Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 05. Juli 2018 - 14 K 2804/16

bei uns veröffentlicht am05.07.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung des LRA ... vom 17.09.2014 mit der ihr die Beseitigung von Spritzasbest aufgegeben wurde, sowie gegen die zur Durchführung dieser Maßnahme am 30.09.2014 verfügte Zwangsgeldandrohung, die Zwangsgeldfestsetzung und Androhung der Ersatzvornahme im Bescheid vom 19.11.2014 sowie die im Bescheid vom 30.12.2014 unter Ziffer 1 festgesetzte Ersatzvornahme.
Im Zeitraum vom 11.08.2014 - 15.08.2014 nahm die Klägerin, ein im Holzbau tätiger, aber auch Dachsanierungen gem. Anhang I Nr. 2.4.2 Abs. 3 der GefStoffV durchführender Betrieb, am Dach des (seit 2007) im Eigentum der Beigeladenen stehenden ca. 580 m2 großen Lagerschuppens in ... (Baujahr 1962) Sanierungsarbeiten vor. Diese erfolgten aufgrund eines im Jahre 2013 aufgetretenen Hagelschadens. Dabei führte die Klägerin einen Teil der Arbeiten - die Demontage der ca. 50 Jahre alten asbesthaltigen Faserzementplatten (Eternitplatten) - als Subunternehmerin für die Firma ... durch. Nach der ursprünglichen mit der Beigeladenen getroffenen vertraglichen Vereinbarung sollte die Klägerin zunächst nur das Dach mit neuen, asbestfreien Wellplatten eindecken, wohingegen die Abdeckung und Entsorgung der alten Eternit-Dachplatten durch die Firma ... erfolgen sollte. Da mit den Sanierungsarbeiten aufgrund eines seinerzeit auf dem Dach des Lagers befindlichen Vogelnestes frühestens ab 01.08.2014 begonnen werden konnte, war es der Firma ... damals nicht mehr möglich, die Abdeckarbeiten durchzuführen. Die Firma ... und die Klägerin kamen daher überein, dass die Klägerin auch die Demontage und das Verbringen der Eternitplatten zum Abtransport übernimmt, während die Firma ... ausschließlich die Entsorgung der demontierten Platten vornehmen sollte.
Am 12.08.2014 nahm ein Mitarbeiter des LRA ... die Baustelle aufgrund einer Beschwerde in Augenschein. Hierbei stellte er Defizite bei der Ausführung der Sanierungsarbeiten fest und ordnete daraufhin mündlich deren umgehende Behebung, namentlich das Absaugen der Unterkonstruktion und die Behandlung der Platten mit Restfaserbindemittel, an.
Im Zuge der Dachsanierungsarbeiten stellte der damalige Pächter der Lagerhalle, Herr ..., der die Räumlichkeiten zur Unterbringung von Material und Maschinen für seinen Landschaftsgarten-Betrieb nutzte, in der Halle sowie auf den dort gelagerten Geräten gräuliche Fasernester und organische Verunreinigungen fest. Durch eine von Herrn ... bei der Firma C am 14.08.2014 in Auftrag gegebene rasterelektronenmikroskopische Analyse wurde in vier an unterschiedlichen Stellen der Halle und einer an einem Eternitbruchstück genommenen Materialprobe eine Kontamination mit 80 % Chrysotil (schwach-gebundenes Weißasbest) im Faseranteil gutachterlich nachgewiesen. Aufgrund dieses Ergebnisses, welches ein erhöhtes Risiko der Faserfreisetzung bedeutete, wurde von Herrn ... ein Gutachten bei der Firma C in Auftrag gegeben. Von dieser wurden sodann am 19.08.2014 auch die Ränder der in Entsorgungssäcken gelagerten, abgedeckten Eternitplatten (drei Proben) auf Spritzasbestantragungen hin untersucht. Nach dem Gutachten der Firma C vom 29.08.2014 konnte hieran laut des Laborleiters H ebenfalls das identische Spritzasbest in lockerer Matrix, der nicht unmittelbar zur Platte gehörte, festgestellt werden. Lediglich eine an einem Eternitbruchstück entnommene Probe wies einen Faseranteil von 10% und ansonsten eine feste Bindung an die Matrix auf (Gutachten Firma C v. 29.08.2014, S. 7). Nach einer ersten Einschätzung des Gutachters H „... stammen die Kontaminationen, im speziellen die gräulichen Fasernester mit großer Wahrscheinlichkeit von den Rändern der großen Eternitplatten. Der Spritzasbest wurde hier eventuell zum Abdichten der Zwischenräume zwischen den Platten verwendet. Der Struktur nach liegt bereits ein hoher Verwitterungsgrad vor, die Fasern liegen weitgehend frei und sind leicht abspaltbar. Die Verwendung einer speziellen Asbest-Benetzungsflüssigkeit in diesen Randbereichen konnte an den Platten und um die besagten Bereiche nicht festgestellt werden. Anhand der Menge und Lage der Fasernester im Gebäude ist von einer weitgehenden Kontamination mit freien Asbestfasern im gesamten Innenraum, ..., auszugehen. Die wahrscheinlichste Ursache der Kontamination sind die mit Spritzasbest versehenen Kanten der Eternitplatten, verbunden mit einer unsachgemäß durchgeführten Dachsanierung.“ (Gutachten Firma C vom 29.08.2014, S. 9). Diese Einschätzung wurde durch Herrn H am 30.01.2015 in einem ergänzenden Gutachten nochmals bekräftigt. Im angetroffenen Zustand sei eine Freisetzung der Fasern ohne die Dacharbeiten nicht vorstellbar und durch normale Verhältnisse wie Erschütterung oder Luftzug nicht zu erklären.
Um Umweltgefährdungen vorzubeugen, untersagte das LRA ... am 18.08.2014 mündlich das weitere Betreten des Schuppens und forderte die Klägerin mit Schreiben vom 25.08.2014 zur Reinigung der Halle durch einen hierfür gem. Anhang I Nr. 2.4.2 Absatz 4 GefStoffV zugelassenen Fachbetrieb bis spätestens 15.09.2014 auf, da die Klägerin selbst nicht über die erforderliche Zulassung verfügt. Für den Fall der Nichtvornahme stellte das LRA eine entsprechende gebührenpflichtige Beseitigungsanordnung in Aussicht.
Hierzu nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.09.2014 Stellung. Im Wesentlichen führte sie aus, dass sie die Dachplatten vor den Sanierungsarbeiten sorgfältig untersucht und hieran keinen Spritzasbest festgestellt habe. Auf der Oberfläche der Platten seien keinerlei Antragungen erkennbar gewesen, die auf freien Asbest hingedeutet hätten. Hätte sie solchen festgestellt, hätte sie die Arbeiten von vornherein nicht ausgeführt, bzw. aufgrund der damit verbundenen Gefahr unverzüglich eingestellt. Darüber hinaus habe die Beigeladene Sorge dafür tragen müssen, dass die Mitarbeiter der Klägerin bei den Arbeiten nicht gefährdet würden. Im Übrigen sei der Spritzasbest auch schon weit vor Beginn der Sanierungsarbeiten im Gebäude vorhanden gewesen und die Beigeladene als Eigentümerin des Lagerschuppens und Inhaberin der Gefahrenquelle vorrangig in Anspruch zu nehmen.
In der Folgezeit kam die Klägerin der Verfügung des LRA ... innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so dass das LRA - wie angekündigt - mit Bescheid vom 17.09.2014 gegenüber der Klägerin die umgehende vollständige Beseitigung der festgestellten, leicht flüchtigen, weißen Asbestfasern (Spritzasbest) auf dem Grundstück der Beigeladenen durch einen dafür zugelassenen Fachbetrieb anordnete (Ziffer 1) und die Klägerin zur Anzeige über dessen Beauftragung verpflichtete (Ziffer 2). Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung der unter Ziffer 1 angeordneten Maßnahme ausgesprochen (Ziffer 3). In der Begründung zur Heranziehung der Klägerin führte das LRA an, die Klägerin werde als Handlungsstörerin in Anspruch genommen, weil die Entdeckung der Spritzasbestnester in unmittelbarem räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit den Arbeiten am Dach stehe. Aufgrund des Gutachtens des H vom 29.08.2014 sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Klägerin die Kontamination verursacht habe. Es gebe keine Hinweise auf eine alternative Herkunft der Asbestrückstände. Daher gelte es aus ihrer Sicht als erwiesen, dass die von der Klägerin nicht ordnungsgemäß erfolgten Sanierungsmaßnahmen Ursache der Freisetzung des Spritzasbestes seien. Vor Durchführung der Dachsanierung sei im Inneren des Schuppens jedenfalls kein Spritzasbest vorhanden gewesen. Die Inanspruchnahme der Gemeinde als Eigentümerin des Lagerschuppens sei nicht ersichtlich, da beide Störer gleichermaßen in der Lage seien, die Gefahr durch entsprechende Beauftragung eines Fachbetriebs zu beseitigen. Eine besondere Gefahrenquelle durch die Anhaftung des Spritzasbestes am Dach sei durch die Gemeinde nicht geschaffen worden, insbesondere sei die Verwendung von Spritzasbest zur Dämmung und Abdichtung bis zum Jahr 1979 zulässig gewesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Gemeinde ... durch die Beauftragung der Klägerin eine zumindest abstrakte Gefahrenquelle durch die Sanierung des Daches habe beseitigen wollen. Der Sofortvollzug sei zur Vermeidung von Gefahren für die menschliche Gesundheit anzuordnen.
Hiergegen legte die Klägerin am 23.09.2014 Widerspruch ein und beantragte, dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen; hilfsweise die Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO auszusetzen. Zur Begründung verwies sie nochmals auf ihre Nicht-Störer-Eigenschaft und trug ergänzend vor, dass Spritzasbest in der Praxis niemals zur Abdichtung von Fugen in Eterniteindeckungen genutzt worden sei und es daher unerklärlich sei, woher der Asbest stamme. Es könne daher keinesfalls gefordert werden, dass die Dachfläche vorab ohne entsprechende Verdachtsmomente nach fiktivem Spritzasbest abgesucht werden müsse. Allein der Umstand, dass bis ins Jahr 1979 auch Spritzasbest in anderem Zusammenhang verwendet wurde, müsse nicht zu der Annahme führen, dass dieser zur Abdichtung des Schuppendachs verwendet worden wäre. Jedenfalls sei der flüchtige Spritzasbest bereits vor Beginn der Arbeiten in der Halle verbaut gewesen; die Klägerin habe somit keine Gefahr geschaffen, die nicht bereits vorhanden war. Vielmehr sei es auch ohne die Dachsanierung jederzeit möglich gewesen, dass sich das Spritzasbest durch kleinste Erschütterungen, wie beispielsweise Hagel oder starken Regen, in der Halle verteile.
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das LRA ... mit Schreiben vom 29.09.2014 ab und legte den Widerspruch dem Regierungspräsidium ... am 30.09.2014 zur Entscheidung vor.
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Da die Klägerin bis zum 17.09.2014 keinerlei Maßnahmen zur Entsorgung des in der Lagerhalle befindlichen Spitzasbests ergriffen hatte, drohte das LRA ihr mit Bescheid vom 30.09.2014 ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR für den Fall an, dass sie nicht mit Frist bis zum 17.10.2014 einen Fachbetrieb beauftragte. Auch hiergegen legte die Klägerin am 13.10.2017 Widerspruch ein.
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Nachdem auch die erneute Frist verstrichen war, setzte das LRA mit Bescheid vom 19.11.2014 das gegenüber der Klägerin bereits angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR (Ziffer I) unter gleichzeitiger Androhung der Ersatzvornahme und Fristsetzung bis zum 03.12.2014 fest (Ziffer II). Die dabei voraussichtlich anfallenden Kosten bezifferte das LRA aufgrund eines auf Basis eines Ortstermins bei der Firma G (im Folgenden: G) eingeholten Kostenvoranschlags vom 06.11.2014 mit 100.000,00 EUR.
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Auch hiergegen legte die Klägerin am 25.11.2014 insgesamt Widerspruch ein und beantragte wiederum, die Vollziehung gem. § 80 Abs. 4 VwGO auszusetzen. Auch diesen Antrag lehnte das LRA mit Schreiben vom 10.12.2014 ab.
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Zuletzt setzte das LRA die am 19.11.2014 angedrohte Ersatzvornahme mit Bescheid vom 30.12.2014 fest und bezifferte deren voraussichtliche Kosten gemäß Kostenvoranschlag der Firma G vom 06.11.2014 in Höhe von 99.424,50 EUR (Ziffer 1 u. 2). Gleichzeitig forderte es die Klägerin zur Vorauszahlung der für die Ersatzvornahme notwendigen Kosten in voller Höhe bis zum 16.05.2015 auf (Ziffer 3) und ordnete diesbezüglich die sofortige Vollziehung an (Ziffer 4). Leitend für die Vorauszahlung der Kosten sei die zügige Durchführung der Ersatzvornahme. Eine Vorfinanzierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln sei nicht möglich, bzw. würde zu einer erheblichen Verzögerung der Durchführung der Ersatzvornahme führen. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin, erst nach der Durchführung der Ersatzvornahme in Anspruch genommen und damit finanziell günstiger gestellt zu werden, bestehe nicht. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Recht auf Nachforderung unberührt bliebe, wenn sich herausstelle, dass die Ersatzvornahme tatsächlich höhere Kosten verursache.
14 
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin wiederum am 08.01.2015 Widerspruch und beantragte, die aufschiebende Wirkung hinsichtlich Ziffer 3 des Bescheids wiederherzustellen. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf die bereits vorgelegten Schriftsätze und führte ergänzend aus, dass in keiner Weise dargetan sei, warum eine Vorfinanzierung aus allgemein Haushaltsmitteln nicht möglich sei.
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Am 12.01.2015 stellte die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz und beantragte, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Beseitigungsverfügung vom 17.09.2014 sowie gegen die Vorauszahlungsanordnung, Ziffer 3 des Bescheides vom 30.12.2014, wiederherzustellen und die getroffenen Vollziehungsmaßnahmen aufzuheben.
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Mit Beschluss vom 24.08.2015 (2 K 99/15) hat das Verwaltungsgericht im Eilverfahren über die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 08.01.2015 gegen Ziffer 3 des Bescheides vom 30.12.2014 (Vorauszahlungsanforderung) wiederhergestellt; im Übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen. Nach summarischer Prüfung des Verwaltungsgerichts habe das Landratsamt die Klägerin als Handlungsstörerin zu Recht auf Grundlage des § 23 Abs. 1 ChemG i.V.m. § 2 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und 4 GefStoffV zur Sanierung in Anspruch genommen. Das Fehlverhalten der Klägerin und die dadurch erhöhte Kontaminationsgefahr rechtfertigten jedenfalls ihre alleinige Inanspruchnahme zur vollständigen Gefahrbeseitigung auf Primärebene. Denn sie habe die Kontaminationsgefahr zumindest erhöht, indem sie das Dach - wie das vom Beklagten vorgelegte Foto F1 zeige - gekehrt habe und es unterlassen habe, Restfaserbindemittel auf den unbeschichteten Asbestplatten zu verwenden. Dies sei im Gutachten des Herrn H vom 29.08.2014 mit der Ergänzung vom 30.01.2015 festgestellt worden und bereits am 12.08.2014 vom LRA ... moniert worden. Die Klägerin hätte ihre Tätigkeit mit Erkennen der Spritzasbestnester sofort einstellen müssen und die Gemeinde ... als Eigentümerin hierüber informieren müssen. Hinsichtlich der mit der Festsetzung der Ersatzvornahme zugleich vorab geforderten Kosten, äußerte das Verwaltungsgericht Zweifel an deren Rechtmäßigkeit und verneinte diesbezüglich die Eilbedürftigkeit der Vollstreckung. Auf der Sekundärebene könne die Verantwortlichkeit im Sinne einer kumulativen Inanspruchnahme, „pro-rata“-Haftung, bei der auch die Beigeladene anteilig Kosten der Asbestbeseitigung zu tragen habe, gegeben sein. Hierbei könne der Gesichtspunkt der Lastengerechtigkeit eine Rolle spielen. Besondere Dringlichkeit der Vorauszahlung sei nicht ersichtlich. Ein Überwiegen des Vollzugs- gegenüber dem Suspensivinteresse bestehe diesbezüglich nicht.
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Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 11.09.2015 Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erhoben, die dieser mit Beschluss vom 14.12.2015 (1 S 1912/15), in dem er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz bestätigte, zurückgewiesen hat.
18 
Die Widersprüche des mehrstufigen Verfahrens wurden dem Regierungspräsidium ... vom LRA ... unter Anschluss an die angefallenen Akten insoweit zur Entscheidung vorgelegt, als die Gerichte zugunsten des Beklagten entschieden hatten. Die Vorlage des Widerspruchs vom 08.01.2015 bezog sich ausschließlich auf die Festsetzung der Ersatzvornahme (Ziffer 1 des Bescheides vom 30.12.2014). Laut des 3. Vorlageberichts vom 02.03.2016 und der Mitteilung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist das Abhilfeverfahren beim LRA bezüglich der Anforderung der voraussichtlichen Kosten (Ziffer 3 des Bescheides vom 30.12.2014) noch nicht abgeschlossen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2016, zugestellt am 13.04.2016, wies das Regierungspräsidium ... die Widersprüche der Klägerin allesamt - bis auf die vorschussweise Einforderung der Kosten - zurück und führte zur Begründung aus, die Verfügung vom 17.09.2014 sei vom LRA ... rechtmäßig erlassen worden. Nach den Erkenntnissen, die sich aus dem ergänzenden Gutachten der Firma C vom 30.01.2015 ergäben, habe die Klägerin gegen § 8 Abs. 4 GefStoffV i.V.m. Ziff. 8.1. Abs.1, Ziff. 16.2 und 18 Abs. 3 der TRGS 519 verstoßen. Insbesondere hätte die Klägerin mit dem Wahrnehmen der Spritzasbestfasern die Arbeiten einstellen und die Beigeladene als Eigentümerin des Schuppens über die Vorgänge in Kenntnis setzen müssen. Die Heranziehung der Klägerin zur vollständigen Inanspruchnahme sei auf der Primärebene durch ihr Fehlverhalten und der damit verbundenen erhöhten Kontaminationsgefahr gerechtfertigt. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr sei es nicht rechtsfehlerhaft, gegen der Klägerin als Handlungsstörerin vorzugehen. Überdies sei ihre alleinige Inanspruchnahme - als eine mit Sanierungsarbeiten befasste Firma - durch ihre größere Sachnähe gerechtfertigt.
20 
Die Klägerin hat am 12.05.2016 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre im Vor- und Eilverfahren geltend gemachten Ausführungen. Ergänzend führt sie sechs Punkte an, die das Verwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof bei der vorgenommenen summarischen Prüfung nicht berücksichtigt hätten, die zwischenzeitlich erkannt worden seien. Sie ist der Meinung, die Gerichte seien aus diesem Grund fälschlicherweise von der Handlungsstörereigenschaft der Klägerin ausgegangen. Indes seien die Asbestfasern nicht durch das Verhalten der Klägerin in der Halle verteilt worden. Das Auftreten von Spritzasbest stehe in keinem Zusammenhang mit den Abdeckarbeiten. Der Ursprungsort der leicht flüchtigen Asbestfasern sei ebenso wie die vorherige Nutzung der Scheune weder bekannt gewesen, noch ermittelt worden. Vielmehr sei die Verteilung der Fasernester auf einen massiven Hagelschaden im Jahre 2013 zurückzuführen, der auch Anlass für die Neueindeckung des Dachs gewesen sei. Zusätzlich könne das kontinuierliche Bewegen der schweren Maschinen seitens des Landschaftsgärtner-Betriebs zur Verbreitung der flüchtigen Asbestfasern in der Halle geführt haben. Weiterhin habe es sich bei den demontierten Platten um beschichtete Platten gehandelt. Diese seien bei der Demontage nicht notwendigerweise mit Flüssigkeit zu benetzen. Lose Rückstände, Moos, Flechten, seien mit einem Staubsauger entfernt worden, um die Schrauben zur Demontage der Platten zu lösen. Auch treffe es nicht zu, dass die Klägerin Rückstände auf den alten asbesthaltigen Wellzementplatten gekehrt habe. Die Montage- und Demontagearbeiten seien zwar nicht parallel, aber in zeitlich engem Zusammenhang ausgeführt worden. Es sei lediglich auf den neu montierten Dachplatten gekehrt worden, um eine Rutschgefahr, die durch den bei Bohrung entstandenen Staub aufgetreten sei, zu beseitigen. Im Allgemeinen enthielten Faserzementplatten nur gebundene Asbestfasern und seien daher nur dann gefährlich, wenn es zu Abbrüchen komme, bei denen der sonst gebundene Asbest frei werde. Die Klägerin habe die Eternitplatten somit absolut fachgerecht demontiert und gesichert. Bei der Demontage sei es zu keinerlei Auffälligkeiten gekommen. Insbesondere sei nicht festgestellt worden, dass die Platten mit irgendeiner Substanz verklebt oder abgedichtet worden seien. Die Platten seien einfach abnehmbar und bis auf Moose und Flechten unauffällig gewesen. Mit dem Vorliegen von Spritzasbest sei hingegen nicht zu rechnen gewesen. Insbesondere sei der Einsatz von Spritzasbest im Dachdeckerhandwerk für Abdichtungsarbeiten, was auch die Anfrage bei der Firma Eternit ergeben habe, schlicht unbekannt und exotisch. Die Klägerin selbst habe keinerlei Befähigung zum Umgang mit Weichasbest und habe dies folglich auch nicht erkennen können. Wäre Spritzasbest zum Abdichten der Dachplatten verwendet worden, so wäre es nicht nur teilweise an den Außenrändern der Platten festzustellen gewesen. Auch sei der Dachsanierung ein Sachverständigengutachten eines durch die Beigeladene beauftragten Gutachters vorangegangen. Der Sachverständige habe aber nur auf Beschädigungen an den Eternitplatten, nicht hingegen auf weitere, andere Asbest-Problematiken hingewiesen. Die in der Halle befindlichen Asbestnester hätten die Gesundheitsgefahr in keiner Weise erhöht, diese sei vielmehr bereits vorhanden gewesen und durch die Arbeiten der Klägerin zutage getreten. Aufgrund bestehender Spritzasbestrückstände befinde sich die Halle seit geraumer Zeit in einem gefährlichen Zustand. In der Halle sei es bereits zu Beginn der Arbeiten äußerst staubig gewesen und auch an der Unterseite der Dachplatten hätten sich bei Anbringung der Fangnetze Staubantragungen feststellen lassen. Es sei zu erwarten gewesen, dass Staub bei den Arbeiten nach unten fallen werde, daher habe kein Anlass zur Annahme bestanden, dass es sich hierbei um gefährliche Materialien handeln könne. Im Hinblick auf die Beseitigung des Zustandes könne letztendlich allein die Beigeladene als einzig feststellbare Zustandsstörerin in Anspruch genommen werden; der Beklagte habe diesbezüglich jedoch keinerlei Ermessensausübung angestrengt.
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Zudem legt die Klägerin ein Protokoll des LG Ulm (6 O 357/15) vom 28.04.2016 vor. In diesem zivilrechtlichen Verfahren nimmt der damalige Pächter der Halle, Herr ..., die Klägerin und die Beigeladene wegen mietvertraglicher Mängel bzw. Schadensersatz in Anspruch. Laut Protokoll gaben die Zeugen A und B als Mitarbeiter des Herrn ... an, dass die Halle vor den Dachsanierungsarbeiten sauber gewesen sei; es hätten keine rausgerissenen Teile wie Steinwolle oder Glaswolle darin gelegen. Der Nachbar der Halle, der Zeuge R, führte aus, er habe die Arbeiten auf dem Dach beobachtet und fotografiert. Es sei außen kein Fallschutz angebracht worden. Nachdem ein ganzes Stück des Daches entfernt worden sei, sei gekehrt worden, wobei die Demontage nicht Platte für Platte erfolgt sei. In der Halle habe er mit Stroh und anderem „Zeugs“ gefüllte Netze und „etwas Flusenmäßiges“ auf dem Boden gesehen. Auch Gutachter H bestätigte mit seiner Zeugenaussage, dass im Inneren der Halle Netze hingen. Weiterhin führte er aus, dass sich in diesen Netzen auch Material befunden habe. Es sei möglich, dass sich aufgrund der Verwitterung oder bei einem entsprechendem Windstoß einzelne Fasern des Asbestes lösen würden. Es sei jedoch nicht davon auszugehen, dass „die Nester wie vorgefunden, ohne die Platten mechanisch zu bewegen, herabgefallen“ seien. Seines Erachtens seien die Ränder der Asbestplatten nicht abgesaugt worden, denn sonst hätte man die Nester dort nicht mehr auffinden können. Zeuge Z, ein Arbeitnehmer der Klägerin, konnte nicht bestätigen, dass es sich um beschichtete Platten gehandelt hat, während Zeuge Eberlein ausführte, dass die Welleternitplatten beschichtet gewesen seien und er zum Zeitpunkt der mündlichen Beanstandung durch den Mitarbeiter des LRA ... am 12.08.2014 auf der Baustelle gewesen sei. Auf Vorhalt, dass dies nicht zum Stundenzettel passe, entgegnete er, dass er bei seiner Aussage bleibe. Zudem habe man die Platten einzeln entfernt. Dabei seien diese etwas freigekratzt worden, um die Schraubköpfe zu lösen. In diesem Zusammenhang habe man mit einem Staubsauer gesaugt. Die Klägerin macht abschließend geltend, es gehe vorliegend darum, ob eine Störerhaftung ihrerseits bejaht werden könne, nicht darum, ob sie alles, was bei Ausführungen der Arbeiten zu tun war, richtig getan habe. Eine Gefährdungslage habe sie weder geschaffen noch erhöht.
22 
Die Klägerin beantragt,
23 
1. die Anordnung des LRA ... vom 17.09.2014 (Beseitigungsanordnung), in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums ... vom 11.04.2016 aufzuheben,
24 
2. den Bescheid des LRA ... vom 30.09.2014 (Androhung von Zwangsgeld) in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums ... vom 11.04.2016 aufzuheben,
25 
3. den Bescheid des LRA ... vom 19.11.2014 (Festsetzung Zwangsgeld und Androhung der Ersatzvornahme) in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums ... vom 11.04.2016 aufzuheben,
26 
4. Ziff. 1 des Bescheids des LRA ... vom 30.12.2014 (Festsetzung der Ersatzvornahme unter Ziffer 1 des Bescheides) in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums ... vom 11.04.2016 aufzuheben sowie
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5. die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
30 
In Ergänzung zu seinen bereits gemachten Erwägungen führt er aus, dass seitens der Klägerin keine neuen Erkenntnisse vorgebracht worden seien, die geeignet wären, die getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Mit dem Einwand der fehlerhaften Störerauswahl könne die Klägerin nicht durchdringen. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass bereits vor Beginn der Demontagearbeiten Fasern des Spritzasbestes vorhanden gewesen seien, das Ausmaß der Kontaminierung ließe sich aber nur auf die von der Klägerin durchgeführten Arbeiten zurückführen. Insoweit verweist er auf die von Dipl-Biol. H erstellten Gutachten der Firma C vom 29.08.2014 und 30.01.2015. Aufgrund seiner Erkenntnisse und der Lichtbilder gehe er weiterhin davon aus, dass es sich bei den demontierten Eternitplatten um unbeschichtete, bzw. - aufgrund Verwitterung - nicht mehr beschichtete Platten gehandelt habe. Auch seien bei der Baustellenrevision am 12.08.2014 weder Benetzungsflüssigkeit noch Staubsauger vor Ort vorhanden gewesen. Die im Klagverfahren erstmalig vorgetragene Variante des Abkehrens sei aus seiner Sicht wenig überzeugend. Zumindest habe die Klägerin dies nicht mit Nachweisen belegt. Ferner sei nicht relevant, ob Spritzasbest seinerzeit üblicherweise im Dachhandwerk als Fugenmaterial verwandt worden sei. Im Umgang mit Gefahrstoffen sei allgemein eine erhöhte Sorgfalt - auch im Hinblick auf ungewöhnliche Situationen - geboten. Vor Angebotsabgabe hätte die Klägerin die notwendigen Baumaßnahmen vor Ort begutachten und als sachkundiger Betrieb die Asbestverunreinigungen erkennen müssen. Durch die Demontagearbeiten habe sich die Gesundheitsgefahr in der Halle erhöht, weil durch den Abbau der Asbestzementplatten Spritzasbestnester freigesetzt worden seien, die sich im Lagerschuppen großflächig verteilt hätten und in die Netze der Klägerin gefallen seien.
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Im November 2016 wurden die Sanierungsarbeiten an der Lagerhalle durch die von dem Beklagten beauftragte Firma G durchgeführt und zwischenzeitlich abgeschlossen. Die dabei entstandenen Kosten belaufen sich nach Angabe des Beklagten auf 239.430,55 EUR.
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Mit Beschluss vom 16.02.2017 hat das Verwaltungsgericht die Gemeinde ... gemäß § 65 Abs. 1 VwGO dem Verfahren beigeladen.
33 
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie verweist jedoch ebenfalls auf die TRGS 519 für Asbest und macht mehrere Gesichtspunkte geltend - wie u.a. das Kehren des Daches und das Unterlassen der Benetzung mit Restfaserbindemittel -, unter denen die Klägerin hiergegen verstoßen habe. Als im Umgang mit Asbest besonders geschulter Betrieb sei es für die Klägerin erkennbar gewesen, dass Spritzasbest anfalle. Spritzasbest/ Weichasbest sei auch nicht unüblich am Bau, sondern als loses „Stopf- bzw. Füllmaterial“ bis zu dessen Verbot am Bau im Jahre 1979 verwendet worden. Mit dem Anfall von Spritzasbest sei daher auf einer Dachfläche, die unter Verwendung von Asbest erstellt worden sei, grundsätzlich immer zu rechnen gewesen. Die Beigeladene ist der Auffassung, dass die Klägerin vorsätzlich gehandelt habe und sich somit nicht auf das Gebot der gerechten Lastenverteilung berufen könne. Sie müsse daher auch auf Sekundärebene die vollen Kosten tragen.
34 
Ergänzend zu ihren Erwägungen legt die Beigeladene das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing./Dipl.-Biol. R vom 27.02.2017 vor, welches im Verfahren vor dem LG Ulm eingeholt wurde. In diesem werden die Ausführungen des Dipl-Biol. H bestätigt. Der Gutachter R gelangte ebenfalls zu der Ansicht, dass sich im Überlappungsbereich der asbesthaltigen Faserzementplatten eine asbesthaltige Stopf- und Dichtungsmasse befunden habe, welche ein schwach gebundenes Asbestprodukt darstelle. Nach Auffassung des Gutachters R ist die Klägerin die Verursacherin der in die Lagerhalle gefallenen Asbestnester bzw. asbesthaltigen Stopf- und Dichtungsmassen aus den Überlappungsbereichen der asbesthaltigen Faserzementplatten. Diese seien vorher in der Halle - bis auf eine kleine Teilfläche, bei der eine Vorbelastung nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden könne - nicht vorhanden gewesen, denn sonst hätte sich Asbestfeinstaub in den von ihm untersuchten Altstäuben feststellen lassen müssen. Dies sei aber bis auf eine Probe nicht der Fall gewesen (vgl. Gutachten R v. 27.02.2017, S. 27, 28, 36).
35 
Weiter legt die Beigeladene das Ergänzungsgutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing./Dipl.-Biol. R vom 23.01.2018 vor, in welchem auch auf den von der Klägerin geltend gemachten Hagelschaden vom 27.08.2013 eingegangen wird. Da keine Tatsachenfeststellungen vor Ort mehr möglich waren, legte der Gutachter seinem Gutachten Wahrscheinlichkeitsangaben zugrunde und führte aus, dass die Dacheindeckung aus unbeschichteten asbesthaltigen Faserzementplatten (Berliner Welle) bestand, die schwach gebundene asbesthaltigen Stopf- und Dichtungsmassen im Überlappungsbereich aufwiesen. Durch das Großhagelereignis sei es zu diversen Dachdurchschlägen gekommen, so dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Teile der asbesthaltigen Dacheindeckung in Form von Asbestzementbruchstücken in verschiedenen Größen in das Innere der Lagerhalle gefallen seien. Ein Durchschlag in den Überlappungsbereichen werde jedoch als äußerst unwahrscheinlich angesehen, da dort die Faserzementplatten mit doppelter Materialstärke gelegen hätten. Die Faserzementstücke seien in der Halle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiter zersplittert. Durch das Hagelereignis sei es daher auch wahrscheinlich gewesen, dass die schwach gebundenen Stopf- und Dichtungsmassen erschüttert worden seien, jedoch sei es äußerst unwahrscheinlich, dass es durch das Großhagelereignisses zu einem nennenswerten Materialeintrag an diesen schwach gebundenen Stopf- und Dichtungsmassen in die Lagerhalle gekommen sei. Der in der Lagerhalle festgestellte Asbestschaden setze sich aus dem Schadensereignis Hagelschaden und dem Schadensereignis Dachdeckerarbeiten zusammen. Das Schadensereignis Dachdeckerarbeiten sei jedoch der augenscheinlich schwerere Schaden, da Unmengen an schwach gebundenen Asbestprodukten freigesetzt worden seien, was bei dem Schadensereignis Hagelschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Fall gewesen sei.
36 
Zuletzt legt die Beigeladene ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. V vom 25.06.2018 vor, nach welchem die Reinigungsarbeiten in der Lagerhalle durch die Firma G nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien.
37 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und vorgelegten Gutachten, die Verwaltungsakten, sowie die Akte des vorangegangenen Eilverfahrens (2 K 99/15) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
38 
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist gegen die vom Beklagten im mehrstufigen Verfahren erlassenen Bescheide jeweils die Anfechtungsklage und nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Die Verwaltungsakte haben sich im rechtlichen Sinne nicht gemäß § 43 Abs. 2 LVwVfG erledigt. Grundsätzlich erledigen sich Verwaltungsakte nicht dadurch, dass sie freiwillig befolgt oder von der Behörde im Wege des Verwaltungszwangs mittels Ersatzvornahme durchgesetzt werden. Dies ergibt sich schon aus § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Danach kann die Rückgängigmachung der Vollziehung als Annex zur Anfechtungs- und nicht zur Fortsetzungsfeststellungsklage verlangt werden. Etwas anderes gilt auch nicht für den vorliegenden Fall des irreparablen Vollzugs, der hier seitens des Beklagten im Wege einer kostenpflichtigen Ersatzvornahme erfolgte. Auch in diesem Fall äußert der Verwaltungsakt immer noch Wirkungen, da der Fortbestand einer wirksamen Grundverfügung nach § 2 LVwVG Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen und die Zuweisung der Kostenlast ist (BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 7 C 5.08 -, juris, Rn. 13; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.01.2018 - 1 S 2794/17 - juris, Rn. 4; Sächs. OVG, Urteil vom 27.01.2009 - 4 B 809/06 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 13.06.2006 - 13 A 632/04 -, juris, Rn. 37). Dies schließt die Annahme einer Erledigung im Sinne des nachträglichen Wegfalls der rechtlichen Wirkungen der Grundverfügung aus.
39 
Es liegt ein Fall der objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO vor.
40 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Sanierungsanordnung des LRA ... vom 17.09.2014, sowie die auf Grundlage dieser Anordnung ergangenen Bescheide vom 30.09.2014 und 19.11.2014 und Ziff. 1 des Bescheids vom 30.12.2014, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums ... vom 11.04.2016, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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1. Ermächtigungsgrundlage für die Beseitigungsverfügung vom 17.09.2014 ist § 23 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG -) in der zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblichen Fassung vom 08.09.2015 (BGBl. I, 3498, 3991). Danach kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall u.a. die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße gegen das Chemikaliengesetz selbst oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Rechtsverordnungen notwendig sind. Bei der Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV -) vom 26.11.2010 (BGBl. I S. 1643, 1644) handelt es sich um eine solche u.a. auf §§ 3a, 14, 17 und 19 ChemG beruhende Rechtsverordnung. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GefStoffV verfolgt dabei den Schutz von Mensch und Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen durch Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Zu Gefahrstoffen i.S.d. § 2 Abs. 1 GefStoffV gehört gem. Anhang I Nr. 2.2 Abs. 3 Nr. 4 zur GefStoffV auch Weichasbest in Form von Chrysotil. § 8 GefStoffV begründet für den Arbeitgeber Pflichten zu Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. So müssen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 GefStoffV der Arbeitsplatz und die Arbeitsorganisation geeignet gestaltet werden und nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 GefStoffV geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren getroffen werden, welche Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz. Nach § 8 Abs. 4 GefStoffV hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist. Weiter hat der Arbeitgeber nach § 8 Abs. 8 i.V.m. § 6 GefStoffV eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. § 8 Abs. 8 GefStoffV i.V.m. Anhang I Nr. 2.3 Abs. 3, 5 und 6 zur GefStoffV bestimmt, dass die Ablagerung von Stäuben zu vermeiden ist bzw. diese Stäube an der Austritts- und Entstehungsstelle möglichst vollständig gefahrlos zu entsorgen sind. Präzisiert wird die Verordnung gemäß § 20 GefStoffV durch die Technischen Regeln für Gefahrstoffe - TRGS 519 (GMBl. 2014, 164) - für Asbest. Auch nach Nr. 7 Abs. 3, Nr. 8.1 Abs. 1, Nr. 17.1 Abs. 1 und Nr. 18.1 Abs. 3 TRGS 519 müssen die Arbeitsabläufe so gestaltet werden, dass Asbestfasern sich nicht verbreiten und die Freisetzung von Asbestfasern vermieden wird.
42 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beseitigungsverfügung vom 17.09.2014 sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht rechtmäßig.
43 
a) Die Beseitigungsverfügung ist formell rechtmäßig. Das Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG, war gem. § 23 Abs. 1 ChemG i.V.m. § 1 Abs. 2 a.E. ChemZuVO für die angefochtene Sanierungsverfügung zuständig. Insbesondere wurde die Klägerin vor Erlass der Verfügung mit Schreiben vom 25.08.2014 auch angehört i.S.d. § 28 Abs. 1 LVwVfG.
44 
b) Auch materiell-rechtlich erweist sich die Beseitigungsverfügung als rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ordnungsverfügung auf Grundlage des § 23 ChemG lagen vor.
45 
Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit ist dabei grundsätzlich auf die behördliche Sicht „ex ante“ im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier also der Erlass des Widerspruchsbescheids - abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt stand für den Beklagten fest, dass im Zuge der Dachsanierung Asbestfasernester in die Halle gelangt waren. Dem Beklagten war durch die gutachterlichen Ausführungen des H in seinem Gutachten vom 29.08.2014 bekannt, dass die Halle jedenfalls seit der ersten Probennahme am 15.08.2014 und damit im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung weitgehend flächendeckend mit schwach gebundenem Asbest in Form von Chrysotil verunreinigt war. Der Hallenboden und alle darin befindlichen Objekte waren mit organischen, „strohähnlichen“ Material bedeckt. Zwischen den organischen Resten waren gräuliche Fasernester unterschiedlicher Größe über die Halle verteilt feststellbar, die einen 80%-igen Chrysotil Anteil aufwiesen. Dieselben Ergebnisse fanden sich an den Rändern der bereits in Transportsäcken abmontierten Eternitplatten.
46 
Das Gericht darf sich für sein Urteil - im Wege des Urkundenbeweises - auf gutachterliche Stellungnahmen stützen, welche ein Dritter oder die beteiligte Behörde im vorangegangen Verwaltungsverfahren eingeholt haben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.07.2008 – 10 S 2327/07 –, juris, Rn. 24, m. w. N. zu medizinischen Fragestellungen). Die Gutachten des Herrn H vom 29.08.2014 und 30.01.2015 sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei und stellen objektiv die Sachlage anhand eingeholter Proben dar.
47 
Angesichts des Umstands, dass in der Halle flüchtige Asbeststoffe (Chrysotil) vorhanden waren und Personen und Umwelt schädigen konnten, war der Anwendungsbereich des ChemG eröffnet. Im Falle des hier vorliegenden Nachweises von schwach gebundenen, weißen Asbestfasernestern auf dem Boden des Lagerschuppens, an den darin befindlichen Objekten und den Rändern der in den Transportsäcken zwischengelagerten Wellzement-Eternitplatten, lag eindeutig eine schädliche Einwirkung eines gefährlichen Stoffes i.S.d. § 1 ChemG für Umwelt und Menschen, u.a. den Pächter der Halle, seine Mitarbeiter und die Arbeitnehmer der Klägerin, vor. Bei freiem Spritzasbest, einer sehr flüchtigen Substanz mit minimaler Faserbindung an die Matrix, besteht eine erhöhte Gefahr der Freisetzung feinster atembarer Asbestfasern. Das Einatmen von lungengängigem asbesthaltigem Feinstaub kann zu Asbestose und schlussendlich zu unheilbaren Krebserkrankungen führen (vgl. LAGA-Merkblatt Entsorgung asbesthaltiger Abfälle in der aktualisierten Fassung v. 10.12.2001, GemABl. 2002, 700, 701). Asbest gehört zu den gefährlichsten Stoffen, die die Gesundheit gefährden und dauerhaft schädigen können. Erkrankungen infolge des Kontaktes mit Asbest liegt eine hohe Latenzzeit zugrunde. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich über 1.000 Menschen durch Erkrankungen infolge des Umgangs mit Asbest (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.04.2016 - 3 L 90/15 -, juris, Rn. 10). Der Gefahrstoff Asbest besitzt demzufolge bereits eine grundsätzlich gegebene abstrakte Gefährlichkeit, der die bereits aufgeführten Schutzvorschriften Rechnung tragen, indem sie dazu dienen, diese abstrakte Gefährlichkeit unter Kontrolle halten und den Eintritt einer konkreten Gefahr zu verhindern.
48 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass damals nicht bekannt gewesen sei und auch immer noch nicht bekannt sei, woher der schwach gebundene Asbest in der Halle stamme. Das Gericht hat jedoch keine Zweifel, dass die schwach gebundenen Asbestfasern von den Rändern der Eternitplatten stammen und dort als Stopf- und Dichtungsmasse verwendet wurden. Der Gutachter Herr H fand dieselben Asbestfasern an den bereits von der Klägerin abmontierten Eternitplatten in den Transportsäcken und in der Halle. Eine andere Herkunft der Fasern ist nicht ersichtlich. Zusätzlich ist auf der Fotodokumentation des Gutachters H vom 29.08.2014 - insbesondere auf den Bildern F 4 bis F 6 - erkennbar, dass an den in Transportsäcken verpackten Platten noch weiße Anhaftungen vorhanden waren. Die Mutmaßung des Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass der schwach gebundene Asbest möglicherweise auch von den in der Halle gelagerten Geräten stammen könne, namentlich von einem Feuerwehrauto, greift nicht durch. Denn die Fasern stammten nach dem Gutachten des H vom 29.08.2014 mit großer Wahrscheinlichkeit von den Eternitplatten und nicht von sonstigen Geräten und wurden überdies überall in der Halle gefunden und nicht nur im Bereich der Gerätschaften.
49 
Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht als Handlungsstörerin in Anspruch genommen. Handlungsstörer ist eine natürliche oder juristische Person, die durch ihr Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verursacht (§ 6 Abs. 1 PolG). Da das Ziel eine effektive Gefahrenabwehr ist, kommt es auf die Geschäfts- und Verschuldensfähigkeit des Handlungsstörers nicht an. Der Störer muss hierbei die Gefahr i.S.d. Theorie von der unmittelbaren Verursachung verursacht haben, also mit seinem Verhalten die Gefahrenschwelle überschritten haben (vgl. Ruder, Polizeirecht BW, 8. Aufl. 2015, Rn. 225 und 231).
50 
Die Klägerin hat durch die von ihr durchgeführten Dachsanierungsarbeiten Asbest freigesetzt und damit gegen ihre grundlegenden Pflichten auf § 8 GefStoffV und aus der TRGS 519 verstoßen. Durch ihre Dacharbeiten hat die Klägerin die Kontamination der Halle mit Weichasbest maßgeblich verursacht und die Gesundheitsgefahr in der Halle in erheblichem Ausmaß erhöht. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass sich bei der Entfernung der alten Wellzementplatten als Stopf- und Dichtungsmasse verwendete Weichasbestmaterialen von den Rändern der Platten gelöst haben und in die Halle herabgefallen sind. Wie bereits ausgeführt, stammen die in der Halle aufgefundenen Asbestnester und -bestandteile, von den Rändern der Dachplatten. Dass sich diese Materialien durch die mechanischen Einwirkungen auf die Platten bei der Demontage gelöst haben und in die Halle herab gefallen sind, ergibt das vorgelegte Bildmaterial der Arbeitsbereiche und der Halle. Die im gerichtlichen Eilverfahren vorgelegten Bilder F4 bis F6 lassen lose anhaftende weißliche Faserbestandteile an den Rändern der demontierten Dachplatten erkennen. Auf den Bildern des Gutachtens vom 29.08.2014 - insbesondere auf dem Foto F 7 - sind die unter dem Hallendach angebrachten Fangnetze der Klägerin zu sehen, in denen Materialen hängen. Diese können ausschließlich im Zuge der Dachsanierung in die Fangnetze gelangt sein, da diese Netze erst wegen der Dachsanierung angebracht worden sind. Erkennbar ist ferner, dass die Netze sehr großmaschig sind, so dass kleinere Partikel, wie etwa die auf den Bildern vom Halleninneren und -boden erkennbaren weißen Asbestfasern durch die Fangnetze hindurch fallen konnten. Herr H hat in seiner Aussage vor dem Landgericht Ulm (Protokoll vom 28.04.2016 im Verfahren 6 O 357/15, S. 6f) ebenfalls beschrieben, dass in den Fangnetzen Materialien hingen, dass auf dem Boden der Halle Verschmutzungen fast auf der gesamten Oberfläche vorhanden waren, und dass es sich dabei um kleine Stücke, auch von den Eternitplatten selbst gehandelt hat. Dies belegt, dass bei den von Mitarbeitern der Klägerin vorgenommenen Demontagearbeiten sich sowohl Asbestbruchstücke der Eternitplatten als auch die an den Rändern lose anhaftenden, schwach gebundenen Asbestfasern gelöst und durch die Fangnetze in die Halle heruntergefallen sind. Bereits dadurch hat die Klägerin in eklatanter Weise gegen die genannten Schutzvorschriften verstoßen. Ob und auf welche Weise die Klägerin auf dem Dach gekehrt hat und ob sie Restfaserbindemittel hätte benutzen müssen - worauf im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes maßgeblich abgestellt wurde -, kann daher ebenso offenbleiben wie die Frage, ob die Klägerin durch diese Maßnahmen den massiven Materialeintrag und die damit entstandene Asbestkontamination hätte verhindern können, oder ob es dazu erheblich umfangreicherer Schutzmaßnahmen (z.B. Folienabdeckung, Räumung der Halle, Einziehung einer Zwischendecke) bedurft hätte.
51 
Es spricht auch nichts dafür, dass massive Materialeintrag bereits vor den Dachsanierungsarbeiten in der Halle stattgefunden hat. Der Pächter der Halle, Herr ..., hat erstmals im Zuge der Dachsanierungsarbeiten diese „Flusen“ und Bruchstücke festgestellt und umgehend überprüfen bzw. begutachten lassen. Auch die Zeugen B und R haben im zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht Ulm davon berichtet, dass im Zuge der Dacharbeiten „herausgerissene Teile wie Steinwolle oder Glaswolle“ bzw. „etwas Flusenmäßiges“ auf dem Boden der Halle lag, die vorher nicht dort gelegen hätten (Protokoll vom 28.04.2016 im Verfahren 6 O 357/15, S. 2 und 5). Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass vor Beginn ihrer Arbeiten kein Spritzasbest in der Halle festzustellen gewesen sei. Hätten die Fasernester bereits zu diesem Zeitpunkt in der Halle gelegen, wäre dies auch für die Mitarbeiter der Klägerin erkennbar gewesen.
52 
Der Inanspruchnahme der Klägerin als Handlungsstörerin durch die Beklagte stand auch nicht entgegen, dass schon durch den Hagelschaden im Jahr 2013 eine teilweise Asbestkontaminierung der Halle bewirkt worden war. Unabhängig davon, ob dies für die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung erkennbar gewesen war, entbindet dieser Vorschaden die Klägerin nicht von ihrer Verantwortlichkeit als Handlungsstörerin. Zwar ergibt sich nunmehr aus dem vom Beigeladenen vorgelegten Ergänzungsgutachten des Dipl.-Biol. R vom 23.01.2018, dass der Hagelschaden zu Durchschlägen des Daches und damit zum Herausbrechen einzelner Stücke der asbesthaltigen Wellzementplatten geführt hat und dass auch durch Erschütterungen Asbestfaserstäube freigesetzt worden sind (GA, S. 13 ff.). Dieser Vorschaden hat jedoch nicht zu einer ansatzweise vergleichbaren sichtbaren Kontamination der Halle geführt, sondern sich vor allem auf die Bereiche unterhalb der Durchschlagsstellen beschränkt. Die Dachsanierungsarbeiten der Klägerin haben hingegen zu einer massiven und vollständigen Kontaminierung der streitgegenständlichen Lagerhalle mit massiven Materialeinträgen geführt. Diese Materialeinträge haben sich über die gesamte Fläche der Halle erstreckt und insbesondere in großen Mengen den schwach gebundenen Asbest aus den Fasern der Stopf- und Dichtungsmasse freigesetzt. Der umfangreiche Materialeintrag war dem Pächter der Halle auch nicht bereits in Folge des Hagelschadens, sondern erst im Zusammenhang mit den Dachsanierungsarbeiten aufgefallen. Dass die Demontagearbeiten den weitaus größeren Anteil der Asbestkontamination verursacht haben, bestätigt letztlich auch das Ergänzungsgutachten des Dipl.-Biol. R vom 23.01.2018 (S. 18), in welchem ausgeführt wird, dass der Schaden durch die Dachsanierungsarbeiten der deutlich schwerere Schaden sei, weil es durch diese zu einem nennenswerten Materialeintrag an schwach gebundener asbesthaltiger Stopf- bzw. Dichtungsmasse in die Halle gekommen sei. Dass der Hagelschaden zu diesem Materialeintrag geführt haben könnte, wurde hingegen als äußerst unwahrscheinlich bewertet, da hierfür die Durchschläge im doppelten Überlappungsbereich der Platten hätten auftreten müssen.
53 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass der Spritzasbest nicht erkennbar gewesen sei. Auf die Kenntnis der Mitarbeiter der Klägerin, dass es sich beim Fugenmaterial um schwach gebundenes Asbest handelte, kommt es für ihre Störereigenschaft nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung nicht an, da diese verschuldensunabhängig ist. Im Übrigen kann dem entgegengehalten werden, dass gerade dann, wenn die Verarbeitungsweise unter Verwendung faserhaltigen Dichtungsmaterials unüblich war, dies erst Recht hätte auffallen müssen und die Klägerin ihre Arbeiten unverzüglich hätte stoppen müssen. Zudem ist nach den beiden Gutachten des Sachverständigen R der Spritzasbest für einen Fachmann erkennbar (GA vom 27.02.2017, S. 34 bzw. ErgGA vom 23.01.2018, S. 10).
54 
Zwar befanden sich die schwach gebundenen Asbestfasern bereits im Dach der Halle, jedoch befanden sie sich vor dem Hagelschaden und der Dachsanierung durch die Klägerin noch fest zwischen den Eternitplatten. Sie stellten zu diesem Zeitpunkt lediglich eine abstrakte Gefahr dar. Durch den Hagelschaden hat sich diese abstrakte Gefahr bereits zu einer konkreten Gefahr gewandelt, da es auch dadurch zu einem nennenswerten Asbesteintrag in die Halle gekommen ist (ErgGA vom 23.01.2018, S. 15). Aber erst aufgrund der fehlerhaften Dachsanierung durch die Klägerin hat sich diese bereits vorhandene konkrete Gefahr in deutlich erkennbarer Weise wegen des immensen Materialeintrags von schwach gebundenen Asbestfasern in der Halle erheblich erhöht.
55 
Die Inanspruchnahme der Klägerin als Handlungsstörerin erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt der Störerauswahl als rechtmäßig.
56 
Auch die Beigeladene als Eigentümerin der Halle ist als Zustandsstörerin für die entstandene konkrete Gefahr verantwortlich. In ihrer Halle war der gesundheitsgefährdende Spritzasbest eingebaut und fest gebundener Asbest hat sich bereits durch den Hagelschaden in der Halle verteilt. Die Beigeladene war für diesen Zustand verantwortlich und es hätte ihr oblegen, bei einem ordnungsgemäßen Verhalten der Klägerin - also bei einem Stoppen der Arbeiten beim Erkennen des Spritzasbests - die Fortsetzung der ordnungsgemäßen Sanierung zu veranlassen. Im Übrigen hätte die Beigeladene bereits im Vorfeld eine Schadstofferkundung durchführen müssen und dann in Kenntnis des Vorhandenseins von Spritzasbest die Arbeiten von vorneherein für schwach gebundenen Asbest ausschreiben müssen (GA R vom 27.02.2017 und 23.01.2018, S. 38 bzw. 24).
57 
Ungeachtet dessen, ist die Ermessensausübung des Beklagten bei der Störerauswahl auf der Primärebene nicht zu beanstanden.
58 
Gibt es mehrere Störer, hat die zuständige Behörde eine Auswahlentscheidung dahingehend zu treffen, wen sie in Anspruch nehmen möchte. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung. Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Behörde ist verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen, die Entscheidung auf einem zutreffenden und vollständig ermittelnden Sachverhalt beruht und keine allgemein anerkannten Bewertungsmaßstäbe missachtet worden sind. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen bzw. falschen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
59 
Bei der Störerauswahl ist im Falle einer Störermehrheit zwischen der primären und der sekundären Ebene zu unterscheiden. Auf der - hier allein streitgegenständlichen - primären Ebene geht es aus einer „ex-ante“-Sicht um die effektive Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die daher Effektivität der Gefahrenabwehr. Anzustreben ist stets die schnelle und wirksame Gefahrbeseitigung. Bei der Ausübung des Auswahlermessens hat sich die Behörde in erster Linie vom Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten leiten zu lassen. Dies schließt nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte, wie z.B. die größere Gefahrnähe eines Störers Berücksichtigung finden. Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2002 - 10 S 2367/01 -, juris, Rn.21). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen bereits auf der Primärebene einzubeziehen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2012 - 10 S 744/12 -, juris, Rn. 36, m.w.N; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 -, juris, Rn. 23).
60 
Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme auf der sekundären Ebene eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht. Unter gleichrangig Verpflichteten muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen. Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 -, juris, Rn. 25).
61 
Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern auf der Primärebene gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.1992 - 1 S 2727/91 -, juris, Rn. 21). Es besteht daher kein genereller Vorrang der Inanspruchnahme eines Handlungsstörers gegenüber einem Zustandsstörer. Insbesondere ist es auch nicht verfassungsrechtlich geboten, dass Zustandsverantwortliche stets nachrangig haften (BVerfG vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91 -, juris, Rn. 53). Für die Ermessensausübung maßgebliche Gesichtspunkte sind insbesondere eine schnelle und effektive Beseitigung eingetretener Störungen und die Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten. Normative Richtschnur fehlerfreier Ausübung des Auswahlermessens ist auch beim Zusammentreffen von Handlungs- und Zustandshaftung der Gesichtspunkt einer schnellen und wirksamen Gefahrenbeseitigung. Danach kann die Inanspruchnahme des Zustandsstörers vor dem Handlungsstörer rechtens sein, wenn der Handlungsstörer nicht greifbar oder aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen eine wirksame Gefahrenbeseitigung durch ihn nicht gewährleistet ist. Die Ordnungsbehörde hat die Pflicht, ermessensgerecht unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte zwischen den in Betracht kommenden Störern auszuwählen (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.05.2018 - 1 M 327/18 OVG -, juris, Rn. 9).
62 
Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl der Klägerin als Handlungsstörerin ermessensfehlerfrei i.S.d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG).
63 
Der Beklagte hat den Kreis der möglichen Adressaten der Verfügung zutreffend ermittelt. Er hat erkannt, dass sowohl die Klägerin als Handlungsstörerin als auch die Beigeladene als Zustandsstörerin in Anspruch genommen werden können und gesehen, dass beide Störer nicht in der Lage sind, die Gefahr zu beheben, sondern beide ein dafür zugelassenes Fachunternehmen beauftragen müssen. Auch hat der Beklagte seine Auswahlentscheidung ermessensgerecht getroffen, da er sich primär von dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr leiten ließ und in fehlerfreier Weise die Gefahrnähe bzw. Sachnähe der Klägerin berücksichtigt hat. Auf der Primärebene kann das Kriterium der „Sachnähe“ - auf Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage - ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 -, juris, Rn. 34, m.w.N.). Der Beklagte hat festgestellt, dass beide Störer durch Beauftragung eines Fachbetriebes gleich effektiv die Gefahr beseitigen lassen können, es jedoch aus Gründen der Sachnähe bzw. der Gefahrnähe der Klägerin ermessensgerecht ist, die Klägerin in Anspruch zu nehmen. Er hat in nicht zu beanstandender Weise bedacht, dass die Klägerin als Fachfirma und als Verursacherin der sichtbaren Kontamination in der Halle eine größere Sachnähe bzw. Gefahrennähe aufwies als die Beigeladene. Der Beklagte durfte in seinen Ermessenserwägungen zugunsten der Beigeladenen berücksichtigen, dass der Spritzasbest damals rechtmäßig in der Halle verbaut worden war und dass diese gerade durch Beauftragung einer Fachfirma die Gefahr nach dem Hagelschaden beseitigen wollte. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler des Beklagten, weil er das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht bereits auf der Primärebene in seine Ermessenserwägungen einbezogen hat. Es steht dem Beklagten zwar frei, dies zu tun, er hat jedoch - anders als auf der Sekundärebene - nicht die Pflicht, dieses Gebot hier schon zu beachten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2002 - 10 S 2367/01 -, juris, Rn.21). Vielmehr hat sich der Beklagte hier vorrangig ordnungsgemäß am Leitbild der effektiven Gefahrenabwehr orientiert.
64 
Die Beseitigungsverfügung des Beklagten war auch verhältnismäßig. Sie war geeignet und erforderlich, eine Gefährdung der Menschen und der Umwelt auszuschließen. Andere mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Sie war zum Schutz der Gesundheit auch angemessen.
65 
2. Auch die auf der Grundlage der Verfügung vom 17.09.2014 ergangenen Vollzugsmaßnahmen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Mit der in Ziff. 3 erfolgten Anordnung der sofortigen Vollziehung der in Ziff. 1 der Verfügung vom 17.09.2014 enthaltenen Beseitigungspflicht lag ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vor, § 2 Nr. 2 LVwVG.
66 
In der Verfügung vom 30.09.2014 wurde das Zwangsmittel des Zwangsgeldes (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 LVwVG) unter Fristsetzung und in einer bestimmten Höhe angedroht und damit § 20 Abs. 1, 3 und 4 LVwVG beachtet. Die angedrohte Höhe des Zwangsgeldes hält sich im Rahmen des § 23 LVwVG und ist - insbesondere gemessen am Ausmaß der Gefahr und den voraussichtlichen Kosten ihrer Beseitigung - auch nicht unverhältnismäßig.
67 
Die Festsetzung des Zwangsgeldes in der zuvor mitgeteilten Höhe durch die Verfügung vom 19.11.2014 ist als Konsequenz aus dem Nichtbefolgen der Verpflichtung aus der Verfügung vom 17.09.2014 rechtmäßig. Dies gilt auch für die zugleich am 19.11.2014 erfolgte Ankündigung der Ersatzvornahme als weiterer Vollstreckungsmaßnahme (§ 25 LVwVG). Auch hier sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 und des Abs. 3 Satz 1 LVwVG beachtet. Zudem hat der Antragsgegner entsprechend § 20 Abs. 5 LVwVG auch die im Falle der Ersatzvornahme voraussichtlich anfallenden Kosten mitgeteilt.
68 
Ebenso ist die in Ziff. 1 der Verfügung vom 30.12.2014 erfolgte Festsetzung der Ersatzvornahme in der zuvor angedrohten Höhe als „letzte Warnung“ vor dem Vollzug in rechtmäßiger Weise ergangen, nachdem die anderen, milderen Zwangsmittel erfolglos waren.
69 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Es wäre unangemessen, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Diese hat keinen Antrag gestellt und ist somit ihrerseits kein Kostenrisiko eingegangen, §§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO.
70 
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.

Gründe

 
38 
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist gegen die vom Beklagten im mehrstufigen Verfahren erlassenen Bescheide jeweils die Anfechtungsklage und nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Die Verwaltungsakte haben sich im rechtlichen Sinne nicht gemäß § 43 Abs. 2 LVwVfG erledigt. Grundsätzlich erledigen sich Verwaltungsakte nicht dadurch, dass sie freiwillig befolgt oder von der Behörde im Wege des Verwaltungszwangs mittels Ersatzvornahme durchgesetzt werden. Dies ergibt sich schon aus § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Danach kann die Rückgängigmachung der Vollziehung als Annex zur Anfechtungs- und nicht zur Fortsetzungsfeststellungsklage verlangt werden. Etwas anderes gilt auch nicht für den vorliegenden Fall des irreparablen Vollzugs, der hier seitens des Beklagten im Wege einer kostenpflichtigen Ersatzvornahme erfolgte. Auch in diesem Fall äußert der Verwaltungsakt immer noch Wirkungen, da der Fortbestand einer wirksamen Grundverfügung nach § 2 LVwVG Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen und die Zuweisung der Kostenlast ist (BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 7 C 5.08 -, juris, Rn. 13; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.01.2018 - 1 S 2794/17 - juris, Rn. 4; Sächs. OVG, Urteil vom 27.01.2009 - 4 B 809/06 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 13.06.2006 - 13 A 632/04 -, juris, Rn. 37). Dies schließt die Annahme einer Erledigung im Sinne des nachträglichen Wegfalls der rechtlichen Wirkungen der Grundverfügung aus.
39 
Es liegt ein Fall der objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO vor.
40 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Sanierungsanordnung des LRA ... vom 17.09.2014, sowie die auf Grundlage dieser Anordnung ergangenen Bescheide vom 30.09.2014 und 19.11.2014 und Ziff. 1 des Bescheids vom 30.12.2014, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums ... vom 11.04.2016, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
41 
1. Ermächtigungsgrundlage für die Beseitigungsverfügung vom 17.09.2014 ist § 23 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG -) in der zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblichen Fassung vom 08.09.2015 (BGBl. I, 3498, 3991). Danach kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall u.a. die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße gegen das Chemikaliengesetz selbst oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Rechtsverordnungen notwendig sind. Bei der Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV -) vom 26.11.2010 (BGBl. I S. 1643, 1644) handelt es sich um eine solche u.a. auf §§ 3a, 14, 17 und 19 ChemG beruhende Rechtsverordnung. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GefStoffV verfolgt dabei den Schutz von Mensch und Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen durch Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Zu Gefahrstoffen i.S.d. § 2 Abs. 1 GefStoffV gehört gem. Anhang I Nr. 2.2 Abs. 3 Nr. 4 zur GefStoffV auch Weichasbest in Form von Chrysotil. § 8 GefStoffV begründet für den Arbeitgeber Pflichten zu Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. So müssen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 GefStoffV der Arbeitsplatz und die Arbeitsorganisation geeignet gestaltet werden und nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 GefStoffV geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren getroffen werden, welche Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz. Nach § 8 Abs. 4 GefStoffV hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist. Weiter hat der Arbeitgeber nach § 8 Abs. 8 i.V.m. § 6 GefStoffV eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. § 8 Abs. 8 GefStoffV i.V.m. Anhang I Nr. 2.3 Abs. 3, 5 und 6 zur GefStoffV bestimmt, dass die Ablagerung von Stäuben zu vermeiden ist bzw. diese Stäube an der Austritts- und Entstehungsstelle möglichst vollständig gefahrlos zu entsorgen sind. Präzisiert wird die Verordnung gemäß § 20 GefStoffV durch die Technischen Regeln für Gefahrstoffe - TRGS 519 (GMBl. 2014, 164) - für Asbest. Auch nach Nr. 7 Abs. 3, Nr. 8.1 Abs. 1, Nr. 17.1 Abs. 1 und Nr. 18.1 Abs. 3 TRGS 519 müssen die Arbeitsabläufe so gestaltet werden, dass Asbestfasern sich nicht verbreiten und die Freisetzung von Asbestfasern vermieden wird.
42 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beseitigungsverfügung vom 17.09.2014 sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht rechtmäßig.
43 
a) Die Beseitigungsverfügung ist formell rechtmäßig. Das Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG, war gem. § 23 Abs. 1 ChemG i.V.m. § 1 Abs. 2 a.E. ChemZuVO für die angefochtene Sanierungsverfügung zuständig. Insbesondere wurde die Klägerin vor Erlass der Verfügung mit Schreiben vom 25.08.2014 auch angehört i.S.d. § 28 Abs. 1 LVwVfG.
44 
b) Auch materiell-rechtlich erweist sich die Beseitigungsverfügung als rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ordnungsverfügung auf Grundlage des § 23 ChemG lagen vor.
45 
Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit ist dabei grundsätzlich auf die behördliche Sicht „ex ante“ im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier also der Erlass des Widerspruchsbescheids - abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt stand für den Beklagten fest, dass im Zuge der Dachsanierung Asbestfasernester in die Halle gelangt waren. Dem Beklagten war durch die gutachterlichen Ausführungen des H in seinem Gutachten vom 29.08.2014 bekannt, dass die Halle jedenfalls seit der ersten Probennahme am 15.08.2014 und damit im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung weitgehend flächendeckend mit schwach gebundenem Asbest in Form von Chrysotil verunreinigt war. Der Hallenboden und alle darin befindlichen Objekte waren mit organischen, „strohähnlichen“ Material bedeckt. Zwischen den organischen Resten waren gräuliche Fasernester unterschiedlicher Größe über die Halle verteilt feststellbar, die einen 80%-igen Chrysotil Anteil aufwiesen. Dieselben Ergebnisse fanden sich an den Rändern der bereits in Transportsäcken abmontierten Eternitplatten.
46 
Das Gericht darf sich für sein Urteil - im Wege des Urkundenbeweises - auf gutachterliche Stellungnahmen stützen, welche ein Dritter oder die beteiligte Behörde im vorangegangen Verwaltungsverfahren eingeholt haben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.07.2008 – 10 S 2327/07 –, juris, Rn. 24, m. w. N. zu medizinischen Fragestellungen). Die Gutachten des Herrn H vom 29.08.2014 und 30.01.2015 sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei und stellen objektiv die Sachlage anhand eingeholter Proben dar.
47 
Angesichts des Umstands, dass in der Halle flüchtige Asbeststoffe (Chrysotil) vorhanden waren und Personen und Umwelt schädigen konnten, war der Anwendungsbereich des ChemG eröffnet. Im Falle des hier vorliegenden Nachweises von schwach gebundenen, weißen Asbestfasernestern auf dem Boden des Lagerschuppens, an den darin befindlichen Objekten und den Rändern der in den Transportsäcken zwischengelagerten Wellzement-Eternitplatten, lag eindeutig eine schädliche Einwirkung eines gefährlichen Stoffes i.S.d. § 1 ChemG für Umwelt und Menschen, u.a. den Pächter der Halle, seine Mitarbeiter und die Arbeitnehmer der Klägerin, vor. Bei freiem Spritzasbest, einer sehr flüchtigen Substanz mit minimaler Faserbindung an die Matrix, besteht eine erhöhte Gefahr der Freisetzung feinster atembarer Asbestfasern. Das Einatmen von lungengängigem asbesthaltigem Feinstaub kann zu Asbestose und schlussendlich zu unheilbaren Krebserkrankungen führen (vgl. LAGA-Merkblatt Entsorgung asbesthaltiger Abfälle in der aktualisierten Fassung v. 10.12.2001, GemABl. 2002, 700, 701). Asbest gehört zu den gefährlichsten Stoffen, die die Gesundheit gefährden und dauerhaft schädigen können. Erkrankungen infolge des Kontaktes mit Asbest liegt eine hohe Latenzzeit zugrunde. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich über 1.000 Menschen durch Erkrankungen infolge des Umgangs mit Asbest (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.04.2016 - 3 L 90/15 -, juris, Rn. 10). Der Gefahrstoff Asbest besitzt demzufolge bereits eine grundsätzlich gegebene abstrakte Gefährlichkeit, der die bereits aufgeführten Schutzvorschriften Rechnung tragen, indem sie dazu dienen, diese abstrakte Gefährlichkeit unter Kontrolle halten und den Eintritt einer konkreten Gefahr zu verhindern.
48 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass damals nicht bekannt gewesen sei und auch immer noch nicht bekannt sei, woher der schwach gebundene Asbest in der Halle stamme. Das Gericht hat jedoch keine Zweifel, dass die schwach gebundenen Asbestfasern von den Rändern der Eternitplatten stammen und dort als Stopf- und Dichtungsmasse verwendet wurden. Der Gutachter Herr H fand dieselben Asbestfasern an den bereits von der Klägerin abmontierten Eternitplatten in den Transportsäcken und in der Halle. Eine andere Herkunft der Fasern ist nicht ersichtlich. Zusätzlich ist auf der Fotodokumentation des Gutachters H vom 29.08.2014 - insbesondere auf den Bildern F 4 bis F 6 - erkennbar, dass an den in Transportsäcken verpackten Platten noch weiße Anhaftungen vorhanden waren. Die Mutmaßung des Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass der schwach gebundene Asbest möglicherweise auch von den in der Halle gelagerten Geräten stammen könne, namentlich von einem Feuerwehrauto, greift nicht durch. Denn die Fasern stammten nach dem Gutachten des H vom 29.08.2014 mit großer Wahrscheinlichkeit von den Eternitplatten und nicht von sonstigen Geräten und wurden überdies überall in der Halle gefunden und nicht nur im Bereich der Gerätschaften.
49 
Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht als Handlungsstörerin in Anspruch genommen. Handlungsstörer ist eine natürliche oder juristische Person, die durch ihr Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verursacht (§ 6 Abs. 1 PolG). Da das Ziel eine effektive Gefahrenabwehr ist, kommt es auf die Geschäfts- und Verschuldensfähigkeit des Handlungsstörers nicht an. Der Störer muss hierbei die Gefahr i.S.d. Theorie von der unmittelbaren Verursachung verursacht haben, also mit seinem Verhalten die Gefahrenschwelle überschritten haben (vgl. Ruder, Polizeirecht BW, 8. Aufl. 2015, Rn. 225 und 231).
50 
Die Klägerin hat durch die von ihr durchgeführten Dachsanierungsarbeiten Asbest freigesetzt und damit gegen ihre grundlegenden Pflichten auf § 8 GefStoffV und aus der TRGS 519 verstoßen. Durch ihre Dacharbeiten hat die Klägerin die Kontamination der Halle mit Weichasbest maßgeblich verursacht und die Gesundheitsgefahr in der Halle in erheblichem Ausmaß erhöht. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass sich bei der Entfernung der alten Wellzementplatten als Stopf- und Dichtungsmasse verwendete Weichasbestmaterialen von den Rändern der Platten gelöst haben und in die Halle herabgefallen sind. Wie bereits ausgeführt, stammen die in der Halle aufgefundenen Asbestnester und -bestandteile, von den Rändern der Dachplatten. Dass sich diese Materialien durch die mechanischen Einwirkungen auf die Platten bei der Demontage gelöst haben und in die Halle herab gefallen sind, ergibt das vorgelegte Bildmaterial der Arbeitsbereiche und der Halle. Die im gerichtlichen Eilverfahren vorgelegten Bilder F4 bis F6 lassen lose anhaftende weißliche Faserbestandteile an den Rändern der demontierten Dachplatten erkennen. Auf den Bildern des Gutachtens vom 29.08.2014 - insbesondere auf dem Foto F 7 - sind die unter dem Hallendach angebrachten Fangnetze der Klägerin zu sehen, in denen Materialen hängen. Diese können ausschließlich im Zuge der Dachsanierung in die Fangnetze gelangt sein, da diese Netze erst wegen der Dachsanierung angebracht worden sind. Erkennbar ist ferner, dass die Netze sehr großmaschig sind, so dass kleinere Partikel, wie etwa die auf den Bildern vom Halleninneren und -boden erkennbaren weißen Asbestfasern durch die Fangnetze hindurch fallen konnten. Herr H hat in seiner Aussage vor dem Landgericht Ulm (Protokoll vom 28.04.2016 im Verfahren 6 O 357/15, S. 6f) ebenfalls beschrieben, dass in den Fangnetzen Materialien hingen, dass auf dem Boden der Halle Verschmutzungen fast auf der gesamten Oberfläche vorhanden waren, und dass es sich dabei um kleine Stücke, auch von den Eternitplatten selbst gehandelt hat. Dies belegt, dass bei den von Mitarbeitern der Klägerin vorgenommenen Demontagearbeiten sich sowohl Asbestbruchstücke der Eternitplatten als auch die an den Rändern lose anhaftenden, schwach gebundenen Asbestfasern gelöst und durch die Fangnetze in die Halle heruntergefallen sind. Bereits dadurch hat die Klägerin in eklatanter Weise gegen die genannten Schutzvorschriften verstoßen. Ob und auf welche Weise die Klägerin auf dem Dach gekehrt hat und ob sie Restfaserbindemittel hätte benutzen müssen - worauf im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes maßgeblich abgestellt wurde -, kann daher ebenso offenbleiben wie die Frage, ob die Klägerin durch diese Maßnahmen den massiven Materialeintrag und die damit entstandene Asbestkontamination hätte verhindern können, oder ob es dazu erheblich umfangreicherer Schutzmaßnahmen (z.B. Folienabdeckung, Räumung der Halle, Einziehung einer Zwischendecke) bedurft hätte.
51 
Es spricht auch nichts dafür, dass massive Materialeintrag bereits vor den Dachsanierungsarbeiten in der Halle stattgefunden hat. Der Pächter der Halle, Herr ..., hat erstmals im Zuge der Dachsanierungsarbeiten diese „Flusen“ und Bruchstücke festgestellt und umgehend überprüfen bzw. begutachten lassen. Auch die Zeugen B und R haben im zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht Ulm davon berichtet, dass im Zuge der Dacharbeiten „herausgerissene Teile wie Steinwolle oder Glaswolle“ bzw. „etwas Flusenmäßiges“ auf dem Boden der Halle lag, die vorher nicht dort gelegen hätten (Protokoll vom 28.04.2016 im Verfahren 6 O 357/15, S. 2 und 5). Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass vor Beginn ihrer Arbeiten kein Spritzasbest in der Halle festzustellen gewesen sei. Hätten die Fasernester bereits zu diesem Zeitpunkt in der Halle gelegen, wäre dies auch für die Mitarbeiter der Klägerin erkennbar gewesen.
52 
Der Inanspruchnahme der Klägerin als Handlungsstörerin durch die Beklagte stand auch nicht entgegen, dass schon durch den Hagelschaden im Jahr 2013 eine teilweise Asbestkontaminierung der Halle bewirkt worden war. Unabhängig davon, ob dies für die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung erkennbar gewesen war, entbindet dieser Vorschaden die Klägerin nicht von ihrer Verantwortlichkeit als Handlungsstörerin. Zwar ergibt sich nunmehr aus dem vom Beigeladenen vorgelegten Ergänzungsgutachten des Dipl.-Biol. R vom 23.01.2018, dass der Hagelschaden zu Durchschlägen des Daches und damit zum Herausbrechen einzelner Stücke der asbesthaltigen Wellzementplatten geführt hat und dass auch durch Erschütterungen Asbestfaserstäube freigesetzt worden sind (GA, S. 13 ff.). Dieser Vorschaden hat jedoch nicht zu einer ansatzweise vergleichbaren sichtbaren Kontamination der Halle geführt, sondern sich vor allem auf die Bereiche unterhalb der Durchschlagsstellen beschränkt. Die Dachsanierungsarbeiten der Klägerin haben hingegen zu einer massiven und vollständigen Kontaminierung der streitgegenständlichen Lagerhalle mit massiven Materialeinträgen geführt. Diese Materialeinträge haben sich über die gesamte Fläche der Halle erstreckt und insbesondere in großen Mengen den schwach gebundenen Asbest aus den Fasern der Stopf- und Dichtungsmasse freigesetzt. Der umfangreiche Materialeintrag war dem Pächter der Halle auch nicht bereits in Folge des Hagelschadens, sondern erst im Zusammenhang mit den Dachsanierungsarbeiten aufgefallen. Dass die Demontagearbeiten den weitaus größeren Anteil der Asbestkontamination verursacht haben, bestätigt letztlich auch das Ergänzungsgutachten des Dipl.-Biol. R vom 23.01.2018 (S. 18), in welchem ausgeführt wird, dass der Schaden durch die Dachsanierungsarbeiten der deutlich schwerere Schaden sei, weil es durch diese zu einem nennenswerten Materialeintrag an schwach gebundener asbesthaltiger Stopf- bzw. Dichtungsmasse in die Halle gekommen sei. Dass der Hagelschaden zu diesem Materialeintrag geführt haben könnte, wurde hingegen als äußerst unwahrscheinlich bewertet, da hierfür die Durchschläge im doppelten Überlappungsbereich der Platten hätten auftreten müssen.
53 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass der Spritzasbest nicht erkennbar gewesen sei. Auf die Kenntnis der Mitarbeiter der Klägerin, dass es sich beim Fugenmaterial um schwach gebundenes Asbest handelte, kommt es für ihre Störereigenschaft nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung nicht an, da diese verschuldensunabhängig ist. Im Übrigen kann dem entgegengehalten werden, dass gerade dann, wenn die Verarbeitungsweise unter Verwendung faserhaltigen Dichtungsmaterials unüblich war, dies erst Recht hätte auffallen müssen und die Klägerin ihre Arbeiten unverzüglich hätte stoppen müssen. Zudem ist nach den beiden Gutachten des Sachverständigen R der Spritzasbest für einen Fachmann erkennbar (GA vom 27.02.2017, S. 34 bzw. ErgGA vom 23.01.2018, S. 10).
54 
Zwar befanden sich die schwach gebundenen Asbestfasern bereits im Dach der Halle, jedoch befanden sie sich vor dem Hagelschaden und der Dachsanierung durch die Klägerin noch fest zwischen den Eternitplatten. Sie stellten zu diesem Zeitpunkt lediglich eine abstrakte Gefahr dar. Durch den Hagelschaden hat sich diese abstrakte Gefahr bereits zu einer konkreten Gefahr gewandelt, da es auch dadurch zu einem nennenswerten Asbesteintrag in die Halle gekommen ist (ErgGA vom 23.01.2018, S. 15). Aber erst aufgrund der fehlerhaften Dachsanierung durch die Klägerin hat sich diese bereits vorhandene konkrete Gefahr in deutlich erkennbarer Weise wegen des immensen Materialeintrags von schwach gebundenen Asbestfasern in der Halle erheblich erhöht.
55 
Die Inanspruchnahme der Klägerin als Handlungsstörerin erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt der Störerauswahl als rechtmäßig.
56 
Auch die Beigeladene als Eigentümerin der Halle ist als Zustandsstörerin für die entstandene konkrete Gefahr verantwortlich. In ihrer Halle war der gesundheitsgefährdende Spritzasbest eingebaut und fest gebundener Asbest hat sich bereits durch den Hagelschaden in der Halle verteilt. Die Beigeladene war für diesen Zustand verantwortlich und es hätte ihr oblegen, bei einem ordnungsgemäßen Verhalten der Klägerin - also bei einem Stoppen der Arbeiten beim Erkennen des Spritzasbests - die Fortsetzung der ordnungsgemäßen Sanierung zu veranlassen. Im Übrigen hätte die Beigeladene bereits im Vorfeld eine Schadstofferkundung durchführen müssen und dann in Kenntnis des Vorhandenseins von Spritzasbest die Arbeiten von vorneherein für schwach gebundenen Asbest ausschreiben müssen (GA R vom 27.02.2017 und 23.01.2018, S. 38 bzw. 24).
57 
Ungeachtet dessen, ist die Ermessensausübung des Beklagten bei der Störerauswahl auf der Primärebene nicht zu beanstanden.
58 
Gibt es mehrere Störer, hat die zuständige Behörde eine Auswahlentscheidung dahingehend zu treffen, wen sie in Anspruch nehmen möchte. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung. Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Behörde ist verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen, die Entscheidung auf einem zutreffenden und vollständig ermittelnden Sachverhalt beruht und keine allgemein anerkannten Bewertungsmaßstäbe missachtet worden sind. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen bzw. falschen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
59 
Bei der Störerauswahl ist im Falle einer Störermehrheit zwischen der primären und der sekundären Ebene zu unterscheiden. Auf der - hier allein streitgegenständlichen - primären Ebene geht es aus einer „ex-ante“-Sicht um die effektive Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die daher Effektivität der Gefahrenabwehr. Anzustreben ist stets die schnelle und wirksame Gefahrbeseitigung. Bei der Ausübung des Auswahlermessens hat sich die Behörde in erster Linie vom Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten leiten zu lassen. Dies schließt nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte, wie z.B. die größere Gefahrnähe eines Störers Berücksichtigung finden. Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2002 - 10 S 2367/01 -, juris, Rn.21). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen bereits auf der Primärebene einzubeziehen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2012 - 10 S 744/12 -, juris, Rn. 36, m.w.N; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 -, juris, Rn. 23).
60 
Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme auf der sekundären Ebene eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht. Unter gleichrangig Verpflichteten muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen. Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 -, juris, Rn. 25).
61 
Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern auf der Primärebene gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.1992 - 1 S 2727/91 -, juris, Rn. 21). Es besteht daher kein genereller Vorrang der Inanspruchnahme eines Handlungsstörers gegenüber einem Zustandsstörer. Insbesondere ist es auch nicht verfassungsrechtlich geboten, dass Zustandsverantwortliche stets nachrangig haften (BVerfG vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91 -, juris, Rn. 53). Für die Ermessensausübung maßgebliche Gesichtspunkte sind insbesondere eine schnelle und effektive Beseitigung eingetretener Störungen und die Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten. Normative Richtschnur fehlerfreier Ausübung des Auswahlermessens ist auch beim Zusammentreffen von Handlungs- und Zustandshaftung der Gesichtspunkt einer schnellen und wirksamen Gefahrenbeseitigung. Danach kann die Inanspruchnahme des Zustandsstörers vor dem Handlungsstörer rechtens sein, wenn der Handlungsstörer nicht greifbar oder aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen eine wirksame Gefahrenbeseitigung durch ihn nicht gewährleistet ist. Die Ordnungsbehörde hat die Pflicht, ermessensgerecht unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte zwischen den in Betracht kommenden Störern auszuwählen (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.05.2018 - 1 M 327/18 OVG -, juris, Rn. 9).
62 
Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl der Klägerin als Handlungsstörerin ermessensfehlerfrei i.S.d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG).
63 
Der Beklagte hat den Kreis der möglichen Adressaten der Verfügung zutreffend ermittelt. Er hat erkannt, dass sowohl die Klägerin als Handlungsstörerin als auch die Beigeladene als Zustandsstörerin in Anspruch genommen werden können und gesehen, dass beide Störer nicht in der Lage sind, die Gefahr zu beheben, sondern beide ein dafür zugelassenes Fachunternehmen beauftragen müssen. Auch hat der Beklagte seine Auswahlentscheidung ermessensgerecht getroffen, da er sich primär von dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr leiten ließ und in fehlerfreier Weise die Gefahrnähe bzw. Sachnähe der Klägerin berücksichtigt hat. Auf der Primärebene kann das Kriterium der „Sachnähe“ - auf Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage - ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 -, juris, Rn. 34, m.w.N.). Der Beklagte hat festgestellt, dass beide Störer durch Beauftragung eines Fachbetriebes gleich effektiv die Gefahr beseitigen lassen können, es jedoch aus Gründen der Sachnähe bzw. der Gefahrnähe der Klägerin ermessensgerecht ist, die Klägerin in Anspruch zu nehmen. Er hat in nicht zu beanstandender Weise bedacht, dass die Klägerin als Fachfirma und als Verursacherin der sichtbaren Kontamination in der Halle eine größere Sachnähe bzw. Gefahrennähe aufwies als die Beigeladene. Der Beklagte durfte in seinen Ermessenserwägungen zugunsten der Beigeladenen berücksichtigen, dass der Spritzasbest damals rechtmäßig in der Halle verbaut worden war und dass diese gerade durch Beauftragung einer Fachfirma die Gefahr nach dem Hagelschaden beseitigen wollte. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler des Beklagten, weil er das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht bereits auf der Primärebene in seine Ermessenserwägungen einbezogen hat. Es steht dem Beklagten zwar frei, dies zu tun, er hat jedoch - anders als auf der Sekundärebene - nicht die Pflicht, dieses Gebot hier schon zu beachten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2002 - 10 S 2367/01 -, juris, Rn.21). Vielmehr hat sich der Beklagte hier vorrangig ordnungsgemäß am Leitbild der effektiven Gefahrenabwehr orientiert.
64 
Die Beseitigungsverfügung des Beklagten war auch verhältnismäßig. Sie war geeignet und erforderlich, eine Gefährdung der Menschen und der Umwelt auszuschließen. Andere mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Sie war zum Schutz der Gesundheit auch angemessen.
65 
2. Auch die auf der Grundlage der Verfügung vom 17.09.2014 ergangenen Vollzugsmaßnahmen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Mit der in Ziff. 3 erfolgten Anordnung der sofortigen Vollziehung der in Ziff. 1 der Verfügung vom 17.09.2014 enthaltenen Beseitigungspflicht lag ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vor, § 2 Nr. 2 LVwVG.
66 
In der Verfügung vom 30.09.2014 wurde das Zwangsmittel des Zwangsgeldes (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 LVwVG) unter Fristsetzung und in einer bestimmten Höhe angedroht und damit § 20 Abs. 1, 3 und 4 LVwVG beachtet. Die angedrohte Höhe des Zwangsgeldes hält sich im Rahmen des § 23 LVwVG und ist - insbesondere gemessen am Ausmaß der Gefahr und den voraussichtlichen Kosten ihrer Beseitigung - auch nicht unverhältnismäßig.
67 
Die Festsetzung des Zwangsgeldes in der zuvor mitgeteilten Höhe durch die Verfügung vom 19.11.2014 ist als Konsequenz aus dem Nichtbefolgen der Verpflichtung aus der Verfügung vom 17.09.2014 rechtmäßig. Dies gilt auch für die zugleich am 19.11.2014 erfolgte Ankündigung der Ersatzvornahme als weiterer Vollstreckungsmaßnahme (§ 25 LVwVG). Auch hier sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 und des Abs. 3 Satz 1 LVwVG beachtet. Zudem hat der Antragsgegner entsprechend § 20 Abs. 5 LVwVG auch die im Falle der Ersatzvornahme voraussichtlich anfallenden Kosten mitgeteilt.
68 
Ebenso ist die in Ziff. 1 der Verfügung vom 30.12.2014 erfolgte Festsetzung der Ersatzvornahme in der zuvor angedrohten Höhe als „letzte Warnung“ vor dem Vollzug in rechtmäßiger Weise ergangen, nachdem die anderen, milderen Zwangsmittel erfolglos waren.
69 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Es wäre unangemessen, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Diese hat keinen Antrag gestellt und ist somit ihrerseits kein Kostenrisiko eingegangen, §§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO.
70 
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 05. Juli 2018 - 14 K 2804/16

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 05. Juli 2018 - 14 K 2804/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 05. Juli 2018 - 14 K 2804/16 zitiert 23 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 65


(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. (2) Sind

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 44


Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen


Gefahrstoffverordnung - GefStoffV

Gefahrstoffverordnung - GefStoffV 2010 | § 6 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung


(1) Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten

Chemikaliengesetz - ChemG | § 23 Behördliche Anordnungen


(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine

Gefahrstoffverordnung - GefStoffV 2010 | § 20 Ausschuss für Gefahrstoffe


(1) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) gebildet, in dem geeignete Personen vonseiten der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Landesbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und weitere geeign

Gefahrstoffverordnung - GefStoffV 2010 | § 8 Allgemeine Schutzmaßnahmen


(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen: 1. geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,2. Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrst

Chemikaliengesetz - ChemG | § 17 Verbote und Beschränkungen


(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zu dem in § 1 genannten Zweck erforderlich und unionsrechtlich zulässig ist, 1. vorzuschreiben, dass bestim

Chemikaliengesetz - ChemG | § 14 Ermächtigung zu Einstufungs-, Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften


(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, soweit unionsrechtlich zulässig durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. Stoffe oder Gemische als gefährlich einzustufen,2. Berechnungsverfahren vorzuschreiben, nach denen bestimmte Gemische au

Chemikaliengesetz - ChemG | § 3a Gefährliche Stoffe und gefährliche Gemische


(1) Gefährliche Stoffe oder gefährliche Gemische im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische, die 1. die in Anhang I Teil 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 dargelegten Kriterien für physikalische Gefahren oder Gesundheitsgefahren erfül

Chemikaliengesetz - ChemG | § 19 Maßnahmen zum Schutz von Beschäftigten


(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen einschließlich des Schutzes der Arbeitskraft und der menschengerechten Gestaltung der Arbeit er

Gefahrstoffverordnung - GefStoffV 2010 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Gefahrstoffe im Sinne dieser Verordnung sind 1. gefährliche Stoffe und Gemische nach § 3,2. Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind,3. Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach

Chemikaliengesetz - ChemG | § 1 Zweck des Gesetzes


Zweck des Gesetzes ist es, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Gemische zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen.

Gefahrstoffverordnung - GefStoffV 2010 | § 1 Zielsetzung und Anwendungsbereich


(1) Ziel dieser Verordnung ist es, den Menschen und die Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen durch 1. Regelungen zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische,2. Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 05. Juli 2018 - 14 K 2804/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 05. Juli 2018 - 14 K 2804/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Mai 2018 - 1 M 327/18 OVG

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Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 26. März 2018 – 5 B 2556/17 HGW – wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird für

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 17. Jan. 2018 - 1 S 2794/17

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. November 2017 - 5 K 4087/16 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe  1 Die Beschwerde ist zulässig, aber unbeg

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 11. Apr. 2016 - 3 L 90/15

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Gründe 1 1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 24. März 2015 hat keinen Erfolg. 2 a) Die von der Klägerin gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernst

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2012 - 10 S 1476/11

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Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 D

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2006 - 17 K 1608/06 - aufgehoben, soweit darin die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen d

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Absatz 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind.

(1a) Wird eine Anordnung nach Absatz 1 nicht innerhalb der gesetzten Frist oder eine solche für sofort vollziehbar erklärte Anordnung nicht sofort ausgeführt, kann die zuständige Behörde die von der Anordnung betroffene Arbeit ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung untersagen, wenn die Untersagung zum Schutz von Leben oder Gesundheit der Beschäftigten erforderlich ist.

(2) Die zuständige Landesbehörde kann für eine Dauer von höchstens drei Monaten anordnen, dass ein gefährlicher Stoff, ein gefährliches Gemisch oder ein Erzeugnis, das einen gefährlichen Stoff oder ein gefährliches Gemisch freisetzen kann oder enthält, nicht, nur unter bestimmten Voraussetzungen, nur in bestimmter Beschaffenheit oder nur für bestimmte Zwecke hergestellt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden darf, soweit Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht dafür vorliegen, dass von dem Stoff, dem Gemisch oder dem Erzeugnis eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgeht. Die zuständige Landesbehörde kann diese Anordnung aus wichtigem Grund um bis zu einem Jahr verlängern. Die Sätze 1 und 2 gelten auch dann, wenn Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht, für die Annahme bestehen, dass ein Stoff oder ein Gemisch gefährlich ist. Anordnungen nach Satz 1 und 2 können nur ergehen, soweit dies unionsrechtlich zulässig ist.

(3) Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Absätzen 1a und 2 haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Gefahrstoffe im Sinne dieser Verordnung sind

1.
gefährliche Stoffe und Gemische nach § 3,
2.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind,
3.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach Nummer 1 oder Nummer 2 entstehen oder freigesetzt werden,
4.
Stoffe und Gemische, die die Kriterien nach den Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, aber auf Grund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können,
5.
alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert zugewiesen worden ist.

(2) Für die Begriffe Stoff, Gemisch, Erzeugnis, Lieferant, nachgeschalteter Anwender und Hersteller gelten die Begriffsbestimmungen nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/1221 (ABl. L 197 vom 25.7.2015, S. 10) geändert worden ist.

(2a) Umweltgefährlich sind, über die Gefahrenklasse gewässergefährdend nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 hinaus, Stoffe oder Gemische, wenn sie selbst oder ihre Umwandlungsprodukte geeignet sind, die Beschaffenheit von Naturhaushalt, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, dass dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.

(3) Krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch sind

1.
Stoffe, die in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind,
2.
Stoffe, welche die Kriterien für die Einstufung als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung erfüllen,
3.
Gemische, die einen oder mehrere der in § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder 2 genannten Stoffe enthalten, wenn die Konzentration dieses Stoffs oder dieser Stoffe die stoffspezifischen oder die allgemeinen Konzentrationsgrenzen nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung erreicht oder übersteigt, die für die Einstufung eines Gemischs als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch festgelegt sind,
4.
Stoffe, Gemische oder Verfahren, die in den nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen als krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch bezeichnet werden.

(4) Organische Peroxide im Sinne des § 11 Absatz 4 und des Anhangs III sind Stoffe, die sich vom Wasserstoffperoxid dadurch ableiten, dass ein oder beide Wasserstoffatome durch organische Gruppen ersetzt sind, sowie Gemische, die diese Stoffe enthalten.

(5) Eine Tätigkeit ist jede Arbeit mit Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen, einschließlich Herstellung, Mischung, Ge- und Verbrauch, Lagerung, Aufbewahrung, Be- und Verarbeitung, Ab- und Umfüllung, Entfernung, Entsorgung und Vernichtung. Zu den Tätigkeiten zählen auch das innerbetriebliche Befördern sowie Bedien- und Überwachungsarbeiten.

(5a) Begasung bezeichnet eine Verwendung von Biozid-Produkten oder Pflanzenschutzmitteln

1.
bei der bestimmungsgemäß Stoffe gasförmig freigesetzt werden,
a)
die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3 eingestuft sind oder
b)
für die in der Zulassung festgelegt wurde, dass eine Messung oder Überwachung der Wirkstoff- oder Sauerstoffkonzentration zu erfolgen hat,
2.
für die in der Zulassung die Bereitstellung und Verwendung eines unabhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkenden Atemschutzgeräts festgelegt wurde oder
3.
die zur Raumdesinfektion sämtlicher Flächen eines umschlossenen Raums eingesetzt werden, wobei Formaldehyd aus einer wässrigen Formaldehydlösung in Form schwebfähiger Flüssigkeitstropfen ausgebracht wird.

(6) Lagern ist das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Es schließt die Bereitstellung zur Beförderung ein, wenn die Beförderung nicht innerhalb von 24 Stunden nach der Bereitstellung oder am darauffolgenden Werktag erfolgt. Ist dieser Werktag ein Samstag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(7) Es stehen gleich

1.
den Beschäftigten die in Heimarbeit beschäftigten Personen sowie Schülerinnen und Schüler, Studierende und sonstige, insbesondere an wissenschaftlichen Einrichtungen tätige Personen, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben; für Schülerinnen und Schüler und Studierende gelten jedoch nicht die Regelungen dieser Verordnung über die Beteiligung der Personalvertretungen,
2.
dem Arbeitgeber der Unternehmer ohne Beschäftigte sowie der Auftraggeber und der Zwischenmeister im Sinne des Heimarbeitsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 804-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 225 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist.

(8) Der Arbeitsplatzgrenzwert ist der Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffs akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht zu erwarten sind.

(9) Der biologische Grenzwert ist der Grenzwert für die toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration eines Stoffs, seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht beeinträchtigt wird.

(9a) Physikalisch-chemische Einwirkungen umfassen Gefährdungen, die hervorgerufen werden können durch Tätigkeiten mit

1.
Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen mit einer physikalischen Gefahr nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 oder
2.
weiteren Gefahrstoffen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 nicht mit einer physikalischen Gefahr eingestuft sind, die aber miteinander oder aufgrund anderer Wechselwirkungen so reagieren können, dass Brände oder Explosionen entstehen können.

(10) Ein explosionsfähiges Gemisch ist ein Gemisch aus brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder aufgewirbelten Stäuben und Luft oder einem anderen Oxidationsmittel, das nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagiert, sodass im Allgemeinen ein sprunghafter Temperatur- und Druckanstieg hervorgerufen wird.

(11) Chemisch instabile Gase, die auch ohne ein Oxidationsmittel nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagieren können, sodass ein sprunghafter Temperatur- und Druckanstieg hervorgerufen wird, stehen explosionsfähigen Gemischen nach Absatz 10 gleich.

(12) Ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch ist ein explosionsfähiges Gemisch, das in solcher Menge auftritt, dass besondere Schutzmaßnahmen für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten oder anderer Personen erforderlich werden.

(13) Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre ist ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch mit Luft als Oxidationsmittel unter atmosphärischen Bedingungen (Umgebungstemperatur von –20 °C bis +60 °C und Druck von 0,8 Bar bis 1,1 Bar).

(14) Explosionsgefährdeter Bereich ist der Gefahrenbereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann.

(15) Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Stands der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Arbeitsmedizin und die Arbeitsplatzhygiene.

(16) Fachkundig ist, wer zur Ausübung einer in dieser Verordnung bestimmten Aufgabe über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Die Anforderungen an die Fachkunde sind abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe. Zu den Anforderungen zählen eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen.

(17) Sachkundig ist, wer seine bestehende Fachkunde durch Teilnahme an einem behördlich anerkannten Sachkundelehrgang erweitert hat. In Abhängigkeit vom Aufgabengebiet kann es zum Erwerb der Sachkunde auch erforderlich sein, den Lehrgang mit einer erfolgreichen Prüfung abzuschließen. Sachkundig ist ferner, wer über eine von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannte oder in dieser Verordnung als gleichwertig bestimmte Qualifikation verfügt.

(18) Eine Verwenderkategorie bezeichnet eine Personengruppe, die berechtigt ist, ein bestimmtes Biozid-Produkt zu verwenden. Sie beschreibt den Grad der Qualifikation, die für diese Verwendung erforderlich ist. Die zugehörige Verwenderkategorie eines Biozid-Produkts wird nach der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozid-Produkten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/1825 (ABl. L 279 vom 31.10.2019, S. 19) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, im Zulassungsverfahren festgelegt. Verwenderkategorien sind:

1.
die breite Öffentlichkeit,
2.
der berufsmäßige Verwender,
3.
der geschulte berufsmäßige Verwender.

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. November 2017 - 5 K 4087/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat Bezug nimmt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), ausgeführt, dass es für die Rechtmäßigkeit des mit der Klage angefochtenen Gebührenbescheids nicht auf die vom Kläger allein in Zweifel gezogene Rechtmäßigkeit des vollstreckten Platzverweises vom 13.01.2012 ankommt, da dieser Grundverwaltungsakt bestandskräftig geworden ist.
Ohne Erfolg hält der Kläger dem entgegen, im Bereich des Versammlungsrechts müsse im Rahmen der Überprüfung des Kostenbescheids (stets) eine Inzidentprüfung von vollstreckten Grundverwaltungsakten stattfinden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines vollstreckten Grundverwaltungsakts im Anfechtungsverfahren gegen einen Bescheid über die Heranziehung zu Vollstreckungskosten ausgeschlossen sind, wenn der Grundverwaltungsakt bestandskräftig wurde (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 - 7 C 5.08 - VBlBW 2009, 55). Nach diesen Grundsätzen sind auch die Einwendungen des Klägers gegen den ihm erteilten Platzverweis im Klageverfahren gegen den angefochtenen Gebührenbescheid unbeachtlich. Denn der Kläger hat gegen den ihm erteilten Platzverweis keinen Widerspruch eingelegt. Das hat zur Folge, dass dieser Verwaltungsakt jedenfalls nach Ablauf der mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gemäß § 58 Abs. 2, § 70 Abs. 2 VwGO beginnenden Jahresfrist bestandskräftig wurde.
Der Kläger kann auch nicht einwenden, der Platzverweis sei sofort vollziehbar gewesen und vollzogen worden und habe sich vor Ablauf der Widerspruchsfrist erledigt, sodass ihm eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts auf der Primärebene abgeschnitten gewesen sei und deshalb nun auf der kostenrechtlichen Sekundärebene möglich sein müsse. Denn der Grundverwaltungsakt - der Platzverweis - hatte sich allein durch die Vollstreckung tatsächlich nicht erledigt und war daher auch über den Zeitpunkt der Vollstreckung hinaus anfechtbar. Der Vollzug eines Handlungspflichten auferlegenden Verwaltungsakts führt nicht in jedem Fall zu dessen Erledigung und zwar auch dann nicht, wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst dann ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.; Beschl. v. 17.11.1998 - 4 B 100.98 - Buchholz 316 § 43 VwVfG Nr. 11, Urt. v. 27.03.1998 - BVerwG 4 C 11.97 - Buchholz 316 § 43 VwVfG Nr. 10). Daran gemessen hatte sich auch der Platzverweis vom 13.01.2012 nicht allein durch seine Vollstreckung erledigt. Denn von diesem Verwaltungsakt gingen auch darüber hinaus rechtliche Wirkungen aus, da er zugleich die Grundlage für den Kostenbescheid bildet. Diese Titelfunktion des Grundverwaltungsakts dauert an (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.).
Dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung im Anfechtungsverfahren gegen den Kostenbescheid infolgedessen nicht (mehr) geprüft wird, ist auch in Hinblick auf das vom Kläger sinngemäß angeführte Gebot effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG unbedenklich. Denn der Kläger hat sich die Klärung seiner Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung durch den Verzicht auf die (frist- und formgerechte) Einlegung eines Widerspruchs gegen diesen Verwaltungsakt selbst abgeschnitten (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.). Auch aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.07.2010 - 1 BvR 1634/04 - (NVwZ 2010, 1482) folgt nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung die Auslegung des damaligen niedersächsischen Landesrechts durch ein Verwaltungsgericht als unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 GG beanstandet. Dieses hatte den Verzicht auf die Inzidentprüfung eines Grundverwaltungsakts im Anfechtungsverfahren gegen einen Heranziehungsbescheid mit Überlegungen zu Besonderheiten des damaligen dortigen Landesrechts begründet, das die Prüfung von freiheitsbeschränkenden polizeilichen Maßnahmen den Amtsgerichten zugewiesen hatte. Diese auf das damalige niedersächsische Landesrecht bezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt im vorliegenden, nach baden-württem-bergischem Landesrecht zu beurteilenden Verfahren nicht weiter. Dem Kläger war hier effektiver Rechtsschutz gegen den Grundverwaltungsakt möglich. Dass er diese Rechtsschutzmöglichkeit nicht in Anspruch genommen hat und die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts deshalb infolge des Eintritts der Bestandskraft im Verfahren gegen den Kostenbescheid nicht mehr zu prüfen ist, begründet keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG.
Der Kläger kann auch nicht einwenden, seine Klage sei schon aus „Vertrauensschutzgründen“ nicht „mutwillig“, weil „zum Zeitpunkt des Entstehens der Wegtragegebühr und der Klageerhebung beim Bundesverwaltungsgericht noch eine andere Rechtsauffassung bestand.“ Der Einwand geht an den Gründen des angefochtenen Beschlusses vorbei, da das Verwaltungsgericht die Ablehnung der begehrten Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit (Alt. 2 des § 114 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO), sondern wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt hat (Alt. 1 des § 114 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Unabhängig davon übersieht der Kläger, dass das Bundesverwaltungsgericht sich bereits mit Urteil vom 08.01.2008 (a.a.O.) und damit rund vier Jahre vor dem Platzverweis vom 13.01.2012 im oben genannten Sinn zur Anfechtung von Kostenbescheiden betreffend die Vollstreckung von Grundverwaltungsakten geäußert hatte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, da bei Erfolglosigkeit der Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 60,00 EUR anzusetzen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Absatz 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind.

(1a) Wird eine Anordnung nach Absatz 1 nicht innerhalb der gesetzten Frist oder eine solche für sofort vollziehbar erklärte Anordnung nicht sofort ausgeführt, kann die zuständige Behörde die von der Anordnung betroffene Arbeit ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung untersagen, wenn die Untersagung zum Schutz von Leben oder Gesundheit der Beschäftigten erforderlich ist.

(2) Die zuständige Landesbehörde kann für eine Dauer von höchstens drei Monaten anordnen, dass ein gefährlicher Stoff, ein gefährliches Gemisch oder ein Erzeugnis, das einen gefährlichen Stoff oder ein gefährliches Gemisch freisetzen kann oder enthält, nicht, nur unter bestimmten Voraussetzungen, nur in bestimmter Beschaffenheit oder nur für bestimmte Zwecke hergestellt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden darf, soweit Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht dafür vorliegen, dass von dem Stoff, dem Gemisch oder dem Erzeugnis eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgeht. Die zuständige Landesbehörde kann diese Anordnung aus wichtigem Grund um bis zu einem Jahr verlängern. Die Sätze 1 und 2 gelten auch dann, wenn Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht, für die Annahme bestehen, dass ein Stoff oder ein Gemisch gefährlich ist. Anordnungen nach Satz 1 und 2 können nur ergehen, soweit dies unionsrechtlich zulässig ist.

(3) Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Absätzen 1a und 2 haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Gefährliche Stoffe oder gefährliche Gemische im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische, die

1.
die in Anhang I Teil 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 dargelegten Kriterien für physikalische Gefahren oder Gesundheitsgefahren erfüllen oder
2.
umweltgefährlich sind, indem sie
a)
die in Anhang I Teil 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 dargelegten Kriterien für Umweltgefahren und weitere Gefahren erfüllen oder
b)
selbst oder deren Umwandlungsprodukte sonst geeignet sind, die Beschaffenheit des Naturhaushaltes, von Wasser, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, dass dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, soweit unionsrechtlich zulässig durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Festlegung der in Absatz 1 genannten Gefährlichkeitsmerkmale zu erlassen.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, soweit unionsrechtlich zulässig durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Stoffe oder Gemische als gefährlich einzustufen,
2.
Berechnungsverfahren vorzuschreiben, nach denen bestimmte Gemische aufgrund der Einstufung derjenigen Stoffe, die in dem Gemisch enthalten sind, einzustufen sind,
3.
zu bestimmen,
a)
wie gefährliche Stoffe und Gemische und dass und wie bestimmte Erzeugnisse, die bestimmte gefährliche Stoffe oder Gemische freisetzen können oder enthalten, zu verpacken oder zu kennzeichnen sind, damit bei der vorhersehbaren Verwendung Gefahren für Leben und Gesundheit des Menschen und die Umwelt vermieden werden,
b)
dass und wie bestimmte Angaben über gefährliche Stoffe und Gemische oder Erzeugnisse, die gefährliche Stoffe und Gemische freisetzen können oder enthalten, einschließlich Empfehlungen über Vorsichtsmaßnahmen beim Verwenden oder über Sofortmaßnahmen bei Unfällen von demjenigen, der die Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse in den Verkehr bringt, insbesondere inForm einesSicherheitsdatenblattes oder einer Gebrauchsanweisung, mitgeliefert und auf dem neuesten Stand gehalten werden müssen,
c)
welche Gesichtspunkte der Hersteller oder Einführer bei der Einstufung der Stoffe nach § 13 Absatz 2 mindestens zu beachten hat,
d)
wer die gefährlichen Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse zu verpacken und zu kennzeichnen hat, wenn sie bereits vor Inkrafttreten der die Kennzeichnungs- oder Verpackungspflicht begründenden Rechtsverordnung in den Verkehr gebracht worden sind,
e)
dass und wie bestimmte Gemische und Erzeugnisse, die bestimmte näher zu bezeichnende gefährliche Stoffe nicht enthalten, zu kennzeichnen sind oder gekennzeichnet werden können,
f)
dass und von wem die Kennzeichnung bestimmter Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse nach dem Inverkehrbringen zu erhalten oder erneut anzubringen ist und
g)
dass andere als die in § 13 Absatz 2 und 3 genannten Personen für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung verantwortlich sind.

(2) In der Rechtsverordnung nach Absatz 1 können auch Ausnahmen von der Pflicht zur Verpackung und Kennzeichnung vorgesehen werden, soweit dadurch der Schutzzweck nach Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a nicht beeinträchtigt wird. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, dass anstelle einer Kennzeichnung die entsprechenden Angaben in anderer geeigneter Weise mitzuliefern sind.

(3) Regelungen nach den Absätzen 1 und 2 können auch für Biozid-Wirkstoffe und Biozid-Produkte, die nicht gefährliche Stoffe oder Gemische im Sinne des § 3a sind, sowie für Stoffe, Gemische und Erzeugnisse nach § 19 Absatz 2 getroffen werden.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zu dem in § 1 genannten Zweck erforderlich und unionsrechtlich zulässig ist,

1.
vorzuschreiben, dass bestimmte gefährliche Stoffe, bestimmte gefährliche Gemische oder Erzeugnisse, die einen solchen Stoff oder ein solches Gemisch freisetzen können oder enthalten,
a)
nicht, nur in bestimmter Beschaffenheit oder nur für bestimmte Zwecke hergestellt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden dürfen,
b)
nur auf bestimmte Art und Weise verwendet werden dürfen oder
c)
nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur an bestimmte Personen abgegeben oder nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur bestimmten Personen angeboten werden dürfen,
2.
vorzuschreiben, dass derjenige, der bestimmte gefährliche Stoffe, bestimmte gefährliche Gemische oder Erzeugnisse, die einen solchen Stoff oder ein solches Gemisch freisetzen können oder enthalten, herstellt, in den Verkehr bringt oder verwendet,
a)
dies anzuzeigen hat,
b)
dazu einer Erlaubnis bedarf,
c)
bestimmten Anforderungen an seine Zuverlässigkeit und Gesundheit genügen muss oder
d)
seine Sachkunde in einem näher festzulegenden Verfahren nachzuweisen hat,
3.
Herstellungs- oder Verwendungsverfahren zu verbieten, bei denen bestimmte gefährliche Stoffe anfallen.

(2) Durch Verordnung nach Absatz 1 können auch Verbote und Beschränkungen unter Berücksichtigung der Entwicklung von Stoffen, Gemischen, Erzeugnissen oder Verfahren, deren Herstellung, Verwendung, Entsorgung oder Anwendung mit einem geringeren Risiko für Mensch oder Umwelt verbunden ist, festgesetzt werden.

(3) Absatz 1 gilt auch für Biozid-Wirkstoffe und Biozid-Produkte, die nicht gefährliche Stoffe oder Gemische im Sinne des § 3a sind, für Stoffe, Gemische und Erzeugnisse nach § 19 Absatz 2 sowie für Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse, deren Umwandlungsprodukte gefährlich im Sinne des Anhangs I Teil 2 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 sind. Durch Verordnung nach Absatz 1 in Verbindung mit Satz 1 können auch Vorschriften zur guten fachlichen Praxis bei der Verwendung von Biozid-Produkten erlassen werden.

(4) Absatz 1 Nummer 1 und 2 gilt auch für solche Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse, bei denen Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht dafür bestehen, dass der Stoff, das Gemisch oder das Erzeugnis gefährlich ist.

(5) Die Bundesregierung kann in den Rechtsverordnungen nach Absatz 1 auch Regelungen zum Verfahren sowie Methoden zur Überprüfung ihrer Einhaltung festlegen. Dabei können insbesondere auch die Entnahme von Proben und die hierfür anzuwendenden Verfahren und die zur Bestimmung von einzelnen Stoffen oder Stoffgruppen erforderlichen Analyseverfahren geregelt werden.

(6) Bei Gefahr im Verzuge kann die Bundesregierung eine Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 1 und 3 ohne Zustimmung des Bundesrates und ohne Anhörung der beteiligten Kreise erlassen. Sie tritt spätestens zwölf Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.

(7) Die beteiligten Kreise bestehen aus jeweils auszuwählenden Vertretern der Wissenschaft, der Verbraucherschutzverbände, der Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften, der beteiligten Wirtschaft, des Gesundheitswesens sowie der Umwelt-, Tierschutz- und Naturschutzverbände.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen einschließlich des Schutzes der Arbeitskraft und der menschengerechten Gestaltung der Arbeit erforderlich ist, beim Herstellen und Verwenden von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen sowie bei Tätigkeiten in deren Gefahrenbereich Maßnahmen der in Absatz 3 beschriebenen Art vorzuschreiben. Satz 1 gilt nicht für Maßnahmen nach Absatz 3, soweit entsprechende Vorschriften nach dem Atomgesetz, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Pflanzenschutzgesetz oder Sprengstoffgesetz bestehen.

(2) Gefahrstoffe im Sinne dieser Vorschrift sind

1.
gefährliche Stoffe und Gemische nach § 3a Absatz 1,
2.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind,
3.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach Nummer 1 oder Nummer 2 entstehen oder freigesetzt werden,
4.
Stoffe und Gemische, die die Kriterien nach den Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, aber aufgrund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können,
5.
alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert im Sinne der Rechtsverordnung nach Absatz 1 zugewiesen ist.

(3) Durch Rechtsverordnung nach Absatz 1 kann insbesondere bestimmt werden,

1.
wie derjenige, der andere mit der Herstellung oder Verwendung von Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen beschäftigt, zu ermitteln hat, ob es sich im Hinblick auf die vorgesehene Herstellung oder Verwendung um einen Gefahrstoff handelt, soweit nicht bereits eine Einstufung nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts erfolgt ist,
2.
dass derjenige, der andere mit der Herstellung oder Verwendung von Gefahrstoffen beschäftigt, verpflichtet wird zu prüfen, ob Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse oder Herstellungs- oder Verwendungsverfahren mit einem geringeren Risiko für die menschliche Gesundheit verfügbar sind und dass er diese verwenden soll oder zu verwenden hat, soweit es ihm zumutbar ist,
2a.
dass der Hersteller oder Einführer dem Arbeitgeber auf Verlangen die gefährlichen Inhaltsstoffe der Gefahrstoffe sowie die gültigen Grenzwerte und, falls solche noch nicht vorhanden sind, Empfehlungen für einzuhaltende Stoffkonzentrationen und die von den Gefahrstoffen ausgehenden Gefahren oder die zu ergreifenden Maßnahmen mitzuteilen hat,
3.
wie die Arbeitsstätte einschließlich der technischen Anlagen, die technischen Arbeitsmittel und die Arbeitsverfahren beschaffen, eingerichtet sein oder betrieben werden müssen, damit sie dem Standder Technik,Arbeitsmedizin und Hygiene sowie den gesicherten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen und sonstigen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, die zum Schutz der Beschäftigten zu beachten sind,
4.
wie der Betrieb geregelt sein muss, insbesondere
a)
dass Stoffe und Gemische bezeichnet und wie Gefahrstoffe innerbetrieblich verpackt, gekennzeichnet und erfasst sein müssen, damit die Beschäftigten durch eine ungeeignete Verpackung nicht gefährdet und durch eine Kennzeichnung über die von ihnen ausgehenden Gefahren unterrichtet werden,
b)
wie das Herstellungs- oder Verwendungsverfahren gestaltet sein muss, damit die Beschäftigten nicht gefährdet und die Grenzwerte oder Richtwerte über die Konzentration gefährlicher Stoffe oder Gemische am Arbeitsplatz nach dem Stand der Technik unterschritten werden,
c)
welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit Gefahrstoffe nicht in die Hände Unbefugter gelangen oder sonst abhanden kommen,
d)
welche persönlichen Schutzausrüstungen zur Verfügung gestellt und von den Beschäftigten bestimmungsgemäß benutzt werden müssen,
e)
wie die Zahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt werden, beschränkt und wie die Dauer einer solchen Beschäftigung begrenzt sein muss,
f)
wie die Beschäftigten sich verhalten müssen, damit sie sich selbst und andere nicht gefährden, und welche Voraussetzungen hierfür zu treffen sind, insbesondere welche Kenntnisse und Fähigkeiten Beschäftigte haben müssen und welche Nachweise hierüber zu erbringen sind,
g)
unter welchen Umständen Zugangs- und Beschäftigungsbeschränkungen zum Schutz der Beschäftigten vorgesehen werden müssen,
h)
dass ein Projektleiter für bestimmte Herstellungs- oder Verwendungsverfahren zu bestellen ist, welche Verantwortlichkeiten diesem zuzuweisen sind und welche Sachkunde dieser nachzuweisen hat,
5.
wie den Beschäftigten die anzuwendenden Vorschriften in einer tätigkeitsbezogenen Betriebsanweisung dauerhaft zur Kenntnis zu bringen sind und in welchen Zeitabständen anhand der Betriebsanweisung über die auftretenden Gefahren und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu unterweisen ist,
6.
welche Vorkehrungen zur Verhinderung von Betriebsstörungen und zur Begrenzung ihrer Auswirkungen für die Beschäftigten und welche Maßnahmen zur Organisation der Ersten Hilfe zu treffen sind,
7.
dass und welche verantwortlichen Aufsichtspersonen für Bereiche, in denen Beschäftigte besonderen Gefahren ausgesetzt sind, bestellt und welche Befugnisse ihnen übertragen werden müssen, damit die Arbeitsschutzaufgaben erfüllt werden können,
8.
dass im Hinblick auf den Schutz der Beschäftigten eine Gefahrenbeurteilung vorzunehmen ist, welche Unterlagen hierfür zu erstellen sind und dass diese Unterlagen zur Überprüfung der Gefahrenbeurteilung von der zuständigen Landesbehörde der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zugeleitet werden können,
9.
welche Unterlagen zur Abwendung von Gefahren für die Beschäftigten zur Einsicht durch die zuständige Landesbehörde bereitzuhalten und auf Verlangen vorzulegen sind,
10.
dass ein Herstellungs- oder Verwendungsverfahren, bei dem besondere Gefahren für die Beschäftigten bestehen oder zu besorgen sind, der zuständigen Landesbehörde angezeigt oder von der zuständigen Landesbehörde erlaubt sein muss,
11.
dass Arbeiten, bei denen bestimmte gefährliche Stoffe oder Gemische freigesetzt werden können, nur von dafür behördlich anerkannten Betrieben durchgeführt werden dürfen,
12.
dass die Beschäftigten gesundheitlich zu überwachen sind, hierüber Aufzeichnungen zu führen sind und zu diesem Zweck
a)
derjenige, der andere mit der Herstellung oder Verwendung von Gefahrstoffen beschäftigt, insbesondere verpflichtet werden kann, die Beschäftigten ärztlich untersuchen zu lassen,
b)
der Arzt, der mit einer Vorsorgeuntersuchung beauftragt ist, in Zusammenhang mit dem Untersuchungsbefund bestimmte Pflichten zu erfüllen hat, insbesondere hinsichtlich des Inhalts einer von ihm auszustellenden Bescheinigung und der Unterrichtung und Beratung über das Ergebnis der Untersuchung,
c)
die zuständige Behörde entscheidet, wenn Feststellungen des Arztes für unzutreffend gehalten werden,
d)
die in die Aufzeichnung aufzunehmenden Daten dem zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung oder einer von ihm beauftragten Stelle zum Zwecke der Ermittlung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren oder Berufskrankheiten übermittelt werden,
13.
dass der Arbeitgeber dem Betriebs- oder Personalrat Vorgänge mitzuteilen hat, die er erfahren muss, um seine Aufgaben erfüllen zu können,
14.
dass die zuständigen Landesbehörden ermächtigt werden, zur Durchführung von Rechtsverordnungen bestimmte Anordnungen im Einzelfall zu erlassen, insbesondere bei Gefahr im Verzug auch gegen Aufsichtspersonen und sonstige Beschäftigte,
15.
dass die Betriebsanlagen und Arbeitsverfahren, in denen bestimmte Gefahrstoffe hergestellt oder verwendet werden, durch einen Sachkundigen oder einen Sachverständigen geprüft werden müssen,
16.
dass und welche Informations- und Mitwirkungspflichten derjenige hat, der Tätigkeiten an Erzeugnissen oder Bauwerken veranlasst, welche Gefahrstoffe enthalten, die durch diese Tätigkeiten freigesetzt werden können und zu besonderen Gesundheitsgefahren führen können.

(4) Wegen der Anforderungen nach Absatz 3 kann auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen verwiesen werden; hierbei ist

1.
in der Rechtsverordnung das Datum der Bekanntmachung anzugeben und die Bezugsquelle genau zu bezeichnen,
2.
die Bekanntmachung bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin archivmäßig gesichert niederzulegen und in der Rechtsverordnung darauf hinzuweisen.

(1) Ziel dieser Verordnung ist es, den Menschen und die Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen durch

1.
Regelungen zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische,
2.
Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und
3.
Beschränkungen für das Herstellen und Verwenden bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse.

(2) Abschnitt 2 gilt für das Inverkehrbringen von

1.
gefährlichen Stoffen und Gemischen,
2.
bestimmten Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen, die mit zusätzlichen Kennzeichnungen zu versehen sind, nach Maßgabe der Richtlinie 96/59/EG des Rates vom 16. September 1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT) (ABl. L 243 vom 24.9.1996, S. 31), die durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist,
3.
Biozid-Produkten im Sinne des § 3 Nummer 11 des Chemikaliengesetzes, die keine gefährlichen Stoffe oder Gemische sind, sowie
4.
Biozid-Wirkstoffen im Sinne des § 3 Nummer 12 des Chemikaliengesetzes, die biologische Arbeitsstoffe im Sinne der Biostoffverordnung sind, und Biozid-Produkten im Sinne des § 3 Nummer 11 des Chemikaliengesetzes, die als Wirkstoffe solche biologischen Arbeitsstoffe enthalten.
Abschnitt 2 gilt nicht für Lebensmittel oder Futtermittel in Form von Fertigerzeugnissen, die für den Endverbrauch bestimmt sind.

(3) Die Abschnitte 3 bis 6 gelten für Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse ausgesetzt sein können. Sie gelten auch, wenn die Sicherheit und Gesundheit anderer Personen aufgrund von Tätigkeiten im Sinne von § 2 Absatz 5 gefährdet sein können, die durch Beschäftigte oder Unternehmer ohne Beschäftigte ausgeübt werden. Die Sätze 1 und 2 finden auch Anwendung auf Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Beförderung von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen ausgeübt werden. Die Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsgesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen bleiben unberührt.

(4) Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung nicht für

1.
biologische Arbeitsstoffe im Sinne der Biostoffverordnung und
2.
private Haushalte.
Diese Verordnung gilt ferner nicht für Betriebe, die dem Bundesberggesetz unterliegen, soweit dort oder in Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind, entsprechende Rechtsvorschriften bestehen.

(1) Gefahrstoffe im Sinne dieser Verordnung sind

1.
gefährliche Stoffe und Gemische nach § 3,
2.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind,
3.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach Nummer 1 oder Nummer 2 entstehen oder freigesetzt werden,
4.
Stoffe und Gemische, die die Kriterien nach den Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, aber auf Grund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können,
5.
alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert zugewiesen worden ist.

(2) Für die Begriffe Stoff, Gemisch, Erzeugnis, Lieferant, nachgeschalteter Anwender und Hersteller gelten die Begriffsbestimmungen nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/1221 (ABl. L 197 vom 25.7.2015, S. 10) geändert worden ist.

(2a) Umweltgefährlich sind, über die Gefahrenklasse gewässergefährdend nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 hinaus, Stoffe oder Gemische, wenn sie selbst oder ihre Umwandlungsprodukte geeignet sind, die Beschaffenheit von Naturhaushalt, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, dass dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.

(3) Krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch sind

1.
Stoffe, die in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind,
2.
Stoffe, welche die Kriterien für die Einstufung als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung erfüllen,
3.
Gemische, die einen oder mehrere der in § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder 2 genannten Stoffe enthalten, wenn die Konzentration dieses Stoffs oder dieser Stoffe die stoffspezifischen oder die allgemeinen Konzentrationsgrenzen nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung erreicht oder übersteigt, die für die Einstufung eines Gemischs als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch festgelegt sind,
4.
Stoffe, Gemische oder Verfahren, die in den nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen als krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch bezeichnet werden.

(4) Organische Peroxide im Sinne des § 11 Absatz 4 und des Anhangs III sind Stoffe, die sich vom Wasserstoffperoxid dadurch ableiten, dass ein oder beide Wasserstoffatome durch organische Gruppen ersetzt sind, sowie Gemische, die diese Stoffe enthalten.

(5) Eine Tätigkeit ist jede Arbeit mit Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen, einschließlich Herstellung, Mischung, Ge- und Verbrauch, Lagerung, Aufbewahrung, Be- und Verarbeitung, Ab- und Umfüllung, Entfernung, Entsorgung und Vernichtung. Zu den Tätigkeiten zählen auch das innerbetriebliche Befördern sowie Bedien- und Überwachungsarbeiten.

(5a) Begasung bezeichnet eine Verwendung von Biozid-Produkten oder Pflanzenschutzmitteln

1.
bei der bestimmungsgemäß Stoffe gasförmig freigesetzt werden,
a)
die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3 eingestuft sind oder
b)
für die in der Zulassung festgelegt wurde, dass eine Messung oder Überwachung der Wirkstoff- oder Sauerstoffkonzentration zu erfolgen hat,
2.
für die in der Zulassung die Bereitstellung und Verwendung eines unabhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkenden Atemschutzgeräts festgelegt wurde oder
3.
die zur Raumdesinfektion sämtlicher Flächen eines umschlossenen Raums eingesetzt werden, wobei Formaldehyd aus einer wässrigen Formaldehydlösung in Form schwebfähiger Flüssigkeitstropfen ausgebracht wird.

(6) Lagern ist das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Es schließt die Bereitstellung zur Beförderung ein, wenn die Beförderung nicht innerhalb von 24 Stunden nach der Bereitstellung oder am darauffolgenden Werktag erfolgt. Ist dieser Werktag ein Samstag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(7) Es stehen gleich

1.
den Beschäftigten die in Heimarbeit beschäftigten Personen sowie Schülerinnen und Schüler, Studierende und sonstige, insbesondere an wissenschaftlichen Einrichtungen tätige Personen, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben; für Schülerinnen und Schüler und Studierende gelten jedoch nicht die Regelungen dieser Verordnung über die Beteiligung der Personalvertretungen,
2.
dem Arbeitgeber der Unternehmer ohne Beschäftigte sowie der Auftraggeber und der Zwischenmeister im Sinne des Heimarbeitsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 804-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 225 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist.

(8) Der Arbeitsplatzgrenzwert ist der Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffs akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht zu erwarten sind.

(9) Der biologische Grenzwert ist der Grenzwert für die toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration eines Stoffs, seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht beeinträchtigt wird.

(9a) Physikalisch-chemische Einwirkungen umfassen Gefährdungen, die hervorgerufen werden können durch Tätigkeiten mit

1.
Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen mit einer physikalischen Gefahr nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 oder
2.
weiteren Gefahrstoffen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 nicht mit einer physikalischen Gefahr eingestuft sind, die aber miteinander oder aufgrund anderer Wechselwirkungen so reagieren können, dass Brände oder Explosionen entstehen können.

(10) Ein explosionsfähiges Gemisch ist ein Gemisch aus brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder aufgewirbelten Stäuben und Luft oder einem anderen Oxidationsmittel, das nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagiert, sodass im Allgemeinen ein sprunghafter Temperatur- und Druckanstieg hervorgerufen wird.

(11) Chemisch instabile Gase, die auch ohne ein Oxidationsmittel nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagieren können, sodass ein sprunghafter Temperatur- und Druckanstieg hervorgerufen wird, stehen explosionsfähigen Gemischen nach Absatz 10 gleich.

(12) Ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch ist ein explosionsfähiges Gemisch, das in solcher Menge auftritt, dass besondere Schutzmaßnahmen für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten oder anderer Personen erforderlich werden.

(13) Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre ist ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch mit Luft als Oxidationsmittel unter atmosphärischen Bedingungen (Umgebungstemperatur von –20 °C bis +60 °C und Druck von 0,8 Bar bis 1,1 Bar).

(14) Explosionsgefährdeter Bereich ist der Gefahrenbereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann.

(15) Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Stands der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Arbeitsmedizin und die Arbeitsplatzhygiene.

(16) Fachkundig ist, wer zur Ausübung einer in dieser Verordnung bestimmten Aufgabe über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Die Anforderungen an die Fachkunde sind abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe. Zu den Anforderungen zählen eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen.

(17) Sachkundig ist, wer seine bestehende Fachkunde durch Teilnahme an einem behördlich anerkannten Sachkundelehrgang erweitert hat. In Abhängigkeit vom Aufgabengebiet kann es zum Erwerb der Sachkunde auch erforderlich sein, den Lehrgang mit einer erfolgreichen Prüfung abzuschließen. Sachkundig ist ferner, wer über eine von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannte oder in dieser Verordnung als gleichwertig bestimmte Qualifikation verfügt.

(18) Eine Verwenderkategorie bezeichnet eine Personengruppe, die berechtigt ist, ein bestimmtes Biozid-Produkt zu verwenden. Sie beschreibt den Grad der Qualifikation, die für diese Verwendung erforderlich ist. Die zugehörige Verwenderkategorie eines Biozid-Produkts wird nach der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozid-Produkten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/1825 (ABl. L 279 vom 31.10.2019, S. 19) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, im Zulassungsverfahren festgelegt. Verwenderkategorien sind:

1.
die breite Öffentlichkeit,
2.
der berufsmäßige Verwender,
3.
der geschulte berufsmäßige Verwender.

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

(1) Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ist dies der Fall, so hat er alle hiervon ausgehenden Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten unter folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen:

1.
gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Gemische, einschließlich ihrer physikalisch-chemischen Wirkungen,
2.
Informationen des Lieferanten zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit insbesondere im Sicherheitsdatenblatt,
3.
Art und Ausmaß der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege; dabei sind die Ergebnisse der Messungen und Ermittlungen nach § 7 Absatz 8 zu berücksichtigen,
4.
Möglichkeiten einer Substitution,
5.
Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge,
6.
Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte,
7.
Wirksamkeit der ergriffenen oder zu ergreifenden Schutzmaßnahmen,
8.
Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge.

(2) Der Arbeitgeber hat sich die für die Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen beim Lieferanten oder aus anderen, ihm mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Quellen zu beschaffen. Insbesondere hat der Arbeitgeber die Informationen zu beachten, die ihm nach Titel IV der Verordnung (EG)Nr. 1907/2006 zur Verfügung gestellt werden; dazu gehören Sicherheitsdatenblätter und die Informationen zu Stoffen oder Gemischen, für die kein Sicherheitsdatenblatt zu erstellen ist. Sofern die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 keine Informationspflicht vorsieht, hat der Lieferant dem Arbeitgeber auf Anfrage die für die Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen über die Gefahrstoffe zur Verfügung zu stellen.

(3) Stoffe und Gemische, die nicht von einem Lieferanten nach § 4 Absatz 1 eingestuft und gekennzeichnet worden sind, beispielsweise innerbetrieblich hergestellte Stoffe oder Gemische, hat der Arbeitgeber selbst einzustufen. Zumindest aber hat er die von den Stoffen oder Gemischen ausgehenden Gefährdungen der Beschäftigten zu ermitteln; dies gilt auch für Gefahrstoffe nach § 2 Absatz 1 Nummer 4.

(4) Der Arbeitgeber hat festzustellen, ob die verwendeten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse bei Tätigkeiten, auch unter Berücksichtigung verwendeter Arbeitsmittel, Verfahren und der Arbeitsumgebung sowie ihrer möglichen Wechselwirkungen, zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können. Dabei hat er zu beurteilen,

1.
ob gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, auftreten; dabei sind sowohl Stoffe und Gemische mit physikalischen Gefährdungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 wie auch andere Gefahrstoffe, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, sowie Stoffe, die in gefährlicher Weise miteinander reagieren können, zu berücksichtigen,
2.
ob Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, vorhanden sind und
3.
ob schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten möglich sind.
Insbesondere hat er zu ermitteln, ob die Stoffe, Gemische und Erzeugnisse auf Grund ihrer Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, explosionsfähige Gemische bilden können. Im Fall von nicht atmosphärischen Bedingungen sind auch die möglichen Veränderungen der für den Explosionsschutz relevanten sicherheitstechnischen Kenngrößen zu ermitteln und zu berücksichtigen.

(5) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind ferner Tätigkeiten zu berücksichtigen, bei denen auch nach Ausschöpfung sämtlicher technischer Schutzmaßnahmen die Möglichkeit einer Gefährdung besteht. Dies gilt insbesondere für Instandhaltungsarbeiten, einschließlich Wartungsarbeiten. Darüber hinaus sind auch andere Tätigkeiten wie Bedien- und Überwachungsarbeiten zu berücksichtigen, wenn diese zu einer Gefährdung von Beschäftigten durch Gefahrstoffe führen können.

(6) Die mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen, dermalen und physikalisch-chemischen Gefährdungen sind unabhängig voneinander zu beurteilen und in der Gefährdungsbeurteilung zusammenzuführen. Treten bei einer Tätigkeit mehrere Gefahrstoffe gleichzeitig auf, sind Wechsel- oder Kombinationswirkungen der Gefahrstoffe, die Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten haben, bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen, soweit solche Wirkungen bekannt sind.

(7) Der Arbeitgeber kann bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen eine Gefährdungsbeurteilung übernehmen, die ihm der Lieferant mitgeliefert hat, sofern die Angaben und Festlegungen in dieser Gefährdungsbeurteilung den Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge, im eigenen Betrieb entsprechen.

(8) Der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung unabhängig von der Zahl der Beschäftigten erstmals vor Aufnahme der Tätigkeit zu dokumentieren. Dabei ist Folgendes anzugeben:

1.
die Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen,
2.
das Ergebnis der Prüfung auf Möglichkeiten einer Substitution nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4,
3.
eine Begründung für einen Verzicht auf eine technisch mögliche Substitution, sofern Schutzmaßnahmen nach § 9 oder § 10 zu ergreifen sind,
4.
die durchzuführenden Schutzmaßnahmen einschließlich derer,
a)
die wegen der Überschreitung eines Arbeitsplatzgrenzwerts zusätzlich ergriffen wurden sowie der geplanten Schutzmaßnahmen, die zukünftig ergriffen werden sollen, um den Arbeitsplatzgrenzwert einzuhalten, oder
b)
die unter Berücksichtigung eines Beurteilungsmaßstabs für krebserzeugende Gefahrstoffe, der nach § 20 Absatz 4 bekannt gegeben worden ist, zusätzlich getroffen worden sind oder zukünftig getroffen werden sollen (Maßnahmenplan),
5.
eine Begründung, wenn von den nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen abgewichen wird, und
6.
die Ermittlungsergebnisse, die belegen, dass der Arbeitsplatzgrenzwert eingehalten wird oder, bei Stoffen ohne Arbeitsplatzgrenzwert, die ergriffenen technischen Schutzmaßnahmen wirksam sind.
Im Rahmen der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung können auch vorhandene Gefährdungsbeurteilungen, Dokumente oder andere gleichwertige Berichte verwendet werden, die auf Grund von Verpflichtungen nach anderen Rechtsvorschriften erstellt worden sind.

(9) Bei der Dokumentation nach Absatz 8 hat der Arbeitgeber in Abhängigkeit der Feststellungen nach Absatz 4 die Gefährdungen durch gefährliche explosionsfähige Gemische besonders auszuweisen (Explosionsschutzdokument). Daraus muss insbesondere hervorgehen,

1.
dass die Explosionsgefährdungen ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind,
2.
dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um die Ziele des Explosionsschutzes zu erreichen (Darlegung eines Explosionsschutzkonzeptes),
3.
ob und welche Bereiche entsprechend Anhang I Nummer 1.7 in Zonen eingeteilt wurden,
4.
für welche Bereiche Explosionsschutzmaßnahmen nach § 11 und Anhang I Nummer 1 getroffen wurden,
5.
wie die Vorgaben nach § 15 umgesetzt werden und
6.
welche Überprüfungen nach § 7 Absatz 7 und welche Prüfungen zum Explosionsschutz nach Anhang 2 Abschnitt 3 der Betriebssicherheitsverordnung durchzuführen sind.

(10) Bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach Absatz 13 kann auf eine detaillierte Dokumentation verzichtet werden. Falls in anderen Fällen auf eine detaillierte Dokumentation verzichtet wird, ist dies nachvollziehbar zu begründen. Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Sie ist umgehend zu aktualisieren, wenn maßgebliche Veränderungen oder neue Informationen dies erfordern oder wenn sich eine Aktualisierung auf Grund der Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge als notwendig erweist.

(11) Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Fachkundig können insbesondere die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sein.

(12) Der Arbeitgeber hat nach Satz 2 ein Verzeichnis der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe zu führen, in dem auf die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter verwiesen wird. Das Verzeichnis muss mindestens folgende Angaben enthalten:

1.
Bezeichnung des Gefahrstoffs,
2.
Einstufung des Gefahrstoffs oder Angaben zu den gefährlichen Eigenschaften,
3.
Angaben zu den im Betrieb verwendeten Mengenbereichen,
4.
Bezeichnung der Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte dem Gefahrstoff ausgesetzt sein können.
Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn nur Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach Absatz 13 ausgeübt werden. Die Angaben nach Satz 2 Nummer 1, 2 und 4 müssen allen betroffenen Beschäftigten und ihrer Vertretung zugänglich sein.

(13) Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung für bestimmte Tätigkeiten auf Grund

1.
der gefährlichen Eigenschaften des Gefahrstoffs,
2.
einer geringen verwendeten Stoffmenge,
3.
einer nach Höhe und Dauer niedrigen Exposition und
4.
der Arbeitsbedingungen
insgesamt eine nur geringe Gefährdung der Beschäftigten und reichen die nach § 8 zu ergreifenden Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten aus, so müssen keine weiteren Maßnahmen des Abschnitts 4 ergriffen werden.

(14) Liegen für Stoffe oder Gemische keine Prüfdaten oder entsprechende aussagekräftige Informationen zur akut toxischen, reizenden, hautsensibilisierenden oder keimzellmutagenen Wirkung oder zur spezifischen Zielorgan-Toxizität bei wiederholter Exposition vor, sind die Stoffe oder Gemische bei der Gefährdungsbeurteilung wie Stoffe der Gefahrenklasse Akute Toxizität (oral, dermal und inhalativ) Kategorie 3, Ätz-/Reizwirkung auf die Haut Kategorie 2, Sensibilisierung der Haut Kategorie 1, Keimzellmutagenität Kategorie 2 oder Spezifische Zielorgan-Toxizität, wiederholte Exposition (STOT RE) Kategorie 2 zu behandeln. Hinsichtlich der Spezifizierung der anzuwendenden Einstufungskategorien sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

(1) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) gebildet, in dem geeignete Personen vonseiten der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Landesbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und weitere geeignete Personen, insbesondere aus der Wissenschaft, vertreten sein sollen. Die Gesamtzahl der Mitglieder soll 21 Personen nicht überschreiten. Für jedes Mitglied ist ein stellvertretendes Mitglied zu benennen. Die Mitgliedschaft im Ausschuss für Gefahrstoffe ist ehrenamtlich.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beruft die Mitglieder des Ausschusses und die stellvertretenden Mitglieder. Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt die Vorsitzende oder den Vorsitzenden aus seiner Mitte. Die Geschäftsordnung und die Wahl der oder des Vorsitzenden bedürfen der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

(3) Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört es:

1.
den Stand der Wissenschaft, Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung zu ermitteln und entsprechende Empfehlungen auszusprechen,
2.
zu ermitteln, wie die in dieser Verordnung gestellten Anforderungen erfüllt werden können und dazu die dem jeweiligen Stand von Technik und Medizin entsprechenden Regeln und Erkenntnisse zu erarbeiten,
3.
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in allen Fragen zu Gefahrstoffen und zur Chemikaliensicherheit zu beraten und
4.
Arbeitsplatzgrenzwerte, biologische Grenzwerte und andere Beurteilungsmaßstäbe für Gefahrstoffe vorzuschlagen und regelmäßig zu überprüfen, wobei Folgendes zu berücksichtigen ist:
a)
bei der Festlegung der Grenzwerte und Beurteilungsmaßstäbe ist sicherzustellen, dass der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten gewahrt ist,
b)
für jeden Stoff, für den ein Arbeitsplatzgrenzwert oder ein biologischer Grenzwert in Rechtsakten der Europäischen Union festgelegt worden ist, ist unter Berücksichtigung dieses Grenzwerts ein nationaler Grenzwert vorzuschlagen.
Das Arbeitsprogramm des Ausschusses für Gefahrstoffe wird mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales abgestimmt, wobei die Letztentscheidungsbefugnis beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales liegt. Der Ausschuss arbeitet eng mit den anderen Ausschüssen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusammen.

(4) Nach Prüfung kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales

1.
die vom Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelten Regeln und Erkenntnisse nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 sowie die Arbeitsplatzgrenzwerte und Beurteilungsmaßstäbe nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt geben und
2.
die Empfehlungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 sowie die Beratungsergebnisse nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 in geeigneter Weise veröffentlichen.

(5) Die Bundesministerien sowie die obersten Landesbehörden können zu den Sitzungen des Ausschusses Vertreterinnen oder Vertreter entsenden. Auf Verlangen ist diesen in der Sitzung das Wort zu erteilen.

(6) Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin führt die Geschäfte des Ausschusses.

(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Absatz 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind.

(1a) Wird eine Anordnung nach Absatz 1 nicht innerhalb der gesetzten Frist oder eine solche für sofort vollziehbar erklärte Anordnung nicht sofort ausgeführt, kann die zuständige Behörde die von der Anordnung betroffene Arbeit ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung untersagen, wenn die Untersagung zum Schutz von Leben oder Gesundheit der Beschäftigten erforderlich ist.

(2) Die zuständige Landesbehörde kann für eine Dauer von höchstens drei Monaten anordnen, dass ein gefährlicher Stoff, ein gefährliches Gemisch oder ein Erzeugnis, das einen gefährlichen Stoff oder ein gefährliches Gemisch freisetzen kann oder enthält, nicht, nur unter bestimmten Voraussetzungen, nur in bestimmter Beschaffenheit oder nur für bestimmte Zwecke hergestellt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden darf, soweit Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht dafür vorliegen, dass von dem Stoff, dem Gemisch oder dem Erzeugnis eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgeht. Die zuständige Landesbehörde kann diese Anordnung aus wichtigem Grund um bis zu einem Jahr verlängern. Die Sätze 1 und 2 gelten auch dann, wenn Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht, für die Annahme bestehen, dass ein Stoff oder ein Gemisch gefährlich ist. Anordnungen nach Satz 1 und 2 können nur ergehen, soweit dies unionsrechtlich zulässig ist.

(3) Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Absätzen 1a und 2 haben keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2006 - 17 K 1608/06 - aufgehoben, soweit darin die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 und 20.06.2005 weitere Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren, die diesem Ausspruch entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und ihr Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 aufgehoben werden und insoweit die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt worden ist. Die Sache wird unter Aufhebung des insoweit durchgeführten Verfahrens an das Verwaltungsgericht Stuttgart zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bewilligung von höheren Kassenleistungen.
Die Klägerin ist B 1 - Mitglied der Beklagten mit einem Bemessungssatz für Kassenleistungen von 30 %. Am 14.05.2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 10.05.2005 über 724,23 EUR für Behandlungen durch Dr. M.-S. (Dermatologe/Allergologe). Mit Schreiben vom 30.05.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass diese Aufwendungen nur zum Teil erstattungsfähig seien. In ihrem Bescheid vom 31.05.2005 ging die Beklagte von einem beihilfefähigen Aufwand von 516,59 EUR aus und bewilligte der Klägerin Kassenleistungen in Höhe von 154,98 EUR. In seiner Stellungnahme vom 09.06.2005 erläuterte der behandelnde Arzt Dr. M.-S. unter Bezugnahme auf das an die Klägerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 30.05.2005 die von ihm vorgenommenen Behandlungen und Abrechnungen.
Unter dem Datum des 10.06.2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 über 759,88 EUR für weitere Behandlungen durch Dr. M.-S. Diese Rechnung betraf die Behandlungen der Klägerin durch Dr. M.-S. vom 02., 17., 24. und 25.05.2005. Mit Schreiben vom 16.06.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde „um die Beihilfe- und Erstattungsfähigkeit der in Rede gestellten GOÄ-Ziffern sowie der fortlaufenden Behandlung (Untersuchung usw.) beurteilen zu können“, die medizinische Notwendigkeit von einem Gutachter beurteilen lassen. Weiter bat sie die Klägerin, die „entsprechenden vollständigen Krankenunterlagen ab dem 18.04.2005 zusammen mit der Einverständniserklärung ... zur vertrauensärztlichen Begutachtung innerhalb von 14 Tagen" vorzulegen. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass sie ein umfassendes Einsichtsrecht in ihre eigenen Krankenunterlagen habe. Nach § 78 Abs. 2 der Satzung der Beklagten seien die zur Überprüfung der Beihilfe- und Erstattungsfähigkeit benötigten Unterlagen vom Mitglied selbst einzuholen. Die Mitglieder seien zur Mitwirkung verpflichtet. Kämen sie dieser Verpflichtung schuldhaft nicht nach, hätten sie die daraus entstehenden Nachteile zu tragen. Daraufhin unterschrieb die Klägerin am 22.06.2005 eine von der Beklagten entworfene „Einverständniserklärung“. Danach entband die Klägerin ihren behandelnden Dermatologen von der Schweigepflicht gegenüber der Beklagten und deren Gutachtern sowie mit der Gutachtenerstellung beauftragten Ärztekammern und ermächtigte die Beklagte zugleich, die zur Gutachtenerstellung notwendigen Unterlagen und Informationen an den bezeichneten Personenkreis weiterzugeben. Am 23.06.2005 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkV vom 20.06.2005 über 332,55 EUR für Laborleistungen.
Für die von der Beklagten mit der Überprüfung beauftragte Fa. Medic Control nahm Prof. Dr. Dr. P. (Hautarzt und Allergologe, Leitender Oberarzt der Universitätsklinik Kiel) nach einer körperlichen Untersuchung der Klägerin zur Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit ihrer dermatologischen Behandlung durch Dr. M.-S. am 11.07.2005 gutachtlich Stellung. Mit Schreiben vom 13.07.2005 informierte die Beklagte die Klägerin über den Inhalt des von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens vom 11.07.2005 und wies sie darauf hin, dass über die Anträge vom 10. und vom 23.06.2005 auf der Basis des Gutachtens entschieden und dementsprechend eine reduzierte Erstattung erfolgen werde. Mit Bescheiden vom 14.07.2005 gewährte die Beklagte der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 06.06.2005 Kassenleistungen von 63,44 EUR und für Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 20.06.2005 Kassenleistungen von 21,63 EUR.
Dagegen erhob die Klägerin jeweils Widerspruch und verwies zur Begründung auf eine Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. M.-S. vom 23.08.2005, wonach die abgerechneten Leistungen medizinisch indiziert gewesen und deshalb in voller Höhe zu erstatten seien.
Nach Einholung eines weiteren Gutachtens durch die Fa. Medic Control - wiederum erstellt durch Prof. Dr. Dr. P. - vom 23.12.2005 gewährte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 weitere Kassenleistungen in Höhe von 5,32 EUR. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter Hinweis auf die von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten aus, eine weitere Erstattung der Aufwendungen überschreite den Rahmen des medizinisch Notwendigen und Angemessenen. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 17.03.2006 zugestellt.
Am 18.04.2006, dem Dienstag nach Ostern, hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen: Leistungen habe sie nur im unbedingt nötigen Umfang in Anspruch genommen. Die von der Beklagten eingeholten Gutachten gingen von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus. So sei z. B. eine elektrokaustische Abtragung des Naevuszellnaevus nicht erfolgt. Exzisionen hätten an anderen Stellen stattgefunden. Die Gutachten seien nicht verwertbar. Es bestehe insoweit auch der Verdacht der Parteilichkeit. Darüber hinaus hat die Klägerin zu einzelnen Gesichtspunkten, insbesondere zu einzelnen GOÄ-Ziffern Stellung genommen und insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung hat die Beklagte vorgetragen, die Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten Leistungen sei zweifelhaft gewesen, so dass sie berechtigt gewesen sei, dies durch ärztliche Gutachten zu überprüfen. Die Rechnungen des behandelnden Arztes lägen zum Teil deutlich über den ansonsten üblichen Behandlungskosten. Deshalb sei zu Recht von der Klägerin die Entbindung von der Schweigepflicht gefordert worden. Infolge ihrer Mitgliedschaft ergäben sich gewisse Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. § 30 Abs. 3 ihrer Satzung sei eine geeignete Rechtsgrundlage für eine gutachtliche Überprüfung.
Nachdem die Beklagte weitere Kassenleistung in Höhe von 10,97 EUR aufgrund eines weiteren Gutachtens von Medic control - erstellt von Prof. Dr. Dr. P. - vom 10.07.2006 nachgewährt hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in Höhe von 10,97 EUR für erledigt erklärt.
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Mit Schriftsatz vom 15.08.2006 hat die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag von 322,44 EUR auf den Betrag von 234,34 EUR reduziert.
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Mit Urteil vom 27.12.2006 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - 17 K 1608/06 - das Verfahren nach Klagerücknahme eingestellt, soweit es auf Kassenleistung in Höhe von 88,10 EUR gerichtet gewesen ist. Ferner hat es das Verfahren nach Erledigung in der Hauptsache eingestellt, soweit es auf weitere Kassenleistungen in Höhe von 10,97 EUR gerichtet gewesen ist. Schließlich hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 und 20.06.2005 weitere Kassenleistung in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren. Die Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15.03.2006 hat das Verwaltungsgericht aufgehoben, soweit sie diesen Verpflichtungen entgegenstehen. Außerdem hat das Verwaltungsgericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Bei Behandlungen und Verordnungen durch Ärzte gelte der Grundsatz, dass in der Regel die aufgrund ärztlicher Anordnung entstandenen Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig seien. Habe die Beklagte Zweifel an der Notwendigkeit, könne sie diesen auf eigene Kosten nachgehen. Zwar ermächtige § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten dazu, die Zweifel durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten klären zu lassen. Dies sei aber nur mit Zustimmung des Mitglieds und gegebenenfalls Entbindung behandelnder Ärzte von der Schweigepflicht möglich. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft benötige die Beklagte eine gesetzliche Grundlage für die Beschränkung des Rechts ihres Mitglieds auf informationelle Selbstbestimmung. § 78 Abs. 2 der Satzung der Beklagten stelle keine Rechtsgrundlage dar, weil dort nur die Verpflichtung geregelt sei, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Nachweise vorzulegen. Die Entbindung von der Schweigepflicht und die Zustimmung zur Weiterleitung von Unterlagen ließen sich weder unter Auskünfte noch unter Nachweise subsumieren. Auch § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung biete insoweit keine ausreichende Rechtsgrundlage. Denn dort seien lediglich Rechte der Beklagten geregelt, nicht aber Pflichten ihrer Mitglieder. Im Übrigen gehe auch die Beklagte von § 78 Abs. 2 ihrer Satzung als Grundlage aus. Zudem müsse das Verlangen, eine Entbindung von der Schweigepflicht vorzulegen bzw. der Weiterleitung von Unterlagen oder Daten an Dritte zuzustimmen, weiteren Anforderungen genügen, um den informationellen Selbstschutz der Mitglieder hinreichend zu gewähren. Die Beklagte müsse die konkreten Positionen bzw. sonstigen Punkte genau angeben, die überprüft werden sollen. Ferner müsse die Beklagte Name, Sitz und Qualifikation des von ihr beauftragten Arztes mitteilen oder zumindest darauf hinweisen, dass diese Angaben auf Verlangen mitgeteilt würden. Die Beklagte müsse sich auf Teile von Unterlagen beschränken, die sich auf die zweifelhaften Positionen beziehen. Es sei nicht zulässig, eine komplette Patientenkartei anzufordern. Diese Vorgaben müssten in dem Zeitpunkt erfüllt sein, in dem die Beklagte die Entbindung von der Schweigepflicht bzw. die Zustimmung zur Weiterleitung von Daten oder Unterlagen oder deren Vorlage vom Mitglied verlange. Diesen Vorgaben habe die mit Schreiben der Beklagten vom 16.06.2005 ausgesprochene Anforderung der Einverständniserklärung zur vertrauensärztlichen Begutachtung sowie der vollständigen Krankenunterlagen nicht entsprochen. Damit liege ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Klägerin vor. Ein Verstoß sei auch deshalb gegeben, weil die notwendige Rechtsgrundlage nicht bestanden habe. Unerheblich sei, dass die Klägerin der Aufforderung der Beklagten vom 16.06.2005 zur Abgabe der Erklärung ohne Weiteres nachgekommen sei. Denn die Klägerin habe damit rechnen müssen, keine Leistungen zu erhalten, sollte sie der Aufforderung der Beklagten nicht nachkommen. Die im Zusammenhang mit diesem Rechtsverstoß von der Beklagten erlangten Erkenntnisse dürften im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden. Dementsprechend bleibe es bei dem Grundsatz, dass die aufgrund ärztlicher Anordnung entstandenen Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig gewesen seien. Die Aufwendungen seien auch im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten beihilfefähig gewesen.
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Gegen das ihr am 15.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.01.2007 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Diesen Antrag hat die Beklagte mit dem am 13.03.2007 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Zulassungsbeschluss des Gerichts (4 S 315/07) ist der Beklagten am 10.10.2007 zugestellt worden. Am 08.11.2007 ist der Beklagten durch Verfügung des Vorsitzenden die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 31.11.2007 verlängert worden. Am 13.11.2007 hat die Beklagte einen Antrag gestellt und die Berufung begründet.
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Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor: Sie habe berechtigte Zweifel an der Erstattungsfähigkeit der Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 gehabt. In der Rechnung vom 06.06.2005 sei z. B. an einem Behandlungstag neun Mal die GOÄ-Ziff. 298, neun Mal die GOÄ-Ziff. 4711 und neun Mal die GOÄ-Ziff. 4715 und 4716 abgerechnet worden. Zudem sei ihr aus Erfahrung mit Rechnungen des behandelnden Arztes in anderen Verfahren bekannt, dass eine vertrauensärztliche Überprüfung dieser Rechnungen häufig zu dem Ergebnis gekommen sei, dass abgerechnete Leistungen teilweise nicht notwendig bzw. nicht angemessen gewesen seien. Nach den von ihr eingeholten Gutachten überschritten die vom behandelnden Arzt abgerechneten Leistungen das Maß des Notwendigen und Angemessenen, so dass nach § 30 Abs. 1 und 3 ihrer Satzung kein Erstattungsanspruch bestehe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts seien die von ihr eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. P. auch verwertbar. Ein Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung liege nicht vor. Bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Einverständniserklärung sei der Klägerin aufgrund der vorausgegangenen Korrespondenz bewusst gewesen, welche Aspekte der eingereichten Rechnungen des behandelnden Arztes zweifelhaft seien. Die Klägerin habe ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht dahingehend ausgeübt, dass sie der Beklagten die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt und sich vom Vertrauensarzt habe untersuchen lassen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.10.2006 betreffe eine in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung übliche pauschale Schweigepflichtentbindungserklärung. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Klausel wegen ihres Generalermächtigungscharakters beanstandet. Das Gericht habe es für verfassungsrechtlich zulässig angesehen, wenn Versicherungsunternehmen in Zusammenhang mit der Mitteilung, welche Informationserhebungen beabsichtigt seien, dem Versicherten die Möglichkeit zur Beschaffung der Informationen oder jedenfalls eine Widerspruchsmöglichkeit einräumten. Dementsprechend sei die von ihr geforderte Einzeleinwilligung der Klägerin verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn diese habe sich auf einen konkreten Behandlungsvorgang und auf bestimmte von der Klägerin eingereichte Rechnungen bezogen. Auch habe die Klägerin während des Verfahrens nicht geltend gemacht, ihr sei der Umfang der Entbindung von der Schweigepflicht nicht bekannt gewesen oder sie habe diese Erklärung nicht freiwillig abgegeben. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Forderung nach Vorlage der ärztlichen Unterlagen und der Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht rechtswidrig gewesen sei, habe das Gutachten verwertet werden können. Bei der gebotenen Abwägung überwiege das Interesse auch der Versichertengemeinschaft auf Erstattung nur tatsächlich notwendiger medizinischer Leistungen das Interesse der Klägerin an der Geheimhaltung ihrer Daten. Sollten die von ihr eingeholten Gutachten tatsächlich unverwertbar sein, so müsse die Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der abgerechneten ärztlichen Aufwendungen seitens des Gerichts von Amts wegen aufgeklärt werden. Hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen bestünden begründete Zweifel.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2006 - 17 K 1608/06 - aufzuheben, soweit darin die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 und 20.06.2005 weitere Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren, sowie die Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und ihr Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 aufgehoben werden, soweit sie entgegenstehen, und die Sache unter Aufhebung des insoweit durchgeführten Verfahrens an das Verwaltungsgericht Stuttgart zur weiteren Verhandlung zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
18 
Die Voraussetzungen für die Kürzung ihres Anspruchs gemäß § 30 Abs. 3 der Satzung der Beklagten lägen nicht vor. Denn die von ihr in Anspruch genommenen ärztlichen Leistungen hätten das Maß des Notwendigen und Angemessenen nicht überschritten. Maßgeblich sei, ob Aufwendungen für eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode geltend gemacht worden seien, die geeignet sei, die Krankheit zu heilen oder zu lindern. Die von ihr abgegebene Verzichtserklärung hinsichtlich der Schweigepflicht des behandelnden Arztes sei wegen Verstoßes gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung unwirksam gewesen. Die Satzung der Beklagten biete keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür, von den Mitgliedern eine Schweigepflichtverzichtserklärung zu verlangen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die Akten der Beklagten sowie auf die Akten des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
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Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet an einem wesentlichen Mangel, der eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig macht (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat macht von dem ihm durch § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffneten Ermessen Gebrauch und verweist die Sache auf Antrag der Beklagten zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück. Maßgeblich für die Entscheidung ist, dass hierdurch die gesetzliche Regelung für die Berufung (§§ 124 ff. VwGO) eingehalten wird. Das Gesetz geht davon aus, dass zunächst das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung nach Durchführung einer Beweisaufnahme trifft und anschließend das Berufungsgericht über die Zulassung der Berufung nach Maßgabe der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO befindet, sofern das Verwaltungsgericht die Berufung nicht selbst zulässt.
22 
Der wesentliche Mangel des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO besteht hier darin, dass das Verwaltungsgericht die nach dem Vorbringen der Beteiligten gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erforderliche Beweisaufnahme nicht durchgeführt hat (Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 130, Rn. 4). Zwar hatte die Beklagte, anders als die Klägerin, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keinen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt. Nach dem Vortrag der Beklagten musste sich dem Verwaltungsgericht jedoch eine Beweisaufnahme aufdrängen. Zudem ist der Einzelrichter, wie seinen Verfügungen vom 04. und vom 29.08.2006 zu entnehmen ist, ursprünglich ebenfalls vom Erfordernis einer Beweisaufnahme ausgegangen. Bei dieser Beweiserhebung hätten die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. P. Berücksichtigung finden können (1). Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften aus Rechtsgründen nicht verwertet werden, hätte das Verwaltungsgericht der Klage nicht ohne Weiteres stattgegeben dürfen. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht die entscheidungserhebliche Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der von der Beklagten als zweifelhaft angesehenen Behandlungen der Klägerin durch den Dermatologen Dr. M.-S. nach § 86 Abs. 1 VwGO aufklären müssen. Denn der mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch der Klägerin ist nach § 30 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Beklagten auf Leistungen im unbedingt nötigen Umfang beschränkt. Die Beklagte hatte bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert geltend gemacht, die geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlung durch Dr. M.-S. seien teilweise nicht zu erstatten (2).
23 
Dass die noch erforderliche gerichtliche Beweisaufnahme keine „einfache“ (z. B. Vernehmung eines einzelnen Zeugen, vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6393, S. 14), sondern eine aufwändige im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sein wird, ergibt sich aus dem Umstand, dass nunmehr die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen (GOÄ-Ziffern) der Rechnung des behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. vom 06.06.2005 und des Labors vom 20.06.2005 mit Hilfe eines Sachverständigen überprüft werden müssen, die die Beklagte im Widerspruchsbescheid als nicht anerkennungsfähig aufgeführt hat. Dabei sind die im Widerspruchsbescheid erfolgte Nacherstattung in Höhe von 5,32 EUR sowie die weitere Bewilligung der Beklagten in Höhe von 10,97 EUR zu berücksichtigen.
24 
1) Es ist allgemein anerkannt, dass sich ein Verwaltungsgericht für sein Urteil ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht - im Wege des Urkundsbeweises (BVerfG, Kammerbeschl. v. 30.11.1993 - 2 BvR 594/93 -, BayVBl 1994, 143) - auf eine gutachtliche Stellungnahme stützen kann, die eine Behörde im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeholt und als Parteivortrag in das Verfahren eingeführt hat. Die Einholung eines „zusätzlichen“ Sachverständigengutachtens steht nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO dann im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.1992 - 4 B 39.92 -, NVwZ 1993, 268; Beschl. v. 24.03.2000 - 9 B 530.99 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 m.w.Nachw.). Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil davon ausgegangen, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften nicht berücksichtigt werden, weil die Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 rechtswidrig erlangt worden sei.
25 
Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Betroffenen vor der Preisgabe und Weitergabe von Informationen über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen zur Behandlung einer Erkrankung. Dieses Recht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz der öffentlichen Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. -, BVerfGE 65, 1, Rn. 151).
26 
Hinsichtlich der Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 ist zu berücksichtigen, dass diese zum einen die Entbindung von der Schweigepflicht betrifft (b) und zum anderen die Beklagte ermächtigt, die zur Erstellung des Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung notwendigen Unterlagen und Informationen an die von ihr mit der Gutachtenerstellung beauftragten Personen weiterzugeben (a).
27 
a) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts enthält die zum maßgeblichen Zeitpunkt gültige Satzung der Beklagten (vom 01.06.2005) in den Bestimmungen der § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 eine ausreichende Grundlage für die Weitergabe der hier in Rede stehenden Informationen über die hautärztlichen Behandlungen der Klägerin durch die Beklagte an einen (mittelbar) in ihrem Auftrag tätig werdenden - externen - ärztlichen Gutachter.
28 
Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten geregelt. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Erstattungsfähig sind Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Nach § 30 Abs. 3 der Satzung sind die Mitglieder und die mitversicherten Angehörigen verpflichtet, Leistungen nur in dem unbedingt nötigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Für Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschreiten, können die Leistungen gekürzt oder versagt werden. Bestehen Zweifel über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung, der verordneten Heilmittel, der Krankenhausleistungen usw., ist die Beklagte nach § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung ausdrücklich berechtigt, dies durch einen Amts- oder Vertrauensarzt (-zahnarzt) überprüfen zu lassen. Die Kosten der Überprüfung trägt nach Satz 5 die Beklagte. In § 78 Abs. 2 der Satzung ist bestimmt, dass das Mitglied verpflichtet ist, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Nachweise vorzulegen, wenn dies zur Prüfung der Berechtigung des Leistungsanspruchs notwendig ist. Ergänzend ist in § 78 Abs. 3 der Satzung geregelt, dass das Mitglied, wenn es seinen Verpflichtungen aus dem Absatz 2 schuldhaft nicht nachkommt, die daraus entstehenden Nachteile zu tragen hat.
29 
Nach den aufgeführten Bestimmungen ihrer Satzung ist die Beklagte berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung zu überprüfen. Denn hierauf beschränkt sich der Leistungsanspruch des Mitglieds. Die Beklagte war auch berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlungen durch Dr. M.-S. zu überprüfen, deren Erstattung die Klägerin beantragt hatte. Wie die Beklagte im Verwaltungs- wie im gerichtlichen Verfahren substantiiert dargelegt hat, erscheint es zumindest als zweifelhaft, ob die in den fraglichen Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 aufgeführten Leistungen nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in vollem Umfang erstattungsfähig sind. Bestehen Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung, setzt das in § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten zulässigerweise geregelte Verfahren zur Klärung dieser Frage die Mitwirkung des Mitglieds voraus. Die Informationen über die Umstände der Behandlung des Mitglieds sind der Beklagten regelmäßig unbekannt. Zwischen ihr und dem behandelnden Arzt bestehen keine rechtlichen Beziehungen. Privatrechtlich in Beziehung stehen vielmehr das Mitglied und der behandelnde Arzt. Das Mitglied hat aus dem Dienstvertrag mit dem Arzt einen umfassenden Auskunfts- und Informationsanspruch. Diesen Anspruch muss das Mitglied gegenüber dem behandelnden Arzt geltend machen, um seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung nachzukommen. Zur Überprüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Leistungen an Hand der vom Mitglied vorgelegten Informationen über die fragliche Behandlung muss sich die Beklagte medizinischen Sachverstands bedienen. Aus § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten ergibt sich für die Mitglieder ohne Weiteres, dass die vom Mitglied entsprechend der Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung vorgelegten Informationen an externe Gutachter weiter gegeben werden, weil die Beklagte mangels eigenen medizinischen Sachverstands der Hilfe von nicht bei ihr beschäftigten Ärzten oder Zahnärzten bedarf. Mit dem Recht der Beklagten, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung überprüfen zu lassen, ist zugleich die Verpflichtung der Mitglieder geregelt, die für dieses Verfahren erforderliche Übermittlung von Daten über die erfolgte ärztliche Behandlung an externe Gutachter zu dulden. Eine Rechtspflicht, Personal zu beschäftigen, das aufgrund seines medizinischen Sachverstands die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen in jedem Fall beurteilen kann, so dass die Weitergabe an externe Gutachter ausscheidet, besteht für die Beklagte nicht. Danach ergibt sich aus der Zusammenschau von § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 der Satzung das Recht der Beklagten, die ihr über die fragliche Behandlung vom Mitglied vorgelegten Informationen an von ihr beauftragte Dritte zu übermitteln und zugleich die Verpflichtung des Mitglieds zur Duldung dieser Weitergabe. Dem Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung wurde auch dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass in der von der Beklagten vorformulierten Erklärung der Arzt, um dessen Behandlung es konkret ging, namentlich benannt war. Zudem war der Klägerin durch den vorangegangenen Schriftverkehr mit der Beklagten bekannt, die Erstattungsfähigkeit welcher Aufwendungen von der Beklagten angezweifelt wurde.
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Danach bestehen gegen die Weitergabe der die fraglichen Behandlungen der Klägerin betreffenden Informationen an den für die Beklagten tätigen Gutachter keine rechtlichen Bedenken, wenn die Beklagte von diesen ohne Inanspruchnahme der in der Erklärung vom 22.06.2005 enthaltenen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht Kenntnis erlangt hat.
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b) Entbindet der Patient, der bei der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für seine ärztliche Behandlung geltend macht, den ihn behandelnden Arzt von der Schweigepflicht, so entfällt hierdurch die Strafbarkeit des Arztes nach § 203 Abs. 1 StGB, wenn dieser gegenüber Dritten Einzelheiten aus der ärztlichen Behandlung des Mitglieds offenbart. Zugleich ist ausgeschlossen, dass durch eine solche Handlung der privatrechtliche (Dienst-) Vertrag verletzt wird. Zudem wird aus Sicht der Beklagten der unmittelbare Kontakt zwischen ihr und dem behandelnden Arzt ermöglicht.
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In tatsächlicher Hinsicht ist hier aber unklar, ob die Erklärung der Klägerin, sie entbinde den behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. von der Schweigepflicht, für die Erstellung der Gutachten überhaupt von Bedeutung war. Denn es spricht vieles für den von der Beklagten in der Berufungsverhandlung dargelegten Geschehensablauf, wonach die Klägerin insbesondere die Auszüge aus der sie betreffenden Karteikarte (Zeitraum vom 18.04 bis 11.06.2005) bei Dr. M.-S. beschafft und dann der Beklagten gemeinsam mit der unterschriebenen Einverständniserklärung selbst vorgelegt hat. Für diesen Ablauf spricht insbesondere, dass die Beklagte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 16.06.2005 ausdrücklich aufgefordert hatte, die „vollständigen Krankenunterlagen ab dem 18.04.2005 zusammen mit der Einverständniserklärung (1 Exemplar) zur vertrauensärztlichen Begutachtung innerhalb von 14 Tagen vorzulegen“. Der dem Senat vorliegenden Originalakte der Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, dass sich der behandelnde Arzt Dr. M.-S. wegen dieses Auszugs aus der von ihm über die Behandlung der Klägerin geführten Karteikarte unmittelbar an die Beklagte gewandt hat. Demgegenüber findet sich in der Verwaltungsakte der Beklagten ein Schreiben des Dr. M.-S. vom 09.06.2005 an die Beklagte, in dem der Arzt auf das an die Klägerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 30.05.2005 reagiert hat. Ein weitere schriftliche Stellungnahme des Arztes (vom 23.08.2005) ist von den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegt worden.
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Hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellten Frage der Verpflichtung eines Mitglieds zur Abgabe einer Erklärung über die Entbindung des behandelnden Arztes von seiner Schweigepflicht, gilt das Folgende: In Bezug auf die Art und Weise, in der das Mitglied seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Informations- und Mitwirkungspflicht zur Klärung der Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung nachkommt, steht ihm ein Wahlrecht zu. Das Mitglied kann zunächst den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und damit einen unmittelbaren Kontakt zwischen diesem Arzt und der Beklagten und den in ihrem Auftrag tätigen Gutachter ermöglichen. Den Interessen des Mitglieds an einer möglichst eingegrenzten Entbindung von der Schweigepflicht wird dadurch Rechnung getragen, dass der behandelnde Arzt in der Erklärung benannt wird und zudem dem Mitglied aus dem vorangegangenen Schriftverkehr bekannt ist, um welche Rechnungen es im Einzelnen geht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist das Mitglied aber rechtlich nicht gehalten, eine solche Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben. Das öffentliche Interesse, das mit der Verpflichtung des Mitglieds zur Information der Beklagten über die Umstände einer ärztlichen Behandlung verfolgt wird, erfordert es nicht, dass das Mitglied einen unmittelbaren Kontakt zwischen dem behandelnden Arzt und der beklagten Krankenkasse ermöglicht. Bezeichnenderweise regelte die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gültige Satzung der Beklagten auch nicht die Verpflichtung der Mitglieder, in den Fällen des § 30 Abs. 3 der Satzung den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden (jetzt anders in § 78 Abs. 3 der derzeit geltenden Fassung der Satzung - allerdings für zwei Sonderkonstellationen). Der Versicherte kann seiner Verpflichtung zur umfassenden Information der Beklagten über die umstrittene ärztliche Behandlung auch dadurch nachkommen, dass er die erforderlichen Informationen bei seinem Arzt selbst beschafft und diese dann der Beklagten vorlegt. Auf diese Weise ist dem Versicherten die Prüfung möglich, welche Daten der ärztlichen Behandlung an die Beklagte weitergegeben werden. Besteht nach der Vorlage der Informationen bei der Beklagten und einer ggfs. durchgeführten körperlichen Untersuchung des Mitglieds durch den von der Beklagten gestellten Gutachter noch Aufklärungsbedarf, so muss die Beklagte diese Fragen an das Mitglied richten, die diese an den es behandelnden Arzt weitergibt. Die mit dieser Verfahrensweise für die Beklagte unter Umständen verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen es nicht, das Mitglied als in jedem Fall verpflichtet anzusehen, durch die Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung einen direkten Kontakt zwischen der Beklagten und dem behandelnden Arzt zu ermöglichen. Hat das Mitglied dagegen eine Entbindungserklärung abgegeben, darf das auf diese Weise von der Beklagten beschaffte Gutachten verwertet werden. Zukünftig wird die Beklagte die Mitglieder bei der Vorlage des Vordrucks über die Entbindung von der Schweigepflicht aber darauf hinweisen müssen, dass eine solche Erklärung nicht abgegeben werden muss, sondern das Mitglied die erforderlichen Informationen auch selbst beim behandelnden Arzt beschaffen und dann der Beklagten übermitteln kann.
34 
Wird angenommen, wofür - wie dargelegt - wenig spricht, dass die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten unter Inanspruchnahme der ohne den erforderlichen Hinweis abgegebenen Schweigepflichtentbindungserklärung erstellt worden sind, stellt sich die Frage der Verwertbarkeit dieser Gutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Eine ausdrückliche Regelung über Beweisverwertungsverbote findet sich in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Ein absolutes Verwertungsverbot besteht bei unzulässigen Beweismitteln, die als solche oder nach der Art ihrer Erstellung oder Beschaffung gegen bestehende Rechtssätze oder allgemeine Rechtsgrundsätze oder wesentliche verfassungsrechtliche Ordnungsnormen verstoßen. Mit den insoweit in Betracht kommenden Konstellationen (z. B. Verstoß gegen § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO, Eyermann/Geiger, VwGO, 12. Aufl. § 86, Rn. 23a) kann der Fall der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit von bestimmten dermatologischen Behandlungen unter Inanspruchnahme einer Schweigepflichtentbindungserklärung, zu der das Mitglied wegen des unzutreffenden Hinweises auf eine vermeintliche Rechtspflicht veranlasst worden ist, nicht gleichgestellt werden. Scheidet die Annahme eines absoluten Verwertungsverbots aus, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, die hier zur Verwertbarkeit des Gutachtens führt. Denn das Ergebnis hätte ohne Weiteres in rechtmäßiger Weise, d. h. ohne den unzutreffenden Hinweis in der von der Beklagten vorbereiteten Erklärung auf eine angebliche Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung, erlangt werden können. Die Klägerin ist, wie oben dargelegt, verpflichtet, der Beklagten die allein ihr zugänglichen Informationen vorzulegen, die diese benötigt, um die Notwendigkeit und Angemessenheit einer bestimmten ärztlichen Behandlung durch einen von ihr beauftragten Gutachter zu überprüfen. Das Gewicht des Interesses der Klägerin, dass es nicht zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen dem sie behandelnden Arzt und der Beklagten oder den von ihr beauftragten Gutachtern kommt, war auch von vornherein dadurch reduziert, dass sich Dr. M.-S. mit Schreiben vom 09.06.2005 unmittelbar an die Beklagte gewandt hatte und in diesem zu der von ihm bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankungen sowie seiner ärztlichen Behandlung (ab dem 18.04.2005) detailliert Stellung genommen hatte. Wie sich aus dem Eingangssatz dieses Schreibens des Dr. M.-S. ergibt, war dieses eine Reaktion auf das Anschreiben der Beklagten vom 30.05.2005. Dieses war aber nicht an den Arzt, sondern an die Klägerin gerichtet, die das Anschreiben wohl an ihren Arzt zur Stellungnahme gegenüber der Beklagten weitergegeben hat. Ferner haben die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren der Beklagten die weitere eingehende Stellungnahme des Dr. M.-S. vom 23.08.2005 vorgelegt, in der sich der behandelnde Arzt mit dem Erstgutachten des Prof. Dr. Dr. P. vom 11.07.2005 auseinandergesetzt hat und das Anlass für die zweite Stellungnahme des Gutachters vom 23.12.2005 war. Gerade im Hinblick auf das vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund seiner Ausführungen gestellte Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung liegt es auch auf der Hand, dass die hier vorliegende Fallgestaltung nicht mit der Verwendung einer heimlich eingeholten DNA-Analyse in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu vergleichen ist (BGH, Urt. v. 12.01.2005 - XII ZR 227/03 -, BGHZ 162, 1).
35 
2) Selbst wenn dem Verwaltungsgericht darin zu folgen wäre, dass die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten aus Rechtsgründen für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht berücksichtigt werden dürfen, hätte das Gericht der Klage nicht ohne Weiteres gemäß dem von ihm als sachdienlich angesehenen Klageantrag stattgeben dürfen.
36 
Sowohl im Verwaltungs- als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte unter Verweis auf die von ihr eingeholten Gutachten substantiiert geltend gemacht, die von ihr im Einzelnen beanstandeten GOÄ-Ziffern der beiden Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 seien von ihr nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 Satz 1 und 2 ihrer Satzung nicht anteilig zu erstatten. Denn es handele sich jeweils um Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschritten. Diesen substantiierten Vortrag der Beklagten durfte das Verwaltungsgericht nicht unter Hinweis auf den „Grundsatz“ unberücksichtigt lassen, in der Regel seien die auf Grund ärztlicher Anordnung entstehenden Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig. Denn selbst wenn von einem solchen Grundsatz ausgegangen wird, hatte die Beklagte dessen Anwendung durch ihren Sachvortrag ausgeschlossen. Gemäß § 86 Abs. 1 VwGO hätte das Verwaltungsgericht den danach im Hinblick auf die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen zwischen den Beteiligten umstrittenen Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen.
37 
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
38 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
39 
Beschluss vom 29. Juli 2008
40 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 223,27 EUR festgesetzt (§ 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 3 GKG).
41 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
20 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
21 
Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet an einem wesentlichen Mangel, der eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig macht (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat macht von dem ihm durch § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffneten Ermessen Gebrauch und verweist die Sache auf Antrag der Beklagten zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück. Maßgeblich für die Entscheidung ist, dass hierdurch die gesetzliche Regelung für die Berufung (§§ 124 ff. VwGO) eingehalten wird. Das Gesetz geht davon aus, dass zunächst das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung nach Durchführung einer Beweisaufnahme trifft und anschließend das Berufungsgericht über die Zulassung der Berufung nach Maßgabe der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO befindet, sofern das Verwaltungsgericht die Berufung nicht selbst zulässt.
22 
Der wesentliche Mangel des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO besteht hier darin, dass das Verwaltungsgericht die nach dem Vorbringen der Beteiligten gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erforderliche Beweisaufnahme nicht durchgeführt hat (Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 130, Rn. 4). Zwar hatte die Beklagte, anders als die Klägerin, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keinen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt. Nach dem Vortrag der Beklagten musste sich dem Verwaltungsgericht jedoch eine Beweisaufnahme aufdrängen. Zudem ist der Einzelrichter, wie seinen Verfügungen vom 04. und vom 29.08.2006 zu entnehmen ist, ursprünglich ebenfalls vom Erfordernis einer Beweisaufnahme ausgegangen. Bei dieser Beweiserhebung hätten die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. P. Berücksichtigung finden können (1). Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften aus Rechtsgründen nicht verwertet werden, hätte das Verwaltungsgericht der Klage nicht ohne Weiteres stattgegeben dürfen. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht die entscheidungserhebliche Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der von der Beklagten als zweifelhaft angesehenen Behandlungen der Klägerin durch den Dermatologen Dr. M.-S. nach § 86 Abs. 1 VwGO aufklären müssen. Denn der mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch der Klägerin ist nach § 30 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Beklagten auf Leistungen im unbedingt nötigen Umfang beschränkt. Die Beklagte hatte bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert geltend gemacht, die geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlung durch Dr. M.-S. seien teilweise nicht zu erstatten (2).
23 
Dass die noch erforderliche gerichtliche Beweisaufnahme keine „einfache“ (z. B. Vernehmung eines einzelnen Zeugen, vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6393, S. 14), sondern eine aufwändige im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sein wird, ergibt sich aus dem Umstand, dass nunmehr die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen (GOÄ-Ziffern) der Rechnung des behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. vom 06.06.2005 und des Labors vom 20.06.2005 mit Hilfe eines Sachverständigen überprüft werden müssen, die die Beklagte im Widerspruchsbescheid als nicht anerkennungsfähig aufgeführt hat. Dabei sind die im Widerspruchsbescheid erfolgte Nacherstattung in Höhe von 5,32 EUR sowie die weitere Bewilligung der Beklagten in Höhe von 10,97 EUR zu berücksichtigen.
24 
1) Es ist allgemein anerkannt, dass sich ein Verwaltungsgericht für sein Urteil ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht - im Wege des Urkundsbeweises (BVerfG, Kammerbeschl. v. 30.11.1993 - 2 BvR 594/93 -, BayVBl 1994, 143) - auf eine gutachtliche Stellungnahme stützen kann, die eine Behörde im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeholt und als Parteivortrag in das Verfahren eingeführt hat. Die Einholung eines „zusätzlichen“ Sachverständigengutachtens steht nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO dann im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.1992 - 4 B 39.92 -, NVwZ 1993, 268; Beschl. v. 24.03.2000 - 9 B 530.99 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 m.w.Nachw.). Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil davon ausgegangen, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften nicht berücksichtigt werden, weil die Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 rechtswidrig erlangt worden sei.
25 
Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Betroffenen vor der Preisgabe und Weitergabe von Informationen über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen zur Behandlung einer Erkrankung. Dieses Recht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz der öffentlichen Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. -, BVerfGE 65, 1, Rn. 151).
26 
Hinsichtlich der Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 ist zu berücksichtigen, dass diese zum einen die Entbindung von der Schweigepflicht betrifft (b) und zum anderen die Beklagte ermächtigt, die zur Erstellung des Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung notwendigen Unterlagen und Informationen an die von ihr mit der Gutachtenerstellung beauftragten Personen weiterzugeben (a).
27 
a) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts enthält die zum maßgeblichen Zeitpunkt gültige Satzung der Beklagten (vom 01.06.2005) in den Bestimmungen der § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 eine ausreichende Grundlage für die Weitergabe der hier in Rede stehenden Informationen über die hautärztlichen Behandlungen der Klägerin durch die Beklagte an einen (mittelbar) in ihrem Auftrag tätig werdenden - externen - ärztlichen Gutachter.
28 
Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten geregelt. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Erstattungsfähig sind Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Nach § 30 Abs. 3 der Satzung sind die Mitglieder und die mitversicherten Angehörigen verpflichtet, Leistungen nur in dem unbedingt nötigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Für Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschreiten, können die Leistungen gekürzt oder versagt werden. Bestehen Zweifel über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung, der verordneten Heilmittel, der Krankenhausleistungen usw., ist die Beklagte nach § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung ausdrücklich berechtigt, dies durch einen Amts- oder Vertrauensarzt (-zahnarzt) überprüfen zu lassen. Die Kosten der Überprüfung trägt nach Satz 5 die Beklagte. In § 78 Abs. 2 der Satzung ist bestimmt, dass das Mitglied verpflichtet ist, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Nachweise vorzulegen, wenn dies zur Prüfung der Berechtigung des Leistungsanspruchs notwendig ist. Ergänzend ist in § 78 Abs. 3 der Satzung geregelt, dass das Mitglied, wenn es seinen Verpflichtungen aus dem Absatz 2 schuldhaft nicht nachkommt, die daraus entstehenden Nachteile zu tragen hat.
29 
Nach den aufgeführten Bestimmungen ihrer Satzung ist die Beklagte berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung zu überprüfen. Denn hierauf beschränkt sich der Leistungsanspruch des Mitglieds. Die Beklagte war auch berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlungen durch Dr. M.-S. zu überprüfen, deren Erstattung die Klägerin beantragt hatte. Wie die Beklagte im Verwaltungs- wie im gerichtlichen Verfahren substantiiert dargelegt hat, erscheint es zumindest als zweifelhaft, ob die in den fraglichen Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 aufgeführten Leistungen nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in vollem Umfang erstattungsfähig sind. Bestehen Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung, setzt das in § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten zulässigerweise geregelte Verfahren zur Klärung dieser Frage die Mitwirkung des Mitglieds voraus. Die Informationen über die Umstände der Behandlung des Mitglieds sind der Beklagten regelmäßig unbekannt. Zwischen ihr und dem behandelnden Arzt bestehen keine rechtlichen Beziehungen. Privatrechtlich in Beziehung stehen vielmehr das Mitglied und der behandelnde Arzt. Das Mitglied hat aus dem Dienstvertrag mit dem Arzt einen umfassenden Auskunfts- und Informationsanspruch. Diesen Anspruch muss das Mitglied gegenüber dem behandelnden Arzt geltend machen, um seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung nachzukommen. Zur Überprüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Leistungen an Hand der vom Mitglied vorgelegten Informationen über die fragliche Behandlung muss sich die Beklagte medizinischen Sachverstands bedienen. Aus § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten ergibt sich für die Mitglieder ohne Weiteres, dass die vom Mitglied entsprechend der Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung vorgelegten Informationen an externe Gutachter weiter gegeben werden, weil die Beklagte mangels eigenen medizinischen Sachverstands der Hilfe von nicht bei ihr beschäftigten Ärzten oder Zahnärzten bedarf. Mit dem Recht der Beklagten, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung überprüfen zu lassen, ist zugleich die Verpflichtung der Mitglieder geregelt, die für dieses Verfahren erforderliche Übermittlung von Daten über die erfolgte ärztliche Behandlung an externe Gutachter zu dulden. Eine Rechtspflicht, Personal zu beschäftigen, das aufgrund seines medizinischen Sachverstands die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen in jedem Fall beurteilen kann, so dass die Weitergabe an externe Gutachter ausscheidet, besteht für die Beklagte nicht. Danach ergibt sich aus der Zusammenschau von § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 der Satzung das Recht der Beklagten, die ihr über die fragliche Behandlung vom Mitglied vorgelegten Informationen an von ihr beauftragte Dritte zu übermitteln und zugleich die Verpflichtung des Mitglieds zur Duldung dieser Weitergabe. Dem Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung wurde auch dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass in der von der Beklagten vorformulierten Erklärung der Arzt, um dessen Behandlung es konkret ging, namentlich benannt war. Zudem war der Klägerin durch den vorangegangenen Schriftverkehr mit der Beklagten bekannt, die Erstattungsfähigkeit welcher Aufwendungen von der Beklagten angezweifelt wurde.
30 
Danach bestehen gegen die Weitergabe der die fraglichen Behandlungen der Klägerin betreffenden Informationen an den für die Beklagten tätigen Gutachter keine rechtlichen Bedenken, wenn die Beklagte von diesen ohne Inanspruchnahme der in der Erklärung vom 22.06.2005 enthaltenen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht Kenntnis erlangt hat.
31 
b) Entbindet der Patient, der bei der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für seine ärztliche Behandlung geltend macht, den ihn behandelnden Arzt von der Schweigepflicht, so entfällt hierdurch die Strafbarkeit des Arztes nach § 203 Abs. 1 StGB, wenn dieser gegenüber Dritten Einzelheiten aus der ärztlichen Behandlung des Mitglieds offenbart. Zugleich ist ausgeschlossen, dass durch eine solche Handlung der privatrechtliche (Dienst-) Vertrag verletzt wird. Zudem wird aus Sicht der Beklagten der unmittelbare Kontakt zwischen ihr und dem behandelnden Arzt ermöglicht.
32 
In tatsächlicher Hinsicht ist hier aber unklar, ob die Erklärung der Klägerin, sie entbinde den behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. von der Schweigepflicht, für die Erstellung der Gutachten überhaupt von Bedeutung war. Denn es spricht vieles für den von der Beklagten in der Berufungsverhandlung dargelegten Geschehensablauf, wonach die Klägerin insbesondere die Auszüge aus der sie betreffenden Karteikarte (Zeitraum vom 18.04 bis 11.06.2005) bei Dr. M.-S. beschafft und dann der Beklagten gemeinsam mit der unterschriebenen Einverständniserklärung selbst vorgelegt hat. Für diesen Ablauf spricht insbesondere, dass die Beklagte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 16.06.2005 ausdrücklich aufgefordert hatte, die „vollständigen Krankenunterlagen ab dem 18.04.2005 zusammen mit der Einverständniserklärung (1 Exemplar) zur vertrauensärztlichen Begutachtung innerhalb von 14 Tagen vorzulegen“. Der dem Senat vorliegenden Originalakte der Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, dass sich der behandelnde Arzt Dr. M.-S. wegen dieses Auszugs aus der von ihm über die Behandlung der Klägerin geführten Karteikarte unmittelbar an die Beklagte gewandt hat. Demgegenüber findet sich in der Verwaltungsakte der Beklagten ein Schreiben des Dr. M.-S. vom 09.06.2005 an die Beklagte, in dem der Arzt auf das an die Klägerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 30.05.2005 reagiert hat. Ein weitere schriftliche Stellungnahme des Arztes (vom 23.08.2005) ist von den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegt worden.
33 
Hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellten Frage der Verpflichtung eines Mitglieds zur Abgabe einer Erklärung über die Entbindung des behandelnden Arztes von seiner Schweigepflicht, gilt das Folgende: In Bezug auf die Art und Weise, in der das Mitglied seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Informations- und Mitwirkungspflicht zur Klärung der Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung nachkommt, steht ihm ein Wahlrecht zu. Das Mitglied kann zunächst den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und damit einen unmittelbaren Kontakt zwischen diesem Arzt und der Beklagten und den in ihrem Auftrag tätigen Gutachter ermöglichen. Den Interessen des Mitglieds an einer möglichst eingegrenzten Entbindung von der Schweigepflicht wird dadurch Rechnung getragen, dass der behandelnde Arzt in der Erklärung benannt wird und zudem dem Mitglied aus dem vorangegangenen Schriftverkehr bekannt ist, um welche Rechnungen es im Einzelnen geht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist das Mitglied aber rechtlich nicht gehalten, eine solche Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben. Das öffentliche Interesse, das mit der Verpflichtung des Mitglieds zur Information der Beklagten über die Umstände einer ärztlichen Behandlung verfolgt wird, erfordert es nicht, dass das Mitglied einen unmittelbaren Kontakt zwischen dem behandelnden Arzt und der beklagten Krankenkasse ermöglicht. Bezeichnenderweise regelte die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gültige Satzung der Beklagten auch nicht die Verpflichtung der Mitglieder, in den Fällen des § 30 Abs. 3 der Satzung den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden (jetzt anders in § 78 Abs. 3 der derzeit geltenden Fassung der Satzung - allerdings für zwei Sonderkonstellationen). Der Versicherte kann seiner Verpflichtung zur umfassenden Information der Beklagten über die umstrittene ärztliche Behandlung auch dadurch nachkommen, dass er die erforderlichen Informationen bei seinem Arzt selbst beschafft und diese dann der Beklagten vorlegt. Auf diese Weise ist dem Versicherten die Prüfung möglich, welche Daten der ärztlichen Behandlung an die Beklagte weitergegeben werden. Besteht nach der Vorlage der Informationen bei der Beklagten und einer ggfs. durchgeführten körperlichen Untersuchung des Mitglieds durch den von der Beklagten gestellten Gutachter noch Aufklärungsbedarf, so muss die Beklagte diese Fragen an das Mitglied richten, die diese an den es behandelnden Arzt weitergibt. Die mit dieser Verfahrensweise für die Beklagte unter Umständen verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen es nicht, das Mitglied als in jedem Fall verpflichtet anzusehen, durch die Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung einen direkten Kontakt zwischen der Beklagten und dem behandelnden Arzt zu ermöglichen. Hat das Mitglied dagegen eine Entbindungserklärung abgegeben, darf das auf diese Weise von der Beklagten beschaffte Gutachten verwertet werden. Zukünftig wird die Beklagte die Mitglieder bei der Vorlage des Vordrucks über die Entbindung von der Schweigepflicht aber darauf hinweisen müssen, dass eine solche Erklärung nicht abgegeben werden muss, sondern das Mitglied die erforderlichen Informationen auch selbst beim behandelnden Arzt beschaffen und dann der Beklagten übermitteln kann.
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Wird angenommen, wofür - wie dargelegt - wenig spricht, dass die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten unter Inanspruchnahme der ohne den erforderlichen Hinweis abgegebenen Schweigepflichtentbindungserklärung erstellt worden sind, stellt sich die Frage der Verwertbarkeit dieser Gutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Eine ausdrückliche Regelung über Beweisverwertungsverbote findet sich in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Ein absolutes Verwertungsverbot besteht bei unzulässigen Beweismitteln, die als solche oder nach der Art ihrer Erstellung oder Beschaffung gegen bestehende Rechtssätze oder allgemeine Rechtsgrundsätze oder wesentliche verfassungsrechtliche Ordnungsnormen verstoßen. Mit den insoweit in Betracht kommenden Konstellationen (z. B. Verstoß gegen § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO, Eyermann/Geiger, VwGO, 12. Aufl. § 86, Rn. 23a) kann der Fall der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit von bestimmten dermatologischen Behandlungen unter Inanspruchnahme einer Schweigepflichtentbindungserklärung, zu der das Mitglied wegen des unzutreffenden Hinweises auf eine vermeintliche Rechtspflicht veranlasst worden ist, nicht gleichgestellt werden. Scheidet die Annahme eines absoluten Verwertungsverbots aus, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, die hier zur Verwertbarkeit des Gutachtens führt. Denn das Ergebnis hätte ohne Weiteres in rechtmäßiger Weise, d. h. ohne den unzutreffenden Hinweis in der von der Beklagten vorbereiteten Erklärung auf eine angebliche Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung, erlangt werden können. Die Klägerin ist, wie oben dargelegt, verpflichtet, der Beklagten die allein ihr zugänglichen Informationen vorzulegen, die diese benötigt, um die Notwendigkeit und Angemessenheit einer bestimmten ärztlichen Behandlung durch einen von ihr beauftragten Gutachter zu überprüfen. Das Gewicht des Interesses der Klägerin, dass es nicht zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen dem sie behandelnden Arzt und der Beklagten oder den von ihr beauftragten Gutachtern kommt, war auch von vornherein dadurch reduziert, dass sich Dr. M.-S. mit Schreiben vom 09.06.2005 unmittelbar an die Beklagte gewandt hatte und in diesem zu der von ihm bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankungen sowie seiner ärztlichen Behandlung (ab dem 18.04.2005) detailliert Stellung genommen hatte. Wie sich aus dem Eingangssatz dieses Schreibens des Dr. M.-S. ergibt, war dieses eine Reaktion auf das Anschreiben der Beklagten vom 30.05.2005. Dieses war aber nicht an den Arzt, sondern an die Klägerin gerichtet, die das Anschreiben wohl an ihren Arzt zur Stellungnahme gegenüber der Beklagten weitergegeben hat. Ferner haben die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren der Beklagten die weitere eingehende Stellungnahme des Dr. M.-S. vom 23.08.2005 vorgelegt, in der sich der behandelnde Arzt mit dem Erstgutachten des Prof. Dr. Dr. P. vom 11.07.2005 auseinandergesetzt hat und das Anlass für die zweite Stellungnahme des Gutachters vom 23.12.2005 war. Gerade im Hinblick auf das vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund seiner Ausführungen gestellte Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung liegt es auch auf der Hand, dass die hier vorliegende Fallgestaltung nicht mit der Verwendung einer heimlich eingeholten DNA-Analyse in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu vergleichen ist (BGH, Urt. v. 12.01.2005 - XII ZR 227/03 -, BGHZ 162, 1).
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2) Selbst wenn dem Verwaltungsgericht darin zu folgen wäre, dass die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten aus Rechtsgründen für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht berücksichtigt werden dürfen, hätte das Gericht der Klage nicht ohne Weiteres gemäß dem von ihm als sachdienlich angesehenen Klageantrag stattgeben dürfen.
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Sowohl im Verwaltungs- als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte unter Verweis auf die von ihr eingeholten Gutachten substantiiert geltend gemacht, die von ihr im Einzelnen beanstandeten GOÄ-Ziffern der beiden Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 seien von ihr nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 Satz 1 und 2 ihrer Satzung nicht anteilig zu erstatten. Denn es handele sich jeweils um Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschritten. Diesen substantiierten Vortrag der Beklagten durfte das Verwaltungsgericht nicht unter Hinweis auf den „Grundsatz“ unberücksichtigt lassen, in der Regel seien die auf Grund ärztlicher Anordnung entstehenden Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig. Denn selbst wenn von einem solchen Grundsatz ausgegangen wird, hatte die Beklagte dessen Anwendung durch ihren Sachvortrag ausgeschlossen. Gemäß § 86 Abs. 1 VwGO hätte das Verwaltungsgericht den danach im Hinblick auf die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen zwischen den Beteiligten umstrittenen Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen.
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
38 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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Beschluss vom 29. Juli 2008
40 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 223,27 EUR festgesetzt (§ 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 3 GKG).
41 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Zweck des Gesetzes ist es, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Gemische zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen.

Gründe

1

1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 24. März 2015 hat keinen Erfolg.

2

a) Die von der Klägerin gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

3

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen(vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

4

Das Antragsvorbringen unter B. I. der Antragsbegründungsschrift begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Verwendung asbesthaltiger Gebäudeteile als Träger von Wärmedämmungen unzulässig und das asbesthaltige Fugenmaterial vor der Durchführung von Maßnahmen der Fassadengestaltung von Bauten mit asbesthaltigen Fugen rückstandsfrei zu entfernen sei. Denn es geht in dem vorliegenden konkreten Einzelfall zu Recht davon aus, dass das Überbauen oder Überdecken der mit asbesthaltigen Fugen versehenen Außenfassade eine verbotene Arbeit an einem asbesthaltigem Gebäudeteil im Sinne von § 16 Abs. 2 der Gefahrstoffverordnung - GefStoffV - in der Fassung vom 26. November 2010 (BGBl. I 1643, 1644) zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl. I 49) i. V. m. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV darstellt.

5

Der klägerische Einwand, Überdeckungs- und Überbauungsarbeiten seien nach dem Wortlaut des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV nur insoweit unzulässig, als sie Asbestzementdächer und -wandverkleidungen beträfen, so dass solche Arbeiten im Übrigen unter die in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV erlaubten Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten fielen, ist nicht schlüssig und rechtfertigt die Zulassung der Berufung daher nicht.

6

Nach Anhang II Abs. 1 Satz 1 GefStoffV sind Arbeiten u.a. an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden verboten. Nach Satz 2 bzw. 3 der Vorschrift gilt der Satz 1 nicht für Abbrucharbeiten (Nr. 1), Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit Ausnahme von Arbeiten, die zu einem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führen (insbesondere Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren), es sei denn, es handelt sich um emissionsarme Verfahren, die behördlich oder von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt sind (Nr. 2) und für Tätigkeiten mit messtechnischer Begleitung, die zu einem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führen und die notwendigerweise durchgeführt werden müssen, um eine Anerkennung als emissionsarmes Verfahren zu erhalten (Nr. 3). Zu den nach Satz 1 verbotenen Arbeiten zählen auch Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen sowie Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an unbeschichteten Asbestzementdächern und -wandverkleidungen (Satz 4).

7

Voranzustellen ist, dass das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen ist, dass es sich bei den hier streitbefangenen Asbestfugen der Außenfassade der Wohnblöcke in der M-Straße 60-78 in M-Stadt um eine Asbestzementwandverkleidung im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV handelt. Vielmehr legt es die Regelungen des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 und 4 GefStoffV dahingehend aus, dass die Überdeckung jeglicher asbesthaltiger Wandverkleidungen/Gebäudeteile verboten sei, wobei die Größe keine Rolle spiele (vgl. Seite 5 des Urteilsabdrucks). Diese Auffassung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

8

Bei den Fugen - was die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründungsschrift auch nicht in Abrede stellt - handelt es sich um einen asbesthaltigen Teil eines Gebäudes. Denn das Fugenmaterial, mit dem die aus Stahlbeton bestehenden Fertigteilelemente im Zuge der Errichtung der Wohnblöcke geschlossen worden sind, besteht aus Asbest in fest gebundener Form (hier: "Morinol", mit einem bis zu 40%-igen Chrysotilasbest).

9

Auch werden - entgegen der Auffassung der Klägerin - Arbeiten an den asbesthaltigen Fugen vorgenommen. Arbeit im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV ist jede Tätigkeit bzw. einzelne Verrichtung an einem aus dem Gefahrstoff Asbest bestehenden Material der eine Berührung mit dem Gefahrstoff beinhaltet. Hierzu gehört auch das Überdecken der Asbestfugenoberfläche durch Verkleben mit Dämmmaterial, da auf die asbesthaltige Fuge der Wärmedämmstoff zur energetischen Sanierung aufgebracht werden soll. Denn es werden hierbei Arbeiten im unmittelbaren Gefährdungsbereich des Stoffes Asbest durchgeführt.

10

Dass das Fugenmaterial lediglich überdeckt und damit weder verändert noch (weiter) beschädigt werde, führt nicht etwa dazu, dass es sich bei der Überdeckungsarbeit durch Aufbringen von Dämmmaterial um keine im Regelfall verbotene Arbeit an Asbestfugen, mithin an asbesthaltigen Gebäudeteilen im vorgenannten Sinne handelt. Denn zwingende Voraussetzung der sich nach Satz 1 ergebenden Verbotsnorm mit Ausnahmevorbehalt (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GefStoffV) ist nicht, dass durch die Arbeit an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden asbesthaltige Stoffe freigesetzt würden, d. h. Beschäftigte und Dritte durch die Tätigkeit tatsächlich einer gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt sind. Allein die vom Gesetzgeber mit der Fassung der Norm unterstellte abstrakte Gefahr einer unkontrollierten Freisetzung von asbesthaltigen Stoffen im Rahmen eines Arbeitsprozesses, mithin der bloße Kontakt des Beschäftigten und anderer Personen bei den Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff genügt und rechtfertigt das generelle Verbot. Dies ergibt sich zum einem aus der besonderen Gefährlichkeit des Stoffes Asbest. Denn der Gefahrstoff Asbest ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - krebserregend und gehört zu den gefährlichsten Stoffen, die die Gesundheit gefährden und dauerhaft schädigen können. Erkrankungen infolge des Kontaktes mit Asbest liegt eine hohe Latenzzeit zugrunde. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich über 1.000 Menschen durch Erkrankungen infolge des Umgangs mit Asbest. Zweck des Chemikaliengesetzes - ChemG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2013 (BGBl. I 3498), zuletzt geändert durch Art. 431 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I 1474) ist es, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe (hier: Asbest) und Gemische zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen (vgl. § 1 ChemG). Hiermit in unmittelbarem Zusammenhang steht eines der Ziele der auf § 19 Abs. 1 und 3 ChemG beruhenden Gefahrstoffverordnung, durch Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GefStoffV). Diese sich aus dem Gesetz und der Rechtsverordnung ergebenen Zielsetzungen können durch ein umfassendes Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Materialien bei unterstellter abstrakter Gefährlichkeit erreicht werden. Daneben entspricht dies auch - worauf der Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen hat (vgl. Klageerwiderung vom 13. Juni 2013, S. 3) - dem Willen des Verordnungsgebers. Danach solle, wie in der Vorlage (vgl. BR-[Grund-]Drs.456/10 S. 55, Gefährdung durch Exposition durch Asbestfasern noch vorausgesetzt) abweichend von den bisherigen Regelungen vorgesehen gewesen sei, das Verwendungsverbot nicht von der Besorgnis einer Exposition abhängig gemacht werden, da die notwendige Prüfung dieser Bedingung zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen und die mit dieser Bedingung verbundene Einschränkung des Verwendungsverbotes die dauerhafte weitere Nutzung asbesthaltiger Produkte fördern würde, statt ein Signal für den mittelfristigen Austausch derartiger Materialen zu setzen (vgl. BR-Drs. 456/1/10 [Empfehlungen der Ausschüsse] S. 14 f.).

11

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, der Begriff der "Arbeit an einem asbesthaltigen Gebäudeteil" sei gesetzessystematisch im Kontext zu Tätigkeiten zu sehen, die gemäß Anhang II Nr. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV zu einem Abtrag von asbesthaltigen Oberflächen führen, denn ausdrücklich werde dort von einem "verbotenen Abtrag" (vgl. Satz 3 der Vorschrift) gesprochen, übersieht sie, dass der Verordnungsgeber - wie bereits dargestellt - von der abstrakten Gefährlichkeit des Gefahrstoffes Asbest ausgeht und es keiner konkreten Gefährdung durch einen zielgerichteten Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten (beispielsweise durch Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren [vgl. Satz 3 der Vorschrift]) bedarf.

12

Selbst wenn man - entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung - davon ausginge, dass die Arbeit, mithin die Überdeckungstätigkeit an asbesthaltigem Material eine über die abstrakte Gefahr hinausgehende Gefährdung für Beschäftige oder Dritte voraussetze, um der Verbotsnorm des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV zu unterfallen, ist vorliegend zu konstatieren, dass die Klägerin schon nicht hinreichend dargelegt hat, dass eine solche Gefahr im Rahmen des Arbeitsprozesses der Überdeckung der Fassade und ihrer Asbestfugen nicht besteht. Denn die Klägerin hat selbst im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass die Asbestfugen seit 30 Jahren der Witterung ausgesetzt seien und es gegebenenfalls zur Freisetzung von Bestandteilen des Fugenkittes bereits gekommen sei (vgl. Seite 4, 1. Absatz der Klageschrift). Aus welchen Gründen eine solche Freisetzung im Rahmen des angestrebten Arbeitsprozesses nicht erfolge, legt sie schon im Ansatz nicht dar. Sie ist auch nicht dem überzeugenden Vorbringen des Beklagten in seiner Antragserwiderungsschrift entgegengetreten, dass aufgrund des hohen Verwitterungsgrades der Fugen bzw. bei Erschütterungen infolge von Bohrarbeiten an der Fassade, d. h. in Fugennähe im Rahmen des Gerüstaufbaues jederzeit mit austretenden Asbestfasern zu rechnen sei. Soweit die Klägerin zudem vorträgt, durch die geplante Wärmedämmung der Fassade und der damit verbunden Überdeckung der Fugen würden derartige Gefahren nicht vergrößert, sondern vermindert und beseitigt werden, verkennt sie, dass die Gefahrstoffverordnung insoweit vorrangig dem Ziel dient, die Beschäftigten und Dritte im Rahmen von Arbeitsprozessen vor dem Gefahrstoff Asbest zu schützen. Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, ob in einer ex-post Betrachtung, d. h. nach Abschluss der Überdeckungsarbeiten temporär - nämlich für die Dauer der Überdeckung - eine Verringerung des Gefahrenlast für die Umwelt durch den Gefahrstoff Asbest festzustellen ist.

13

Dass der Verordnungsgeber in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV bestimmt hat, dass zu den nach Satz 1 verbotenen Arbeiten auch Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen gehören, führt entgegen der Sichtweise der Klägerin nicht etwa dazu, dass jede Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeit an asbesthaltigen Gebäudeteilen, die nicht an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen durchgeführt werde, zulässig sei. Denn der von ihr gezogenen Schluss, dass die Ausnahmebestimmung im Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV eine Spezialbestimmung für (Sanierungs- und Instandhaltungs-)Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden sei, mithin jede sonstige Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeit an asbesthaltigen Materialen, die nicht unter Satz 4 der Vorschrift falle und zu keinem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führe, als eine zulässige Arbeit zu kategorisieren sei, wird durch die hier gebotenen Auslegung der Vorschrift nicht gedeckt. Schon dem Wortlaut nach hat der Verordnungsgeber in Satz 4 der Vorschrift durch die Verwendung des Wortes "auch" unter Verweis auf die generelle Verbotsnorm des Satzes 1 der Vorschrift lediglich beispielhaft verbotene Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen aufgezählt, ohne die als solches verbotene Arbeit der Überdeckung, Überbauung und Aufständerung auf bestimmte asbesthaltige Gebäudeteile zu begrenzen. Dass Asbestzementdächer und -wandverkleidungen ausdrücklich beispielhaft aufgezählt werden, dürfte der Häufigkeit ihres Aufkommens im Bundesgebiet geschuldet sein, wohingegen die Altlast durch sog. Morinolfugen in Häuserfassaden von zu DDR-Zeiten errichteten Plattenbauten - wie die Beteiligten übereinstimmend vortragen - im Regelfall nur die ostdeutschen Bundesländer betrifft. Das beispielhaft bezeichnete Überbauungsverbot für Asbestzementdächer war bereits in der Gefahrstoffverordnung in der Fassung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 3758) enthalten und ist um die Asbestzementwandverkleidung in der Gefahrstoffverordnung vom 26. November 2010 nur beispielhaft ergänzt worden. Ein dahingehender Wille des Verordnungsgebers, schlichte Verdeckungen von asbesthaltigen Gebäudeteilen bei fehlendem Abtrag der Oberfläche zu gestatten, kann den Gesetzesmaterialen dagegen nicht entnommen werden. Vielmehr wird durch den Ausschluss einer Gefährdungsanalyse (vgl. BR-Drs. 456/1/10, a. a. O.) ein allumfassendes Verbot jeglicher Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialen beschrieben - so auch der schlichten Überdeckung - und im Übrigen die Neuformulierung des Absatzes 1 als signalgebend für die Asbestsanierung angesehen (vgl. BR-[Grund-]Drs. 456/10, S. 96 f., BR-Drs. 456/1/10, a. a. O.), da es gerade nicht auf eine konkrete Gefährdungslage ankommt.

14

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut kommt es bei der Prüfung der ausnahmsweise bestehenden Zulässigkeit von Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden zuvorderst darauf an, ob es sich hierbei um eine sog. ASI-Arbeit - Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeit - im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV oder eine Tätigkeit mit messtechnischer Begleitung in Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GefStoffV handelt. Denn nur diese Tätigkeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden rechtfertigen vor dem Hintergrund der Schutzrichtung des Chemikaliengesetzes und der hierauf basierenden Gefahrstoffverordnung einen Umgang mit dem durch den Gefahrstoff Asbest belasteten und damit allgemein gefahrtragenden Gebäudeteil. Alle sonstigen Tätigkeiten an asbesthaltigen Teilen sind - wie in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 klar definiert - zum Schutz der Beschäftigten und dritter Personen von vornherein verboten, ohne dass es einer konkreten Gefährdung des hierdurch geschützten Personenkreises bedarf (Unterstreichung durch das Gericht).

15

Die Klägerin hat in nicht hinreichender Art und Weise dargelegt, dass die von ihr beabsichtigte energetische Wärmedämmung der streitbefangenen asbestbelasteten Häuserfassade eine Sanierungsarbeit im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV ist. Denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - ist die hier streitbefangene Tätigkeit der energetischen Sanierung keine Sanierungsarbeit an dem asbesthaltigen Gebäudeteil - der Fuge - im Sinne der Vorschrift. Sog. ASI-Arbeiten verfolgen nach der gesetzgeberischen Intention das Ziel, asbesthaltige Materialien aus der Gebäudesubstanz zu entfernen und gegebenenfalls durch asbestfreie Materialien zu ersetzen. Denn nur eine auf Beseitigung bzw. Verringerung des Gefährdungspotentials ausgerichtete Tätigkeit kann einen Umgang mit dem asbestbelasteten Gefahrstoff, mithin die damit in Zusammenhang stehenden Gefährdung von Beschäftigten und anderer Personen rechtfertigen. Das bloße Überbauen und/oder das Überdecken von asbesthaltigem Fugenmaterial mit einem Wärmeverbundsystem verfolgt diese Zielrichtung jedoch nicht. Auf den konkreten Zustand der Asbestfuge und das ihr innewohnende Gefahrenpotential wird kein Einfluss genommen, obgleich die Beschäftigten einer Arbeit an dem Gefahrstoff ausgesetzt werden. Dass nach dem Verbau des Wärmeverbundsystems die Asbestfuge keinen Umwelteinflüssen mehr ausgesetzt sei und eine Freisetzung von Asbestfasern nicht (mehr) erfolgen könne, vermag an dem weiterhin bestehenden und mit Ablauf der Nutzungsdauer ansteigenden Gefährdungspotential des Gefahrstoffes Asbest und dem darin enthaltenden Gesundheitsrisiken nichts zu ändern. Auf den unter I. 3. lit. e) der Antragsbegründungsschrift geführten Einwand der Klägerin, dass zur Auslegung der Begriffe Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV die in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe 519 (TRGS 519 [GMBl. 2014, S. 164 ff.; GMBl. 2015, S. 136 f.]) unter Ziffer 2.1 bis 2.3 verwendeten Begriffsbestimmungen nicht heranzuziehen seien, kommt es damit schon nicht entscheidungserheblich an.

16

Dass der Normgeber lediglich allgemein bzw. politisch auf sein Motiv (mittelfristiger Austausch) hingewiesen haben soll und sich hieraus kein spezifischer Inhalt ableite, legt die Klägerin nicht hinreichend dar. Soweit sie in diesem Zusammenhang vorträgt, dass andernfalls die Unterscheidung in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (Abbruch) und Nr. 2 (Sanierung/Instandhaltung) nicht zu erklären sei, da "Abbruch" und "Arbeiten an" das Gegenteil seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr sind nach der Gesetzessystematik und dem Wortlaut "Abbrucharbeiten" im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1GefStoff "Arbeiten an" asbesthaltigen Teilen, da nach Satz 2 ausdrücklich geregelt wird, dass Satz 1 - nämlich das Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Teilen - nicht für die unter Nr. 1 bis Nr. 3 aufgeführten Ausnahmearbeiten/-tätigkeiten gilt. Dass - wie die Klägerin zu Recht ausführt - keine Rechtspflicht zum Entfernen asbesthaltiger Materialen bestehe, führt - entgegen ihrer Auffassung - jedoch nicht dazu, dass an asbesthaltigen Produkten ohne Weiteres gearbeitet werden dürfe.

17

Der Einwand der Klägerin, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und vom Senat geteilte Auslegung des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV als generelle Verbotsnorm den grundrechtsintensiven Bereich der Klägerin in ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. ihrer allgemeinen Wirtschaftsfreiheit betreffe, in den Schutzbereich ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG eingreife und deshalb zu einer restriktiven Auslegung zwinge, legt die Klägerin - die eine Verletzung lediglich behauptet - schon nicht in dem gebotenen Maß dar. Ungeachtet dessen bedürfen Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt (durch oder aufgrund eines Gesetzes). Die gesetzlichen Grundlagen sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, d. h. wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist . Das zulässige Ausmaß von Beschränkungen hängt hierbei von der Intensität des Eingriffs ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 - juris). Hiervon ausgehend ist das Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen durch schlichte Verdeckung des Gefahrstoffes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Verbot beruht zunächst auf einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung, mit welcher der Gesetzgeber von dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Gebrauch gemacht und der Verordnungsgeber mit der auf der Grundlage der Ermächtigung in § 19 ChemG ergangenen Gefahrstoffverordnung die Berufsausübung im Bereich des Baugewerbes in zulässiger Weise eingeschränkt hat. Es betrifft lediglich einen Teilbereich der Tätigkeit eines fassadenbearbeitenden Bauunternehmens und ist daher eine reine Ausübungsregelung auf der niedrigsten Eingriffsstufe. Der hier vorliegende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist auch zulässig, da vernünftige Erwägungen des Gemeinwohles diesen zweckmäßig erscheinen lassen. Gewichtiges Gemeinwohlinteresse ist hier der höherrangige Schutz der Gesundheit von Beschäftigen und anderer Personen bei Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff Asbest, so dass Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden unter Einhaltung bestimmter arbeitstechnischer, -medizinischer und -hygienischer Bedingungen nur in insoweit erlaubt sind, als sie der Eliminierung oder Verringerung des mit dem Gefahrstoff Asbest einhergehenden Gefahrenpotentials dienen. Sonstige Tätigkeiten an einem Asbestprodukt, insbesondere dessen schlichte Überdeckung, die die Gefahrenlage allenfalls temporär beeinflussen kann (für den Zeitraum der Überdeckung), das Gefahrenpotential als solches jedoch nicht zu senken in der Lage ist, sind im Interesse der menschlichen Gesundheit verboten. Dies entspricht dem von der Klägerin beschriebenen "Interventionsminimum", zumal zu konstatieren ist, dass der Klägerin unbenommen bleibt, die energetische Wärmedämmung nach der - unter Beachtung der sich aus der Gefahrstoffverordnung und der Technischen Regeln im Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest (TRGS 519) ergebenden Vorschriften - durchgeführten Entfernung des asbesthaltigen Fugenmaterials anzubringen.

18

Der von der Klägerin im Rahmen ihrer verfassungskonformen Auslegung des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 GefStoffV erhobene klägerische Einwand, eine energetische Modernisierung sei auch ökologisch zu sehen und zu bewerten und damit in den systematischen Kontext einzubeziehen, führt nicht zum Erfolg. Aus Art. 20a GG ergibt sich schon kein Vorrang des Staatszieles Umweltschutz gegenüber dem hier maßgebenden Gesundheitsschutz, zumal eine energetische Modernisierung durch die Untersagung der Überdeckung von asbesthaltigen Gebäudeteilen nicht ausgeschlossen ist, sondern nach der fachgerechter Entfernung des asbesthaltigen Materiales jederzeit ausgeführt werden kann.

19

Die Klägerin hat ebenfalls nicht in gebotener Art und Weise dargelegt, dass sich eine "restriktivere" Auslegung der Vorschrift des Anhanges II Nr. 1 GefStoffV unter Beachtung des Bestandsschutzes ergebe, der gemäß Art. 14 GG auch Modernisierungsmaßnahmen im Wege des übergreifenden Bestandsschutzes und des Art. 21 Einigungsvertrages (gemeint wohl Art. 19 Einigungsvertrag) erfasse. Zuvorderst ist zwar festzustellen, dass die Gefahrstoffverordnung an objektivem Verfassungsrecht zu messen ist, es mithin nicht entscheidend darauf ankommt, dass die Klägerin sich auf Art. 14 GG mangels Eigentums an den hier zur Modernisierung anstehenden Wohnblöcken berufen kann. Gleichwohl belässt es die Klägerin erneut bei der bloßen Bezeichnung etwaiger verletzter Normen, ohne im Ansatz den verfassungsrechtlichen Verstoß darzustellen. Die behauptete Beeinträchtigung des Eigentumsrechts in der Form, dass die im Bestand geschützten Gebäude nicht (energetisch) modernisiert werden könnten, ist schon nicht erkennbar. Weder europarechtliche Vorschriften noch nationale Bestimmungen legen dem Eigentümer gegenüber ein Gebot zur Entfernung von Asbestprodukten aus der Bausubstanz auf (vgl. § 16 Abs. 1 GefStoffV i. V. m. Art. 67 i. V. m. Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 - REACH-VO - [ABl. EU vom 30. Dezember 2006, L 396/163]; § 16 Abs. 2 GefStoffV i. V. m. Anhang II Nr. 1 GefStoffV).

20

Nach Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (künftig: REACH-VO) i. V. m. Anhang XVII Nr. 6 Spalte 2 Abs. 2 Satz 1 REACH-VO ist die Verwendung von Erzeugnissen, die Asbestfasern enthalten, und die - wie hier - schon vor dem 1. Januar 2005 installiert bzw. in Betrieb waren, bis diese Erzeugnisse beseitigt sind oder bis ihre Nutzungsdauer abgelaufen ist, weiterhin erlaubt, wobei der Verbraucher als nicht nachgeschalteter Anwender kein Verwender ist (vgl. Art. 3 Nr. 13 REACH-VO). Den Mitgliedstaaten ist es jedoch aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit erlaubt, die Verwendung des Gefahrstoffes Asbest (vgl. Legaldefinition in Art. 3 Nr. 24 REACH-VO) über die europarechtlichen Regelungen hinaus einzuschränken (vgl. Anhang XVII Nr. 6 Spalte 2 Abs. 2 Satz 2 REACH-VO). Die Bundesrepublik Deutschland hat hiervon Gebrauch gemacht, indem der Verordnungsgeber zum Zwecke der zügigen Ausschleusung des Materials Asbest aus dem Wirtschaftskreislauf die Zulässigkeit von Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen von bestimmten Voraussetzungen (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 GefStoffV) abhängig gemacht und im Übrigen ein Verwendungsverbot in Form eines Arbeitsverbotes bestimmt hat (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV). Danach ist ein zulässiger Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest zum Schutz der Gesundheit von Beschäftigten und Dritten auf die sog. ASI-Arbeiten und die messtechnische Begleitung unter Beachtung der TRGS 519 beschränkt, ohne dies von dem Besorgnis einer Exposition abhängig zu machen (siehe vorherige Darstellung). Hiermit ist nicht verknüpft, dass ein Eigentümer eines Gebäudes mit Asbestbelastung eine energetische Modernisierung nicht durchführen, mithin dieser in seinem Bestandsschutz verletzt sein kann. Die Durchführung der energetischen Modernisierung setzt im vorliegenden Fall (lediglich) voraus, dass die Asbestfuge vor ihrer schlichten Überdeckung fachgerecht zu behandeln ist, da nur dies - wie bereits dargestellt - einen Materialkontakt zum Schutz der Gesundheit von Beschäftigten und Dritten rechtfertigt. Dies ist - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat (vgl. S. 7 des Urteilsabdrucks) - regelkonform, insbesondere unter Beachtung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigen und Dritter möglich. Die Klägerin greift indes im Zulassungsverfahren nicht an, dass die vor der energetischen Modernisierung notwendige - den technischen Regeln entsprechende - ASI-Arbeit am asbesthaltigen Gebäudeteil wirtschaftlich nicht vertretbar sei und insbesondere vor der in Art. 14 Abs. 2 GG statuierten Sozialbindung des Eigentums keine Rechtfertigung finde. Zudem ist hinsichtlich des von der Klägerin als "verkapptes Optimierungs-/Sanierungsgebot" bezeichneten Normengefüges ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht erkennbar. Der Gefahrstoff Asbest soll nach den Vorstellungen der Normgeber dem Wirtschaftskreislauf sukzessive entzogen werden. Dies kann allein dadurch erreicht werden, dass ein über die jeweilige Nutzungsdauer des Asbestprodukts hinausgehendes "Verstecken" durch schlichtes Überbauen ausgeschlossen und ein zulässiger Produktaustausch nicht auf Dauer verhindert wird.

21

Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat die Klägerin gleichfalls nicht schlüssig dargelegt. Der bloße Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Februar 2003 (M 17 K 02.3284) führt nicht weiter, zumal die Entscheidung die Gefahrstoffverordnung in der Fassung vom 26. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1783), die Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2004 beanspruchte, betrifft und in ihrem Anhang IV Nr. 1 noch kein ausdrückliches Überbauungsverbot vorsah. Hierbei ist das Gericht davon ausgegangen, dass ein Beschichten entgegen der TRGS 519 in seiner damaligen Fassung nicht nur bei schwach, sondern unter Verweis auf das Fehlen eines sachlichen Grundes auch bei fest gebundenen Asbestprodukten zulässig sei. Die abstrakte Gefahr, die von Asbest ausgeht, genügt nach dem heutigen - vom Willen des Verordnungsgebers - getragenen Verständnis, um das Verwendungsverbot zu rechtfertigen (siehe Darstellung oben), so dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes München für das hier zu entscheidende Verfahren ohne rechtliche Relevanz ist.

22

Dass das Verwaltungsgericht die Verletzung von Verfassungsrecht nicht erwogen habe, verfängt angesichts der vorangegangenen Ausführungen des Senates nicht, zumal festzustellen ist, dass die Klägerin die nunmehr gerügten Verletzungen im erstinstanzlichen Verfahren nicht angebracht hatte.

23

Der Einwand der Klägerin, die Entfernung der Asbestfugen diene nicht dem Arbeitsschutz der Beschäftigten, sondern erhöhe deren Gefährdung und die der Bewohner der Wohnblöcke, stellt die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, können die Asbestfugen in einem nach Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV zugelassenen Verfahren (vgl. S. 7 des Urteilsabdrucks) unter Berücksichtigung des Standes der Technik, der Arbeitsmedizin und der Arbeitshygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse entfernt werden (vgl. TRGS 519), so dass die Gefährdungslage weitestgehend herabgesetzt wird, ohne das gesetzgeberische Ziel, mittelfristig den Austausch von Asbestprodukten zu erreichen, zu konterkarieren.

24

Soweit die Klägerin schließlich darauf abstellt, dass sich keinerlei Ermessenserwägungen im streitbefangenen Bescheid befänden, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Nach § 23 Abs. 1 ChemG kann zuständige Landesbehörde (§§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Chemikalienrecht des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2011 - ChemZustVO - [GVBl. LSA 2011, 484]) im Einzelfall Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach dem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen notwendig sind. Vorliegend handelt es sich - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - um einen Fall des sog. intendierten Ermessens, da es Aufgabe der zuständigen Landesbehörde ist, in Entsprechung der Zielsetzungen des Chemikaliengesetzes und der Gefahrstoffverordnung, Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigen und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu treffen. Dies kann bei unerlaubtem Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest im Regelfall nur durch die Untersagung der nach der Gefahrstoffverordnung verbotenen Arbeit erfüllt werden. Denn das Vorliegen der tatbestandlichen (Verbots-)Voraussetzungen nach Anhang II Abs. 1 Satz 1 GefStoffV rechtfertigt zum Schutz der Beschäftigten und Dritter den Eintritt der Rechtsfolge regelmäßig. Ein atypischer Fall ist weder erkennbar, noch behauptet die Klägerin, dass ein solcher vorliegt. Mit ihrem Vorbringen, die "sehr streitige Lehre" des intendierten Ermessens sei wegen des grundrechtlichen Einschlags und der Verhältnismäßigkeit offenbar nicht anwendbar, legt sie Entsprechendes schon nicht schlüssig dar, zumal der Senat an der Verfassungskonformität der Auslegung keine Zweifel hat.

25

b) Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der unter B. II der Zulassungsbegründungsschrift gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

26

„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen(vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11, Beschluss vom 10. November 1992, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995, Der Personalrat 1996, 27). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825).

27

In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache von der Klägerin nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Hinsichtlich der als klärungsbedürftig erachteten Frage 1:

28

"Ist insbesondere bei verfassungskonformer Auslegung Anhang II Nr. 1 Abs. 1 zu § 16 Abs. 2 GefStoffV dahingehend auszulegen, dass Sachverhalte, bei denen konkret keine Gefahren entstehen, nicht unter das Verwendungsverbot fallen bzw. als nicht gefährliche Sanierungsmaßnahmen nach Anh II Nr. 1 Abs. 1 und § 16 Abs. 2 GefStoffV zulässig sind?"

29

wird auf die vorstehenden Ausführungen des beschließenden Senates zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (siehe oben unter 1. lit. a]) verwiesen. Danach lässt sich die Fragestellung der Klägerin - ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf - ohne Weiteres dahingehend beantworten, dass Arbeiten an asbesthaltigen Teilen unabhängig von dem Bestehen einer von dem Gefahrstoff Asbest ausgehenden konkreten Gefahr für die Beschäftigen und andere Personen verboten sind, soweit es sich nicht um solche Tätigkeiten handelt, die nach Satz 2 und 3 der Vorschrift erlaubt sind. Unabhängig davon stellt sich diese Frage nicht in entscheidungserheblicher Weise, da die Klägerin das Fehlen einer konkreten Gefahr - wie ausgeführt (siehe Seite 5 [unten f.] der Beschlussabschrift - nicht plausibel aufgezeigt hat.

30

Überdies kommt es auf die von der Klägerin ebenfalls als klärungsbedürftig erachtete Frage 2:

31

"Werden in den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) als normenkonkretisierende Verwaltungsvorschrift Abbruch-, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten im Sinne von bzw. zu Anhang II Nr. 1 Abs. 1 zu § 16 Abs. 2 GefahrstoffVO definiert?"

32

- wie der Senat bereits zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (siehe oben unter 1. lit. a]) dargestellt hat - vorliegend schon nicht entscheidungserheblich an. Die Begriffe der Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV sind im Übrigen unbestimmte Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum, deren Auslegung vollständig gerichtlich überprüfbar ist. Ihre Auslegung ist ohne Bezugnahme auf die TRGS 519 möglich, so dass deren konkrete rechtliche Einordnung für das vorliegende Verfahren nicht von Relevanz ist. Nach der Regelungssystematik und dem Wortlaut der Regelung in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV sind Arbeiten (u. a.) an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden verboten, soweit es sich hierbei nicht um Abbrucharbeiten, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV an asbesthaltigen Teilen handelt (Unterstreichung durch das Gericht). Dient damit eine Tätigkeit - wie vorliegend die schlichte Überbauung eines asbesthaltigen Gebäudeteils - weder dem Abriss, der Sanierung noch der Instandhaltung des asbesthaltigen Teiles eines Gebäudes, ist der Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen nicht gestattet (vgl. im Einzelnen: Darstellung unter 1. lit. a]).

33

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

34

3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 40, 47 GKG.

35

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 26. März 2018 – 5 B 2556/17 HGW – wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Vollziehbarkeit einer naturschutzrechtlichen Verfügung.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung B-Stadt, Flur ..., Flurstück ... . Der Antragsgegner stellte im Juni 2017 fest, dass eine Teilfläche dieses Grundstücks umgebrochen worden war. Mit Bescheid vom 19. September 2017 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin die ackerbauliche Bewirtschaftung der Teilfläche und ordnete die Wiederherstellung des Dauergrünlands auf dieser Fläche an. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung dieser Anordnungen an und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an. Die Antragstellerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. November 2017 setzte der Antragsgegner ein Zwangsgeld gegen die Antragstellerin fest und wiederholte die Anordnung der Wiederherstellung des Dauergrünlandes unter Verlängerung der Handlungsfrist. Der Bescheid enthält zudem die erneute Androhung eines Zwangsgeldes. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin am 9. November 2017 zugestellt. Auch gegen den Bescheid vom 7. November 2017 legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Die Widersprüche der Antragstellerin wurden noch nicht beschieden.

3

Am 12. Dezember 2017 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Greifswald um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hat beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19. September 2017 wegen der Untersagungsverfügung und der Anordnung der Wiederherstellung des Dauergrünlandes wiederherzustellen sowie die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. November 2007 wegen der erneuten Wiederherstellungsanordnung wiederherzustellen und wegen der Festsetzung eines Zwangsgeldes anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26. März 2018 – 5 B 2556/17 HGW – abgelehnt. Der Beschluss ist der Antragstellerin am 3. April 2018 zugestellt worden. Am 10. April 2018 hat die Antragstellerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde ist am 2. Mai 2018 begründet worden. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Antragsbegehren weiter.

II.

4

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß eingelegt (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründet (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) worden.

5

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. In Beschwerdeverfahren ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Die Beschwerdebegründung gibt keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.

6

Die Antragstellerin trägt vor, dass die streitgegenständliche Fläche im Kataster als Ackerland eingetragen sei. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Umwandlungsverbot für Dauergrünlandflächen aus § 2 Satz 1 DGErhG M-V nicht verletzt worden wäre. Der Ausweisung der Nutzungsart im Liegenschaftskataster kommt keine Rechtsverbindlichkeit zu. Gibt das Kataster die Grundstücksnutzung nicht zutreffend wieder, ist es insoweit unrichtig und gemäß § 32 GeoVermG M-V gegebenenfalls fortzuschreiben oder zu berichtigen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 23.06.2010 – 1 L 200/05 –, juris Rn. 46). Das Liegenschaftskataster hat hier keine Tatbestandswirkung. Unerheblich ist ferner, ob auf der umgebrochenen Fläche Kürbis angebaut wurde oder nicht. Die Beschwerde legt auch nicht dar, aus welchen Gründen sich ein möglicher Verstoß gegen § 14 Abs. 3 VwVfG M-V auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide und die Erfolgsaussichten der Widersprüche in der Hauptsache auswirken sollte.

7

Wenn die Beschwerdebegründung sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, die Wiederherstellung von Grünland aus Ackerland sei ohne größere Kosten möglich, übersieht sie zum einen den Begründungszusammenhang des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat diesen Umstand zur Beantwortung der Frage herangezogen, ob bereits die formelle Illegalität des Grünlandumbruchs eine Wiederherstellungsanordnung rechtfertigt. Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde will stattdessen darlegen, dass die Anordnung auf eine rechtlich unmögliche Handlung der Antragstellerin ziele. Zudem geht die Beschwerde nicht auf die insoweit zweite tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts ein, dass der Grünlandumbruch jedenfalls auch materiell rechtswidrig war, weil die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nach § 3 DGErhG M-V nicht dargetan worden sind.

8

Der Einwand der Antragstellerin, ihr sei eine Umnutzung der umgebrochenen Flächen wegen deren Verpachtung an einen Dritten rechtlich unmöglich, ist zum einen nicht belegt. Die Antragstellerin hat den entsprechenden Pachtvertrag nicht vorgelegt. Welche rechtlichen Folgerungen sich aus diesem ergeben, lässt sich in diesem summarischen Verfahren deshalb nicht beurteilen. Zum anderen würde ein zivilrechtliches Hindernis die Rechtmäßigkeit der Anordnung ohnehin nicht berühren, sondern nur deren Vollstreckbarkeit betreffen. Ein Vollstreckungshindernis wäre gegebenenfalls durch den Erlass einer Duldungsverfügung gegenüber dem Pächter zu überwinden (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 02.03.2016 – 3 M 440/15 –, juris Rn. 13 f.).

9

Die Antragstellerin rügt schließlich die Störerauswahl. Sie ist der Auffassung, dass der Pächter als Handlungsstörer vorrangig vor dem Zustandsstörer heranzuziehen sei. Einen solchen Grundsatz gibt es jedoch nicht. Für die Ermessensausübung maßgebliche Gesichtspunkte sind insbesondere eine schnelle und effektive Beseitigung eingetretener Störungen und die Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten. Normative Richtschnur fehlerfreier Ausübung des Auswahlermessens ist auch beim Zusammentreffen von Handlungs- und Zustandshaftung der Gesichtspunkt einer schnellen und wirksamen Gefahrenbeseitigung. Danach kann die Inanspruchnahme des Zustandsstörers vor dem Handlungsstörer rechtens sein, wenn der Handlungsstörer nicht greifbar oder aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen eine wirksame Gefahrenbeseitigung durch ihn nicht gewährleistet ist. Die Ordnungsbehörde hat die Pflicht, ermessensgerecht unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte zwischen den in Betracht kommenden Störern auszuwählen. Dies setzt voraus, dass diese bekannt sind (OVG Greifswald, Beschl. v. 25.01.2010 – 3 L 89/06 –, juris Rn. 15 f.). Nach diesen Maßgaben ist nichts dagegen zu erinnern, dass die Antragstellerin als Eigentümerin der betroffenen Fläche in Anspruch genommen worden ist. Das gilt umso mehr, als die Antragstellerin die behauptete Verpachtung dem Antragsgegner gegenüber zunächst nicht mitgeteilt hat und den Pächter der Fläche, der nach ihrer Auffassung als Handlungsstörer heranzuziehen sei, auch in diesem Verfahren nicht benennt. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Soweit die Beschwerde sonstige Ermessensfehler rügen will, genügt dafür der pauschale Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen nicht (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

10

Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin kommt zuletzt auch wegen eines Verstoßes gegen § 80 Abs. 3 VwGO nicht in Betracht. Die Begründungspflicht ist Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Der Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs.3 Satz 1 VwGO kommt eine Warnfunktion zu: Sie soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat. Erforderlich ist grundsätzlich die Benennung konkreter Umstände des Einzelfalles, warum das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung zurücktreten soll. Die Begründung der behördlichen Vollziehungsanordnung ist allerdings nicht losgelöst von der Begründung des Bescheides, sondern im Zusammenhang mit ihr zu betrachten. Das besondere öffentliche Interesse kann durch das allgemeine, den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse – bis hin zur Identität – vorgeprägt sein. Weisen beispielsweise die Gründe für den Erlass eines Verwaltungsaktes im Einzelfall einen so hohen Dringlichkeitsgrad und ein solches Gewicht auf, dass sie gleichzeitig das besondere Vollzugsinteresse einschließen beziehungsweise mit diesem deckungsgleich sind, kann eine solche Identität angenommen werden (OVG Greifswald, Beschl. v. 08.07.2009 – 3 M 84/09 –, juris Rn. 7 m.w.N.).

11

Diesen Maßgaben wird die Begründung der in der Hauptsache angefochtenen Bescheide gerecht. Der Antragsgegner hat die Vollziehungsanordnung damit begründet, dass der Zweck des Dauergrünlanderhaltungsgesetzes anderenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens verfehlt werden würde und die Leistungsfähigkeit der früheren Grünlandfläche für einen längerfristigen Zeitraum verloren wäre. Das öffentliche Interesse am Erhalt von Dauergrünland würde das private Nutzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. Damit ist ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse benannt worden. Der Umstand, dass dieses Interesse zum Teil mit dem Erlassinteresse zusammenfällt, ist entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin unschädlich. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Betrachtung. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung insbesondere nicht damit begründet, dass der Umbruch des Dauergrünlands irreversibel sei.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. November 2017 - 5 K 4087/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat Bezug nimmt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), ausgeführt, dass es für die Rechtmäßigkeit des mit der Klage angefochtenen Gebührenbescheids nicht auf die vom Kläger allein in Zweifel gezogene Rechtmäßigkeit des vollstreckten Platzverweises vom 13.01.2012 ankommt, da dieser Grundverwaltungsakt bestandskräftig geworden ist.
Ohne Erfolg hält der Kläger dem entgegen, im Bereich des Versammlungsrechts müsse im Rahmen der Überprüfung des Kostenbescheids (stets) eine Inzidentprüfung von vollstreckten Grundverwaltungsakten stattfinden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines vollstreckten Grundverwaltungsakts im Anfechtungsverfahren gegen einen Bescheid über die Heranziehung zu Vollstreckungskosten ausgeschlossen sind, wenn der Grundverwaltungsakt bestandskräftig wurde (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 - 7 C 5.08 - VBlBW 2009, 55). Nach diesen Grundsätzen sind auch die Einwendungen des Klägers gegen den ihm erteilten Platzverweis im Klageverfahren gegen den angefochtenen Gebührenbescheid unbeachtlich. Denn der Kläger hat gegen den ihm erteilten Platzverweis keinen Widerspruch eingelegt. Das hat zur Folge, dass dieser Verwaltungsakt jedenfalls nach Ablauf der mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gemäß § 58 Abs. 2, § 70 Abs. 2 VwGO beginnenden Jahresfrist bestandskräftig wurde.
Der Kläger kann auch nicht einwenden, der Platzverweis sei sofort vollziehbar gewesen und vollzogen worden und habe sich vor Ablauf der Widerspruchsfrist erledigt, sodass ihm eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts auf der Primärebene abgeschnitten gewesen sei und deshalb nun auf der kostenrechtlichen Sekundärebene möglich sein müsse. Denn der Grundverwaltungsakt - der Platzverweis - hatte sich allein durch die Vollstreckung tatsächlich nicht erledigt und war daher auch über den Zeitpunkt der Vollstreckung hinaus anfechtbar. Der Vollzug eines Handlungspflichten auferlegenden Verwaltungsakts führt nicht in jedem Fall zu dessen Erledigung und zwar auch dann nicht, wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst dann ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.; Beschl. v. 17.11.1998 - 4 B 100.98 - Buchholz 316 § 43 VwVfG Nr. 11, Urt. v. 27.03.1998 - BVerwG 4 C 11.97 - Buchholz 316 § 43 VwVfG Nr. 10). Daran gemessen hatte sich auch der Platzverweis vom 13.01.2012 nicht allein durch seine Vollstreckung erledigt. Denn von diesem Verwaltungsakt gingen auch darüber hinaus rechtliche Wirkungen aus, da er zugleich die Grundlage für den Kostenbescheid bildet. Diese Titelfunktion des Grundverwaltungsakts dauert an (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.).
Dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung im Anfechtungsverfahren gegen den Kostenbescheid infolgedessen nicht (mehr) geprüft wird, ist auch in Hinblick auf das vom Kläger sinngemäß angeführte Gebot effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG unbedenklich. Denn der Kläger hat sich die Klärung seiner Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung durch den Verzicht auf die (frist- und formgerechte) Einlegung eines Widerspruchs gegen diesen Verwaltungsakt selbst abgeschnitten (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.). Auch aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.07.2010 - 1 BvR 1634/04 - (NVwZ 2010, 1482) folgt nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung die Auslegung des damaligen niedersächsischen Landesrechts durch ein Verwaltungsgericht als unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 GG beanstandet. Dieses hatte den Verzicht auf die Inzidentprüfung eines Grundverwaltungsakts im Anfechtungsverfahren gegen einen Heranziehungsbescheid mit Überlegungen zu Besonderheiten des damaligen dortigen Landesrechts begründet, das die Prüfung von freiheitsbeschränkenden polizeilichen Maßnahmen den Amtsgerichten zugewiesen hatte. Diese auf das damalige niedersächsische Landesrecht bezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt im vorliegenden, nach baden-württem-bergischem Landesrecht zu beurteilenden Verfahren nicht weiter. Dem Kläger war hier effektiver Rechtsschutz gegen den Grundverwaltungsakt möglich. Dass er diese Rechtsschutzmöglichkeit nicht in Anspruch genommen hat und die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts deshalb infolge des Eintritts der Bestandskraft im Verfahren gegen den Kostenbescheid nicht mehr zu prüfen ist, begründet keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG.
Der Kläger kann auch nicht einwenden, seine Klage sei schon aus „Vertrauensschutzgründen“ nicht „mutwillig“, weil „zum Zeitpunkt des Entstehens der Wegtragegebühr und der Klageerhebung beim Bundesverwaltungsgericht noch eine andere Rechtsauffassung bestand.“ Der Einwand geht an den Gründen des angefochtenen Beschlusses vorbei, da das Verwaltungsgericht die Ablehnung der begehrten Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit (Alt. 2 des § 114 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO), sondern wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt hat (Alt. 1 des § 114 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Unabhängig davon übersieht der Kläger, dass das Bundesverwaltungsgericht sich bereits mit Urteil vom 08.01.2008 (a.a.O.) und damit rund vier Jahre vor dem Platzverweis vom 13.01.2012 im oben genannten Sinn zur Anfechtung von Kostenbescheiden betreffend die Vollstreckung von Grundverwaltungsakten geäußert hatte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, da bei Erfolglosigkeit der Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 60,00 EUR anzusetzen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Absatz 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind.

(1a) Wird eine Anordnung nach Absatz 1 nicht innerhalb der gesetzten Frist oder eine solche für sofort vollziehbar erklärte Anordnung nicht sofort ausgeführt, kann die zuständige Behörde die von der Anordnung betroffene Arbeit ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung untersagen, wenn die Untersagung zum Schutz von Leben oder Gesundheit der Beschäftigten erforderlich ist.

(2) Die zuständige Landesbehörde kann für eine Dauer von höchstens drei Monaten anordnen, dass ein gefährlicher Stoff, ein gefährliches Gemisch oder ein Erzeugnis, das einen gefährlichen Stoff oder ein gefährliches Gemisch freisetzen kann oder enthält, nicht, nur unter bestimmten Voraussetzungen, nur in bestimmter Beschaffenheit oder nur für bestimmte Zwecke hergestellt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden darf, soweit Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht dafür vorliegen, dass von dem Stoff, dem Gemisch oder dem Erzeugnis eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgeht. Die zuständige Landesbehörde kann diese Anordnung aus wichtigem Grund um bis zu einem Jahr verlängern. Die Sätze 1 und 2 gelten auch dann, wenn Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht, für die Annahme bestehen, dass ein Stoff oder ein Gemisch gefährlich ist. Anordnungen nach Satz 1 und 2 können nur ergehen, soweit dies unionsrechtlich zulässig ist.

(3) Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Absätzen 1a und 2 haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Gefährliche Stoffe oder gefährliche Gemische im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische, die

1.
die in Anhang I Teil 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 dargelegten Kriterien für physikalische Gefahren oder Gesundheitsgefahren erfüllen oder
2.
umweltgefährlich sind, indem sie
a)
die in Anhang I Teil 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 dargelegten Kriterien für Umweltgefahren und weitere Gefahren erfüllen oder
b)
selbst oder deren Umwandlungsprodukte sonst geeignet sind, die Beschaffenheit des Naturhaushaltes, von Wasser, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, dass dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, soweit unionsrechtlich zulässig durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Festlegung der in Absatz 1 genannten Gefährlichkeitsmerkmale zu erlassen.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, soweit unionsrechtlich zulässig durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Stoffe oder Gemische als gefährlich einzustufen,
2.
Berechnungsverfahren vorzuschreiben, nach denen bestimmte Gemische aufgrund der Einstufung derjenigen Stoffe, die in dem Gemisch enthalten sind, einzustufen sind,
3.
zu bestimmen,
a)
wie gefährliche Stoffe und Gemische und dass und wie bestimmte Erzeugnisse, die bestimmte gefährliche Stoffe oder Gemische freisetzen können oder enthalten, zu verpacken oder zu kennzeichnen sind, damit bei der vorhersehbaren Verwendung Gefahren für Leben und Gesundheit des Menschen und die Umwelt vermieden werden,
b)
dass und wie bestimmte Angaben über gefährliche Stoffe und Gemische oder Erzeugnisse, die gefährliche Stoffe und Gemische freisetzen können oder enthalten, einschließlich Empfehlungen über Vorsichtsmaßnahmen beim Verwenden oder über Sofortmaßnahmen bei Unfällen von demjenigen, der die Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse in den Verkehr bringt, insbesondere inForm einesSicherheitsdatenblattes oder einer Gebrauchsanweisung, mitgeliefert und auf dem neuesten Stand gehalten werden müssen,
c)
welche Gesichtspunkte der Hersteller oder Einführer bei der Einstufung der Stoffe nach § 13 Absatz 2 mindestens zu beachten hat,
d)
wer die gefährlichen Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse zu verpacken und zu kennzeichnen hat, wenn sie bereits vor Inkrafttreten der die Kennzeichnungs- oder Verpackungspflicht begründenden Rechtsverordnung in den Verkehr gebracht worden sind,
e)
dass und wie bestimmte Gemische und Erzeugnisse, die bestimmte näher zu bezeichnende gefährliche Stoffe nicht enthalten, zu kennzeichnen sind oder gekennzeichnet werden können,
f)
dass und von wem die Kennzeichnung bestimmter Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse nach dem Inverkehrbringen zu erhalten oder erneut anzubringen ist und
g)
dass andere als die in § 13 Absatz 2 und 3 genannten Personen für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung verantwortlich sind.

(2) In der Rechtsverordnung nach Absatz 1 können auch Ausnahmen von der Pflicht zur Verpackung und Kennzeichnung vorgesehen werden, soweit dadurch der Schutzzweck nach Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a nicht beeinträchtigt wird. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, dass anstelle einer Kennzeichnung die entsprechenden Angaben in anderer geeigneter Weise mitzuliefern sind.

(3) Regelungen nach den Absätzen 1 und 2 können auch für Biozid-Wirkstoffe und Biozid-Produkte, die nicht gefährliche Stoffe oder Gemische im Sinne des § 3a sind, sowie für Stoffe, Gemische und Erzeugnisse nach § 19 Absatz 2 getroffen werden.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zu dem in § 1 genannten Zweck erforderlich und unionsrechtlich zulässig ist,

1.
vorzuschreiben, dass bestimmte gefährliche Stoffe, bestimmte gefährliche Gemische oder Erzeugnisse, die einen solchen Stoff oder ein solches Gemisch freisetzen können oder enthalten,
a)
nicht, nur in bestimmter Beschaffenheit oder nur für bestimmte Zwecke hergestellt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden dürfen,
b)
nur auf bestimmte Art und Weise verwendet werden dürfen oder
c)
nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur an bestimmte Personen abgegeben oder nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur bestimmten Personen angeboten werden dürfen,
2.
vorzuschreiben, dass derjenige, der bestimmte gefährliche Stoffe, bestimmte gefährliche Gemische oder Erzeugnisse, die einen solchen Stoff oder ein solches Gemisch freisetzen können oder enthalten, herstellt, in den Verkehr bringt oder verwendet,
a)
dies anzuzeigen hat,
b)
dazu einer Erlaubnis bedarf,
c)
bestimmten Anforderungen an seine Zuverlässigkeit und Gesundheit genügen muss oder
d)
seine Sachkunde in einem näher festzulegenden Verfahren nachzuweisen hat,
3.
Herstellungs- oder Verwendungsverfahren zu verbieten, bei denen bestimmte gefährliche Stoffe anfallen.

(2) Durch Verordnung nach Absatz 1 können auch Verbote und Beschränkungen unter Berücksichtigung der Entwicklung von Stoffen, Gemischen, Erzeugnissen oder Verfahren, deren Herstellung, Verwendung, Entsorgung oder Anwendung mit einem geringeren Risiko für Mensch oder Umwelt verbunden ist, festgesetzt werden.

(3) Absatz 1 gilt auch für Biozid-Wirkstoffe und Biozid-Produkte, die nicht gefährliche Stoffe oder Gemische im Sinne des § 3a sind, für Stoffe, Gemische und Erzeugnisse nach § 19 Absatz 2 sowie für Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse, deren Umwandlungsprodukte gefährlich im Sinne des Anhangs I Teil 2 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 sind. Durch Verordnung nach Absatz 1 in Verbindung mit Satz 1 können auch Vorschriften zur guten fachlichen Praxis bei der Verwendung von Biozid-Produkten erlassen werden.

(4) Absatz 1 Nummer 1 und 2 gilt auch für solche Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse, bei denen Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht dafür bestehen, dass der Stoff, das Gemisch oder das Erzeugnis gefährlich ist.

(5) Die Bundesregierung kann in den Rechtsverordnungen nach Absatz 1 auch Regelungen zum Verfahren sowie Methoden zur Überprüfung ihrer Einhaltung festlegen. Dabei können insbesondere auch die Entnahme von Proben und die hierfür anzuwendenden Verfahren und die zur Bestimmung von einzelnen Stoffen oder Stoffgruppen erforderlichen Analyseverfahren geregelt werden.

(6) Bei Gefahr im Verzuge kann die Bundesregierung eine Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 1 und 3 ohne Zustimmung des Bundesrates und ohne Anhörung der beteiligten Kreise erlassen. Sie tritt spätestens zwölf Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.

(7) Die beteiligten Kreise bestehen aus jeweils auszuwählenden Vertretern der Wissenschaft, der Verbraucherschutzverbände, der Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften, der beteiligten Wirtschaft, des Gesundheitswesens sowie der Umwelt-, Tierschutz- und Naturschutzverbände.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen einschließlich des Schutzes der Arbeitskraft und der menschengerechten Gestaltung der Arbeit erforderlich ist, beim Herstellen und Verwenden von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen sowie bei Tätigkeiten in deren Gefahrenbereich Maßnahmen der in Absatz 3 beschriebenen Art vorzuschreiben. Satz 1 gilt nicht für Maßnahmen nach Absatz 3, soweit entsprechende Vorschriften nach dem Atomgesetz, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Pflanzenschutzgesetz oder Sprengstoffgesetz bestehen.

(2) Gefahrstoffe im Sinne dieser Vorschrift sind

1.
gefährliche Stoffe und Gemische nach § 3a Absatz 1,
2.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind,
3.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach Nummer 1 oder Nummer 2 entstehen oder freigesetzt werden,
4.
Stoffe und Gemische, die die Kriterien nach den Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, aber aufgrund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können,
5.
alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert im Sinne der Rechtsverordnung nach Absatz 1 zugewiesen ist.

(3) Durch Rechtsverordnung nach Absatz 1 kann insbesondere bestimmt werden,

1.
wie derjenige, der andere mit der Herstellung oder Verwendung von Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen beschäftigt, zu ermitteln hat, ob es sich im Hinblick auf die vorgesehene Herstellung oder Verwendung um einen Gefahrstoff handelt, soweit nicht bereits eine Einstufung nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts erfolgt ist,
2.
dass derjenige, der andere mit der Herstellung oder Verwendung von Gefahrstoffen beschäftigt, verpflichtet wird zu prüfen, ob Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse oder Herstellungs- oder Verwendungsverfahren mit einem geringeren Risiko für die menschliche Gesundheit verfügbar sind und dass er diese verwenden soll oder zu verwenden hat, soweit es ihm zumutbar ist,
2a.
dass der Hersteller oder Einführer dem Arbeitgeber auf Verlangen die gefährlichen Inhaltsstoffe der Gefahrstoffe sowie die gültigen Grenzwerte und, falls solche noch nicht vorhanden sind, Empfehlungen für einzuhaltende Stoffkonzentrationen und die von den Gefahrstoffen ausgehenden Gefahren oder die zu ergreifenden Maßnahmen mitzuteilen hat,
3.
wie die Arbeitsstätte einschließlich der technischen Anlagen, die technischen Arbeitsmittel und die Arbeitsverfahren beschaffen, eingerichtet sein oder betrieben werden müssen, damit sie dem Standder Technik,Arbeitsmedizin und Hygiene sowie den gesicherten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen und sonstigen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, die zum Schutz der Beschäftigten zu beachten sind,
4.
wie der Betrieb geregelt sein muss, insbesondere
a)
dass Stoffe und Gemische bezeichnet und wie Gefahrstoffe innerbetrieblich verpackt, gekennzeichnet und erfasst sein müssen, damit die Beschäftigten durch eine ungeeignete Verpackung nicht gefährdet und durch eine Kennzeichnung über die von ihnen ausgehenden Gefahren unterrichtet werden,
b)
wie das Herstellungs- oder Verwendungsverfahren gestaltet sein muss, damit die Beschäftigten nicht gefährdet und die Grenzwerte oder Richtwerte über die Konzentration gefährlicher Stoffe oder Gemische am Arbeitsplatz nach dem Stand der Technik unterschritten werden,
c)
welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit Gefahrstoffe nicht in die Hände Unbefugter gelangen oder sonst abhanden kommen,
d)
welche persönlichen Schutzausrüstungen zur Verfügung gestellt und von den Beschäftigten bestimmungsgemäß benutzt werden müssen,
e)
wie die Zahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt werden, beschränkt und wie die Dauer einer solchen Beschäftigung begrenzt sein muss,
f)
wie die Beschäftigten sich verhalten müssen, damit sie sich selbst und andere nicht gefährden, und welche Voraussetzungen hierfür zu treffen sind, insbesondere welche Kenntnisse und Fähigkeiten Beschäftigte haben müssen und welche Nachweise hierüber zu erbringen sind,
g)
unter welchen Umständen Zugangs- und Beschäftigungsbeschränkungen zum Schutz der Beschäftigten vorgesehen werden müssen,
h)
dass ein Projektleiter für bestimmte Herstellungs- oder Verwendungsverfahren zu bestellen ist, welche Verantwortlichkeiten diesem zuzuweisen sind und welche Sachkunde dieser nachzuweisen hat,
5.
wie den Beschäftigten die anzuwendenden Vorschriften in einer tätigkeitsbezogenen Betriebsanweisung dauerhaft zur Kenntnis zu bringen sind und in welchen Zeitabständen anhand der Betriebsanweisung über die auftretenden Gefahren und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu unterweisen ist,
6.
welche Vorkehrungen zur Verhinderung von Betriebsstörungen und zur Begrenzung ihrer Auswirkungen für die Beschäftigten und welche Maßnahmen zur Organisation der Ersten Hilfe zu treffen sind,
7.
dass und welche verantwortlichen Aufsichtspersonen für Bereiche, in denen Beschäftigte besonderen Gefahren ausgesetzt sind, bestellt und welche Befugnisse ihnen übertragen werden müssen, damit die Arbeitsschutzaufgaben erfüllt werden können,
8.
dass im Hinblick auf den Schutz der Beschäftigten eine Gefahrenbeurteilung vorzunehmen ist, welche Unterlagen hierfür zu erstellen sind und dass diese Unterlagen zur Überprüfung der Gefahrenbeurteilung von der zuständigen Landesbehörde der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zugeleitet werden können,
9.
welche Unterlagen zur Abwendung von Gefahren für die Beschäftigten zur Einsicht durch die zuständige Landesbehörde bereitzuhalten und auf Verlangen vorzulegen sind,
10.
dass ein Herstellungs- oder Verwendungsverfahren, bei dem besondere Gefahren für die Beschäftigten bestehen oder zu besorgen sind, der zuständigen Landesbehörde angezeigt oder von der zuständigen Landesbehörde erlaubt sein muss,
11.
dass Arbeiten, bei denen bestimmte gefährliche Stoffe oder Gemische freigesetzt werden können, nur von dafür behördlich anerkannten Betrieben durchgeführt werden dürfen,
12.
dass die Beschäftigten gesundheitlich zu überwachen sind, hierüber Aufzeichnungen zu führen sind und zu diesem Zweck
a)
derjenige, der andere mit der Herstellung oder Verwendung von Gefahrstoffen beschäftigt, insbesondere verpflichtet werden kann, die Beschäftigten ärztlich untersuchen zu lassen,
b)
der Arzt, der mit einer Vorsorgeuntersuchung beauftragt ist, in Zusammenhang mit dem Untersuchungsbefund bestimmte Pflichten zu erfüllen hat, insbesondere hinsichtlich des Inhalts einer von ihm auszustellenden Bescheinigung und der Unterrichtung und Beratung über das Ergebnis der Untersuchung,
c)
die zuständige Behörde entscheidet, wenn Feststellungen des Arztes für unzutreffend gehalten werden,
d)
die in die Aufzeichnung aufzunehmenden Daten dem zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung oder einer von ihm beauftragten Stelle zum Zwecke der Ermittlung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren oder Berufskrankheiten übermittelt werden,
13.
dass der Arbeitgeber dem Betriebs- oder Personalrat Vorgänge mitzuteilen hat, die er erfahren muss, um seine Aufgaben erfüllen zu können,
14.
dass die zuständigen Landesbehörden ermächtigt werden, zur Durchführung von Rechtsverordnungen bestimmte Anordnungen im Einzelfall zu erlassen, insbesondere bei Gefahr im Verzug auch gegen Aufsichtspersonen und sonstige Beschäftigte,
15.
dass die Betriebsanlagen und Arbeitsverfahren, in denen bestimmte Gefahrstoffe hergestellt oder verwendet werden, durch einen Sachkundigen oder einen Sachverständigen geprüft werden müssen,
16.
dass und welche Informations- und Mitwirkungspflichten derjenige hat, der Tätigkeiten an Erzeugnissen oder Bauwerken veranlasst, welche Gefahrstoffe enthalten, die durch diese Tätigkeiten freigesetzt werden können und zu besonderen Gesundheitsgefahren führen können.

(4) Wegen der Anforderungen nach Absatz 3 kann auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen verwiesen werden; hierbei ist

1.
in der Rechtsverordnung das Datum der Bekanntmachung anzugeben und die Bezugsquelle genau zu bezeichnen,
2.
die Bekanntmachung bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin archivmäßig gesichert niederzulegen und in der Rechtsverordnung darauf hinzuweisen.

(1) Ziel dieser Verordnung ist es, den Menschen und die Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen durch

1.
Regelungen zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische,
2.
Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und
3.
Beschränkungen für das Herstellen und Verwenden bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse.

(2) Abschnitt 2 gilt für das Inverkehrbringen von

1.
gefährlichen Stoffen und Gemischen,
2.
bestimmten Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen, die mit zusätzlichen Kennzeichnungen zu versehen sind, nach Maßgabe der Richtlinie 96/59/EG des Rates vom 16. September 1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT) (ABl. L 243 vom 24.9.1996, S. 31), die durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist,
3.
Biozid-Produkten im Sinne des § 3 Nummer 11 des Chemikaliengesetzes, die keine gefährlichen Stoffe oder Gemische sind, sowie
4.
Biozid-Wirkstoffen im Sinne des § 3 Nummer 12 des Chemikaliengesetzes, die biologische Arbeitsstoffe im Sinne der Biostoffverordnung sind, und Biozid-Produkten im Sinne des § 3 Nummer 11 des Chemikaliengesetzes, die als Wirkstoffe solche biologischen Arbeitsstoffe enthalten.
Abschnitt 2 gilt nicht für Lebensmittel oder Futtermittel in Form von Fertigerzeugnissen, die für den Endverbrauch bestimmt sind.

(3) Die Abschnitte 3 bis 6 gelten für Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse ausgesetzt sein können. Sie gelten auch, wenn die Sicherheit und Gesundheit anderer Personen aufgrund von Tätigkeiten im Sinne von § 2 Absatz 5 gefährdet sein können, die durch Beschäftigte oder Unternehmer ohne Beschäftigte ausgeübt werden. Die Sätze 1 und 2 finden auch Anwendung auf Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Beförderung von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen ausgeübt werden. Die Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsgesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen bleiben unberührt.

(4) Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung nicht für

1.
biologische Arbeitsstoffe im Sinne der Biostoffverordnung und
2.
private Haushalte.
Diese Verordnung gilt ferner nicht für Betriebe, die dem Bundesberggesetz unterliegen, soweit dort oder in Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind, entsprechende Rechtsvorschriften bestehen.

(1) Gefahrstoffe im Sinne dieser Verordnung sind

1.
gefährliche Stoffe und Gemische nach § 3,
2.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind,
3.
Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach Nummer 1 oder Nummer 2 entstehen oder freigesetzt werden,
4.
Stoffe und Gemische, die die Kriterien nach den Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, aber auf Grund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können,
5.
alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert zugewiesen worden ist.

(2) Für die Begriffe Stoff, Gemisch, Erzeugnis, Lieferant, nachgeschalteter Anwender und Hersteller gelten die Begriffsbestimmungen nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/1221 (ABl. L 197 vom 25.7.2015, S. 10) geändert worden ist.

(2a) Umweltgefährlich sind, über die Gefahrenklasse gewässergefährdend nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 hinaus, Stoffe oder Gemische, wenn sie selbst oder ihre Umwandlungsprodukte geeignet sind, die Beschaffenheit von Naturhaushalt, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, dass dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.

(3) Krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch sind

1.
Stoffe, die in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind,
2.
Stoffe, welche die Kriterien für die Einstufung als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung erfüllen,
3.
Gemische, die einen oder mehrere der in § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder 2 genannten Stoffe enthalten, wenn die Konzentration dieses Stoffs oder dieser Stoffe die stoffspezifischen oder die allgemeinen Konzentrationsgrenzen nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der jeweils geltenden Fassung erreicht oder übersteigt, die für die Einstufung eines Gemischs als karzinogen, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch festgelegt sind,
4.
Stoffe, Gemische oder Verfahren, die in den nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen als krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch bezeichnet werden.

(4) Organische Peroxide im Sinne des § 11 Absatz 4 und des Anhangs III sind Stoffe, die sich vom Wasserstoffperoxid dadurch ableiten, dass ein oder beide Wasserstoffatome durch organische Gruppen ersetzt sind, sowie Gemische, die diese Stoffe enthalten.

(5) Eine Tätigkeit ist jede Arbeit mit Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen, einschließlich Herstellung, Mischung, Ge- und Verbrauch, Lagerung, Aufbewahrung, Be- und Verarbeitung, Ab- und Umfüllung, Entfernung, Entsorgung und Vernichtung. Zu den Tätigkeiten zählen auch das innerbetriebliche Befördern sowie Bedien- und Überwachungsarbeiten.

(5a) Begasung bezeichnet eine Verwendung von Biozid-Produkten oder Pflanzenschutzmitteln

1.
bei der bestimmungsgemäß Stoffe gasförmig freigesetzt werden,
a)
die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3 eingestuft sind oder
b)
für die in der Zulassung festgelegt wurde, dass eine Messung oder Überwachung der Wirkstoff- oder Sauerstoffkonzentration zu erfolgen hat,
2.
für die in der Zulassung die Bereitstellung und Verwendung eines unabhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkenden Atemschutzgeräts festgelegt wurde oder
3.
die zur Raumdesinfektion sämtlicher Flächen eines umschlossenen Raums eingesetzt werden, wobei Formaldehyd aus einer wässrigen Formaldehydlösung in Form schwebfähiger Flüssigkeitstropfen ausgebracht wird.

(6) Lagern ist das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Es schließt die Bereitstellung zur Beförderung ein, wenn die Beförderung nicht innerhalb von 24 Stunden nach der Bereitstellung oder am darauffolgenden Werktag erfolgt. Ist dieser Werktag ein Samstag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(7) Es stehen gleich

1.
den Beschäftigten die in Heimarbeit beschäftigten Personen sowie Schülerinnen und Schüler, Studierende und sonstige, insbesondere an wissenschaftlichen Einrichtungen tätige Personen, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben; für Schülerinnen und Schüler und Studierende gelten jedoch nicht die Regelungen dieser Verordnung über die Beteiligung der Personalvertretungen,
2.
dem Arbeitgeber der Unternehmer ohne Beschäftigte sowie der Auftraggeber und der Zwischenmeister im Sinne des Heimarbeitsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 804-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 225 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist.

(8) Der Arbeitsplatzgrenzwert ist der Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffs akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht zu erwarten sind.

(9) Der biologische Grenzwert ist der Grenzwert für die toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration eines Stoffs, seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht beeinträchtigt wird.

(9a) Physikalisch-chemische Einwirkungen umfassen Gefährdungen, die hervorgerufen werden können durch Tätigkeiten mit

1.
Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen mit einer physikalischen Gefahr nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 oder
2.
weiteren Gefahrstoffen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 nicht mit einer physikalischen Gefahr eingestuft sind, die aber miteinander oder aufgrund anderer Wechselwirkungen so reagieren können, dass Brände oder Explosionen entstehen können.

(10) Ein explosionsfähiges Gemisch ist ein Gemisch aus brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder aufgewirbelten Stäuben und Luft oder einem anderen Oxidationsmittel, das nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagiert, sodass im Allgemeinen ein sprunghafter Temperatur- und Druckanstieg hervorgerufen wird.

(11) Chemisch instabile Gase, die auch ohne ein Oxidationsmittel nach Wirksamwerden einer Zündquelle in einer sich selbsttätig fortpflanzenden Flammenausbreitung reagieren können, sodass ein sprunghafter Temperatur- und Druckanstieg hervorgerufen wird, stehen explosionsfähigen Gemischen nach Absatz 10 gleich.

(12) Ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch ist ein explosionsfähiges Gemisch, das in solcher Menge auftritt, dass besondere Schutzmaßnahmen für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten oder anderer Personen erforderlich werden.

(13) Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre ist ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch mit Luft als Oxidationsmittel unter atmosphärischen Bedingungen (Umgebungstemperatur von –20 °C bis +60 °C und Druck von 0,8 Bar bis 1,1 Bar).

(14) Explosionsgefährdeter Bereich ist der Gefahrenbereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann.

(15) Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Stands der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Arbeitsmedizin und die Arbeitsplatzhygiene.

(16) Fachkundig ist, wer zur Ausübung einer in dieser Verordnung bestimmten Aufgabe über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Die Anforderungen an die Fachkunde sind abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe. Zu den Anforderungen zählen eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen.

(17) Sachkundig ist, wer seine bestehende Fachkunde durch Teilnahme an einem behördlich anerkannten Sachkundelehrgang erweitert hat. In Abhängigkeit vom Aufgabengebiet kann es zum Erwerb der Sachkunde auch erforderlich sein, den Lehrgang mit einer erfolgreichen Prüfung abzuschließen. Sachkundig ist ferner, wer über eine von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannte oder in dieser Verordnung als gleichwertig bestimmte Qualifikation verfügt.

(18) Eine Verwenderkategorie bezeichnet eine Personengruppe, die berechtigt ist, ein bestimmtes Biozid-Produkt zu verwenden. Sie beschreibt den Grad der Qualifikation, die für diese Verwendung erforderlich ist. Die zugehörige Verwenderkategorie eines Biozid-Produkts wird nach der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozid-Produkten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/1825 (ABl. L 279 vom 31.10.2019, S. 19) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, im Zulassungsverfahren festgelegt. Verwenderkategorien sind:

1.
die breite Öffentlichkeit,
2.
der berufsmäßige Verwender,
3.
der geschulte berufsmäßige Verwender.

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

(1) Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ist dies der Fall, so hat er alle hiervon ausgehenden Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten unter folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen:

1.
gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Gemische, einschließlich ihrer physikalisch-chemischen Wirkungen,
2.
Informationen des Lieferanten zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit insbesondere im Sicherheitsdatenblatt,
3.
Art und Ausmaß der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege; dabei sind die Ergebnisse der Messungen und Ermittlungen nach § 7 Absatz 8 zu berücksichtigen,
4.
Möglichkeiten einer Substitution,
5.
Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge,
6.
Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte,
7.
Wirksamkeit der ergriffenen oder zu ergreifenden Schutzmaßnahmen,
8.
Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge.

(2) Der Arbeitgeber hat sich die für die Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen beim Lieferanten oder aus anderen, ihm mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Quellen zu beschaffen. Insbesondere hat der Arbeitgeber die Informationen zu beachten, die ihm nach Titel IV der Verordnung (EG)Nr. 1907/2006 zur Verfügung gestellt werden; dazu gehören Sicherheitsdatenblätter und die Informationen zu Stoffen oder Gemischen, für die kein Sicherheitsdatenblatt zu erstellen ist. Sofern die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 keine Informationspflicht vorsieht, hat der Lieferant dem Arbeitgeber auf Anfrage die für die Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen über die Gefahrstoffe zur Verfügung zu stellen.

(3) Stoffe und Gemische, die nicht von einem Lieferanten nach § 4 Absatz 1 eingestuft und gekennzeichnet worden sind, beispielsweise innerbetrieblich hergestellte Stoffe oder Gemische, hat der Arbeitgeber selbst einzustufen. Zumindest aber hat er die von den Stoffen oder Gemischen ausgehenden Gefährdungen der Beschäftigten zu ermitteln; dies gilt auch für Gefahrstoffe nach § 2 Absatz 1 Nummer 4.

(4) Der Arbeitgeber hat festzustellen, ob die verwendeten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse bei Tätigkeiten, auch unter Berücksichtigung verwendeter Arbeitsmittel, Verfahren und der Arbeitsumgebung sowie ihrer möglichen Wechselwirkungen, zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können. Dabei hat er zu beurteilen,

1.
ob gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, auftreten; dabei sind sowohl Stoffe und Gemische mit physikalischen Gefährdungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 wie auch andere Gefahrstoffe, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, sowie Stoffe, die in gefährlicher Weise miteinander reagieren können, zu berücksichtigen,
2.
ob Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, vorhanden sind und
3.
ob schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten möglich sind.
Insbesondere hat er zu ermitteln, ob die Stoffe, Gemische und Erzeugnisse auf Grund ihrer Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, explosionsfähige Gemische bilden können. Im Fall von nicht atmosphärischen Bedingungen sind auch die möglichen Veränderungen der für den Explosionsschutz relevanten sicherheitstechnischen Kenngrößen zu ermitteln und zu berücksichtigen.

(5) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind ferner Tätigkeiten zu berücksichtigen, bei denen auch nach Ausschöpfung sämtlicher technischer Schutzmaßnahmen die Möglichkeit einer Gefährdung besteht. Dies gilt insbesondere für Instandhaltungsarbeiten, einschließlich Wartungsarbeiten. Darüber hinaus sind auch andere Tätigkeiten wie Bedien- und Überwachungsarbeiten zu berücksichtigen, wenn diese zu einer Gefährdung von Beschäftigten durch Gefahrstoffe führen können.

(6) Die mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen, dermalen und physikalisch-chemischen Gefährdungen sind unabhängig voneinander zu beurteilen und in der Gefährdungsbeurteilung zusammenzuführen. Treten bei einer Tätigkeit mehrere Gefahrstoffe gleichzeitig auf, sind Wechsel- oder Kombinationswirkungen der Gefahrstoffe, die Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten haben, bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen, soweit solche Wirkungen bekannt sind.

(7) Der Arbeitgeber kann bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen eine Gefährdungsbeurteilung übernehmen, die ihm der Lieferant mitgeliefert hat, sofern die Angaben und Festlegungen in dieser Gefährdungsbeurteilung den Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge, im eigenen Betrieb entsprechen.

(8) Der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung unabhängig von der Zahl der Beschäftigten erstmals vor Aufnahme der Tätigkeit zu dokumentieren. Dabei ist Folgendes anzugeben:

1.
die Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen,
2.
das Ergebnis der Prüfung auf Möglichkeiten einer Substitution nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4,
3.
eine Begründung für einen Verzicht auf eine technisch mögliche Substitution, sofern Schutzmaßnahmen nach § 9 oder § 10 zu ergreifen sind,
4.
die durchzuführenden Schutzmaßnahmen einschließlich derer,
a)
die wegen der Überschreitung eines Arbeitsplatzgrenzwerts zusätzlich ergriffen wurden sowie der geplanten Schutzmaßnahmen, die zukünftig ergriffen werden sollen, um den Arbeitsplatzgrenzwert einzuhalten, oder
b)
die unter Berücksichtigung eines Beurteilungsmaßstabs für krebserzeugende Gefahrstoffe, der nach § 20 Absatz 4 bekannt gegeben worden ist, zusätzlich getroffen worden sind oder zukünftig getroffen werden sollen (Maßnahmenplan),
5.
eine Begründung, wenn von den nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen abgewichen wird, und
6.
die Ermittlungsergebnisse, die belegen, dass der Arbeitsplatzgrenzwert eingehalten wird oder, bei Stoffen ohne Arbeitsplatzgrenzwert, die ergriffenen technischen Schutzmaßnahmen wirksam sind.
Im Rahmen der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung können auch vorhandene Gefährdungsbeurteilungen, Dokumente oder andere gleichwertige Berichte verwendet werden, die auf Grund von Verpflichtungen nach anderen Rechtsvorschriften erstellt worden sind.

(9) Bei der Dokumentation nach Absatz 8 hat der Arbeitgeber in Abhängigkeit der Feststellungen nach Absatz 4 die Gefährdungen durch gefährliche explosionsfähige Gemische besonders auszuweisen (Explosionsschutzdokument). Daraus muss insbesondere hervorgehen,

1.
dass die Explosionsgefährdungen ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind,
2.
dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um die Ziele des Explosionsschutzes zu erreichen (Darlegung eines Explosionsschutzkonzeptes),
3.
ob und welche Bereiche entsprechend Anhang I Nummer 1.7 in Zonen eingeteilt wurden,
4.
für welche Bereiche Explosionsschutzmaßnahmen nach § 11 und Anhang I Nummer 1 getroffen wurden,
5.
wie die Vorgaben nach § 15 umgesetzt werden und
6.
welche Überprüfungen nach § 7 Absatz 7 und welche Prüfungen zum Explosionsschutz nach Anhang 2 Abschnitt 3 der Betriebssicherheitsverordnung durchzuführen sind.

(10) Bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach Absatz 13 kann auf eine detaillierte Dokumentation verzichtet werden. Falls in anderen Fällen auf eine detaillierte Dokumentation verzichtet wird, ist dies nachvollziehbar zu begründen. Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Sie ist umgehend zu aktualisieren, wenn maßgebliche Veränderungen oder neue Informationen dies erfordern oder wenn sich eine Aktualisierung auf Grund der Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge als notwendig erweist.

(11) Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Fachkundig können insbesondere die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sein.

(12) Der Arbeitgeber hat nach Satz 2 ein Verzeichnis der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe zu führen, in dem auf die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter verwiesen wird. Das Verzeichnis muss mindestens folgende Angaben enthalten:

1.
Bezeichnung des Gefahrstoffs,
2.
Einstufung des Gefahrstoffs oder Angaben zu den gefährlichen Eigenschaften,
3.
Angaben zu den im Betrieb verwendeten Mengenbereichen,
4.
Bezeichnung der Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte dem Gefahrstoff ausgesetzt sein können.
Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn nur Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach Absatz 13 ausgeübt werden. Die Angaben nach Satz 2 Nummer 1, 2 und 4 müssen allen betroffenen Beschäftigten und ihrer Vertretung zugänglich sein.

(13) Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung für bestimmte Tätigkeiten auf Grund

1.
der gefährlichen Eigenschaften des Gefahrstoffs,
2.
einer geringen verwendeten Stoffmenge,
3.
einer nach Höhe und Dauer niedrigen Exposition und
4.
der Arbeitsbedingungen
insgesamt eine nur geringe Gefährdung der Beschäftigten und reichen die nach § 8 zu ergreifenden Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten aus, so müssen keine weiteren Maßnahmen des Abschnitts 4 ergriffen werden.

(14) Liegen für Stoffe oder Gemische keine Prüfdaten oder entsprechende aussagekräftige Informationen zur akut toxischen, reizenden, hautsensibilisierenden oder keimzellmutagenen Wirkung oder zur spezifischen Zielorgan-Toxizität bei wiederholter Exposition vor, sind die Stoffe oder Gemische bei der Gefährdungsbeurteilung wie Stoffe der Gefahrenklasse Akute Toxizität (oral, dermal und inhalativ) Kategorie 3, Ätz-/Reizwirkung auf die Haut Kategorie 2, Sensibilisierung der Haut Kategorie 1, Keimzellmutagenität Kategorie 2 oder Spezifische Zielorgan-Toxizität, wiederholte Exposition (STOT RE) Kategorie 2 zu behandeln. Hinsichtlich der Spezifizierung der anzuwendenden Einstufungskategorien sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

(1) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) gebildet, in dem geeignete Personen vonseiten der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Landesbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und weitere geeignete Personen, insbesondere aus der Wissenschaft, vertreten sein sollen. Die Gesamtzahl der Mitglieder soll 21 Personen nicht überschreiten. Für jedes Mitglied ist ein stellvertretendes Mitglied zu benennen. Die Mitgliedschaft im Ausschuss für Gefahrstoffe ist ehrenamtlich.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beruft die Mitglieder des Ausschusses und die stellvertretenden Mitglieder. Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt die Vorsitzende oder den Vorsitzenden aus seiner Mitte. Die Geschäftsordnung und die Wahl der oder des Vorsitzenden bedürfen der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

(3) Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört es:

1.
den Stand der Wissenschaft, Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung zu ermitteln und entsprechende Empfehlungen auszusprechen,
2.
zu ermitteln, wie die in dieser Verordnung gestellten Anforderungen erfüllt werden können und dazu die dem jeweiligen Stand von Technik und Medizin entsprechenden Regeln und Erkenntnisse zu erarbeiten,
3.
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in allen Fragen zu Gefahrstoffen und zur Chemikaliensicherheit zu beraten und
4.
Arbeitsplatzgrenzwerte, biologische Grenzwerte und andere Beurteilungsmaßstäbe für Gefahrstoffe vorzuschlagen und regelmäßig zu überprüfen, wobei Folgendes zu berücksichtigen ist:
a)
bei der Festlegung der Grenzwerte und Beurteilungsmaßstäbe ist sicherzustellen, dass der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten gewahrt ist,
b)
für jeden Stoff, für den ein Arbeitsplatzgrenzwert oder ein biologischer Grenzwert in Rechtsakten der Europäischen Union festgelegt worden ist, ist unter Berücksichtigung dieses Grenzwerts ein nationaler Grenzwert vorzuschlagen.
Das Arbeitsprogramm des Ausschusses für Gefahrstoffe wird mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales abgestimmt, wobei die Letztentscheidungsbefugnis beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales liegt. Der Ausschuss arbeitet eng mit den anderen Ausschüssen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusammen.

(4) Nach Prüfung kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales

1.
die vom Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelten Regeln und Erkenntnisse nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 sowie die Arbeitsplatzgrenzwerte und Beurteilungsmaßstäbe nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt geben und
2.
die Empfehlungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 sowie die Beratungsergebnisse nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 in geeigneter Weise veröffentlichen.

(5) Die Bundesministerien sowie die obersten Landesbehörden können zu den Sitzungen des Ausschusses Vertreterinnen oder Vertreter entsenden. Auf Verlangen ist diesen in der Sitzung das Wort zu erteilen.

(6) Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin führt die Geschäfte des Ausschusses.

(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Absatz 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind.

(1a) Wird eine Anordnung nach Absatz 1 nicht innerhalb der gesetzten Frist oder eine solche für sofort vollziehbar erklärte Anordnung nicht sofort ausgeführt, kann die zuständige Behörde die von der Anordnung betroffene Arbeit ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung untersagen, wenn die Untersagung zum Schutz von Leben oder Gesundheit der Beschäftigten erforderlich ist.

(2) Die zuständige Landesbehörde kann für eine Dauer von höchstens drei Monaten anordnen, dass ein gefährlicher Stoff, ein gefährliches Gemisch oder ein Erzeugnis, das einen gefährlichen Stoff oder ein gefährliches Gemisch freisetzen kann oder enthält, nicht, nur unter bestimmten Voraussetzungen, nur in bestimmter Beschaffenheit oder nur für bestimmte Zwecke hergestellt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden darf, soweit Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht dafür vorliegen, dass von dem Stoff, dem Gemisch oder dem Erzeugnis eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgeht. Die zuständige Landesbehörde kann diese Anordnung aus wichtigem Grund um bis zu einem Jahr verlängern. Die Sätze 1 und 2 gelten auch dann, wenn Anhaltspunkte, insbesondere ein nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründeter Verdacht, für die Annahme bestehen, dass ein Stoff oder ein Gemisch gefährlich ist. Anordnungen nach Satz 1 und 2 können nur ergehen, soweit dies unionsrechtlich zulässig ist.

(3) Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Absätzen 1a und 2 haben keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2006 - 17 K 1608/06 - aufgehoben, soweit darin die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 und 20.06.2005 weitere Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren, die diesem Ausspruch entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und ihr Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 aufgehoben werden und insoweit die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt worden ist. Die Sache wird unter Aufhebung des insoweit durchgeführten Verfahrens an das Verwaltungsgericht Stuttgart zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bewilligung von höheren Kassenleistungen.
Die Klägerin ist B 1 - Mitglied der Beklagten mit einem Bemessungssatz für Kassenleistungen von 30 %. Am 14.05.2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 10.05.2005 über 724,23 EUR für Behandlungen durch Dr. M.-S. (Dermatologe/Allergologe). Mit Schreiben vom 30.05.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass diese Aufwendungen nur zum Teil erstattungsfähig seien. In ihrem Bescheid vom 31.05.2005 ging die Beklagte von einem beihilfefähigen Aufwand von 516,59 EUR aus und bewilligte der Klägerin Kassenleistungen in Höhe von 154,98 EUR. In seiner Stellungnahme vom 09.06.2005 erläuterte der behandelnde Arzt Dr. M.-S. unter Bezugnahme auf das an die Klägerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 30.05.2005 die von ihm vorgenommenen Behandlungen und Abrechnungen.
Unter dem Datum des 10.06.2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 über 759,88 EUR für weitere Behandlungen durch Dr. M.-S. Diese Rechnung betraf die Behandlungen der Klägerin durch Dr. M.-S. vom 02., 17., 24. und 25.05.2005. Mit Schreiben vom 16.06.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde „um die Beihilfe- und Erstattungsfähigkeit der in Rede gestellten GOÄ-Ziffern sowie der fortlaufenden Behandlung (Untersuchung usw.) beurteilen zu können“, die medizinische Notwendigkeit von einem Gutachter beurteilen lassen. Weiter bat sie die Klägerin, die „entsprechenden vollständigen Krankenunterlagen ab dem 18.04.2005 zusammen mit der Einverständniserklärung ... zur vertrauensärztlichen Begutachtung innerhalb von 14 Tagen" vorzulegen. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass sie ein umfassendes Einsichtsrecht in ihre eigenen Krankenunterlagen habe. Nach § 78 Abs. 2 der Satzung der Beklagten seien die zur Überprüfung der Beihilfe- und Erstattungsfähigkeit benötigten Unterlagen vom Mitglied selbst einzuholen. Die Mitglieder seien zur Mitwirkung verpflichtet. Kämen sie dieser Verpflichtung schuldhaft nicht nach, hätten sie die daraus entstehenden Nachteile zu tragen. Daraufhin unterschrieb die Klägerin am 22.06.2005 eine von der Beklagten entworfene „Einverständniserklärung“. Danach entband die Klägerin ihren behandelnden Dermatologen von der Schweigepflicht gegenüber der Beklagten und deren Gutachtern sowie mit der Gutachtenerstellung beauftragten Ärztekammern und ermächtigte die Beklagte zugleich, die zur Gutachtenerstellung notwendigen Unterlagen und Informationen an den bezeichneten Personenkreis weiterzugeben. Am 23.06.2005 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkV vom 20.06.2005 über 332,55 EUR für Laborleistungen.
Für die von der Beklagten mit der Überprüfung beauftragte Fa. Medic Control nahm Prof. Dr. Dr. P. (Hautarzt und Allergologe, Leitender Oberarzt der Universitätsklinik Kiel) nach einer körperlichen Untersuchung der Klägerin zur Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit ihrer dermatologischen Behandlung durch Dr. M.-S. am 11.07.2005 gutachtlich Stellung. Mit Schreiben vom 13.07.2005 informierte die Beklagte die Klägerin über den Inhalt des von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens vom 11.07.2005 und wies sie darauf hin, dass über die Anträge vom 10. und vom 23.06.2005 auf der Basis des Gutachtens entschieden und dementsprechend eine reduzierte Erstattung erfolgen werde. Mit Bescheiden vom 14.07.2005 gewährte die Beklagte der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 06.06.2005 Kassenleistungen von 63,44 EUR und für Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 20.06.2005 Kassenleistungen von 21,63 EUR.
Dagegen erhob die Klägerin jeweils Widerspruch und verwies zur Begründung auf eine Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. M.-S. vom 23.08.2005, wonach die abgerechneten Leistungen medizinisch indiziert gewesen und deshalb in voller Höhe zu erstatten seien.
Nach Einholung eines weiteren Gutachtens durch die Fa. Medic Control - wiederum erstellt durch Prof. Dr. Dr. P. - vom 23.12.2005 gewährte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 weitere Kassenleistungen in Höhe von 5,32 EUR. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter Hinweis auf die von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten aus, eine weitere Erstattung der Aufwendungen überschreite den Rahmen des medizinisch Notwendigen und Angemessenen. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 17.03.2006 zugestellt.
Am 18.04.2006, dem Dienstag nach Ostern, hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen: Leistungen habe sie nur im unbedingt nötigen Umfang in Anspruch genommen. Die von der Beklagten eingeholten Gutachten gingen von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus. So sei z. B. eine elektrokaustische Abtragung des Naevuszellnaevus nicht erfolgt. Exzisionen hätten an anderen Stellen stattgefunden. Die Gutachten seien nicht verwertbar. Es bestehe insoweit auch der Verdacht der Parteilichkeit. Darüber hinaus hat die Klägerin zu einzelnen Gesichtspunkten, insbesondere zu einzelnen GOÄ-Ziffern Stellung genommen und insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung hat die Beklagte vorgetragen, die Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten Leistungen sei zweifelhaft gewesen, so dass sie berechtigt gewesen sei, dies durch ärztliche Gutachten zu überprüfen. Die Rechnungen des behandelnden Arztes lägen zum Teil deutlich über den ansonsten üblichen Behandlungskosten. Deshalb sei zu Recht von der Klägerin die Entbindung von der Schweigepflicht gefordert worden. Infolge ihrer Mitgliedschaft ergäben sich gewisse Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. § 30 Abs. 3 ihrer Satzung sei eine geeignete Rechtsgrundlage für eine gutachtliche Überprüfung.
Nachdem die Beklagte weitere Kassenleistung in Höhe von 10,97 EUR aufgrund eines weiteren Gutachtens von Medic control - erstellt von Prof. Dr. Dr. P. - vom 10.07.2006 nachgewährt hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in Höhe von 10,97 EUR für erledigt erklärt.
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Mit Schriftsatz vom 15.08.2006 hat die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag von 322,44 EUR auf den Betrag von 234,34 EUR reduziert.
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Mit Urteil vom 27.12.2006 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - 17 K 1608/06 - das Verfahren nach Klagerücknahme eingestellt, soweit es auf Kassenleistung in Höhe von 88,10 EUR gerichtet gewesen ist. Ferner hat es das Verfahren nach Erledigung in der Hauptsache eingestellt, soweit es auf weitere Kassenleistungen in Höhe von 10,97 EUR gerichtet gewesen ist. Schließlich hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 und 20.06.2005 weitere Kassenleistung in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren. Die Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15.03.2006 hat das Verwaltungsgericht aufgehoben, soweit sie diesen Verpflichtungen entgegenstehen. Außerdem hat das Verwaltungsgericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Bei Behandlungen und Verordnungen durch Ärzte gelte der Grundsatz, dass in der Regel die aufgrund ärztlicher Anordnung entstandenen Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig seien. Habe die Beklagte Zweifel an der Notwendigkeit, könne sie diesen auf eigene Kosten nachgehen. Zwar ermächtige § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten dazu, die Zweifel durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten klären zu lassen. Dies sei aber nur mit Zustimmung des Mitglieds und gegebenenfalls Entbindung behandelnder Ärzte von der Schweigepflicht möglich. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft benötige die Beklagte eine gesetzliche Grundlage für die Beschränkung des Rechts ihres Mitglieds auf informationelle Selbstbestimmung. § 78 Abs. 2 der Satzung der Beklagten stelle keine Rechtsgrundlage dar, weil dort nur die Verpflichtung geregelt sei, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Nachweise vorzulegen. Die Entbindung von der Schweigepflicht und die Zustimmung zur Weiterleitung von Unterlagen ließen sich weder unter Auskünfte noch unter Nachweise subsumieren. Auch § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung biete insoweit keine ausreichende Rechtsgrundlage. Denn dort seien lediglich Rechte der Beklagten geregelt, nicht aber Pflichten ihrer Mitglieder. Im Übrigen gehe auch die Beklagte von § 78 Abs. 2 ihrer Satzung als Grundlage aus. Zudem müsse das Verlangen, eine Entbindung von der Schweigepflicht vorzulegen bzw. der Weiterleitung von Unterlagen oder Daten an Dritte zuzustimmen, weiteren Anforderungen genügen, um den informationellen Selbstschutz der Mitglieder hinreichend zu gewähren. Die Beklagte müsse die konkreten Positionen bzw. sonstigen Punkte genau angeben, die überprüft werden sollen. Ferner müsse die Beklagte Name, Sitz und Qualifikation des von ihr beauftragten Arztes mitteilen oder zumindest darauf hinweisen, dass diese Angaben auf Verlangen mitgeteilt würden. Die Beklagte müsse sich auf Teile von Unterlagen beschränken, die sich auf die zweifelhaften Positionen beziehen. Es sei nicht zulässig, eine komplette Patientenkartei anzufordern. Diese Vorgaben müssten in dem Zeitpunkt erfüllt sein, in dem die Beklagte die Entbindung von der Schweigepflicht bzw. die Zustimmung zur Weiterleitung von Daten oder Unterlagen oder deren Vorlage vom Mitglied verlange. Diesen Vorgaben habe die mit Schreiben der Beklagten vom 16.06.2005 ausgesprochene Anforderung der Einverständniserklärung zur vertrauensärztlichen Begutachtung sowie der vollständigen Krankenunterlagen nicht entsprochen. Damit liege ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Klägerin vor. Ein Verstoß sei auch deshalb gegeben, weil die notwendige Rechtsgrundlage nicht bestanden habe. Unerheblich sei, dass die Klägerin der Aufforderung der Beklagten vom 16.06.2005 zur Abgabe der Erklärung ohne Weiteres nachgekommen sei. Denn die Klägerin habe damit rechnen müssen, keine Leistungen zu erhalten, sollte sie der Aufforderung der Beklagten nicht nachkommen. Die im Zusammenhang mit diesem Rechtsverstoß von der Beklagten erlangten Erkenntnisse dürften im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden. Dementsprechend bleibe es bei dem Grundsatz, dass die aufgrund ärztlicher Anordnung entstandenen Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig gewesen seien. Die Aufwendungen seien auch im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten beihilfefähig gewesen.
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Gegen das ihr am 15.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.01.2007 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Diesen Antrag hat die Beklagte mit dem am 13.03.2007 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Zulassungsbeschluss des Gerichts (4 S 315/07) ist der Beklagten am 10.10.2007 zugestellt worden. Am 08.11.2007 ist der Beklagten durch Verfügung des Vorsitzenden die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 31.11.2007 verlängert worden. Am 13.11.2007 hat die Beklagte einen Antrag gestellt und die Berufung begründet.
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Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor: Sie habe berechtigte Zweifel an der Erstattungsfähigkeit der Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 gehabt. In der Rechnung vom 06.06.2005 sei z. B. an einem Behandlungstag neun Mal die GOÄ-Ziff. 298, neun Mal die GOÄ-Ziff. 4711 und neun Mal die GOÄ-Ziff. 4715 und 4716 abgerechnet worden. Zudem sei ihr aus Erfahrung mit Rechnungen des behandelnden Arztes in anderen Verfahren bekannt, dass eine vertrauensärztliche Überprüfung dieser Rechnungen häufig zu dem Ergebnis gekommen sei, dass abgerechnete Leistungen teilweise nicht notwendig bzw. nicht angemessen gewesen seien. Nach den von ihr eingeholten Gutachten überschritten die vom behandelnden Arzt abgerechneten Leistungen das Maß des Notwendigen und Angemessenen, so dass nach § 30 Abs. 1 und 3 ihrer Satzung kein Erstattungsanspruch bestehe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts seien die von ihr eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. P. auch verwertbar. Ein Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung liege nicht vor. Bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Einverständniserklärung sei der Klägerin aufgrund der vorausgegangenen Korrespondenz bewusst gewesen, welche Aspekte der eingereichten Rechnungen des behandelnden Arztes zweifelhaft seien. Die Klägerin habe ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht dahingehend ausgeübt, dass sie der Beklagten die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt und sich vom Vertrauensarzt habe untersuchen lassen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.10.2006 betreffe eine in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung übliche pauschale Schweigepflichtentbindungserklärung. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Klausel wegen ihres Generalermächtigungscharakters beanstandet. Das Gericht habe es für verfassungsrechtlich zulässig angesehen, wenn Versicherungsunternehmen in Zusammenhang mit der Mitteilung, welche Informationserhebungen beabsichtigt seien, dem Versicherten die Möglichkeit zur Beschaffung der Informationen oder jedenfalls eine Widerspruchsmöglichkeit einräumten. Dementsprechend sei die von ihr geforderte Einzeleinwilligung der Klägerin verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn diese habe sich auf einen konkreten Behandlungsvorgang und auf bestimmte von der Klägerin eingereichte Rechnungen bezogen. Auch habe die Klägerin während des Verfahrens nicht geltend gemacht, ihr sei der Umfang der Entbindung von der Schweigepflicht nicht bekannt gewesen oder sie habe diese Erklärung nicht freiwillig abgegeben. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Forderung nach Vorlage der ärztlichen Unterlagen und der Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht rechtswidrig gewesen sei, habe das Gutachten verwertet werden können. Bei der gebotenen Abwägung überwiege das Interesse auch der Versichertengemeinschaft auf Erstattung nur tatsächlich notwendiger medizinischer Leistungen das Interesse der Klägerin an der Geheimhaltung ihrer Daten. Sollten die von ihr eingeholten Gutachten tatsächlich unverwertbar sein, so müsse die Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der abgerechneten ärztlichen Aufwendungen seitens des Gerichts von Amts wegen aufgeklärt werden. Hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen bestünden begründete Zweifel.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2006 - 17 K 1608/06 - aufzuheben, soweit darin die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/Schleswig-Holstein Hamburg rkv vom 06.06.2005 und 20.06.2005 weitere Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren, sowie die Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und ihr Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 aufgehoben werden, soweit sie entgegenstehen, und die Sache unter Aufhebung des insoweit durchgeführten Verfahrens an das Verwaltungsgericht Stuttgart zur weiteren Verhandlung zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Voraussetzungen für die Kürzung ihres Anspruchs gemäß § 30 Abs. 3 der Satzung der Beklagten lägen nicht vor. Denn die von ihr in Anspruch genommenen ärztlichen Leistungen hätten das Maß des Notwendigen und Angemessenen nicht überschritten. Maßgeblich sei, ob Aufwendungen für eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode geltend gemacht worden seien, die geeignet sei, die Krankheit zu heilen oder zu lindern. Die von ihr abgegebene Verzichtserklärung hinsichtlich der Schweigepflicht des behandelnden Arztes sei wegen Verstoßes gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung unwirksam gewesen. Die Satzung der Beklagten biete keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür, von den Mitgliedern eine Schweigepflichtverzichtserklärung zu verlangen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die Akten der Beklagten sowie auf die Akten des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
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Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet an einem wesentlichen Mangel, der eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig macht (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat macht von dem ihm durch § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffneten Ermessen Gebrauch und verweist die Sache auf Antrag der Beklagten zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück. Maßgeblich für die Entscheidung ist, dass hierdurch die gesetzliche Regelung für die Berufung (§§ 124 ff. VwGO) eingehalten wird. Das Gesetz geht davon aus, dass zunächst das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung nach Durchführung einer Beweisaufnahme trifft und anschließend das Berufungsgericht über die Zulassung der Berufung nach Maßgabe der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO befindet, sofern das Verwaltungsgericht die Berufung nicht selbst zulässt.
22 
Der wesentliche Mangel des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO besteht hier darin, dass das Verwaltungsgericht die nach dem Vorbringen der Beteiligten gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erforderliche Beweisaufnahme nicht durchgeführt hat (Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 130, Rn. 4). Zwar hatte die Beklagte, anders als die Klägerin, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keinen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt. Nach dem Vortrag der Beklagten musste sich dem Verwaltungsgericht jedoch eine Beweisaufnahme aufdrängen. Zudem ist der Einzelrichter, wie seinen Verfügungen vom 04. und vom 29.08.2006 zu entnehmen ist, ursprünglich ebenfalls vom Erfordernis einer Beweisaufnahme ausgegangen. Bei dieser Beweiserhebung hätten die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. P. Berücksichtigung finden können (1). Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften aus Rechtsgründen nicht verwertet werden, hätte das Verwaltungsgericht der Klage nicht ohne Weiteres stattgegeben dürfen. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht die entscheidungserhebliche Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der von der Beklagten als zweifelhaft angesehenen Behandlungen der Klägerin durch den Dermatologen Dr. M.-S. nach § 86 Abs. 1 VwGO aufklären müssen. Denn der mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch der Klägerin ist nach § 30 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Beklagten auf Leistungen im unbedingt nötigen Umfang beschränkt. Die Beklagte hatte bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert geltend gemacht, die geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlung durch Dr. M.-S. seien teilweise nicht zu erstatten (2).
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Dass die noch erforderliche gerichtliche Beweisaufnahme keine „einfache“ (z. B. Vernehmung eines einzelnen Zeugen, vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6393, S. 14), sondern eine aufwändige im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sein wird, ergibt sich aus dem Umstand, dass nunmehr die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen (GOÄ-Ziffern) der Rechnung des behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. vom 06.06.2005 und des Labors vom 20.06.2005 mit Hilfe eines Sachverständigen überprüft werden müssen, die die Beklagte im Widerspruchsbescheid als nicht anerkennungsfähig aufgeführt hat. Dabei sind die im Widerspruchsbescheid erfolgte Nacherstattung in Höhe von 5,32 EUR sowie die weitere Bewilligung der Beklagten in Höhe von 10,97 EUR zu berücksichtigen.
24 
1) Es ist allgemein anerkannt, dass sich ein Verwaltungsgericht für sein Urteil ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht - im Wege des Urkundsbeweises (BVerfG, Kammerbeschl. v. 30.11.1993 - 2 BvR 594/93 -, BayVBl 1994, 143) - auf eine gutachtliche Stellungnahme stützen kann, die eine Behörde im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeholt und als Parteivortrag in das Verfahren eingeführt hat. Die Einholung eines „zusätzlichen“ Sachverständigengutachtens steht nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO dann im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.1992 - 4 B 39.92 -, NVwZ 1993, 268; Beschl. v. 24.03.2000 - 9 B 530.99 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 m.w.Nachw.). Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil davon ausgegangen, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften nicht berücksichtigt werden, weil die Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 rechtswidrig erlangt worden sei.
25 
Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Betroffenen vor der Preisgabe und Weitergabe von Informationen über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen zur Behandlung einer Erkrankung. Dieses Recht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz der öffentlichen Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. -, BVerfGE 65, 1, Rn. 151).
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Hinsichtlich der Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 ist zu berücksichtigen, dass diese zum einen die Entbindung von der Schweigepflicht betrifft (b) und zum anderen die Beklagte ermächtigt, die zur Erstellung des Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung notwendigen Unterlagen und Informationen an die von ihr mit der Gutachtenerstellung beauftragten Personen weiterzugeben (a).
27 
a) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts enthält die zum maßgeblichen Zeitpunkt gültige Satzung der Beklagten (vom 01.06.2005) in den Bestimmungen der § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 eine ausreichende Grundlage für die Weitergabe der hier in Rede stehenden Informationen über die hautärztlichen Behandlungen der Klägerin durch die Beklagte an einen (mittelbar) in ihrem Auftrag tätig werdenden - externen - ärztlichen Gutachter.
28 
Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten geregelt. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Erstattungsfähig sind Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Nach § 30 Abs. 3 der Satzung sind die Mitglieder und die mitversicherten Angehörigen verpflichtet, Leistungen nur in dem unbedingt nötigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Für Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschreiten, können die Leistungen gekürzt oder versagt werden. Bestehen Zweifel über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung, der verordneten Heilmittel, der Krankenhausleistungen usw., ist die Beklagte nach § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung ausdrücklich berechtigt, dies durch einen Amts- oder Vertrauensarzt (-zahnarzt) überprüfen zu lassen. Die Kosten der Überprüfung trägt nach Satz 5 die Beklagte. In § 78 Abs. 2 der Satzung ist bestimmt, dass das Mitglied verpflichtet ist, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Nachweise vorzulegen, wenn dies zur Prüfung der Berechtigung des Leistungsanspruchs notwendig ist. Ergänzend ist in § 78 Abs. 3 der Satzung geregelt, dass das Mitglied, wenn es seinen Verpflichtungen aus dem Absatz 2 schuldhaft nicht nachkommt, die daraus entstehenden Nachteile zu tragen hat.
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Nach den aufgeführten Bestimmungen ihrer Satzung ist die Beklagte berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung zu überprüfen. Denn hierauf beschränkt sich der Leistungsanspruch des Mitglieds. Die Beklagte war auch berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlungen durch Dr. M.-S. zu überprüfen, deren Erstattung die Klägerin beantragt hatte. Wie die Beklagte im Verwaltungs- wie im gerichtlichen Verfahren substantiiert dargelegt hat, erscheint es zumindest als zweifelhaft, ob die in den fraglichen Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 aufgeführten Leistungen nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in vollem Umfang erstattungsfähig sind. Bestehen Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung, setzt das in § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten zulässigerweise geregelte Verfahren zur Klärung dieser Frage die Mitwirkung des Mitglieds voraus. Die Informationen über die Umstände der Behandlung des Mitglieds sind der Beklagten regelmäßig unbekannt. Zwischen ihr und dem behandelnden Arzt bestehen keine rechtlichen Beziehungen. Privatrechtlich in Beziehung stehen vielmehr das Mitglied und der behandelnde Arzt. Das Mitglied hat aus dem Dienstvertrag mit dem Arzt einen umfassenden Auskunfts- und Informationsanspruch. Diesen Anspruch muss das Mitglied gegenüber dem behandelnden Arzt geltend machen, um seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung nachzukommen. Zur Überprüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Leistungen an Hand der vom Mitglied vorgelegten Informationen über die fragliche Behandlung muss sich die Beklagte medizinischen Sachverstands bedienen. Aus § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten ergibt sich für die Mitglieder ohne Weiteres, dass die vom Mitglied entsprechend der Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung vorgelegten Informationen an externe Gutachter weiter gegeben werden, weil die Beklagte mangels eigenen medizinischen Sachverstands der Hilfe von nicht bei ihr beschäftigten Ärzten oder Zahnärzten bedarf. Mit dem Recht der Beklagten, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung überprüfen zu lassen, ist zugleich die Verpflichtung der Mitglieder geregelt, die für dieses Verfahren erforderliche Übermittlung von Daten über die erfolgte ärztliche Behandlung an externe Gutachter zu dulden. Eine Rechtspflicht, Personal zu beschäftigen, das aufgrund seines medizinischen Sachverstands die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen in jedem Fall beurteilen kann, so dass die Weitergabe an externe Gutachter ausscheidet, besteht für die Beklagte nicht. Danach ergibt sich aus der Zusammenschau von § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 der Satzung das Recht der Beklagten, die ihr über die fragliche Behandlung vom Mitglied vorgelegten Informationen an von ihr beauftragte Dritte zu übermitteln und zugleich die Verpflichtung des Mitglieds zur Duldung dieser Weitergabe. Dem Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung wurde auch dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass in der von der Beklagten vorformulierten Erklärung der Arzt, um dessen Behandlung es konkret ging, namentlich benannt war. Zudem war der Klägerin durch den vorangegangenen Schriftverkehr mit der Beklagten bekannt, die Erstattungsfähigkeit welcher Aufwendungen von der Beklagten angezweifelt wurde.
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Danach bestehen gegen die Weitergabe der die fraglichen Behandlungen der Klägerin betreffenden Informationen an den für die Beklagten tätigen Gutachter keine rechtlichen Bedenken, wenn die Beklagte von diesen ohne Inanspruchnahme der in der Erklärung vom 22.06.2005 enthaltenen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht Kenntnis erlangt hat.
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b) Entbindet der Patient, der bei der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für seine ärztliche Behandlung geltend macht, den ihn behandelnden Arzt von der Schweigepflicht, so entfällt hierdurch die Strafbarkeit des Arztes nach § 203 Abs. 1 StGB, wenn dieser gegenüber Dritten Einzelheiten aus der ärztlichen Behandlung des Mitglieds offenbart. Zugleich ist ausgeschlossen, dass durch eine solche Handlung der privatrechtliche (Dienst-) Vertrag verletzt wird. Zudem wird aus Sicht der Beklagten der unmittelbare Kontakt zwischen ihr und dem behandelnden Arzt ermöglicht.
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In tatsächlicher Hinsicht ist hier aber unklar, ob die Erklärung der Klägerin, sie entbinde den behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. von der Schweigepflicht, für die Erstellung der Gutachten überhaupt von Bedeutung war. Denn es spricht vieles für den von der Beklagten in der Berufungsverhandlung dargelegten Geschehensablauf, wonach die Klägerin insbesondere die Auszüge aus der sie betreffenden Karteikarte (Zeitraum vom 18.04 bis 11.06.2005) bei Dr. M.-S. beschafft und dann der Beklagten gemeinsam mit der unterschriebenen Einverständniserklärung selbst vorgelegt hat. Für diesen Ablauf spricht insbesondere, dass die Beklagte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 16.06.2005 ausdrücklich aufgefordert hatte, die „vollständigen Krankenunterlagen ab dem 18.04.2005 zusammen mit der Einverständniserklärung (1 Exemplar) zur vertrauensärztlichen Begutachtung innerhalb von 14 Tagen vorzulegen“. Der dem Senat vorliegenden Originalakte der Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, dass sich der behandelnde Arzt Dr. M.-S. wegen dieses Auszugs aus der von ihm über die Behandlung der Klägerin geführten Karteikarte unmittelbar an die Beklagte gewandt hat. Demgegenüber findet sich in der Verwaltungsakte der Beklagten ein Schreiben des Dr. M.-S. vom 09.06.2005 an die Beklagte, in dem der Arzt auf das an die Klägerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 30.05.2005 reagiert hat. Ein weitere schriftliche Stellungnahme des Arztes (vom 23.08.2005) ist von den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegt worden.
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Hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellten Frage der Verpflichtung eines Mitglieds zur Abgabe einer Erklärung über die Entbindung des behandelnden Arztes von seiner Schweigepflicht, gilt das Folgende: In Bezug auf die Art und Weise, in der das Mitglied seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Informations- und Mitwirkungspflicht zur Klärung der Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung nachkommt, steht ihm ein Wahlrecht zu. Das Mitglied kann zunächst den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und damit einen unmittelbaren Kontakt zwischen diesem Arzt und der Beklagten und den in ihrem Auftrag tätigen Gutachter ermöglichen. Den Interessen des Mitglieds an einer möglichst eingegrenzten Entbindung von der Schweigepflicht wird dadurch Rechnung getragen, dass der behandelnde Arzt in der Erklärung benannt wird und zudem dem Mitglied aus dem vorangegangenen Schriftverkehr bekannt ist, um welche Rechnungen es im Einzelnen geht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist das Mitglied aber rechtlich nicht gehalten, eine solche Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben. Das öffentliche Interesse, das mit der Verpflichtung des Mitglieds zur Information der Beklagten über die Umstände einer ärztlichen Behandlung verfolgt wird, erfordert es nicht, dass das Mitglied einen unmittelbaren Kontakt zwischen dem behandelnden Arzt und der beklagten Krankenkasse ermöglicht. Bezeichnenderweise regelte die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gültige Satzung der Beklagten auch nicht die Verpflichtung der Mitglieder, in den Fällen des § 30 Abs. 3 der Satzung den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden (jetzt anders in § 78 Abs. 3 der derzeit geltenden Fassung der Satzung - allerdings für zwei Sonderkonstellationen). Der Versicherte kann seiner Verpflichtung zur umfassenden Information der Beklagten über die umstrittene ärztliche Behandlung auch dadurch nachkommen, dass er die erforderlichen Informationen bei seinem Arzt selbst beschafft und diese dann der Beklagten vorlegt. Auf diese Weise ist dem Versicherten die Prüfung möglich, welche Daten der ärztlichen Behandlung an die Beklagte weitergegeben werden. Besteht nach der Vorlage der Informationen bei der Beklagten und einer ggfs. durchgeführten körperlichen Untersuchung des Mitglieds durch den von der Beklagten gestellten Gutachter noch Aufklärungsbedarf, so muss die Beklagte diese Fragen an das Mitglied richten, die diese an den es behandelnden Arzt weitergibt. Die mit dieser Verfahrensweise für die Beklagte unter Umständen verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen es nicht, das Mitglied als in jedem Fall verpflichtet anzusehen, durch die Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung einen direkten Kontakt zwischen der Beklagten und dem behandelnden Arzt zu ermöglichen. Hat das Mitglied dagegen eine Entbindungserklärung abgegeben, darf das auf diese Weise von der Beklagten beschaffte Gutachten verwertet werden. Zukünftig wird die Beklagte die Mitglieder bei der Vorlage des Vordrucks über die Entbindung von der Schweigepflicht aber darauf hinweisen müssen, dass eine solche Erklärung nicht abgegeben werden muss, sondern das Mitglied die erforderlichen Informationen auch selbst beim behandelnden Arzt beschaffen und dann der Beklagten übermitteln kann.
34 
Wird angenommen, wofür - wie dargelegt - wenig spricht, dass die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten unter Inanspruchnahme der ohne den erforderlichen Hinweis abgegebenen Schweigepflichtentbindungserklärung erstellt worden sind, stellt sich die Frage der Verwertbarkeit dieser Gutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Eine ausdrückliche Regelung über Beweisverwertungsverbote findet sich in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Ein absolutes Verwertungsverbot besteht bei unzulässigen Beweismitteln, die als solche oder nach der Art ihrer Erstellung oder Beschaffung gegen bestehende Rechtssätze oder allgemeine Rechtsgrundsätze oder wesentliche verfassungsrechtliche Ordnungsnormen verstoßen. Mit den insoweit in Betracht kommenden Konstellationen (z. B. Verstoß gegen § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO, Eyermann/Geiger, VwGO, 12. Aufl. § 86, Rn. 23a) kann der Fall der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit von bestimmten dermatologischen Behandlungen unter Inanspruchnahme einer Schweigepflichtentbindungserklärung, zu der das Mitglied wegen des unzutreffenden Hinweises auf eine vermeintliche Rechtspflicht veranlasst worden ist, nicht gleichgestellt werden. Scheidet die Annahme eines absoluten Verwertungsverbots aus, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, die hier zur Verwertbarkeit des Gutachtens führt. Denn das Ergebnis hätte ohne Weiteres in rechtmäßiger Weise, d. h. ohne den unzutreffenden Hinweis in der von der Beklagten vorbereiteten Erklärung auf eine angebliche Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung, erlangt werden können. Die Klägerin ist, wie oben dargelegt, verpflichtet, der Beklagten die allein ihr zugänglichen Informationen vorzulegen, die diese benötigt, um die Notwendigkeit und Angemessenheit einer bestimmten ärztlichen Behandlung durch einen von ihr beauftragten Gutachter zu überprüfen. Das Gewicht des Interesses der Klägerin, dass es nicht zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen dem sie behandelnden Arzt und der Beklagten oder den von ihr beauftragten Gutachtern kommt, war auch von vornherein dadurch reduziert, dass sich Dr. M.-S. mit Schreiben vom 09.06.2005 unmittelbar an die Beklagte gewandt hatte und in diesem zu der von ihm bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankungen sowie seiner ärztlichen Behandlung (ab dem 18.04.2005) detailliert Stellung genommen hatte. Wie sich aus dem Eingangssatz dieses Schreibens des Dr. M.-S. ergibt, war dieses eine Reaktion auf das Anschreiben der Beklagten vom 30.05.2005. Dieses war aber nicht an den Arzt, sondern an die Klägerin gerichtet, die das Anschreiben wohl an ihren Arzt zur Stellungnahme gegenüber der Beklagten weitergegeben hat. Ferner haben die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren der Beklagten die weitere eingehende Stellungnahme des Dr. M.-S. vom 23.08.2005 vorgelegt, in der sich der behandelnde Arzt mit dem Erstgutachten des Prof. Dr. Dr. P. vom 11.07.2005 auseinandergesetzt hat und das Anlass für die zweite Stellungnahme des Gutachters vom 23.12.2005 war. Gerade im Hinblick auf das vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund seiner Ausführungen gestellte Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung liegt es auch auf der Hand, dass die hier vorliegende Fallgestaltung nicht mit der Verwendung einer heimlich eingeholten DNA-Analyse in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu vergleichen ist (BGH, Urt. v. 12.01.2005 - XII ZR 227/03 -, BGHZ 162, 1).
35 
2) Selbst wenn dem Verwaltungsgericht darin zu folgen wäre, dass die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten aus Rechtsgründen für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht berücksichtigt werden dürfen, hätte das Gericht der Klage nicht ohne Weiteres gemäß dem von ihm als sachdienlich angesehenen Klageantrag stattgeben dürfen.
36 
Sowohl im Verwaltungs- als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte unter Verweis auf die von ihr eingeholten Gutachten substantiiert geltend gemacht, die von ihr im Einzelnen beanstandeten GOÄ-Ziffern der beiden Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 seien von ihr nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 Satz 1 und 2 ihrer Satzung nicht anteilig zu erstatten. Denn es handele sich jeweils um Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschritten. Diesen substantiierten Vortrag der Beklagten durfte das Verwaltungsgericht nicht unter Hinweis auf den „Grundsatz“ unberücksichtigt lassen, in der Regel seien die auf Grund ärztlicher Anordnung entstehenden Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig. Denn selbst wenn von einem solchen Grundsatz ausgegangen wird, hatte die Beklagte dessen Anwendung durch ihren Sachvortrag ausgeschlossen. Gemäß § 86 Abs. 1 VwGO hätte das Verwaltungsgericht den danach im Hinblick auf die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen zwischen den Beteiligten umstrittenen Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen.
37 
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
38 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
39 
Beschluss vom 29. Juli 2008
40 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 223,27 EUR festgesetzt (§ 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 3 GKG).
41 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
20 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
21 
Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet an einem wesentlichen Mangel, der eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig macht (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat macht von dem ihm durch § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffneten Ermessen Gebrauch und verweist die Sache auf Antrag der Beklagten zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück. Maßgeblich für die Entscheidung ist, dass hierdurch die gesetzliche Regelung für die Berufung (§§ 124 ff. VwGO) eingehalten wird. Das Gesetz geht davon aus, dass zunächst das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung nach Durchführung einer Beweisaufnahme trifft und anschließend das Berufungsgericht über die Zulassung der Berufung nach Maßgabe der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO befindet, sofern das Verwaltungsgericht die Berufung nicht selbst zulässt.
22 
Der wesentliche Mangel des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO besteht hier darin, dass das Verwaltungsgericht die nach dem Vorbringen der Beteiligten gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erforderliche Beweisaufnahme nicht durchgeführt hat (Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 130, Rn. 4). Zwar hatte die Beklagte, anders als die Klägerin, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keinen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt. Nach dem Vortrag der Beklagten musste sich dem Verwaltungsgericht jedoch eine Beweisaufnahme aufdrängen. Zudem ist der Einzelrichter, wie seinen Verfügungen vom 04. und vom 29.08.2006 zu entnehmen ist, ursprünglich ebenfalls vom Erfordernis einer Beweisaufnahme ausgegangen. Bei dieser Beweiserhebung hätten die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. P. Berücksichtigung finden können (1). Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften aus Rechtsgründen nicht verwertet werden, hätte das Verwaltungsgericht der Klage nicht ohne Weiteres stattgegeben dürfen. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht die entscheidungserhebliche Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der von der Beklagten als zweifelhaft angesehenen Behandlungen der Klägerin durch den Dermatologen Dr. M.-S. nach § 86 Abs. 1 VwGO aufklären müssen. Denn der mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch der Klägerin ist nach § 30 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Beklagten auf Leistungen im unbedingt nötigen Umfang beschränkt. Die Beklagte hatte bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert geltend gemacht, die geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlung durch Dr. M.-S. seien teilweise nicht zu erstatten (2).
23 
Dass die noch erforderliche gerichtliche Beweisaufnahme keine „einfache“ (z. B. Vernehmung eines einzelnen Zeugen, vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6393, S. 14), sondern eine aufwändige im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sein wird, ergibt sich aus dem Umstand, dass nunmehr die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen (GOÄ-Ziffern) der Rechnung des behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. vom 06.06.2005 und des Labors vom 20.06.2005 mit Hilfe eines Sachverständigen überprüft werden müssen, die die Beklagte im Widerspruchsbescheid als nicht anerkennungsfähig aufgeführt hat. Dabei sind die im Widerspruchsbescheid erfolgte Nacherstattung in Höhe von 5,32 EUR sowie die weitere Bewilligung der Beklagten in Höhe von 10,97 EUR zu berücksichtigen.
24 
1) Es ist allgemein anerkannt, dass sich ein Verwaltungsgericht für sein Urteil ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht - im Wege des Urkundsbeweises (BVerfG, Kammerbeschl. v. 30.11.1993 - 2 BvR 594/93 -, BayVBl 1994, 143) - auf eine gutachtliche Stellungnahme stützen kann, die eine Behörde im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeholt und als Parteivortrag in das Verfahren eingeführt hat. Die Einholung eines „zusätzlichen“ Sachverständigengutachtens steht nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO dann im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.1992 - 4 B 39.92 -, NVwZ 1993, 268; Beschl. v. 24.03.2000 - 9 B 530.99 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 m.w.Nachw.). Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil davon ausgegangen, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten dürften nicht berücksichtigt werden, weil die Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 rechtswidrig erlangt worden sei.
25 
Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Betroffenen vor der Preisgabe und Weitergabe von Informationen über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen zur Behandlung einer Erkrankung. Dieses Recht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz der öffentlichen Interessen unerlässlich ist (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. -, BVerfGE 65, 1, Rn. 151).
26 
Hinsichtlich der Einverständniserklärung der Klägerin vom 22.06.2005 ist zu berücksichtigen, dass diese zum einen die Entbindung von der Schweigepflicht betrifft (b) und zum anderen die Beklagte ermächtigt, die zur Erstellung des Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung notwendigen Unterlagen und Informationen an die von ihr mit der Gutachtenerstellung beauftragten Personen weiterzugeben (a).
27 
a) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts enthält die zum maßgeblichen Zeitpunkt gültige Satzung der Beklagten (vom 01.06.2005) in den Bestimmungen der § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 eine ausreichende Grundlage für die Weitergabe der hier in Rede stehenden Informationen über die hautärztlichen Behandlungen der Klägerin durch die Beklagte an einen (mittelbar) in ihrem Auftrag tätig werdenden - externen - ärztlichen Gutachter.
28 
Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten geregelt. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Erstattungsfähig sind Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Nach § 30 Abs. 3 der Satzung sind die Mitglieder und die mitversicherten Angehörigen verpflichtet, Leistungen nur in dem unbedingt nötigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Für Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschreiten, können die Leistungen gekürzt oder versagt werden. Bestehen Zweifel über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung, der verordneten Heilmittel, der Krankenhausleistungen usw., ist die Beklagte nach § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung ausdrücklich berechtigt, dies durch einen Amts- oder Vertrauensarzt (-zahnarzt) überprüfen zu lassen. Die Kosten der Überprüfung trägt nach Satz 5 die Beklagte. In § 78 Abs. 2 der Satzung ist bestimmt, dass das Mitglied verpflichtet ist, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Nachweise vorzulegen, wenn dies zur Prüfung der Berechtigung des Leistungsanspruchs notwendig ist. Ergänzend ist in § 78 Abs. 3 der Satzung geregelt, dass das Mitglied, wenn es seinen Verpflichtungen aus dem Absatz 2 schuldhaft nicht nachkommt, die daraus entstehenden Nachteile zu tragen hat.
29 
Nach den aufgeführten Bestimmungen ihrer Satzung ist die Beklagte berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung zu überprüfen. Denn hierauf beschränkt sich der Leistungsanspruch des Mitglieds. Die Beklagte war auch berechtigt, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlungen durch Dr. M.-S. zu überprüfen, deren Erstattung die Klägerin beantragt hatte. Wie die Beklagte im Verwaltungs- wie im gerichtlichen Verfahren substantiiert dargelegt hat, erscheint es zumindest als zweifelhaft, ob die in den fraglichen Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 aufgeführten Leistungen nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in vollem Umfang erstattungsfähig sind. Bestehen Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung, setzt das in § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten zulässigerweise geregelte Verfahren zur Klärung dieser Frage die Mitwirkung des Mitglieds voraus. Die Informationen über die Umstände der Behandlung des Mitglieds sind der Beklagten regelmäßig unbekannt. Zwischen ihr und dem behandelnden Arzt bestehen keine rechtlichen Beziehungen. Privatrechtlich in Beziehung stehen vielmehr das Mitglied und der behandelnde Arzt. Das Mitglied hat aus dem Dienstvertrag mit dem Arzt einen umfassenden Auskunfts- und Informationsanspruch. Diesen Anspruch muss das Mitglied gegenüber dem behandelnden Arzt geltend machen, um seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung nachzukommen. Zur Überprüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Leistungen an Hand der vom Mitglied vorgelegten Informationen über die fragliche Behandlung muss sich die Beklagte medizinischen Sachverstands bedienen. Aus § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten ergibt sich für die Mitglieder ohne Weiteres, dass die vom Mitglied entsprechend der Verpflichtung aus § 78 Abs. 2 der Satzung vorgelegten Informationen an externe Gutachter weiter gegeben werden, weil die Beklagte mangels eigenen medizinischen Sachverstands der Hilfe von nicht bei ihr beschäftigten Ärzten oder Zahnärzten bedarf. Mit dem Recht der Beklagten, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung überprüfen zu lassen, ist zugleich die Verpflichtung der Mitglieder geregelt, die für dieses Verfahren erforderliche Übermittlung von Daten über die erfolgte ärztliche Behandlung an externe Gutachter zu dulden. Eine Rechtspflicht, Personal zu beschäftigen, das aufgrund seines medizinischen Sachverstands die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen in jedem Fall beurteilen kann, so dass die Weitergabe an externe Gutachter ausscheidet, besteht für die Beklagte nicht. Danach ergibt sich aus der Zusammenschau von § 30 Abs. 3 und § 78 Abs. 2 der Satzung das Recht der Beklagten, die ihr über die fragliche Behandlung vom Mitglied vorgelegten Informationen an von ihr beauftragte Dritte zu übermitteln und zugleich die Verpflichtung des Mitglieds zur Duldung dieser Weitergabe. Dem Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung wurde auch dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass in der von der Beklagten vorformulierten Erklärung der Arzt, um dessen Behandlung es konkret ging, namentlich benannt war. Zudem war der Klägerin durch den vorangegangenen Schriftverkehr mit der Beklagten bekannt, die Erstattungsfähigkeit welcher Aufwendungen von der Beklagten angezweifelt wurde.
30 
Danach bestehen gegen die Weitergabe der die fraglichen Behandlungen der Klägerin betreffenden Informationen an den für die Beklagten tätigen Gutachter keine rechtlichen Bedenken, wenn die Beklagte von diesen ohne Inanspruchnahme der in der Erklärung vom 22.06.2005 enthaltenen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht Kenntnis erlangt hat.
31 
b) Entbindet der Patient, der bei der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für seine ärztliche Behandlung geltend macht, den ihn behandelnden Arzt von der Schweigepflicht, so entfällt hierdurch die Strafbarkeit des Arztes nach § 203 Abs. 1 StGB, wenn dieser gegenüber Dritten Einzelheiten aus der ärztlichen Behandlung des Mitglieds offenbart. Zugleich ist ausgeschlossen, dass durch eine solche Handlung der privatrechtliche (Dienst-) Vertrag verletzt wird. Zudem wird aus Sicht der Beklagten der unmittelbare Kontakt zwischen ihr und dem behandelnden Arzt ermöglicht.
32 
In tatsächlicher Hinsicht ist hier aber unklar, ob die Erklärung der Klägerin, sie entbinde den behandelnden Dermatologen Dr. M.-S. von der Schweigepflicht, für die Erstellung der Gutachten überhaupt von Bedeutung war. Denn es spricht vieles für den von der Beklagten in der Berufungsverhandlung dargelegten Geschehensablauf, wonach die Klägerin insbesondere die Auszüge aus der sie betreffenden Karteikarte (Zeitraum vom 18.04 bis 11.06.2005) bei Dr. M.-S. beschafft und dann der Beklagten gemeinsam mit der unterschriebenen Einverständniserklärung selbst vorgelegt hat. Für diesen Ablauf spricht insbesondere, dass die Beklagte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 16.06.2005 ausdrücklich aufgefordert hatte, die „vollständigen Krankenunterlagen ab dem 18.04.2005 zusammen mit der Einverständniserklärung (1 Exemplar) zur vertrauensärztlichen Begutachtung innerhalb von 14 Tagen vorzulegen“. Der dem Senat vorliegenden Originalakte der Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, dass sich der behandelnde Arzt Dr. M.-S. wegen dieses Auszugs aus der von ihm über die Behandlung der Klägerin geführten Karteikarte unmittelbar an die Beklagte gewandt hat. Demgegenüber findet sich in der Verwaltungsakte der Beklagten ein Schreiben des Dr. M.-S. vom 09.06.2005 an die Beklagte, in dem der Arzt auf das an die Klägerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 30.05.2005 reagiert hat. Ein weitere schriftliche Stellungnahme des Arztes (vom 23.08.2005) ist von den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegt worden.
33 
Hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellten Frage der Verpflichtung eines Mitglieds zur Abgabe einer Erklärung über die Entbindung des behandelnden Arztes von seiner Schweigepflicht, gilt das Folgende: In Bezug auf die Art und Weise, in der das Mitglied seiner gegenüber der Beklagten bestehenden Informations- und Mitwirkungspflicht zur Klärung der Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit einer ärztlichen Behandlung nachkommt, steht ihm ein Wahlrecht zu. Das Mitglied kann zunächst den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und damit einen unmittelbaren Kontakt zwischen diesem Arzt und der Beklagten und den in ihrem Auftrag tätigen Gutachter ermöglichen. Den Interessen des Mitglieds an einer möglichst eingegrenzten Entbindung von der Schweigepflicht wird dadurch Rechnung getragen, dass der behandelnde Arzt in der Erklärung benannt wird und zudem dem Mitglied aus dem vorangegangenen Schriftverkehr bekannt ist, um welche Rechnungen es im Einzelnen geht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist das Mitglied aber rechtlich nicht gehalten, eine solche Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben. Das öffentliche Interesse, das mit der Verpflichtung des Mitglieds zur Information der Beklagten über die Umstände einer ärztlichen Behandlung verfolgt wird, erfordert es nicht, dass das Mitglied einen unmittelbaren Kontakt zwischen dem behandelnden Arzt und der beklagten Krankenkasse ermöglicht. Bezeichnenderweise regelte die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gültige Satzung der Beklagten auch nicht die Verpflichtung der Mitglieder, in den Fällen des § 30 Abs. 3 der Satzung den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden (jetzt anders in § 78 Abs. 3 der derzeit geltenden Fassung der Satzung - allerdings für zwei Sonderkonstellationen). Der Versicherte kann seiner Verpflichtung zur umfassenden Information der Beklagten über die umstrittene ärztliche Behandlung auch dadurch nachkommen, dass er die erforderlichen Informationen bei seinem Arzt selbst beschafft und diese dann der Beklagten vorlegt. Auf diese Weise ist dem Versicherten die Prüfung möglich, welche Daten der ärztlichen Behandlung an die Beklagte weitergegeben werden. Besteht nach der Vorlage der Informationen bei der Beklagten und einer ggfs. durchgeführten körperlichen Untersuchung des Mitglieds durch den von der Beklagten gestellten Gutachter noch Aufklärungsbedarf, so muss die Beklagte diese Fragen an das Mitglied richten, die diese an den es behandelnden Arzt weitergibt. Die mit dieser Verfahrensweise für die Beklagte unter Umständen verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen es nicht, das Mitglied als in jedem Fall verpflichtet anzusehen, durch die Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung einen direkten Kontakt zwischen der Beklagten und dem behandelnden Arzt zu ermöglichen. Hat das Mitglied dagegen eine Entbindungserklärung abgegeben, darf das auf diese Weise von der Beklagten beschaffte Gutachten verwertet werden. Zukünftig wird die Beklagte die Mitglieder bei der Vorlage des Vordrucks über die Entbindung von der Schweigepflicht aber darauf hinweisen müssen, dass eine solche Erklärung nicht abgegeben werden muss, sondern das Mitglied die erforderlichen Informationen auch selbst beim behandelnden Arzt beschaffen und dann der Beklagten übermitteln kann.
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Wird angenommen, wofür - wie dargelegt - wenig spricht, dass die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten unter Inanspruchnahme der ohne den erforderlichen Hinweis abgegebenen Schweigepflichtentbindungserklärung erstellt worden sind, stellt sich die Frage der Verwertbarkeit dieser Gutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Eine ausdrückliche Regelung über Beweisverwertungsverbote findet sich in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Ein absolutes Verwertungsverbot besteht bei unzulässigen Beweismitteln, die als solche oder nach der Art ihrer Erstellung oder Beschaffung gegen bestehende Rechtssätze oder allgemeine Rechtsgrundsätze oder wesentliche verfassungsrechtliche Ordnungsnormen verstoßen. Mit den insoweit in Betracht kommenden Konstellationen (z. B. Verstoß gegen § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO, Eyermann/Geiger, VwGO, 12. Aufl. § 86, Rn. 23a) kann der Fall der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit von bestimmten dermatologischen Behandlungen unter Inanspruchnahme einer Schweigepflichtentbindungserklärung, zu der das Mitglied wegen des unzutreffenden Hinweises auf eine vermeintliche Rechtspflicht veranlasst worden ist, nicht gleichgestellt werden. Scheidet die Annahme eines absoluten Verwertungsverbots aus, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, die hier zur Verwertbarkeit des Gutachtens führt. Denn das Ergebnis hätte ohne Weiteres in rechtmäßiger Weise, d. h. ohne den unzutreffenden Hinweis in der von der Beklagten vorbereiteten Erklärung auf eine angebliche Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung, erlangt werden können. Die Klägerin ist, wie oben dargelegt, verpflichtet, der Beklagten die allein ihr zugänglichen Informationen vorzulegen, die diese benötigt, um die Notwendigkeit und Angemessenheit einer bestimmten ärztlichen Behandlung durch einen von ihr beauftragten Gutachter zu überprüfen. Das Gewicht des Interesses der Klägerin, dass es nicht zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen dem sie behandelnden Arzt und der Beklagten oder den von ihr beauftragten Gutachtern kommt, war auch von vornherein dadurch reduziert, dass sich Dr. M.-S. mit Schreiben vom 09.06.2005 unmittelbar an die Beklagte gewandt hatte und in diesem zu der von ihm bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankungen sowie seiner ärztlichen Behandlung (ab dem 18.04.2005) detailliert Stellung genommen hatte. Wie sich aus dem Eingangssatz dieses Schreibens des Dr. M.-S. ergibt, war dieses eine Reaktion auf das Anschreiben der Beklagten vom 30.05.2005. Dieses war aber nicht an den Arzt, sondern an die Klägerin gerichtet, die das Anschreiben wohl an ihren Arzt zur Stellungnahme gegenüber der Beklagten weitergegeben hat. Ferner haben die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren der Beklagten die weitere eingehende Stellungnahme des Dr. M.-S. vom 23.08.2005 vorgelegt, in der sich der behandelnde Arzt mit dem Erstgutachten des Prof. Dr. Dr. P. vom 11.07.2005 auseinandergesetzt hat und das Anlass für die zweite Stellungnahme des Gutachters vom 23.12.2005 war. Gerade im Hinblick auf das vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund seiner Ausführungen gestellte Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung liegt es auch auf der Hand, dass die hier vorliegende Fallgestaltung nicht mit der Verwendung einer heimlich eingeholten DNA-Analyse in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu vergleichen ist (BGH, Urt. v. 12.01.2005 - XII ZR 227/03 -, BGHZ 162, 1).
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2) Selbst wenn dem Verwaltungsgericht darin zu folgen wäre, dass die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten aus Rechtsgründen für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht berücksichtigt werden dürfen, hätte das Gericht der Klage nicht ohne Weiteres gemäß dem von ihm als sachdienlich angesehenen Klageantrag stattgeben dürfen.
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Sowohl im Verwaltungs- als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte unter Verweis auf die von ihr eingeholten Gutachten substantiiert geltend gemacht, die von ihr im Einzelnen beanstandeten GOÄ-Ziffern der beiden Rechnungen vom 06.06. und vom 20.06.2005 seien von ihr nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 Satz 1 und 2 ihrer Satzung nicht anteilig zu erstatten. Denn es handele sich jeweils um Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschritten. Diesen substantiierten Vortrag der Beklagten durfte das Verwaltungsgericht nicht unter Hinweis auf den „Grundsatz“ unberücksichtigt lassen, in der Regel seien die auf Grund ärztlicher Anordnung entstehenden Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig. Denn selbst wenn von einem solchen Grundsatz ausgegangen wird, hatte die Beklagte dessen Anwendung durch ihren Sachvortrag ausgeschlossen. Gemäß § 86 Abs. 1 VwGO hätte das Verwaltungsgericht den danach im Hinblick auf die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen zwischen den Beteiligten umstrittenen Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen.
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
38 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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Beschluss vom 29. Juli 2008
40 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 223,27 EUR festgesetzt (§ 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 3 GKG).
41 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Zweck des Gesetzes ist es, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Gemische zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen.

Gründe

1

1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 24. März 2015 hat keinen Erfolg.

2

a) Die von der Klägerin gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

3

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen(vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

4

Das Antragsvorbringen unter B. I. der Antragsbegründungsschrift begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Verwendung asbesthaltiger Gebäudeteile als Träger von Wärmedämmungen unzulässig und das asbesthaltige Fugenmaterial vor der Durchführung von Maßnahmen der Fassadengestaltung von Bauten mit asbesthaltigen Fugen rückstandsfrei zu entfernen sei. Denn es geht in dem vorliegenden konkreten Einzelfall zu Recht davon aus, dass das Überbauen oder Überdecken der mit asbesthaltigen Fugen versehenen Außenfassade eine verbotene Arbeit an einem asbesthaltigem Gebäudeteil im Sinne von § 16 Abs. 2 der Gefahrstoffverordnung - GefStoffV - in der Fassung vom 26. November 2010 (BGBl. I 1643, 1644) zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl. I 49) i. V. m. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV darstellt.

5

Der klägerische Einwand, Überdeckungs- und Überbauungsarbeiten seien nach dem Wortlaut des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV nur insoweit unzulässig, als sie Asbestzementdächer und -wandverkleidungen beträfen, so dass solche Arbeiten im Übrigen unter die in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV erlaubten Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten fielen, ist nicht schlüssig und rechtfertigt die Zulassung der Berufung daher nicht.

6

Nach Anhang II Abs. 1 Satz 1 GefStoffV sind Arbeiten u.a. an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden verboten. Nach Satz 2 bzw. 3 der Vorschrift gilt der Satz 1 nicht für Abbrucharbeiten (Nr. 1), Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit Ausnahme von Arbeiten, die zu einem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führen (insbesondere Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren), es sei denn, es handelt sich um emissionsarme Verfahren, die behördlich oder von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt sind (Nr. 2) und für Tätigkeiten mit messtechnischer Begleitung, die zu einem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führen und die notwendigerweise durchgeführt werden müssen, um eine Anerkennung als emissionsarmes Verfahren zu erhalten (Nr. 3). Zu den nach Satz 1 verbotenen Arbeiten zählen auch Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen sowie Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an unbeschichteten Asbestzementdächern und -wandverkleidungen (Satz 4).

7

Voranzustellen ist, dass das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen ist, dass es sich bei den hier streitbefangenen Asbestfugen der Außenfassade der Wohnblöcke in der M-Straße 60-78 in M-Stadt um eine Asbestzementwandverkleidung im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV handelt. Vielmehr legt es die Regelungen des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 und 4 GefStoffV dahingehend aus, dass die Überdeckung jeglicher asbesthaltiger Wandverkleidungen/Gebäudeteile verboten sei, wobei die Größe keine Rolle spiele (vgl. Seite 5 des Urteilsabdrucks). Diese Auffassung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

8

Bei den Fugen - was die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründungsschrift auch nicht in Abrede stellt - handelt es sich um einen asbesthaltigen Teil eines Gebäudes. Denn das Fugenmaterial, mit dem die aus Stahlbeton bestehenden Fertigteilelemente im Zuge der Errichtung der Wohnblöcke geschlossen worden sind, besteht aus Asbest in fest gebundener Form (hier: "Morinol", mit einem bis zu 40%-igen Chrysotilasbest).

9

Auch werden - entgegen der Auffassung der Klägerin - Arbeiten an den asbesthaltigen Fugen vorgenommen. Arbeit im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV ist jede Tätigkeit bzw. einzelne Verrichtung an einem aus dem Gefahrstoff Asbest bestehenden Material der eine Berührung mit dem Gefahrstoff beinhaltet. Hierzu gehört auch das Überdecken der Asbestfugenoberfläche durch Verkleben mit Dämmmaterial, da auf die asbesthaltige Fuge der Wärmedämmstoff zur energetischen Sanierung aufgebracht werden soll. Denn es werden hierbei Arbeiten im unmittelbaren Gefährdungsbereich des Stoffes Asbest durchgeführt.

10

Dass das Fugenmaterial lediglich überdeckt und damit weder verändert noch (weiter) beschädigt werde, führt nicht etwa dazu, dass es sich bei der Überdeckungsarbeit durch Aufbringen von Dämmmaterial um keine im Regelfall verbotene Arbeit an Asbestfugen, mithin an asbesthaltigen Gebäudeteilen im vorgenannten Sinne handelt. Denn zwingende Voraussetzung der sich nach Satz 1 ergebenden Verbotsnorm mit Ausnahmevorbehalt (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GefStoffV) ist nicht, dass durch die Arbeit an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden asbesthaltige Stoffe freigesetzt würden, d. h. Beschäftigte und Dritte durch die Tätigkeit tatsächlich einer gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt sind. Allein die vom Gesetzgeber mit der Fassung der Norm unterstellte abstrakte Gefahr einer unkontrollierten Freisetzung von asbesthaltigen Stoffen im Rahmen eines Arbeitsprozesses, mithin der bloße Kontakt des Beschäftigten und anderer Personen bei den Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff genügt und rechtfertigt das generelle Verbot. Dies ergibt sich zum einem aus der besonderen Gefährlichkeit des Stoffes Asbest. Denn der Gefahrstoff Asbest ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - krebserregend und gehört zu den gefährlichsten Stoffen, die die Gesundheit gefährden und dauerhaft schädigen können. Erkrankungen infolge des Kontaktes mit Asbest liegt eine hohe Latenzzeit zugrunde. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich über 1.000 Menschen durch Erkrankungen infolge des Umgangs mit Asbest. Zweck des Chemikaliengesetzes - ChemG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2013 (BGBl. I 3498), zuletzt geändert durch Art. 431 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I 1474) ist es, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe (hier: Asbest) und Gemische zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen (vgl. § 1 ChemG). Hiermit in unmittelbarem Zusammenhang steht eines der Ziele der auf § 19 Abs. 1 und 3 ChemG beruhenden Gefahrstoffverordnung, durch Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GefStoffV). Diese sich aus dem Gesetz und der Rechtsverordnung ergebenen Zielsetzungen können durch ein umfassendes Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Materialien bei unterstellter abstrakter Gefährlichkeit erreicht werden. Daneben entspricht dies auch - worauf der Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen hat (vgl. Klageerwiderung vom 13. Juni 2013, S. 3) - dem Willen des Verordnungsgebers. Danach solle, wie in der Vorlage (vgl. BR-[Grund-]Drs.456/10 S. 55, Gefährdung durch Exposition durch Asbestfasern noch vorausgesetzt) abweichend von den bisherigen Regelungen vorgesehen gewesen sei, das Verwendungsverbot nicht von der Besorgnis einer Exposition abhängig gemacht werden, da die notwendige Prüfung dieser Bedingung zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen und die mit dieser Bedingung verbundene Einschränkung des Verwendungsverbotes die dauerhafte weitere Nutzung asbesthaltiger Produkte fördern würde, statt ein Signal für den mittelfristigen Austausch derartiger Materialen zu setzen (vgl. BR-Drs. 456/1/10 [Empfehlungen der Ausschüsse] S. 14 f.).

11

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, der Begriff der "Arbeit an einem asbesthaltigen Gebäudeteil" sei gesetzessystematisch im Kontext zu Tätigkeiten zu sehen, die gemäß Anhang II Nr. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV zu einem Abtrag von asbesthaltigen Oberflächen führen, denn ausdrücklich werde dort von einem "verbotenen Abtrag" (vgl. Satz 3 der Vorschrift) gesprochen, übersieht sie, dass der Verordnungsgeber - wie bereits dargestellt - von der abstrakten Gefährlichkeit des Gefahrstoffes Asbest ausgeht und es keiner konkreten Gefährdung durch einen zielgerichteten Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten (beispielsweise durch Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren [vgl. Satz 3 der Vorschrift]) bedarf.

12

Selbst wenn man - entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung - davon ausginge, dass die Arbeit, mithin die Überdeckungstätigkeit an asbesthaltigem Material eine über die abstrakte Gefahr hinausgehende Gefährdung für Beschäftige oder Dritte voraussetze, um der Verbotsnorm des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV zu unterfallen, ist vorliegend zu konstatieren, dass die Klägerin schon nicht hinreichend dargelegt hat, dass eine solche Gefahr im Rahmen des Arbeitsprozesses der Überdeckung der Fassade und ihrer Asbestfugen nicht besteht. Denn die Klägerin hat selbst im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass die Asbestfugen seit 30 Jahren der Witterung ausgesetzt seien und es gegebenenfalls zur Freisetzung von Bestandteilen des Fugenkittes bereits gekommen sei (vgl. Seite 4, 1. Absatz der Klageschrift). Aus welchen Gründen eine solche Freisetzung im Rahmen des angestrebten Arbeitsprozesses nicht erfolge, legt sie schon im Ansatz nicht dar. Sie ist auch nicht dem überzeugenden Vorbringen des Beklagten in seiner Antragserwiderungsschrift entgegengetreten, dass aufgrund des hohen Verwitterungsgrades der Fugen bzw. bei Erschütterungen infolge von Bohrarbeiten an der Fassade, d. h. in Fugennähe im Rahmen des Gerüstaufbaues jederzeit mit austretenden Asbestfasern zu rechnen sei. Soweit die Klägerin zudem vorträgt, durch die geplante Wärmedämmung der Fassade und der damit verbunden Überdeckung der Fugen würden derartige Gefahren nicht vergrößert, sondern vermindert und beseitigt werden, verkennt sie, dass die Gefahrstoffverordnung insoweit vorrangig dem Ziel dient, die Beschäftigten und Dritte im Rahmen von Arbeitsprozessen vor dem Gefahrstoff Asbest zu schützen. Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, ob in einer ex-post Betrachtung, d. h. nach Abschluss der Überdeckungsarbeiten temporär - nämlich für die Dauer der Überdeckung - eine Verringerung des Gefahrenlast für die Umwelt durch den Gefahrstoff Asbest festzustellen ist.

13

Dass der Verordnungsgeber in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 GefStoffV bestimmt hat, dass zu den nach Satz 1 verbotenen Arbeiten auch Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen gehören, führt entgegen der Sichtweise der Klägerin nicht etwa dazu, dass jede Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeit an asbesthaltigen Gebäudeteilen, die nicht an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen durchgeführt werde, zulässig sei. Denn der von ihr gezogenen Schluss, dass die Ausnahmebestimmung im Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV eine Spezialbestimmung für (Sanierungs- und Instandhaltungs-)Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden sei, mithin jede sonstige Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeit an asbesthaltigen Materialen, die nicht unter Satz 4 der Vorschrift falle und zu keinem Abtrag der Oberfläche von Asbestprodukten führe, als eine zulässige Arbeit zu kategorisieren sei, wird durch die hier gebotenen Auslegung der Vorschrift nicht gedeckt. Schon dem Wortlaut nach hat der Verordnungsgeber in Satz 4 der Vorschrift durch die Verwendung des Wortes "auch" unter Verweis auf die generelle Verbotsnorm des Satzes 1 der Vorschrift lediglich beispielhaft verbotene Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen aufgezählt, ohne die als solches verbotene Arbeit der Überdeckung, Überbauung und Aufständerung auf bestimmte asbesthaltige Gebäudeteile zu begrenzen. Dass Asbestzementdächer und -wandverkleidungen ausdrücklich beispielhaft aufgezählt werden, dürfte der Häufigkeit ihres Aufkommens im Bundesgebiet geschuldet sein, wohingegen die Altlast durch sog. Morinolfugen in Häuserfassaden von zu DDR-Zeiten errichteten Plattenbauten - wie die Beteiligten übereinstimmend vortragen - im Regelfall nur die ostdeutschen Bundesländer betrifft. Das beispielhaft bezeichnete Überbauungsverbot für Asbestzementdächer war bereits in der Gefahrstoffverordnung in der Fassung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 3758) enthalten und ist um die Asbestzementwandverkleidung in der Gefahrstoffverordnung vom 26. November 2010 nur beispielhaft ergänzt worden. Ein dahingehender Wille des Verordnungsgebers, schlichte Verdeckungen von asbesthaltigen Gebäudeteilen bei fehlendem Abtrag der Oberfläche zu gestatten, kann den Gesetzesmaterialen dagegen nicht entnommen werden. Vielmehr wird durch den Ausschluss einer Gefährdungsanalyse (vgl. BR-Drs. 456/1/10, a. a. O.) ein allumfassendes Verbot jeglicher Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialen beschrieben - so auch der schlichten Überdeckung - und im Übrigen die Neuformulierung des Absatzes 1 als signalgebend für die Asbestsanierung angesehen (vgl. BR-[Grund-]Drs. 456/10, S. 96 f., BR-Drs. 456/1/10, a. a. O.), da es gerade nicht auf eine konkrete Gefährdungslage ankommt.

14

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut kommt es bei der Prüfung der ausnahmsweise bestehenden Zulässigkeit von Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden zuvorderst darauf an, ob es sich hierbei um eine sog. ASI-Arbeit - Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeit - im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV oder eine Tätigkeit mit messtechnischer Begleitung in Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GefStoffV handelt. Denn nur diese Tätigkeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden rechtfertigen vor dem Hintergrund der Schutzrichtung des Chemikaliengesetzes und der hierauf basierenden Gefahrstoffverordnung einen Umgang mit dem durch den Gefahrstoff Asbest belasteten und damit allgemein gefahrtragenden Gebäudeteil. Alle sonstigen Tätigkeiten an asbesthaltigen Teilen sind - wie in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 klar definiert - zum Schutz der Beschäftigten und dritter Personen von vornherein verboten, ohne dass es einer konkreten Gefährdung des hierdurch geschützten Personenkreises bedarf (Unterstreichung durch das Gericht).

15

Die Klägerin hat in nicht hinreichender Art und Weise dargelegt, dass die von ihr beabsichtigte energetische Wärmedämmung der streitbefangenen asbestbelasteten Häuserfassade eine Sanierungsarbeit im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV ist. Denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - ist die hier streitbefangene Tätigkeit der energetischen Sanierung keine Sanierungsarbeit an dem asbesthaltigen Gebäudeteil - der Fuge - im Sinne der Vorschrift. Sog. ASI-Arbeiten verfolgen nach der gesetzgeberischen Intention das Ziel, asbesthaltige Materialien aus der Gebäudesubstanz zu entfernen und gegebenenfalls durch asbestfreie Materialien zu ersetzen. Denn nur eine auf Beseitigung bzw. Verringerung des Gefährdungspotentials ausgerichtete Tätigkeit kann einen Umgang mit dem asbestbelasteten Gefahrstoff, mithin die damit in Zusammenhang stehenden Gefährdung von Beschäftigten und anderer Personen rechtfertigen. Das bloße Überbauen und/oder das Überdecken von asbesthaltigem Fugenmaterial mit einem Wärmeverbundsystem verfolgt diese Zielrichtung jedoch nicht. Auf den konkreten Zustand der Asbestfuge und das ihr innewohnende Gefahrenpotential wird kein Einfluss genommen, obgleich die Beschäftigten einer Arbeit an dem Gefahrstoff ausgesetzt werden. Dass nach dem Verbau des Wärmeverbundsystems die Asbestfuge keinen Umwelteinflüssen mehr ausgesetzt sei und eine Freisetzung von Asbestfasern nicht (mehr) erfolgen könne, vermag an dem weiterhin bestehenden und mit Ablauf der Nutzungsdauer ansteigenden Gefährdungspotential des Gefahrstoffes Asbest und dem darin enthaltenden Gesundheitsrisiken nichts zu ändern. Auf den unter I. 3. lit. e) der Antragsbegründungsschrift geführten Einwand der Klägerin, dass zur Auslegung der Begriffe Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten im Sinne des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV die in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe 519 (TRGS 519 [GMBl. 2014, S. 164 ff.; GMBl. 2015, S. 136 f.]) unter Ziffer 2.1 bis 2.3 verwendeten Begriffsbestimmungen nicht heranzuziehen seien, kommt es damit schon nicht entscheidungserheblich an.

16

Dass der Normgeber lediglich allgemein bzw. politisch auf sein Motiv (mittelfristiger Austausch) hingewiesen haben soll und sich hieraus kein spezifischer Inhalt ableite, legt die Klägerin nicht hinreichend dar. Soweit sie in diesem Zusammenhang vorträgt, dass andernfalls die Unterscheidung in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (Abbruch) und Nr. 2 (Sanierung/Instandhaltung) nicht zu erklären sei, da "Abbruch" und "Arbeiten an" das Gegenteil seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr sind nach der Gesetzessystematik und dem Wortlaut "Abbrucharbeiten" im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1GefStoff "Arbeiten an" asbesthaltigen Teilen, da nach Satz 2 ausdrücklich geregelt wird, dass Satz 1 - nämlich das Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Teilen - nicht für die unter Nr. 1 bis Nr. 3 aufgeführten Ausnahmearbeiten/-tätigkeiten gilt. Dass - wie die Klägerin zu Recht ausführt - keine Rechtspflicht zum Entfernen asbesthaltiger Materialen bestehe, führt - entgegen ihrer Auffassung - jedoch nicht dazu, dass an asbesthaltigen Produkten ohne Weiteres gearbeitet werden dürfe.

17

Der Einwand der Klägerin, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und vom Senat geteilte Auslegung des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV als generelle Verbotsnorm den grundrechtsintensiven Bereich der Klägerin in ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. ihrer allgemeinen Wirtschaftsfreiheit betreffe, in den Schutzbereich ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG eingreife und deshalb zu einer restriktiven Auslegung zwinge, legt die Klägerin - die eine Verletzung lediglich behauptet - schon nicht in dem gebotenen Maß dar. Ungeachtet dessen bedürfen Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt (durch oder aufgrund eines Gesetzes). Die gesetzlichen Grundlagen sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, d. h. wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist . Das zulässige Ausmaß von Beschränkungen hängt hierbei von der Intensität des Eingriffs ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 - juris). Hiervon ausgehend ist das Verbot von Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen durch schlichte Verdeckung des Gefahrstoffes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Verbot beruht zunächst auf einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung, mit welcher der Gesetzgeber von dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Gebrauch gemacht und der Verordnungsgeber mit der auf der Grundlage der Ermächtigung in § 19 ChemG ergangenen Gefahrstoffverordnung die Berufsausübung im Bereich des Baugewerbes in zulässiger Weise eingeschränkt hat. Es betrifft lediglich einen Teilbereich der Tätigkeit eines fassadenbearbeitenden Bauunternehmens und ist daher eine reine Ausübungsregelung auf der niedrigsten Eingriffsstufe. Der hier vorliegende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist auch zulässig, da vernünftige Erwägungen des Gemeinwohles diesen zweckmäßig erscheinen lassen. Gewichtiges Gemeinwohlinteresse ist hier der höherrangige Schutz der Gesundheit von Beschäftigen und anderer Personen bei Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff Asbest, so dass Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden unter Einhaltung bestimmter arbeitstechnischer, -medizinischer und -hygienischer Bedingungen nur in insoweit erlaubt sind, als sie der Eliminierung oder Verringerung des mit dem Gefahrstoff Asbest einhergehenden Gefahrenpotentials dienen. Sonstige Tätigkeiten an einem Asbestprodukt, insbesondere dessen schlichte Überdeckung, die die Gefahrenlage allenfalls temporär beeinflussen kann (für den Zeitraum der Überdeckung), das Gefahrenpotential als solches jedoch nicht zu senken in der Lage ist, sind im Interesse der menschlichen Gesundheit verboten. Dies entspricht dem von der Klägerin beschriebenen "Interventionsminimum", zumal zu konstatieren ist, dass der Klägerin unbenommen bleibt, die energetische Wärmedämmung nach der - unter Beachtung der sich aus der Gefahrstoffverordnung und der Technischen Regeln im Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest (TRGS 519) ergebenden Vorschriften - durchgeführten Entfernung des asbesthaltigen Fugenmaterials anzubringen.

18

Der von der Klägerin im Rahmen ihrer verfassungskonformen Auslegung des Anhanges II Nr. 1 Abs. 1 GefStoffV erhobene klägerische Einwand, eine energetische Modernisierung sei auch ökologisch zu sehen und zu bewerten und damit in den systematischen Kontext einzubeziehen, führt nicht zum Erfolg. Aus Art. 20a GG ergibt sich schon kein Vorrang des Staatszieles Umweltschutz gegenüber dem hier maßgebenden Gesundheitsschutz, zumal eine energetische Modernisierung durch die Untersagung der Überdeckung von asbesthaltigen Gebäudeteilen nicht ausgeschlossen ist, sondern nach der fachgerechter Entfernung des asbesthaltigen Materiales jederzeit ausgeführt werden kann.

19

Die Klägerin hat ebenfalls nicht in gebotener Art und Weise dargelegt, dass sich eine "restriktivere" Auslegung der Vorschrift des Anhanges II Nr. 1 GefStoffV unter Beachtung des Bestandsschutzes ergebe, der gemäß Art. 14 GG auch Modernisierungsmaßnahmen im Wege des übergreifenden Bestandsschutzes und des Art. 21 Einigungsvertrages (gemeint wohl Art. 19 Einigungsvertrag) erfasse. Zuvorderst ist zwar festzustellen, dass die Gefahrstoffverordnung an objektivem Verfassungsrecht zu messen ist, es mithin nicht entscheidend darauf ankommt, dass die Klägerin sich auf Art. 14 GG mangels Eigentums an den hier zur Modernisierung anstehenden Wohnblöcken berufen kann. Gleichwohl belässt es die Klägerin erneut bei der bloßen Bezeichnung etwaiger verletzter Normen, ohne im Ansatz den verfassungsrechtlichen Verstoß darzustellen. Die behauptete Beeinträchtigung des Eigentumsrechts in der Form, dass die im Bestand geschützten Gebäude nicht (energetisch) modernisiert werden könnten, ist schon nicht erkennbar. Weder europarechtliche Vorschriften noch nationale Bestimmungen legen dem Eigentümer gegenüber ein Gebot zur Entfernung von Asbestprodukten aus der Bausubstanz auf (vgl. § 16 Abs. 1 GefStoffV i. V. m. Art. 67 i. V. m. Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 - REACH-VO - [ABl. EU vom 30. Dezember 2006, L 396/163]; § 16 Abs. 2 GefStoffV i. V. m. Anhang II Nr. 1 GefStoffV).

20

Nach Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (künftig: REACH-VO) i. V. m. Anhang XVII Nr. 6 Spalte 2 Abs. 2 Satz 1 REACH-VO ist die Verwendung von Erzeugnissen, die Asbestfasern enthalten, und die - wie hier - schon vor dem 1. Januar 2005 installiert bzw. in Betrieb waren, bis diese Erzeugnisse beseitigt sind oder bis ihre Nutzungsdauer abgelaufen ist, weiterhin erlaubt, wobei der Verbraucher als nicht nachgeschalteter Anwender kein Verwender ist (vgl. Art. 3 Nr. 13 REACH-VO). Den Mitgliedstaaten ist es jedoch aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit erlaubt, die Verwendung des Gefahrstoffes Asbest (vgl. Legaldefinition in Art. 3 Nr. 24 REACH-VO) über die europarechtlichen Regelungen hinaus einzuschränken (vgl. Anhang XVII Nr. 6 Spalte 2 Abs. 2 Satz 2 REACH-VO). Die Bundesrepublik Deutschland hat hiervon Gebrauch gemacht, indem der Verordnungsgeber zum Zwecke der zügigen Ausschleusung des Materials Asbest aus dem Wirtschaftskreislauf die Zulässigkeit von Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen von bestimmten Voraussetzungen (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 GefStoffV) abhängig gemacht und im Übrigen ein Verwendungsverbot in Form eines Arbeitsverbotes bestimmt hat (vgl. Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV). Danach ist ein zulässiger Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest zum Schutz der Gesundheit von Beschäftigten und Dritten auf die sog. ASI-Arbeiten und die messtechnische Begleitung unter Beachtung der TRGS 519 beschränkt, ohne dies von dem Besorgnis einer Exposition abhängig zu machen (siehe vorherige Darstellung). Hiermit ist nicht verknüpft, dass ein Eigentümer eines Gebäudes mit Asbestbelastung eine energetische Modernisierung nicht durchführen, mithin dieser in seinem Bestandsschutz verletzt sein kann. Die Durchführung der energetischen Modernisierung setzt im vorliegenden Fall (lediglich) voraus, dass die Asbestfuge vor ihrer schlichten Überdeckung fachgerecht zu behandeln ist, da nur dies - wie bereits dargestellt - einen Materialkontakt zum Schutz der Gesundheit von Beschäftigten und Dritten rechtfertigt. Dies ist - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat (vgl. S. 7 des Urteilsabdrucks) - regelkonform, insbesondere unter Beachtung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigen und Dritter möglich. Die Klägerin greift indes im Zulassungsverfahren nicht an, dass die vor der energetischen Modernisierung notwendige - den technischen Regeln entsprechende - ASI-Arbeit am asbesthaltigen Gebäudeteil wirtschaftlich nicht vertretbar sei und insbesondere vor der in Art. 14 Abs. 2 GG statuierten Sozialbindung des Eigentums keine Rechtfertigung finde. Zudem ist hinsichtlich des von der Klägerin als "verkapptes Optimierungs-/Sanierungsgebot" bezeichneten Normengefüges ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht erkennbar. Der Gefahrstoff Asbest soll nach den Vorstellungen der Normgeber dem Wirtschaftskreislauf sukzessive entzogen werden. Dies kann allein dadurch erreicht werden, dass ein über die jeweilige Nutzungsdauer des Asbestprodukts hinausgehendes "Verstecken" durch schlichtes Überbauen ausgeschlossen und ein zulässiger Produktaustausch nicht auf Dauer verhindert wird.

21

Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat die Klägerin gleichfalls nicht schlüssig dargelegt. Der bloße Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Februar 2003 (M 17 K 02.3284) führt nicht weiter, zumal die Entscheidung die Gefahrstoffverordnung in der Fassung vom 26. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1783), die Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2004 beanspruchte, betrifft und in ihrem Anhang IV Nr. 1 noch kein ausdrückliches Überbauungsverbot vorsah. Hierbei ist das Gericht davon ausgegangen, dass ein Beschichten entgegen der TRGS 519 in seiner damaligen Fassung nicht nur bei schwach, sondern unter Verweis auf das Fehlen eines sachlichen Grundes auch bei fest gebundenen Asbestprodukten zulässig sei. Die abstrakte Gefahr, die von Asbest ausgeht, genügt nach dem heutigen - vom Willen des Verordnungsgebers - getragenen Verständnis, um das Verwendungsverbot zu rechtfertigen (siehe Darstellung oben), so dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes München für das hier zu entscheidende Verfahren ohne rechtliche Relevanz ist.

22

Dass das Verwaltungsgericht die Verletzung von Verfassungsrecht nicht erwogen habe, verfängt angesichts der vorangegangenen Ausführungen des Senates nicht, zumal festzustellen ist, dass die Klägerin die nunmehr gerügten Verletzungen im erstinstanzlichen Verfahren nicht angebracht hatte.

23

Der Einwand der Klägerin, die Entfernung der Asbestfugen diene nicht dem Arbeitsschutz der Beschäftigten, sondern erhöhe deren Gefährdung und die der Bewohner der Wohnblöcke, stellt die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, können die Asbestfugen in einem nach Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GefStoffV zugelassenen Verfahren (vgl. S. 7 des Urteilsabdrucks) unter Berücksichtigung des Standes der Technik, der Arbeitsmedizin und der Arbeitshygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse entfernt werden (vgl. TRGS 519), so dass die Gefährdungslage weitestgehend herabgesetzt wird, ohne das gesetzgeberische Ziel, mittelfristig den Austausch von Asbestprodukten zu erreichen, zu konterkarieren.

24

Soweit die Klägerin schließlich darauf abstellt, dass sich keinerlei Ermessenserwägungen im streitbefangenen Bescheid befänden, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Nach § 23 Abs. 1 ChemG kann zuständige Landesbehörde (§§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Chemikalienrecht des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2011 - ChemZustVO - [GVBl. LSA 2011, 484]) im Einzelfall Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach dem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen notwendig sind. Vorliegend handelt es sich - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - um einen Fall des sog. intendierten Ermessens, da es Aufgabe der zuständigen Landesbehörde ist, in Entsprechung der Zielsetzungen des Chemikaliengesetzes und der Gefahrstoffverordnung, Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigen und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu treffen. Dies kann bei unerlaubtem Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest im Regelfall nur durch die Untersagung der nach der Gefahrstoffverordnung verbotenen Arbeit erfüllt werden. Denn das Vorliegen der tatbestandlichen (Verbots-)Voraussetzungen nach Anhang II Abs. 1 Satz 1 GefStoffV rechtfertigt zum Schutz der Beschäftigten und Dritter den Eintritt der Rechtsfolge regelmäßig. Ein atypischer Fall ist weder erkennbar, noch behauptet die Klägerin, dass ein solcher vorliegt. Mit ihrem Vorbringen, die "sehr streitige Lehre" des intendierten Ermessens sei wegen des grundrechtlichen Einschlags und der Verhältnismäßigkeit offenbar nicht anwendbar, legt sie Entsprechendes schon nicht schlüssig dar, zumal der Senat an der Verfassungskonformität der Auslegung keine Zweifel hat.

25

b) Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der unter B. II der Zulassungsbegründungsschrift gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

26

„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen(vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11, Beschluss vom 10. November 1992, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995, Der Personalrat 1996, 27). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825).

27

In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache von der Klägerin nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Hinsichtlich der als klärungsbedürftig erachteten Frage 1:

28

"Ist insbesondere bei verfassungskonformer Auslegung Anhang II Nr. 1 Abs. 1 zu § 16 Abs. 2 GefStoffV dahingehend auszulegen, dass Sachverhalte, bei denen konkret keine Gefahren entstehen, nicht unter das Verwendungsverbot fallen bzw. als nicht gefährliche Sanierungsmaßnahmen nach Anh II Nr. 1 Abs. 1 und § 16 Abs. 2 GefStoffV zulässig sind?"

29

wird auf die vorstehenden Ausführungen des beschließenden Senates zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (siehe oben unter 1. lit. a]) verwiesen. Danach lässt sich die Fragestellung der Klägerin - ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf - ohne Weiteres dahingehend beantworten, dass Arbeiten an asbesthaltigen Teilen unabhängig von dem Bestehen einer von dem Gefahrstoff Asbest ausgehenden konkreten Gefahr für die Beschäftigen und andere Personen verboten sind, soweit es sich nicht um solche Tätigkeiten handelt, die nach Satz 2 und 3 der Vorschrift erlaubt sind. Unabhängig davon stellt sich diese Frage nicht in entscheidungserheblicher Weise, da die Klägerin das Fehlen einer konkreten Gefahr - wie ausgeführt (siehe Seite 5 [unten f.] der Beschlussabschrift - nicht plausibel aufgezeigt hat.

30

Überdies kommt es auf die von der Klägerin ebenfalls als klärungsbedürftig erachtete Frage 2:

31

"Werden in den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) als normenkonkretisierende Verwaltungsvorschrift Abbruch-, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten im Sinne von bzw. zu Anhang II Nr. 1 Abs. 1 zu § 16 Abs. 2 GefahrstoffVO definiert?"

32

- wie der Senat bereits zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (siehe oben unter 1. lit. a]) dargestellt hat - vorliegend schon nicht entscheidungserheblich an. Die Begriffe der Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV sind im Übrigen unbestimmte Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum, deren Auslegung vollständig gerichtlich überprüfbar ist. Ihre Auslegung ist ohne Bezugnahme auf die TRGS 519 möglich, so dass deren konkrete rechtliche Einordnung für das vorliegende Verfahren nicht von Relevanz ist. Nach der Regelungssystematik und dem Wortlaut der Regelung in Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 GefStoffV sind Arbeiten (u. a.) an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden verboten, soweit es sich hierbei nicht um Abbrucharbeiten, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten im Sinne von Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 GefStoffV an asbesthaltigen Teilen handelt (Unterstreichung durch das Gericht). Dient damit eine Tätigkeit - wie vorliegend die schlichte Überbauung eines asbesthaltigen Gebäudeteils - weder dem Abriss, der Sanierung noch der Instandhaltung des asbesthaltigen Teiles eines Gebäudes, ist der Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen nicht gestattet (vgl. im Einzelnen: Darstellung unter 1. lit. a]).

33

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

34

3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 40, 47 GKG.

35

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 26. März 2018 – 5 B 2556/17 HGW – wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Vollziehbarkeit einer naturschutzrechtlichen Verfügung.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung B-Stadt, Flur ..., Flurstück ... . Der Antragsgegner stellte im Juni 2017 fest, dass eine Teilfläche dieses Grundstücks umgebrochen worden war. Mit Bescheid vom 19. September 2017 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin die ackerbauliche Bewirtschaftung der Teilfläche und ordnete die Wiederherstellung des Dauergrünlands auf dieser Fläche an. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung dieser Anordnungen an und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an. Die Antragstellerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. November 2017 setzte der Antragsgegner ein Zwangsgeld gegen die Antragstellerin fest und wiederholte die Anordnung der Wiederherstellung des Dauergrünlandes unter Verlängerung der Handlungsfrist. Der Bescheid enthält zudem die erneute Androhung eines Zwangsgeldes. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin am 9. November 2017 zugestellt. Auch gegen den Bescheid vom 7. November 2017 legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Die Widersprüche der Antragstellerin wurden noch nicht beschieden.

3

Am 12. Dezember 2017 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Greifswald um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hat beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19. September 2017 wegen der Untersagungsverfügung und der Anordnung der Wiederherstellung des Dauergrünlandes wiederherzustellen sowie die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. November 2007 wegen der erneuten Wiederherstellungsanordnung wiederherzustellen und wegen der Festsetzung eines Zwangsgeldes anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26. März 2018 – 5 B 2556/17 HGW – abgelehnt. Der Beschluss ist der Antragstellerin am 3. April 2018 zugestellt worden. Am 10. April 2018 hat die Antragstellerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde ist am 2. Mai 2018 begründet worden. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Antragsbegehren weiter.

II.

4

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß eingelegt (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründet (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) worden.

5

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. In Beschwerdeverfahren ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Die Beschwerdebegründung gibt keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.

6

Die Antragstellerin trägt vor, dass die streitgegenständliche Fläche im Kataster als Ackerland eingetragen sei. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Umwandlungsverbot für Dauergrünlandflächen aus § 2 Satz 1 DGErhG M-V nicht verletzt worden wäre. Der Ausweisung der Nutzungsart im Liegenschaftskataster kommt keine Rechtsverbindlichkeit zu. Gibt das Kataster die Grundstücksnutzung nicht zutreffend wieder, ist es insoweit unrichtig und gemäß § 32 GeoVermG M-V gegebenenfalls fortzuschreiben oder zu berichtigen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 23.06.2010 – 1 L 200/05 –, juris Rn. 46). Das Liegenschaftskataster hat hier keine Tatbestandswirkung. Unerheblich ist ferner, ob auf der umgebrochenen Fläche Kürbis angebaut wurde oder nicht. Die Beschwerde legt auch nicht dar, aus welchen Gründen sich ein möglicher Verstoß gegen § 14 Abs. 3 VwVfG M-V auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide und die Erfolgsaussichten der Widersprüche in der Hauptsache auswirken sollte.

7

Wenn die Beschwerdebegründung sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, die Wiederherstellung von Grünland aus Ackerland sei ohne größere Kosten möglich, übersieht sie zum einen den Begründungszusammenhang des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat diesen Umstand zur Beantwortung der Frage herangezogen, ob bereits die formelle Illegalität des Grünlandumbruchs eine Wiederherstellungsanordnung rechtfertigt. Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde will stattdessen darlegen, dass die Anordnung auf eine rechtlich unmögliche Handlung der Antragstellerin ziele. Zudem geht die Beschwerde nicht auf die insoweit zweite tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts ein, dass der Grünlandumbruch jedenfalls auch materiell rechtswidrig war, weil die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nach § 3 DGErhG M-V nicht dargetan worden sind.

8

Der Einwand der Antragstellerin, ihr sei eine Umnutzung der umgebrochenen Flächen wegen deren Verpachtung an einen Dritten rechtlich unmöglich, ist zum einen nicht belegt. Die Antragstellerin hat den entsprechenden Pachtvertrag nicht vorgelegt. Welche rechtlichen Folgerungen sich aus diesem ergeben, lässt sich in diesem summarischen Verfahren deshalb nicht beurteilen. Zum anderen würde ein zivilrechtliches Hindernis die Rechtmäßigkeit der Anordnung ohnehin nicht berühren, sondern nur deren Vollstreckbarkeit betreffen. Ein Vollstreckungshindernis wäre gegebenenfalls durch den Erlass einer Duldungsverfügung gegenüber dem Pächter zu überwinden (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 02.03.2016 – 3 M 440/15 –, juris Rn. 13 f.).

9

Die Antragstellerin rügt schließlich die Störerauswahl. Sie ist der Auffassung, dass der Pächter als Handlungsstörer vorrangig vor dem Zustandsstörer heranzuziehen sei. Einen solchen Grundsatz gibt es jedoch nicht. Für die Ermessensausübung maßgebliche Gesichtspunkte sind insbesondere eine schnelle und effektive Beseitigung eingetretener Störungen und die Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten. Normative Richtschnur fehlerfreier Ausübung des Auswahlermessens ist auch beim Zusammentreffen von Handlungs- und Zustandshaftung der Gesichtspunkt einer schnellen und wirksamen Gefahrenbeseitigung. Danach kann die Inanspruchnahme des Zustandsstörers vor dem Handlungsstörer rechtens sein, wenn der Handlungsstörer nicht greifbar oder aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen eine wirksame Gefahrenbeseitigung durch ihn nicht gewährleistet ist. Die Ordnungsbehörde hat die Pflicht, ermessensgerecht unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte zwischen den in Betracht kommenden Störern auszuwählen. Dies setzt voraus, dass diese bekannt sind (OVG Greifswald, Beschl. v. 25.01.2010 – 3 L 89/06 –, juris Rn. 15 f.). Nach diesen Maßgaben ist nichts dagegen zu erinnern, dass die Antragstellerin als Eigentümerin der betroffenen Fläche in Anspruch genommen worden ist. Das gilt umso mehr, als die Antragstellerin die behauptete Verpachtung dem Antragsgegner gegenüber zunächst nicht mitgeteilt hat und den Pächter der Fläche, der nach ihrer Auffassung als Handlungsstörer heranzuziehen sei, auch in diesem Verfahren nicht benennt. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Soweit die Beschwerde sonstige Ermessensfehler rügen will, genügt dafür der pauschale Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen nicht (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

10

Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin kommt zuletzt auch wegen eines Verstoßes gegen § 80 Abs. 3 VwGO nicht in Betracht. Die Begründungspflicht ist Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Der Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs.3 Satz 1 VwGO kommt eine Warnfunktion zu: Sie soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat. Erforderlich ist grundsätzlich die Benennung konkreter Umstände des Einzelfalles, warum das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung zurücktreten soll. Die Begründung der behördlichen Vollziehungsanordnung ist allerdings nicht losgelöst von der Begründung des Bescheides, sondern im Zusammenhang mit ihr zu betrachten. Das besondere öffentliche Interesse kann durch das allgemeine, den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse – bis hin zur Identität – vorgeprägt sein. Weisen beispielsweise die Gründe für den Erlass eines Verwaltungsaktes im Einzelfall einen so hohen Dringlichkeitsgrad und ein solches Gewicht auf, dass sie gleichzeitig das besondere Vollzugsinteresse einschließen beziehungsweise mit diesem deckungsgleich sind, kann eine solche Identität angenommen werden (OVG Greifswald, Beschl. v. 08.07.2009 – 3 M 84/09 –, juris Rn. 7 m.w.N.).

11

Diesen Maßgaben wird die Begründung der in der Hauptsache angefochtenen Bescheide gerecht. Der Antragsgegner hat die Vollziehungsanordnung damit begründet, dass der Zweck des Dauergrünlanderhaltungsgesetzes anderenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens verfehlt werden würde und die Leistungsfähigkeit der früheren Grünlandfläche für einen längerfristigen Zeitraum verloren wäre. Das öffentliche Interesse am Erhalt von Dauergrünland würde das private Nutzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. Damit ist ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse benannt worden. Der Umstand, dass dieses Interesse zum Teil mit dem Erlassinteresse zusammenfällt, ist entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin unschädlich. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Betrachtung. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung insbesondere nicht damit begründet, dass der Umbruch des Dauergrünlands irreversibel sei.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.