Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Dez. 2013 - 9 S 882/12

bei uns veröffentlicht am16.12.2013

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März 2012 - 4 K 3474/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Einstufung von tierischen Nebenprodukten.
Die Klägerin betreibt die Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung von Geflügel. Hierbei fallen tierische Nebenprodukte an, das heißt Teile, die für den menschlichen Verzehr nicht bestimmt sind. Diese sind nach der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 nach dem Grad des von ihnen ausgehenden Risikos in insgesamt 3 Kategorien einzuordnen. Von dieser Einordnung hängt es ab, wie die Nebenprodukte verwertet werden können oder ob sie zu vernichten sind: Material der Kategorie 2 ist grundsätzlich in Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte abfallrechtlich zu entsorgen und kann ggf. noch für die Herstellung von Düngemittel Verwendung finden, Material der Kategorie 3 kann im Rahmen der Futtermittelproduktion verwertet werden.
Nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 am 04.03.2011 vertrat die Klägerin die Auffassung, nunmehr seien grundsätzlich alle tierischen Nebenprodukte, die im Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich befunden wurden, in Kategorie 3 einzuordnen. Daran ändere sich auch nichts mehr, wenn zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei der lebensmittelrechtlichen Fleischuntersuchung, Anzeichen übertragbarer Krankheiten am Schlachtkörper festgestellt würden. Die vom amtlichen Fachassistenten mit Anzeichen einer Erkrankung aussortierten Innereien bzw. Magen-Darm-Pakete, die vom Lungensauger abgesaugten Materialien und die vom amtlichen Personal aufgrund von pathologisch-anatomischen Befunden, die auf eine auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit hinweisen, als für den menschlichen Verzehr nicht geeignet beurteilten Tierkörper und Tierkörperteile stellten daher kein Material der Kategorie 2 dar. Mit Schreiben vom 29.03.2011 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall die Klägerin darauf hin, dass die Verwertung des im Rahmen der Putenschlachtung anfallenden Lungenabsaugermaterials als „K 3-Material“ nur dann möglich sei, wenn Material von in einem zugelassenen Betrieb geschlachteten Tieren gewonnen werde, das im Rahmen einer Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich und im Rahmen einer Fleischuntersuchung als genusstauglich oder -untauglich beurteilt worden sei, jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgewiesen habe. Werde auch nur einer dieser Punkte nicht eingehalten, müsse das gewonnene Material komplett als „K 2-Material“ entsorgt werden. Seither sammelte die Klägerin das Lungenabsaugermaterial durch organisatorische Vorkehrungen kategorierein.
Am 26.09.2011 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und der Sache nach die Feststellung begehrt, dass es für die Zuordnung von bei der Schlachtung von Geflügel anfallenden tierischen Nebenprodukten zur Kategorie 3 allein auf die Feststellung der Schlachttauglichkeit im Rahmen der Schlachttieruntersuchung ankomme, es sei denn, der amtliche Tierarzt stellte im Rahmen der Stichprobenuntersuchung auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten fest.
Mit Urteil vom 15.03.2012 - 4 K 3474/11 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die von der Klägerin begehrte Feststellung könne nicht getroffen werden. Zwar gehöre Geflügel, das im Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich befunden und in einem Schlachthof geschlachtet worden sei, im Ganzen oder in Teilen grundsätzlich zu der Kategorie 3 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei aber nicht nur dann gegeben, wenn der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten feststelle, sondern auch dann, wenn der amtliche Fachassistent eine solche Feststellung treffe, sowie weiter dann, wenn es sich um einen bloßen Verdachtsfall einer solchen Krankheit handele. Schon der Wortlaut des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 zeige, dass es für die Zuordnung des Materials zur Kategorie 3 maßgeblich darauf ankomme, ob die fraglichen Geflügelkörper oder -teile Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgewiesen hätten. Die Vorschrift stelle selbst den Zusammenhang mit der Zurückweisung als genussuntauglich und somit mit der Durchführung der Fleischuntersuchung her. Anders als die Klägerin meine, erfolge nämlich bei der Schlachttieruntersuchung keine Zurückweisung einzelner Tiere als genussuntauglich, sondern allein die Beurteilung der Schlachttauglichkeit der ganzen Herde (Partie) zum menschlichen Verzehr. Angesichts des Vorsorgegrundsatzes leuchte es auch ein, dass es nicht allein auf die Schlachttieruntersuchung, sondern auf jegliche Untersuchung der zu schlachtenden und geschlachteten Tiere ankomme: immer dann, wenn Anzeichen für eine auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit aufträten, sei der entsprechende Körper oder das Teil des Tiers der Kategorie 2 zuzuordnen. Der Auffassung der Klägerin, eine solche Zuordnung zu Kategorien könne nur durch Stichproben des amtlichen Tierarztes im Rahmen der Fleischuntersuchung erfolgen, könne nicht gefolgt werden. Die Durchführung der Fleischbeschau sei in der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 geregelt. Nach Art. 5 Nummer 1 b) und d) dieser Verordnung führe der amtliche Tierarzt in Schlachthöfen, die frisches Fleisch in Verkehr bringen, Inspektionen u.a. in Bezug auf die Schlachttieruntersuchung und die Fleischuntersuchung durch. Nach Nummer 3 des Art. 5 treffe er u.a. Entscheidungen bezüglich Fleisch. Nach Nummer 4 des Art. 5 könnten amtliche Fachassistenten den amtlichen Tierarzt bei der amtlichen Überwachung nach Anhang I Abschnitte I und II in der in Anhang I Abschnitt III Kapitel I dargestellten Weise unterstützen. Nach Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D gehöre zu den Inspektionsaufgaben die Fleischuntersuchung. Nach Nummer 1 dieser Vorschrift seien die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung unverzüglich nach der Schlachtung einer Fleischuntersuchung zu unterziehen. Alle äußeren Oberflächen seien zu begutachten. Dabei könnten eine geringfügige Handhabung der Schlachtkörper und der Nebenprodukte der Schlachtung oder besondere technische Vorrichtungen erforderlich sein. Besonderes Augenmerk müsse dabei Zoonosen und Krankheiten gelten, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union seien. Die Geschwindigkeit der Schlachtlinie und die Zahl des anwesenden Inspektionspersonals müssten eine ordnungsgemäße Untersuchung erlauben. Es falle auf, dass an dieser Stelle nicht wie sonst häufig im Anhang I der Verordnung 854/2004 vom amtlichen Tierarzt, sondern vom „Inspektionspersonal“ die Rede sei. Abschnitt III Kapitel I des Anhangs I zur Verordnung (EG) Nr. 854/2004 zeige, dass die Fleischuntersuchung grundsätzlich vom amtlichen Fachassistenten unter gelegentlicher Aufsicht des Tierarztes durchgeführt werde. Nach Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 b) müsse der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung nicht jederzeit anwesend sein, wenn ein amtlicher Fachassistent die Fleischuntersuchung durchführe und jegliches Fleisch, das Anomalitäten aufweise, und alles andere Fleisch desselben Tieres absondere, der amtliche Tierarzt solches Fleisch anschließend untersuche und der amtliche Fachassistent ihr Vorgehen und ihre Befunde so dokumentiere, dass der amtliche Tierarzt sich vergewissern könne, dass die Normen eingehalten würden. Dies bedeute, dass der amtliche Fachassistent weitgehend selbständig bei der Fleischuntersuchung arbeite, verdächtiges Material aber dem amtlichen Tierarzt vorlege. Auch die Entscheidungen bezüglich Fleisch könne der amtliche Fachassistent treffen (Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nummer 1). Schließlich sei spezifisch für Geflügel im Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1 die Fleischuntersuchung nach den Abschnitten I und III vorgeschrieben und darüber hinaus, dass der amtliche Tierarzt persönlich a) eine tägliche Besichtigung der Eingeweide und Leibeshöhlen einer repräsentativen Stichprobe von Tieren und b) bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eine eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Untersuchung für genussuntauglich erklärt worden sei, durchführe. Letztere Stichproben dienten wesentlich der Zustandsbeurteilung einer ganzen Partie von geschlachtetem Geflügel. Wichtig für die Frage der Kategorienzuordnung seien aber die Ergebnisse aller durchgeführten Untersuchungen, da die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 infektiöses Material in Nebenprodukten der Kategorie 3 vermeiden wolle. Daher müsse auch der amtliche Fachassistent für die Aussonderung solchen Materials sorgen. Der amtliche Tierarzt habe die Oberaufsicht, treffe aber keineswegs alle notwendigen Entscheidungen. Auch seien die Fachassistenten für die Durchführung ihrer Aufgaben hinreichend und spezifisch ausgebildet (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 854/2004). Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass es bei der Fleischuntersuchung immer nur darauf ankomme, ob Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgetreten seien, nicht aber, ob der Nachweis einer solchen Krankheit geführt sei.
Gegen das am 22.03.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.04.2012, einem Montag, Berufung eingelegt und diese fristgerecht begründet. Sie trägt vor:
Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Auffassung, dass die im Rahmen von Artikel 10 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 1069/2009 zu treffende Entscheidung auch im Rahmen bzw. aus Anlass der Fleischuntersuchung durch den amtlichen Fachassistenten getroffen werden könne. Die im Rahmen der Fleischuntersuchung stattfindende lebensmittelrechtliche Feststellung, ob und welches im Rahmen der Schlachtung gewonnene Material für den menschlichen Verzehr geeignet ist, habe eine völlig andere Zielrichtung als die Prüfung, ob genussuntaugliches Material der Kategorie 2 oder der Kategorie 3 zuzuordnen sei. Bei der vom Verwaltungsgericht gebilligten Verwerfung durch den Fachassistenten „am Band" finde gerade keine Untersuchung statt, deren Ergebnis erst feststehen müsse, sondern der Fachassistent entscheide „ad hoc", so dass sich bei der Lesart des Verwaltungsgerichts die Verwendung des Präsens geradezu aufdränge. Bei der Fleischuntersuchung handele es sich um eine morphologische Untersuchung der Oberfläche von Tierkörper und Organen, bei der ermittelt werde, ob pathologisch-anatomische Veränderungen oder Abweichungen hinsichtlich Konsistenz, Farbe und Geruch vorliegen, welche die Genusstauglichkeit beeinträchtigen könnten oder nicht (z.B. Blutergüsse, Hautabschürfungen, Knochenbrüche etc.). Sie diene nicht der Diagnose von Krankheiten. „Anzeichen von Krankheit" würden hier als Krankheitssymptom verstanden und könnten sich schon begrifflich nur auf ein lebendes Tier beziehen; ein geschlachtetes Tier sei nicht gesund oder krank, sondern tot. Selbstverständlich könnten sich im Rahmen der Genusstauglichkeitsprüfung Indizien dafür ergeben, dass das Tier, welches geschlachtet worden sei, an einer übertragbaren Krankheit gelitten habe. Aber es sei nicht Sinn und Zweck der Fleischuntersuchung, in erster und zugleich letzter Instanz darüber zu entscheiden, ob eine wahrgenommene pathologisch-anatomische Veränderung zugleich auch den Schluss auf ein Krankheitssymptom (Anzeichen einer Krankheit) rechtfertige. Die Feststellung, ob Anzeichen übertragbarer Krankheiten vorlägen oder nicht, könne nicht durch einfachen Augenschein getroffen werden. Hierzu bedürfe es wissenschaftlicher Methoden, wie sie nur im Rahmen der vom Tierarzt vorgenommenen Schlachttieruntersuchung oder weitergehender (Labor-)Untersuchungen im Anschluss an die Fleischuntersuchung (im Rahmen der Stichprobenuntersuchung) zur Verfügung stünden. Nur bei der Frage „genusstauglich - nicht genusstauglich“ lasse der Verordnungsgeber die visuelle Einschätzung durch den geschulten Fachassistenten genügen. Auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten seien zuverlässig nur durch Tierärzte in der Haltungsumgebung des Tieres, in seiner Tiergruppe und unter Berücksichtigung einer umfassenden Betrachtung der Dokumentenlage im Herkunftsbestand (Tierverluste, Futterverzehr, Wasserverbrauch, Laborergebnisse etc.) festzustellen. Welche medizinische Ursache Anomalien hätten, insbesondere, ob sie auf Zoonosen zurückzuführen seien, sei unter dem Gesichtspunkt „Genussuntauglichkeit" irrelevant. Von entscheidender Bedeutung sei die Ursache hingegen für die Anwendung der VO (EG) Nr. 1069/2009. Der Verordnungsgeber überlasse diese Entscheidung aber gerade nicht dem Fachassistenten am Schlachtband. Vielmehr weise die Regelung in Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1 Buchstabe b dem Amtstierarzt die Aufgabe zu, „bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde" vorzunehmen. Ob eine Anomalie, die sich an einem Einzeltier zeige, als Anzeichen einer übertragbaren Krankheit einzustufen sei, werde sich bei Herdentieren zudem nicht an einem Einzeltier, sondern nur in der Gesamtschau der Herde feststellen bzw. beurteilen lassen. Komme der Amtsveterinär bei der Beurteilung der Geflügelpartie, die eine epidemiologische Einheit darstelle, zu dem Ergebnis, dass im Bestand der lebenden Herde Anzeichen (im Sinne eines Rückschlusses auf das lebende Tier) einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Erkrankung vorgelegen haben müssen, dann werde er die gesamte Partie lebensmittelrechtlich für genussuntauglich erklären müssen, und genau dies sei dann auch der Anwendungsfall für die Rückausnahme in Artikel 10 Buchstabe b der VO (EG) Nr. 1069/2009. Die vom Beklagten praktizierte Auslegung einer Entscheidung durch den Assistenten am Schlachtband aufgrund Augenscheins führe hingegen zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass bestimmte Teile eines geschlachteten Tieres als potentiell krankheitsübertragend nicht an Hunde, Katzen etc. verfüttert werden dürften, während andere Teile desselben Tieres unbedenklich als Lebensmittel in Verkehr gebracht würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März 2012 (4 K 3474/11) abzuändern und festzustellen, dass bei Geflügel, welches im Rahmen der Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand als schlachttauglich befunden und im Schlachthof geschlachtet wurde, Schlachtkörper, ganze Körper oder Teile von Tieren sogenanntes Material der Kategorie 3 im Sinne VO (EG) Nr. 1069/2009 darstellen, unabhängig davon, ob diese im Rahmen der lebensmittelrechtlichen Fleischuntersuchung als genusstauglich oder genussuntauglich eingestuft wurden, es sei denn, der amtliche Tierarzt und nur dieser stellt im Rahmen einer Stichprobenuntersuchung gemäß Anhang 1 Abschnitt IV Kapitel V B Nummer 1 Buchstabe b der VO (EG) Nr. 854/2004 Anzeichen (im Sinne eines Rückschlusses auf das lebende Tier) auf Mensch oder Tier übertragbarer Krankheiten fest.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Eine der Methoden in der Diagnostik von Infektionskrankheiten sei die pathologische Untersuchung der Tierkörper. Dabei würden die Organe nach Größe, Form, Farbe, Konsistenz und Kohärenz beurteilt, wobei von der Norm abweichende Veränderungen festgestellt würden. Morphologisch sichtbare Organveränderungen hätten eine Entsprechung in pathologisch-anatomischen Diagnosen, die ihrerseits bestimmten klinischen Krankheitsbildern entsprächen. Die Behauptung der Klägerin, an toten Tieren könnten keine Anzeichen auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheiten festgestellt werden, sei daher falsch. So sei bei der Bekämpfung der Rindertuberkulose auf eine Tuberkulinisierung am lebenden Tier zugunsten der Diagnostik am Schlachthof verzichtet worden. Auch sei am 15.06.2011 am Schlachthof der Klägerin Rot am See eine Partie Puten aus Niedersachsen formell korrekt mit einem Gesundheitszeugnis angeliefert und geschlachtet worden. Diese Tiere hätten im lebenden Zustand keine auffälligen Krankheitssymptome gezeigt. Eine Untersuchung der auf Grund der pathologisch-anatomischen Veränderungen der Schlachttierkörper bzw. Schlachtkörperteile entnommenen Proben durch das CVUA Stuttgart habe ergeben, dass die Proben Mycoplasma gallisepticum und Ornithobacterium rhinotracheale positiv gewesen seien. Darüber hinaus sei die serologische Untersuchung auf Turkey rhinotracheitis positiv ausgefallen. Zumindest der Erreger Mycoplasma gallisepticum sei Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der EU. Alle drei Erreger seien übertragbar auf andere Tiere und könnten somit bei diesen zu Erkrankungen führen. Auch sei die Behauptung der Klägerin falsch, es könne kein Material der Kategorie 2 am Geflügelschlachthof anfallen, da eine übertragbare Krankheit schon bei der Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand festzustellen sei und bei einer solchen Feststellung die gesamte Partie als schlachtuntauglich einzustufen wäre. Im Bereich der Geflügelschlachtung finde die Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand statt. Hierbei werde - entgegen der Schlachttieruntersuchung bei Klauentieren - nicht jedes einzelne Tier einer Schlachttieruntersuchung unterzogen, sondern immer die gesamte Herde begutachtet. Befänden sich in einer Herde Tiere mit einer subklinischen Erkrankung, so fielen diese bei der Kontrolle einer Herde mit mehreren tausend Tieren nicht zwangsläufig auf. Auch chronische Infektionskrankheiten könnten inapparent und symptomlos verlaufen. Umso wichtiger sei im Bereich der Geflügelschlachtung die Fleischuntersuchung, bei der jedes einzelne Tier visuell kontrolliert und veränderte Schlachtkörper oder Schlachtkörperteile entfernt würden. In diesen Fällen würden am Schlachtkörper bzw. an Teilen vom Schlachtkörper Anzeichen einer auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheit festzustellen sein, z.B. bei der ORT (Ornithobacterium-Rhinotracheale-Infektion) mit den pathologischen Veränderungen am Luftsack. Ebenso seien bei Mycoplasmen-, Coliinfektionen und der TRT (Turkey Rhinotracheitis) deutliche Veränderungen am Luftsack feststellbar. Ausweislich Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 der VO (EG) Nr. 854/2004 habe der Verordnungsgeber bei der Fleischuntersuchung das Augenmerk nicht nur auf die Entscheidung über die Genusstauglichkeit, sondern besonders auch auf Anzeichen von übertragbaren Krankheiten gelegt. Demgemäß würden amtliche Fachassistenten in den einschlägigen Fachgebieten auch geschult und geprüft. Das Erkennen von Krankheitsanzeichen stelle demnach eine ihrer Hauptaufgaben in der Fleischuntersuchung dar. In Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 854/2004 werde sogar festgelegt, dass im Falle von Geflügel und Hasenartigen der amtliche Fachassistent Fleisch, welches Anomalien aufweist, aussondern könne, ohne dass der amtliche Tierarzt, vorbehaltlich Abschnitt IV, systematisch solches Fleisch untersuchen müsse. Stelle der amtliche Fachassistent eine solche Veränderung an einem Schlachtkörper fest, so sei er gezwungen, diese Teile oder den ganzen Schlachtkörper zu verwerfen. Nach Auffassung der Klägerin müsste der amtliche Fachassistent alle diese Teile, die er als genussuntauglich eingestuft hat, in einen Behälter zurücklegen, damit anschließend der amtliche Tierarzt stichprobenartig überprüfe, ob diese Teile nun als Material der Kategorie 2 oder der Kategorie 3 einzustufen sind. Eine derartige Vorgehensweise widerspreche der grundsätzlichen Auffassung der Klägerin und helfe ihr auch nicht weiter, da Gemische aus Material der Kategorie 2 und 3 entsprechend Artikel 9 Buchstabe g der VO (EG) Nr. 1069/2009 immer der Kategorie 2 zuzurechnen seien.
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Dem Senat liegen die Akten des Landratsamts Schwäbisch Hall und des Verwaltungsgerichts vor. Darauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
15 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich, weil er keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung der VO (EG) Nr. 1069/2009 hat. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV RdNr. 41).
16 
1. Die Feststellungsklage ist statthaft und auch sonst zulässig.
17 
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteile vom 30.11.2011 - 6 C 20/10 -, BVerwGE 141, 223, 225, und vom 26.01.1996 - BVerwG 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262, 264 f.). Dies ist hier der Fall. Zwischen den Beteiligten bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass bei der Geflügelschlachtung anfallende Nebenprodukte im Sinne des Artikel 10 Buchstabe b Ziffer i der VO (EG) Nr. 1069/2009 „keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten“ aufweisen und demgemäß der Kategorie 3 zuzuordnen sind mit der Folge, dass die Klägerin dieses Material im Rahmen der Futtermittelproduktion verwerten darf. Durch das Schreiben des Landratsamts Schwäbisch-Hall vom 29.03.2011, auf das die Klägerin mit einer Änderung ihrer Praxis reagiert hat, haben sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten hinreichend konkretisiert.
18 
Die Klägerin verfügt über ein Feststellungsinteresse. Sie hat in vom Beklagten nicht bestrittener Weise dargelegt, dass aus der geänderten Verfahrensweise monatlich erhebliche finanzielle Verluste resultieren. Damit liegt ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse vor und ist die Entscheidung des Senats geeignet, die Rechtsposition der Klägerin zu verbessern.
19 
Die Feststellungsklage scheitert auch nicht am Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 VwGO). Zwar setzt die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen behördliche Regulierungen regelmäßig den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes gilt indes dann, wenn dem Bürger ein weiteres Zuwarten, ob und wie die Behörde tätig werden wird, nicht zugemutet werden kann und daher ein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Klärung besteht. Eine derartige Ausnahmekonstellation liegt hier vor. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung der streitigen Fragen. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass sie auf gesicherte Rechtsverhältnisse angewiesen ist, um ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend einstellen zu können, und sie bei der derzeitigen Verfahrensweise wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss. Insbesondere aber verstieße es gegen die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, die Klägerin auf die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel in einem etwaigen Bußgeldverfahren zu verweisen. Denn es ist ihr nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „auf der Anklagebank“ erleben zu müssen. Sie hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und „fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, wenn ihr wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02 -, NVwZ 2003, 856, Rn. 14 sowie Senatsurteil vom 09.02.2010 - 9 S 1130/08 -, Juris).
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2. Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet.
21 
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist (vgl. § 130b Satz 2 VwGO), hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht getroffen werden kann. Schlachtkörper, ganze Körper oder Teile von Geflügel, welches im Rahmen der Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand als schlachttauglich befunden und im Schlachthof geschlachtet wurde, stellen auch dann kein sogenanntes Material der Kategorie 3 im Sinne VO (EG) Nr. 1069/2009 dar, wenn der amtliche Fachassistent bei der Fleischuntersuchung Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten festgestellt hat. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
22 
Die Einstufung von in Schlachthöfen anfallenden tierischen Nebenprodukten von Geflügel als Material der Kategorie 3 hängt nicht allein von der Einstufung der Tiere als schlachttauglich im Rahmen der Schlachttieruntersuchung (ante mortem), sondern zusätzlich vom Ergebnis der Fleischuntersuchung (post mortem) ab. Nach Art. 10 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 1069/2009 erfolgt die Fleischuntersuchung in zwei Schritten: Zunächst wird bezogen auf die „Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren“ die Genusstauglichkeit und anschließend - wenn die Genusstauglichkeit nicht gegeben ist - das Vorliegen von Anzeichen übertragbarer Krankheiten geprüft. Allein diese Auslegung ist vereinbar mit dem Wortlaut, der Systematik und dem Regelungszweck der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 (so auch Niedersächs. OVG, Beschluss vom 15.11.2012 - 13 LA 175/12 -, Juris). Der Gebrauch des Präteritums („…keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten aufwiesen“) verweist nicht auf die Schlachttieruntersuchung zurück, sondern belegt den von der Norm hergestellten Zusammenhang mit der Genussuntauglichkeitsprüfung, bei der ebenfalls das Präteritum verwendet wird („..als genussuntauglich zurückgewiesen wurde“). In systematischer Hinsicht ergibt sich insbesondere daraus, dass die Verordnung lediglich bestimmte Tierkörperteile automatisch als Material der Kategorie 3 einstuft (Art. 10 Buchstabe b Ziffer ii: Geflügelköpfe; Art. 10 Buchstabe b Ziffer iii: Häute, Füße; Art. 10 Buchstabe b Ziffer v: Federn), im Umkehrschluss, dass im Übrigen kein solcher Automatismus greift, sondern die Einstufung, wie im Falle des Art. 10 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 1069/2009, eine Prüfung anhand der dort aufgestellten Anforderungen voraussetzt (Niedersächs. OVG, a.a.O.). Dafür, dass diese Prüfung im Rahmen der Fleischuntersuchung geschehen soll, spricht die Bestimmung in Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 der VO (EG) Nr. 854/2004. Danach sind die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung unverzüglich nach der Schlachtung einer Fleischuntersuchung zu unterziehen (Nummer 1 Satz 1), wobei besonderes Augenmerk Zoonosen und Krankheiten gelten muss, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union sind (Nummer 1 Satz 4). Ein alleiniges Abstellen auf die Schlachttieruntersuchung (ante mortem) würde schließlich zu einer mit dem Normzweck unvereinbaren Schutzlücke führen. Denn im Bereich der Geflügelschlachtung findet die Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand statt, wobei - entgegen der Schlachttieruntersuchung bei Klauentieren - nicht jedes einzelne Tier untersucht sondern immer die gesamte Herde begutachtet wird. Eine Beschränkung auf die Schlachttieruntersuchung wäre mit Blick auf den der VO (EG) Nr. 1069/2009 zugrunde liegenden Vorsorgegrundsatz, der auf eine Verringerung (sämtlicher) mit tierischen Nebenprodukten verbundenen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt sowie auf den Schutz der Sicherheit der Lebens- und Futtermittelkette gerichtet ist (vgl. die Erwägungsgründe (1), (2), (6), (8) und (11) der VO (EG) Nr. 1069/2009), offensichtlich unzulänglich (zum Vorsorgegrundsatz vgl. BayVGH, Urteil vom 27.09.2012 - 20 BV 11.2690 -, Juris). Soweit die Klägerin die „Gefährlichkeit“ einer Einstufung in die Kategorie 3 mit dem Hinweis abzuschwächen sucht, dieses Material werde lediglich zu Hunde- und Katzenfutter verwertet und gelange nicht in die Lebensmittelkette, nimmt sie den nicht allein auf die menschliche Gesundheit abzielenden Verordnungszweck nicht hinreichend in den Blick.
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Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus in überzeugender Weise aus den Bestimmungen der VO (EG) Nr. 854/2004 vom 29.04.2004 (vgl. Art. 5 Nummer 4; Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D; Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 Buchstabe b; Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nummer 1; Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1) hergeleitet, dass die Zuordnung zu einer der genannten Kategorien im Rahmen der Fleischuntersuchung nicht allein durch Stichproben des amtlichen Tierarztes, sondern auch durch den amtlichen Fachassistenten erfolgen kann. Insbesondere hat es unter Wiedergabe der maßgeblichen Regelungen dieser Verordnung dargelegt, dass der amtliche Fachassistent bei der Fleischuntersuchung weitgehend selbständig arbeitet und zur Vermeidung einer Einstufung in die Kategorie 3 auch für die Aussonderung von Material mit Anzeichen einer übertragbaren Krankheit zu sorgen hat. Dabei ist hervorzuheben, dass die Verordnung gerade im Zusammenhang mit der Fleischuntersuchung, bei der - wie ausgeführt - Zoonosen und Krankheiten mit tierseuchenrechtlicher Bedeutung besonderes Augenmerk gilt, nicht wie sonst häufig im Anhang I vom amtlichen Tierarzt, sondern vom „Inspektionspersonal“ spricht. Darüber hinaus hat das beklagte Land zutreffend auf die spezielle Regelung in Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 854/2004 hingewiesen, wonach im Falle von „Geflügel und Hasenartigen“ der amtliche Fachassistent Fleisch, welches Anomalien aufweist, aussondern kann, ohne dass der amtliche Tierarzt, vorbehaltlich des Abschnitts IV, systematisch solches Fleisch untersuchen muss. Dass diese Regelung nicht auch tierische Nebenprodukte erfasst, vermag der Senat nicht festzustellen. Denn gemäß Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 Satz 1 der VO (EG) Nr. 854/2004 bezieht sich die nach der Schlachtung durchzuführende „Fleischuntersuchung“ explizit auf „die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung“. Dem steht auch nicht entgegen, dass das speziell für Geflügel geltende Kapitel V des Anhangs I Abschnitt IV unter Teil B Nummer 1 Buchstabe b dem Amtstierarzt die Aufgabe zuweist, „bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eine eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde" vorzunehmen. Denn diese Stichproben dienen wesentlich der Zustandsbeurteilung einer ganzen Partie von geschlachtetem Geflügel. Für die Frage der Einstufung in eine der Kategorien der VO (EG) Nr. 1069/2009 muss indes mit Blick auf den Vorsorgegrundsatz auf sämtliche Untersuchungen zurückgegriffen werden, also auch auf die in Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1 Satz 1 ausdrücklich angeordnete Fleischuntersuchung „gemäß den Abschnitten I und III“.
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Dass es den amtlichen Fachassistenten an der erforderlichen Befähigung zur Feststellung von Anzeichen übertragbarer Krankheiten fehlen könnte, ist nicht ersichtlich. Amtliche Fachassistenten müssen im theoretischen Teil u.a. in den Fächern „Grundkenntnisse der Schlachttieranatomie und -physiologie“, „Grundkenntnisse der Pathologie geschlachteter Tiere“, „Grundkenntnisse der pathologischen Anatomie geschlachteter Tiere“, „entsprechende Kenntnisse in Bezug auf transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) und andere wichtige Zoonosen und Zoonoseerreger“, „Grundkenntnisse der Mikrobiologie“ geschult und geprüft worden sein (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Teil B Nummer 5 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 854/2004). Der praktische Teil der Schulung umfasst u.a. die „Fleischuntersuchung im Schlachthof“ (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Teil B Nummer 5 Buchstabe b Ziffer ii VO (EG) Nr. 854/2004). Nach Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Teil B Nummer 6 müssen die amtlichen Fachassistenten durch regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen und Fachliteratur ihre Kenntnisse aktualisieren und sich über neue Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Demnach ist davon auszugehen, dass das Erkennen von Anzeichen einschlägiger Krankheiten eine der Hauptaufgaben von amtlichen Fachassistenten in der Fleischuntersuchung darstellt. Dies wird von der Berufung substantiiert nicht in Frage gestellt.
25 
Die Klägerin meint schließlich, die Feststellung, ob Anzeichen übertragbarer Krankheiten vorlägen oder nicht, könne gerade nicht durch einfachen Augenschein von Teilen geschlachteter Tiere im Rahmen der Fleischuntersuchung durch Fachassistenten getroffen werden. Hierzu bedürfe es wissenschaftlicher Methoden, wie sie nur im Rahmen der vom Tierarzt vorgenommenen Schlachttieruntersuchung oder weitergehender (Labor-)Untersuchungen im Anschluss an die Fleischuntersuchung (im Rahmen der Stichprobenuntersuchung) zur Verfügung stünden. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Die Klägerin nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass es die Verordnung für den Ausschluss der Einstufung von Material in die Kategorie 3 ausdrücklich genügen lässt, dass Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren (bloße) Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweisen (vgl. auch die tendenziell noch geringeren Anforderungen in der englischen und in der französischen Fassung der Verordnung: „…any signs of disease …“, „…de tout signe de maladie…“). Damit reichen auf das Vorliegen einer übertragbaren Krankheit hindeutende Anhaltspunkte aus, nicht erforderlich ist es hingegen, dass die übertragbare Krankheit abschließend diagnostiziert oder nachgewiesen sein muss. Auch diese erleichterten Voraussetzungen für die Verwerfung als Material der Kategorie 2 erfahren ihre Rechtfertigung durch die Zielsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt soweit als möglich zu minimieren. Dabei räumt der Beklagte ein, dass es im Einzelfall zur Verwerfung als Material der Kategorie 2 kommen kann, obwohl sich der bei der Fleischuntersuchung ergebende Verdacht einer Krankheit bei einer genaueren (Labor-) Untersuchung nicht hätte erhärten lassen. Dies nimmt die Verordnung indes ersichtlich in Kauf und kann angesichts des Rangs der mit ihr geschützten Rechtsgüter auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden. Dies gilt umso mehr, als die für den vollen Nachweis einer übertragbaren Krankheit notwendige Laboruntersuchung in der Praxis zu einem Verarbeitungsstopp und damit möglicherweise gravierenderen wirtschaftlichen Nachteilen für die Klägerin führen würde, als sie mit der derzeit praktizierten Vorgehensweise verbunden sind.
26 
Dass auch bei der Geflügelschlachtung im Rahmen der Fleischuntersuchung durch den amtlichen Fachassistenten am Schlachtkörper bzw. an Teilen vom Schlachtkörper Anzeichen einer auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheit festgestellt werden können, hat der Beklagte detailliert und plausibel dargelegt. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende amtliche Tierarzt W. hat ausgeführt, erst bei der Fleischuntersuchung des einzelnen Tiers könnten auf eine Krankheit hinweisende eitrige Prozesse, Schwellungen, Rötungen bzw. lokal begrenzte Entzündungen festgestellt werden. Schriftsätzlich ist darauf hingewiesen worden, dass z.B. bei der ORT (Ornithobacterium-Rhinotracheale-Infektion) ebenso wie bei Mycoplasmen-, Coliinfektionen und der TRT (Turkey Rhinotracheitis) deutliche Veränderungen am Luftsack feststellbar seien, die Ausdruck einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit sein können. Hiergegen wendet die Klägerin substantiiert nichts ein.
27 
Ohne Erfolg trägt die Klägerin schließlich vor, dass sich bei Herdentieren nicht an einem Einzeltier, sondern nur in der Gesamtschau der Herde feststellen bzw. beurteilen lasse, ob eine Anomalie, die sich an einem Einzeltier zeige, als Anzeichen einer übertragbaren Krankheit einzustufen sei. Auch insoweit hat der amtliche Tierarzt W. überzeugend ausgeführt, dass es immer wieder vorkomme, dass nur einzelne Tiere einer ansonsten gesunden Herde oder Partie krank seien. Grund dafür könne etwa sein, dass die restliche Herde eine Infektionskrankheit bereits überstanden habe, einzelne Tiere mit schwächerer Konstitution aber weiter an dieser Krankheit litten. Auch diese die Notwendigkeit einer Einzelbetrachtung belegende Darstellung ist nicht konkret in Frage gestellt worden.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
29 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
30 
Beschluss vom 16. Dezember 2013
31 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG).

Gründe

 
14 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
15 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich, weil er keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung der VO (EG) Nr. 1069/2009 hat. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV RdNr. 41).
16 
1. Die Feststellungsklage ist statthaft und auch sonst zulässig.
17 
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteile vom 30.11.2011 - 6 C 20/10 -, BVerwGE 141, 223, 225, und vom 26.01.1996 - BVerwG 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262, 264 f.). Dies ist hier der Fall. Zwischen den Beteiligten bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass bei der Geflügelschlachtung anfallende Nebenprodukte im Sinne des Artikel 10 Buchstabe b Ziffer i der VO (EG) Nr. 1069/2009 „keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten“ aufweisen und demgemäß der Kategorie 3 zuzuordnen sind mit der Folge, dass die Klägerin dieses Material im Rahmen der Futtermittelproduktion verwerten darf. Durch das Schreiben des Landratsamts Schwäbisch-Hall vom 29.03.2011, auf das die Klägerin mit einer Änderung ihrer Praxis reagiert hat, haben sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten hinreichend konkretisiert.
18 
Die Klägerin verfügt über ein Feststellungsinteresse. Sie hat in vom Beklagten nicht bestrittener Weise dargelegt, dass aus der geänderten Verfahrensweise monatlich erhebliche finanzielle Verluste resultieren. Damit liegt ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse vor und ist die Entscheidung des Senats geeignet, die Rechtsposition der Klägerin zu verbessern.
19 
Die Feststellungsklage scheitert auch nicht am Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 VwGO). Zwar setzt die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen behördliche Regulierungen regelmäßig den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes gilt indes dann, wenn dem Bürger ein weiteres Zuwarten, ob und wie die Behörde tätig werden wird, nicht zugemutet werden kann und daher ein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Klärung besteht. Eine derartige Ausnahmekonstellation liegt hier vor. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung der streitigen Fragen. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass sie auf gesicherte Rechtsverhältnisse angewiesen ist, um ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend einstellen zu können, und sie bei der derzeitigen Verfahrensweise wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss. Insbesondere aber verstieße es gegen die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, die Klägerin auf die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel in einem etwaigen Bußgeldverfahren zu verweisen. Denn es ist ihr nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „auf der Anklagebank“ erleben zu müssen. Sie hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und „fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, wenn ihr wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02 -, NVwZ 2003, 856, Rn. 14 sowie Senatsurteil vom 09.02.2010 - 9 S 1130/08 -, Juris).
20 
2. Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet.
21 
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist (vgl. § 130b Satz 2 VwGO), hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht getroffen werden kann. Schlachtkörper, ganze Körper oder Teile von Geflügel, welches im Rahmen der Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand als schlachttauglich befunden und im Schlachthof geschlachtet wurde, stellen auch dann kein sogenanntes Material der Kategorie 3 im Sinne VO (EG) Nr. 1069/2009 dar, wenn der amtliche Fachassistent bei der Fleischuntersuchung Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten festgestellt hat. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
22 
Die Einstufung von in Schlachthöfen anfallenden tierischen Nebenprodukten von Geflügel als Material der Kategorie 3 hängt nicht allein von der Einstufung der Tiere als schlachttauglich im Rahmen der Schlachttieruntersuchung (ante mortem), sondern zusätzlich vom Ergebnis der Fleischuntersuchung (post mortem) ab. Nach Art. 10 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 1069/2009 erfolgt die Fleischuntersuchung in zwei Schritten: Zunächst wird bezogen auf die „Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren“ die Genusstauglichkeit und anschließend - wenn die Genusstauglichkeit nicht gegeben ist - das Vorliegen von Anzeichen übertragbarer Krankheiten geprüft. Allein diese Auslegung ist vereinbar mit dem Wortlaut, der Systematik und dem Regelungszweck der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 (so auch Niedersächs. OVG, Beschluss vom 15.11.2012 - 13 LA 175/12 -, Juris). Der Gebrauch des Präteritums („…keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten aufwiesen“) verweist nicht auf die Schlachttieruntersuchung zurück, sondern belegt den von der Norm hergestellten Zusammenhang mit der Genussuntauglichkeitsprüfung, bei der ebenfalls das Präteritum verwendet wird („..als genussuntauglich zurückgewiesen wurde“). In systematischer Hinsicht ergibt sich insbesondere daraus, dass die Verordnung lediglich bestimmte Tierkörperteile automatisch als Material der Kategorie 3 einstuft (Art. 10 Buchstabe b Ziffer ii: Geflügelköpfe; Art. 10 Buchstabe b Ziffer iii: Häute, Füße; Art. 10 Buchstabe b Ziffer v: Federn), im Umkehrschluss, dass im Übrigen kein solcher Automatismus greift, sondern die Einstufung, wie im Falle des Art. 10 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 1069/2009, eine Prüfung anhand der dort aufgestellten Anforderungen voraussetzt (Niedersächs. OVG, a.a.O.). Dafür, dass diese Prüfung im Rahmen der Fleischuntersuchung geschehen soll, spricht die Bestimmung in Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 der VO (EG) Nr. 854/2004. Danach sind die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung unverzüglich nach der Schlachtung einer Fleischuntersuchung zu unterziehen (Nummer 1 Satz 1), wobei besonderes Augenmerk Zoonosen und Krankheiten gelten muss, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union sind (Nummer 1 Satz 4). Ein alleiniges Abstellen auf die Schlachttieruntersuchung (ante mortem) würde schließlich zu einer mit dem Normzweck unvereinbaren Schutzlücke führen. Denn im Bereich der Geflügelschlachtung findet die Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand statt, wobei - entgegen der Schlachttieruntersuchung bei Klauentieren - nicht jedes einzelne Tier untersucht sondern immer die gesamte Herde begutachtet wird. Eine Beschränkung auf die Schlachttieruntersuchung wäre mit Blick auf den der VO (EG) Nr. 1069/2009 zugrunde liegenden Vorsorgegrundsatz, der auf eine Verringerung (sämtlicher) mit tierischen Nebenprodukten verbundenen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt sowie auf den Schutz der Sicherheit der Lebens- und Futtermittelkette gerichtet ist (vgl. die Erwägungsgründe (1), (2), (6), (8) und (11) der VO (EG) Nr. 1069/2009), offensichtlich unzulänglich (zum Vorsorgegrundsatz vgl. BayVGH, Urteil vom 27.09.2012 - 20 BV 11.2690 -, Juris). Soweit die Klägerin die „Gefährlichkeit“ einer Einstufung in die Kategorie 3 mit dem Hinweis abzuschwächen sucht, dieses Material werde lediglich zu Hunde- und Katzenfutter verwertet und gelange nicht in die Lebensmittelkette, nimmt sie den nicht allein auf die menschliche Gesundheit abzielenden Verordnungszweck nicht hinreichend in den Blick.
23 
Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus in überzeugender Weise aus den Bestimmungen der VO (EG) Nr. 854/2004 vom 29.04.2004 (vgl. Art. 5 Nummer 4; Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D; Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 Buchstabe b; Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nummer 1; Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1) hergeleitet, dass die Zuordnung zu einer der genannten Kategorien im Rahmen der Fleischuntersuchung nicht allein durch Stichproben des amtlichen Tierarztes, sondern auch durch den amtlichen Fachassistenten erfolgen kann. Insbesondere hat es unter Wiedergabe der maßgeblichen Regelungen dieser Verordnung dargelegt, dass der amtliche Fachassistent bei der Fleischuntersuchung weitgehend selbständig arbeitet und zur Vermeidung einer Einstufung in die Kategorie 3 auch für die Aussonderung von Material mit Anzeichen einer übertragbaren Krankheit zu sorgen hat. Dabei ist hervorzuheben, dass die Verordnung gerade im Zusammenhang mit der Fleischuntersuchung, bei der - wie ausgeführt - Zoonosen und Krankheiten mit tierseuchenrechtlicher Bedeutung besonderes Augenmerk gilt, nicht wie sonst häufig im Anhang I vom amtlichen Tierarzt, sondern vom „Inspektionspersonal“ spricht. Darüber hinaus hat das beklagte Land zutreffend auf die spezielle Regelung in Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 854/2004 hingewiesen, wonach im Falle von „Geflügel und Hasenartigen“ der amtliche Fachassistent Fleisch, welches Anomalien aufweist, aussondern kann, ohne dass der amtliche Tierarzt, vorbehaltlich des Abschnitts IV, systematisch solches Fleisch untersuchen muss. Dass diese Regelung nicht auch tierische Nebenprodukte erfasst, vermag der Senat nicht festzustellen. Denn gemäß Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 Satz 1 der VO (EG) Nr. 854/2004 bezieht sich die nach der Schlachtung durchzuführende „Fleischuntersuchung“ explizit auf „die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung“. Dem steht auch nicht entgegen, dass das speziell für Geflügel geltende Kapitel V des Anhangs I Abschnitt IV unter Teil B Nummer 1 Buchstabe b dem Amtstierarzt die Aufgabe zuweist, „bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eine eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde" vorzunehmen. Denn diese Stichproben dienen wesentlich der Zustandsbeurteilung einer ganzen Partie von geschlachtetem Geflügel. Für die Frage der Einstufung in eine der Kategorien der VO (EG) Nr. 1069/2009 muss indes mit Blick auf den Vorsorgegrundsatz auf sämtliche Untersuchungen zurückgegriffen werden, also auch auf die in Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1 Satz 1 ausdrücklich angeordnete Fleischuntersuchung „gemäß den Abschnitten I und III“.
24 
Dass es den amtlichen Fachassistenten an der erforderlichen Befähigung zur Feststellung von Anzeichen übertragbarer Krankheiten fehlen könnte, ist nicht ersichtlich. Amtliche Fachassistenten müssen im theoretischen Teil u.a. in den Fächern „Grundkenntnisse der Schlachttieranatomie und -physiologie“, „Grundkenntnisse der Pathologie geschlachteter Tiere“, „Grundkenntnisse der pathologischen Anatomie geschlachteter Tiere“, „entsprechende Kenntnisse in Bezug auf transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) und andere wichtige Zoonosen und Zoonoseerreger“, „Grundkenntnisse der Mikrobiologie“ geschult und geprüft worden sein (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Teil B Nummer 5 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 854/2004). Der praktische Teil der Schulung umfasst u.a. die „Fleischuntersuchung im Schlachthof“ (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Teil B Nummer 5 Buchstabe b Ziffer ii VO (EG) Nr. 854/2004). Nach Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Teil B Nummer 6 müssen die amtlichen Fachassistenten durch regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen und Fachliteratur ihre Kenntnisse aktualisieren und sich über neue Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Demnach ist davon auszugehen, dass das Erkennen von Anzeichen einschlägiger Krankheiten eine der Hauptaufgaben von amtlichen Fachassistenten in der Fleischuntersuchung darstellt. Dies wird von der Berufung substantiiert nicht in Frage gestellt.
25 
Die Klägerin meint schließlich, die Feststellung, ob Anzeichen übertragbarer Krankheiten vorlägen oder nicht, könne gerade nicht durch einfachen Augenschein von Teilen geschlachteter Tiere im Rahmen der Fleischuntersuchung durch Fachassistenten getroffen werden. Hierzu bedürfe es wissenschaftlicher Methoden, wie sie nur im Rahmen der vom Tierarzt vorgenommenen Schlachttieruntersuchung oder weitergehender (Labor-)Untersuchungen im Anschluss an die Fleischuntersuchung (im Rahmen der Stichprobenuntersuchung) zur Verfügung stünden. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Die Klägerin nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass es die Verordnung für den Ausschluss der Einstufung von Material in die Kategorie 3 ausdrücklich genügen lässt, dass Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren (bloße) Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweisen (vgl. auch die tendenziell noch geringeren Anforderungen in der englischen und in der französischen Fassung der Verordnung: „…any signs of disease …“, „…de tout signe de maladie…“). Damit reichen auf das Vorliegen einer übertragbaren Krankheit hindeutende Anhaltspunkte aus, nicht erforderlich ist es hingegen, dass die übertragbare Krankheit abschließend diagnostiziert oder nachgewiesen sein muss. Auch diese erleichterten Voraussetzungen für die Verwerfung als Material der Kategorie 2 erfahren ihre Rechtfertigung durch die Zielsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt soweit als möglich zu minimieren. Dabei räumt der Beklagte ein, dass es im Einzelfall zur Verwerfung als Material der Kategorie 2 kommen kann, obwohl sich der bei der Fleischuntersuchung ergebende Verdacht einer Krankheit bei einer genaueren (Labor-) Untersuchung nicht hätte erhärten lassen. Dies nimmt die Verordnung indes ersichtlich in Kauf und kann angesichts des Rangs der mit ihr geschützten Rechtsgüter auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden. Dies gilt umso mehr, als die für den vollen Nachweis einer übertragbaren Krankheit notwendige Laboruntersuchung in der Praxis zu einem Verarbeitungsstopp und damit möglicherweise gravierenderen wirtschaftlichen Nachteilen für die Klägerin führen würde, als sie mit der derzeit praktizierten Vorgehensweise verbunden sind.
26 
Dass auch bei der Geflügelschlachtung im Rahmen der Fleischuntersuchung durch den amtlichen Fachassistenten am Schlachtkörper bzw. an Teilen vom Schlachtkörper Anzeichen einer auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheit festgestellt werden können, hat der Beklagte detailliert und plausibel dargelegt. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende amtliche Tierarzt W. hat ausgeführt, erst bei der Fleischuntersuchung des einzelnen Tiers könnten auf eine Krankheit hinweisende eitrige Prozesse, Schwellungen, Rötungen bzw. lokal begrenzte Entzündungen festgestellt werden. Schriftsätzlich ist darauf hingewiesen worden, dass z.B. bei der ORT (Ornithobacterium-Rhinotracheale-Infektion) ebenso wie bei Mycoplasmen-, Coliinfektionen und der TRT (Turkey Rhinotracheitis) deutliche Veränderungen am Luftsack feststellbar seien, die Ausdruck einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit sein können. Hiergegen wendet die Klägerin substantiiert nichts ein.
27 
Ohne Erfolg trägt die Klägerin schließlich vor, dass sich bei Herdentieren nicht an einem Einzeltier, sondern nur in der Gesamtschau der Herde feststellen bzw. beurteilen lasse, ob eine Anomalie, die sich an einem Einzeltier zeige, als Anzeichen einer übertragbaren Krankheit einzustufen sei. Auch insoweit hat der amtliche Tierarzt W. überzeugend ausgeführt, dass es immer wieder vorkomme, dass nur einzelne Tiere einer ansonsten gesunden Herde oder Partie krank seien. Grund dafür könne etwa sein, dass die restliche Herde eine Infektionskrankheit bereits überstanden habe, einzelne Tiere mit schwächerer Konstitution aber weiter an dieser Krankheit litten. Auch diese die Notwendigkeit einer Einzelbetrachtung belegende Darstellung ist nicht konkret in Frage gestellt worden.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
29 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
30 
Beschluss vom 16. Dezember 2013
31 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Dez. 2013 - 9 S 882/12

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Dez. 2013 - 9 S 882/12

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Dez. 2013 - 9 S 882/12 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 133


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 130b


Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung d

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Dez. 2013 - 9 S 882/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Dez. 2013 - 9 S 882/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 15. März 2012 - 4 K 3474/11

bei uns veröffentlicht am 15.03.2012

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand  1 Die Beteiligten streiten über die Einstufung von tierischen Nebenprodukten.2 Die Klägerin ist ein EU-zugelassener Schlacht-, Ze

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 30. Nov. 2011 - 6 C 20/10

bei uns veröffentlicht am 30.11.2011

Tatbestand 1 Der Kläger, ein Schüler, begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein islamisches Geb
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Dez. 2013 - 9 S 882/12.

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 17. Mai 2018 - RN 5 K 16.1732

bei uns veröffentlicht am 17.05.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Beteiligten streiten über die Ei

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 20. Apr. 2018 - 3 L 5/17

bei uns veröffentlicht am 20.04.2018

Gründe 1 I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 29. November 2016 hat keinen Erfolg. 2 1. Die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 13. März 2018 - 9 S 1071/16

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2016 - 4 K 4889/14 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand   1 Der

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Einstufung von tierischen Nebenprodukten.
Die Klägerin ist ein EU-zugelassener Schlacht-, Zerlegungs- und Verarbeitungsbetrieb für Geflügel. Bei der Schlachtung und Zerlegung fallen im Betrieb der Klägerin tierische Nebenprodukte an, das heißt Teile, die für den menschlichen Verzehr nicht bestimmt sind. Diese Schlachtnebenprodukte sind nach der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 nach dem Grad des von ihnen ausgehenden Risikos für die Gesundheit von Mensch und Tier in insgesamt 3 Kategorien einzuordnen. Von dieser Einordnung hängt es ab, wie die Nebenprodukte verwertet werden können oder ob sie zu vernichten sind. Material der Kategorie 2 ist grundsätzlich in Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte abfallrechtlich zu entsorgen, während Material der Kategorie 3 gewinnbringend im Rahmen der Futtermittelproduktion verwertet werden kann.
Nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 am 04.03.2011 vertrat die Klägerin die Auffassung, nunmehr seien grundsätzlich alle tierischen Nebenprodukte, die im Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich befunden wurden, in Kategorie 3 einzuordnen. Daran ändere sich auch nichts mehr, wenn zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei der lebensmittelrechtlichen Fleischuntersuchung, Anzeichen übertragbarer Krankheiten am Schlachtkörper festgestellt würden. Die vom amtlichen Fachassistenten mit Anzeichen einer Erkrankung aussortierten Innereien bzw. Magen-Darm-Pakete, die vom Lungensauger abgesaugten Materialien und die vom amtlichen Personal aufgrund von pathologisch-anatomischen Befunden, die auf eine auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit hinweisen, als für den menschlichen Verzehr nicht geeignet beurteilten Tierkörper und Tierkörperteile stellten daher kein Material der Kategorie 2 dar, wie es das Landratsamt Schwäbisch Hall im Schreiben vom 03.03.2011 ausführe. Mit Schreiben vom 29.03.2011 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall die Klägerin darauf hin, die Verwertung des im Rahmen der Putenschlachtung anfallenden Lungenabsaugermaterials als K 3-Material sei nur dann möglich, wenn Material von in einem zugelassenen Betrieb geschlachteten Tieren gewonnen werde, nur Material von Tieren gewonnen werde, die im Rahmen einer Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich beurteilt worden seien und nur Material von Tieren gewonnen werde, die im Rahmen einer Fleischuntersuchung als tauglich oder untauglich beurteilt wurden, jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen. Sofern auch nur einer dieser Punkte nicht eingehalten werde, müsse das gewonnene Material komplett als K 2-Material entsorgt werden. Seither sammelt die Klägerin das Lungenabsaugermaterial durch organisatorische Vorkehrungen kategorierein. Sie beziffert den ihr monatlich durch diese Verfahrensweise auf Veranlassung des Landratsamts eintretenden Verlust auf 30.000,00 EUR.
Am 26.09.2011 hat die Klägerin Feststellungsklage erhoben, mit der sie im Wesentlichen festgestellt haben möchte, dass es auf die Schlachttieruntersuchungen und nicht auf das Ergebnis der lebensmittelrechtlichen Fleischuntersuchung ankommt. Zur Begründung trägt sie vor, aufgrund der Vorgeschichte habe sich zwischen den Beteiligten ein konkretes Rechtsverhältnis entwickelt. Dadurch, dass das Landratsamt seine unrichtige Rechtsauffassung auch gegenüber den Abnehmern der Klägerin vertrete, seien Schäden bei der Klägerin eingetreten. Sie müsse auch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren befürchten. Die Einstufung der Nebenprodukte nach der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 in die Kategorien müsse der Unternehmer, nicht die Verarbeitungsbehörde vornehmen. Ein Bescheid, gegen den sie sich wenden könne, sei nicht erlassen worden.
Mit der Vorgängerverordnung (EG) Nr. 1774/2002 sei das bei der Schlachtung anfallende Material in verschiedene Risikogruppen eingeteilt und für genussuntaugliche Nebenprodukte festgelegt worden, dass diese nicht in die Futtermittelkette gelangen sollten. Mit der neuen Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 habe ein Gleichgewicht zwischen Verwertung und Beseitigung gefunden werden sollen. Nach Art. 10 b der Verordnung sei wesentliche Voraussetzung für die Klassifizierung als Material der Kategorie 3 die Schlachttieruntersuchung, bei der die maßgebliche Risikobeurteilung stattfinde. Nach Buchstabe i) des Artikels 10 b seien nur solche genussuntauglichen Teile auszusondern, die zugleich Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen. Die Schlachttieruntersuchung erfolge im Herkunftsbetrieb durch einen amtlichen Tierarzt und beinhalte eine Untersuchung der Partie, um festzustellen, ob die Tiere an einer durch Kontakt oder Verzehr des Fleischs auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit litten. Die spätere Fleischuntersuchung im Schlachthof habe nur noch eine geringere Bedeutung, was sich daran zeige, dass diese durch Fachassistenten vorgenommen werde. Der Tierarzt besichtige nur noch stichprobenartig Eingeweide und Leibeshöhlen und untersuche Stichproben von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde. Krankheiten könnten zuverlässig nur durch Tierärzte in der Haltungsumgebung festgestellt werden, während bei der Fleischuntersuchung lediglich genussuntaugliche Teile, etwa Anomalien, ausgesondert würden. Bei der Fleischuntersuchung untersuche der Amtstierarzt Stichproben auf Anzeichen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Erkrankung und erkläre gegebenenfalls die gesamte Partie für genussuntauglich. Bei der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 gehe es nicht um Genusstauglichkeit, sondern um den Schutz für Mensch und Tier vor ansteckenden Krankheiten durch Schlachtnebenprodukte. Die Verwendung des Imperfekts in Art. 10 b Buchstabe i) der Verordnung zeige die Bezugnahme auf den vergangenen Zeitpunkt der Schlachttieruntersuchung. Auch die Auflistung des Materials der Kategorie 2 in Art. 9 der Verordnung ergebe dies, denn die bei der Fleischuntersuchung beanstandeten Teile und Tierkörper seien dort nicht genannt. Sinn und Zweck der Verordnung, nämlich zu verhindern, dass erkrankte Tiere in die Lebens- und Futtermittelkette gelangten, lasse sich zuverlässig nur im Rahmen der Schlachttieruntersuchung, nicht aber nach der Schlachtung „am Band“ erreichen. Bei der Schlachttieruntersuchung würden Anzeichen für Zoonosen, das heißt von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten, untersucht, während bei der Fleischuntersuchung nach der dafür maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 854/2004 Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nr. 1 Fleisch in den unterschiedlichsten Fällen für genussuntauglich erklärt werde. Es gehe dort nicht um die Frage der Übertragung von Krankheiten, sondern um die Eignung des Fleischs zum Verzehr. Nur ausnahmsweise könne der amtliche Tierarzt bei genussuntauglichem Material bei seiner stichprobenartigen Untersuchung Zeichen für auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten feststellen. Die Kriterien für Genusstauglichkeit aber auch für Nebenprodukte der Kategorie 3 zu verwenden, halte der Verordnungsgeber gemäß Erwägungsgrund 35 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 für unverhältnismäßig. Ubiquitär vorkommenden Keime seien ohnehin nicht von den übertragbaren Krankheiten im Sinne der Verordnung gemeint. Es sei fachlich nicht nachzuvollziehen, dass bei ein und demselben Tier das Muskelfleisch als verzehrstauglich klassifiziert werde, die Köpfe, Füße und Federn Material der Kategorie 3 darstellten und andere Körperteile mit lokalen Entzündungen so gefährlich seien, dass sie nicht einmal mehr zur Herstellung von Futtermitteln taugten. Auch dies zeige, dass es auf die Beurteilung bei der Schlachttieruntersuchung ankomme, während das Ergebnis der Fleischuntersuchung keinen unmittelbaren Einfluss auf die Einordnung des nicht zum Verzehr bestimmten Materials habe.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass bei Geflügel, welches im Rahmen der Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand als schlachttauglich befunden und im Schlachthof geschlachtet wurde, Schlachtkörper, ganze Körper oder Teile von Tieren sogenanntes Material der Kategorie 3 im Sinne der VO (EG) Nr. 1069/2009 darstellen, unabhängig davon, ob diese im Rahmen der lebensmittelrechtlichen Fleischuntersuchung als genusstauglich oder genussuntauglich eingestuft wurden, es sei denn, der amtliche Tierarzt - und nur dieser - stellte im Rahmen einer Stichprobenuntersuchung gemäß Anhang I, Abschnitt IV, Kapitel V B. Ziffer 1 b) der VO (EG) Nr. 854/2004 auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten fest.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Zur Begründung wird ausgeführt, der nur leicht modifizierte Wortlaut der Verordnung habe nichts an der grundlegenden Systematik und dem Sinn und Zweck der Kategorisierung der tierischen Nebenprodukte geändert; der materielle Kern der Vorschriften sei gleich geblieben. Die Einteilung in die drei verschiedenen Kategorien müsse nach dem Regelungsziel des tierischen Nebenprodukterechts stets risikoorientiert erfolgen. Eine Herabstufung in eine niedrigere Risikogruppe sei daher nicht möglich, die gewählte Form einer Verordnung lasse den Mitgliedstaaten keinen Spielraum. Entgegen der Ansicht der Klägerin komme es bei der Eingruppierung der unter Art. 10 b Buchstabe i) der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 aufgeführten Schlachtkörper, ganzen Körper und Teile von Tieren weiterhin nicht nur auf das Vorliegen der Schlachttauglichkeit, sondern auch auf das der Genusstauglichkeit bzw. - bei Genussuntauglichkeit - auf das Fehlen von Krankheitsanzeichen an. Das Merkmal „schlachttauglich“ sei immer nur die Grundvoraussetzung für die Risikobeurteilung. Die Genusstauglichkeit bzw. Genussuntauglichkeit habe im Rahmen der Einstufung der unter Buchstabe i) aufgeführten tierischen Produkte nach Kategorie 3 weiterhin zentrale Bedeutung. Als Material dieser Kategorie dürfe lediglich solches tierisches Material eingestuft werden, bei dem das Vorliegen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Bereits bei Anzeichen einer Krankheit sei von einer weiteren Verwendung des Materials abzusehen. Die neue Verordnung habe gegenüber der Vorgängernorm im fraglichen Bereich nur die Änderung gebracht, dass früher genussuntaugliche Teile eines ansonsten genusstauglichen Schlachtkörpers als K 3 eingestuft werden konnten, während nunmehr genussuntaugliche Teile wie auch ganze genussuntaugliche Körper als solche eingestuft werden könnten, wenn keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten vorlägen. Beide Verordnungen setzten aber sowohl eine Schlachttier- als auch eine Fleischuntersuchung voraus. Es sei nicht Anliegen des Beklagten, untaugliches Material generell als Material der Kategorie 2 einzustufen; von Bedeutung sei allein, ob das Material wegen Anzeichen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit genussuntauglich sei. Daher könne das Material erst im Anschluss an die Schlachttier- und Fleischuntersuchung eingestuft werden. Beide Untersuchungen seien sich ergänzende Kontrollen in der Beurteilung von Schlachtmaterial. Die Schlachttieruntersuchung am lebenden Tier allein schütze nicht vor ansteckenden Krankheiten. Bei Geflügel erfolge sie in der Partie, d. h., es werde nicht das Einzeltier, sondern die Tiergruppe betrachtet. Es sei daher umso wichtiger, das Einzeltier zusätzlich bei der Fleischuntersuchung zu beurteilen. Viele Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten könnten nur bei der Fleischuntersuchung, nicht aber bei der Schlachttieruntersuchung festgestellt werden. Eine Vielzahl von pathologisch-anatomischen Veränderungen bei toten Tieren könnten auf eine Erkrankung des betroffenen Tieres zu Lebzeiten, welche auch symptomlos ablaufen könne, hindeuten. Die Fleischuntersuchung sei daher notwendig; lediglich spezielle, in Artikel 10 b Buchstabe ii) bis v) der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 aufgeführte Schlachtkörperteile könnten ohne Beurteilung in der Fleischuntersuchung der Kategorie 3 zugeordnet werden. Der Verordnungsgeber unterscheide zwischen unterschiedlichen Risikostufen, indem er verschiedene Materialien mit verschiedenen Untersuchungen kontrollieren lasse. Die Fachassistenten seien für die Fleischuntersuchung so geschult, dass sie Veränderungen und Erkrankungen erkennen und beurteilen könnten, dies stelle sogar eine ihrer Hauptaufgaben dar. Das tierische Nebenprodukterecht nutze das Ergebnis der lebensmittelrechtlichen Fleischuntersuchung zur Zuordnung der Materialien zu den Kategorien.
11 
Dem Gericht liegen die Akten des Landratsamts Schwäbisch Hall vor. Darauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
12 
Die Klage ist zulässig. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht ein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO, denn es liegt ein bestimmter, bereits überschaubarer Sachverhalt vor, dessen Rechtsfolgen festgestellt werden sollen; dieses Rechtsverhältnis ist zwischen den Beteiligten streitig. Durch die Vorgeschichte, insbesondere durch die auf Verlangen des Landratsamts von der Klägerin ergriffenen organisatorischen Maßnahmen, mit denen die Klägerin aber nicht einverstanden ist, haben sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten hinreichend verdichtet. Streitig ist, ob auch die amtlichen Fachassistenten bei der von ihnen vorgenommenen Fleischuntersuchung K2-Material auszusondern haben, oder ob dies allein dem amtlichen Tierarzt obliegt. Die Klägerin hat auch ein schutzwürdiges Interesse an der Klärung dieser Frage, da die vorläufig getroffenen organisatorischen Maßnahmen für sie wirtschaftlich ungünstiger sind und sie bei einer anderen Verfahrensweise ggf. mit einem Bußgeldverfahren rechnen müsste.
II.
13 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die von der Klägerin begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden, denn sie wäre unrichtig: Es ist zwar im Grundsatz zutreffend, dass Geflügel, das im Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich befunden und in einem Schlachthof geschlachtet wurde, im Ganzen oder in Teilen zu der Kategorie 3 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 gehört. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber nicht nur dann gegeben, wenn der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten feststellt, sondern auch dann, wenn der amtliche Fachassistent eine solche Feststellung trifft, sowie weiter dann, wenn es sich um einen bloßen Verdachtsfall einer solchen Krankheit handelt.
14 
1. Die Frage der Zuordnung zu den einzelnen Kategorien richtet sich nach Art. 7 bis 10 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009. Danach sind die tierischen Nebenprodukte in die spezifischen Kategorien nach dem Grad der von ihnen ausgehenden Gefahren einzustufen. Art. 10 definiert in Form einer Aufzählung das Material der Kategorie 3, welches als (Heim-)Tierfutter verwertet werden darf. Maßgeblich ist hier Punkt b) der Liste. Dieser lautet:
15 
„Schlachtkörper und folgende Teile, die entweder von Tieren stammen, die in einem Schlachthof geschlachtet und nach einer Schlachttieruntersuchung als zum menschlichen Verzehr schlachttauglich eingestuft wurden oder ganze Körper und die folgenden Tierteile, die von Wild stammen, das gemäß den Gemeinschaftsvorschriften zum menschlichem Verzehr getötet wurde:
16 
i) Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschriften als genussuntauglich zurückgewiesen wurden, jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen;
17 
ii) Geflügelköpfe;
18 
iii) Häute und Felle, einschließlich Zuputzabschnitte und Spalt; Hörner und Füße, einschließlich Zehenknochen sowie Carpus und Metacarpusknochen, Tarsus und Metatarsusknochen von
19 
- anderen Tieren als Wiederkäuern, die auf TSE getestet werden müssen, sowie
20 
- Wiederkäuern, die gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 mit negativem Ergebnis getestet wurden;
21 
iv) Schweinsborsten;
22 
v) Federn;“
23 
Schon der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, dass es für die Zuordnung des Materials in Punkt b) i) zur Kategorie 3 maßgeblich darauf ankommt, ob die fraglichen Geflügelkörper oder -teile Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgewiesen haben. Die Vorschrift stellt selbst den Zusammenhang mit der Zurückweisung als genussuntauglich her; daraus folgt, dass hier die Durchführung der Fleischuntersuchung in den Blick genommen wurde. Anders als die Klägerin meint, erfolgt nämlich bei der Schlachttieruntersuchung, auf die sie maßgeblich abstellen will, keine Zurückweisung einzelner Tiere als genussuntauglich, sondern allein die Beurteilung der Schlachttauglichkeit der ganzen Herde (Partie) zum menschlichen Verzehr. Angesichts des Vorsorgegrundsatzes, welcher die Abwehr von Gefahren durch die tierischen Nebenprodukte im Auge hat und der die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 prägt, leuchtet es auch ein, dass es nicht allein auf die Schlachttieruntersuchung, sondern auf jegliche Untersuchung der zu schlachtenden und geschlachteten Tiere ankommt: immer dann, wenn Anzeichen für eine auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit auftreten, ist der entsprechende Körper oder das Teil des Tiers der Kategorie 2 zuzuordnen, weil es eben nicht mehr Material der Kategorie 3 sein kann, aber auch nicht solches der Kategorie 1 ist, (vgl. Art. 9 f) und h) der Verordnung). Die Verwendung des Imperfekts in Art. 10 b) Buchstabe i) verweist daher nicht auf die Schlachttieruntersuchung zurück, sondern drückt die Selbstverständlichkeit aus, dass zunächst das Ergebnis der Untersuchung feststehen muss, bevor eine Zuordnung zu einer Kategorie erfolgen kann.
24 
2. Der Auffassung der Klägerin, eine solche Zuordnung zu Kategorien könne nur durch Stichproben des amtlichen Tierarztes im Rahmen der Fleischuntersuchung erfolgen, kann nicht gefolgt werden. Die Durchführung der Fleischbeschau ist in der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 vom 29.04.2004 geregelt. Nach Art. 5 dieser Verordnung, der die amtliche Überwachung von Frischfleisch regelt, führt nach Ziff. 1 b) und d) der Vorschrift der amtliche Tierarzt in Schlachthöfen, die frisches Fleisch in Verkehr bringen, Inspektionen u.a. in Bezug auf die Schlachttieruntersuchung und die Fleischuntersuchung durch. Nach Ziff. 3 des Art. 5 trifft er u.a. Entscheidungen bezüglich Fleisch. Nach Ziff. 4 des Art. 5 können amtliche Fachassistenten den amtlichen Tierarzt bei der amtlichen Überwachung nach Anhang I Abschnitte I und II in der in Anhang I Abschnitt III Kapitel I dargestellten Weise unterstützen. Nach Anhang I Abschnitt I Kapitel II Buchstabe D gehört zu den Inspektionsaufgaben die Fleischuntersuchung. Nach Ziff. 1. dieser Vorschrift sind die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung unverzüglich nach der Schlachtung einer Fleischuntersuchung zu unterziehen. Alle äußeren Oberflächen sind zu begutachten. Dabei können eine geringfügige Handhabung der Schlachtkörper und der Nebenprodukte der Schlachtung oder besondere technische Vorrichtungen erforderlich sein. Besonderes Augenmaß muss dabei Zoonosen und Krankheiten gelten, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union sind. Die Geschwindigkeit der Schlachtlinie und die Zahl des anwesenden Inspektionspersonals müssen eine ordnungsgemäße Untersuchung erlauben.
25 
Es fällt auf, dass an dieser Stelle nicht wie sonst häufig im Anhang I der Verordnung 854/2004 vom amtlichen Tierarzt, sondern vom „Inspektionspersonal“ die Rede ist. Aus Abschnitt III Kapitel I des Anhangs I zur Verordnung (EG) Nr. 854/2004 geht hervor, warum: Danach dürfen amtliche Fachassistenten den amtlichen Tierarzt bei allen Aufgaben unterstützen, wobei u. a. folgende Einschränkung gilt: „3. bei der Fleischuntersuchung muss der amtliche Tierarzt die Arbeit der amtlichen Fachassistenten regelmäßig überprüfen und bei Tieren, die außerhalb des Schlachthofs notgeschlachtet wurden, die Untersuchung persönlich durchführen.“ Hieraus wird deutlich, dass die Fleischuntersuchung grundsätzlich vom amtlichen Fachassistenten unter gelegentlicher Aufsicht des Tierarztes durchgeführt wird. Nach Anhang I Abschnitt III Kapitel II 2. b) muss der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung nicht jederzeit anwesend sein, wenn ein amtlicher Fachassistent die Fleischuntersuchung durchführt und jegliches Fleisch, das Anomalitäten aufweist, und alles andere Fleisch desselben Tieres absondert, der amtliche Tierarzt solches Fleisch anschließend untersucht und der amtliche Fachassistent ihr Vorgehen und ihre Befunde so dokumentiert, dass der amtliche Tierarzt sich vergewissern kann, dass die Normen eingehalten werden. Dies bedeutet, dass der amtliche Fachassistent weitgehend selbständig bei der Fleischuntersuchung arbeitet, verdächtiges Material aber dem amtlichen Tierarzt vorlegt. Auch die Entscheidungen bezüglich Fleisch kann der amtliche Fachassistent treffen (Anhang I, Abschnitt II, Kapitel V, 1.). Schließlich ist spezifisch für Geflügel im Anhang I Abschnitt IV Kapitel V B. 1. die Fleischuntersuchung nach den Abschnitten I und III vorgeschrieben und darüber hinaus, dass der amtliche Tierarzt persönlich a) eine tägliche Besichtigung der Eingeweide und Leibeshöhlen einer repräsentativen Stichprobe von Tieren und b) bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eine eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Untersuchung für genussuntauglich erklärt wurde, durchführt. Letztere Stichproben, auf die die Klägerin alleine abstellen will, dienen wesentlich der Zustandsbeurteilung einer ganzen Partie von geschlachtetem Geflügel. Wichtig für die Frage der Kategorienzuordnung sind aber die Ergebnisse aller durchgeführten Untersuchungen, da die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 infektiöses Material in Nebenprodukten der Kategorie 3 vermeiden will. Daher muss auch der amtliche Fachassistent für die Aussonderung solchen Materials sorgen.
26 
Es ergibt sich, dass sich die Tätigkeit der amtlichen Fachassistenten keineswegs auf eine Durchführung von Untersuchungen beschränkt, sondern ihnen auch erlaubt, Konsequenzen aus dem Untersuchungsergebnis zu ziehen, insbesondere auch die Zuordnung der tierischen Nebenprodukte zu den Kategorien zu überwachen. Hierbei ist grundsätzlich der Unternehmer für die richtige Zuordnung der Nebenprodukte zu den Kategorien der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 verantwortlich, das amtliche Personal agiert im Rahmen der Kontrolle. Der amtliche Tierarzt hat die Oberaufsicht, trifft aber keineswegs alle notwendigen Entscheidungen. Zutreffend weist das beklagte Land darauf hin, dass die Fachassistenten für die Durchführung ihrer Aufgaben hinreichend und spezifisch ausgebildet sind (geregelt in Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 854/2004).
27 
3. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Fleischuntersuchung immer nur darauf ankommt, ob Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgetreten sind. Das heißt, lediglich der Verdacht, nicht aber der Nachweis einer solchen Krankheit ist Voraussetzung für die Verwerfung als Material der Kategorie 2. Auch dies wird in dem Feststellungsantrag der Klägerin verkannt.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die Berufung war gem. §§ 124 Abs. 2 Nr.3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, denn die Frage der Befugnis der amtlichen Fachassistenten zur Verwerfung von Nebenprodukten der Schlachtung hat grundsätzliche Bedeutung.
30 
Beschluss vom 15.03.2012
31 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
50.000,00 EUR
festgesetzt.
32 
Auf diesen Betrag schätzt die Kammer die finanziellen Einbußen der Klägerin, die sie durch die vom Landratsamt verlangte Verfahrensweise bei der Geflügelschlachtung und bei der Einstufung der tierischen Nebenprodukte erleidet.

Gründe

 
I.
12 
Die Klage ist zulässig. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht ein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO, denn es liegt ein bestimmter, bereits überschaubarer Sachverhalt vor, dessen Rechtsfolgen festgestellt werden sollen; dieses Rechtsverhältnis ist zwischen den Beteiligten streitig. Durch die Vorgeschichte, insbesondere durch die auf Verlangen des Landratsamts von der Klägerin ergriffenen organisatorischen Maßnahmen, mit denen die Klägerin aber nicht einverstanden ist, haben sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten hinreichend verdichtet. Streitig ist, ob auch die amtlichen Fachassistenten bei der von ihnen vorgenommenen Fleischuntersuchung K2-Material auszusondern haben, oder ob dies allein dem amtlichen Tierarzt obliegt. Die Klägerin hat auch ein schutzwürdiges Interesse an der Klärung dieser Frage, da die vorläufig getroffenen organisatorischen Maßnahmen für sie wirtschaftlich ungünstiger sind und sie bei einer anderen Verfahrensweise ggf. mit einem Bußgeldverfahren rechnen müsste.
II.
13 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die von der Klägerin begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden, denn sie wäre unrichtig: Es ist zwar im Grundsatz zutreffend, dass Geflügel, das im Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich befunden und in einem Schlachthof geschlachtet wurde, im Ganzen oder in Teilen zu der Kategorie 3 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 gehört. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber nicht nur dann gegeben, wenn der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten feststellt, sondern auch dann, wenn der amtliche Fachassistent eine solche Feststellung trifft, sowie weiter dann, wenn es sich um einen bloßen Verdachtsfall einer solchen Krankheit handelt.
14 
1. Die Frage der Zuordnung zu den einzelnen Kategorien richtet sich nach Art. 7 bis 10 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009. Danach sind die tierischen Nebenprodukte in die spezifischen Kategorien nach dem Grad der von ihnen ausgehenden Gefahren einzustufen. Art. 10 definiert in Form einer Aufzählung das Material der Kategorie 3, welches als (Heim-)Tierfutter verwertet werden darf. Maßgeblich ist hier Punkt b) der Liste. Dieser lautet:
15 
„Schlachtkörper und folgende Teile, die entweder von Tieren stammen, die in einem Schlachthof geschlachtet und nach einer Schlachttieruntersuchung als zum menschlichen Verzehr schlachttauglich eingestuft wurden oder ganze Körper und die folgenden Tierteile, die von Wild stammen, das gemäß den Gemeinschaftsvorschriften zum menschlichem Verzehr getötet wurde:
16 
i) Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschriften als genussuntauglich zurückgewiesen wurden, jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen;
17 
ii) Geflügelköpfe;
18 
iii) Häute und Felle, einschließlich Zuputzabschnitte und Spalt; Hörner und Füße, einschließlich Zehenknochen sowie Carpus und Metacarpusknochen, Tarsus und Metatarsusknochen von
19 
- anderen Tieren als Wiederkäuern, die auf TSE getestet werden müssen, sowie
20 
- Wiederkäuern, die gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 mit negativem Ergebnis getestet wurden;
21 
iv) Schweinsborsten;
22 
v) Federn;“
23 
Schon der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, dass es für die Zuordnung des Materials in Punkt b) i) zur Kategorie 3 maßgeblich darauf ankommt, ob die fraglichen Geflügelkörper oder -teile Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgewiesen haben. Die Vorschrift stellt selbst den Zusammenhang mit der Zurückweisung als genussuntauglich her; daraus folgt, dass hier die Durchführung der Fleischuntersuchung in den Blick genommen wurde. Anders als die Klägerin meint, erfolgt nämlich bei der Schlachttieruntersuchung, auf die sie maßgeblich abstellen will, keine Zurückweisung einzelner Tiere als genussuntauglich, sondern allein die Beurteilung der Schlachttauglichkeit der ganzen Herde (Partie) zum menschlichen Verzehr. Angesichts des Vorsorgegrundsatzes, welcher die Abwehr von Gefahren durch die tierischen Nebenprodukte im Auge hat und der die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 prägt, leuchtet es auch ein, dass es nicht allein auf die Schlachttieruntersuchung, sondern auf jegliche Untersuchung der zu schlachtenden und geschlachteten Tiere ankommt: immer dann, wenn Anzeichen für eine auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit auftreten, ist der entsprechende Körper oder das Teil des Tiers der Kategorie 2 zuzuordnen, weil es eben nicht mehr Material der Kategorie 3 sein kann, aber auch nicht solches der Kategorie 1 ist, (vgl. Art. 9 f) und h) der Verordnung). Die Verwendung des Imperfekts in Art. 10 b) Buchstabe i) verweist daher nicht auf die Schlachttieruntersuchung zurück, sondern drückt die Selbstverständlichkeit aus, dass zunächst das Ergebnis der Untersuchung feststehen muss, bevor eine Zuordnung zu einer Kategorie erfolgen kann.
24 
2. Der Auffassung der Klägerin, eine solche Zuordnung zu Kategorien könne nur durch Stichproben des amtlichen Tierarztes im Rahmen der Fleischuntersuchung erfolgen, kann nicht gefolgt werden. Die Durchführung der Fleischbeschau ist in der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 vom 29.04.2004 geregelt. Nach Art. 5 dieser Verordnung, der die amtliche Überwachung von Frischfleisch regelt, führt nach Ziff. 1 b) und d) der Vorschrift der amtliche Tierarzt in Schlachthöfen, die frisches Fleisch in Verkehr bringen, Inspektionen u.a. in Bezug auf die Schlachttieruntersuchung und die Fleischuntersuchung durch. Nach Ziff. 3 des Art. 5 trifft er u.a. Entscheidungen bezüglich Fleisch. Nach Ziff. 4 des Art. 5 können amtliche Fachassistenten den amtlichen Tierarzt bei der amtlichen Überwachung nach Anhang I Abschnitte I und II in der in Anhang I Abschnitt III Kapitel I dargestellten Weise unterstützen. Nach Anhang I Abschnitt I Kapitel II Buchstabe D gehört zu den Inspektionsaufgaben die Fleischuntersuchung. Nach Ziff. 1. dieser Vorschrift sind die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung unverzüglich nach der Schlachtung einer Fleischuntersuchung zu unterziehen. Alle äußeren Oberflächen sind zu begutachten. Dabei können eine geringfügige Handhabung der Schlachtkörper und der Nebenprodukte der Schlachtung oder besondere technische Vorrichtungen erforderlich sein. Besonderes Augenmaß muss dabei Zoonosen und Krankheiten gelten, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union sind. Die Geschwindigkeit der Schlachtlinie und die Zahl des anwesenden Inspektionspersonals müssen eine ordnungsgemäße Untersuchung erlauben.
25 
Es fällt auf, dass an dieser Stelle nicht wie sonst häufig im Anhang I der Verordnung 854/2004 vom amtlichen Tierarzt, sondern vom „Inspektionspersonal“ die Rede ist. Aus Abschnitt III Kapitel I des Anhangs I zur Verordnung (EG) Nr. 854/2004 geht hervor, warum: Danach dürfen amtliche Fachassistenten den amtlichen Tierarzt bei allen Aufgaben unterstützen, wobei u. a. folgende Einschränkung gilt: „3. bei der Fleischuntersuchung muss der amtliche Tierarzt die Arbeit der amtlichen Fachassistenten regelmäßig überprüfen und bei Tieren, die außerhalb des Schlachthofs notgeschlachtet wurden, die Untersuchung persönlich durchführen.“ Hieraus wird deutlich, dass die Fleischuntersuchung grundsätzlich vom amtlichen Fachassistenten unter gelegentlicher Aufsicht des Tierarztes durchgeführt wird. Nach Anhang I Abschnitt III Kapitel II 2. b) muss der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung nicht jederzeit anwesend sein, wenn ein amtlicher Fachassistent die Fleischuntersuchung durchführt und jegliches Fleisch, das Anomalitäten aufweist, und alles andere Fleisch desselben Tieres absondert, der amtliche Tierarzt solches Fleisch anschließend untersucht und der amtliche Fachassistent ihr Vorgehen und ihre Befunde so dokumentiert, dass der amtliche Tierarzt sich vergewissern kann, dass die Normen eingehalten werden. Dies bedeutet, dass der amtliche Fachassistent weitgehend selbständig bei der Fleischuntersuchung arbeitet, verdächtiges Material aber dem amtlichen Tierarzt vorlegt. Auch die Entscheidungen bezüglich Fleisch kann der amtliche Fachassistent treffen (Anhang I, Abschnitt II, Kapitel V, 1.). Schließlich ist spezifisch für Geflügel im Anhang I Abschnitt IV Kapitel V B. 1. die Fleischuntersuchung nach den Abschnitten I und III vorgeschrieben und darüber hinaus, dass der amtliche Tierarzt persönlich a) eine tägliche Besichtigung der Eingeweide und Leibeshöhlen einer repräsentativen Stichprobe von Tieren und b) bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eine eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Untersuchung für genussuntauglich erklärt wurde, durchführt. Letztere Stichproben, auf die die Klägerin alleine abstellen will, dienen wesentlich der Zustandsbeurteilung einer ganzen Partie von geschlachtetem Geflügel. Wichtig für die Frage der Kategorienzuordnung sind aber die Ergebnisse aller durchgeführten Untersuchungen, da die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 infektiöses Material in Nebenprodukten der Kategorie 3 vermeiden will. Daher muss auch der amtliche Fachassistent für die Aussonderung solchen Materials sorgen.
26 
Es ergibt sich, dass sich die Tätigkeit der amtlichen Fachassistenten keineswegs auf eine Durchführung von Untersuchungen beschränkt, sondern ihnen auch erlaubt, Konsequenzen aus dem Untersuchungsergebnis zu ziehen, insbesondere auch die Zuordnung der tierischen Nebenprodukte zu den Kategorien zu überwachen. Hierbei ist grundsätzlich der Unternehmer für die richtige Zuordnung der Nebenprodukte zu den Kategorien der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 verantwortlich, das amtliche Personal agiert im Rahmen der Kontrolle. Der amtliche Tierarzt hat die Oberaufsicht, trifft aber keineswegs alle notwendigen Entscheidungen. Zutreffend weist das beklagte Land darauf hin, dass die Fachassistenten für die Durchführung ihrer Aufgaben hinreichend und spezifisch ausgebildet sind (geregelt in Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 854/2004).
27 
3. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Fleischuntersuchung immer nur darauf ankommt, ob Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgetreten sind. Das heißt, lediglich der Verdacht, nicht aber der Nachweis einer solchen Krankheit ist Voraussetzung für die Verwerfung als Material der Kategorie 2. Auch dies wird in dem Feststellungsantrag der Klägerin verkannt.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die Berufung war gem. §§ 124 Abs. 2 Nr.3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, denn die Frage der Befugnis der amtlichen Fachassistenten zur Verwerfung von Nebenprodukten der Schlachtung hat grundsätzliche Bedeutung.
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Beschluss vom 15.03.2012
31 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
50.000,00 EUR
festgesetzt.
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Auf diesen Betrag schätzt die Kammer die finanziellen Einbußen der Klägerin, die sie durch die vom Landratsamt verlangte Verfahrensweise bei der Geflügelschlachtung und bei der Einstufung der tierischen Nebenprodukte erleidet.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Schüler, begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein islamisches Gebet zu verrichten.

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Der am 17. August 1993 geborene Kläger ist muslimischen Glaubens. Er besucht das D.-Gymnasium in Berlin Wedding. Im November 2007 verrichtete er in der Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden zusammen mit Mitschülern auf einem Flur des Schulgebäudes das Gebet nach islamischem Ritus. Die Schüler knieten dabei auf ihren Jacken, vollzogen die nach islamischem Ritus erforderlichen Körperbewegungen und deklamierten den vorgegebenen Text. Das Gebet dauerte etwa zehn Minuten. Andere Schüler sahen zu.

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Am folgenden Tag wies die Leiterin der Schule die Schüler, die an dem Gebet beteiligt waren, darauf hin, die Verrichtung eines Gebets werde auf dem Schulgelände nicht geduldet. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie den Eltern des Klägers mit, an der Schule seien religiöse Bekundungen nicht erlaubt; zu ihnen gehörten insbesondere Gebete.

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Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben und beantragt, festzustellen, dass er berechtigt sei, während des Besuchs des D.-Gymnasiums außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten.

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Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Feststellung getroffen: Der Kläger könne sich für sein Anliegen auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit berufen. Andere Verfassungsrechte schränkten dieses Recht nicht ein.

6

Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen: Das Anliegen des Klägers werde zwar vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Religionsausübung erfasst. Dieses Grundrecht sei hier jedoch zum Schutz von Grundrechten Dritter und von Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang eingeschränkt. Die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude beeinträchtige die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler. Sie hätten grundsätzlich einen Anspruch darauf, von Äußerungen eines Glaubens verschont zu bleiben, den sie nicht teilten. Das vom Grundgesetz gewährleistete Elternrecht verleihe zudem den Eltern die Befugnis, ihre Kinder von Glaubensäußerungen fernzuhalten, die sie als falsch oder schädlich ansähen. Die deshalb erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit des Klägers und den betroffenen Grundrechten Dritter falle zu Lasten des Klägers aus. An der von ihm besuchten Schule sei unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Dort würden bereits religiös motivierte Konflikte ausgetragen. Das führe zu einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens. Diese Konfliktlage würde sich noch verschärfen, wenn dem Anliegen des Klägers Rechnung getragen würde.

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Der Kläger hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er sein erstinstanzlich erfolgreiches Begehren weiterverfolgt: Ihm stehe aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit das Recht zu, im Schulgebäude das islamische Ritualgebet zu verrichten. Die Glaubensfreiheit sei weder durch Grundrechte Dritter noch durch andere mit Verfassungsrang versehene Rechtsgüter eingeschränkt. Insbesondere könne eine Einschränkung nicht aus der negativen Religionsfreiheit anderer Schüler, dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates und der Verpflichtung zur Wahrung des Schulfriedens hergeleitet werden. In der Sache unzutreffend sei die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, aufgrund religiöser Konflikte zwischen Schülern bestehe bereits jetzt eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden, die durch die Verrichtung des Gebets verschärft werde.

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Das beklagte Land tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

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1. Das Oberverwaltungsgericht hat in Einklang mit Bundesrecht die Klage als zulässig angesehen.

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a) Das Begehren des Klägers ist als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

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Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (Urteil vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264 f.> = Buchholz 454.9 Mietpreisrecht Nr. 15 S. 3). Der Streit der Beteiligten betrifft die Bedeutung und Tragweite des Art. 4 Abs. 1 GG, einer Vorschrift des öffentlichen Rechts, und dessen Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich den Vorgang aus dem November 2007, als der Kläger zusammen mit Mitschülern auf dem Flur des Schulgebäudes in einer Pause das rituelle islamische Gebet verrichtete. Der Kläger berühmt sich des Rechts, in dieser Weise auch künftig vorgehen zu dürfen. Die Schulverwaltung bestreitet das Bestehen eines solchen Rechts.

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Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Nachdem die Schulleiterin ihn und seine Eltern darauf hingewiesen hat, religiöse Bekundungen wie Gebete seien in der Schule nicht erlaubt, muss er mit Sanktionen in der Gestalt von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen rechnen, wenn er das von ihm als erlaubt angesehene Verhalten fortsetzt. Ihm ist nicht zuzumuten, solche Sanktionen abzuwarten und erst im Zusammenhang mit ihnen die streitige Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen.

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Der Feststellungsklage steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Namentlich konnte der Kläger seine Rechte nicht durch eine Anfechtungsklage verfolgen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, enthielten sowohl der mündliche Hinweis der Schulleiterin an den Kläger, die Verrichtung eines Gebets auf dem Schulgelände werde nicht geduldet, als auch das nachfolgende Schreiben an seine Eltern lediglich Hinweise auf die Rechtslage, wie sie nach Ansicht der Schulleiterin besteht, aber keine Regelungen. Sie waren mithin keine Verwaltungsakte. Das Oberverwaltungsgericht hat sich diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht. Der Senat hat keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung.

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b) Der Kläger hat die Klage wirksam erhoben. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und deshalb nach bürgerlichem Recht in seiner Geschäftsfähigkeit noch beschränkt war, war er dennoch prozessfähig. Er war im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO durch Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts für den Gegenstand seines Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt. Nach § 5 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBl S. 939, BGBl III 404-9) steht dem Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Die Bestimmung legt das Alter fest, bei dem angenommen wird, dass der Einzelne weitgehend selbst über sein Recht auf Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG zu verfügen vermag (Religionsmündigkeit). Die Religionsmündigkeit erstreckt sich auf alle mit der religiösen Selbstbestimmung im Zusammenhang stehenden Fragen einschließlich der Verrichtung religiöser Handlungen (Huber in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, Anhang zu § 1631 § 5 RelKErzG Rn. 2). Mithin wird der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens von der Religionsmündigkeit erfasst.

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2. Ebenfalls mit Bundesrecht vereinbar ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger könne die von ihm begehrte Feststellung nicht beanspruchen und seine Klage sei deshalb unbegründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der verfassungsrechtlich verbürgten Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Auf der Grundlage des Sachverhalts, den das Oberverwaltungsgericht bindend festgestellt hat (§ 137 Abs. 2 VwGO), berechtigt diese Verfassungsbestimmung den Kläger nicht, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein rituelles islamisches Gebet zu verrichten.

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a) Das Anliegen des Klägers wird allerdings durch den Schutzbereich der verfassungsrechtlich garantierten Glaubensfreiheit erfasst.

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Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein Grundrecht der Glaubensfreiheit, das umfassend zu verstehen ist (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <79>). Dieses Grundrecht bezieht sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>). Das von der Glaubensfreiheit umfasste Recht der Religionsausübung ist extensiv auszulegen und erstreckt sich auf kultische Handlungen, die ein Glauben vorschreibt oder in denen er Ausdruck findet, wie z.B. Gebete (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <15 f.>). Zwar kann nicht jedes Verhalten einer Person nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck einer besonders geschützten Glaubensfreiheit angesehen werden. Beansprucht der Einzelne ein Verhalten als Ausdruck seiner Glaubensfreiheit für sich, darf vielmehr bei der Würdigung das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft nicht außer Betracht bleiben. Es kommt darauf an, ob sich das Verhalten nach Gehalt und Erscheinung als Glaubensregel der jeweiligen Religionsgemeinschaft dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hinreichend plausibel zuordnen lässt (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <298 f.>).

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Daran gemessen unterfällt die streitige Verrichtung des Gebets durch den Kläger dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts geht es dem Kläger um das rituelle Pflichtgebet ("as-salat"), das nach den Regeln des islamischen Glaubens fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten zu verrichten ist. Dieses Pflichtgebet zeichnet sich dadurch aus, dass der Betende auf einem rituell sauberen Platz mit dem Gesicht gen Mekka in einer vorgegebenen Abfolge von Körperhaltungen bestimmte Gebetstexte deklamiert. Ein solches Pflichtgebet ist unter anderem zur Mittagszeit zu verrichten. Der Kläger möchte diese rituelle Handlung in der Schule außerhalb der Unterrichtszeit vornehmen, wenn die Zeitspanne, die für das Gebet vorgeschrieben ist, in die Zeit des Schulbesuchs fällt. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lässt sich ein Gebot, das rituelle Pflichtgebet zu den dafür festgesetzten Zeiten zu verrichten, als islamisch-religiös begründete Glaubensregel dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen. In dem angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass der Kläger die Einhaltung dieser Glaubensregel als für sich verbindlich ansieht. Deshalb vermag er sich grundsätzlich auf den Schutz der Glaubensfreiheit zu berufen.

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Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasst hier auch die freie Wahl des Ortes, an dem der Kläger das Gebet verrichten möchte.

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Um sein rituelles Gebet zu verrichten, benötigt der Kläger Raum, konkret einen Bereich des Schulflurs, dessen Nutzung nicht seinem Bestimmungsrecht, sondern dem Bestimmungsrecht der Schulverwaltung unterliegt und der als Verkehrsfläche, nämlich als Zugang zu Klassenräumen, Fachräumen, Lehrerzimmern, Toiletten und Ausgängen zur Verfügung gestellt ist.

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Für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, es begründe kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht. Die Entscheidung über Ort und Zeit der Versammlung ist zwar frei, setzt aber die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus. Das Recht der freien Ortswahl umfasst nicht das Recht, fremdes Eigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen. Dies gilt auch für ein Grundstück, das nach dem Willen des Trägers nur im Rahmen einer eingeschränkten Zweckbestimmung zur Verfügung steht (Urteil vom 29. Oktober 1992 - BVerwG 7 C 34.91 - BVerwGE 91, 135 <138 f.> = Buchholz 11 Art. 8 GG Nr. 6 S. 15; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1204>).

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Hiervon unterscheidet sich jedoch die Ausübung der Glaubensfreiheit. Zwar verschafft auch sie dem Einzelnen keinen Anspruch auf Zutritt zu ihm sonst nicht zugänglichen Räumen. Die Glaubensfreiheit ist dem Bürger nur dort gewährleistet, wo er tatsächlich Zugang findet. Anders als die kollektiv ausgeübte Versammlungsfreiheit schließt die Ausübung der Glaubensfreiheit als Recht des Einzelnen in der Regel keinen besonderen Raumbedarf ein, der typischerweise mit Belästigungen verbunden ist. Als Individualgrundrecht steht sie dem Bürger vom Grundsatz her überall dort zu, wo er sich jeweils befindet (vgl. zu der in dieser Hinsicht vergleichbaren Freiheit der Meinungsäußerung: BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1208>).

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Das gilt jedenfalls für einen Schüler, der in der Schule ein ihm von seiner Religion vorgeschriebenes Gebet verrichten will. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <49>). Dies gilt insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300>). Der Schüler bringt seine Persönlichkeitsrechte in die Schule ein. Gleichzeitig ist er in die Schule und den Unterrichtsablauf eingebunden. Er kann die Schule auch während der Pausen zwischen den Unterrichtsstunden nicht ohne Weiteres verlassen. Darauf könnte er auch nicht verwiesen werden. Er hält sich auch während der Pausen bestimmungsgemäß in der Schule auf und kann - vorbehaltlich noch zu erörternder Schranken - sich dort seinen persönlichen Neigungen und Bedürfnissen entsprechend betätigen. Jedenfalls aufgrund dieser Eingebundenheit in die Schule kann ihm die Wahl von Zeit und Ort des Gebets nicht unter Hinweis darauf von vornherein verwehrt werden, die Schulverwaltung habe die überhaupt in Betracht kommenden Räume ausschließlich für eine andere Nutzung vorgesehen. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit umfasst in dieser Lage den Zugriff auf einen Raum, der hierfür tatsächlich zur Verfügung steht.

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b) Insoweit besteht das Grundrecht der Glaubensfreiheit aber nicht uneingeschränkt. Die Glaubensfreiheit verleiht dem Kläger hier nicht das Recht, das Gebet auf dem Schulflur zu verrichten.

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Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 verbürgte Glaubensfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Die Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Glaubensfreiheit bedarf überdies einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>).

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Zwar ist das Recht des Klägers, seinen Glauben zu bekunden, nicht durch die negative Glaubensfreiheit anderer Schüler und der Lehrer eingeschränkt. Ebenso wenig findet sein Grundrecht eine Schranke in dem elterlichen Erziehungsrecht. Eine solche Schranke kann ferner nicht aus dem Gebot religiöser Neutralität hergeleitet werden, das den Staat verpflichtet. Das Grundrecht des Klägers auf Glaubensfreiheit ist aber zum Schutze des Schulfriedens eingeschränkt, der zu den Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang gehört.

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aa) Die in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensfreiheit umfasst neben der Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben sowie sich zu diesen Überzeugungen zu bekennen und sie zu verbreiten, auch die negative Glaubensfreiheit, also die Freiheit, keine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu haben oder eine solche abzulehnen (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 - BVerfGE 122, 89 <119>). Insoweit ist auch die Freiheit gewährleistet, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben; das bezieht sich auch auf Kulte und Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301 f.>).

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Indes wird in die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler nicht eingegriffen, wenn sie auf dem Flur des Schulgebäudes dem betenden Kläger begegnen.

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Die negative Glaubensfreiheit ist ein Abwehrrecht, das sich gegen den Staat richtet. Der Staat darf keine Lage schaffen, in welcher der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist. Insofern entfaltet Art. 4 Abs. 1 und 2 GG seine Freiheit sichernde Wirkung gerade in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen sind, wie dies auf die Schule zutrifft (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Auch insoweit wendet sich die negative Glaubensfreiheit aber gegen den Staat. Ihm ist es verwehrt, den Einzelnen gegen seinen Willen zwangsweise mit fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen zu konfrontieren, etwa indem er Klassenräume mit solchen Symbolen ausstattet oder den Schülern in der Gestalt von Lehrkräften entgegentritt, die durch ihr Auftreten ihre religiösen Überzeugungen in den Unterricht hineintragen. Machen hingegen Schüler in der Schule von ihrer Glaubensfreiheit durch das Tragen religiöser Symbole oder durch kultische Handlungen Gebrauch, ist allenfalls eine Schutzpflicht des Staates gegenüber den Mitschülern betroffen. In dem von ihm in Vorsorge genommenen Bereich der Schule muss der Staat auch garantieren, dass der Einzelne nicht mit Verantwortung des Staates einer religiösen Äußerung eines privaten Dritten ausgesetzt ist, die seine negative Religionsfreiheit zu verletzen geeignet ist. Glaubensäußerungen von Schülern hat der Staat nicht veranlasst. Sie sind ihm nicht zuzurechnen. Seine Verantwortung besteht darin, dass er Schüler unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Glaubenshaltungen in einer Schule zusammenführt. Seine Schutzpflicht für deren negative Glaubensfreiheit fällt weithin mit seiner Aufgabe zusammen, den Schulfrieden zu wahren, also keine auch religiösen Konflikte zuzulassen, die der Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und dem ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf entgegenstehen. Die Schutzpflicht des Staates geht jedenfalls nicht soweit, dass er Schüler oder auch Lehrkräfte vor jeder Begegnung mit Äußerungen eines ihnen fremden, von ihnen nicht geteilten Glaubens bewahren müsste. Mitschüler und Lehrkräfte werden mit dem betenden Kläger nicht unausweichlich konfrontiert. Sie haben es zwar nicht selbst in der Hand, ob sie auf einem Weg durch die Schule auf den Kläger bei der Verrichtung seines Gebets treffen. Es bleibt ihnen aber unbenommen, bei einer Begegnung mit dem betenden Kläger einen anderen Weg zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass in der Schule die Möglichkeiten des Ausweichens beschränkt seien, hat damit aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass solche Möglichkeiten tatsächlich, wenn auch in eingeschränktem Umfang, bestehen. Diese tatsächliche Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Begegnung mit dem betenden Kläger beschränkt sich mithin auf ein eher flüchtiges Zusammentreffen. Mitschüler und Lehrkräfte werden dadurch nicht dem Einfluss eines anderen, von ihnen abgelehnten Glaubens in einer Weise ausgesetzt, die ihnen nicht zumutbar ist. Der Einzelne hat in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich verschont zu bleiben (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <302>). Dies gilt auch für den Lebensbereich der Schule.

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bb) Die Glaubensfreiheit des Klägers kann nicht mit der Erwägung eingeschränkt werden, dies diene dem Schutz des Erziehungsrechts der Eltern seiner Mitschüler.

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Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht. Dieses Grundrecht umfasst zusammen mit Art. 4 Abs. 1 GG das Recht zur Kindererziehung in weltanschaulicher und religiöser Hinsicht. Daher ist es zuvörderst Sache der Eltern, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln, die sie für richtig halten (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <17>). Dem entspricht das Recht, die Kinder von Glaubensüberzeugungen fernzuhalten, die den Eltern als falsch oder schädlich erscheinen (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301>).

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Was die Begegnung von Kindern mit religiösen Handlungen Dritter angeht, reicht das elterliche Erziehungsrecht aber nicht weiter als die negative Glaubensfreiheit der Kinder. Dementsprechend verleiht das Erziehungsrecht den Eltern nicht die Befugnis, ihre Kinder vor jeglicher Begegnung mit religiösen Handlungen Dritter zu schützen. Das Erziehungsrecht als ebenfalls gegen den Staat gerichtetes Grundrecht kann nur dann betroffen sein, wenn das Kind mit Verantwortung des Staates solchen Handlungen unausweichlich ausgesetzt ist. Dies ist hier mit Blick auf die Mitschüler des Klägers - wie aufgezeigt - nicht der Fall.

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cc) Die Glaubensfreiheit des Klägers ist nicht durch das verfassungsrechtliche Gebot religiöser Neutralität des Staates beschränkt. Die Schulverwaltung wäre nicht berechtigt, unter Hinweis auf dieses Gebot die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude zu unterbinden.

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Das Grundgesetz begründet für den Staat als Heimstatt aller Staatsbürger die Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität. Es verbietet, staatskirchliche Rechtsformen einzuführen, und untersagt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren und Andersgläubige auszugrenzen. Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten. Er darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren. Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist indes nicht als eine distanzierende Haltung im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende Haltung, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördert. Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <299 f.>).

36

Dies gilt nach dem bisherigen Verständnis des Verhältnisses von Staat und Religion, wie es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinen Niederschlag gefunden hat, insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule, für den seiner Natur nach religiöse und weltanschauliche Vorstellungen von jeher relevant waren. Danach muss die Schule für unterschiedliche weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Für die Spannungen, die bei der gemeinsamen Erziehung von Kindern unterschiedlicher Weltanschauungs- und Glaubensrichtungen unvermeidlich sind, muss unter Berücksichtigung des Toleranzgebots als Ausdruck der Menschenwürde nach einem Ausgleich gesucht werden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300 f.>). Die Neutralitätspflicht des Staates verlangt danach keine Schule, die von jeglichen religiösen Bezügen frei gehalten wird. Die Schule ist vielmehr gehalten, die weltanschaulichen und religiösen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie in die eine oder andere Richtung einseitig zu bewerten (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

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Daran gemessen ist eine Verletzung des Gebots staatlicher Neutralität nicht zu besorgen, wenn die Schulverwaltung zulässt, dass der Kläger sein Gebet auf dem Flur des Schulgebäudes verrichtet. Darin läge keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung im Sinne dieses Glaubens. Eine ausdrückliche oder konkludente Identifikation mit diesem Glauben wäre ebenfalls nicht zu verzeichnen. Das Gebet als kultische Handlung ist nicht von der Schulbehörde veranlasst, sondern beruht auf einer eigenen Entscheidung des Gläubigen. Duldet der Staat in der Schule die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, macht er sich dessen Bekenntnis zum islamischen Glauben, das in dem Gebet zum Ausdruck kommt, nicht zu eigen. Er muss es sich auch nicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.

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Allerdings könnte der gesellschaftliche Wandel, der mit einer zunehmenden religiösen Pluralität verbunden ist, Anlass sein, das Ausmaß abweichend zu bestimmen, in dem religiöse Bezüge in der Schule zulässig sein sollen. Es lassen sich einerseits Gründe dafür anführen, die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten. Andererseits ist die zunehmende religiöse Vielfalt mit einem größeren Potenzial möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß religiöse Bezüge, die von Schülern in die Schule hineingetragen werden, aus der Schule grundsätzlich fernzuhalten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>).

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Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, insbesondere, welche Verhaltensregeln für Schüler zur Wahrung des religiösen Friedens in der Schule aufgestellt werden sollen, hat aber nicht die Exekutive zu entscheiden. Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten parlamentarischen Landesgesetzgeber. Es hängt von einer Beurteilung der tatsächlichen Entwicklungen ab, ob gegenläufige Grundrechtspositionen von Schülern und Eltern oder andere Werte von Verfassungsrang eine Regelung rechtfertigen, die kultische Handlungen und die Verwendung von Kennzeichen mit religiösem Bezug weitgehend aus der Schule verbannen. Für diese Beurteilung verfügt nur der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können. Er hat zu beurteilen, ob von der Verrichtung kultischer Handlungen in der Schule oder der Verwendung von religiösen Symbolen bereits eine abstrakte Gefährdung des Schulfriedens ausgeht, und muss gegebenenfalls zu deren Abwehr eine darauf zugeschnittene Rechtsgrundlage schaffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <307>).

40

Eine solche durch den parlamentarischen Gesetzgeber geschaffene Rechtsgrundlage fehlt im Landesrecht von Berlin. Zwar regelt die Schulordnung des D.-Gymnasiums in ihrer Nr. II 16 unter Hinweis auf das Gebot weltanschaulicher und religiöser Neutralität des Staates, dass die Ausübung religiöser Riten im Religionsunterricht erfolgt. Die Schulordnung lässt sich ihrerseits auf eine parlamentarische Ermächtigung zurückführen. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 8 des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz - SchulG) vom 26. Januar 2004 (GVBl 2004, 26) entscheidet die Schulkonferenz über Verhaltensregeln für den geordneten Ablauf des äußeren Schulbetriebs (Hausordnung), an die die Schüler nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts gebunden sind. Die allgemeine Ermächtigung, auch für die Schüler verbindliche Verhaltensregeln zu erlassen, stellt nicht die erforderliche hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage dar, um Glaubensäußerungen der Schüler, wie der Vornahme religiöser Riten, bereits wegen der bloßen Möglichkeit einer Gefährdung oder eines Konflikts zu beschränken (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Deshalb ist es der Schulverwaltung derzeit verwehrt, ohne Rücksicht auf eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens im Einzelfall vorbeugend die Verrichtung von Gebeten und die Vornahme vergleichbarer kultischer Handlungen in der Schule wegen deren abstrakter Eignung, den Schulfrieden zu gefährden, zu unterbinden.

41

dd) Die Glaubensfreiheit des Klägers und seine daraus herleitbare Berechtigung, auch in der Schule sein Gebet zu verrichten, finden ihre Schranke aber in dem Gebot, den Schulfrieden zu wahren.

42

Die Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags nach Art. 7 Abs. 1 GG setzt voraus, dass der Schulfrieden gewahrt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht, damit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag verwirklicht werden kann (vgl. Zimmermann, LKV 2010, 394 <398> m.w.N.). Der Schulfrieden kann auch durch religiös motiviertes Verhalten beeinträchtigt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303 und 307>). Der religiöse Schulfrieden ist ein Schutzzweck von herausragender Bedeutung (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 2 C 45.03 - BVerwGE 121, 140 <152> = Buchholz 237.0 § 9 BaWüLBG Nr. 1 S. 10). Die Vermeidung religiös-weltanschaulicher Konflikte in öffentlichen Schulen stellt ein gewichtiges Gemeinschaftsgut dar (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

43

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts würde die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur durch den Kläger eine ohnehin bereits bestehende konkrete Gefahr für den Schulfrieden weiter verschärfen.

44

Nach diesen Feststellungen ist an dem D.-Gymnasium unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Aufgrund dieser heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft sind unter den Schülern teilweise sehr heftige Konflikte ausgetragen worden, die von Vorwürfen gegen Mitschüler ausgingen, diese seien nicht den Verhaltensregeln gefolgt, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben, wie beispielsweise dem Gebot, ein Kopftuch zu tragen, Fastenvorschriften einzuhalten, Gebete abzuhalten, kein Schweinefleisch zu verzehren, "unsittliches Verhalten" und "unsittliche Kleidung" sowie persönliche Kontakte zu "unreinen" Mitschülern zu vermeiden. Aus derartigen Anlässen sei es etwa zu Mobbing, Beleidigung, insbesondere mit antisemitischer Zielrichtung, Bedrohung und sexistischen Diskriminierungen gekommen. Hierauf aufbauend hat das Oberverwaltungsgericht den Schluss gezogen, die ohnehin bestehende Konfliktlage würde sich verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne.

45

An diese tatsächlichen Feststellungen und die darauf aufbauende Beweiswürdigung ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Der Kläger hat dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.

46

Der Kläger beanstandet im Kern, das Oberverwaltungsgericht habe jedenfalls auf der Grundlage einer zu schmalen Tatsachenbasis angenommen, an der von ihm besuchten Schule sei bereits jetzt der Schulfrieden konkret gefährdet. Der Kläger rügt damit der Sache nach, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt jedoch nicht vor.

47

Der Überzeugungsgrundsatz ist verletzt, wenn der Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, weil das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 28), oder weil seine Beweiswürdigung aktenwidrig oder objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4). Das Revisionsgericht kann die Beweiswürdigung nicht daraufhin überprüfen, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Sachverhaltswürdigung eingegangen sind und ob solche Umstände die Würdigung zu tragen vermögen (Urteil vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16 f.).

48

Der Revisionsbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht in dieser Hinsicht das Gebot der freien Beweiswürdigung verletzt hat. Es hat seine Feststellung, der Schulfrieden sei bereits jetzt konkret gefährdet, auf eine Reihe von Beispielen gestützt, die das beklagte Land nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts substantiiert vorgetragen hatte und die in dem Urteil beispielhaft wiedergegeben werden. Das Oberverwaltungsgericht ist dabei zwar nicht ausdrücklich auf den Hinweis des Klägers eingegangen, die geschilderten Konflikte mit religiösem Hintergrund wiesen keinen Bezug zu dem von ihm geübten Gebet auf, er - der Kläger - sei an diesen Konflikten nicht beteiligt gewesen, habe im Gegenteil auf der Schule viele christliche Freunde, die seine streng religiöse Haltung sogar gut fänden. Indes kam es auf diese Umstände nicht entscheidungserheblich an. Das Oberverwaltungsgericht hat der Sache nach festgestellt, dass an dem D.-Gymnasium aufgrund der heterogenen religiösen Zusammensetzung der Schülerschaft ein Klima herrscht, in dem sich an religiösem Verhalten ebenso wie an offener Distanz zu religiösen Geboten aus durchaus geringem Anlass Konflikte entzünden. Von daher kam es nicht darauf an, ob schon bisher die Verrichtung ritueller Gebete in der Schule zu solchen Konflikten geführt hatte. Denn die offene Verrichtung eines rituellen Gebets konnte nach der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts in diesem Klima wiederum die Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Einstellungen zum Glauben und ihren Geboten aufbrechen lassen, weil es zum Mitmachen auffordert und geeignet ist, zwischen strengen und weniger strengen Anhängern einer Religion zu scheiden. Ob der Kläger in einer solchen Absicht gehandelt hat oder gar Auseinandersetzungen schüren wollte, war für das Oberverwaltungsgericht unerheblich, weil es aus seiner Sicht nur darauf ankam, dass in dem herrschenden Klima an der Schule die Verrichtung eines rituellen Gebets objektiv geeignet war, weiteren Unfrieden zu stiften. Ein Schuldvorwurf an den Kläger war damit nicht verbunden, so dass das Oberverwaltungsgericht auch nicht ausdrücklich auf seine Beteuerung eingehen musste, er sei an religiös motivierten Auseinandersetzungen nicht beteiligt; es konnte diesen Vortrag vielmehr ohne weiteres Eingehen darauf als wahr unterstellen. Ebenso musste das Oberverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht eigens auf die Aussage des Klägers eingehen, ihm - dem Kläger - seien die Vorfälle nicht bekannt, die das beklagte Land zur Stützung seines Vortrags heranziehe, an dem D.-Gymnasium sei bereits jetzt durch religiös motivierte Konflikte der Schulfriede gefährdet. Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Schulverwaltung den vollständigen Überblick über das Geschehen an dieser Schule hat, der dem Kläger nicht notwendig in derselben Weise zugänglich ist.

49

Sollte der Kläger die Revisionsbegründung insoweit auch als Rüge verstanden wissen wollen, das Oberverwaltungsgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, wäre die Rüge aus denselben Gründen unbegründet. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag des Klägers übergangen hat.

50

ee) Die Einschränkung des Grundrechts des Klägers auf Glaubensfreiheit steht im Einklang mit dem Gebot eines schonenden Ausgleichs der widerstreitenden Verfassungsgüter. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.

51

Die Einschränkung der Möglichkeit, in der Schule das rituelle islamische Mittagsgebet zu verrichten, ist geeignet, den damit verfolgten legitimen Zweck zu erreichen, der zutreffend prognostizierten Verschärfung der ohnehin bereits bestehenden konkreten Gefahr für den Schulfrieden zu begegnen.

52

An diesem Zweck ausgerichtet erweist sich die Beschränkung der Glaubensfreiheit als erforderlich. Der vorhersehbaren Gefährdung des Schulfriedens kann nicht durch eine andere gleich wirksame Maßnahme begegnet werden, die die Glaubensfreiheit des Klägers nicht oder weniger einschränkt.

53

Allerdings ist die Schule zunächst gehalten, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln gegenzusteuern. Die gewachsene religiöse Vielfalt in der Gesellschaft spiegelt sich besonders deutlich in der Schule wider. Sie ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinander treffen und an dem sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt. Ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten kann hier am nachhaltigsten durch Erziehung geübt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>). Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht in Auslegung des irrevisiblen Landesrechts festgestellt, dem Schulgesetz liege das Konzept zugrunde, dem beschriebenen Konfliktpotential mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Es ist gerade Aufgabe der Schule, ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten durch Erziehung zu üben. Nach § 1 Abs. 3 SchulG gehört es zum Auftrag der Schule, Persönlichkeiten heranzubilden, deren Haltung von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung bestimmt wird. Schulische Bildung und Erziehung sollen die Schüler insbesondere befähigen, ihre eigene Kultur sowie andere Kulturen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen und für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten (§ 3 Abs. 3 SchulG). Dem liegt die Vorstellung des Landesgesetzgebers zugrunde, dass die Integrationsaufgabe des Staates in einer pluralistischen Gesellschaft einen eigenständigen und umfassenden staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag erfordert, der über die Anforderungen an die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen hinausgeht und dessen Ziele einen ethischen, weltanschaulichen und politischen Mindestkonsens darstellen, der gleichzeitig die Offenheit für die in der Gesellschaft vorhandenen Wertauffassungen gewährleisten muss (Begründung der Regierungsvorlage zum Schulgesetz, Abghs-Drs 15/1842, S. 7).

54

Die Schule kann danach nicht stets sogleich gegen religiös geprägtes Verhalten eines Schülers vorgehen, wenn es Gegenreaktionen und Unruhe bei anderen Schülern auslöst. Von Fällen bewusster und gewollter Provokation abgesehen, stört nicht der Schüler den Schulfrieden, der nur von der ihm im Grundgesetz verheißenen Glaubensfreiheit Gebrauch macht, sondern derjenige, der daran in einer Weise Anstoß nimmt, die mit den Geboten der Toleranz nicht vereinbar ist. Hierdurch ausgelöste Störungen geben Anlass, sich damit etwa im Unterricht mit dem Ziel, wechselseitiges Verständnis zu wecken, auseinanderzusetzen. Anderenfalls hätten es einzelne oder wenige Schüler in der Hand auch bei einem an sich offenen Klima in der Schule durch unduldsames Anstoßnehmen Störungen herbeizuführen, die dann zum Anlass einseitigen Einschreitens genommen werden.

55

Andererseits sind den Möglichkeiten der Schule Grenzen gesetzt, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Das gilt namentlich in Fällen, in denen religiös geprägtes und umgekehrt betont religionsfernes Verhalten wechselseitig zu Auseinandersetzungen geführt und ein allgemeines Klima geschaffen haben, in dem das Aufgreifen einzelner Vorgänge angesichts des damit verbundenen Aufwands keinen Sinn mehr verspricht. Jedenfalls in einem solchen Fall setzt sich der übergeordnete Zweck der staatlichen Veranstaltung Schule durch, im Interesse des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule für alle Schüler einen geordneten Unterrichtsablauf sicherzustellen. Diesem eigentlichen Zweck der Schule sind alle Schüler verpflichtet. Der Einzelne muss um dieses Zweckes willen in einer solchen Lage auf ein an sich erlaubtes Verhalten verzichten, ohne dass es darauf ankommt, ob ihm der Vorwurf gemacht werden kann, gerade er störe schuldhaft den Schulfrieden.

56

Derartige Verhältnisse hat das Oberverwaltungsgericht für das D.-Gymnasium festgestellt und darauf aufbauend, den Sachverhalt dahin gewürdigt, angesichts der konkreten Verhältnisse an dieser Schule genügten erzieherische Mittel allein nicht, den erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen, die zu erwarten wären, wenn die streitige Verrichtung des Gebets zugelassen würde. Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere darauf hingewiesen, soweit die Schule überhaupt in der Lage gewesen sei, an Konflikten beteiligte Schüler zu einem Gespräch zusammenzubringen, seien diese Gespräche fruchtlos geblieben. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat wiederum gebunden.

57

Als ein milderes Mittel kommt grundsätzlich auch in Betracht, betwilligen Schülern einen Raum zuzuweisen, wo sie ihre Gebete unbeobachtet von anderen Schülern verrichten können. Zwar verleiht Art. 4 GG keinen Anspruch darauf, der Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Darum geht es in diesem Zusammenhang aber auch nicht. Der Kläger begehrt keine Leistung der Schule, auf die er keinen Anspruch hätte. Es geht nur darum, ob die Schule, bevor sie die Verrichtung des Gebets gänzlich unterbindet, im Rahmen des verhältnismäßigen Ausgleichs aus dem ohnehin Vorhandenen einen Raum anbieten kann, der für die Verrichtung des Gebets zur Verfügung steht. Sie muss hingegen nicht erst Räume für diesen Zweck schaffen. Der Kläger muss die Schule so hinnehmen, wie sie ist.

58

Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Einrichtung eines speziellen Raums zur Verrichtung des Gebets die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen würde. An diese Feststellung ist der Senat gebunden. Danach liegen bereits fünf Anträge vor, am D.-Gymnasium Gebetsräume einzurichten. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, die Schule habe in der Vergangenheit schon einmal einen gemeinsamen Gebetsraum eingerichtet, der wieder habe geschlossen werden müssen, nachdem es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen, die ein Kopftuch getragen hätten, und anderen, die dies nicht getan hätten, gekommen sei, und nachdem die Jungen es abgelehnt hätten, gemeinsam mit Mädchen zu beten. Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt dahin gewürdigt, es müssten umfangreiche Vorkehrungen für eine differenzierte räumliche Aufteilung getroffen und deren ungestörte Benutzung durch Aufsichtspersonal gewährleistet werden.

59

Die Einschränkung der Glaubensfreiheit erweist sich als angemessen. Sie steht nicht außer Verhältnis zu dem sie rechtfertigenden legitimen Zweck.

60

Allerdings wiegt die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers nicht leicht. Er unterliegt zwar nicht mehr der Schulpflicht. Um den angestrebten Schulabschluss zu erreichen, ist er jedoch gehalten, sich zu den Zeiten im Schulgebäude aufzuhalten, die von der Schule vorgegeben sind. Die Einschränkung des Grundrechts wiegt nicht deshalb leichter, weil das hier inmitten stehende Mittagsgebet nach Ablauf des dafür vorgesehenen Zeitraums nachgeholt werden könnte. Hierauf kann der Kläger nicht verwiesen werden. Er sieht die Einhaltung der vorgegebenen Zeitspanne als für sich verbindlich an. Dies lässt sich - wie dargelegt - dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen.

61

Der mit der Einschränkung des Grundrechts verfolgte Zweck ist aber höher zu gewichten als die Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit des Klägers. Der Wahrung des Schulfriedens kommt besonderes Gewicht zu. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil durch die Verrichtung des Gebets eine bereits bestehende hinreichende Wahrscheinlichkeit der Störung des Schulfriedens aufgrund religiöser Konflikte erhöht würde und deshalb eine besonders intensive Gefahrenlage für den Schulfrieden zu besorgen wäre. Bei einer solchen Fallgestaltung muss die Religionsausübung des Klägers hinter die Wahrung des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Schulfriedens zurücktreten.

62

ff) Die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers kann auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden. Wie bereits dargelegt, ist nach der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht die Verrichtung des Gebets auf dem Flur des Schulgebäudes nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in Verbindung mit Nr. II. 16 der Schulordnung des D.-Gymnasiums nicht zulässig. Obwohl § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG als Generalklausel die Einschränkung der Religionsausübung nicht speziell anspricht und Nr. II. 16 der Schulordnung nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber verantwortet ist, reichen diese Bestimmungen als Grundlage für eine Einschränkung der Glaubensfreiheit aus, soweit es nicht um die Konkretisierung des Gebots staatlicher Neutralität mit Blick auf abstrakt mögliche Gefährdungen des Schulfriedens, sondern - wie hier - um die Abwehr konkreter Gefahren für dieses Schutzgut geht (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>).

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Schüler, begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein islamisches Gebet zu verrichten.

2

Der am 17. August 1993 geborene Kläger ist muslimischen Glaubens. Er besucht das D.-Gymnasium in Berlin Wedding. Im November 2007 verrichtete er in der Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden zusammen mit Mitschülern auf einem Flur des Schulgebäudes das Gebet nach islamischem Ritus. Die Schüler knieten dabei auf ihren Jacken, vollzogen die nach islamischem Ritus erforderlichen Körperbewegungen und deklamierten den vorgegebenen Text. Das Gebet dauerte etwa zehn Minuten. Andere Schüler sahen zu.

3

Am folgenden Tag wies die Leiterin der Schule die Schüler, die an dem Gebet beteiligt waren, darauf hin, die Verrichtung eines Gebets werde auf dem Schulgelände nicht geduldet. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie den Eltern des Klägers mit, an der Schule seien religiöse Bekundungen nicht erlaubt; zu ihnen gehörten insbesondere Gebete.

4

Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben und beantragt, festzustellen, dass er berechtigt sei, während des Besuchs des D.-Gymnasiums außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten.

5

Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Feststellung getroffen: Der Kläger könne sich für sein Anliegen auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit berufen. Andere Verfassungsrechte schränkten dieses Recht nicht ein.

6

Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen: Das Anliegen des Klägers werde zwar vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Religionsausübung erfasst. Dieses Grundrecht sei hier jedoch zum Schutz von Grundrechten Dritter und von Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang eingeschränkt. Die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude beeinträchtige die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler. Sie hätten grundsätzlich einen Anspruch darauf, von Äußerungen eines Glaubens verschont zu bleiben, den sie nicht teilten. Das vom Grundgesetz gewährleistete Elternrecht verleihe zudem den Eltern die Befugnis, ihre Kinder von Glaubensäußerungen fernzuhalten, die sie als falsch oder schädlich ansähen. Die deshalb erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit des Klägers und den betroffenen Grundrechten Dritter falle zu Lasten des Klägers aus. An der von ihm besuchten Schule sei unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Dort würden bereits religiös motivierte Konflikte ausgetragen. Das führe zu einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens. Diese Konfliktlage würde sich noch verschärfen, wenn dem Anliegen des Klägers Rechnung getragen würde.

7

Der Kläger hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er sein erstinstanzlich erfolgreiches Begehren weiterverfolgt: Ihm stehe aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit das Recht zu, im Schulgebäude das islamische Ritualgebet zu verrichten. Die Glaubensfreiheit sei weder durch Grundrechte Dritter noch durch andere mit Verfassungsrang versehene Rechtsgüter eingeschränkt. Insbesondere könne eine Einschränkung nicht aus der negativen Religionsfreiheit anderer Schüler, dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates und der Verpflichtung zur Wahrung des Schulfriedens hergeleitet werden. In der Sache unzutreffend sei die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, aufgrund religiöser Konflikte zwischen Schülern bestehe bereits jetzt eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden, die durch die Verrichtung des Gebets verschärft werde.

8

Das beklagte Land tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

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1. Das Oberverwaltungsgericht hat in Einklang mit Bundesrecht die Klage als zulässig angesehen.

11

a) Das Begehren des Klägers ist als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

12

Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (Urteil vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264 f.> = Buchholz 454.9 Mietpreisrecht Nr. 15 S. 3). Der Streit der Beteiligten betrifft die Bedeutung und Tragweite des Art. 4 Abs. 1 GG, einer Vorschrift des öffentlichen Rechts, und dessen Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich den Vorgang aus dem November 2007, als der Kläger zusammen mit Mitschülern auf dem Flur des Schulgebäudes in einer Pause das rituelle islamische Gebet verrichtete. Der Kläger berühmt sich des Rechts, in dieser Weise auch künftig vorgehen zu dürfen. Die Schulverwaltung bestreitet das Bestehen eines solchen Rechts.

13

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Nachdem die Schulleiterin ihn und seine Eltern darauf hingewiesen hat, religiöse Bekundungen wie Gebete seien in der Schule nicht erlaubt, muss er mit Sanktionen in der Gestalt von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen rechnen, wenn er das von ihm als erlaubt angesehene Verhalten fortsetzt. Ihm ist nicht zuzumuten, solche Sanktionen abzuwarten und erst im Zusammenhang mit ihnen die streitige Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen.

14

Der Feststellungsklage steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Namentlich konnte der Kläger seine Rechte nicht durch eine Anfechtungsklage verfolgen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, enthielten sowohl der mündliche Hinweis der Schulleiterin an den Kläger, die Verrichtung eines Gebets auf dem Schulgelände werde nicht geduldet, als auch das nachfolgende Schreiben an seine Eltern lediglich Hinweise auf die Rechtslage, wie sie nach Ansicht der Schulleiterin besteht, aber keine Regelungen. Sie waren mithin keine Verwaltungsakte. Das Oberverwaltungsgericht hat sich diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht. Der Senat hat keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung.

15

b) Der Kläger hat die Klage wirksam erhoben. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und deshalb nach bürgerlichem Recht in seiner Geschäftsfähigkeit noch beschränkt war, war er dennoch prozessfähig. Er war im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO durch Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts für den Gegenstand seines Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt. Nach § 5 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBl S. 939, BGBl III 404-9) steht dem Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Die Bestimmung legt das Alter fest, bei dem angenommen wird, dass der Einzelne weitgehend selbst über sein Recht auf Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG zu verfügen vermag (Religionsmündigkeit). Die Religionsmündigkeit erstreckt sich auf alle mit der religiösen Selbstbestimmung im Zusammenhang stehenden Fragen einschließlich der Verrichtung religiöser Handlungen (Huber in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, Anhang zu § 1631 § 5 RelKErzG Rn. 2). Mithin wird der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens von der Religionsmündigkeit erfasst.

16

2. Ebenfalls mit Bundesrecht vereinbar ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger könne die von ihm begehrte Feststellung nicht beanspruchen und seine Klage sei deshalb unbegründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der verfassungsrechtlich verbürgten Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Auf der Grundlage des Sachverhalts, den das Oberverwaltungsgericht bindend festgestellt hat (§ 137 Abs. 2 VwGO), berechtigt diese Verfassungsbestimmung den Kläger nicht, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein rituelles islamisches Gebet zu verrichten.

17

a) Das Anliegen des Klägers wird allerdings durch den Schutzbereich der verfassungsrechtlich garantierten Glaubensfreiheit erfasst.

18

Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein Grundrecht der Glaubensfreiheit, das umfassend zu verstehen ist (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <79>). Dieses Grundrecht bezieht sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>). Das von der Glaubensfreiheit umfasste Recht der Religionsausübung ist extensiv auszulegen und erstreckt sich auf kultische Handlungen, die ein Glauben vorschreibt oder in denen er Ausdruck findet, wie z.B. Gebete (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <15 f.>). Zwar kann nicht jedes Verhalten einer Person nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck einer besonders geschützten Glaubensfreiheit angesehen werden. Beansprucht der Einzelne ein Verhalten als Ausdruck seiner Glaubensfreiheit für sich, darf vielmehr bei der Würdigung das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft nicht außer Betracht bleiben. Es kommt darauf an, ob sich das Verhalten nach Gehalt und Erscheinung als Glaubensregel der jeweiligen Religionsgemeinschaft dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hinreichend plausibel zuordnen lässt (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <298 f.>).

19

Daran gemessen unterfällt die streitige Verrichtung des Gebets durch den Kläger dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts geht es dem Kläger um das rituelle Pflichtgebet ("as-salat"), das nach den Regeln des islamischen Glaubens fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten zu verrichten ist. Dieses Pflichtgebet zeichnet sich dadurch aus, dass der Betende auf einem rituell sauberen Platz mit dem Gesicht gen Mekka in einer vorgegebenen Abfolge von Körperhaltungen bestimmte Gebetstexte deklamiert. Ein solches Pflichtgebet ist unter anderem zur Mittagszeit zu verrichten. Der Kläger möchte diese rituelle Handlung in der Schule außerhalb der Unterrichtszeit vornehmen, wenn die Zeitspanne, die für das Gebet vorgeschrieben ist, in die Zeit des Schulbesuchs fällt. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lässt sich ein Gebot, das rituelle Pflichtgebet zu den dafür festgesetzten Zeiten zu verrichten, als islamisch-religiös begründete Glaubensregel dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen. In dem angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass der Kläger die Einhaltung dieser Glaubensregel als für sich verbindlich ansieht. Deshalb vermag er sich grundsätzlich auf den Schutz der Glaubensfreiheit zu berufen.

20

Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasst hier auch die freie Wahl des Ortes, an dem der Kläger das Gebet verrichten möchte.

21

Um sein rituelles Gebet zu verrichten, benötigt der Kläger Raum, konkret einen Bereich des Schulflurs, dessen Nutzung nicht seinem Bestimmungsrecht, sondern dem Bestimmungsrecht der Schulverwaltung unterliegt und der als Verkehrsfläche, nämlich als Zugang zu Klassenräumen, Fachräumen, Lehrerzimmern, Toiletten und Ausgängen zur Verfügung gestellt ist.

22

Für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, es begründe kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht. Die Entscheidung über Ort und Zeit der Versammlung ist zwar frei, setzt aber die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus. Das Recht der freien Ortswahl umfasst nicht das Recht, fremdes Eigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen. Dies gilt auch für ein Grundstück, das nach dem Willen des Trägers nur im Rahmen einer eingeschränkten Zweckbestimmung zur Verfügung steht (Urteil vom 29. Oktober 1992 - BVerwG 7 C 34.91 - BVerwGE 91, 135 <138 f.> = Buchholz 11 Art. 8 GG Nr. 6 S. 15; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1204>).

23

Hiervon unterscheidet sich jedoch die Ausübung der Glaubensfreiheit. Zwar verschafft auch sie dem Einzelnen keinen Anspruch auf Zutritt zu ihm sonst nicht zugänglichen Räumen. Die Glaubensfreiheit ist dem Bürger nur dort gewährleistet, wo er tatsächlich Zugang findet. Anders als die kollektiv ausgeübte Versammlungsfreiheit schließt die Ausübung der Glaubensfreiheit als Recht des Einzelnen in der Regel keinen besonderen Raumbedarf ein, der typischerweise mit Belästigungen verbunden ist. Als Individualgrundrecht steht sie dem Bürger vom Grundsatz her überall dort zu, wo er sich jeweils befindet (vgl. zu der in dieser Hinsicht vergleichbaren Freiheit der Meinungsäußerung: BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1208>).

24

Das gilt jedenfalls für einen Schüler, der in der Schule ein ihm von seiner Religion vorgeschriebenes Gebet verrichten will. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <49>). Dies gilt insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300>). Der Schüler bringt seine Persönlichkeitsrechte in die Schule ein. Gleichzeitig ist er in die Schule und den Unterrichtsablauf eingebunden. Er kann die Schule auch während der Pausen zwischen den Unterrichtsstunden nicht ohne Weiteres verlassen. Darauf könnte er auch nicht verwiesen werden. Er hält sich auch während der Pausen bestimmungsgemäß in der Schule auf und kann - vorbehaltlich noch zu erörternder Schranken - sich dort seinen persönlichen Neigungen und Bedürfnissen entsprechend betätigen. Jedenfalls aufgrund dieser Eingebundenheit in die Schule kann ihm die Wahl von Zeit und Ort des Gebets nicht unter Hinweis darauf von vornherein verwehrt werden, die Schulverwaltung habe die überhaupt in Betracht kommenden Räume ausschließlich für eine andere Nutzung vorgesehen. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit umfasst in dieser Lage den Zugriff auf einen Raum, der hierfür tatsächlich zur Verfügung steht.

25

b) Insoweit besteht das Grundrecht der Glaubensfreiheit aber nicht uneingeschränkt. Die Glaubensfreiheit verleiht dem Kläger hier nicht das Recht, das Gebet auf dem Schulflur zu verrichten.

26

Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 verbürgte Glaubensfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Die Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Glaubensfreiheit bedarf überdies einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>).

27

Zwar ist das Recht des Klägers, seinen Glauben zu bekunden, nicht durch die negative Glaubensfreiheit anderer Schüler und der Lehrer eingeschränkt. Ebenso wenig findet sein Grundrecht eine Schranke in dem elterlichen Erziehungsrecht. Eine solche Schranke kann ferner nicht aus dem Gebot religiöser Neutralität hergeleitet werden, das den Staat verpflichtet. Das Grundrecht des Klägers auf Glaubensfreiheit ist aber zum Schutze des Schulfriedens eingeschränkt, der zu den Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang gehört.

28

aa) Die in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensfreiheit umfasst neben der Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben sowie sich zu diesen Überzeugungen zu bekennen und sie zu verbreiten, auch die negative Glaubensfreiheit, also die Freiheit, keine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu haben oder eine solche abzulehnen (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 - BVerfGE 122, 89 <119>). Insoweit ist auch die Freiheit gewährleistet, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben; das bezieht sich auch auf Kulte und Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301 f.>).

29

Indes wird in die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler nicht eingegriffen, wenn sie auf dem Flur des Schulgebäudes dem betenden Kläger begegnen.

30

Die negative Glaubensfreiheit ist ein Abwehrrecht, das sich gegen den Staat richtet. Der Staat darf keine Lage schaffen, in welcher der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist. Insofern entfaltet Art. 4 Abs. 1 und 2 GG seine Freiheit sichernde Wirkung gerade in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen sind, wie dies auf die Schule zutrifft (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Auch insoweit wendet sich die negative Glaubensfreiheit aber gegen den Staat. Ihm ist es verwehrt, den Einzelnen gegen seinen Willen zwangsweise mit fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen zu konfrontieren, etwa indem er Klassenräume mit solchen Symbolen ausstattet oder den Schülern in der Gestalt von Lehrkräften entgegentritt, die durch ihr Auftreten ihre religiösen Überzeugungen in den Unterricht hineintragen. Machen hingegen Schüler in der Schule von ihrer Glaubensfreiheit durch das Tragen religiöser Symbole oder durch kultische Handlungen Gebrauch, ist allenfalls eine Schutzpflicht des Staates gegenüber den Mitschülern betroffen. In dem von ihm in Vorsorge genommenen Bereich der Schule muss der Staat auch garantieren, dass der Einzelne nicht mit Verantwortung des Staates einer religiösen Äußerung eines privaten Dritten ausgesetzt ist, die seine negative Religionsfreiheit zu verletzen geeignet ist. Glaubensäußerungen von Schülern hat der Staat nicht veranlasst. Sie sind ihm nicht zuzurechnen. Seine Verantwortung besteht darin, dass er Schüler unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Glaubenshaltungen in einer Schule zusammenführt. Seine Schutzpflicht für deren negative Glaubensfreiheit fällt weithin mit seiner Aufgabe zusammen, den Schulfrieden zu wahren, also keine auch religiösen Konflikte zuzulassen, die der Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und dem ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf entgegenstehen. Die Schutzpflicht des Staates geht jedenfalls nicht soweit, dass er Schüler oder auch Lehrkräfte vor jeder Begegnung mit Äußerungen eines ihnen fremden, von ihnen nicht geteilten Glaubens bewahren müsste. Mitschüler und Lehrkräfte werden mit dem betenden Kläger nicht unausweichlich konfrontiert. Sie haben es zwar nicht selbst in der Hand, ob sie auf einem Weg durch die Schule auf den Kläger bei der Verrichtung seines Gebets treffen. Es bleibt ihnen aber unbenommen, bei einer Begegnung mit dem betenden Kläger einen anderen Weg zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass in der Schule die Möglichkeiten des Ausweichens beschränkt seien, hat damit aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass solche Möglichkeiten tatsächlich, wenn auch in eingeschränktem Umfang, bestehen. Diese tatsächliche Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Begegnung mit dem betenden Kläger beschränkt sich mithin auf ein eher flüchtiges Zusammentreffen. Mitschüler und Lehrkräfte werden dadurch nicht dem Einfluss eines anderen, von ihnen abgelehnten Glaubens in einer Weise ausgesetzt, die ihnen nicht zumutbar ist. Der Einzelne hat in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich verschont zu bleiben (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <302>). Dies gilt auch für den Lebensbereich der Schule.

31

bb) Die Glaubensfreiheit des Klägers kann nicht mit der Erwägung eingeschränkt werden, dies diene dem Schutz des Erziehungsrechts der Eltern seiner Mitschüler.

32

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht. Dieses Grundrecht umfasst zusammen mit Art. 4 Abs. 1 GG das Recht zur Kindererziehung in weltanschaulicher und religiöser Hinsicht. Daher ist es zuvörderst Sache der Eltern, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln, die sie für richtig halten (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <17>). Dem entspricht das Recht, die Kinder von Glaubensüberzeugungen fernzuhalten, die den Eltern als falsch oder schädlich erscheinen (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301>).

33

Was die Begegnung von Kindern mit religiösen Handlungen Dritter angeht, reicht das elterliche Erziehungsrecht aber nicht weiter als die negative Glaubensfreiheit der Kinder. Dementsprechend verleiht das Erziehungsrecht den Eltern nicht die Befugnis, ihre Kinder vor jeglicher Begegnung mit religiösen Handlungen Dritter zu schützen. Das Erziehungsrecht als ebenfalls gegen den Staat gerichtetes Grundrecht kann nur dann betroffen sein, wenn das Kind mit Verantwortung des Staates solchen Handlungen unausweichlich ausgesetzt ist. Dies ist hier mit Blick auf die Mitschüler des Klägers - wie aufgezeigt - nicht der Fall.

34

cc) Die Glaubensfreiheit des Klägers ist nicht durch das verfassungsrechtliche Gebot religiöser Neutralität des Staates beschränkt. Die Schulverwaltung wäre nicht berechtigt, unter Hinweis auf dieses Gebot die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude zu unterbinden.

35

Das Grundgesetz begründet für den Staat als Heimstatt aller Staatsbürger die Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität. Es verbietet, staatskirchliche Rechtsformen einzuführen, und untersagt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren und Andersgläubige auszugrenzen. Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten. Er darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren. Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist indes nicht als eine distanzierende Haltung im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende Haltung, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördert. Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <299 f.>).

36

Dies gilt nach dem bisherigen Verständnis des Verhältnisses von Staat und Religion, wie es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinen Niederschlag gefunden hat, insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule, für den seiner Natur nach religiöse und weltanschauliche Vorstellungen von jeher relevant waren. Danach muss die Schule für unterschiedliche weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Für die Spannungen, die bei der gemeinsamen Erziehung von Kindern unterschiedlicher Weltanschauungs- und Glaubensrichtungen unvermeidlich sind, muss unter Berücksichtigung des Toleranzgebots als Ausdruck der Menschenwürde nach einem Ausgleich gesucht werden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300 f.>). Die Neutralitätspflicht des Staates verlangt danach keine Schule, die von jeglichen religiösen Bezügen frei gehalten wird. Die Schule ist vielmehr gehalten, die weltanschaulichen und religiösen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie in die eine oder andere Richtung einseitig zu bewerten (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

37

Daran gemessen ist eine Verletzung des Gebots staatlicher Neutralität nicht zu besorgen, wenn die Schulverwaltung zulässt, dass der Kläger sein Gebet auf dem Flur des Schulgebäudes verrichtet. Darin läge keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung im Sinne dieses Glaubens. Eine ausdrückliche oder konkludente Identifikation mit diesem Glauben wäre ebenfalls nicht zu verzeichnen. Das Gebet als kultische Handlung ist nicht von der Schulbehörde veranlasst, sondern beruht auf einer eigenen Entscheidung des Gläubigen. Duldet der Staat in der Schule die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, macht er sich dessen Bekenntnis zum islamischen Glauben, das in dem Gebet zum Ausdruck kommt, nicht zu eigen. Er muss es sich auch nicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.

38

Allerdings könnte der gesellschaftliche Wandel, der mit einer zunehmenden religiösen Pluralität verbunden ist, Anlass sein, das Ausmaß abweichend zu bestimmen, in dem religiöse Bezüge in der Schule zulässig sein sollen. Es lassen sich einerseits Gründe dafür anführen, die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten. Andererseits ist die zunehmende religiöse Vielfalt mit einem größeren Potenzial möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß religiöse Bezüge, die von Schülern in die Schule hineingetragen werden, aus der Schule grundsätzlich fernzuhalten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>).

39

Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, insbesondere, welche Verhaltensregeln für Schüler zur Wahrung des religiösen Friedens in der Schule aufgestellt werden sollen, hat aber nicht die Exekutive zu entscheiden. Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten parlamentarischen Landesgesetzgeber. Es hängt von einer Beurteilung der tatsächlichen Entwicklungen ab, ob gegenläufige Grundrechtspositionen von Schülern und Eltern oder andere Werte von Verfassungsrang eine Regelung rechtfertigen, die kultische Handlungen und die Verwendung von Kennzeichen mit religiösem Bezug weitgehend aus der Schule verbannen. Für diese Beurteilung verfügt nur der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können. Er hat zu beurteilen, ob von der Verrichtung kultischer Handlungen in der Schule oder der Verwendung von religiösen Symbolen bereits eine abstrakte Gefährdung des Schulfriedens ausgeht, und muss gegebenenfalls zu deren Abwehr eine darauf zugeschnittene Rechtsgrundlage schaffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <307>).

40

Eine solche durch den parlamentarischen Gesetzgeber geschaffene Rechtsgrundlage fehlt im Landesrecht von Berlin. Zwar regelt die Schulordnung des D.-Gymnasiums in ihrer Nr. II 16 unter Hinweis auf das Gebot weltanschaulicher und religiöser Neutralität des Staates, dass die Ausübung religiöser Riten im Religionsunterricht erfolgt. Die Schulordnung lässt sich ihrerseits auf eine parlamentarische Ermächtigung zurückführen. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 8 des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz - SchulG) vom 26. Januar 2004 (GVBl 2004, 26) entscheidet die Schulkonferenz über Verhaltensregeln für den geordneten Ablauf des äußeren Schulbetriebs (Hausordnung), an die die Schüler nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts gebunden sind. Die allgemeine Ermächtigung, auch für die Schüler verbindliche Verhaltensregeln zu erlassen, stellt nicht die erforderliche hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage dar, um Glaubensäußerungen der Schüler, wie der Vornahme religiöser Riten, bereits wegen der bloßen Möglichkeit einer Gefährdung oder eines Konflikts zu beschränken (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Deshalb ist es der Schulverwaltung derzeit verwehrt, ohne Rücksicht auf eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens im Einzelfall vorbeugend die Verrichtung von Gebeten und die Vornahme vergleichbarer kultischer Handlungen in der Schule wegen deren abstrakter Eignung, den Schulfrieden zu gefährden, zu unterbinden.

41

dd) Die Glaubensfreiheit des Klägers und seine daraus herleitbare Berechtigung, auch in der Schule sein Gebet zu verrichten, finden ihre Schranke aber in dem Gebot, den Schulfrieden zu wahren.

42

Die Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags nach Art. 7 Abs. 1 GG setzt voraus, dass der Schulfrieden gewahrt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht, damit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag verwirklicht werden kann (vgl. Zimmermann, LKV 2010, 394 <398> m.w.N.). Der Schulfrieden kann auch durch religiös motiviertes Verhalten beeinträchtigt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303 und 307>). Der religiöse Schulfrieden ist ein Schutzzweck von herausragender Bedeutung (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 2 C 45.03 - BVerwGE 121, 140 <152> = Buchholz 237.0 § 9 BaWüLBG Nr. 1 S. 10). Die Vermeidung religiös-weltanschaulicher Konflikte in öffentlichen Schulen stellt ein gewichtiges Gemeinschaftsgut dar (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

43

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts würde die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur durch den Kläger eine ohnehin bereits bestehende konkrete Gefahr für den Schulfrieden weiter verschärfen.

44

Nach diesen Feststellungen ist an dem D.-Gymnasium unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Aufgrund dieser heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft sind unter den Schülern teilweise sehr heftige Konflikte ausgetragen worden, die von Vorwürfen gegen Mitschüler ausgingen, diese seien nicht den Verhaltensregeln gefolgt, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben, wie beispielsweise dem Gebot, ein Kopftuch zu tragen, Fastenvorschriften einzuhalten, Gebete abzuhalten, kein Schweinefleisch zu verzehren, "unsittliches Verhalten" und "unsittliche Kleidung" sowie persönliche Kontakte zu "unreinen" Mitschülern zu vermeiden. Aus derartigen Anlässen sei es etwa zu Mobbing, Beleidigung, insbesondere mit antisemitischer Zielrichtung, Bedrohung und sexistischen Diskriminierungen gekommen. Hierauf aufbauend hat das Oberverwaltungsgericht den Schluss gezogen, die ohnehin bestehende Konfliktlage würde sich verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne.

45

An diese tatsächlichen Feststellungen und die darauf aufbauende Beweiswürdigung ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Der Kläger hat dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.

46

Der Kläger beanstandet im Kern, das Oberverwaltungsgericht habe jedenfalls auf der Grundlage einer zu schmalen Tatsachenbasis angenommen, an der von ihm besuchten Schule sei bereits jetzt der Schulfrieden konkret gefährdet. Der Kläger rügt damit der Sache nach, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt jedoch nicht vor.

47

Der Überzeugungsgrundsatz ist verletzt, wenn der Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, weil das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 28), oder weil seine Beweiswürdigung aktenwidrig oder objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4). Das Revisionsgericht kann die Beweiswürdigung nicht daraufhin überprüfen, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Sachverhaltswürdigung eingegangen sind und ob solche Umstände die Würdigung zu tragen vermögen (Urteil vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16 f.).

48

Der Revisionsbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht in dieser Hinsicht das Gebot der freien Beweiswürdigung verletzt hat. Es hat seine Feststellung, der Schulfrieden sei bereits jetzt konkret gefährdet, auf eine Reihe von Beispielen gestützt, die das beklagte Land nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts substantiiert vorgetragen hatte und die in dem Urteil beispielhaft wiedergegeben werden. Das Oberverwaltungsgericht ist dabei zwar nicht ausdrücklich auf den Hinweis des Klägers eingegangen, die geschilderten Konflikte mit religiösem Hintergrund wiesen keinen Bezug zu dem von ihm geübten Gebet auf, er - der Kläger - sei an diesen Konflikten nicht beteiligt gewesen, habe im Gegenteil auf der Schule viele christliche Freunde, die seine streng religiöse Haltung sogar gut fänden. Indes kam es auf diese Umstände nicht entscheidungserheblich an. Das Oberverwaltungsgericht hat der Sache nach festgestellt, dass an dem D.-Gymnasium aufgrund der heterogenen religiösen Zusammensetzung der Schülerschaft ein Klima herrscht, in dem sich an religiösem Verhalten ebenso wie an offener Distanz zu religiösen Geboten aus durchaus geringem Anlass Konflikte entzünden. Von daher kam es nicht darauf an, ob schon bisher die Verrichtung ritueller Gebete in der Schule zu solchen Konflikten geführt hatte. Denn die offene Verrichtung eines rituellen Gebets konnte nach der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts in diesem Klima wiederum die Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Einstellungen zum Glauben und ihren Geboten aufbrechen lassen, weil es zum Mitmachen auffordert und geeignet ist, zwischen strengen und weniger strengen Anhängern einer Religion zu scheiden. Ob der Kläger in einer solchen Absicht gehandelt hat oder gar Auseinandersetzungen schüren wollte, war für das Oberverwaltungsgericht unerheblich, weil es aus seiner Sicht nur darauf ankam, dass in dem herrschenden Klima an der Schule die Verrichtung eines rituellen Gebets objektiv geeignet war, weiteren Unfrieden zu stiften. Ein Schuldvorwurf an den Kläger war damit nicht verbunden, so dass das Oberverwaltungsgericht auch nicht ausdrücklich auf seine Beteuerung eingehen musste, er sei an religiös motivierten Auseinandersetzungen nicht beteiligt; es konnte diesen Vortrag vielmehr ohne weiteres Eingehen darauf als wahr unterstellen. Ebenso musste das Oberverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht eigens auf die Aussage des Klägers eingehen, ihm - dem Kläger - seien die Vorfälle nicht bekannt, die das beklagte Land zur Stützung seines Vortrags heranziehe, an dem D.-Gymnasium sei bereits jetzt durch religiös motivierte Konflikte der Schulfriede gefährdet. Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Schulverwaltung den vollständigen Überblick über das Geschehen an dieser Schule hat, der dem Kläger nicht notwendig in derselben Weise zugänglich ist.

49

Sollte der Kläger die Revisionsbegründung insoweit auch als Rüge verstanden wissen wollen, das Oberverwaltungsgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, wäre die Rüge aus denselben Gründen unbegründet. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag des Klägers übergangen hat.

50

ee) Die Einschränkung des Grundrechts des Klägers auf Glaubensfreiheit steht im Einklang mit dem Gebot eines schonenden Ausgleichs der widerstreitenden Verfassungsgüter. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.

51

Die Einschränkung der Möglichkeit, in der Schule das rituelle islamische Mittagsgebet zu verrichten, ist geeignet, den damit verfolgten legitimen Zweck zu erreichen, der zutreffend prognostizierten Verschärfung der ohnehin bereits bestehenden konkreten Gefahr für den Schulfrieden zu begegnen.

52

An diesem Zweck ausgerichtet erweist sich die Beschränkung der Glaubensfreiheit als erforderlich. Der vorhersehbaren Gefährdung des Schulfriedens kann nicht durch eine andere gleich wirksame Maßnahme begegnet werden, die die Glaubensfreiheit des Klägers nicht oder weniger einschränkt.

53

Allerdings ist die Schule zunächst gehalten, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln gegenzusteuern. Die gewachsene religiöse Vielfalt in der Gesellschaft spiegelt sich besonders deutlich in der Schule wider. Sie ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinander treffen und an dem sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt. Ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten kann hier am nachhaltigsten durch Erziehung geübt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>). Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht in Auslegung des irrevisiblen Landesrechts festgestellt, dem Schulgesetz liege das Konzept zugrunde, dem beschriebenen Konfliktpotential mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Es ist gerade Aufgabe der Schule, ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten durch Erziehung zu üben. Nach § 1 Abs. 3 SchulG gehört es zum Auftrag der Schule, Persönlichkeiten heranzubilden, deren Haltung von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung bestimmt wird. Schulische Bildung und Erziehung sollen die Schüler insbesondere befähigen, ihre eigene Kultur sowie andere Kulturen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen und für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten (§ 3 Abs. 3 SchulG). Dem liegt die Vorstellung des Landesgesetzgebers zugrunde, dass die Integrationsaufgabe des Staates in einer pluralistischen Gesellschaft einen eigenständigen und umfassenden staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag erfordert, der über die Anforderungen an die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen hinausgeht und dessen Ziele einen ethischen, weltanschaulichen und politischen Mindestkonsens darstellen, der gleichzeitig die Offenheit für die in der Gesellschaft vorhandenen Wertauffassungen gewährleisten muss (Begründung der Regierungsvorlage zum Schulgesetz, Abghs-Drs 15/1842, S. 7).

54

Die Schule kann danach nicht stets sogleich gegen religiös geprägtes Verhalten eines Schülers vorgehen, wenn es Gegenreaktionen und Unruhe bei anderen Schülern auslöst. Von Fällen bewusster und gewollter Provokation abgesehen, stört nicht der Schüler den Schulfrieden, der nur von der ihm im Grundgesetz verheißenen Glaubensfreiheit Gebrauch macht, sondern derjenige, der daran in einer Weise Anstoß nimmt, die mit den Geboten der Toleranz nicht vereinbar ist. Hierdurch ausgelöste Störungen geben Anlass, sich damit etwa im Unterricht mit dem Ziel, wechselseitiges Verständnis zu wecken, auseinanderzusetzen. Anderenfalls hätten es einzelne oder wenige Schüler in der Hand auch bei einem an sich offenen Klima in der Schule durch unduldsames Anstoßnehmen Störungen herbeizuführen, die dann zum Anlass einseitigen Einschreitens genommen werden.

55

Andererseits sind den Möglichkeiten der Schule Grenzen gesetzt, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Das gilt namentlich in Fällen, in denen religiös geprägtes und umgekehrt betont religionsfernes Verhalten wechselseitig zu Auseinandersetzungen geführt und ein allgemeines Klima geschaffen haben, in dem das Aufgreifen einzelner Vorgänge angesichts des damit verbundenen Aufwands keinen Sinn mehr verspricht. Jedenfalls in einem solchen Fall setzt sich der übergeordnete Zweck der staatlichen Veranstaltung Schule durch, im Interesse des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule für alle Schüler einen geordneten Unterrichtsablauf sicherzustellen. Diesem eigentlichen Zweck der Schule sind alle Schüler verpflichtet. Der Einzelne muss um dieses Zweckes willen in einer solchen Lage auf ein an sich erlaubtes Verhalten verzichten, ohne dass es darauf ankommt, ob ihm der Vorwurf gemacht werden kann, gerade er störe schuldhaft den Schulfrieden.

56

Derartige Verhältnisse hat das Oberverwaltungsgericht für das D.-Gymnasium festgestellt und darauf aufbauend, den Sachverhalt dahin gewürdigt, angesichts der konkreten Verhältnisse an dieser Schule genügten erzieherische Mittel allein nicht, den erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen, die zu erwarten wären, wenn die streitige Verrichtung des Gebets zugelassen würde. Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere darauf hingewiesen, soweit die Schule überhaupt in der Lage gewesen sei, an Konflikten beteiligte Schüler zu einem Gespräch zusammenzubringen, seien diese Gespräche fruchtlos geblieben. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat wiederum gebunden.

57

Als ein milderes Mittel kommt grundsätzlich auch in Betracht, betwilligen Schülern einen Raum zuzuweisen, wo sie ihre Gebete unbeobachtet von anderen Schülern verrichten können. Zwar verleiht Art. 4 GG keinen Anspruch darauf, der Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Darum geht es in diesem Zusammenhang aber auch nicht. Der Kläger begehrt keine Leistung der Schule, auf die er keinen Anspruch hätte. Es geht nur darum, ob die Schule, bevor sie die Verrichtung des Gebets gänzlich unterbindet, im Rahmen des verhältnismäßigen Ausgleichs aus dem ohnehin Vorhandenen einen Raum anbieten kann, der für die Verrichtung des Gebets zur Verfügung steht. Sie muss hingegen nicht erst Räume für diesen Zweck schaffen. Der Kläger muss die Schule so hinnehmen, wie sie ist.

58

Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Einrichtung eines speziellen Raums zur Verrichtung des Gebets die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen würde. An diese Feststellung ist der Senat gebunden. Danach liegen bereits fünf Anträge vor, am D.-Gymnasium Gebetsräume einzurichten. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, die Schule habe in der Vergangenheit schon einmal einen gemeinsamen Gebetsraum eingerichtet, der wieder habe geschlossen werden müssen, nachdem es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen, die ein Kopftuch getragen hätten, und anderen, die dies nicht getan hätten, gekommen sei, und nachdem die Jungen es abgelehnt hätten, gemeinsam mit Mädchen zu beten. Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt dahin gewürdigt, es müssten umfangreiche Vorkehrungen für eine differenzierte räumliche Aufteilung getroffen und deren ungestörte Benutzung durch Aufsichtspersonal gewährleistet werden.

59

Die Einschränkung der Glaubensfreiheit erweist sich als angemessen. Sie steht nicht außer Verhältnis zu dem sie rechtfertigenden legitimen Zweck.

60

Allerdings wiegt die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers nicht leicht. Er unterliegt zwar nicht mehr der Schulpflicht. Um den angestrebten Schulabschluss zu erreichen, ist er jedoch gehalten, sich zu den Zeiten im Schulgebäude aufzuhalten, die von der Schule vorgegeben sind. Die Einschränkung des Grundrechts wiegt nicht deshalb leichter, weil das hier inmitten stehende Mittagsgebet nach Ablauf des dafür vorgesehenen Zeitraums nachgeholt werden könnte. Hierauf kann der Kläger nicht verwiesen werden. Er sieht die Einhaltung der vorgegebenen Zeitspanne als für sich verbindlich an. Dies lässt sich - wie dargelegt - dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen.

61

Der mit der Einschränkung des Grundrechts verfolgte Zweck ist aber höher zu gewichten als die Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit des Klägers. Der Wahrung des Schulfriedens kommt besonderes Gewicht zu. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil durch die Verrichtung des Gebets eine bereits bestehende hinreichende Wahrscheinlichkeit der Störung des Schulfriedens aufgrund religiöser Konflikte erhöht würde und deshalb eine besonders intensive Gefahrenlage für den Schulfrieden zu besorgen wäre. Bei einer solchen Fallgestaltung muss die Religionsausübung des Klägers hinter die Wahrung des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Schulfriedens zurücktreten.

62

ff) Die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers kann auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden. Wie bereits dargelegt, ist nach der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht die Verrichtung des Gebets auf dem Flur des Schulgebäudes nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in Verbindung mit Nr. II. 16 der Schulordnung des D.-Gymnasiums nicht zulässig. Obwohl § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG als Generalklausel die Einschränkung der Religionsausübung nicht speziell anspricht und Nr. II. 16 der Schulordnung nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber verantwortet ist, reichen diese Bestimmungen als Grundlage für eine Einschränkung der Glaubensfreiheit aus, soweit es nicht um die Konkretisierung des Gebots staatlicher Neutralität mit Blick auf abstrakt mögliche Gefährdungen des Schulfriedens, sondern - wie hier - um die Abwehr konkreter Gefahren für dieses Schutzgut geht (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>).

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.