Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. Mai 2014 - 2 A 649/12

bei uns veröffentlicht am14.05.2014

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 7. Februar 2011, Az. …, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2012, Az. …, verpflichtet, den Klägern die beantragte Abweichung zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Abweichung von der Vorschrift des § 30 Abs. 8 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) hinsichtlich des Verbotes von Öffnungen in Brandwänden.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstückes … Straße … in … (Flurstück … der Flur … der Gemarkung …). Mit Bescheid des Beklagten vom 12. August 2010 erhielten die Kläger für dieses Grundstück eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes. Das Gebäude sollte als Anbau des bereits vorhandenen Wohngebäudes A-Straße realisiert werden, das ebenfalls im Eigentum der Kläger steht. Die Gebäude sind Teil der für … prägenden sog. Tüschenbebauung. Hierfür ist kennzeichnend, dass eine Gebäudewand - in der Regel die nördliche - grenzständig und die andere - in der Regel die südliche - grenznah errichtet ist. Dementsprechend erteilte der Beklagte den Klägern zusammen mit der Baugenehmigung vom 12. August 2010 eine Abweichung bezüglich der Abstandsfläche der südlichen Außenwand.

3

Eine ebenfalls beantragte Abweichung von § 30 LBauO M-V hinsichtlich Öffnungen (sechs Fenster) in der Südwand, einer Brandwand, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2010 dagegen ab. Gegen diesen Bescheid in Gestalt des auf Widerspruch der Kläger ergangenen Widerspruchsbescheides vom 9. März 2012 richtet sich die Klage 2 A 648/12.

4

Nachdem der Beklagte aufgrund einer Ortsbesichtigung vom 12. Januar 2011 festgestellt hatte, dass die Kläger in die Südwand ihres Gebäudes neben sechs Fenstern auch eine Tür eingebaut hatte, stellten die Kläger durch den von ihnen bevollmächtigten Architekten einen weiteren Antrag auf Abweichung, diesmal betreffend die Tür in der Südwand des Wohngebäudes.

5

Der Beklagte lehnte die Erteilung der Abweichung mit Bescheid vom 7. Februar 2011, zugestellt am 12. Februar 2012, ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Gemäß § 30 Abs. 2 LBauO M-V sei die Südwand des Gebäudes als Brandwand auszubilden. Nach § 30 Abs. 8 LBauO M-V seien Öffnungen in Brandwänden verboten. Entgegen dieser Forderung solle die Südwand des Anbaus eine Türöffnung aufweisen. Im betreffenden Erdgeschoss sei eine Garage geplant. Das Gebäude stelle einen Neubau dar, so dass die gesetzlichen Anforderungen von der Planung bis zur Ausführung vollinhaltlich umgesetzt werden könnten. Die Tür sei für die Garage kein zwingendes Erfordernis. Bei der Prüfung der Abweichung komme es allein darauf an, dass mit der geplanten Ausführung dem Zweck der Forderungen des § 30 LBauO M-V entsprochen werde und dieses auch unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V vereinbar sei. Bei Abwägung des privaten Interesses an der Errichtung einer Tür in der grenznahen Gebäudeabschlusswand mit den öffentlichen Interessen, insbesondere denen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V, müsse das private Interesse zurückstehen. Das öffentliche Interesse bestehe hier im Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere von Leben und Gesundheit. Aus diesem Grund könne die beantragte Abweichung nicht zugelassen werden.

6

Am 7. März 2011 erhoben die Kläger gegen den Bescheid vom 7. Februar 2011 Widerspruch. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor: Der angefochtene Bescheid befasse sich nicht mit den Zielsetzungen des § 30 LBauO M-V, sondern wiederhole im Grunde nur den Gesetzestext. Darüber hinaus befasse der Bescheid sich nicht mit der besonderen städtebaulichen, historisch gewachsenen Situation in …. Aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zu einem gleichgelagerten Fall ergebe sich, dass nach den sich aus § 30 LBauO M-V ergebenden Brandschutzvorschriften unter Berücksichtigung der besonderen Situation in der betroffenen Ortsteillage in … bei Einhaltung der auch in der Vergangenheit geltenden Regel für die Nordseite der Grundstücke eine Grenzabschlussbebauung vorzusehen und im Bereich der Tüschen an den Südwänden Öffnungen zuzulassen seien. In den vergangenen Jahren seien im Bereich …, wo sich die Tüschenbebauung befinde, zudem eine Vielzahl von Gebäuden neu errichtet bzw. baugenehmigungspflichtig und bestandsverändernd erweitert bzw. umgebaut oder saniert worden. Bei solchen Vorhaben seien abweichend von der Landesbauordnung der städtebaulich typische und traditionelle Einbau von Fenstern und Türen in die Südwände genehmigt worden. An diese Verwaltungspraxis sei der Beklagte gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Offensichtlich erst seit dem vergangenen Jahr und möglicherweise zuerst bei den Klägern sei von der jahrelangen Verwaltungspraxis abgewichen worden. Wenn also in jahrelanger Verwaltungspraxis in gleichgelagerten Fällen in einer Umgebung von wenigen hundert Metern das dem Bauamt zustehende Ermessen immer wieder so ausgeübt worden sei, dass eine Abweichung durch Gestattung von Öffnungen in den Südwänden der Tüschen zulässig sei, müsse sich das Bauamt an dieser Verwaltungspraxis messen lassen. Eine Abweichung davon sei nur bei Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes möglich, der hier nicht ersichtlich sei.

7

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 9. März 2012, zugestellt am 13. März 2012, im Wesentlichen mit der Begründung zurück, vorliegend handele es sich um brandschutzrechtliche Vorschriften, die der Abwendung einer konkreten Gefahr von Leben und Gesundheit der Allgemeinheit und namentlich der Nachbarn dienten. Durch die beantragte Türöffnung würde eine Situation geschaffen, aus welcher hinreichend wahrscheinlich eine Gefährdung der bedrohten Rechtsgüter folge. Auch die Berücksichtigung der städtebaulichen historisch gewachsenen Situation könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Im Umfeld des Bauvorhabens handele es sich in der Regel bei den Nordwänden um grenzständige und bei den Südwänden um grenznahe Wände, welche beide gemäß LBauO M-V als öffnungslose Brandwände auszubilden seien. Die zwischen den Gebäuden existierenden Tüschen erforderten aufgrund ihrer geringen Breite die Erfüllung dieser bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Hierzu seien in der Vergangenheit Ordnungsverfügungen zum Verschließen der Öffnungen in den Nordwänden erlassen worden. Darüber hinaus seien in zahlreichen Fällen in Verfahren zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit von den Bauherren die hier streitgegenständlichen Öffnungen verschlossen worden. Im Zuge der Ermessensentscheidung sei vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei dem betroffenen Bauvorhaben um einen Neubau handele, bei dessen Planung die Einhaltung der Forderungen der LBauO M-V voll umfänglich möglich gewesen sei. Der Einbau einer Türöffnung in der streitgegenständlichen Wand für die geplante Garagennutzung sei nicht zwingend erforderlich. Es liege auch keine vom Bestandsschutz geprägte Gefahrensituation vor. Die vom Gesetz gegebene Möglichkeit der Abweichung gemäß § 67 LBauO M-V solle nicht dazu genutzt werden, rechtswidrige Zustände zu legalisieren.

8

Eine Selbstbindung der Verwaltung liege nicht vor. Es sei richtig, dass bis Mai 2010 für Neubauten vereinzelt Abweichungen von § 30 Abs. 8 LBauO M-V zugelassen worden seien. Eine Änderung der Verwaltungspraxis sei in den Folgejahren erfolgt. Eine solche Änderung sei in Ausübung des Ermessens der Behörde zulässig, sofern sie konsequent erfolge. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte seine Praxis konsequent geändert. So würden bei Neubauten grundsätzlich keine Abweichungen mehr erteilt. Des Weiteren würden in laufenden Genehmigungsverfahren rechtmäßige Zustände hergestellt.

9

Am 13. April 2012 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führen sie aus: Die Errichtung einer Tür in der östlichen Fassade des Gebäudes sei bautechnisch nicht möglich, da das Gebäude an der ursprünglich vorgesehenen Stelle bei Errichtung der Tür nicht hinreichend hätte abgefangen werden können. Da gleichwohl die Zugänglichkeit des Erdgeschossbereiches von außen in diesem Bereich unerlässlich sei, bleibe allein die Herstellung einer Tür in dem hier streitgegenständlichen Bereich.

10

Die Kläger beantragen,

11

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Beklagten vom 07.02.2011, Az. …, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2012, Az. …, den Beklagten zu verpflichten, die von den Klägern beantragte Abweichung zu genehmigen.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide. Ergänzend führt er aus, dass es sich bei den von den Klägern benannten Fällen, in denen in jüngster Zeit Öffnungen in Südwänden zugelassen worden seien, nicht um Neubauten, sondern um Sanierungs- und Umbaumaßnahmen an Bestandsgebäuden gehandelt habe.

15

Mit Beschluss vom 18. April 2014 ist der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen worden.

16

Im Verfahren 2 A 648/12 hat das Gericht den Beklagten mit Urteil vom heutigen Tag verpflichtet, den Klägern die beantragte Abweichung für sechs Fensteröffnungen zu erteilen. Auf die Urteilsgründe wird verwiesen.

17

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor Ort in … gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage ist begründet.

19

Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kläger haben Anspruch auf Erteilung der von ihnen begehrten Abweichung für die Zulassung der beantragten Türöffnung in der Südwand ihres Gebäudes in der … Straße … in ….

20

Nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 LBauO M-V sind Brandwände erforderlich als Gebäudeabschlusswand, wenn diese Abschlusswand an oder mit einem Abstand von bis zu 2,5 m gegenüber der Grundstücksgrenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 m zum bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäude gesichert ist. Nach § 30 Abs. 1 LBauO M-V ist eine Gebäudeabschlusswand eine Brandwand als raumabschließender Bauteil zum Abschluss von Gebäuden. Diese Voraussetzungen sind an der südlichen - wie auch an der nördlichen - Wand des Gebäudes der Kläger unstreitig erfüllt. Bei der Tüschenbebauung sind zu den Tüschen hin grundsätzlich keinerlei Öffnungen in den Wänden zulässig. Sie können nur im Wege der Abweichung zulässig werden (vgl. Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. September 2008 - 3 L 18/02 -, juris).

21

Nach 67 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der Landesbauordnung und aufgrund der Landesbauordnung erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V vereinbar sind. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das materielle Bauordnungsrecht vollzugstauglich flexibilisieren wollte und zum Ziel hatte, die Erreichung des jeweiligen Schutzzieles der Norm in den Vordergrund zu rücken.

22

Hierzu hat der Gesetzgeber in der Regierungsbegründung (Landtagsdrucksache 4/1810, Seite 170) ausgeführt:

23

"Dabei geht die Neufassung ... davon aus, dass Vorschriften des Bauordnungsrechts bestimmte - in der überarbeiteten Landesbauordnung namentlich in den Regelungen des Brandschutzes verstärkt verdeutlichte - Schutzziele verfolgen und zur Erreichung dieser Schutzziele einen - aber auch nur einen Weg von mehreren möglichen - Weg weisen. Ziel der Abweichungsregelung ist, die Erreichung des jeweiligen Schutzziels der Norm in den Vordergrund zu rücken und - insbesondere ohne Bindung an das Erfordernis des atypischen Einzelfalls - auf diese Weise das materielle Bauordnungsrecht vollzugstauglich zu flexibilisieren".

24

Unter Zugrundelegung dieses Normverständnisses sind - im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten - die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung vorliegend gegeben.

25

Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Beschluss vom 12. September 2008 a.a.O.) hat zu dieser Problematik in einem Fall, der eine bauordnungsrechtliche Anordnung des Beklagten zum Schließen von Fenstern in der Nordwand des dort streitgegenständlichen Gebäudes in … zum Gegenstand hatte, in der bereits zitierten Entscheidung ausgeführt:

26

"Im Ausgangspunkt kommt rechtlich gesehen eine Abweichung von den Anforderungen einer Gebäudeabschlusswand jeweils dann in Betracht, wenn die Grenzwand des gegenüberliegenden Gebäudes auf dem Nachbargrundstück als Gebäudeabschlusswand ausgeführt ist. In diesem Falle ist die Gefahr des Übergreifens eines Brandes, der durch die Errichtung einer Gebäudeabschlusswand gebannt werden soll, nicht mehr gegeben (vgl. VG des Saarlandes, U. v. 08.12.2004 - 5 K 117/04 - zitiert nach juris Rn. 28). Im vorliegenden Fall hat der Senat bereits herausgehoben, dass das Ensemble X. eine besondere städtebauliche Gestaltung aufweist, die es geradezu gebietet, dass es sich die vorhandene wie eine neue Bebauung in Dimension und Anordnung an die bestehende Bebauung mit schmalen Giebelhäusern, die durch Tüschen getrennt sind, hält (Senatsbeschluss v. 20.07.1995 - 3 M 154/04 - BRS 57 Nr. 160). Ausgangspunkt der Betrachtung unter diesen Umständen muss es für Entwicklungen vor In-Kraft-Treten der Landesbauordnung bzw. der Bauordnung der DDR sein, der bisherigen Entwicklung zu entnehmen, welche der jeweiligen Wände als Gebäudeabschlusswand ausgestaltet worden sind und demgemäß die gegenüberliegende Wand des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück diese Anforderungen nicht zu erfüllen hat. Dies kann, muss aber nicht einheitlich für den gesamten Ortsteil Y. im Bereich der Tüschenbebauung die Nordseite sein. Entscheidend sind die Grundstücksverhältnisse auf dem jeweils betroffenen Grundstück."

27

Diesen Ausführungen schließt das erkennende Gericht sich an. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass eine Abweichung bezüglich des Verbotes von Öffnungen in Brandwänden im Fall der Tüschenbebauung dann zuzulassen ist, wenn sich in der jeweils gegenüberliegenden Gebäudeabschlusswand keine Öffnungen befinden. In einer solchen Konstellation wird der Sinn und Zweck der Regelung in § 30 LBauO M-V - die Verhinderung des Übergreifens von Bränden - erfüllt, da diese Gefahr hier gerade nicht besteht. Grundsätzlich kommt es im Bereich des technischen Brandschutzes - im Gegensatz zu den Abstandsflächenvorschriften (vgl. hierzu Verwaltungsgericht Schwerin, Urteil vom 06.12.2012 - 2 A 259/10 -) auch nicht auf eine atypische Lage des betreffenden Grundstücks an (vgl. Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. September 2008 a.a.O.). Insoweit kann offenbleiben, ob die in der fraglichen Umgebung vorhandene Tüschenbauweise mit teils grenzständig, teils grenznah errichteten schmalen aber tiefen Gebäuden - wofür einiges spricht - um eine besondere städtebauliche Situation handelt, die atypisch ist und eine Abweichung von den Brandschutzvorschriften rechtfertigt.

28

Für den hier zu entscheidenden Fall bedeutet das, dass die von den Klägern begehrte Abweichung für die streitgegenständliche Tür in der Südwand ihres Gebäudes zugelassen werden kann. Wie die Augenscheinseinnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergeben hat, weist die auf der gegenüberliegenden Seite der Tüsche gelegene Nordwand des Gebäudes … bzw. … keine Fenster- oder Türöffnungen auf. Diese Wand ist damit als Gebäudeabschlusswand ausgebildet, so dass die Südwand des klägerischen Wohnhauses nach der vorgenannten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern die Anforderungen an eine Gebäudeabschlusswand nicht erfüllen muss.

29

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass es sich vorliegend um einen Neubau handele, bei dessen Planung die Einhaltung der Forderungen der Landesbauordnung voll umfänglich möglich gewesen sei, ist dies für sich genommen zwar grundsätzlich richtig. Eine Verwaltungspraxis, Abweichungen von brandschutzrechtlichen Vorschriften lediglich bei Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen an Bestandsgebäuden zuzulassen, würde allerdings die vom Gesetzgeber generell beabsichtigte vollzugstaugliche Flexibilisierung des materiellen Bauordnungsrechts mit dem Ziel, die Erreichung des jeweiligen Schutzzieles der Norm in den Vordergrund zu rücken, nicht gerecht werden. Eine entsprechende Einschränkung lässt sich der Abweichungsvorschrift des § 67 LBauO M-V demgemäß auch nicht entnehmen. Auf die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob der sich Beklagte bereits aufgrund seiner jahrelangen Verwaltungspraxis in gleichgelagerten Fällen selbst gebunden hat und damit nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG auch gegenüber den Klägern bereits deshalb verpflichtet war, die begehrte Abweichung zu erteilen, kommt es insoweit nicht an.

30

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Nr. 1 LBauO M-V liegen vor. Öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange werden durch die streitgegenständliche Abweichung von § 30 Abs. 8 LBauO M-V nicht berührt. Aber auch sonst sind keine entgegen stehenden öffentlichen Belange ersichtlich. Denn wie bereits dargelegt - führt eine Abweichung hier nicht zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere von Leben und Gesundheit.

31

Vorliegend können die Kläger nicht lediglich eine Neubescheidung ihres Abweichungsantrags verlangen, sondern es besteht darüber hinaus der geltend gemachte Anspruch auf die begehrte Abweichung. Denn das dem Beklagten grundsätzlich im Rahmen einer Abweichungsentscheidung zustehende Ermessen ist hier auf Null reduziert.

32

Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des materiellen Bauordnungsrechts in der geänderten Landesbauordnung vom 18. April 2006 (GVOBl. M-V S. 102) die Zielrichtung verfolgt, "Kann-" und "Soll"-Regelungen des materiellen Bauordnungsrechts zu beseitigen und unmittelbar gesetzesabhängige Zulassungstatbestände zu formulieren. Wie bereits dargelegt, wurde eine vollzugstaugliche Flexibilisierung des Bauordnungsrechts mit dem Ziel, die Erreichung des jeweiligen Schutzzieles der Norm in den Vordergrund zu rücken, angestrebt. Bei diesem Verständnis des § 67 LBauO M-V ergibt sich, dass dann, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, grundsätzlich ein Anspruch auf Ausnahme besteht, sofern nicht andere öffentliche Vorschriften entgegenstehen (vgl. Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. September 2008 a.a.O.).

33

Dementsprechend war der Beklagte zu verpflichten, den Klägern die beantragte Abweichung für eine Tür in der Südwand ihres Gebäudes zu erteilen.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

36

Beschluss

37

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

38

Gründe

39

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. Mai 2014 - 2 A 649/12

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. Mai 2014 - 2 A 649/12

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 06. Dez. 2012 - 2 A 259/10

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Tenor 1. Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11.11.2009 (Az.: …) für den Neubau einer Terrassenüberdachung auf ihrem Grundstück in A-Stadt, Flurstück 651, Flur 1, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2010 (Az.: ….) und der B

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 12. Sept. 2008 - 3 L 18/02

bei uns veröffentlicht am 12.09.2008

Tenor Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15.11.2001 wird für wirkungslos erklärt. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahre

Referenzen

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15.11.2001 wird für wirkungslos erklärt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf 8.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Kläger wenden sich als Eigentümer des Gebäudes X. 84 in Y. gegen eine bauordnungsrechtliche Anordnung des Beklagten zum Schließen von Fenstern und den Rückbau einer Dachgaube an der nördlichen Seite ihres Hauses. Das Gebäude der Kläger liegt im Ortsteil Y. des Beklagten. Es ist Teil der dort prägenden sogenannten Tüschenbebauung. In nördlicher Richtung grenzt an das Gebäude, das auf dem Flurstück 777/5 steht, das Gebäude X. 85 auf dem Flurstück 775. Das Gebäude der Kläger ist hier grenzständig errichtet worden. Zwischen dem Gebäude der Kläger und dem Gebäude X 85 Flurstück 775 führt eine Tüsche von etwa 80 cm. Im südlichen Bereich des Grundstücks hält das Gebäude der Kläger einen Abstand zur Grundstücksgrenze von 1 m ein. Grenzständig an diese Grundstücksgrenze ist das Gebäude X. 83 errichtet.

2

Durch Bescheid vom 20.10.2000 gab der Beklagte den Klägern auf, alle im Erdgeschoss der Nordseite vorhandenen Fensteröffnungen feuerbeständig zu verschließen. Die im Dach der Nordseite befindliche Gaube sei zurückzubauen. Die Öffnungen in der nördlichen Dachfläche seien feuerhemmend auszubilden, wenn sie, waagerecht gemessen, nicht mindestens 2 m von der Grenzwand entfernt seien. Außerdem werde für die Umnutzung des Erdgeschosses im Vorderhaus zu einem Büroraum für eine Immobilienfirma und einen Laden die Beibringung der erforderlichen Bauvorlagen aufgegeben. Zur Begründung wird ausgeführt: Aus den vorhandenen Archivunterlagen sei ersichtlich, dass in der Nordwand keine Fenster genehmigt seien. Die Forderung nach feuerbeständigem Verschluss der festgestellten Öffnungen in der Grenzwand ergebe sich aus § 29 Abs. 1 und 8 LBauO M-V a.F.. Die Beseitigungsanordnung stehe im pflichtgemäßen Ermessen. Der feuerbeständige Verschluss der Fensteröffnungen in der nördlichen Gebäudewand sei begründet, weil mit deren Fortbestand unmittelbar Gefahr für Leben und Gesundheit im Falle eines Brandes bestehe. Es bestehe die Gefahr, dass die benachbarte bauliche Anlage auf dem Grundstück X. 85 den Brand- und Rauchgasen ungeschützt ausgesetzt sei. Ebenso sei der Rettungsweg in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Das Interesse der Kläger an der Nutzung der hinter diesen Fenstern vorhandenen Räume müsse hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen. Dieses bestehe hier im Schutz von Leben und Gesundheit für den Nutzer der baulichen Anlage auf dem Nachbargrundstück. Für die Umnutzung der Räume als Laden und für die Immobilienfirma sei eine Baugenehmigung erforderlich. Daher müssten die entsprechenden Unterlagen vorgelegt werden.

3

Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Am 30.01.2001 führten Bedienstete des Beklagten mit der Klägerin und deren Architekten ein Gespräch. Ausweislich des Vermerks hierüber erklärte die Klägerin, dass sie die Fenster im Erdgeschoss schließen werde, eventuell unter Herstellung einer Brandwand F 90. Eine entsprechende Erklärung solle nachgereicht werden. Die Gaube im Dachgeschoss und die liegenden Dachflächenfenster sollten unbedingt erhalten bleiben, um die Funktion der Räume zu gewährleisten. Die Bediensteten des Beklagten erklärten, sie wollten nach Hergabe von Zeichnungen mit Darstellung des Bestandes und der entsprechenden Abstände sowie der Dachneigung prüfen, ob eine Herstellung des Feuerwiderstands gemäß § 34 Abs. 1 LBauO M-V a.F. in Betracht komme. Das Fenster in der Gaube müsse G 30 hergestellt werden und dürfe nicht zu öffnen sein. Zur Belüftung sollten Oberlichte hergestellt werden sowie ein Rauch- und Wärmeabzug für den Brandfall. Auf Grund dieses Gespräches solle die Bescheidung des Widerspruches ausgesetzt bleiben bis zum 15.02.2001. Bis dahin eingehende Bauvorlagen würden im Widerspruchsbescheid berücksichtigt werden.

4

Am 13.02.2001 ging das Schreiben des Architekturbüros ein, in dem Vorschläge zur Umgestaltung des Gebäudes formuliert sind. Darin heißt es: Die in der nördlichen Wand angebrachten Fenster für den Laden würden zugemauert werden. Das anschließende Fenster des Bades erscheine unentbehrlich. Die Scheibe solle gegen eine G 30 Scheibe ausgetauscht werden, die Olive solle verschließbar gestaltet und das Fenster nur zu Reinigungszwecken zu öffnen seien. Weiter nach Westen an der Nordwand folge das Schlafzimmer mit drei Fenstern; diese würden zugemauert werden.

5

Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 27.03.2001 zurück. Die an der Nordseite befindlichen Öffnungen verstießen gegen §§ 29 und 31 LBauO M-V a.F.. Es sei nicht erkennbar, dass die Kläger sich auf Bestandsschutz berufen könnten. Der Beklagte sei davon überzeugt, dass nicht feuerbeständige Öffnungen auf der Nordseite eines Gebäudes X. zu keiner Zeit materiell rechtmäßig gewesen seien. Die Bestimmung des § 87 LBauO M-V a.F. rechtfertige es, zu verlangen, dass die auf der Nordseite befindlichen Öffnungen feuerbeständig geschlossen würden. Durch die Zusage, einzelne auf der Nordseite befindliche Öffnungen zuzumauern, sei keine Erledigung eingetreten. Sie setze voraus, dass die Kläger die Öffnungen schon zugemauert hätten und dies der Behörde angezeigt hätten. Die Forderung, Bauvorlagen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der jetzt ausgeübten Nutzung einzureichen, sei ebenfalls rechtmäßig.

6

Das Verwaltungsgericht Schwerin hat die hiergegen gerichtete Klage durch Urteil vom 15.11.2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 87 Abs. 1 LBauO M-V a.F. könnten nachträgliche Anforderungen auch an genehmigte Bauteile nur gestellt werden, wenn die dafür bestehenden gesetzlichen Anforderungen geändert würden. Im vorliegenden Fall seien die Änderungen hinsichtlich der Fenster und der Dachgaube weder von der ursprünglichen noch von einer späteren Baugenehmigung erfasst. Derartige Genehmigungen enthielten weder die alten Bauakten des Beklagten noch die von den Klägern eingereichten Unterlagen. Die formell baurechtswidrigen Öffnungen seien auch materiell baurechtswidrig. Sie verstießen gegen § 29 LBauO M-V a.F.. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Gleiches gelte für die Anordnung, die nördliche Dachgaube zurückzubauen. Allerdings habe der Beklagte in den Bescheiden nichts dazu ausgeführt, warum die Gaube nicht genehmigungsfähig sei und daher nicht nur feuerbeständig bzw. feuerhemmend ausgestaltet, sondern zurückgebaut werden müsse. Zum einen sei denkbar, dass der Beklagte aus bauplanungsrechtlichen Gründen wie schon in der Bauzeichnung vom 22.04.1934 davon ausgehe, dass die Bauweise der Umgebung es erfordere, nur eine echte Gaube als gegenüber der Außenwand im Dach zurückversetzt zuzulassen. Zum anderen sei nicht zu verkennen, dass bei der dichten Bebauung eine grenzständige Gaube vor der Südwand des Nachbarn diesem die erforderliche Belichtung und Besonnung so stark nehme, dass sie nicht zugelassen werden könne. Zudem sprächen Feuerschutzgründe gegen die Gaube mit nichtfeuerbeständigen Fenster und einem sogenannten weichen Dach, das nach § 31 Abs. 2 LBauO M-V a.F. einen Mindestabstand vom Nachbarhaus von 6 m erfordere. Zudem unterliege die Dachgaube den Anforderungen des § 31 Abs. 7 LBauO M-V a.F. zur Vermeidung der Feuerübertragung.

7

Auch die Voraussetzung für die Anordnung des Verschließens der übrigen Dachöffnungen lägen vor. Eine Genehmigung hierfür läge nicht vor, da die Dachflächenfenster bis zur letzten nachgewiesenen Änderungsgenehmigung von 1977 unbekannt seien.

8

Die durch den Senat zugelassene Berufung haben die Kläger fristgerecht wie folgt begründet. Die Verfügung könne insoweit nicht auf § 80 Abs. 1 LBauO M-V gestützt werden. Die Öffnungen seien vor In-Kraft-Treten der Landesbauordnung vorhanden gewesen. Der Gesetzgeber habe aber die Eingriffsbefugnis nur zugestanden, soweit nach In-Kraft-Treten der Landesbauordnung formell oder materiell illegale Vorhaben umgesetzt worden seien.

9

Die Kläger hatten am 10.08.2001 vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügungen beantragt. Diesem Antrag hatte das Verwaltungsgericht Schwerin durch Beschluss vom 14.01.2002 stattgegeben (2 B 714/01). Das Rechtsmittel gegen diesen Bescheid hatte der Senat als unzulässig durch Beschluss vom 15.07.2002 (3 M 11/02) verworfen.

10

Der Berichterstatter des Senats hat eine Beweisaufnahme am 02.08.2007 durch Augenscheinseinnahme durchgeführt und hierbei mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Im Rahmen dieses Termins erklärten die Kläger, an einer alternativen Lösung interessiert zu sein und binnen zwei Monaten einen entsprechenden Vorschlag durch einen zugelassenen Brandschutzplaner bei dem Beklagten einzureichen. Der Beklagte sagte zu, an Hand dieses Vorschlags zu prüfen, ob hierin ein angemessenes Austauschmittel nach Maßgabe der Brandschutzanforderungen der Landesbauordnung M-V neuer Fassung gesehen werden kann. Er werde insoweit gegebenenfalls die angefochtenen Bescheide entsprechend modifizieren.

11

Demgemäß reichten die Kläger am 28.09.2007 einen Bauantrag ein, mit der sie die Genehmigung der Umnutzung der früheren Zahnarztpraxis in zwei Läden (Buchladen und Sammlerstübchen) beantragten sowie nach § 30 Abs. 8 LBauO M-V beantragten, den Einbau von F 60-Festverglasungen für zwei Fenster in Wohnung 1 Raum 2 in der hochfeuerhemmenden Gebäudeabschlusswand an der Nordseite zuzulassen. Durch Bescheid vom 04.03.2008 lehnte der Beklagte den Bauantrag ab. Dem Vorhaben stünden öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen. Hierzu zählten § 30 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V n.F.. § 30 Abs. 11 i.V.m. Abs. 8 LBauO M-V schließe Öffnungen in Gebäudeabschlusswänden aus. Die hierzu beantragte Abweichung für die Nordseite könne nicht erteilt werden. Insoweit werde auf die Begründung des Bescheides zur Ablehnung der Befreiung verwiesen. Die Nutzungsänderung könne nicht genehmigt werden, da im Laden 1 in der südlichen Gebäudeabschlusswand ebenfalls ein Fenster angeordnet sei, das den genannten Brandschutzvorschriften widerspreche. Eine Abweichung und Ersatzmaßnahme hierzu sei nicht beantragt. Diese Öffnung beeinträchtige im Brandfall den ersten und zweiten Rettungsweg für die Wohnnutzung in dem der Straße abgewandten Gebäudeabschnitt. Die beantragte Änderung des Gebäudes würde deshalb ebenso wie bereits im Bestand nicht dem Grundsatz des § 3 Abs. 1 LBauO M-V gerecht werden.

12

Durch weiteren Bescheid vom 04.03.2008 lehnte der Beklagte eine Abweichung nach § 67 LBauO M-V ab. § 30 Abs. 11 i.V.m. Abs. 8 LBauO M-V schließe Öffnungen in Gebäudeabschlusswänden aus. Öffnungen in diesem Sinne seien alle Unterbrechungen in der Wand, die nicht dem aussteifenden und/oder tragenden Charakter einer Wand entsprechen. Hierzu zählten Fenster, Türen wie auch Verglasungen. Dabei sei die Widerstandsfähigkeit gegen Feuer irrelevant. Dies sei zu Recht auch von den Antragstellern erkannt und eine entsprechende Abweichung für eine Öffnung mit F 60 Fenstern beantragt worden. Eine hinreichend nachvollziehbare Begründung sei der Antragstellung nicht zu entnehmen. Schutzziel der Vorschriften sei eine ausreichend lange Verhinderung der Brandausbreitung auf andere Gebäude. Dabei sei auch der Umstand einer Explosion wie das Herunterstürzen von Deckenbalken zu berücksichtigen, die gegen diese Abschlusswände stoßen. Dieses Kriterium würde mit dem Einbau von Öffnungen in der Weise durchbrochen, dass eine Festigkeit, wie sie eine durchgehende Wand erreiche, nicht gegeben sei.

13

Gegen diese Bescheide haben die Kläger am 08.04.2008 Widerspruch eingelegt, über den bislang nicht entschieden ist.

14

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten folgende Vereinbarung getroffen:

15

1. Die Kläger verpflichten sich, die am 28.09.2007 beantragten Maßnahmen einschließlich der oben angesprochenen, einer weiteren Befreiung bedürftigen Maßnahmen binnen 9 Monaten nach Zugang der Baugenehmigung durchzuführen. Dabei gehen die Beteiligten davon aus, dass die Öffnung in der Nordwand in Wohnung 1/Raum 2 auf hiermit vorsorglich gestellten Antrag auf Abweichung durch Glasbausteine mit Feuerwiderstand F 60 und Stahlverankerung ausgestaltet wird und die übrigen Öffnungen in der Nordwand geschlossen werden.

16

2. Der Beklagte verpflichtet sich, für die nach Ziff. 1 umschriebenen Maßnahmen die erforderlichen Ausnahmen und die entsprechende Baugenehmigung zu erteilen.

17

3. Die Beteiligten erklären die Hauptsache für erledigt.

II.

18

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

19

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos zu erklären.

20

Es ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Es entspricht der Billigkeit die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen. Ob die Klage der Kläger (teilweise) Erfolg gehabt hätte, ist nämlich offen.

21

1. Grundsätzlich ist bei der Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, die zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestand. Hiervon ist eine Ausnahme zu machen bei der Anfechtung einer - möglicherweise - rechtmäßig erlassenen Abriss- oder Umbauanordnung, wenn diese Anordnung noch nicht vollzogen worden ist und die betroffene bauliche Anlage nach der letzten behördlichen Entscheidung rechtmäßig geworden ist. Es ist nämlich sinnwidrig, müsste der Bauherr bauliche Anlagen abreißen oder umbauen, deren Wiedererrichtung sogleich nach Vollzug gestattet werden müsste (vgl. BVerwG, U. v. 06.12.1985 - 4 C 23/83 - NJW 1986, 1186).

22

Maßgebend ist daher die Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) vom 18. April 2006 (Artikel 1 des Gesetzes zur Neugestaltung der Landesbauordnung und zur Änderung anderer Gesetze vom 18. April 2006 - GVOBl. M-V S. 102).

23

2. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können gem. Satz 2 in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. § 58 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V ermächtigt sowohl zu Anordnungen zur Erfüllung an seit der Errichtung geltende, aber nicht eingehaltene Anforderungen wie auch zu Anordnungen in Fällen, in denen eine ursprünglich rechtmäßig errichtete bauliche Anlage an gegenüber den im Zeitpunkt ihrer Errichtung geltenden Vorschriften veränderte Vorschriften der Bauordnung oder Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung angepasst werden soll. Die unterschiedlichen Fallgestaltungen sind im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

24

Es kann hier dahinstehen, ob die Gestaltung des Gebäudes durch - ggf. erforderliche - Genehmigungen gedeckt sind und/oder sie bei Ausführung der Maßnahmen oder zu einem späteren Zeitpunkt dem materiellen Baurecht entsprachen und ob das materielle Recht insoweit gleichbleibende oder später erhöhte Anforderungen gestellt hat, weil die angefochtene Anordnung der Bauaufsichtsbehörde bei Nichteinhalten von brandschutzrechtlichen Vorschriften zugleich wegen der Sicherheit oder Gesundheit erforderlich ist und daher auch eine nachträgliche Anordnung zur Anpassung an die veränderten rechtlichen Anforderungen rechtfertigen würde.

25

Für die Auslegung des § 58 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V ist in diesem Zusammenhang maßgebend:

26

Der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern idF vom 06.05.1998 (GVOBl. M-V S. 468, 612), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2003 (GVOBl. M-V S. 690) (LBauO M-V a.F.) war auf die Fälle beschränkt, in denen eine bauliche Anlage an gegenüber den im Zeitpunkt ihrer Errichtung geltenden Vorschriften veränderte Vorschriften der Bauordnung oder Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung angepasst werden soll und deren Durchsetzung wegen der Sicherheit oder Gesundheit erforderlich ist. Dieser beschränkte Anwendungsbereich entsprach auch Sinn und Zweck. Die Norm trug dem Bestandschutz Rechnung. Der Eigentümer einer baulichen Anlage sollte ein im Einklang mit dem seinerzeit geltenden Recht ausgeführtes Vorhaben grundsätzlich auch dann unverändert weiter nutzen können, wenn neue bauordnungsrechtliche Vorschriften diesem Vorhaben, sollte es jetzt errichtet werden, entgegenstünden (vgl. OVG Münster, U. v. 15.07.2002 - 7 A 3098/01 - zit. nach juris).

27

§ 87 Abs. 1 LBauO M-V a.F. stand aber nicht Maßnahmen entgegen, die zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, ohne dass sich die Bauvorschriften geändert hätten. Er schloss bereits nach seinem Wortlaut Maßnahmen der Gefahrenabwehr in anderen Fällen als denen der Anpassung an geänderte Bauvorschriften nicht aus. Aus Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich ebenfalls kein Recht des Eigentümers, von Anforderungen an seine bauliche Anlage freigestellt zu werden, die der Gefahrenabwehr dienen. Vielmehr waren auch in anderen Fällen als denen der Anpassung an geänderte Bauvorschriften nachträgliche Anforderungen möglich. So bestand die von § 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBauO M-V a.F. (jetzt § 58 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBauO M-V) umfasste Verpflichtung, eine bauliche Anlage instand zu halten, ungeachtet der Frage, ob sie einmal in einem ordnungsgemäßen Zustand errichtet worden ist (vgl. OVG Münster, U. v. 15.07.2002 - 7 A 3098/01 - zit. nach juris)

28

Der Gesetzgeber hat § 87 LBauO M-V a.F. in der Neufassung des Gesetzes ersatzlos wegfallen lassen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass dessen Funktion durch § 58 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V erfüllt wird. In der Gesetzesbegründung (Landtag-Drs. 4/1810 S. 186) wird ausgeführt:

29

"Die Vorschrift ist entbehrlich. Ihr Regelungszweck ist durch das Landesverwaltungsverfahrensrecht und die allgemeine bauaufsichtliche Befugnisnorm des § 58 Abs. 1 Satz 2 (neu) abgedeckt.

30

Die bisher in Absatz 1 enthaltene besondere Befugnisnorm, die bei Vorliegen einer konkreten Gefahr die Anpassung bestehender oder nach genehmigten Bauvorlagen bereits begonnener baulicher Anlagen an geändertes Bauordnungsrecht ermöglicht, geht über die allgemeine bauaufsichtliche Befugnisnorm (§ 58 Abs. 1 Satz 2) nicht hinaus. Sie ist deshalb nicht notwendig.

31

Ist eine bauliche Anlage genehmigt, enthält die Baugenehmigung die Feststellung, dass die bauliche Anlage mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt. Die bauliche Anlage genießt Bestandsschutz. Ein bauaufsichtliches Verlangen, die bauliche Anlage wegen Vorliegen einer konkreten Gefahr an geändertes Bauordnungsrecht anzupassen, bedarf (und bedurfte auch bisher) eines - gegebenenfalls entschädigungspflichtigen - (Teil-)Widerrufs der (rechtmäßigen, weil mit dem bei ihrer Erteilung maßgeblichen Bauordnungsrecht übereinstimmenden) Baugenehmigung nach § 49 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes."

32

Diese Ausführungen geben allerdings die seinerzeit wie die geltende Rechtslage nicht in allen Punkten zutreffend wider. Zutreffend ist, dass nach § 58 Abs. 1 Satz 2 LBauO auch nachträgliche Anforderungen an ursprünglich rechtmäßig errichtete bauliche Anlagen gestellt werden können. Nicht zutreffend ist, dass ein Anpassungsverlangen nach § 87 LBauO M-V a.F. den (Teil)Widerruf der Baugenehmigung voraussetze; vielmehr stellte diese Vorschrift eine spezialgesetzliche Regelung dar (vgl. Heintz in Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, Bauordnung NRW, 11. Aufl. § 87 Rdn. 9). Gleiches gilt nach geltendem Recht für nachträgliche Anforderungen, soweit sie nach § 58 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V zulässig sind. Der Widerruf einer Baugenehmigung ist damit nicht ausgeschlossen, trifft aber eine andere Regelung (VG Dessau, U. v. 17.3.2004 - 1 A 452/02 - zit. nach juris). Bei einer auf § 58 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V gestützten Bauordnungsverfügung ist die gesetzgeberische Wertung des § 87 Abs. 1 LBauO M-V a.F. für das Gewicht der bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Eigentümerbelange von Bedeutung. Namentlich ist in die Ermessenserwägung die Bedeutung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsbestands im Hinblick auf die Frage einzustellen, ob eine für erforderlich angesehene Ordnungsverfügung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt.

33

Auf nähere Einzelheiten kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an, weil der Beklagte soweit brandschutzrechtliche Vorschriften nicht eingehalten werden, zur Abwendung einer konkreten Gefahr von Leben und Gesundheit der Allgemeinheit und namentlich der Nachbarn gehandelt hat. Eine solche konkrete Gefahr liegt vor, wenn aus einer tatsächlich vorhandenen Situation hinreichend wahrscheinlich eine Gefährdung der bedrohten Rechtsgüter folgt. Gerade in dem jeweiligen Einzelfall muss in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen sein. Dabei hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von der Qualität des möglicherweise eintretenden Schadens ab. Bei Gefährdungen von Leben oder Gesundheit als geschützten Rechtsgütern sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Hier ist zu berücksichtigen, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen ist, beweist nicht, dass insoweit keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen lediglich einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden kann. Kommt es zu einem solchen, jederzeit möglichen Brand, ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Gefährdung von Leben und Gesundheit der Personen zu rechnen, die sich in den hier in Rede stehenden Tüschenhäusern aufhalten (vgl. OVG Münster, B. v. 22.07.2002 - 7 B 508/01 - NVwZ-RR 2003, 722).

34

3. Schließlich ist bei der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Durchsetzung bauordnungsrechtlicher Anforderungen der Gesichtspunkt zu beachten, dass ein gleichgeeignetes milderes Mittel als diejenige Anforderung, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, geprüft werden muss. Dies gilt einmal dann, wenn der Bauordnungsbehörde selbst (etwa auf Grund technischer Vorschriften, allgemeine technischen Wissens) bekannt ist, dass der von der einschlägigen Vorschrift vorausgesetzte Zweck mit einem milderen Mittel erreichbar ist. Dies gilt auch dann, wenn der Adressat der bauordnungsrechtlichen Verfügung im Verwaltungsverfahren, namentlich auch im Widerspruchsverfahren, geltend macht, es gäbe ein milderes Mittel. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Realisierung dieses milderen, gleichgeeigneten Mittels einer Abweichung nach § 67 LBauO M-V bedürfte, wenn eine entsprechende Maßnahme bei Errichtung oder Änderung des Gebäudes durchgeführt werden soll. § 67 LBauO M-V richtet sich nämlich an den Bauherrn.

35

Maßgebend sind bei der Ermessensentscheidung über bauordnungsrechtliches Einschreiten die Wertungen zu berücksichtigen, die der Gesetzgeber namentlich den brandschutzrechtlichen Vorschriften und der Neukonzeption von Ausnahmen und Befreiungen in Form der sogenannten Abweichung nach § 67 LBauO M-V zu Grunde gelegt hat.

36

Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des materiellen Bauordnungsrechts die Zielrichtung verfolgt, "Kann-" und "Soll"-Regelungen des materiellen Bauordnungsrechtes zu beseitigen und unmittelbar gesetzesabhängige Zulassungstatbestände zu formulieren. In der Gesetzesbegründung heißt es in diesem Zusammenhang:

37

"Ergänzend dazu ist die bisherige, auf die Rechtsfindung in Einzelfällen gerichtete Regelung von Ausnahmen und Befreiungen durch die Schutzziel bezogenen flexible Regelung von Abweichungen (§ 67 LBauO M-V) ersetzt worden. Danach können Abweichungen von (allen materiellen) Anforderungen des Bauordnungsrechts zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Zwecks und unter Würdigung der nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind" (Landtagsdrucksache 4/1810 S. 95). Das Vorliegen einer unzumutbaren oder unbilligen Härte oder eines atypischen Einzelfalles ist jedenfalls nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahme nach § 67 LBauO M-V, sofern es um die Einhaltung materiellen Bauordnungsrechts geht. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber in der Regierungsbegründung (S. 170) ausgeführt: "Dabei geht die Neufassung ... davon aus, dass Vorschriften des Bauordnungsrechts bestimmte - in der überarbeiteten Landesbauordnung namentlich in den Regelungen des Brandschutzes verstärkt verdeutlichte - Schutzziele verfolgen und zur Erreichung dieser Schutzziele einen - aber auch nur einen Weg von mehreren möglichen - Weg weisen (Unterstreichung im Original). Ziel der Abweichungsregelung ist, die Erreichung des jeweiligen Schutzziels der Norm in den Vordergrund zu rücken und - insbesondere ohne Bindung an das Erfordernis des atypischen Einzelfalls - auf diese Weise das materielle Bauordnungsrecht vollzugstauglich zu flexibilisieren". Auf eine atypische Lage kommt es somit jedenfalls im Bereich des technischen Brandschutzes nicht an.

38

Bei diesem Verständnis des § 67 LBauO ergibt sich, dass dann, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, grundsätzlich ein Anspruch auf Ausnahme besteht, sofern nicht andere öffentliche Vorschriften entgegenstehen. Aus der Sicht der hier zu beurteilenden bauordnungsrechtlichen Verfügung liegt damit unter den genannten Voraussetzungen ein milderes Mittel vor.

39

4. Unter Zugrundelegung dessen bestanden gegen die angefochtenen Bescheide jedenfalls teilweise rechtliche Bedenken:

40

a) Soweit es um die Fenster im Erdgeschossbereich der Nordwand des Gebäudes der Kläger geht, sind sie unzulässig. Dies ergibt sich aus Folgendem:

41

Nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 LBauO M-V sind Brandwände erforderlich als Gebäudeabschlusswand, wenn diese Abschlusswand an oder mit einem Abstand von bis zu 2,5 m gegenüber der Grundstücksgrenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 m zum bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäude gesichert ist. Nach § 30 Abs. 1 LBauO M-V ist eine Gebäudeabschlusswand eine Brandwand als raumabschließender Bauteil zum Abschluss von Gebäuden. Diese Voraussetzungen sind sowohl an der nördlichen wie an der südlichen Wand des Gebäudes der Kläger erfüllt.

42

Bei der Tüschenbebauung sind daher zu den Tüschen hin grundsätzlich keinerlei Öffnungen in den Wänden zulässig. Sie können nur im Wege der Abweichung zulässig werden.

43

Im Ausgangspunkt kommt rechtlich gesehen eine Abweichung von den Anforderungen einer Gebäudeabschlusswand jeweils dann in Betracht, wenn die Grenzwand des gegenüberliegenden Gebäudes auf dem Nachbargrundstück als Gebäudeabschlusswand ausgeführt ist. In diesem Falle ist die Gefahr des Übergreifens eines Brandes, der durch die Errichtung einer Gebäudeabschlusswand gebannt werden soll, nicht mehr gegeben (vgl. VG des Saarlandes, U. v. 08.12.2004 - 5 K 117/04 - zitiert nach juris Rn. 28). Im vorliegenden Fall hat der Senat bereits herausgehoben, dass das Ensemble X. eine besondere städtebauliche Gestaltung aufweist, die es geradezu gebietet, dass es sich die vorhandene wie eine neue Bebauung in Dimension und Anordnung an die bestehende Bebauung mit schmalen Giebelhäusern, die durch Tüschen getrennt sind, hält (Senatsbeschluss v. 20.07.1995 - 3 M 154/04 - BRS 57 Nr. 160). Ausgangspunkt der Betrachtung unter diesen Umständen muss es für Entwicklungen vor In-Kraft-Treten der Landesbauordnung bzw. der Bauordnung der DDR sein, der bisherigen Entwicklung zu entnehmen, welche der jeweiligen Wände als Gebäudeabschlusswand ausgestaltet worden sind und demgemäß die gegenüberliegende Wand des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück diese Anforderungen nicht zu erfüllen hat. Dies kann, muss aber nicht einheitlich für den gesamten Ortsteil Y. im Bereich der Tüschenbebauung die Nordseite sein. Entscheidend sind die Grundstücksverhältnisse auf dem jeweils betroffenen Grundstück. Hieraus dürfte sich ergeben, dass unter Berücksichtigung der Nachbarbebauung des Grundstücks der Kläger die Nordwand die Anforderungen an eine Gebäudeabschlusswand erfüllen müssen. Die Südwand des Gebäudes X. 85 auf dem benachbarten Flurstück 775 ist nicht als Gebäudeabschlusswand ausgebildet; hier finden sich Fenster und Eingangstüren.

44

Hinsichtlich der angefochtenen Bescheide ist daher zunächst festzustellen, dass das Verbot von Öffnungen in der Nordwand als Gebäudeabschlusswand umfassend besteht. Es betrifft die beiden in der Nordwand belegenen Fenster der ehemaligen Zahnarztpraxis, das Fenster für das Badezimmer sowie die folgenden Fenster für das Schlafzimmer.

45

Für das Zimmer Wohnung 1 Raum 2 war seitens der Kläger eine Festverglasung F 60 vorgesehen. Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, hier handele es sich um eine Öffnung, die erhalten bliebe. Sie sei daher mit § 30 Abs. 8 Satz 1 LBauO M-V nicht vereinbar. Insoweit wäre zu prüfen gewesen, ob hierin ein gleichwirksames Austauschmittel zur vollständigen Verschließung der Öffnung liegt, die der Zielrichtung des § 30 Abs. 1 LBauO M-V entspricht. Diese Frage muss im Rahmen der Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO offen bleiben.

46

b) Der Beklagte hat den Klägern des Weiteren aufgegeben, die im Dach der Nordseite befindliche Gaube zurückzubauen. Der Ausgangsbescheid behandelt die Dachgaube ausschließlich unter dem Aspekt des Brandschutzes. Dies gilt auch für den Widerspruchsbescheid.

47

Zunächst erscheint fraglich, ob § 30 LBauO M-V auf Dachgauben anwendbar ist. Insoweit trifft nämlich § 32 Abs. 5 LBauO M-V eine Regelung. Danach sind Dachüberstände, Dachgesimse und Dachaufbauten etc. so anzuordnen und herzustellen, dass Feuer nicht auf andere Gebäudeteile und Nachbargrundstücke übertragen werden kann. Dass diese Vorschrift sich auch auf Dachgauben bezieht, ergibt sich aus Abs. 1 S. 2 Nr. 2 dieser Vorschrift. Danach müssen Dachgauben und ähnliche Dachaufbauten aus brennbaren Baustoffen von Brandwänden und von Wänden, die anstelle von Brandwänden zulässig sind, mindestens 1,25 m entfernt sein, wenn sie nicht durch diese Wände gegen Brandübertragung geschützt sind. Der genannte Abstand von 1,25 m bezieht sich dabei auf das eigene Gebäude. Dabei ist der erforderliche Abstand bis zur Brandwand und nicht bis zur gedachten Mittellinie der Wand zu halten (Grosse-Suchsdorf/Liendorf/Schmalz/Wiechert, Niedersächsische Bauordnung 8. Aufl. § 32 Rn. 13). Diese Anforderung dürfte nicht eingehalten sein.

48

In diesem Falle ist aber ergänzend zu prüfen, ob die Dachgaube nicht durch die Gebäudeabschlusswand gegen Brandübertragung geschützt ist. Mit dem letzten Halbsatz dürfte gemeint sein, dass die Dachkonstruktion den genannten Abstand dann nicht einhalten muss, wenn die Gebäudeabschlusswand die Dachgaube im Profil begleitet; dies ist dann der Fall, wenn die Aufbauten Teil dieser Wände sind (Temme in Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, Bauordnung NRW, Kommentar 11.Auf. § 35 Rn. 26). Dies dürfte auch dann der Fall sein, wenn die Wände insgesamt die Anforderungen an eine Gebäudeabschlusswand erfüllen. Dies bedürfte aber einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen einer Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO nicht möglich ist. Gleiches gilt für die Frage, ob durch eine andere Maßnahme als durch den Rückbau der Gaube insgesamt die Einhaltung der brandschutzrechtlichen Vorgaben als erreicht werden kann, die für den Beklagten als milderes Mittel hätte erkennbar sein müssen oder auf Grund des Widerspruchsvorbringens der Kläger hätte geprüft werden müssen.

49

Das Verwaltungsgericht weist im übrigen in dem angefochtenen Urteil darauf hin, dass der Beklagte in dem Bescheid keine Begründung gegeben habe, warum hier anders als bei den übrigen Öffnungen diese nicht nur feuerbeständig bzw. feuerhemmend ausgestaltet sondern zurückgebaut werden müsse. Das Verwaltungsgericht stellte im Weiteren Vermutungen an, welche Überlegungen den Beklagten insoweit hätten veranlassen können. Im Rahmen der Überprüfung einer Ermessensentscheidung nach § 114 S. 1 VwGO können aber nur diejenigen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die der Ermessensentscheidung, in der Regel aus der Begründung erkennbar, zu Grunde liegen. Selbst dann, wenn der Beklagte sich diese Überlegungen nunmehr zu eigen machen würde, läge ein Fall unzulässigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen vor, der nach § 114 Satz 2 VwGO nicht mehr gedeckt ist. Diese Vorschrift ermöglicht es nämlich nicht, wesentliche Teile der Ermessenserwägungen auszutauschen oder nachträglich nachzuschieben. Werden die Ermessenserwägungen nicht nur ergänzt, sondern substanziell verändert, kann hierdurch ein neuer Verwaltungsakt erlassen worden sein (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. § 114 Rn. 208 m.w.N.). So liegt der Fall hier hinsichtlich etwaiger Erwägungen hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen oder sonstigen bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit der Gaube. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung in Frage gestellt hat, ob die vorhandene Gaube die Abstandsvorschriften nach § 6 LBauO M-V einhält, ist Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift zu berücksichtigen. Danach ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Hier sind die bereits angesprochenen Besonderheiten der bauplanungsrechtlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Tüschenbebauung zu berücksichtigen.

50

c) Ähnliches gilt schließlich für die Dachfenster. Für sie sind die Regeln über Oberlichte in § 32 Abs. 5 LBauO M-V (§ 31 Abs. 7 LBauO M-V a.F.), nicht - wie von dem Beklagten vorausgesetzt - Absatz 6 (§ 31 Abs. 5 LBauO M-V a.F.) maßgebend. Es handelt sich nämlich nicht um giebelständig aneinandergebaute Gebäude (Temme in Gädtke u.a. a.a.O. § 35 Rdn. 17). Nach § 32 Abs. 5 LBauO M-V sind Dachfenster so anzuordnen und herzustellen, dass Feuer nicht auf andere Gebäudeteile und Nachbargrundstücke übertragen werden kann. Oberlichte müssen von Brandwänden und von Wänden, die anstelle von Brandwänden zulässig sind, mindestens 1,25 m entfernt sein, wenn diese Wände nicht mindestens 30 cm über die Bedachung geführt sind. Letzteres ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Maßgebend ist daher auch hier der Abstand von 1,25 m von der Brandwand, das heißt der Gebäudeaußenwand des Gebäudes der Kläger.

51

d) Soweit den Klägern schließlich aufgegeben worden ist, prüffähige Unterlagen für die Nutzungsänderung der ehemaligen Zahnarztpraxis vorzulegen, hat sich der Rechtsstreit erledigt, nachdem die Kläger einen entsprechenden Bauantrag vorgelegt haben.

52

Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig gewesen, da eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorlag.

53

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. bzw. § 52 Abs. 1 GKG. Auf diesen Betrag schätzt der Senat die Kosten der aufgegebenen Maßnahmen. Insoweit ist die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen zu ändern (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F. / § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG).

54

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Tenor

1. Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11.11.2009 (Az.: …) für den Neubau einer Terrassenüberdachung auf ihrem Grundstück in A-Stadt, Flurstück 651, Flur 1, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2010 (Az.: ….) und der Bescheid über Abweichungen vom 11.11.2009 (Az.: …..) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2010 (Az.: …) werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

2. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nebst positiver Abweichungsentscheidung für den Bau einer Terrassenüberdachung.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstücke 650/1 und 650/2 der Flur 1 der Gemarkung … in der A-Straße. Südlich schließt sich das Grundstück der Beigeladenen in der …, Flurstück 651 der Flur 1 der Gemarkung …, an. Beide Grundstücke sind jeweils entlang der nördlichen Grundstücksgrenze ohne seitlichen Grenzabstand mit einem Hauptgebäude bebaut. Das Hauptgebäude der Beigeladenen weist eine etwas größere Tiefe als das Gebäude der Klägerin auf. In den jeweils rückwärtigen Grundstücksbereichen zur westlichen Grundstücksgrenze befinden sich kleinere Nebengebäude. Zwischen der jeweils westlichen Grundstücksgrenze und dem Abschluss des Hauptgebäudes befinden sich auf beiden Grundstücken überwiegend unbebaute Flächen. Zur jeweils südlichen Grundstücksgrenze weisen die Grundstücke folgende Abstände auf: das Gebäude der Beigeladenen einen Abstand von ca. 1 m im vorderen Bereich und jedenfalls nicht mehr als 1,90 m im hinteren Bereich, das Gebäude der Klägerin von 3 m im vorderen Bereich und ca. 2,60 m im hinteren Gebäudebereich. An das hintere Hauptgebäude jeweils der Klägerin und der Beigeladenen schließt sich eine Terrasse an. Auf der nördlichen Grundstücksgrenze der Klägerin hin zum Grundstück der Beigeladenen steht eine durchgehende ca. 1,90 m hohe Mauer. Zur Verdeutlichung der Bebauung und Grundstückseigenschaften wird auf den Lageplan vom 13.10.2009 als Anlage zur Baugenehmigung vom 11.11.2009 auf Blatt 3 der Behördenakten verwiesen.

3

Am 13.08.2009 beantragten die Beigeladenen die Errichtung einer Terrassenüberdachung. Die Grundfläche der Terrasse beträgt gemäß dem Antrag 21,30 m². Die Seite zur Grundstücksgrenze der Klägerin hin misst 4,46 m. Die Überdachung soll nach den Bauantragsunterlagen 2,10 m am westlichen Ende und 2,85 m am östlichen Ende hoch sein. Das Glasdach wird von einer Aluminiumkonstruktion getragen. Diese weist zwei Stützen im vorderen Bereich und Querstreben im Dachbereich auf. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die dem Bauantrag beigefügten Ansichten vom 12.08.2009 auf Blatt 11 der Behördenakten verwiesen.

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Unter dem 02.09.2009 stellten die Beigeladenen einen Antrag auf Erteilung einer Zulassung über die Abweichung von den erforderlichen Abstandsflächen. Die Klägerin versagte im Zuge ihrer Beteiligung als Nachbarin die Zustimmung am 28.09.2009. Ihr sei ein weiteres, die Sicht nehmendes Bauvorhaben entlang der unbebauten Gartenfläche nicht zuzumuten. Würde man im rückwärtigen Bereich der Bebauung in diesem Block eine faktische Baulinie ziehen, springe ihr Haus 1,40 m hinter das der Beigeladenen zurück. Das Vorhaben verletze die erforderlichen Abstandsflächen und sei rücksichtslos. Die Inanspruchnahme des besonders schutzwürdigen rückwärtigen Bereiches schränke ihre Privatsphäre spürbar ein. Es sei ernsthaft zu befürchten, dass von der intensivierten Terrassennutzung nachteilige Auswirkungen wie Lärm ausgingen. Die Grundstückssituation werde erheblich verschlechtert.

5

Am 11.11.2009 erteilte der Beklagte unter Zulassung einer Abweichung von den erforderlichen Abstandsflächen die Baugenehmigung. Im Bescheid über die Zulassung der Abweichung führte er aus, die Unterschreitung der Abstandsflächen sei der sogenannten Tüschenbauweise geschuldet. Es handele sich hier um die nach der Erhaltungssatzung für …. und im Denkmalbereich … zwingend einzuhaltende Tüschenbauweise. Diese betreffe die jeweils südlichen Grundstücksgrenzen der Baugrundstücke. Zu den nördlichen Grundstücksgrenzen seien jeweils keine Abstandsflächen eingehalten, hier sei eine Grenzbauweise abzuleiten. Die Baugenehmigung wurde der Klägerin bekannt gegeben, die Abweichungsentscheidung nicht.

6

Am 18.11.2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung. Sie führte aus, die Terrassenkonstruktion halte in einer Höhe von 2,85 m auf einer 0,6 m über der Geländeoberfläche liegenden Terrasse die vorgeschriebene Abstandsfläche nicht ein. Eine Abweichung könne nicht zugelassen werden. Die Erhaltungssatzung gebe nicht zwingend geringere Abstandsflächen vor. Die Tüschenbauweise sei nur straßenseitig, nicht im rückwärtigen Grundstücksbereich gegeben. Für die rückwärtigen Bereiche sei typisch, dass die sich jeweils an das Haupthaus anschließende Bebauung zurückspringe und hierdurch einen größeren Abstand zu der gemeinsamen Grundstücksgrenze von 2 bis 3 m oder mehr bilde. Es fehle an einem für eine positive Abweichungsentscheidung atypischen, von der gesetzlichen Regelung nicht hinreichend erfassten oder bedachten Sachverhalt. Es sei nicht erkennbar, dass die Gestaltung des Straßenbildes oder andere städtebauliche Erfordernisse eine Verringerung der Abstandsflächen rechtfertigen könne. Eine rechtmäßige Ermessensausübung sei nicht erfolgt. Am 07.01.2010 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Abweichungsbescheid mit der gleichen Begründung ein.

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Mit Bescheiden vom 15.02.2010 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Baugenehmigung und gegen den Abweichungsbescheid als unbegründet zurück: Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein. Eine Atypik sei vorhanden. Das Gebiet sei vorgeprägt durch eine abweichende Bauweise wegen Unterschreitungen der Abstandsflächen nach Süden hin. Die in den Hofbereichen bestehende städtebauliche Situation sei geprägt durch eine dichte und heterogene Bebauung. Diese Vorprägung bilde den Gestaltungsrahmen, in dem sich das Neuvorhaben bewegen müsse. Zu den südlichen Grundstücksgrenzen überwögen schmale Wege (sogenannte Tüschen) im vorderen Grundstücksbereich zwischen Grundstücksgrenze und Hauptgebäude. Im Hinblick auf die langjährige Genehmigungspraxis in vergleichbaren Fällen sei der Abweichungsbescheid ergangen. Bei der Ermessensausübung hätten die Interessen der Beigeladenen überwogen. Für die Klägerin nicht zumutbare nachteilige Auswirkungen seien nicht erkennbar. Das Interesse der Klägerin an der Erhaltung der Privatsphäre und der Wohnruhe sei berücksichtigt worden. Mögliche Beeinträchtigungen seien zumutbar. Eine erhebliche Verschlechterung der Grundstückssituation durch Lärmbeeinträchtigungen sei nicht zu erwarten. Es handele sich lediglich um die Überdachung einer bereits vorhandenen Terrasse.

8

Am 18.02.2010 wurden die Widerspruchsbescheide der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt.

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Am 17.03.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie vertieft ihre Ausführungen und ergänzt, der Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenze betrage lediglich 1,45 m. In der Umgebung seien vergleichbare Terrassenüberdachungen nicht vorhanden. Die Beigeladenen könnten das Vorhaben schmaler bauen und so die Abstandsflächen einhalten. Die Abweichung sei nicht wegen des Ortsbildes und zum Erhalt historischer Bausubstanzen erforderlich. Eine langjährige Genehmigungspraxis des Beklagten in vergleichbaren Fällen gebe es nicht. In etlichen Genehmigungsverfahren sei eine gestaffelte Bebauung genehmigt worden, bei der die Abstandsflächen der rückwärtigen Bebauung zur südlichen Grundstücksgrenze immer ca. 3 m aufweisen würden. Selbst die Abstandsflächen der Wohnhäuser würden bis zu 3 m betragen. Auch das im Widerspruchsbescheid ausgeübte Ermessen sei fehlerhaft. Fehlerhaft sei nur auf die konkrete Beeinträchtigung abgestellt worden. Die generelle Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks der Klägerin für zukünftige Vorhaben sei unerwähnt geblieben. Ferner komme es darauf an, ob die so gegebene Schmälerung der Interessen der Klägerin durch gewichtige öffentliche Belange gerechtfertigt sei. Daran fehle es. Die Interessen des Bauherrn seien in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich. Zum Hilfsantrag führt die Klägerin aus, ihr seien die Kosten des Widerspruchverfahrens zu ersetzen, da der Ausgangsbescheid rechtswidrig gewesen sei und eine Heilung erst durch den Widerspruchsbescheid und dessen Begründung herbeigeführt worden sei.

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Sie beantragt,

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1. die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11.11.2009 (Az.: …) für den Neubau einer Terrassenüberdachung auf ihrem Grundstück in …, C-Straße, Gemarkung …, Flurstück 651, Flur 1, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.201 (Az.: …) und den Bescheid über Abweichungen vom 11.11.2009 (Az.: ….) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2010 (Az.: ….) aufzuheben;

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hilfsweise,

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die Kostenentscheidungen in den vorbenannten Widerspruchsbescheiden des Beklagten vom 15.02.2010 (Az.: … und …) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Kosten der beiden Widerspruchsverfahren (nebst Anwaltskosten der Klägerin) zu tragen bzw. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die in den beiden Widerspruchsverfahren angefallenen Rechtsanwaltskosten in i.H.v. …. € zu erstatten.

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2. Die Zuziehung der Prozessvertretung der Klägerin in den beiden Widerspruchsverfahren gemäß § 162 Ab. 2 VwGO für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

17

Er vertieft seine Ausführungen und ergänzt, eine Schmälerung der nachbarlichen Interessen sei nicht gegeben. Die bestehende Terrasse sei nach allen Seiten offen und solle lediglich eine genehmigungspflichtige Überdachung erhalten. Eine Veränderung der Belüftungssituation des Grundstücks werde nicht entstehen.

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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

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Sie tragen vor, die Terrassenüberdachung bewege sich in einer finanziellen Größenordnung von etwa 20.000 €. Ein Grund für die Überdachung sei, dass auf dem nördlich angrenzenden Grundstück im hinteren Bereich eine Pension betrieben werde. Über die dort vorhandene Wendeltreppe zum ersten Obergeschoss beständen Einsichtsmöglichkeiten auf ihren Terrassenbereich. Auf der Wendeltreppe würden sich zeitweise Personen aufhalten, beispielsweise zum Rauchen. Sofern dies hilfreich sei, könne klargestellt werden, dass sich die Verglasung auf eine Überdachung beschränke und eine seitliche Verglasung der Aluminiumkonstruktion nicht erfolgen solle.

20

Das Gericht hat die Akten der Verfahren 2 B 256/10 und 2 B 1227/09 beigezogen. Ferner hat es Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme ausgedruckter Luft- und Satellitenbildern (Blatt 110 bis 113 der Akte). Ferner hat das Gericht einen ausgedruckten Auszug der automatischen Liegenschaftskarte für das Gebiet aus dem Geoportal Mecklenburg-Vorpommern in Augenschein genommen. Die Ausdrucke wurden mit den Beteiligten erörtert.

21

Im Übrigen wird zum Sach- und Streitstand auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es besteht die Möglichkeit, dass die Klägerin durch die angegriffenen Bescheide in ihren Rechten verletzt ist. Da die Regelungen zu den notwendigen Abstandsflächen nachbarschützend sind, kann die Klägerin grundsätzlich geltend machen, durch eine Zulassung einer Abweichung von den erforderlichen Abstandsflächen in eigenen Rechten verletzt zu sein. Gleiches gilt für die Baugenehmigung. Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) sind auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren Abstandsflächen Gegenstand des Verfahrens, wenn die beantragten Abweichungen im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 Satz 2 der LBauO M-V Abstandsflächen betreffen. So liegt der Fall hier.

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Die Klage ist begründet. Die Baugenehmigung und die Abweichungsentscheidung jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

24

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den erforderlichen Abstandsflächen gemäß § 67 Abs. 1 i.V.m. § 6 LBauO M-V liegen nicht vor.

25

1. Zunächst ist festzustellen, dass das genehmigte Vorhaben von den Anforderungen des Gesetzes im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V abweicht, denn es hält die gemäß § 6 LBauO erforderlichen Abstandsflächen nicht ein. Die Beteiligten haben dies zu Recht nicht in Streit gestellt.

26

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V fallen bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Beim Vorhaben der Beigeladenen handelt sich um eine Anlage in diesem Sinne. Lediglich kleine Aufschüttungen bis 1 m Höhe, Mauern unter 2 m Höhe oder sonstige Kleinstvorhaben entfalten in der Regel keine gebäudeähnlichen Wirkungen und fallen aus dem weit zu verstehenden Anwendungsbereich von § 6 LBauO M-V heraus. Um ein solches Kleinstvorhaben handelt es sich hier jedoch nicht. Die hier in Rede stehende Terrassenüberdachung ist als von einer Aluminiumkonstruktion getragenes Glasdach abstrakt auch ohne seitliche Verglasung durchaus geeignet, die Belüftung, Besonnung sowie den Wohnfrieden zu beeinträchtigen.

27

Die Regelungen zu den Abstandsflächen gemäß § 6 LBauO M-V werden hier auch nicht durch bauplanungsrechtliche Vorschriften verdrängt. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LBauO M-V sind Abstandsflächen nur dann nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. So kann es gemäß § 34 Abs. 1 BauGB bei geschlossener Bauweise zulässig sein, ein Gebäude ohne Abstandsflächen an der Grenze zu errichten. Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorhaben der Beigeladenen jedoch nicht. Die Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen entspricht bereits nicht einer geschlossenen Bauweise. Das Hauptgebäude der Beigeladenen ist zur südlichen Grundstücksgrenze – nur diese ist hier relevant – hin in offener Bauweise errichtet und gerade nicht an die Grenze gebaut.

28

Die Tiefe der erforderlichen Abstandsfläche beträgt hier gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V die Mindesttiefe von 3 m. Eine Ausnahme gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V für Vorbauten, für welche gemäß Nr. 2 Buchstabe c eine Abstandsfläche von 2 m genügen würde, liegt nicht vor. Einen Abstand von 3 m hält das Vorhaben jedoch nicht ein. Der Abstand zur Grundstücksgrenze der Klägerin beträgt unstreitig jedenfalls nicht mehr als 1,90 m.

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2. Die Voraussetzungen für eine Abweichung liegen nicht vor.

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Die Bauaufsichtsbehörde kann Abweichungen gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zwar zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das materielle Bauordnungsrecht vollzugstauglich flexibilisieren wollte und zum Ziel hatte, die Erreichung des jeweiligen Schutzzieles der Norm in den Vordergrund zu rücken (vgl. Landtagsdrucksache 4/1810, Seite 170). Jedenfalls bei Abweichungen von der erforderlichen Mindestabstandsfläche jedoch greift dieser Gedanke nicht, da kein Fall der Flexibilisierung vorliegt, sondern das Ziel der Abstandsflächen - ausreichende Belichtung, Belüftung und Sozialabstand - bei Zulassung einer Abweichung nicht mehr vollständig erreicht werden kann. § 6 LBauO M-V sieht bereits differenzierter Weise in Absatz 6 und 7 Ausnahmen vom Grundsatz der Tiefe 0,4 H vor und setzt im Übrigen den erforderlichen Abstand auf ein Mindestmaß von 3 m fest. Abweichungen nach § 67 LBauO M-V von den erforderlichen Abstandsflächen können daher, insbesondere vom Mindestabstand, nur in besonderen Ausnahmefällen zugelassen werden. Die Zulassung einer Abweichung erfordert Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die etwa bewirkte Einbuße an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen. Für die Zulassung einer Abweichung ist mithin eine atypische Situation zu fordern (VGH München, Urt. v. 22.09.2011, Az.: 2 B 11.762 – zitiert nach Juris). Liegt eine Atypik nicht vor, ist die Erteilung einer Abweichung grundsätzlich ausgeschlossen, weil die zu berücksichtigenden Belange und Interessen regelmäßig bereits durch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften und insbesondere durch diejenigen über den einzuhaltenden Mindestabstand in einen gerechten Ausgleich gebracht worden sind und die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs kein beliebiges Abweichen von den Vorschriften gestattet (Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, 2011 § 73 Rn. 4 e). Eine Abweichung kommt daher grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Nachbar nicht schutzbedürftig ist oder die Gründe, die für die Abweichung streiten, objektiv derartig gewichtig sind, dass die Interessen des Nachbarn ausnahmsweise zurücktreten müssen (Johlen a. a. O. Rn. 12). Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften wie Abstandsflächenvorschriften kann der Nachbar zudem nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen. Er ist auch dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Abweichung aus einem anderen Grund, etwa weil sie nicht mit im konkreten Fall zu erwägenden öffentlichen Belangen zu vereinbaren ist (VGH München, Urt. v. 22.09.2011, Az.: 2 B 11.762 – zitiert nach Juris), rechtswidrig ist.

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Gemessen an diesen Maßstäben ist die hier in Rede stehende Abweichung mit öffentlichen und nachbarlichen Belangen nicht zu vereinbaren, da es an objektiv gewichtigen Gründen für eine Abweichung fehlt.

32

Die städtebauliche Situation stellt sich wie folgt dar: Die südlich der … beginnende bis zum Flurstück 632 in der …, zwischen … und … im Blockinnenbereich gelegene Bebauung stellt sich als heterogen dar. Dies ist erwiesen aufgrund der in der Verhandlung mit den Beteiligten erörterten Luftbilder und den Auszügen aus der Liegenschaftskarte. Diese zeigen im Blockinnern überwiegend weitgehend überbaute Grundstücke mit teilweise kleinen unbebauten Flächen, Höfen und Gängen, aber auch Grundstücke, die große Freiflächen aufweisen. Es überwiegen im Blockinnern Gebäude, die wie Nebengebäude erscheinen. Es befinden sich dort aber auch einige Gebäude, die nach ihrem Erscheinungsbild als Hauptnutzung erscheinen müssen. Die von der Klägerin vorgetragene abgestufte Bauweise ist dagegen nicht als durchgehendes Prinzip zu erkennen. Auch wenn diese Struktur nach dem Auszug aus der Liegenschaftskarte bei den Flurstücken 653, 647/4, 645, 644, 633 teilweise zu erkennen ist, zeigen die Ausdrucke eine zunehmende Verdichtung, bei der eine Abstufung mit sich daraus ergebenden Abständen jedenfalls als prägendes Prinzip nicht mehr zu erkennen ist. Nicht zutreffend ist anhand dieser Feststellungen auch der Vortrag des Beklagten, die nähere Umgebung sei durch eine Tüschenbauweise geprägt. Dies trifft lediglich auf die Gebäude unmittelbar an der Straße zu, nicht jedoch auf die Blockinnenbebauung und Nebenanlagen. Die Bebauung im Blockinnern bezeichnet der Beklagte zu Recht an anderer Stelle als heterogen.

33

Diese Sachlage lässt bezogen auf die hier in Rede stehende rückwärtige Grundstückssituation keine gewichtigen Belange städtebaulicher Art erkennen, die eine Abweichung von der Mindestabstandsfläche rechtfertigen könnten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tüschenbauweise zum historisch schützenswerten und geschützten Erscheinungsbild gehört und, wie vom Beklagten behauptet, durch die Erhaltungssatzung sowie die Festlegung als Denkmalbereich rechtlich wirksam geschützt ist (zur Nichtigkeit von Denkmalbereichsverordnung und Erhaltungssatzung für das Gebiet … vgl. VG Schwerin, Urt. v. 03.12.2009 - 2 A 174/08 -). Die Einhaltung der gesetzmäßigen Abstandsflächen im Blockinnern berührt bei dieser diffusen Prägung das Erscheinungsbild des Stadtbildes, insbesondere die Tüschenbauweise, nicht. Dass die Blockinnenbebauung mit ihrer heterogenen und diffusen Prägung zum historisch geschützten Erscheinungsbild gehört, an dessen Verdichtung ein städtebauliches Interesse bestehen könnte, ist weder ersichtlich noch vom Beklagten substantiiert vorgetragen. Vielmehr kann eine Blockinnen– und Hinterhofbebauung, die zunehmend Abstandsflächen unterschreitet wegen der damit verbundenen Steigerung bodenrechtlicher Spannungen kaum wünschenswert sein.

34

Ein atypischer Fall ist auch nicht aufgrund der Eigenschaften des Grundstücks der Beigeladenen anzunehmen. Eine grundstücksbezogene Atypik kann vorliegen, wenn anders als durch Zulassung einer Abweichung eine sinnvolle und angemessene Nutzung des Grundstücks nicht möglich ist, insbesondere weil die Abweichung in dem Bereich für die Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung einer überalterten Bausubstanz in einem dicht bebauten innerstädtischen Bereich erforderlich ist (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 14.07.2005, Az.: 3 M 69/05, NordÖR 2005, 424; vgl. VGH München, Urt. v. 22.09.2011, Az.: 2 B 11.762 – zitiert nach Juris).

35

Eine solche Sachlage ist hier nicht ersichtlich. Das Grundstück der Beigeladenen ist regelmäßig geschnitten und bereits mit einem Hauptgebäude bebaut. Auch die Terrasse kann genutzt werden. Die Überdachung mit einer aufwendigen Konstruktion mag zwar wünschenswert sein, sie ist jedoch nicht zwingender Bestandteil einer angemessenen Nutzung und dient auch nicht lediglich der Anpassung einer überalterten Bausubstanz an unentbehrliche oder nach dem Gesetz zwingende Nutzungsanforderungen. Dem steht der Vortrag der Beigeladenen, die Überdachung sei zu Abwehr unzumutbarer Einsichtsmöglichkeiten vom Nachbargrundstück an der Nordgrenze erforderlich, nicht entgegen. Zunächst kann eine frei von Einsichtsmöglichkeiten bestehende Terrasse in einem durch dichte Bebauung vorgeprägten Blockinnenbereich nicht als Standard vorausgesetzt werden. Ferner ist es nicht Zweck der Abweichungsvorschriften, einen städtebaulichen Missstand durch einen weiteren zu kompensieren und die sich daraus ergebenden Folgen an die Allgemeinheit und die Nachbarschaft weiterzureichen. Vielmehr sind die Beigeladenen gehalten, gegebenenfalls zivilrechtliche Abwehransprüche geltend zu machen oder die Ordnungsbehörden einzuschalten, wenn unzumutbare Störungen infolge der Einsichtsmöglichkeiten von dem Pensionsbetrieb vorliegen sollten. Doch auch aus tatsächlichen Gründen verfängt die Argumentation der Beigeladenen nicht. Wie auf dem Lichtbild der Anlage B 1, Blatt 105 der Akten, zu erkennen und von keinem Beteiligten in Abrede gestellt worden ist, verfügt das Haus der Beigeladenen über eine Markise. Die Beigeladenen sind aus diesem Grund Einsichtsmöglichkeiten nicht schutzlos ausgesetzt. Ferner bestände die Möglichkeit, eine kleinere Terrassenüberdachung unter Einhaltung der Abstandsflächen zu errichten, welche vor Einsichtsnahmemöglichkeiten vom Norden her schützen würde.

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3. Die Klägerin ist durch die fehlerhafte Genehmigung und Zulassung der Abweichung auch in ihren Rechten verletzt.

37

Grundsätzlich kann sich ein Nachbar gegen jede Unterschreitung der (Mindest)Abstandsfläche zur Wehr setzen. Dieses Recht unterliegt mit Rücksicht auf den das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben jedoch Grenzen. Der baurechtliche Nachbarschutz beruht auf den Gedanken der gegenseitigen Rücksichtnahme; seine Grundlage ist das nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis, in dessen Rahmen jeder Eigentümer zu Gunsten seines Nachbarn bestimmten Beschränkungen unterworfen ist und im Austausch dafür verlangen kann, dass der Nachbar diese Beschränkungen gleichfalls beachtet. Aus diesem System nachbarlicher Ausgleichs- und Rücksichtnahmepflichten folgt, dass derjenige, der selbst mit seinem Gebäude den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, billiger Weise nicht verlangen kann, dass der Nachbar die Abstandsfläche freihält. Damit kann ein Nachbar aus dem Gesichtspunkt unzulässiger Rechtsausübung gehindert sein, die Verletzung des Grenzabstandes zu rügen. Der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens entfällt nicht dadurch, dass das Gebäude des sich wehrenden Nachbarn in Einklang mit den damals geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist; maßgeblich ist allein, dass er mit seinem Gebäude den (jetzt) erforderlichen Grenzabstand nicht einhält. Denn die Versagung des Abwehranspruchs beruht darauf, dass es unbillig wäre, einen Nachbarn den von den grenznahen baulichen Anlagen des anderen Nachbarn ausgehenden Nachteilen auszusetzen, ihm selbst aber eine Ausnutzung seines Grundstücks im Grenzbereich zu verwehren. Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis erlaubt in diesen Fällen eine Abwehrmaßnahme nur dann, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht vergleichbar ist, sondern schwerer wiegt als die Inanspruchnahme des Bauwiches durch den sich wehrenden Nachbarn. Bei vergleichbaren Verstößen vermag dagegen der letztlich aus Treu und Glauben und dem Verbot eigenen widersprüchlichen Verhaltens ergebende Grundsatz nur dann eine Einschränkung zu finden, wenn anderenfalls in gefahrenrechtlicher Hinsicht völlig untragbare Zustände entstünden. Für die Vergleichbarkeit der die Nachbarn in diesem Sinne wechselseitig beeinträchtigenden Rechtsverstöße ist jeweils neben dem konkreten Grenzabstand auch die Qualität der mit der Verletzung der Abstandflächenvorschriften einhergehenden Beeinträchtigung von wesentlicher Bedeutung (OVG Greifswald, Beschl. v. 14.07.2005, Az.: 3 M 69/05, NordÖR, 2005, 424 – zitiert nach Juris).

38

Hieran gemessen verhält sich die Klägerin nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Verletzung der Abstandsflächen beruft. Die Grenzmauer der Klägerin verletzt mit einer Höhe von ca. 1,90 m keine Abstandsflächen. Diese ist nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 LBauO M-V als bis zu 2 m hohe geschlossene Einfriedung ohne eigene Abstandsfläche zulässig.

39

Die Pflicht des Beklagten, die Kosten zu tragen folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

40

Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 war auf Antrag der Klägerin hin die Zuziehung ihrer Prozessbevollmächtigten für das Vorhaben für notwendig zu erklären. Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, ist vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwalts bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten nur dann - aber dann grundsätzlich auch immer -, wenn es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es nicht nur um Sachfragen, sondern um die Beantwortung von nicht einfach gelagerten Rechtsfragen geht. Vor dem Hintergrund der aufgeworfenen abstandsflächenrechtlichen Sach- und Rechtsfragen war es der Klägerin nicht zuzumuten, das Verfahren selbst zu führen.

41

Hinsichtlich der Beigeladenen folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Insbesondere haben die Beigeladenen keinen Sachantrag gestellt und sich so keinem Kostenrisiko ausgesetzt.

42

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 709 ZPO.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.