Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 07. Mai 2014 - 9 A 51/13

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2014:0507.9A51.13.0A
bei uns veröffentlicht am07.05.2014

Tenor

Die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 08.02.2013 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wehrt sich gegen die Heranziehung zu Ausbaubeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer von zwei Grundstücken in L. auf Sylt, welches im Amtsgebiet des Beklagten liegt. Die Grundstücke mit der postalischen Anschrift An der D… xx und xx der Flur xx, Flurstück xx und xx sind xx und xx m² groß. Bei der ca. 150 m langen Straße „An der D...“ handelt es sich um eine private Stichstraße, die von der öffentlichen Straße A abzweigt, sich wiederum verzweigt und mehrere Grundstücke erschließt, die mit Einfamilienhäusern bebaut sind. Die Straße besteht aus mehreren Flurstücken, die mehreren privaten Eigentümern gehören. Sie ist uneinheitlich zum Teil mit Teer und zum anderen Teil wassergebunden befestigt.

3

Im Straßenzug A-Straße/ B-Straße wurden in den Jahren 2009/2010 die fast 40 Jahre alten Straßenlampen erneuert und der Kläger wurde für seine zwei Grundstücke mit Bescheiden vom 09.11.2012 zu Ausbaubeiträgen in Höhe von 361,12 € und von 577,26 € herangezogen.

4

Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, den er damit begründete, dass er nicht direkter Anlieger an der B-Straße sei, sondern seine Grundstücke über die Privatstraße erschlossen würden. Die Grundstücke würden durch die Beleuchtung im Straßenzug A-Straße/ B-Straße nicht bevorteilt werden. Zudem könne er, wenn die Privatstraße ausgebaut würde, wiederum zu den Kosten herangezogen werden.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2013 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich bei der Zuwegung „An der D...“ um eine Privatstraße handele, so dass dafür keine Erschließungs- oder Ausbaubeiträge erhoben werden könnten. Da der Straßenzug A-Straße/ B-Straße aber die einzige öffentliche Erschließung der Grundstücke des Klägers bilde und keine weitere Zugangsmöglichkeiten über andere öffentliche Erschließungsanlagen vorhanden seien, könnten sonst unter Anwendung der Wegdenktheorie die Grundstücke des Klägers nicht erreicht werden. Durch den verbessernden Ausbau der Beleuchtung seien alle Anlieger des Straßenzuges bevorteilt. Dieses treffe auch für die Grundstücke des Klägers zu, weil er zur Erreichung seiner Grundstücke zwingend auf einen Zugang über die ausgebaute Straße angewiesen sei.

6

Der Kläger hat am 06.03.2013 Klage erhoben.

7

Er wiederholt seine Begründung aus den Widerspruchsverfahren.

8

Der Kläger beantragt,

9

die Bescheide des Beklagten vom 09.11.2012 in der Form des Widerspruchbescheides vom 08.02.2013 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Die über die Privatstraße an das öffentliche Verkehrsnetz angebundenen Grundstücke verfügten über keine weitere Zufahrt. Sie würden ausschließlich über die ausgebaute Straße angefahren werden. Eine Nichtveranlagung dieser Grundstücke hätte eine Ungleichbehandlung mit den anderen Grundstücken im Abrechnungsgebiet zur Folge, denn die Anlieger der Privatstraße müssen die ausgebaute Einrichtung genauso benutzen wie die Anlieger der anderen Grundstücke. Würde man die ausgebaute Einrichtung wegdenken, wäre eine Erschließung der Straße „An der D...“ nicht gegeben. Würde man das anders sehen, würden die Anlieger von Privatstraßen zu keiner Zeit zu Ausbaubeiträgen herangezogen werden können. Für die Grundstücke des Klägers werde es aus naturschutzrechtlichen Gründen auch in der Zukunft keine andere öffentliche Erschließung geben.

13

Der Rechtsstreit ist der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist zulässig und begründet.

16

Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind daher aufzuheben.

17

Der Kläger ist nicht zu Ausbaubeiträgen gem. § 8 Abs. 1 KAG iVm. § 1 der Satzung der Gemeinde L. auf Sylt über die Erhebung von Beiträgen für den Aus- und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 04.09.2000 verpflichtet, denn er ist nicht Anlieger der öffentlichen Einrichtung A-Straße/ B-Straße.

18

Eine vorteilsrelevante, zur Beitragserhebung rechtfertigende Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt im Straßenausbaubeitragsrecht grundsätzlich die nächste erreichbare selbständige Straße. Das kann auch, wie im Erschließungsbeitragsrecht, eine Privatstraße oder ein befahrbarer Privatweg sein. Grenzt ein Grundstück allein an eine erneuerte oder verbessernd ausgebaute Straße, ist die Beantwortung der Frage, ob das betreffende Grundstück an der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes für den Ausbau der Straße teilnimmt, abhängig von der Beurteilung der Vorfrage, ob die Verkehrsanlage als selbständige oder unselbständige Einrichtung zu qualifizieren ist. Ist die Verkehrsanlage selbständig, koppelt sie die nur an ihr gelegenen Grundstücke ab und schließt eine Beitragspflicht für die Straße aus, von der die Verkehrsanlage abzweigt. Ist dagegen eine abzweigende Verkehrsanlage ein unselbständiger Anhängsel der ausgebauten Straße, wird den anliegenden Grundstücken durch den Hauptzug eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit geboten (vgl. Driehaus, Ausbau- und Erschließungsbeiträge, 9. Aufl., § 35 Nr. 27).

19

Dieser Auffassung folgt auch Habermann, wenn er in seinem Kommentar zum Ausbaubeitragsrecht ausführt, dass an einer abzweigenden befahrbaren Privatstraße gelegenen Grundstücke keine beitragspflichtigen Hinterlieger-Grundstücke der nächsten öffentlichen Straße seien, wenn die private Verkehrsfläche sich bei natürlicher Betrachtungsweise als selbständige Verkehrsanlage darstelle (vgl. Habermann in Habermann/Arndt, Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetz. § 8 Rdnr. 184).

20

Dieser Literaturauffassung hat sich auch die Rechtsprechung angeschlossen (vgl. OVG Schleswig, Urteil v. 13.10.2005 - 2 LB 97/04 - zur Straßenreinigungsgebühr), die eine Straßenreinigungsgebühr für die Reinigung des Hauptzuges für die Anlieger einer privaten Stichstraße nur dann zulässt, wenn die private Straße selbst keine selbständige Erschließungsanlage ist, weil sie nach Breite, Länge und Anzahl der erschlossenen Grundstücke keine selbständige Erschließungsfunktion hat. Auch das Verwaltungsgericht hat nunmehr entschieden, dass ausschließlich an einen Privatweg angrenzende Grundstücke nicht durch die öffentliche Straße erschlossen werden, in die der Privatweg einmündet, wenn diese eine zum Anbau bestimmte, zur verkehrsmäßigen Erschließung geeignete und überdies selbständige Erschließungsanlage sei (vgl. Urteil 9 A 183/12 vom 19.03.2014, S. 7).

21

Entscheidend ist damit, ob die private Stichstraße „An der D...“ eine selbständige Erschließungsanlage ist. Wenn die Stichstraße „An der D...“ eine öffentlich gewidmete Straße wäre, würde sie als selbständige öffentliche Einrichtung gewertet werden, weil sie mehr als eine zweite Baureihe erschließt (hierzu OVG Schleswig, Urteil 2 LB 118/02 v. 30.04.2003, SchlHA 2004,53) und sie zudem verzweigt und mehr als 100 m lang ist (hierzu BVerwG, Urteil v. 25.01.1985, - 8 C 106/83 -, NVwZ 1985,753). Damit würden unter der Annahme, es handele sich um eine öffentliche Straße, die Anlieger auch nicht für Beiträge an dem ausgebauten Hauptzug herangezogen werden können.

22

Nichts anderes gilt dann, wenn die Stichstraße im privaten Eigentum steht. Die Grundstücke des Klägers liegen allein an der Privatstraße. Zwar wird er dafür von dem Beklagten nie zu Ausbaubeiträgen herangezogen werden können, weil die Straße eben Privateigentum ist, so dass die Gemeinde diese Straße nicht ausbauen kann. Ob der Kläger sich dagegen privatrechtlich an den Kosten eines etwaigen Ausbaus der Privatstraße durch die privaten Eigentümer beteiligen muss, muss hier nicht entschieden zu werden.

23

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch nicht erkennbar, dass es insoweit eine gleichheitswidrige Behandlung all der Anlieger geben soll, die auf den ausgebauten Straßenzug A-Straße/ B-Straße zwingend angewiesen sind, denn wenn die Stichstraße öffentlich gewidmet wäre, müssten die Eigentümer der anliegenden Grundstücke auch keine Beiträge für den Ausbau des Hauptzuges leisten. Insoweit gibt es keine Differenzierung hinsichtlich einer privaten und einer öffentlichen Straße, sondern allein hinsichtlich der Frage, ob ein Grundstück an einer selb- oder unselbständigen Verkehrsanlage angrenzt.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die gem. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar ist.


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 07. Mai 2014 - 9 A 51/13

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 07. Mai 2014 - 9 A 51/13 zitiert 3 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 13. Okt. 2005 - 2 LB 97/04

bei uns veröffentlicht am 13.10.2005

Tatbestand 1 Die Kläger wenden sich gegen einen Straßenreinigungsgebührenbescheid für das Jahr 2004. 2 Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks ... im Gebiet der Beklagten. Das mit einem Wohnhaus

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Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen einen Straßenreinigungsgebührenbescheid für das Jahr 2004.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks ... im Gebiet der Beklagten. Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück befindet sich an einer privaten Stichstraße, die von der öffentlichen Straße ... rechtwinklig abzweigt. Das Flurstück, auf dem sich dieser Stichweg befindet, hat eine Länge von 122 m und eine Breite von 4 m. Der Stichweg ist auf einer Länge von 93 m bis auf die Höhe etwa der Hälfte des klägerischen Grundstücks gepflastert.

3

Dieser Stichweg war auf Grund eines Vertrages zwischen der Beklagten und den (damaligen) Grundstückskäufern vom 02. Februar 1967 angelegt worden. In diesem Vertrag heißt es unter § 2 lit. e): "Sie (die Grundstückskäufer) verpflichten sich, entlang der Nordgrenze des Kaufgrundstückes einen 4 m breiten Weg anzulegen, der bis zu dem obersten Grundstück führen muss und einspurig mit auszubauen ist. Der Weg ist als provisorischer Privatweg anzulegen. Die Pflege und laufende Unterhaltung ist Sache der Käufer. Am ... kann dieser Weg durch ein Einfahrtstor mit Gehtür abgeschlossen werden. Er ist hier mit einer Hinweistafel "Privatweg" zu versehen. Bei Errichtung eines Tores und der Einfriedungen ist die bauaufsichtsbehördliche Genehmigung einzuholen. Das Benutzungsrecht dieses Weges ist für alle Käufer im Grundbuch sicherzustellen."

4

Mit Bescheid vom 12. Januar 2004 wurden die Kläger u.a. zu einer Straßenreinigungsgebühr in Höhe von 27, 54 Euro herangezogen. Die Beklagte qualifizierte das Grundstück der Kläger dabei als Hinterliegergrundstück. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 23. Januar 2004 Widerspruch ein und führten aus, dass sie als Anwohner der Privatstraße an einer eigenständigen Erschließungsanlage wohnten. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 zurückgewiesen.

5

Die Kläger haben am 03. Juni 2004 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben und beantragt,

6

den Grundabgabenbescheid der Beklagten vom 12. Januar 2004, soweit dieser eine Veranlagung zu Straßenreinigungsgebühren beinhaltet, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 aufzuheben.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 10. November 2004 stattgegeben. Die Privatstraße, an der sich das Grundstück der Kläger befinde, sei bereits als eigenständiger Teil des Straßen- und Wegenetzes von gewissem Gewicht und damit als selbständige Erschließungsanlage anzusehen.

10

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 03. Dezember 2004 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

11

Die Beklagte trägt vor, dass der Privatweg als unselbständige Erschließungsanlage einzustufen sei.

12

Die Beklagte beantragt,

13

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 26. November 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

14

Die Kläger beantragen,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass das Grundstück der Kläger durch den öffentlich gereinigten ... nicht erschlossen werde. Die Privatstraße, an der das klägerische Grundstück anliege, stelle eine selbständige Erschließungsanlage dar.

17

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakte – 4 A 583/02 – haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Kläger sind zur Zahlung von Straßenreinigungsgebühren verpflichtet. Daher ist das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

19

Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des StrWG kann eine Gemeinde durch Satzung die Eigentümer oder die zur Nutzung dinglich Berechtigten der anliegenden Grundstücke sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke zu den entstehenden Kosten heranziehen. Von dieser Rechtssetzungsbefugnis hat die Beklagte durch ihre Gebührensatzung für die Straßen- und Stadtreinigung der Stadt Preetz vom 23.11.1998 und den Nachtragssatzungen hierzu Gebrauch gemacht. Gemäß § 2 dieser Satzung ist Gebührenpflichtiger der, der im Zeitpunkt der Fälligkeit Eigentümer oder zur Nutzung dinglich Berechtigter des an der gereinigten Straße anliegenden oder hierdurch erschlossenen Grundstückes ist.

20

Unstreitig liegt das Grundstück der Kläger nicht an der öffentlichen Straße ..., sondern grenzt allein an den privaten Stichweg. Das Grundstück der Kläger wird jedoch durch den ... erschlossen. Als erschlossene, aber nicht anliegende Grundstücke i. S. v. § 45 Abs. 3 Nr. 3 StrWG kommen sog. Hinterliegergrundstücke in Betracht. Ein Hinterliegergrundstück (im engeren Sinne) ist ein Grundstück, das von der Straße durch ein Anliegergrundstück getrennt ist. Im Erschließungsbeitragsrecht, in dem eine Abgrenzung der durch die Anlage erschlossenen Grundstücke vorzunehmen ist (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 1 und § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB), zählen zu den Hinterliegergrundstücken (im weiteren Sinne) auch die Grundstücke, die mit einer Anbaustraße ausschließlich verbunden sind, entweder durch einen von ihr abzweigenden, unselbständigen, aber tatsächlich wie rechtliche befahrbaren Privatweg oder durch eine von ihr abzweigende öffentliche Zufahrt, die ihrerseits Bestandteil der Anbaustraße ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 17 Rn 85).

21

Wenn der Landesgesetzgeber bei der Neuformulierung des § 45 Abs. 3 Nr. 3 StrWG sich des aus dem damaligen Bundesbaugesetz bekannten Begriffs der "erschlossenen Grundstücke" bediente, so steht, insbesondere weil sich aus den Gesetzesmaterialien nichts Abweichendes ergibt, zu vermuten, dass er sich an diesen Begriff anlehnen wollte. Die Eigentümlichkeiten des Rechts der Straßenreinigung und des entsprechenden Gebührenrechts fordern allerdings entsprechende Anpassungen. Dies folgt schon daraus, dass die Straßenreinigungsgebühr auch für Grundstücke erhoben wird, die nicht baulich oder in vergleichbarer Weise nutzbar sind. Daraus folgt, dass bei der Auslegung des hier verwandten Begriffs des "Erschlossenseins" dasjenige zu unterlegen ist, was im Ausbaubeitragsrecht von der Rechtsprechung unter dem Begriff der "vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit" entwickelt worden ist.

22

Beitragspflichtig nach § 8 Abs. 1 KAG sind die Grundstückseigentümer, deren Grundstücke im Wirkungsbereich einer Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift liegen. Entscheidend ist die enge räumliche Beziehung von Grundstück und Straße (vgl. Senatsurteil v. 30.04.2003 – 2 LB 118/02 -). Dies gilt in gleicher Weise für die Gebührenpflicht i. S. v. § 45 Abs. 3 Nr. 3 StrWG. Nur dann ist zu unterstellen, dass den Grundstückseigentümern mit der Straßenreinigung eine entgeltpflichtige Leistung erbracht wird, und nur dann kann gesetzlich das Bestehen eines Benutzungsverhältnisses fingiert werden. Diese enge räumliche Beziehung von Grundstück und (zu reinigender) Straße besteht auch bei Grundstücken, die an einer - von der reinigenden Straße abzweigenden – Stichstraße liegen, wenn diese Stichstraße den Charakter einer Zufahrt zu Hinterliegergrundstücken hat, d.h. Grundstücke "erschließt", die unmittelbar an die Vorderliegergrundstücke angrenzen, also gleichsam in "zweiter Baureihe" liegen (vgl. Senatsurteil v. 30.04.2003 – 2 LB 118/02 -). Anders verhält es sich hingegen, wenn die Stichstraße bei natürlicher Betrachtungsweise über eine bloße Zufahrt zu "Hinterliegern" hinausgeht und sich als eigenständige Verkehrsanlage darstellt.

23

Dies kann auch bei einer Privatstraße der Fall sein. Eine private Straße ist dann eine solche selbständige Erschließungsanlage, wenn sie nach Breite, Länge und Anzahl der erschlossenen Grundstücke eine eigenständige Erschließungsfunktion hat (BVerwG, Urt. v. 30.01.1970 - IV C 151.68 -, DÖV 1970, 822 = DVBl. 1970, 839 = BRS Band 37 Nr. 2) und sie - ohne strikte Bindung an die satzungsmäßigen Merkmale der endgültigen Herstellung - im Wesentlichen den Anforderungen an vergleichbare öffentliche Erschließungsanlagen entspricht (BVerwG, Urt. v. 24.03.1976 - IV C 16. u. 17.74 -, DÖV 1976, 671 = BauR 1976, 428 = BRS Band 37 Nr. 100). Soweit es die räumliche Ausdehnung und den Verlauf der Privatstraße betrifft, ist hinsichtlich der Beurteilung, ob es sich um eine eigenständige Verkehrsanlage handelt, jedoch nicht der vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 26.09.2001 – 11 C 16.00 -, DVBl. 2002, 486) zum Erschließungsbeitragsrecht entwickelte und sich an baulichen Gesichtspunkten orientierende Maßstab anzulegen, sondern – wie ausgeführt – auf die Kriterien des Ausbaubeitragsrechts abzustellen, das auch die nicht baulich genutzten bzw. benutzbaren Grundstücke einbezieht.

 

24

Bei Anwendung dieses Maßstabes ist die Stichstraße nicht als selbständige private Erschließungsanlage anzusehen. Dies ergibt sich aus seiner Länge, seinem Ausbauzustand und der Anzahl der Grundstücke, die durch sie erschlossen werden. Die Straßenlänge von ca. 93 m lang ist dabei allerdings noch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, da Erschließungsanlagen mit dieser Ausdehnung durchaus üblich sein können und der Weg sich damit von anderen Erschließungsstraßen nicht zwingend unterscheidet. Maßgeblich ist jedoch die Ausbaubreite von lediglich 4 m, die einen ungefährdeten Begegnungsverkehr nicht zulässt. Zudem erschließt der Weg neben die beiden Eckgrundstücke lediglich vier weitere Grundstücke, was ihm den Charakter einer gemeinsamen Zufahrt verleiht. Bezeichnend für letzteres ist auch, dass der Stichweg nach fast 40 Jahren keinen eigenen Namen hat und seine Anlieger postalisch dem ... zugewandt sind.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

26

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht ersichtlich sind.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.