Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2017:0524.7K2266.17.00
bei uns veröffentlicht am24.05.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckungsfähigen Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Kläger von der Beratung und Beschlussfassung des Beklagten über die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur weiteren Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gegen eine dem Beklagten gegenüber getroffene kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung der Kreisverwaltung ....

2

Die Kläger sind Mitglieder des Beklagten, die in den Jahren 2011 und 2012 das Amt der Beigeordneten innehatten. Für diese beiden Jahre wurde bisher weder über die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse Beschluss gefasst noch über die Entlastung des Ortsbürgermeisters und der Beigeordneten. Zunächst wurden die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse sowie die Entlastung anlässlich einer Sitzung des Beklagten vom 25. Juni 2015 unter Ausschluss der Kläger verweigert. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde geltend gemacht, dass die gesetzlichen Fristen der Gemeindeordnung – GemO – nicht eingehalten worden seien. Gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO sei über den Jahresabschluss spätestens bis zum 31. Dezember des dem Haushaltsjahr folgenden Jahres zu beschließen, was nicht möglich gewesen sei. Der Jahresabschluss 2011 sei entgegen § 108 Abs. 4 GemO auch nicht im ersten Halbjahr 2012 vollzogen worden. Zudem widersprächen die Rechnungsabschlüsse grundlegend der nach § 113 GemO geforderten Vorstellung von einer geordneten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Ortsgemeinde. Schulden würden mit Schulden bezahlt, die Ertragslage stelle nicht in Aussicht, dass diese Schulden jemals getilgt würden. Schließlich sei aufgrund der bisher vorliegenden Unterlagen nicht abschließend feststellbar, ob im Rahmen der Erschließung der Stichstraße „...“ u. a. gegen Vergaberichtlinien verstoßen worden sei; das diesbezüglich vorliegende Zahlenwerk sei weiterhin strittig.

3

Diese Beschlüsse wurden durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde ... am 2. Februar 2016 mit der Auflage ausgesetzt, dass sich der Beklagte in seiner nächsten Sitzung erneut mit den betreffenden Punkten zu befassen und eine neue Beschlussfassung hinsichtlich der Entlastung und der Feststellung der Jahresabschlüsse herbeizuführen habe.

4

In der darauffolgenden Sitzung des Beklagten vom 22. Februar 2016 wurden unter Ausschluss der Kläger die Beschlüsse aus der Sitzung vom 25. Juni 2015 bestätigt, mithin die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse sowie die Entlastung verweigert.

5

Mit Schreiben vom 18. April 2016 gab die Kreisverwaltung ... dem Beklagten vor einer bereits in Aussicht gestellten kommunalaufsichtlichen Anordnung durch die Aufsichtsbehörde die Gelegenheit, hierzu bis zum 20. Mai 2016 Stellung zu nehmen bzw. die erfolgten Beschlussfassungen zu überdenken. Zur Begründung wurde hierbei seitens der Kreisverwaltung ausgeführt, dass die Beschlüsse rechtswidrig gefasst worden seien, da die vorgebrachten Gründe evident nicht die Entscheidungen rechtfertigten, die Entlastung und Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse zu versagen.

6

In der Sitzung des Beklagten vom 19. Mai 2016 verblieb es jedoch wiederum bei den ursprünglichen Beschlüssen anlässlich der Ausgangssitzung vom 25. Juni 2015. Auch diese Beschlussfassung erfolgte unter Ausschluss der Kläger.

7

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2016, dem Ortsbürgermeister zugestellt am 20. Oktober 2016, stellte die Kreisverwaltung ... als Kommunalaufsichtsbehörde fest, dass die Beschlüsse des Beklagten über die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse 2011 und 2012 sowie die Entlastung des (Orts-)Bürgermeisters und der Beigeordneten geltendes Recht verletzten und beanstandete diese aufsichtsbehördlich. Zugleich forderte sie den Beklagten auf, die streitgegenständlichen Beschlüsse vom 25. Juni 2015, 22. Februar 2016 bzw. 19. Mai 2016 aufzuheben und erneut unter Beachtung der ihm gesetzlich obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten (a) über die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse 2011/2012 zu beschließen und (b) dem ehemaligen Ortsbürgermeister, dem Bürgermeister sowie den Beigeordneten, soweit diese den Orts- bzw. Verbandsbürgermeister vertreten haben, bis zum 30. November 2016 die Entlastung zu erteilen.

8

Gegen den vorgenannten Bescheid der Kreisverwaltung ... legte die Ortsgemeinde ... durch Schreiben des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde ... vom 26. Oktober 2016 Widerspruch ein nachdem am 20. Oktober 2016 ein entsprechender Ratsbeschluss gefasst worden war. In dem Widerspruchsschreiben wurde ausgeführt, dass die Widerspruchseinlegung zunächst zur Fristwahrung erfolge und eine Begründung folge.

9

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Begründung dieses Widerspruchs war sodann Gegenstand der Sitzung des Beklagten vom 1. Dezember 2016. Hierbei konnte keine Klärung zu der Frage herbeigeführt werden, ob die Kläger als Ratsmitglieder wegen Befangenheit auszuschließen seien. Diese Frage sollte sodann in der darauffolgenden Sitzung abgehandelt werden.

10

In der anschließenden, hier streitgegenständlichen Sitzung am 26. Januar 2017 erklärte der Ortsbürgermeister unter Hinweis auf eine diesem vorliegende und als Sitzungsvorlage ausgeteilte anwaltliche Stellungnahme, dass die Kläger bei der Beschlussfassung hinsichtlich der Frage der Beauftragung eines Rechtsanwaltes wegen Befangenheit auszuschließen seien. Die Kläger wurden sodann von dem Ortsbürgermeister aufgefordert, vom Sitzungstisch abzurücken. Hierauf erwiderte die Klägerin zu 1) unter Bezugnahme auf das Ergebnis einer von ihr bei der Verbandsgemeindeverwaltung ... gestellten Anfrage, dass mangels Unmittelbarkeit kein Ausschließungsgrund vorliege. Der Kläger zu 2) schloss sich dieser Auffassung an. Da ein Einvernehmen zwischen den Parteien nicht herzustellen war, stellte der Beklagte durch den Ortsbürgermeister schließlich die Nichtöffentlichkeit her und fasste mehrheitlich den Beschluss, dass eine Befangenheit der Kläger vorliege. Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit wurden die Kläger über die Beschlussfassung unterrichtet. Diese rückten vom Sitzungstisch ab und nahmen im Zuschauerraum Platz. Der Beklagte beschloss anschließend mehrheitlich, eine Prozessvollmacht zur – weiteren – Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu erteilen.

11

Mit an den Ortsbürgermeister der Gemeinde ... gerichteter E-Mail vom 27. Januar 2017 setzte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde ... den streitgegenständlichen Beschluss vom Vortage aus. Zur Begründung führte er hierbei aus, dass der Beschluss über die Ausschlüsse der beiden Ratsmitglieder rechtsfehlerhaft sei, so dass dieser auch nicht ausgeführt werden dürfe. Der Ortsbürgermeister der Gemeinde ... teilte hierauf mit E-Mail vom selben Tage mit, dass der Beschluss bereits ausgeführt worden und die Anweisung – seiner Meinung nach – daher hinfällig sei.

12

Die Kläger haben am 22. Februar 2017 gegen ihren Ausschluss Klage erhoben und machen geltend, dass es sich um einen Tagesordnungspunkt gehandelt habe, welcher nur mittelbar mit den Beschlüssen der verweigerten Entlastung im Zusammenhang stehe. Es sei nicht um die Frage entlastender Feststellungen für die Kalenderjahre 2011 und 2012 sondern um die Frage gegangen, ob für das Widerspruchsverfahren ein Rechtsanwalt zu beauftragen sei, was mit entsprechenden Kosten einhergehe. Mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts trete der vom Mandanten gewünschte Erfolg nicht automatisch ein. Dies hinge vielmehr von den Entscheidungen Dritter, insbesondere der Gerichte, ab.

13

Die Kläger beantragen,

14

festzustellen, dass ihr Ausschluss wegen Befangenheit in der Sitzung des Beklagten vom 26. Januar 2017 hinsichtlich der Beschlussfassung zur Beauftragung eines Rechtsanwalts zwecks Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid der Kreisverwaltung ... vom 13. Oktober 2016 rechtswidrig war und die Beschlussfassung unter Mitwirkung der Kläger zu wiederholen ist.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er ist der Auffassung, es sei eine Befangenheit der Kläger anzunehmen, da diese unmittelbar betroffen seien. Die Kläger hätten bei dem Rechnungsprüfungsverfahren nach § 110 GemO als damalige Beigeordnete, soweit sie den Bürgermeister im Prüfungszeitraum vertreten hätten, kein Stimmrecht. Wenn sie schon im Prüfungsverfahren kein Stimmrecht hätten, dann seien sie auch nicht berechtigt, mitzuwirken, wenn es um die rechtliche Überprüfung dieses Prüfungsverfahrens gehe. Nach den ersten Feststellungen würden in den Jahren 2011 und 2012 haushalterische Unregelmäßigkeiten vermutet, die einer verlässlichen Klärung im Rechnungsprüfungsverfahren bedürften. Sollten sich diese Vermutungen erhärten, könnte dies zu einem Nachteil in der Gestalt eines möglichen Ansehensverlustes bzw. einer Rufschädigung für die Kläger führen, der sich durch das Ergebnis der weiteren Überprüfung der Haushaltsjahre 2011 und 2012 ergeben könne. Gerade diese Überprüfung habe mit Hilfe des beauftragten Rechtsanwalts vorgenommen werden sollen. Diese mögliche nachteilige Wirkung der Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Unterstützung der Jahresprüfung 2011 und 2012 begründe eine Interessenkollision, weil die Kläger befürchten müssten, dass sich die ersten Vermutungen wegen Unregelmäßigkeiten bestätigen könnten. Zudem hätten die Kläger sich auch in der Vergangenheit bei den Beratungen zum gleichen Thema regelmäßig selbst ausdrücklich auf ihr bestehendes Sonderinteresse berufen und sich freiwillig vom Sitzungstisch entfernt. Die Kläger hätten außerdem zunächst die Aufsichtsbehörde einschalten müssen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakte der Verbandsgemeinde ... (1 Heft) verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig (1.) aber unbegründet (2.).

20

1. Die Klage ist als Feststellungsklage im Kommunalverfassungsstreitverfahren zulässig, da die Kläger geltend machen können, durch den Ausschluss aus der Sitzung des Beklagten am 26. Januar 2017 hinsichtlich der Beschlussfassung zur Beauftragung eines Rechtsanwalts zur weiteren Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid der Kreisverwaltung ... vom 13. Oktober 2016 in eigenen Rechten – ihrem Recht auf Anwesenheit bei den Sitzungen und auf Teilnahme an der Beratung und Abstimmung – als Ratsmitglieder verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –, § 30 Gemeindeordnung – GemO –, VG Koblenz, Urteil vom 26. Januar 2006 – 6 K 1589/05.KO – juris Rn. 16; OVG RP, Urteil vom 13. Juni 1995 – 7 A 10875/94.OVG – juris).

21

Vertreten wird der Gemeinderat im Kommunalverfassungsstreitverfahren von dem Ortsbürgermeister als Ratsvorsitzenden gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 GemO (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 31. Oktober 2013 – 10 LC 72/12 – juris Rn. 59). Die Gemeinde als solche, also die kommunale Körperschaft, ist am Kommunalverfassungsstreit nicht beteiligt sondern nur gemeindliche Organ(teil)e, vorliegend einzelne Ratsmitglieder auf Kläger- und der Ortsgemeinderat auf Beklagtenseite. Damit vertritt der (Verbands-)Bürgermeister die Gemeinde auch nicht als gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 62 Abs. 3 VwGO i. V. m. der maßgeblichen gemeinderechtlichen Vertretungsregelung nach § 68 Abs. 1 Nr. 4 GemO. Vielmehr ist der Vertreter der Organwalter des beteiligten Organ(teil)s, also bei Kollektivorganen z. B. der Ratsvorsitzende (vgl. hierzu ausführlich: Schoch in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 1. Auflage 2009, § 28 Rn. 65 f.).

22

Ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO besteht allein deshalb, weil wegen des vom Rat eingenommenen Rechtsstandpunktes unter im Wesentlichen vergleichbaren Umständen dasselbe erneut passieren kann. Angesichts der vorliegenden Wiederholungsgefahr ist auch nicht von Bedeutung, dass der streitgegenständliche Beschluss zunächst mit E-Mail des (Verbands-) Bürgermeisters vom 27. Januar 2017 ausgesetzt worden war, zumal das Aussetzungsverfahren aber auch im weiteren Verlauf nicht weiter betrieben und offensichtlich einvernehmlich als gegenstandslos betrachtet wurde.

23

Schließlich haben die Kläger auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist durch die Möglichkeit der Anrufung der Aufsichtsbehörde nicht ausgeschlossen (OVG RP, Urteil vom 8. März 1965 – 6 A 22/64 – AS RP-SL 9, 335-348).

24

2. Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Sie richtet sich zwar gegen den richtigen Passivlegitimierten (a.), ist im Übrigen jedoch unbegründet (b.).

25

a. Der Beklagte ist richtiger Klagegegner und damit passivlegitimiert, da er als „Kontrastorgan“ (vgl. zur Terminologie: OVG RP, Beschluss vom 1. Dezember 1994 – 7 B 12954/94.OVG – juris Rn. 16) in innerorganschaftlichem Streit mit den Klägern steht. Im Kommunalverfassungsstreit entscheidet die innerorganisatorische Kompetenz- und Pflichtenzuordnung über die Frage der Passivlegitimation. Passivlegitimiert ist danach das Organ der Gemeinde, dem die für das streitige Handeln erforderliche interne Kompetenz zuzurechnen ist. Die Kompetenz für den streitigen Ausschluss aus der Sitzung des Ortsgemeinderates am 26. Januar 2017 steht nach § 22 Abs. 5 S. 2 Alt. 1 GemO dem Gemeinderat zu, welcher die Entscheidung vorliegend auch getroffen hat.

26

b. Der Beklagte hat die Kläger jedoch zu Recht in der Sitzung vom 26. Januar 2017 von der Beratung und Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt Nr. 3 „Jahresabschlüsse 2011 – 2012; hier: weitere Vorgehensweise“ ausgeschlossen, da bei ihnen der Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO gegeben war.

27

Der Ausschluss war formell rechtmäßig. Da zu der Frage, ob die anstehende Beratung und Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts den Klägern einen unmittelbaren Vorteil bringen konnte, unterschiedliche Rechtsansichten vertreten wurden, lag ein Zweifelsfall im Sinne des § 22 Abs. 5 S. 2 GemO vor. Die Kläger erhielten sodann in öffentlicher Sitzung die Gelegenheit, zu der vom Ortsbürgermeister angenommenen Befangenheit Stellung zu nehmen. Im Anschluss daran hat der Beklagte in Abwesenheit der Kläger in nichtöffentlicher Sitzung mehrheitlich eine Befangenheit angenommen.

28

Der Ausschluss der Kläger von der Beratung und Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt Nr. 3 war auch materiell rechtmäßig. Denn in der Person der Kläger lag der Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO vor. Danach dürfen Bürger und Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben – darunter fällt auch die eines Ratsmitglieds – nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung u. a. ihnen selbst einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann.

29

Dies ist nicht nur bei den Adressaten der eigentlichen Entlastungsentscheidung der Fall sondern auch bei der hier streitgegenständlichen Entscheidung darüber, ob zur weiteren Durchführung eines Widerspruchsverfahrens der Ortsgemeinde gegen eine kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung, mit welcher die Ortsgemeinde angewiesen wurde, die bisher verweigerte Entlastung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erteilen, ein Rechtsanwalt beauftragt werden soll.

30

Mit dem Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, kommunale Ratsmitglieder anzuhalten, ihre Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung auszurichten, ihnen persönliche Konfliktsituationen zu ersparen sowie das Vertrauen der Bürger in eine saubere Kommunalverwaltung zu erhalten und zu stärken (st. Rspr. OVG RP, vgl. nur Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 24). Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Ratsmitglied tatsächlich beabsichtigt, ein konkretes persönliches Anliegen – hier die Erteilung der Entlastung – zu verfolgen; vielmehr genügt es, dass ein dahingehender „böser Anschein“ begründet ist. Dieser besteht bereits dann, wenn konkrete Umstände den Eindruck begründen, das Ratsmitglied könne bei seiner Entscheidung auch von persönlichen Interessen geleitet werden (vgl. OVG RP, Urteil vom 24. März 2011 – 1 C 10737/10.OVG – juris). Ob eine Interessenkollision tatsächlich besteht, ist unerheblich (VG Neustadt, Urteil vom 28. Februar 2011 – 3 K 958/10.NW – juris Rn. 17).

31

Die von dem Beklagten bisher in mehreren Sitzungen verweigerte Entlastungsentscheidung nach § 114 Abs. 1 S. 2 GemO stellt für die Kläger einenNachteil und die durch die kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung vom 13. Oktober 2016 an den Beklagten ausgesprochene Verpflichtung, die Entlastung bis spätestens zum 30. November 2016 zu erteilen, einen zu diesem Zeitpunkt in naher Zukunft erreichbaren Vorteil i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO dar, der durch die Widerspruchseinlegung – zunächst zumindest vorübergehend – vereitelt wurde.

32

Vor- oder Nachteil im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO ist jede Auswirkung für den Betroffenen, die ihn besser oder schlechter stellt, wobei nicht nur materielle sondern auch immaterielle, insbesondere individuelle persönliche Interessen zu einem Mitwirkungsverbot führen können (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zur GemO, Gabler, Höhlein, u. a., Stand September 2013, § 22 Ziffer 2.3.2). Auch der aus einer Entscheidung des Gemeinderats resultierende Ansehens- oder Einflussverlust für ein Ratsmitglied kann einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil in diesem Sinne begründen (OVG RP, Urteil vom 23. April 1998 – 1 C 10789/97.OVG – juris Rn. 24). Der Begriff des Vor- oder Nachteils ist weit zu interpretieren. Als Regulativ zur Verhinderung einer überzogenen Anwendung des Mitwirkungsverbots ist der Begriff der „Unmittelbarkeit“ anzusehen (Praxis der Kommunalverwaltung, a. a. O.).

33

Die Entlastung ist die politische Feststellung, dass die Rechnungsprüfung positiv abgeschlossen ist (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zur GemO, Stand September 2013, § 114 Ziffer 3.1.3). Sie bedeutet, dass der Gemeinderat mit dem Entlastungsbeschluss die politische Verantwortung für die Haushaltswirtschaft der Gemeinde für das abgelaufene Haushaltsjahr übernimmt und stellt ein Vertrauensvotum dar. In der vollständigen Verweigerung der Entlastung liegt daher die Aussage, dass die Haushaltswirtschaft insgesamt kein Vertrauen verdiene, womit der Makel bzw. Anschein nicht ordnungsgemäßer Haushaltsführung einhergeht. In der Öffentlichkeit – gerade auch in kleinen Gemeinden – kann hiermit dem Ansehen der mit der Haushaltsführung befassten Personen ein erheblicher Schaden zugefügt werden (vgl. zur Annahme eines Nachteils auch: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zur GemO, Stand September 2013, § 22 Ziffer 2.3.2 sowie § 114 Ziffer 4).

34

Das von dem Beklagten am 20. Oktober 2016 beschlossene grundsätzliche Vorgehen gegen die kommunalaufsichtliche Anordnung und der daraufhin am 26. Oktober 2016 eingelegte Widerspruch verzögerten die für die Kläger bereits zum 30. November 2016 in Aussicht stehende Entlastungserteilung und stellen somit ebenfalls einen Nachteil für die Kläger dar. Nichts anderes gilt daher für die damit im Zusammenhang stehende Frage, wie dieses den Vorteil der Kläger verzögernde Verfahren weiter betrieben werden soll; konkret, ob hierzu von der Beklagten ein Rechtsanwalt bevollmächtigt und mit der Begründung des Widerspruchs befasst werden soll oder ob dieses Verfahren ohne die Einbeziehung eines Volljuristen mit eigenem Sachverstand zu Ende gebracht wird.

35

Ein Vorteil scheidet schließlich auch nicht deshalb aus, weil die Entlastungserteilung die Tätigkeit der Kläger „amtsbezogen“ als ursprüngliche Beigeordnete betrifft und damit nicht Angelegenheiten außerhalb der übertragenen kommunalen Aufgabenwahrnehmung. Eine entsprechende Einschränkung der Mitwirkungsverbote kann aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO nicht hergeleitet werden. Auch die Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Gemeindeordnung vom 3. Mai 1979 (MinBl. S. 179), zuletzt geändert durch Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 09. Dezember 2016 (MinBl. S. 278 bis 280) – GemO-VV –, sieht in Ziffer 4 zu § 114 GemO ausdrücklich vor, dass der Bürgermeister und die Beigeordneten, denen die Entlastung erteilt werden soll, an der Beratung und Abstimmung des Gemeinderats über die Entlastung nicht teilnehmen dürfen. Schließlich haben der Ortsbürgermeister und die Beigeordneten vor diesem Hintergrund auch in dem dieser Beschlussfassung vorgelagerten Rechnungsprüfungsverfahren nach § 110 Abs. 4 GemO kein Stimmrecht (vgl. auch zur Annahme eines Nachteils wegen eines möglichen Ansehensverlusts im Zusammenhang mit „dienstlichen“ Äußerungen eines Bürgermeisters: VGH BW, Urteil vom 10. Mai 1993 – 1 S 1943/92 – juris).

36

Die Beratung und Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts in der streitgegenständlichen Sitzung vom 26. Januar 2017 war auch geeignet, den Klägern einen unmittelbaren Vor-/Nachteil i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO zu bringen.

37

Unmittelbar im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO ist ein möglicher Vor- oder Nachteil nicht erst dann, wenn zwischen der zu treffenden Entscheidung des Rates und den möglichen vor- oder nachteiligen Folgen ohne Hinzutreten eines weiteren Umstandes eine direkte Kausalität besteht (sog. formale Theorie) oder wenn die zur Verwirklichung des Vor- oder Nachteils erforderliche Umsetzung des Ratsbeschlusses zwangsläufig zu erwarten ist (sog. modifizierte formale Theorie, vgl. Schaaf/Oster in: Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand September 2013, § 22 Ziffer. 2.3.4.4). Ein lediglich so verstandenes Kausalitätskriterium würde nämlich nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führen; auch ohne einen solchen engen formalen Zusammenhang kann ein starkes, den Anschein einer von persönlichen Interessen mitbestimmten Entscheidung begründendes Interesse am Entscheidungsgegenstand bestehen (st. Rspr. OVG RP, vgl. zuletzt Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 26). Andererseits sollen die Befangenheitsvorschriften zwar eine Entscheidung in eigener Sache verhindern, jedoch keine zu weite Ausdehnung erfahren, um die Funktionsfähigkeit des Gemeinderates und damit die auf demokratischer Teilhabe beruhende Beteiligung der Vertretungskörperschaft nicht unangemessen zurückzudrängen (OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 27). Zu fragen ist, ob mögliche Sonderinteressen für die Haltung des Ratsmitgliedes bestimmenden Einfluss gewinnen können, ob also dem drohenden Vor- oder Nachteil ein solches Gewicht zukommt, dass eine persönliche Konfliktsituation entsteht, in der nicht mehr gewährleistet ist, dass das Ratsmitglied seine Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und seiner freien, durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung ausübt. Wann dies der Fall ist, ergibt eine Bewertung der Beziehung zwischen dem Ratsmitglied und dem Beratungsgegenstand aufgrund der Umstände des Einzelfalles (OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 28).

38

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist vorliegend das Merkmal der Unmittelbarkeit gegeben. Dem den Klägern drohenden Nachteil kam ein solches Gewicht zu, dass eine persönliche Konfliktsituation entstand, in der nicht mehr gewährleistet war, dass diese ihre Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung ausüben. Die Beziehung zwischen dem hier streitgegenständlichen Beratungsgegenstand und den Klägern führt vorliegend angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Entlastungsentscheidung und den hier maßgeblichen Besonderheiten des Einzelfalls dazu, dass das mögliche Sonderinteresse der Kläger bestimmenden Einfluss auf deren Haltung nehmen konnte.

39

Die Kläger haben grundsätzlich einen – auch gesetzlichen – Anspruch auf die Entlastungserteilung, der notfalls unter Umständen gar im Klagewege durchgesetzt werden könnte. Auch im kommunalen Bereich wird Personen, denen zu Unrecht bisher nicht die Entlastung erteilt wurde, eine eigenständige Klagebefugnis zugesprochen (vgl. für den Bürgermeister, unabhängig vom dem grds. vorrangig durchzuführenden Beanstandungsverfahren: VG Gera, Urteil vom 22. Juli 2015 – 2 K 42/15 – juris).

40

Die Wirkung der bisher in mehreren Sitzungen nicht erteilten Entlastungsentscheidung wurde vorliegend dadurch verstärkt, dass in der regionalen Presse auch in der Vergangenheit bereits mehrfach hierüber berichtet wurde, es sich um eine kleine Ortsgemeinde handelt und das Vorgehen der Ortsgemeinde an sich – das „Aufbegehren“ gegen eine kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung und derart beharrliche Festhalten an dem eingenommenen Rechtsstandpunkt – sich deutlich von dem ansonsten im kommunalen Bereich üblichen abhebt.

41

Durch die bereits in der Sitzung vom 1. Dezember 2016 erörterte und nunmehr in der streitgegenständlichen Sitzung vom 26. Januar 2017 zur abschließenden Diskussion stehende Einbeziehung eines Rechtsanwaltes in das Verfahren, in welchem die kommunalaufsichtliche Verfügung ergangen war, die Entlastung – auch der Kläger – bis spätestens zum 30. November 2016 zu erteilen, erreichte der Streit über die Entlastungsentscheidung eine weitere Stufe der Eskalation. Wenn auch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes im allgemeinen Geschäftsleben durchaus üblich und auch auf Seiten von Behörden oder Gemeinden vermehrt anzutreffen ist, stellt sie dennoch nicht den Regelfall dar. Bei Gemeinden wird in der Rechtsprechung auch grundsätzlich angenommen, dass diese ihre eigenen Verwaltungsaufgaben ohne fremde Unterstützung ausführen können, auch wenn sie selbst nicht als Ausgangsbehörde tätig geworden sind (vgl. hierzu im Zusammenhang mit der Frage der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren eines von einer Ortsgemeinde beauftragten Rechtsanwaltes zur Durchführung eines Widerspruchsverfahrens: OVG Sachsen, Urteil vom 11. März 2008 – 4 B 699/06 – juris Rn. 27).

42

Wenn den Klägern der Rechtsanwalt vorliegend auch nicht selbst als Partei in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüber steht, stellt dieser sich für diese bei verständiger Würdigung der Gesamtsituation im Ergebnis als Hindernis und Gegner dar bei dem naheliegenden Ziel, die Entlastungsentscheidung möglichst zeitnah zu erlangen. Eine mit juristischen Auseinandersetzungen nicht regelmäßig befasste Person, die sich auf der anderen Seite mit einem Rechtsanwalt konfrontiert sieht, wird ihre prozessuale Situation aber durchaus ernster als zuvor einschätzen und ihre Reaktion entsprechend anzupassen versuchen bzw. gar schon versuchen, zu verhindern, dass die gegnerische Seite sich durch Beiziehung eines Volljuristen verstärkt.

43

Aus Sicht der Kläger steht nachvollziehbar zu befürchten, dass der durch die Vollmachtserteilung durch die Ortsgemeinde an seinen Auftrag – die (erfolgreiche) Fortführung des bereits angestrengten Widerspruchsverfahrens – gebundene Rechtsanwalt das Widerspruchsverfahren eher erfolgreich zu Ende bringt, womit die zumindest annehmbar erstrebte Entlastungsentscheidung sogar gänzlich unmöglich gemacht und nicht nur zeitlich verzögert würde. Denn dadurch, dass nunmehr ein Volljurist mit dem Widerspruchsverfahren auf Seiten des Beklagten befasst werden und das den auch objektiven Interessen der Kläger gegenläufige Verfahren betreiben sollte, kann gerade – aber gewiss nicht nur – bei juristischen Laien der Eindruck entstehen, dieses Verfahren werde sich nunmehr noch länger hinauszögern und zudem mit höherer Wahrscheinlichkeit als zuvor mit – für die Kläger – negativem Ergebnis zu Ende gehen. Wenn auch gerade im Verwaltungsverfahren aufgrund des dort geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes dies nur in eingeschränktem Maße zutreffend ist, erschließt sich diese Differenzierung für nicht regelmäßig mit entsprechenden Verfahren betraute Personen nicht ohne weiteres. Insbesondere aber kann eine derartige Differenzierung auch nicht von der Öffentlichkeit erwartet werden, welche eine Beteiligung der Kläger an einem diese in ihrem Kernbereich von Ansehen und Achtung betreffenden Abstimmungsvorgang zu bewerten hat.

44

In Anbetracht dieser Gesamtumstände ist die im Raume stehende und auch nach außen strahlende persönliche Konfliktsituation der Kläger geeignet, deren Entscheidungsfindung maßgeblich zu beeinflussen, so dass der Ausschluss der Kläger zu Recht erfolgt ist, ohne dass es auf die „Zahl der Schritte“ zwischen Vor-/ Nachteil und dem Beschlussgegenstand ankommt.

45

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 S. 1 und S. 2 ZivilprozessordnungZPO –.

46

4. Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat, noch ein Fall der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorliegt.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 62


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind1.die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,2.die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den G

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 28. Feb. 2011 - 3 K 958/10.NW

bei uns veröffentlicht am 28.02.2011

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Die Beteiligten s
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR.

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. März 2018 - 7 K 11079/17.TR

bei uns veröffentlicht am 06.03.2018

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin da

Referenzen

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert



Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Klägers von der Beratung und Beschlussfassung des Ortsgemeinderates E. über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zur Aufhebung einer verkehrspolizeilichen Anordnung eines verkehrsberuhigten Bereichs und Anordnung einer Tempo 30-Zone in der Gemeindestraße „...“.

2

Der Kläger ist Mitglied des beklagten Ortsgemeinderates und Vorsitzender der SPD–Ratsfraktion. Er ist Eigentümer des von ihm selbst bewohnten Anwesens ...... Die Straße …., bei der es sich um eine in einem Wendehammer endende Stichstraße handelt, gliedert sich in einen östlichen sowie einen westlichen Bereich. Der östliche Bereich der Straße ... ist als Tempo 30-Zone ausgewiesen. Der westliche Bereich, in dem auch der Kläger wohnt, liegt im Geltungsbereich des im Jahre 1981 beschlossenen Bebauungsplans “An der Obermühle”. Dieses Baugebiet schließt an die in der Straße ... im östlichen Bereich bereits vorhandene Bebauung an. Der Bebauungsplan enthält die Festsetzung, dass die öffentlichen Verkehrsflächen im Bebauungsplangebiet geschwindigkeitsreduzierend gestaltet werden. Dementsprechend erfolgte der Ausbau des westlichen Bereichs der Straße ... derart, dass eine Fahrbahn sowie Gehwege angelegt wurden. Zur Geschwindigkeitsreduzierung wurden Pflanzinseln aufgestellt und der Bereich durch die Verbandsgemeinde Freinsheim als zuständige Straßenverkehrsbehörde – ohne Einholung des gemeindlichen Einvernehmens – als verkehrsberuhigter Bereich (Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung – StVO –, Zeichen 325.1 und 325.2) ausgewiesen. Obwohl Parkflächen nicht eingezeichnet wurden, parkten die Anwohner und deren Besucher in dem verkehrsberuhigten Bereich, ohne dass es bislang insoweit zu Ahndungen der Parkverstöße gekommen wäre.

3

Im Jahre 2010 beabsichtigte die Verbandsgemeinde Freinsheim als zuständige Straßenverkehrsbehörde im Hinblick darauf, dass die Vorgaben der StVO für einen verkehrsberuhigten Bereich in der Straße ... nicht umgesetzt waren (keine Parkflächeneinzeichnung, kein niveaugleicher Straßenausbau), aus Gründen der Verkehrssicherheit auch für den westlichen Bereich der Straße ... eine Tempo 30-Zone einzurichten.

4

Zwecks Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zur Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und Anordnung einer Tempo 30-Zone auch im westlichen Teil der Straße ... erarbeitete die Verbandsgemeinde Freinsheim eine entsprechende Beschlussvorlage für den beklagten Ortsgemeinderat.

5

Im Rahmen seiner öffentlichen Sitzung am 8. Juni 2010 befasste sich der beklagte Ortsgemeinderat mit dieser Beschlussvorlage. Dabei stellte sich die Frage der Befangenheit einzelner in dem betroffenen Straßenbereich wohnender Ratsmitglieder, so u. a. auch des Klägers. Das ebenfalls in diesem Straßenabschnitt wohnhafte Ratsmitglied A. äußerte sich in der Ratssitzung als betroffene Anwohnerin und sprach sich gegen die Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs aus. Der Kläger schloss sich dem Vortrag des Ratsmitgliedes M. an und beantragte die Veranstaltung einer Anwohnerversammlung. Dieser Antrag wurde vom Rat mit 7 zu 6 Stimmen abgelehnt. Die Beratung über die Beschlussvorlage wurde im Hinblick auf die zunächst zu prüfende Frage der Befangenheit einzelner Ratsmitglieder, so u. a. des Klägers, vertagt.

6

In der Sitzung am 1. September 2010 beriet der beklagte Ortsgemeinderat unter dem Tagesordnungspunkt 2 „... – Verkehrsberuhigter Bereich – Umwandlung in Tempo 30-Zone“ erneut über die Frage der Erteilung des Einvernehmens zur Aufhebung der verkehrspolizeilichen Anordnung des verkehrsberuhigten Bereichs und zur Anordnung einer Tempo 30-Zone. Zuvor stellte er nach Herstellung der Nichtöffentlichkeit mit Stimmenmehrheit die Befangenheit des Klägers sowie zweier weiterer, ebenfalls im betroffenen Bereich der Straße ... wohnhafter Ratsmitglieder (Frau A. und Frau B.) wegen Vorliegens eines Ausschließungsgrundes nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gemeindeordnung – GemO – fest und schloss diese Personen von der Beratung und Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt 2 aus. Ein Ausschluss des im östlichen Bereich der Straße ... wohnenden Ortsbürgermeisters (... Nr. 4) wurde nicht beschlossen, weil dieser weder in dem betroffenen (westlichen) Straßenabschnitt noch in dem unmittelbar daran angrenzenden Bereich wohne. Der Vor- oder Nachteil des einzelnen hier betroffenen Ratsmitgliedes bestehe darin, dass durch die Beratung und Beschlussfassung des Gemeinderats zur der verkehrspolizeilichen Anordnung die bisherige Einschränkung der Parkmöglichkeiten in dem Straßenbereich aufgehoben werde. Ob sich ein solcher Vor- oder Nachteil tatsächlich realisiere, spiele keine Rolle. Es reiche aus, dass ein solcher Vor- oder Nachteil entstehen könne. Auch trete der Vor- oder Nachteil unmittelbar ein, da zwischen dem Beschluss des Ortsgemeinderates und der tatsächlichen Umsetzung durch die Straßenverkehrsbehörde direkte Kausalität bestehe. Sodann wurde die Öffentlichkeit der Sitzung vom 1. September 2010 wiederhergestellt und zum Tagesordnungspunkt 2 das Einvernehmen zur Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und zur Anordnung einer Tempo 30-Zone einstimmig durch die 12 noch stimmberechtigten Ratsmitglieder erteilt.

7

Der Kläger hat gegen seinen in der Sitzung des Beklagten am 1. September 2010 erfolgten Ausschluss von der Beratung und Beschlussfassung über die Erteilung des Einvernehmens zu der verkehrspolizeilichen Anordnung (Tagesordnungspunkt Nr. 2) am 16. September 2010 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, Ausschließungsgründe nach § 22 Abs. 1 GemO hätten in seiner Person nicht vorgelegen. Die Entscheidung des beklagten Ortsgemeinderates bringe für ihn keinen unmittelbaren Vor- oder Nachteil, nur weil er Anwohner des betroffenen (westlichen) Bereichs in der Straße ... sei. Klare messbare Vor- oder Nachteile für ihn als Anwohner seien durch die Umwandlung des verkehrsberuhigten Bereichs in eine Tempo 30-Zone nicht ersichtlich, weshalb es an der Unmittelbarkeit fehle. Ein Sonderinteresse könne für ihn nicht angenommen werden. So werde zum einen mit der Umwandlung des verkehrsberuhigten Bereichs in eine Tempo 30-Zone keine ins Gewicht fallende Verbesserung seiner Park- bzw. Wohnsituation eintreten, weil es sich bei der Straße ... um eine Sackgasse (Stichstraße) mit einer besonderen verkehrsräumlichen Situation handle, da dieser Bereich ausschließlich von Anwohnern und Ortskundigen angefahren werde. Jedenfalls seien jegliche Auswirkungen des Beschlusses nicht individualisierbar und von derart untergeordneter Bedeutung, dass sie vernachlässigt werden könnten. Da noch nicht feststehe, ob in dem Bereich überhaupt Parkbuchten eingezeichnet werden, könne man mit dem Punkt “Parksituation” keine angeblichen Vor- oder Nachteile begründen. Auch die mit einer Tempo 30-Zonen-Anordnung einhergehende Geschwindigkeitserhöhung in dem betroffenen Bereich begründe keinen unmittelbaren Vor- oder Nachteil. Da die Straße ohnehin durch die angelegten Pflanzinseln verkehrsberuhigt gestaltet sei, ändere sich an der notwendigen niedrigen Fahrgeschwindigkeit in dem Bereich auch nach der Umwandlung in eine Tempo 30-Zone nichts. Daher sei die (formale) Erhöhung der zulässigen Geschwindigkeit in ihrer Wirkung weder von hinreichender Bedeutung noch individualisierbar. Ein individuelles Sonderinteresse seiner Person sei vor allem deshalb zu verneinen, weil er – selbst wenn man eine spürbare Verbesserung hinsichtlich seiner Park- bzw. Wohnsituation unterstellen würde – durch den Beschluss nicht in herausgehobener Weise (“zugespitzt”) betroffen werde. Die Entscheidung berühre vielmehr seine Interessen im gleichen Maße wie diejenigen der übrigen Anwohner der Straße ... Im vorderen (östlichen) Straßenbereich der Stichstraße ..., in dem auch der Ortsbürgermeister wohnhaft sei, der als nicht befangen angesehen worden sei, werde von Anwohnern und Besuchern vor und nach dem Umwandlungsbeschluss genauso geparkt wie im hinteren Straßenbereich. Jedenfalls seien die Grundstückseigentümer in dem hier betroffenen Bereich der Straße ... als Bevölkerungsteil im Sinne des § 22 GemO einzustufen, so dass für ihn hier der Ausnahmetatbestand des § 22 Abs. 3 GemO greife. Mithin sei er gemäß § 22 Abs. 3 GemO nicht ausgeschlossen, da er allenfalls nur mittelbar als Angehöriger eines Bevölkerungsteils mit gemeinsamen Belangen, hier der Anwohner der Straße..., betroffen sei.

8

Der Kläger beantragt,

9

festzustellen, dass der Beklagte ihn in der Sitzung vom 1. September 2010 zu Unrecht von der Beratung und Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt Nr. 2 “... – verkehrsberuhigter Bereich – Umwandlung in Tempo-30-Zone” gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 GemO ausgeschlossen hat und der Beschluss damit wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben und unter seiner Mitwirkung zu wiederholen ist.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung führt er aus, die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO seien in der Person des Klägers erfüllt, weshalb er zu Recht von der Beratung und Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung vom 1. September 2010 ausgeschlossen worden sei. Die mit dem Beschluss bedingte Umwandlung des verkehrsberuhigten Bereichs in eine Tempo 30-Zone verändere seine Wohn- und Parksituation erheblich. So sei bislang in dem verkehrsberuhigten Bereich der Straße ... das Abstellen von Fahrzeugen mangels Einzeichnung von Parkbuchten rechtswidrig, weil nach der StVO im verkehrsberuhigten Bereich das Parken nur in eingezeichneten Flächen erlaubt sei. Derartige Parkflächen seien bislang dort nicht markiert gewesen mit der Folge, dass in diesem Bereich überhaupt nicht habe geparkt werden dürfen. Mit der Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und der Anordnung einer Tempo 30-Zone ändere sich nun diese Situation. Das Abstellen eines Fahrzeuges im öffentlichen Straßenraum und das Parken vor der eigenen Hofeinfahrt sei nunmehr erlaubt. Die Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereiches schaffe Rechtssicherheit im Hinblick auf den erfolgten Straßenausbau und erhöhe die Anzahl der rechtlich zulässigen Parkplätze. Hätte die Ortsgemeinde ihr Einvernehmen zu der beabsichtigten verkehrsrechtlichen Anordnung der Straßenverkehrsbehörde verneint, wäre eine Umwandlung in eine Tempo 30-Zone nicht möglich gewesen und aufgrund der Ausweisung als verkehrsberuhigter Bereich hätten Parkflächen eingezeichnet werden müssen. Hiervon und dem dadurch bedingten Wegfall der bisher rechtswidrig zum Parken genutzten Flächen wäre der Kläger als Anlieger direkt betroffen. Auch verliere die Straße in dem betroffenen Bereich durch die Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs ihre Aufenthaltsfunktion. Zumindest werde diese erheblich eingeschränkt. Dies werde daran deutlich, dass die Fußgänger in einer Tempo 30-Zone den baulich getrennt angelegten Gehweg zu benutzen haben und die Straße nicht in ihrer ganzen Breite verwenden dürfen. Kinder dürfen nicht mehr auf der Straße spielen. Der Anlieger einer Straße habe kein Recht auf das Fortbestehen von Vorteilen, die sich aus dem Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straße ergeben, wie hier z. B. die Kommunikation und Aufenthaltsfunktion sowie der ungehinderte Fußgängerverkehr in einem verkehrsberuhigten Bereich, wie sich bereits aus § 34 Abs. 1 Satz 2 Landesstraßengesetz – LStrG – ergebe. Hätte der Kläger bei der Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung vom 1. September 2010 mitwirken dürfen, wäre ihm eingeräumt worden, über eine Veränderung des Gemeingebrauchs mitzubestimmen, obwohl ihm dieses Recht als Anlieger des betroffenen Straßenabschnitts nicht zustehe. Die genannten Vorteile seien auch individualisierbar und nicht von untergeordneter Bedeutung. Das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit liege vor. Dass sich an die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens noch Anschlusshandlungen anschlössen, wie hier die straßenverkehrsrechtliche Anordnung durch die Straßenverkehrsbehörde sowie die Montage bzw. Demontage der entsprechenden Verkehrszeichen, sei nicht wesentlich. Dies seien nur formale Akte ohne Ermessens- und Entscheidungsspielräume. Die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu der beabsichtigten verkehrsrechtlichen Anordnung binde die Straßenverkehrsbehörde. Die Entscheidung des Gemeinderates habe somit unmittelbare Wirkung. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 22 Abs. 3 GemO seien nicht erfüllt. Hierzu müsse ein größerer Personenkreis, der nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar sei, in gemeinsamen Interessen betroffen sein. Es reiche nicht aus, einen Bevölkerungsteil anzunehmen, wenn lediglich eine kleinere Gruppe, also z. B. die Anlieger einer Straße, berührt sei. Im vorliegenden Fall drehe es sich nicht einmal um alle Anlieger der Straße ..., sondern nur um einen Teil der Anlieger dieser Straße. So seien von den insgesamt 67 Anwesen in der Straße ... lediglich 32 Anwesen, nämlich ca. 47 %, in dem verkehrsberuhigten Bereich gelegen und somit von der Umwandlung betroffen. Damit mangele es an einem entsprechend großen Personenkreis. Die Umwandlung des verkehrsberuhigten Bereichs in eine Tempo 30-Zone wirke sich auch individuell auf das jeweilige Anliegergrundstück aus. Der Anliegergebrauch werde individuell ausgeübt, nicht uniformiert, gleichmäßig, gleichzeitig und gleichgerichtet. Daher gebe es in diesem Bereich überhaupt kein gemeinsames Interesse der Straßenanlieger oder eines Teils der Straßenanlieger.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Des Weiteren wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28. Februar 2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage hat keinen Erfolg.

15

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht in der Sitzung vom 1. September 2010 von der Beratung und Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt Nr. 2 „... – verkehrsberuhigter Bereich – Umwandlung in Tempo 30-Zone“ ausgeschlossen, da bei ihm der Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gemeindeordnung – GemO – gegeben war.

16

Der Ausschluss war formell rechtmäßig. Dem Kläger wurde zunächst in der Sitzung des Beklagten vom 8. Juni 2010 auf eine mögliche Befangenheit hingewiesen. In der Sitzung des Beklagten vom 1. September 2010 wurde er nochmals zur Frage seiner Befangenheit als Anwohner des betroffenen Straßenabschnitts in der Straße ... angehört (§ 22 Abs. 5 Satz 2 GemO) und hat dem Beklagten seine gegenteilige Rechtsauffassung zur Kenntnis gebracht. Sodann hat der Beklagte nach Herstellung der Nichtöffentlichkeit gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 GemO bei Nichtbeteiligung der drei betroffenen Ratsmitglieder, so der Kläger, Frau A. und Frau B., einstimmig eine Befangenheit angenommen.

17

Der Ausschluss des Klägers von der Beratung und Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt Nr. 2 war auch materiell rechtmäßig. Denn in der Person des Klägers liegt der Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO vor. Danach dürfen Bürger und Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben – darunter fällt auch die eines Ratsmitglieds – nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung u. a. ihnen selbst einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. Wie es der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz entspricht (vgl. Urteile vom 17. Januar 1978 – 10 C 7/77.OVG – [AS RP-SL 15, 77 ff.], 7. Dezember 1983 – 10 C 9/83.OVG – [NVwZ 1984, 670], 13. Juni 1995 – 7 A 10875/94.OVG – [AS RP-SL 25, S. 161 ff.], 23. April 1998 – 1 C 10789/97.OVG – [NVwZ-RR 2000, 103 ff.] und 24. Juni 2009 – 2 A 10098/09.OVG – [AS RP-SL 37, 361] entspricht, verfolgt das gesetzliche Mitwirkungsverbot das Ziel, kommunale Ratsmitglieder anzuhalten, ihre Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung auszurichten, ihnen persönliche Konfliktsituationen zu ersparen sowie das Vertrauen der Bürger in eine saubere Kommunalverwaltung zu erhalten und zu stärken. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob das betroffene Ratsmitglied durch die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte mögliche Vor- oder Nachteile tatsächlich erfährt, vielmehr genügt ein dahingehender Anschein. Es soll mithin bereits der „böse Schein“ vermieden werden, kommunale Entscheidungsträger ließen sich von eigennützigen und/oder sachfremden Motiven leiten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Dezember 1983 – 10 C 19/83.OVG – [a. a. O.]).; vgl. auch VGH Baden-Württemberg zur gleichlautenden dortigen Vorschrift § 18 Abs. 1 GemO BW: Urteil vom 9. Februar 2010 – 3 S 3064/07 –, juris). Ob eine Interessenkollision tatsächlich besteht, ist unerheblich (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. April 2004 – 8 S 1374/03 –, juris).

18

Vorliegend wurde zwar durch die Entscheidung des Beklagten über den Tagesordnungspunkt Nr. 2, nämlich die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zur Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und Anordnung einer Tempo 30-Zone, die Tempo 30-Zone in dem betroffenen Straßenabschnitt der Straße ... noch nicht unmittelbar begründet, weil die verkehrspolizeiliche Anordnung durch die Verbandsgemeinde Freinsheim als zuständiger Straßenverkehrsbehörde (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts – ZuVO im Straßenverkehrsrecht –) vorzunehmen ist. Jedoch kommt der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens bei Anordnung einer Tempo 30-Zone eine selbständige Bedeutung zu, weil gemäß § 45 Abs. 1c Satz 1 Straßenverkehrs-OrdnungStVO – die Straßenverkehrsbehörde die Tempo 30-Zone im Einvernehmen mit der Gemeinde anordnet. Damit besteht eine enge Bindung zwischen der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens und der Anordnung der Tempo 30-Zone durch die Straßenverkehrsbehörde derart, dass für diese verkehrspolizeiliche Anordnung das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich ist (vgl. auch VV zu § 45 StVO, abgedruckt bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 40. Auflage, § 45 StVO, Rdnrn. 6 ff.). Die verkehrspolizeiliche Anordnung erfolgt erst aufgrund des erteilten gemeindlichen Einvernehmens, weil erst dann ein rechtliches Hindernis (vgl. § 45 Abs. 1c Satz 1 StVO: Einvernehmenserfordernis) für die Anordnung aus dem Weg geräumt wurde. Mithin bedingt die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens erst die nachfolgende Anordnung einer Tempo 30-Zone durch die Straßenverkehrsbehörde. Damit kann bereits die Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen zu der Anordnung einer Tempo 30-Zone für das Ratsmitglied, das zugleich Anlieger in dem betroffenen Bereich ist, einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen, weil je nach dem Ausgang der Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen die verkehrspolizeiliche Anordnung „Tempo 30-Zone“ dann erfolgt oder nicht erfolgt. Das Merkmal der Unmittelbarkeit eines möglichen Vor- oder Nachteils liegt nämlich nicht erst dann vor, wenn zwischen der zu treffenden Entscheidung des Gemeinderates und den möglichen vor- oder nachteiligen Folgen ohne Hinzutreten eines weiteren Umstandes eine direkte Kausalität besteht (sog. formale Theorie; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juni 2009 – 2 A 10098/09.OVG –, AS RP-SL 37, 361 ff.) oder wenn die zur Verwirklichung des Vor- oder Nachteils noch erforderliche Umsetzung des Ratsbeschlusses zwangsläufig zu erwarten ist (sog. modifizierte formale Theorie; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O. m. w. N.). So hat das OVG Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 13. Juni 1995 – 7 A 10875/94.OVG – (AS RP-SL 25, 161 ff.) bezüglich der Frage des Ausschlusses eines Gemeinderatsmitgliedes wegen Sonderinteressen zur Unmittelbarkeit eines Vor- oder Nachteils i. S. d. § 22 Abs. 1 Nr. 1 GemO ausgeführt:

19

„In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das in vielen Kommunalgesetzen zur Abgrenzung weitgehend übereinstimmend gebrauchte Kriterium der „Unmittelbarkeit“ des in Frage stehenden Vorteils oder Nachteils nicht im formalen Sinne dahin zu verstehen ist, dass nur bei einer direkten Kausalität die Befangenheit vorliegt (vgl. auch OVG Münster, NVwZ 1984, 667, 668; VGH BW, VwBl. BW 1985, S. 21). Es kann mithin nicht allein darauf abgestellt werden, dass der Beschluss des Gemeinderats den Vorteil oder Nachteil für den Einzelnen ohne weiteren Vollzugsakt herbeizuführen in der Lage ist. Entscheidend ist vielmehr, ob und inwieweit die vorhergehende Entscheidung die nachfolgende festlegt oder steuert. Diese Betrachtung ist namentlich in den Fällen anzustellen, in denen die Gemeinde am Verfahren beteiligt ist, aber eine andere Behörde entscheidet. Kommt in diesen Fällen dem Beteiligungsakt der Gemeinde selbständige Bedeutung zu – etwa bei der Versagung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB – so liegt ein unmittelbarer Vorteil, den die Entscheidung des Gemeinderates mit sich bringen kann, schon darin begründet, dass ein rechtliches Hindernis für ein Vorhaben des in Sonderinteressen befangenen Ratsmitglieds aus dem Wege geräumt wird. In diesen Fällen ist das betroffene Ratsmitglied gleichsam auch selbst Adressat der Entscheidung.“

20

Auch im Falle der verkehrspolizeilichen Anordnung einer Tempo 30-Zone legt die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens die darauf nachfolgende straßenverkehrsrechtliche Anordnung einer Tempo 30-Zone fest.

21

Das Unmittelbarkeitskriterium umschreibt auch die Beziehung zwischen dem Ratsmitglied und dem Beratungs- und Entscheidungsgegenstand. Insoweit dient es der Abgrenzung individueller Belange von Gruppeninteressen. Folglich ist ein Ratsmitglied nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 3 GemO nicht nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn es als Angehöriger einer Berufsgruppe oder eines Bevölkerungsteils, deren gemeinsame Belange berührt werden, betroffen ist. Demnach fordert § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO für den Ausschluss eines Ratsmitgliedes von der Beratung und Beschlussfassung eine Individualisierung seines Interesses am Beratungs- und Entscheidungsgegenstand. Erforderlich ist ein auf seine Person bezogener besonderer, über den allgemeinen Nutzen oder die allgemeine Belastung hinausgehender möglicher Vor- oder Nachteil (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juni 2009, a. a. O.).

22

Da vorliegend die Straßenverkehrsbehörde aufgrund der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens die Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und eine Tempo 30-Zone aufgrund der bindenden Wirkung des erteilten Einvernehmens der Gemeinde anordnet, konnte die Entscheidung des Rats einen auf die Person des Klägers bezogenen besonderen und über den allgemeinen Nutzen oder die allgemeinen Belastungen hinausgehenden möglichen Vor- oder Nachteil als Anlieger des betroffenen Straßenbereichs bringen. Dies aus folgendem Grund:

23

Der Kläger ist Grundstückseigentümer und Anwohner des betroffenen Straßenbereichs, für den aufgrund des mit Beschluss des Beklagten vom 1. September 2009 erteilten gemeindlichen Einvernehmens die bislang dort geltende verkehrspolizeiliche Anordnung „verkehrsberuhigter Bereich“ aufgehoben und stattdessen eine Tempo 30-Zone durch die Verbandsgemeinde Freinsheim als zuständiger Straßenverkehrsbehörde angeordnet wird. Dies hat für den Kläger als Grundstückseigentümer und Anwohner in dem betroffenen Straßenabschnitt der Straße ... zur Folge, dass in der dann ausgewiesenen Tempo 30-Zone – anders als in einem verkehrsberuhigten Bereich – das Parken auf der Straße zulässig ist, sofern dadurch niemand behindert und sofern Parkflächen nicht ausdrücklich gekennzeichnet werden – was nach Angaben des Beklagten derzeit nicht beabsichtigt sei. Damit steht dem Kläger als Anlieger einer Tempo 30-Zone mehr Parkraum zur Verfügung als dies dort in dem bislang als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straßenabschnitt möglich war. Da Parkflächen in dem verkehrsberuhigten Bereich nicht gekennzeichnet waren, bestand für die Anlieger und deren Besucher auf der Straße ein Parkverbot, da in einem verkehrsberuhigten Bereich Fahrzeugführer außerhalb der dafür gekennzeichneten Flächen nicht parken dürfen, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen und zum Be- oder Entladen (vgl. Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO, Zeichen 325.1). Damit war bislang das Parken in dem bislang als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straßenabschnitt der Straße ... nach den rechtlichen Vorgaben für einen verkehrsberuhigten Bereich verboten. Dass das rechtswidrige Parken in dem verkehrsberuhigten Bereich nach Angaben der Verbandsgemeinde Freinsheim faktisch nicht geahndet wurde, spielt für die hier vorzunehmende rechtliche Betrachtung keine Rolle.

24

Ein weiterer Vor- bzw. Nachteil für den Kläger als Anlieger einer Tempo 30-Zone besteht darin, dass in dem betroffenen Straßenbereich eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zulässig ist. Damit entfällt in dem bislang als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straßenabschnitt das Gebot des Fahrens mit Schrittgeschwindigkeit. Ebenso entfällt in einer Tempo 30-Zone das Vorranggebot für Fußgänger, das in einem verkehrsberuhigten Bereich zu beachten ist. Durch die Anordnung einer Tempo 30-Zone anstelle des bislang ausgewiesenen verkehrsberuhigten Bereichs dürfen Fußgänger die Straße nicht mehr in ihrer ganzen Breite benutzen und Kinderspiele sind auf der Straße nicht mehr erlaubt. Damit ist dieser Straßenbereich zugleich in seiner Kommunikationsfunktion eingeschränkt, was für den Anlieger eines bislang als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straßenabschnitts von Nachteil sein kann (z. B. Verlust von Spielflächen für Kinder; Verlust der Straße als Begegnungsort).

25

Damit bestehen für den Anlieger des von der verkehrspolizeilichen Anordnung einer Tempo 30-Zone betroffenen Straßenbereichs – wie hier dem Kläger – sowohl Vor- als auch Nachteile.

26

Entgegen der Ansicht des Klägers liegt bei ihm als Anlieger des betroffenen Straßenabschnitts kein Gruppeninteresse des § 22 Abs. 3 GemO vor. Nach dieser Vorschrift gelten die Bestimmungen des § 22 Abs. 1 nicht, wenn die in Absatz 1 bezeichneten Personen lediglich als Angehörige einer Berufsgruppe oder eines Bevölkerungsteils, deren gemeinsame Belange berührt werden, betroffen sind. Als Bevölkerungsteil oder Berufsgruppe i. S. d. § 22 Abs. 3 GemO ist dabei nur ein größerer Personenkreis zu verstehen (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, Gemeindeordnung, § 22, Rdnr. 3.2). Dieser muss gemeinsame, gleichgerichtete, typisch übereinstimmende Ziele zum Inhalt haben. Unter Bevölkerungsgruppen sind dabei Personenmehrheiten zu verstehen, die grundsätzlich nicht von vornherein persönlich bekannt, feststellbar und aufzählbar sind, sondern die nach örtlichen, beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten abgrenzbar sind. Dies ist dann nicht mehr gegeben, wenn der Personenkreis individuell abschließend bestimmt oder bestimmbar ist, vor allem, wenn es sich um eine zahlenmäßig nur kleine Gruppe, also z. B. die Anlieger einer Straße oder wie hier eines Straßenabschnitts, handelt (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, a. a. O.).

27

Die Anlieger einer Straße verfolgen keine gemeinsamen Interessen. So vermag es ein Anlieger für gut zu befinden, dass aufgrund der Anordnung einer Tempo 30-Zone anstelle eines verkehrsberuhigten Bereichs sich für ihn erweiterte Parkmöglichkeiten ergeben können, ein anderer Anlieger hingegen empfindet genau dies als Nachteil, z. B. weil er sich aufgrund der größeren Parkmöglichkeiten bei der Zu- und Abfahrt von seinem Grundstück durch nun parkende Fahrzeuge behindert sieht. Auch das durch die Anordnung einer Tempo 30-Zone gegenüber einem verkehrsberuhigten Bereich nicht mehr zulässige Benutzen der Straße in ihrer ganzen Breite für Fußgänger oder das dadurch bedingte Zulassen einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h vermag ein Anlieger je nach seiner persönlichen Situation als Vorteil, ein anderer Anlieger hingegen (z. B. wenn er kleine Kinder hat, die bislang in dem verkehrsberuhigten Bereich auf der Straße spielten) als Nachteil anzusehen.

28

Da an den hier betroffenen Straßenabschnitt in der sich als Stichstraße darstellenden Straße ... ca. 32 Anliegergrundstücke angrenzen, ist der betroffene Personenkreis auch individuell abschließend bestimmbar, zumal dieser Straßenabschnitt nur von den Anliegern und ihren Besuchern mangels Vorliegens einer Durchgangsstraße angefahren wird.

29

Auch sind die durch eine Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ermöglichte Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und Anordnung einer Tempo 30-Zone für den jeweiligen Anlieger des betroffenen Straßenabschnitts entstehenden unmittelbaren Vor- oder Nachteile nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung, so dass diese zu vernachlässigen wären. Vielmehr zeigt gerade die Reaktion des Klägers in der Gemeinderatssitzung vom 8. Juni 2010, in der sich der beklagte Ortsgemeinderat erstmals mit der Beschlussvorlage der Verbandsgemeinde Freinsheim befasste und in der sich der Kläger zusammen mit einem weiteren Ratsmitglied, nämlich der ebenfalls in dem betroffenen Straßenabschnitt wohnenden Frau A., gegen die Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs aussprach und die Veranstaltung einer Anwohnerversammlung beantragte, dass er auch seine Anliegerinteressen im Auge hatte. Denn gerade in einer Einwohnerversammlung wären die Sonderinteressen der jeweiligen Anlieger in dem betroffenen Straßenabschnitt für und gegen eine Tempo 30-Zone thematisiert worden.

30

Nach alledem liegt es nahe, dass der Kläger als Anlieger des betroffenen Straßenabschnitts bei der Abstimmung über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zur Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und Anordnung einer Tempo 30-Zone möglicherweise nicht völlig frei von eigenen Interessen abgestimmt hätte. Gerade durch diese Interessenverquickung würde aber der so genannte „böse Schein“ erzeugt, welcher in der Kommunalverwaltung durch § 22 GemO gerade verhindert werden soll. Das mögliche individuelle Sonderinteresse des Klägers als Anlieger des betroffenen Straßenbereichs vermochte hier bei ihm einen Interessenkonflikt zu begründen. Dieser mögliche Interessenkonflikt rechtfertigte die Besorgnis, der Kläger werde bei der Entscheidung über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu der Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereichs und zur Anordnung einer Tempo 30-Zone in dem betroffenen Straßenabschnitt der Straße ... nicht mehr nur gemeinwohlorientiert handeln. Vielmehr bestand Anlass zur Annahme, dass ihn auch persönliche Interessen als Anlieger bei der Mitwirkung an der in Rede stehenden Beratung und Beschlussfassung beeinflussen könnten. Darauf, ob der Kläger tatsächlich befangen ist, kommt es nicht an, weil die Ausschließungsgründe des § 22 Abs. 1 GemO dazu dienen, bereits den „bösen Schein“ einer Befangenheit zu verhindern. Deshalb ist es hier auch unerheblich, dass sich der Kläger selbst nicht als befangen angesehen hat.

31

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO.

34

Beschluss

35

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. vom 7./8. Juli 2004, NVwZ 2004, 1327 ff.).

36

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.