstreitig lediglich zu einer Senkung des LDL Cholesterins. Es sei allgemein wissenschaftlich anerkannt, dass eine solche Senkung des LDL Cholesterins eine ernährungsphysiologische Wirkung von Lebensmitteln des Alltags sei. Eine cholesterinsenkende Wirkung sei keine pharmakologische, metabolische Wirkung.

19

Auch das Bestehen arzneimittelrechtlicher Zulassungen für vergleichbare Produkte sei kein Beleg für die pharmakologische Wirkung des streitgegenständlichen Präparats.

20

Unzulässig sei eine Verweigerung des Antragsgegners, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Dies ergebe sich bereits aus dem Amtsermittlungsgrundsatz.

21

Ein Risiko der Tagesdosierung von 10 mg Monacolin K werde bestritten. Der europäische Gesetzgeber habe mit der Verordnung Nr. 432/2012/EG die Bewerbung von Lebensmitteln für die Tagesdosierung von 10 mg Monacolin K ausdrücklich erlaubt, ohne dass in die Verordnung Bedingungen, Beschränkungen der Verwendung, Erklärungen oder Warnungen aufgenommen worden wären. Selbst das Bestehen bestimmter Gesundheitsrisiken schließe die Einstufung als Nahrungsergänzungsmittel nicht aus. Die Möglichkeit von Neben- oder Wechselwirkungen in Kombination mit der Einnahme von Arzneimitteln führe nicht zu einer pharmakologischen Wirkung als Funktionsarzneimittel.

22

Zudem sei die Untersagung ermessensfehlerhaft. Denn auch bei Vorliegen von Nebenwirkungen sei die Verpflichtung zur Aufnahme bestimmter Warnhinweise in die Produktinformation die allein verhältnismäßige Maßnahme. Warnhinweise gebe es in der Gebrauchsinformation des Produkts, obwohl eine entsprechende Verpflichtung nur für Arzneimittel mit deutlich höherer Tagesdosierung bestehe und die Verordnung Nr. 432/2012/EG derartige Warnhinweise gerade nicht als notwendig angesehen habe.

23

Die Untersagung könne auch nicht auf das Gesundheitsrisiko durch das toxische Nebenprodukt Citrinin gestützt werden. Das Produkt werde stets auf Citrinin untersucht. Der erlaubte Höchstwert sei dabei stets deutlich unterschritten.

24

Dem durchschnittlichen Verbraucher stelle sich das Produkt nicht als Arzneimittel dar. Die bloße Darreichungsform in Kapseln und eine genaue Verzehrempfehlung sei bei Nahrungsergänzungsmitteln gesetzlich vorgeschrieben. Nach einschlägiger Rechtsprechung könne daraus ohne die Voraussetzung der pharmakologischen Wirkung nicht abgeleitet werden, dass es sich um ein Arzneimittel handele.

25

Der angeordnete Rückruf sei bereits unverhältnismäßig, da er nicht auf nachgewiesenen Tatsachen, sondern auf Spekulationen beruhe. Der Rückruf sei nicht erforderlich zur Gefahrenabwehr, da das Produkt entsprechende Warnhinweise enthalte. Es bestehe eine entsprechende Haftpflichtversicherung. Die von der Antragsgegnerin angesprochene Haftung des Arzneimittelvertreibers trete zudem nur bei Schäden ein, die bei mangelhafter Kennzeichnung, Fach oder Gebrauchsinformation einträten.

26

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei zudem formell rechtswidrig, da sie nicht des Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspreche.

27

Die Antragstellerin beantragt,

28

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24.02.2016 wiederherzustellen.

29

Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

31

Der Antragsgegner tritt der Behauptung der Antragstellerin, eine pharmakologische Wirkung von „ XXX“ sei nicht nachgewiesen, entgegen. Die Stellungnahme der Expertenkommission des BVL und des BfArM stütze sich auf hinreichende wissenschaftliche Nachweise. Die von der Antragstellerin geltend gemachte Aufnahme von Rotschimmelreis-Produkten in die Liste der Verordnung Nr. 432/2012/EU sage nichts über eine Einstufung von Rotschimmelreis-Produkten als Lebensmittel auf EU-Ebene aus. Die Liste beziehe sich lediglich auf die zulässigen Angaben bei der Kennzeichnung entsprechender Stoffe. Eine Entscheidung, ob die dort genannten Stoffe als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden dürften, werde damit nicht getroffen. Zudem sei durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein Nahrungsergänzungsmittel mit Rotschimmelreis wegen der Risiken der Einnahme von täglich 10 mg Monacolin K als „nicht sicheres Lebensmittel“ eingestuft worden.

32

Die Verhältnismäßigkeit des Rückrufs begründet er damit, dass eine Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin und den drohenden Gesundheitsgefahren durchgeführt worden sei. Die Interessen der Antragstellerin seien hinreichend berücksichtigt worden. Dies werde insbesondere aus der zeitlichen Beschränkung der Rückrufanordnung auf 12 Monate deutlich. Die angenommenen Gesundheitsgefahren rechtfertigten auch die Untersagung des Inverkehrbringens. Denn die Aufnahme von Warnhinweisen und Nebenwirkungen in die Produktinformation erreiche nicht das Ziel eines effektiven Gesundheitsschutzes.

33

Es sei nicht so, dass er seit 2014 untätig geblieben sei und daraus auf die fehlende Eilbedürftigkeit zu schließen sei. Vielmehr sei er auf externe Expertise angewiesen gewesen und zu einer früheren Entscheidung ohne die Feststellung der Arzneimitteleigenschaft durch das BfArM nicht in der Lage gewesen, eine frühere Entscheidung zu treffen.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

35

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

36

Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist als Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die arzneimittelrechtliche Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24.02.2017 mit der darin enthaltenen Rückrufanordnung und der Zwangsgeldandrohung nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig.

37

Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung (Anordnungen zu Ziffer 1-2) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an. Insoweit ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft. Hinsichtlich der darüber hinaus in dem Bescheid enthaltenen Zwangsgeldandrohung für den Fall der Nichtbefolgung der einzelnen aufgeführten Anordnungen ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft, da einem Widerspruch gegen diese Vollzugsmaßnahmen bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).

38

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht die aufschiebende Wirkung im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, also insbesondere in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aussetzungsinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen. Lässt sich bei der gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen (OVG Schleswig, Beschl. v. 06.08.1991 – 4 M 109/91 –, juris Rn. 3-4).

39

Nach diesen Grundsätzen erweist sich der Antrag als unbegründet.

40

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 24.02.2017 in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich – in aller Regel – nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen (OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2016 – 8 B 1395/15 –, juris Rn. 6 m.w.N.).

41

Gemessen daran ist die Begründung der Vollziehungsanordnung hier nicht zu beanstanden. Sie weist einen hinreichenden Bezug zum Einzelfall auf und erschöpft sich nicht in einer Wiederholung des Gesetzestextes. Der Antragsgegner hat zur Begründung ausgeführt, dass die Anordnung des sofortigen Vollzugs dem notwendigen sofortigen Schutz einer Vielzahl von Menschen vor unvertretbaren Risiken bei der Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels diene. Wegen der drohenden erheblichen Gesundheitsgefahren, zum Beispiel lebensgefährlicher Rhabdomyolysen, könne eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden. Diese Ausführungen geben zu erkennen, dass der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung fallbezogen erwogen hat und sich dabei des Ausnahmecharakters einer solchen Anordnung bewusst geworden ist. Darüber hinaus kann in Fällen der Gefahrenabwehr, der auch das Arzneimittelrecht zuzuordnen ist, im Regelfall das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst zusammenfallen. Werden im Gefahrenabwehrrecht Verhaltensweisen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt, sollen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten in einem vorgelagerten Verfahren überprüft werden, um Gefahren für die Allgemeinheit von vornherein auszuschließen. In diesen Fällen besteht an der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung ein besonderes öffentliches Interesse, um das erforderliche vorgelagerte Genehmigungsverfahren sicherzustellen und nicht bis zum Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens die unter dem Vorbehalt der Genehmigung stehende Verhaltensweise ohne Genehmigung dulden zu müssen. Der Antragsgegner hat mit dem Schutz einer Vielzahl von Menschen vor Gesundheitsgefahren durch ein nicht zugelassenes Arzneimittel als Begründung der sofortigen Vollziehung zum Ausdruck gebracht, dass die Überprüfung der Sicherheit von Arzneimitteln im Zulassungsverfahren nicht bis zu einer endgültigen rechtskräftigen Entscheidung aufgeschoben werden kann, um die Realisierung befürchteter Risiken für die Zeit eines Verfahrens einer Anfechtungsklage zu verhindern. Die geschäftlichen Interessen der Antragstellerin müssten demgegenüber zurücktreten.

42

Das dargelegte und auch bestehende besondere Vollzugsinteresse überwiegt vorliegend das Interesse der Antragstellerin, von dem Vollzug des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben. Die in dem Bescheid vom 24.02.2017 enthaltenen Anordnungen zu Ziffer 1-2 sind rechtmäßig.

43

Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung bezüglich des Inverkehrbringens des Präparats „ XXX“ und für die Anordnung des Rückrufs aller innerhalb von 12 Monaten vor der Zustellung der Verfügung Mittel „ XXX“ vom Markt ist § 69 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AMG. Demnach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG können sie insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und Wirkstoffen untersagen und deren Rückruf anordnen, wenn die erforderliche Zulassung für das Arzneimittel nicht vorliegt.

44

Die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob das Mittel „ XXX“ ein Arzneimittel ist und überhaupt in den Anwendungsbereich des AMG fällt, kann nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bejaht werden. Bei dem streitigen Produkt handelt es sich um ein Funktionsarzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b RL 2001/83/EG. Es besteht eine Zulassungspflicht für das Produkt nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG, da keine Befreiungstatbestände einschlägig sind.

45

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.

46

Die Abgrenzung der Lebensmittel von den Arzneimitteln richtet sich nach der gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 geänderten Fassung (RL 2001/83/EG). Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) und der Verweisung in Art. 2 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (VO 178/2002EG) auf den gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, siehe nur BVerwG, Urt. v. 26.05.2009 – 3 C 5/09 –, juris Rn. 11 m.w.N.).

47

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Funktionsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b RL 2001/83/EG diejenigen Erzeugnisse, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen (EuGH, Urt. v. 15.11.2007 – C-319/05 –, juris Rn. 61). Es ist dabei nicht ausreichend, dass ein Erzeugnis Eigenschaften besitzt, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind. Vielmehr muss das Erzeugnis wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen. Entsprechend der Arzneimitteldefinition muss insbesondere die pharmakologische Wirkung berücksichtigt werden.

48

Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob es im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 der RL 2001/83 im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann (EuGH, Urt. v. 15.11.2007 – C-319/05 –, juris Rn. 59). Ein Produkt kann nicht als Arzneimittel angesehen werden, wenn es aufgrund seiner Zusammensetzung – einschließlich der Dosierung seiner Wirkstoffe – und bei bestimmungsgemäßer Anwendung die physiologischen Funktionen nicht in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann (EuGH, Urt. v. 15.01.2009 – C-140/07 –, juris Rn. 45). Maßgeblich für die Beurteilung ist die normale Anwendungsweise (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 – 3 C 5/09 –, juris Rn. 15; EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-150/00 –, juris Rn.75; EuGH, Urt. v. 30.04.2009 – Rs. C-27/08 –, juris Rn. 22).

49

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei „ XXX“ um ein Arzneimittel nach der Funktion im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b RL 2001/83/EG. Denn nach der im Rahmen des Eilverfahrens gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung sind die pharmakologischen Wirkungen des streitigen Produkts hinreichend belegt. Laut der vom Antragsgegner zur Begründung der Ordnungsverfügung vom 24.02.2017 herangezogenen „Stellungnahme der Gemeinsamen Expertenkommission BVL/BfArM, Einstufung von Rotschimmelreisprodukten (02/2016)“ vom 08.02.2016 (Gemeinsame Expertenkommission 02/2016, S. 8) sei eine nennenswerte pharmakologische Wirkung von Monacolin K ab einer Tagesdosis von 5 mg wissenschaftlich belegt. Eine Studie aus den USA aus dem Jahr 1999 stellte die Wirksamkeit der Tagesdosen von 5 mg und 10 mg Lovastatin gegenüber und kam zu dem Ergebnis, dass bereits ab einer Tagesdosis von 5 mg eine Reduktion des LDL-Cholesterins um 21,4 % nachweisbar war (Saseen/Borgelt/Carter/Rawlings/Kaiser, Efficacy of lovastatin 5 mg/day and 10 mg/day in reducing low-density lipoprotein cholesterol, Kurzbeschreibung in: Pharmacotherapy: The Journal of Human Pharmacology and Drug Therapy, Volume 19, Issue 4, S. 485, Rn. 57). Aufgrund ausgewerteter Studien über die Wirksamkeit von Lovastatin kamen Wissenschaftler zu einer nennenswerten Wirkung ab einer Tagesdosis von 6 mg (Lachenmeier/Steffen/el-Atma/Maixner/Löbell-Behrends/Kohl-Himmelseher, What is a food and what is a medicinal product in the European Union? Use of the benchmark dose (BMD) methodology to define a threshold for ‘‘pharmacological action’’, Regulatory Toxicology and Pharmacology 64 (2012), S. 286-295). Für Tagesdosen ab 10 mg Lovastatin wird mit zahlreichen Nachweisen aus wissenschaftlichen Studien eine Reduktion des LDL-Cholesterins von 20 bis 25 % angegeben (Gemeinsame Expertenkommission 02/2016, S. 15). Die von der Antragstellerin angeführten Studien, wonach erst ab einer Tagesdosis von 20 mg Lovastatin von einer arzneilichen Wirksamkeit auszugehen sei, widerlegen nicht die Annahme einer pharmakologischen Wirkung niedrigerer Tagesdosen, da in den Studien nichts zur Wirksamkeit niedrigerer Dosierungen ausgesagt wird. Die zitierte Studie von Bradford u.a. wurde nur mit Tagesdosen von mindestens 20 mg durchgeführt (Bradford/Shear/Chremos/Dujovne/Downton/Franklin et al., Expanded Clinical Evaluation of Lovastatin (EXCEL) study results. I. Efficacy in modifying plasma lipoproteins and adverse event profile in 8245 patients with moderate hypercholesterolemia, Arch Intern Med. 1991, 151(1): 43-49, abgerufen unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1985608).

50

Die von der Antragstellerin geltend gemachte Möglichkeit der Aufnahme einer Tagesdosis von bis zu 10 mg Monacolin K durch den Verzehr von Austernpilzen wurde nicht wissenschaftlich belegt. Die dazu zitierte Studie der Universität Hannover liefert keine konkreten Erkenntnisse, wodurch sich der Cholesterinspiegel der Probanden gesenkt hätte. Hingegen ergibt sich aus einer eigenen Untersuchung der gemeinsamen Expertenkommission des BVL und des BfArM, dass durch den Verzehr von 100 g Austernpilzen lediglich zwischen 4 und 11 µg Lovastatin aufgenommen würden.

51

Der Antragsgegner konnte die Stellungnahme der Expertenkommission als wissenschaftliche Begründung der Arzneimitteleigenschaft heranziehen. Bei der gemeinsamen Expertenkommission BVL/BfArM handelt es sich um behördenexterne Wissenschaftler, die nicht der Weisung der beiden Behörden unterliegen. Der Antragsgegner war auch nicht gehalten, eine eigene Studie zu „ XXX“ durchzuführen. Aufgrund der Inhaltsangaben zu dem Produkt, wonach in jeder Kapsel von dem Wirkstoff Monacolin K 10 mg enthalten sind, kann auf die pharmakologische Wirkung geschlossen werden. Denn die Referenzstudien beziehen sich auf Lovastatin, das dem Wirkstoff Monacolin K entspricht. Zudem beziehen sich mehrere Studien zu Lovastatin auf Produkte aus Rotschimmelreis. Eine abweichende Wirksamkeit von Monacolin K ist aus den verfügbaren Studien nicht erkennbar und wurde auch von der Antragstellerin nicht geltend gemacht. Die Annahme einer pharmakologischen Wirkung von „ XXX“ ist aufgrund der wissenschaftlichen Belege für eine nennenswerte physiologische Wirkung einer Tagesdosis von 5 mg Monacolin K schließlich im Wege eines Erst-Recht-Schlusses möglich (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 – 3 C 5/09 –, juris Rn. 16; BVerwG, Urt. v. 25.07.2007 – 3 C 21/06 –, juris Rn. 26).

52

An der Einstufung von „ XXX“ als Arzneimittel aufgrund der pharmakologischen Wirkung ändert auch die Auflistung von Monacolin K in der Verordnung Nr. 432/2012 der Kommission vom 16.05.2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (VO 432/2012/EU) nichts. Denn diese Verordnung regelt nur die Zulässigkeit von bestimmten Angaben auf Lebensmitteln. Eine Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln oder eine Feststellung, dass alle aufgelisteten Produkte auch als Lebensmittel zugelassen sind, lässt sich aus der Verordnung nicht ableiten. Die Auflistung zeigt aber, dass jedenfalls die physiologische Wirkung von Monacolin K in der Tagesdosis von 10 mg von der EU-Kommission anerkannt ist, die diese Wirkung zum Anlass für die Regelung der Lebensmittelkennzeichnung nimmt.

53

Die Untersagung des Inverkehrbringens des nicht zugelassenen Arzneimittels „ XXX“ ist auch verhältnismäßig. Die Untersagung diente der präventiven Gefahrenabwehr bei der Anwendung eines Produkts mit nachgewiesener pharmakologischer Wirkung wegen der von dem Produkt ausgehenden Gesundheitsgefahren. Die Gesundheitsgefahren konnten zwar nicht zur Begründung der Arzneimitteleigenschaft herangezogen werden, um einen fehlenden Nachweis einer pharmakologischen Wirkung zu ersetzen (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 – 3 C 5/09 –, juris Rn. 18). Jedoch sind sie als maßgebliche Belange in die Ermessenserwägungen für das Inverkehrbringungsverbot einzubeziehen.

54

Die von dem Antragsgegner geltend gemachten Gesundheitsrisiken ergeben sich aus der Stellungnahme der Expertenkommission des BVL und des BfArM. Die Expertenkommission stützte sich hinsichtlich der Gesundheitsgefahren auf Fallberichte insbesondere zur Einnahme von Rotschimmelreisprodukten (Gemeinsame Expertenkommission 02/2016, S. 17). Angesichts der von der Expertenkommission dargestellten erheblichen Gesundheitsrisiken bei der Einnahme von Rotschimmelreisprodukten erscheint eine Untersagung des Inverkehrbringens eines Rotschimmelreisprodukts, das nicht über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt, erforderlich. Die Aufnahme von Warnhinweisen in die Gebrauchsinformation stellt keinen dem Zulassungsverfahren nach dem AMG gleichwertigen Schutz dar. Auch die regelmäßige Untersuchung des Produkts auf das toxische Fermentationsprodukt Citrinin beseitigt nicht die Gesundheitsgefahren. Die Expertenkommission hat diverse (zum Teil lebensbedrohliche) Krankheitsbilder anhand von Fallberichten dargelegt, die bei dem Konsum von Rotschimmelreisprodukten auftreten können, unabhängig von einem etwaigen Citriningehalt des Produkts.

55

Die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin wurden bei der Abwägung des Antragsgegners berücksichtigt. Diese müssen allerdings gegenüber dem Schutz einer Vielzahl von Konsumenten des streitigen Produkts vor erheblichen Gesundheitsrisiken zurücktreten.

56

Das Überwiegen des Vollzugsinteresses wird nicht durch eine lange Untätigkeit des Antragsgegners trotz Kenntnis von den Risiken des Produktes ausgeschlossen. Zwar kann eine lange Untätigkeit der zuständigen Behörde bei gleichzeitiger Kenntnis von einem zu verbietenden Zustand zum Wegfall der Eilbedürftigkeit führen (OVG Greifswald, Beschl. v. 06.02.2008 – 3 M 9/08 –, juris Rn. 15). Indes liegt eine Untätigkeit des Antragsgegners seit dessen erstem Hinweis an die Antragstellerin, dass das Produkt „ XXX“ im Verdacht stehe, ein zulassungspflichtiges Arzneimittel zu sein, nicht vor. Vielmehr wurden die unmittelbar gebotenen Maßnahmen ergriffen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.05.2010 – 13 ME 181/09 –, juris Rn. 15). Auf den bloßen Verdacht hin, es könne sich bei dem Produkt um ein Arzneimittel handeln, wäre eine Untersagungsverfügung noch nicht verhältnismäßig gewesen. Der Antragsgegner war dazu berechtigt, den Antrag auf Feststellung der Arzneimitteleigenschaft nach § 21 Abs. 4 AMG bei dem BfArM zu stellen. Es entsprach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit dem Eingriff in den Betrieb der Antragstellerin durch die Untersagung zuzuwarten, bis sich die Erkenntnisse über die bestehenden Risiken verdichtet haben. Es entspricht zudem dem Zweck des Antrags auf Feststellung der Zulassungspflicht, dass das BfArM als Bundesoberbehörde mit dem einschlägigen Sachverstand eine bundesweit einheitliche Entscheidung zu vergleichbaren Sachverhalten trifft, um widersprüchliche Entscheidungen zur Zulassungspflicht zu verhindern (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, A 1.0, § 21 AMG, Rn. 73). Dieser Umstand kann sich nicht zugunsten des Aussetzungsinteresses auswirken oder zum Wegfall der Eilbedürftigkeit führen. Die Entscheidung des Antragsgegners, nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens im September 2016 und nach der Klageerhebung der Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Köln eine eigene sofort vollziehbare Entscheidung zu erlassen, erfolgte in zeitlicher Nähe zur Kenntnis vom Verfahrensstand bei dem BfArM.

57

Auch die Anordnung des Rückrufs der innerhalb von 12 Monaten vor Erlass der Verfügung verkauften Einheiten des Produkts „ XXX“ vom Markt ist verhältnismäßig. Die Anordnung dient dem Schutz der Gesundheit einer Vielzahl von Menschen, die das Produkt in den vergangenen zwölf Monaten vor Erlass der Ordnungsverfügung vom 24.02.2017 erworben haben und die durch den Konsum des Produkts erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind. Der Rückruf ist auch erforderlich, da bloße Warnungen vor Neben- und Wechselwirkungen keine gleich geeignete Maßnahme darstellen. Es kann nicht sichergestellt werden, dass diese die Verbraucher erreichen. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei dem Produkt um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel. Die Zulassungspflicht beruht auf den Risiken, die mit der Einnahme von Mitteln mit pharmakologischer Wirkung ausgehen können. Die Anordnung ist auch angemessen. Die wirtschaftlichen Belange der Antragstellerin wurden hinreichend berücksichtigt. Das Interesse, die Produkte nicht zurückrufen zu müssen, tritt hinter dem Gemeinwohlinteresse, eine Vielzahl von Menschen vor Gesundheitsrisiken zu schützen, zurück. Der Antragsgegner hat die Interessen der Antragstellerin auch bei der zeitlichen Begrenzung des Rückrufs hinreichend berücksichtigt. Er hat den zeitlichen, wirtschaftlichen und logistischen Aufwand eines Rückrufs für die Antragstellerin einbezogen. Es wurde ein Rückrufzeitraum gewählt, innerhalb dessen nach lebensnaher Betrachtung noch Einheiten des streitigen Produkts vorhanden sind.

58

Die Zwangsgeldandrohung ist ebenfalls rechtmäßig. Die Androhung beruht auf der Ermächtigung des § 236 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 LVwG. Die Wahl des Zwangsgelds als Zwangsmittel entspricht den Vorgaben des § 237 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LVwG, da von der Antragstellerin eine Handlung (Rückruf) und eine Unterlassung (Inverkehrbringen) gefordert werden. Die Höhe des Zwangsgelds bewegt sich im gesetzlichen Rahmen des § 237 Abs. 3 LVwG. Es sind keine Ermessensfehler hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes erkennbar. Der Antragsgegner hat sich ausweislich der Begründung der Ordnungsverfügung vom 24.02.2017 an der Bedeutung der zu schützenden Rechtsgüter sowie an dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin orientiert.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

60

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 19. Mai 2017 - 1 B 30/17

Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 19. Mai 2017 - 1 B 30/17

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 19. Mai 2017 - 1 B 30/17 zitiert 10 §§.

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Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 2 Arzneimittelbegriff


(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, 1. die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenscha

Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch


Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 21 Zulassungspflicht


(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehm

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 69 Maßnahmen der zuständigen Behörden


(1) Die zuständigen Behörden treffen die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückr

Referenzen - Urteile

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 19. Mai 2017 - 1 B 30/17 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 19. Mai 2017 - 1 B 30/17 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 06. Feb. 2008 - 3 M 9/08

bei uns veröffentlicht am 06.02.2008

Gründe 1 Die Beschwerde des Antragstellers hat nach Maßgabe des gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu berücksichtigenden Beschwerdevorbringens Erfolg. 2 Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschl

Referenzen

(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder
2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder
a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.

(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes,
2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist,
3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist,
4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,
5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist,
6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b,
8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.

(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.

(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.

(1) Die zuständigen Behörden treffen die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen, wenn

1.
die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt oder deren Ruhen angeordnet ist,
2.
das Arzneimittel oder der Wirkstoff nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt ist oder nicht die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufweist,
2a.
der begründete Verdacht besteht, dass es sich um ein gefälschtes Arzneimittel oder einen gefälschten Wirkstoff handelt,
3.
dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt,
4.
der begründete Verdacht besteht, dass das Arzneimittel schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen,
5.
die vorgeschriebenen Qualitätskontrollen nicht durchgeführt sind,
6.
die erforderliche Erlaubnis für das Herstellen des Arzneimittels oder des Wirkstoffes oder das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes nicht vorliegt oder ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf der Erlaubnis nach § 18 Abs. 1 gegeben ist oder
7.
die erforderliche Erlaubnis zum Betreiben eines Großhandels nach § 52a nicht vorliegt oder ein Grund für die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis nach § 52a Abs. 5 gegeben ist.

(1a) Bei Arzneimitteln, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen oder Zulassung

1.
gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder
2.
im Verfahren der Anerkennung gemäß Kapitel 4 der Richtlinie 2001/83/EG oder
3.
auf Grund eines Gutachtens des Ausschusses gemäß Artikel 4 der Richtlinie 87/22/EWG vom 22. Dezember 1986 vor dem 1. Januar 1995
erteilt worden ist, unterrichtet die zuständige Bundesoberbehörde den Ausschuss für Humanarzneimittel über festgestellte Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften nach Maßgabe der in den genannten Rechtsakten vorgesehenen Verfahren unter Angabe einer eingehenden Begründung und des vorgeschlagenen Vorgehens. Bei diesen Arzneimitteln können die zuständigen Behörden vor der Unterrichtung des Ausschusses nach Satz 1 die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen treffen, sofern diese zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zum Schutz der Umwelt dringend erforderlich sind. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 unterrichten die zuständigen Behörden die Europäische Kommission und die anderen Mitgliedstaaten, in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 die Europäische Kommission und die Europäische Arzneimittel-Agentur über die zuständige Bundesoberbehörde spätestens am folgenden Arbeitstag über die Gründe dieser Maßnahmen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2, 2a und 4 kann auch die zuständige Bundesoberbehörde das Ruhen der Zulassung anordnen oder den Rückruf eines Arzneimittels anordnen, sofern ihr Tätigwerden zum Schutz der in Satz 2 genannten Rechtsgüter dringend erforderlich ist; in diesem Fall gilt Satz 3 entsprechend.

(1b) Bei anderen als den in Absatz 1a Satz 1 genannten Arzneimitteln kann die zuständige Bundesoberbehörde im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2, 2a und 4 den Rückruf eines Arzneimittels anordnen, sofern ihr Tätigwerden zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zum Schutz der Umwelt geboten ist. Erfolgt der Rückruf nach Satz 1 im Zusammenhang mit Maßnahmen nach den §§ 28, 30, 31 Absatz 4 Satz 2 oder nach § 32 Absatz 5, ist die Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde sofort vollziehbar.

(2) Die zuständigen Behörden können das Sammeln von Arzneimitteln untersagen, wenn eine sachgerechte Lagerung der Arzneimittel nicht gewährleistet ist oder wenn der begründete Verdacht besteht, dass die gesammelten Arzneimittel mißbräuchlich verwendet werden. Gesammelte Arzneimittel können sichergestellt werden, wenn durch unzureichende Lagerung oder durch ihre Abgabe die menschliche Gesundheit gefährdet wird.

(2a) (weggefallen)

(3) Die zuständigen Behörden können Werbematerial sicherstellen, das den Vorschriften über den Verkehr mit Arzneimitteln und über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens nicht entspricht.

(4) Im Fall eines Rückrufs eines Arzneimittels nach Absatz 1a Satz 4 oder nach Absatz 1b Satz 1 kann auch eine öffentliche Warnung durch die zuständige Bundesoberbehörde erfolgen.

(5) Die zuständige Behörde kann im Benehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde bei einem Arzneimittel, dessen Abgabe untersagt wurde oder das aus dem Verkehr gezogen wurde, weil

1.
die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen nicht oder nicht mehr vorliegen,
2.
das Arzneimittel nicht die angegebene Zusammensetzung nach Art und Menge aufweist oder
3.
die Kontrollen der Arzneimittel oder der Bestandteile und der Zwischenprodukte nicht durchgeführt worden sind oder ein anderes Erfordernis oder eine andere Voraussetzung für die Erteilung der Herstellungserlaubnis nicht erfüllt worden ist,
in Ausnahmefällen seine Abgabe an Patienten, die bereits mit diesem Arzneimittel behandelt werden, während einer Übergangszeit gestatten, wenn dies medizinisch vertretbar und für die betroffene Person angezeigt ist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die zuständigen Behörden treffen die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen, wenn

1.
die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt oder deren Ruhen angeordnet ist,
2.
das Arzneimittel oder der Wirkstoff nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt ist oder nicht die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufweist,
2a.
der begründete Verdacht besteht, dass es sich um ein gefälschtes Arzneimittel oder einen gefälschten Wirkstoff handelt,
3.
dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt,
4.
der begründete Verdacht besteht, dass das Arzneimittel schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen,
5.
die vorgeschriebenen Qualitätskontrollen nicht durchgeführt sind,
6.
die erforderliche Erlaubnis für das Herstellen des Arzneimittels oder des Wirkstoffes oder das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes nicht vorliegt oder ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf der Erlaubnis nach § 18 Abs. 1 gegeben ist oder
7.
die erforderliche Erlaubnis zum Betreiben eines Großhandels nach § 52a nicht vorliegt oder ein Grund für die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis nach § 52a Abs. 5 gegeben ist.

(1a) Bei Arzneimitteln, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen oder Zulassung

1.
gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder
2.
im Verfahren der Anerkennung gemäß Kapitel 4 der Richtlinie 2001/83/EG oder
3.
auf Grund eines Gutachtens des Ausschusses gemäß Artikel 4 der Richtlinie 87/22/EWG vom 22. Dezember 1986 vor dem 1. Januar 1995
erteilt worden ist, unterrichtet die zuständige Bundesoberbehörde den Ausschuss für Humanarzneimittel über festgestellte Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften nach Maßgabe der in den genannten Rechtsakten vorgesehenen Verfahren unter Angabe einer eingehenden Begründung und des vorgeschlagenen Vorgehens. Bei diesen Arzneimitteln können die zuständigen Behörden vor der Unterrichtung des Ausschusses nach Satz 1 die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen treffen, sofern diese zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zum Schutz der Umwelt dringend erforderlich sind. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 unterrichten die zuständigen Behörden die Europäische Kommission und die anderen Mitgliedstaaten, in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 die Europäische Kommission und die Europäische Arzneimittel-Agentur über die zuständige Bundesoberbehörde spätestens am folgenden Arbeitstag über die Gründe dieser Maßnahmen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2, 2a und 4 kann auch die zuständige Bundesoberbehörde das Ruhen der Zulassung anordnen oder den Rückruf eines Arzneimittels anordnen, sofern ihr Tätigwerden zum Schutz der in Satz 2 genannten Rechtsgüter dringend erforderlich ist; in diesem Fall gilt Satz 3 entsprechend.

(1b) Bei anderen als den in Absatz 1a Satz 1 genannten Arzneimitteln kann die zuständige Bundesoberbehörde im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2, 2a und 4 den Rückruf eines Arzneimittels anordnen, sofern ihr Tätigwerden zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zum Schutz der Umwelt geboten ist. Erfolgt der Rückruf nach Satz 1 im Zusammenhang mit Maßnahmen nach den §§ 28, 30, 31 Absatz 4 Satz 2 oder nach § 32 Absatz 5, ist die Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde sofort vollziehbar.

(2) Die zuständigen Behörden können das Sammeln von Arzneimitteln untersagen, wenn eine sachgerechte Lagerung der Arzneimittel nicht gewährleistet ist oder wenn der begründete Verdacht besteht, dass die gesammelten Arzneimittel mißbräuchlich verwendet werden. Gesammelte Arzneimittel können sichergestellt werden, wenn durch unzureichende Lagerung oder durch ihre Abgabe die menschliche Gesundheit gefährdet wird.

(2a) (weggefallen)

(3) Die zuständigen Behörden können Werbematerial sicherstellen, das den Vorschriften über den Verkehr mit Arzneimitteln und über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens nicht entspricht.

(4) Im Fall eines Rückrufs eines Arzneimittels nach Absatz 1a Satz 4 oder nach Absatz 1b Satz 1 kann auch eine öffentliche Warnung durch die zuständige Bundesoberbehörde erfolgen.

(5) Die zuständige Behörde kann im Benehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde bei einem Arzneimittel, dessen Abgabe untersagt wurde oder das aus dem Verkehr gezogen wurde, weil

1.
die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen nicht oder nicht mehr vorliegen,
2.
das Arzneimittel nicht die angegebene Zusammensetzung nach Art und Menge aufweist oder
3.
die Kontrollen der Arzneimittel oder der Bestandteile und der Zwischenprodukte nicht durchgeführt worden sind oder ein anderes Erfordernis oder eine andere Voraussetzung für die Erteilung der Herstellungserlaubnis nicht erfüllt worden ist,
in Ausnahmefällen seine Abgabe an Patienten, die bereits mit diesem Arzneimittel behandelt werden, während einer Übergangszeit gestatten, wenn dies medizinisch vertretbar und für die betroffene Person angezeigt ist.

(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.

(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die

1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind,
1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4,
1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln
a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder
b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder
c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt,
1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen,
1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind,
1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden,
1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden,
2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder
3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.

(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.

(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder
2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder
a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.

(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes,
2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist,
3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist,
4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,
5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist,
6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b,
8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.

(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.

(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers hat nach Maßgabe des gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu berücksichtigenden Beschwerdevorbringens Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss angenommen, dass die angefochtenen Verwaltungsakte des Antragstellers offensichtlich rechtmäßig sind, insbesondere das Vorgehen des Antragstellers nunmehr dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG genügt. Es hat jedoch die besondere Rechtfertigung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung verneint, nachdem der Antragsteller etwa 6 Jahre nach Kenntniserlangung von dem baurechtswidrigen Zustand nicht eingeschritten sei. Hiergegen wendet sich die Beschwerde im Ergebnis zu Recht.

3

Widerspruch und Anfechtungsklage haben entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Ausnahmsweise kann die Behörde jedoch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs dadurch beseitigen, dass sie nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung dieser Verfügung anordnet. Sie ist zu einer solchen Anordnung aber nur berechtigt, wenn die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten erscheint. Vor Erlass der Anordnung muss die Behörde einerseits die Interessen der Öffentlichkeit und eines etwaigen Beteiligten an einer sofortigen Durchführung der Maßnahme sowie andererseits die entgegenstehenden Interessen des Betroffenen an dem Bestand der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegeneinander abwägen. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich schriftlich zu begründen.

4

Grundsätzlich scheidet die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügung aus. Die Gefahr eines nicht unerheblichen wirtschaftlichen Nachteils für den Betroffenen wiegt schwerer als die Nachteile, die mit dem vorläufigen weiteren Bestand dieses Baukörpers für die öffentlichen Belange verbunden sind. Es entspricht dem in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Eigentums, dass mit erheblichem Aufwand geschaffene Substanzwerte grundsätzlich nicht zerstört werden, so lange nicht sicher ist, ob sie erhalten bleiben dürfen. Ist diese Frage Gegenstand eines Rechtsstreits, ist es deshalb grundsätzlich geboten, mit der Vollziehung einer Verfügung, die eine solche Zerstörung vorschreibt, zu warten, bis rechtskräftig über die Genehmigungsfähigkeit einer mit erheblichem Aufwand geschaffenen Bausubtanz entschieden ist (vgl. nur OVG Hamburg, B. v. 28.02.1997 - Bs II 5/97, zit. nach juris; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rn. 1288 m.w.N.).

5

Die sofortige Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung ist aber im Wesentlichen aus vier Gesichtspunkten heraus zulässig (Senat, B. v. 02.11.1993 - 3 M 89/93 - NVwZ 1995, 608; B.v. 12.02.2003 - 3 M 124/02 - NordÖR 2003, 167 = LKV 2003, 477; vgl. auch VGH Kassel, B. v. 29.06.1995 - 4 TG 703/95 - zit. nach juris; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1288 m.w.N.):

6

1. wenn die Beseitigung einem Nutzungsverbot gleichgestellt werden kann, weil sie ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen ist,

7

2. wenn die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss,

8

3. wenn ein beharrlicher und notorischer Schwarzbauer nur auf diese Weise erfolgversprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann, oder

9

4. wenn die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten durch Beseitigung der baulichen Anlagen erfordert.

10

Diese Gesichtspunkte stehen grundsätzlich selbständig nebeneinander. Das gilt namentlich für die des fehlenden Substanzverlustes und der Vorbildwirkung (vgl. auch OVG Lüneburg, B. v. 10.05.1994 - 1 M 1046/94 - BRS 56 Nr. 208; OVG Münster, B. v. 13.09.1996 - 11 B 1083/96 - BRS 58 Nr. 128). Sie können auch kumulativ die Dringlichkeit begründen ( vgl. Senat, B. v. 12.02.2003 - 3 M 124/02).

11

Die erste Fallgruppe betrifft diejenigen Fälle, in denen im Einzelfall die Entfernung einer genehmigungspflichtigen, aber ungenehmigten Anlage mangels wesentlichen Substanzverlusts ohne schwerwiegenden Nachteil möglich ist. Sie stellt dann keinen schwereren Eingriff dar als die Untersagung der Nutzung einer ungenehmigt fertig gestellten Anlage. Ein Nutzungsverbot kann in einem solchen Falle regelmäßig schon zur Sicherung der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erlassen werden, um die Effektivität des Baugenehmigungsverfahrens zu sichern (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1287). Nach der Rechtsprechung des Senats kann zudem dann, wenn zur formellen Baurechtswidrigkeit noch eine materielle hinzu kommt und diese offensichtlich ist, unter Umständen auch die sofortige Vollziehung einer Abbruchverfügung geboten sein, selbst wenn diese zu einem Substanzverlust führt, wenn eine besondere Dringlichkeit des Eingreifens besteht (OVG Greifswald, B. v. 12.02.2003, a.a.O.).

12

Die zweite Fallgruppe setzt voraus, dass die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss. Eine negative Vorbildwirkung in diesem Sinne setzt grundsätzlich eine Einzelfallbetrachtung voraus (VGH Kassel, B. v. 28.01.1992 - 4 TH 1539/91 -, HessVGRspr. 1992, 90 [92], zit. nach juris). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Vorhandensein der baulichen Anlage bereits Nachahmung gefunden hat oder mit Wahrscheinlichkeit finden wird. Dabei sind das betroffene Grundstück, seine Situation bzw. Umgebung, das betroffene Gebiet sowie ggf. sonstige bedeutsame Umstände konkret in den Blick zu nehmen (vgl. Senat, B. v. 02.11.1993 - 3 M 89/93 - NVwZ 1995, 608; B. v. 12.02.2003 - 3 M 124/02 - DÖV 2003, 637).

13

Danach ist im vorliegenden Fall die besondere Dringlichkeit schon nach Maßgabe der ersten Fallgruppe zu bejahen. Die Anlage ist - wie der Senat in seinem Beschluss vom 13.08.2007 ausgeführt hat - formell rechtswidrig und auch offensichtlich materiell nicht genehmigungsfähig. Die Beseitigungsverfügung kommt angesichts der leichten Abbaubarkeit der Werbetafel einer Nutzungsuntersagung gleich. Ein Nutzungsverbot würde, wenn es nicht sofort wirksam ist, seinen Zweck verfehlen, weil der erstrebte Nutzen oder Erfolg aus der illegal aufgestellten Anlage vom Aufsteller bereits (weitgehend) erzielt ist, bevor eine Verbotsverfügung bestandskräftig wird. Bei Werbeträgern kommt hinzu, dass bei einer - wie vorliegend - vollständig fertig gestellten Anlage ein "reines" Nutzungsverbot ins Leere geht, weil die Werbeanlage allein durch ihre Existenz den vom Antragsteller gewünschten Erfolg bringt (OVG Münster, B. v. 29.10.1979 - XI B 1447/79 - BRS 35 Nr. 143; Finkelnburg u.a., a.a.O., Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1289).

14

Was die Vorbildwirkung angeht, so ist zu berücksichtigen, dass die Aufsteller von Werbeanlagen sich praktisch in allen Verfahren auf andere angeblich illegal aufgestellte oder rechtswidrig genehmigte Werbeanlagen in der Umgebung berufen. Erfahrungsgemäß ermutigt ein solches Vorgehen, wie es der Antragsgegner praktiziert hat, zur Nachahmung in anderen Fällen, so dass die Ordnungsfunktion des formellen Baurechts unterlaufen wird (vgl. OVG Münster, B. v. 13.09.1996 a.a.O.). Dies wird auch im vorliegenden Fall deutlich: Der Antragsgegner beruft sich auf eine Vielzahl von anderen Fällen, in denen der Antragsteller nicht gegen illegale Werbetafeln eingeschritten sei. Mit den in der Antragserwiderung vom 01.10.2007 aufgeführten mehr als 57 Werbeanlagen geht der Antragsgegner davon aus, dass es sich jeweils um vergleichbare Fälle handele, in denen der Antragsteller nicht eingeschritten sei. Allein der äußere Anschein des Nichteinschreitens, der durch das Vorhandensein der Werbeanlagen vermittelt wird, löst hier die Vorbildwirkung aus. Sie tritt wechselseitig zwischen den verschiedenen Werbeanlagen ein.

15

Der Antragsteller macht in der Beschwerdeschrift zu Recht geltend, dass der Anordnung des Sofortvollzugs nicht der Zeitablauf von Kenntnisnahme der rechtswidrigen Errichtung der Anlage bis zum Einschreiten durch den Antragsteller entgegensteht. Ein langes Nichttätigwerden der zuständigen Ordnungsbehörde kann allerdings dazu führen, dass die Eilbedürftigkeit im Sinne des §80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 VwGO nicht vorliegt. Dies bedarf aber jeweils einer den Einzelfall berücksichtigenden Würdigung. Der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des OVG Münster (Beschluss vom 25.06.1987 - 7 B 1183/87 - BRS 47 Nr. 198) lässt sich für den vorliegenden Fall keine parallele Wertung entnehmen. Dieser Beschluss betrifft eine Fallgestaltung, in der die zuständige Behörde bereits über eine vollstreckbare Verfügung gegenüber einem der Störer verfügte, aus der sie jahrelang nicht vollstreckt hatte, während sie nun gegenüber dessen Ehefrau unter Anordnung des Sofortvollzugs vorging. Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Der hier zu beurteilende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass - wie dargelegt - einerseits die Werbeanlage ihre Nutzung entfaltet, solange sie unter dem Schutz der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage trotz ihrer formellen und materiellen Rechtswidrigkeit stehen bleibt, und andererseits eine Vorbildwirkung entfaltet. Würde in einem solchen Falle die Dringlichkeit verneint werden, nachdem die Behörde sich entschlossen hat, unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes gegen derartige rechtswidrige Zustände einzuschreiten, müsste sie diese möglicherweise mehrere Jahre lang hinnehmen, weil sämtliche Verantwortliche für illegale Werbetafeln sich auf die fehlende Dringlichkeit berufen könnten. Gerade die angesprochene Vorbildwirkung bedingt aber, dass die zuständige Behörde, hat sie sich nunmehr zu einem effektiven Einschreiten entschlossen, entsprechend verfahren kann. Ansonsten würde eine Perpetuierung des formell und materiell rechtswidrigen Zustandes eintreten.

16

Die angefochtenen Bescheide genügen entgegen der Ansicht des Antragsgegners, die er in seinem Schriftsatz vom 01.10.2007 geäußert hat, nunmehr auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 Abs. 1 GG. Dieser Grundsatz verpflichtet die Baurechtsbehörde, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Sie muss das eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig ausüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss; entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen; ihr ist es lediglich verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen; beschränkt sie sich darauf, einen Einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (BVerwG, B. v. 22.04.1995 - IV B 55.95 - BRS 57 Nr. 248 m.w.N.). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 13.08.2007 - 3 M 48/07 - weiter ausgeführt:

17

"Die Bauaufsichtsbehörde muss bei ihren Anordnungen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG beachten und darf nicht einzelne Bürger gegenüber anderen willkürlich, d.h. ohne rechtfertigenden Grund, benachteiligen. Daraus folgt allerdings nicht, dass rechtswidrige Zustände, die bei einer Vielzahl von Grundstücken vorliegen, stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die Behörde - etwa in Ermangelung ausreichender personeller und sachlicher Mittel - auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. BVerwG, B. v. 19.07.1976 - 4 B 22.76 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 5). So kann es rechtmäßig sein, wenn die Behörde einen geeigneten Fall als "Musterfall" auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen. Ebenso ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Behörde zunächst nur Fälle aufgreift, in denen eine Verschlechterung des bestehenden Zustands droht (BVerwG, B. v. 19.02.1992 - 7 B 106/91 - NVwZ-RR 1992, 360)."

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Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner keine in diesem Sinne gleichgelagerten Fälle benannt, hinsichtlich derer dem Antragsteller der Vorwurf der Ungleichbehandlung gemacht werden könnte. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet die Behörde zu einem nach Zeitpunkt und Modalitäten gleichmäßigen Vorgehen gegen rechtswidrige Zustände, soweit nicht in der Sache begründete Unterschiede Abweichungen rechtfertigen. Die Rechtsprechung hat im Baurecht den räumlichen Bezug des Gleichheitssatzes bei einer entsprechenden Rüge im Prozess aus der Erkenntnis eingeschränkt, dass der Bauaufsichtsbehörde ein gleichmäßiges Einschreiten in ihrem gesamten Bereich aus verschiedenen praktischen Gründen unmöglich ist. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes führt somit nur dann zur Aufhebung einer Maßnahme, wenn die Behörde in räumlich benachbarten Fällen unterschiedlich vorgeht (OVG Weimar, B. v. 07.07.1994 - 1 EO 182/93 - ThürVBl 1994, 291; VG Oldenburg, U. v. 21.04.2005 - 4 A 59/03). Maßgebend ist ein bestimmter topographischer Bereich (VGH Mannheim, U. v. 29.02.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR1997, 465).

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Nach diesen Grundsätzen kann der Antragsgegner von vornherein nicht eine Gleichbehandlung mit denjenigen Werbetafeln verlangen, die außerhalb der Ortschaft A. aufgestellt worden sein sollen. Der Anspruch auf Gleichbehandlung mit Anlagen endet somit an den Ortsgrenzen. Für die Ortschaft A. hat der Antragsgegner auf die Werbeanlagen der B. GmbH verwiesen. Insoweit führt der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.11.2007 zu Recht aus, dass der Antragsteller durch die jeweils angemessenen Maßnahmen zur Beseitigung der Werbetafeln geschritten ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz2 GKG).

(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.

(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die

1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind,
1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4,
1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln
a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder
b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder
c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt,
1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen,
1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind,
1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden,
1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden,
2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder
3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.

(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.