Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11

bei uns veröffentlicht am19.06.2012

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am ...1985 in Sheikhan geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, reiste am 3.2.2008 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er stamme aus dem im Sheikhan gelegenen Dorf Essya (gemeint wohl Esyan). Seine Familie, zu der außer seinen Eltern sieben Brüder und sechs Schwestern gehörten, lebe noch mit Ausnahme eines Bruders im Sheikhan. Er habe den Irak im Dezember 2004 verlassen und sich zunächst einige Monate in Griechenland aufgehalten. Er sei dann nach Holland geflogen und habe dort einen Asylantrag gestellt. Die holländischen Behörden hätten den Antrag im Mai 2006 abgelehnt und ihn zurück nach Griechenland geschickt, wo er zunächst in Abschiebehaft genommen worden sei. Nach seiner Freilassung sei er in den Irak zurückgekehrt. Am 22.1.2008 habe er den Irak wieder verlassen und sei über die Türkei nach Deutschland gereist. Der Grund dafür sei, dass er als Yezide von den Leuten merkwürdig angeschaut worden sei. Er habe auch schon gehört, dass in anderen yezidischen Dörfern Leute überfallen worden seien. Er selbst sei aber weder bedroht noch in anderer Weise behelligt worden.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) festgestellt hatte, dass der Kläger bereits am 23.5.2006 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte, ersuchte es mit Schreiben vom 10.4.2008 die griechischen Behörden um Aufnahme des Klägers. Das Ersuchen blieb trotz einer mit Schreiben vom 14.5.2008 erfolgten Erinnerung unbeantwortet.
Das Bundesamt lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8.9.2008 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Griechenland an. Zur Begründung führte es aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Griechenland aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO für die Behandlung des Antrags zuständig sei.
Der Kläger hat am 9.9.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 S. 2 AufenthG festzustellen, weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen. Der Kläger hat ferner am gleichen Tag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, auf den das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen und für den Fall, dass die zuständige Ausländerbehörde von der Abschiebungsanordnung bereits in Kenntnis gesetzt worden sei, dieser mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten nicht durchgeführt werden dürfe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 29.9.2009 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufgehoben und die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei nicht mehr gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da die Beklagte inzwischen für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden sei. Zwar sei ursprünglich Griechenland für das Asylverfahren des Klägers zuständig gewesen, da der Kläger bereits am 23.5.2006 auf dem Flughafen von Athen einen Asylantrag gestellt habe. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers sei jedoch gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergangen, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Zwar habe die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen. Diese einstweilige Anordnung stelle jedoch keinen Rechtsbehelf dar, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Der zulässig gewordene Asylantrag des Klägers sei auch begründet, da dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak eine religiös motivierte Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG drohe. Die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 2.2.2010 zugelassene Berufung der Beklagten. Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 29.6.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Beklagte hat das Verfahren am 25.3.2011 wieder angerufen.
Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Ansicht, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf Deutschland übergangen sei. Die sechsmonatige Frist für den Übergang der Zuständigkeit beginne erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem die Behörde den Bescheid auch vollziehen könne und sich dabei ausschließlich den technischen Problemen der Überstellung widmen könne. Unabhängig davon halte das Verwaltungsgericht den Asylantrag auch zu Unrecht für in der Sache begründet. Nach dem Vorbringen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass dieser den Irak unter dem Druck individuell erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen habe. Eine gruppenspezifische Gefährdung der Yeziden im Irak lasse sich nicht feststellen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
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Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
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1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
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a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
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Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
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aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
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Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
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bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
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Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
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b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
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Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
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Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
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2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
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3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
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a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
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Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
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b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
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Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
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c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
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aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
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Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
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bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
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Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11 zitiert oder wird zitiert von 38 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 29. März 2012 - 3 A 456/11

bei uns veröffentlicht am 29.03.2012

Tenor Unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.4.2011 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 68/10 - wird die Klage insgesamt abgewiesen.Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergeric
37 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11.

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 21. Apr. 2016 - W 1 K 14.30335

bei uns veröffentlicht am 21.04.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Die am ... geborene Klägerin ist Staatsangehörige des K

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. März 2015 - 13a ZB 15.50002

bei uns veröffentlicht am 06.03.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gege

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. März 2015 - 13a ZB 15.50001

bei uns veröffentlicht am 11.03.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung ge

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. März 2015 - 13a ZB 14.50070

bei uns veröffentlicht am 11.03.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.4.2011 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 68/10 - wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

Soweit die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten auferlegt wurden, wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auch dieser Kostenanteil dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit aus der Region Ninive. Er reiste eigenen Angaben zufolge im Dezember 2009 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte zusammen mit seiner Ehefrau die Anerkennung als Asylberechtigte. Am 30.3.2010 wurde für ein gemeinsames in Deutschland geborenes Kind ebenfalls ein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt der Beklagten am 7.1.2010 erklärte der Kläger, er habe sich zuletzt im Dorf Bozan aufgehalten, das zu Al Qosh gehöre. Dort lebe auch noch eine verheiratete Schwester, weitere Verwandten im Irak habe er nicht. Nach seinem Abitur 1997 in Al Qosh habe er zunächst zwei Jahre an der Fachhochschule in Mossul Elektrotechnik und anschließend von 1999 bis 2002 mit erfolgreichem Abschluss Informatik studiert. Zuletzt habe er vom 20.8.2003 bis zum 3.9.2009 als Ingenieur in einer Schwefelfabrik in Mishrak gearbeitet. Er habe auch gegen Entgelt im Dorf Satellitenanlagen installiert. Die Arbeit in der Fabrik sei schwierig gewesen, weil die Fahrten dorthin problematisch gewesen seien. Er sei mit dem PKW von Bozan bis nach Bashika/Bahzani gefahren und von dort mit dem Kleinbus der Firma weiter gereist. Er habe große Angst vor Terroristen gehabt, weil er Yezide sei. Andere Yeziden, die in einer Textilfabrik gearbeitet hätten, seien im April 2007 ermordet worden. In der Fabrik hätten alle gewusst, dass er Yezide sei. Sie hätten ihn deswegen gehasst. Er habe auch Probleme beim Überqueren der kurdischen Kontrollpunkte auf dem Weg von Bashika nach Bozan gehabt. Er sei zum Beispiel immer gefragt worden, wie es möglich sei, dass er als Yezide eine Arbeitsstelle in der Fabrik bekommen habe. Man habe ihm unterstellt, der kurdischen Opposition anzugehören und Kurden zu hassen. Dies führe er darauf zurück, dass er nach der Ankündigung der Kurden im Oktober 2004, in Schulen kurdisch zu unterrichten, zusammen mit anderen gefordert habe, dass der Unterricht auch in arabischer Sprache abgehalten werde. Damals - im Jahr 2004 - sei er zu Parteiverantwortlichen in Al Qosh bestellt worden. Man habe ihm gedroht, dass er in Kurdistan keine Ruhe haben werde und dort niemals arbeiten dürfe. Dann sei er zu einer Parteistelle in Telkef und nach Sheikhan gebracht worden. Dort sei er fünf Tage zusammen mit acht anderen inhaftiert gewesen, danach sei er freigelassen worden. Er sei jedoch eine unerwünschte Person geblieben. Die Parteifunktionäre hätten ihn öfter bestellt, manchmal alle 20 Tage, manchmal alle zwei Monate. Sie hätten ihm stets gedroht und erklärt, er habe ein großes Verbrechen gegen Kurdistan begangen. Nach den Wahlen am 15.1.2009 hätten die Schwierigkeiten zugenommen, weil andere Kräfte in Mossul an die Macht gekommen seien, die gegen die kurdische Verwaltung gewesen seien. Außerdem habe es im Dorf eine Person gegeben, die dem kurdischen Geheimdienst angehöre. Dieser habe ihm gesagt, dass es besser für ihn sei, wenn er nicht mehr im Dorf gesehen werde. Im August 2009 seien Yeziden aus Bashika/Bahzani durch einen Sprengsatz, der an einem Auto angebracht gewesen sei, auf dem Weg von Telkef nach Mossul getötet bzw. verletzt worden. Es habe sich dabei um Yeziden gehandelt, die im gleichen Ministerium wie er selbst gearbeitet hätten. Auch habe es ein Problem mit einem anderen Mann aus seinem Dorf gegeben. Dieser habe ihn im Januar 2008 angezeigt und behauptet, er habe ihn beleidigt. Er sei vor einen Richter geladen worden, der ihn aber freigesprochen habe. Konkrete Schwierigkeiten mit staatlichen Sicherheitsorganen habe er nicht gehabt. Für die Ehefrau und das Kind des Klägers wurden keine eigenen Gründe geltend gemacht.

Mit Bescheiden vom 13.1.2010 betreffend den Kläger und seine Ehefrau und vom 12.5.2010 betreffend das gemeinsame Kind lehnte das Bundesamt der Beklagten die Anträge in vollem Umfang ab. Die Bescheide wurden am 21.1.2010 zugestellt bzw. am 14.5.2010 per Einschreiben zur Post gegeben.

Hiergegen erhoben der Kläger und seine Familie am 27.1.2010 und am 18.5.2010 jeweils Klage, die am 23.8.2010 miteinander verbunden wurden. Zur Begründung vertiefte der Kläger sein bisheriges Vorbringen, und machte des Weiteren geltend, Yeziden im Irak unterlägen einer Gruppenverfolgung.

Der Kläger und seine Familie haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 13.1.2010 und vom 12.5.2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG vorliegt,

weiterhin hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 15.4.2011 - 2 K 68/10 - hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter abgewiesen und unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 13.1.2010 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen. Die Klagen der Ehefrau und des Sohnes des Klägers wurden vollumfänglich abgewiesen.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass der Kläger aus Furcht vor einer von nichtstaatlichen Akteuren ausgehenden und an seine yezidische Religion anknüpfenden, unmittelbar bevorstehenden Bedrohung seines Lebens und seiner körperlichen Unversehrtheit ausgereist sei, und ihm daher ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 AsylVfG zustehe.

Der Kläger habe übereinstimmend mit seinen Angaben bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt in der mündlichen Verhandlung vor Gericht widerspruchsfrei und ohne Steigerung im Vorbringen und damit glaubhaft vorgetragen, dass er wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit und seines Engagements für einen zweisprachigen Unterricht in Schulen in nahezu allen Lebensbereichen von Muslimen und Mitgliedern kurdischer Parteien unter Druck gesetzt und bedroht worden sei. Man habe sogar von ihm verlangt, sein Dorf zu verlassen. Er sei gezwungen gewesen, seinen Arbeitsplatz in der Fabrik, in der er zuletzt der einzige von ursprünglich neun Yeziden gewesen sei, aufzugeben. Auf diesem Arbeitsplatz sei er von arabischen Mitarbeitern bedroht worden, die u. a. geäußert hätten, Yeziden müssten getötet werden. Die Übergriffe hätten im Jahr 2007 begonnen. Auf dem Weg zur Arbeit hätten Muslime, die sich „Gotteskämpfer“ genannt hätten, gezielt nach Yeziden gesucht. Diese hätten auf dem Weg nach Mossul 22 Yeziden getötet. Einen Monat, bevor er seine Arbeit bei der Fabrik aus Angst vor weiteren Übergriffen aufgegeben habe, hätten diese „Gotteskämpfer“ einen Sprengsatz unter das Fahrzeug eines Yeziden deponiert. Dabei sei eine Person getötet und eine andere verletzt worden. Ursprünglich seien in dem Firmenbus, der ihn immer zur Arbeit gebracht habe, Yeziden, Muslime und Christen gemeinsam zur Fabrik gefahren. Nach dem Weggang anderer yezidischer Kollegen habe er jedoch befürchtet, als einziger Yezide in diesem Bus den Übergriffen schutzlos ausgeliefert zu sein. Seine Versuche, den Arbeitsplatz zu wechseln, seien gescheitert. Abgesehen von diesen Schwierigkeiten habe er auch in seinem Dorf Probleme gehabt, weil er sich für einen zweisprachigen Unterricht in Schulen eingesetzt habe. Seither sei er regelmäßig bei den kurdischen Parteistellen vorgeladen und dort beleidigt und erniedrigt worden. Er sei nicht bereits früher ausgereist, weil er sich um seine Mutter gekümmert habe, die 2009 verstorben sei.

Vor diesem Hintergrund stehe fest, dass der Kläger bedingt durch seine yezidische Religionszugehörigkeit und aufgrund seines früheren Engagements im Schulwesen als Einzelperson in das Blickfeld von fundamentalistischen Muslimen und Mitgliedern der kurdischen Parteien geraten sei und er angesichts der ständigen Drohungen in allen Lebensbereichen habe befürchten müssen, alsbald selbst Opfer gewalttätiger Übergriffe zu werden. Obwohl die von dem Kläger erlittenen Übergriffe für sich genommen möglicherweise noch nicht die Schwelle der asylerheblichen Eingriffsintensität erreicht hätten, sei aufgrund der Häufung der einzelnen Vorfälle, die sich auf nahezu alle Lebensbereiche erstreckt und die darauf abgezielt hätten, den Kläger aus seinem Heimatdorf und von seinem Arbeitsplatz zu vertreiben, von deren Relevanz i.S.v. Art. 9 Abs. 1 b Qualifikationsrichtlinie auszugehen. Der Annahme einer Vorverfolgung stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger erst 2009 ausgereist sei. Dies habe er nachvollziehbar damit erklärt, dass er seine Mutter nicht habe alleine lassen wollen und deshalb erst nach ihrem Tod ausgereist sei.

Effektiven Schutz im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG habe der irakische Staat dem Kläger insbesondere in Ermangelung effektiver Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet nicht bieten können.

Der vorverfolgt ausgereiste Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, in einem anderen Landesteil des Irak Schutz zu suchen. Eine Übersiedlung in die unter kurdischer Autonomie stehenden Provinzen des Nordirak scheide schon deshalb aus, weil er dort über keine verwandtschaftlichen Beziehungen verfüge. Hinzu komme, dass eine legale Niederlassung in den unter kurdischer Verwaltung stehenden Provinzen insbesondere für irakische Staatsangehörige aus dem Zentral- oder Südirak mit erheblichen Problemen verbunden bzw. unmöglich sei.

Andere Regionen des Irak stünden als inländische Fluchtalternative ebenso wenig zur Verfügung. Unter Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs könne nicht mit der insoweit erforderlichen hinreichenden Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch bei einem Ausweichen in andere Orte im Bezirk Telkef bzw. der Provinz Mossul massive Beeinträchtigungen zu gewärtigen hätte. Zudem seien Yeziden im Nordirak erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber auch z. B. durch die Sicherheitskräfte der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) ausgesetzt.

Die Ehefrau und der Sohn des Klägers könnten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht beanspruchen, da sie eigene Verfolgungsgründe nicht geltend gemacht hätten und eine Gruppenverfolgung von Angehörigen der yezidischen Religionsgemeinschaft im Irak derzeit mangels Vorliegens einer entsprechenden Verfolgungsdichte nicht anzunehmen sei.

Gegen das ihr am 4.7.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.7.2011 hinsichtlich des den Kläger betreffenden stattgebenden Teils einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem durch den ihr am 27.12.2011 zugestellten Beschluss des Senats vom 22.12.2011 - 3 A 325/11 - (berichtigt hinsichtlich des Rubrums durch Beschluss des Senats vom 22.2.2012) entsprochen wurde.

In der am 24.1.2012 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung führt die Beklagte im wesentlichen aus, selbst unter Zugrundelegung der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens könne nicht von einer im Herkunftsstaat bereits erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ausgegangen werden. Der Kläger berufe sich überwiegend auf Ereignisse, die Dritten und nicht ihm gegolten hätten.

Soweit es die Bedrohungen und sonstigen Beeinträchtigungen anbelange, denen er nach seinen Angaben ausgesetzt gewesen sei, stelle dies auch in der Kumulierung keine i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL ausreichende Verfolgungshandlung dar. Denn insoweit könnten nur solche unterschiedlichen Maßnahmen einer Zusammenrechnung zuzuführen sein, die erkennbar an denselben Verfolgungsgrund anknüpften.

Nach den Materialien zur sog. Qualifikationsrichtlinie sei keine im Wege erweiternder Normauslegung erreichbare Schutzerstreckung beabsichtigt gewesen, die maßgeblich über das bis dahin innerstaatlich geltende Verständnis des geschützten Bereichs hinausgehen sollte. Die Bestimmung des Art. 9 QRL orientiere sich weitgehend an der Genfer Konvention und dem Gemeinsamen Standpunkt vom 4.3.1996 betreffend die harmonisierte Anwendung des Begriffs „Flüchtling“.

Nach der damaligen Interpretation des Flüchtlingsbegriffs sei bei der innerstaatlichen Rechtsanwendung schon generell keine Zusammenrechnung für sich jeweils nicht hinreichend intensiver Diskriminierung in der Weise vorgesehen gewesen, dass sich aus deren Gesamtheit eine hinreichend intensive Verfolgungsbetroffenheit hätte ergeben können.

Ungeachtet dessen halte sie - die Beklagte - das Vorbringen des Klägers für nicht hinreichend glaubhaft.

Allein wegen Zugehörigkeit zur Gruppe der yezidischen Religionszugehörigen sei keine relevante Gefährdung anzunehmen. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c QRL und nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.4.2011 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 68/10 - die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei er - der Kläger - unter dem Druck einer erlittenen bzw. unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ausgereist. Abgesehen von dem Hinweis auf die Mordanschläge im April 2007 und im August 2009 habe er nur gegen ihn selbst gerichtete Maßnahmen und Bedrohungen in allen Lebensbereichen geltend gemacht. An die Inhaftierung im Jahr 2004 wegen des Eintritts für den arabischen Schulunterricht, die jedoch nicht sein Ausreiseanlass gewesen sei, hätten sich weitere Bedrohungen seitens kurdischer Parteifunktionäre, aber auch durch einen kurdischen Geheimdienstmitarbeiter und einen weiteren Mann aus seinem Heimatdorf angeschlossen. Der kurdische Geheimdienstmitarbeiter habe ihm gesagt, es sei besser für ihn, wenn er in seinem Heimatdorf nicht mehr gesehen werde. Dies habe er als Morddrohung verstehen müssen. Die Auffassung der Beklagten, wonach unterschiedliche Maßnahmen nur dann i.S.d. Art. 9 QRL zusammenzurechnen seien, wenn sie an denselben Verfolgungsgrund anknüpften, sei nicht haltbar. Im Übrigen knüpften alle gegen ihn gerichteten Maßnahmen an seine yezidische Religionszugehörigkeit an.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 29.3.2012 zu seinen Asylgründen informatorisch angehört.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Ausländerbehörde, der ebenso wie die bei Gericht geführte Dokumentation Irak, insbesondere hinsichtlich der in der Anlage zur Sitzungsniederschrift bezeichneten Teile, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 13.1.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Die Berufung führt daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG.

Die von dem Kläger begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG ist abzulehnen, weil er nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er aus begründeter Furcht vor (bereits erlittener oder unmittelbar bevorstehender) politischer Verfolgung aus seinem Heimatland ausgereist ist bzw. dass ihm gegenwärtig eine solche aus den in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gründen droht. Er ist im Dezember 2009 unverfolgt aus dem Irak ausgereist und muss im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, bei einer Rückkehr dorthin relevanten Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.6.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG von dem Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (lit. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die unter lit. a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn es besteht eine inländische Fluchtalternative (lit. c).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG unterliegt im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, nach denen auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG erfolgt

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Dritt- staatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewähren- den Schutzes (ABI EG Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Ungeachtet der Neufassung der Richtlinie durch die sog. Anerkennungsrichtlinie vom 13.12.2011 (QRL 2011) sind die vorbezeichneten Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 im vorliegenden Berufungsverfahren in der bislang geltenden Fassung an-zuwenden, da deren Neufassung gemäß Art. 41 QRL 2011 erst zum 22.12.2013 in Kraft tritt.

Nach Art. 9 Abs. 1 QRL gelten als Verfolgung in diesem Sinne Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - keine Abweichung zulässig ist (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter lit. a) beschriebenen Weise betroffen ist (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL).

Art. 9 Abs. 3 QRL bestimmt, dass eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 QRL genannten Verfolgungsgründen und den in Art. 9 Abs. 1 QRL als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.

Die Annahme einer relevanten Verfolgungssituation i.S.d. §60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass eine spezifische Zielrichtung vorliegt, d.h. die Verfolgung muss nach ihrer erkennbaren Gerichtetheit an die vorstehend genannten Merkmale anknüpfen

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315 ff.

Die Zielgerichtetheit bezieht sich nicht nur auf die asylerheblichen Merkmale bzw. jetzt auf die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 QRL, an die die Handlung an- knüpfen muss (Art. 9 Abs. 3 QRL), sondern auch auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst.

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

Für ein solches Verständnis des Begriffs der Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL spricht auch die Begründung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 12. 9. 2001, in der es heißt, dass als Verfolgung "ausschließlich Handlungen gelten, die absichtlich, fortdauernd oder systematisch ausgeführt werden und so gravierend sind, dass eine Rückkehr ins Herkunftsland ausgeschlossen ist"

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

An einer solchen gezielten Rechtsverletzung fehlt es indes regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu er- leiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen

hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVervVGE 96, 200 ff.

Zu den notstandsfesten Rechten im Sinne von Art 9 QRL gehören das Recht auf Leben nach Art. 2 EMRK, das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung nach Art. 3 EMRK, das Verbot von Sklaverei und Leibeigenschaft nach Art. 4 Abs. 1 EMRK sowie das Verbot einer Verurteilung ohne gesetzliche Grundlage nach Art. 7 EMRK. Bei einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit ist ohne Weiteres von einer beachtlichen Verfolgung auszugehen, sofern der Eingriff von Art. 3 EMRK erfasst wird. In jedem Falle stellt das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit bzw. physische Freiheit ein grundlegendes Menschenrecht dar. Wird ein Eingriff in dieses Recht nicht von Art. 3 EMRK erfasst, ist eine Verfolgung anzunehmen, wenn die Verletzung des Rechts schwerwiegend im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a .QRL ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009 - 10 C 51.07 -, zitiert nach juris.

Bei der Anknüpfung an eine religiöse Betätigung macht es einen Unterschied, ob es sich um die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit handelt oder um einen Eingriff in die Religionsfreiheit dahingehend, dass dem Gläubigen eine Einschränkung oder Unterlassung seines Glaubens abverlangt wird

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009, a.a.O., zitiert nach juris.

Maßnahmen, die andere Rechtsgüter betreffen, sind dann Verfolgung, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde des Opfers verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Verfolgerstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben

vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 42.87 - sowie Urteil vom 18.2.1986 - 9 C 104.85 -, zitiert nach juris.

Exemplarisch für Verfolgungshandlungen benennt Art. 9 Abs. 2 QRL unter anderem: Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (lit. a); gesetzliche administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (lit. b); unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (lit. c), Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (lit. d).

Das Erfordernis nach Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL , dass die Handlungen aufgrund ihrer Art oder Wiederholung schwerwiegend sein müssen, verdeutlicht, dass auch eine einmalige Verfolgungshandlung ausreichen kann, wenn sich daraus ergibt, dass der weitere Aufenthalt im Herkunftsland für den Antragsteller unzumutbar war. Andererseits kann nach Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL – wie bereits dargelegt - eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen.

Eine allgemein verbindliche Festlegung, inwieweit unterschiedliche kumulativ auftretende Maßnahmen den Verfolgungsbegriff i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL erfüllen, ist indes nicht möglich. Weder aus der von der Beklagten angeführten Begründung vom 12.9.2001 zu Art. 9 QRL (ursprünglich konzipiert als Art. 11) noch aus dem Gemeinsamen Standpunkt vom 4.3.1996 lassen sich eindeutige verallgemeinerungsfähige Interpretationshinweise entnehmen.

Eine Beurteilung des Eingreifens des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL unterliegt vielmehr der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.

Die kumulative Wirkung unterschiedlicher Handlungen muss aber stets derart gravierend sein, dass der Schutzsuchende davon in ähnlicher Weise wie durch eine i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL schwerwiegende Menschenrechtsverletzung betroffen ist. Die festgestellten Handlungen oder Maßnahmen müssen deshalb in ihrer Gesamtwirkung das Gewicht und die Schwere einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung aufweisen

zur Rechtsprechung des BVerwG vor Inkrafttreten des Art. 9 QRL vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.8.1997 - 9 B 105.97 -, vom 3.4.1995 - 9 B 758.94 - und Urteil vom 23.7.1991 - 9 C 154.90 -, jeweils zitiert nach juris.

Die Verfolgungshandlungen nach Art. 10, 9 QRL müssen ferner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen

vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., jeweils zitiert nach juris.

Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint

vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008 - 10 C 33.07 - und Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -; OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Ist der Ausländer verfolgt ausgereist, findet die in Art. 4 Abs. 4 QRL vorgesehene Beweiserleichterung Anwendung. Danach ist die Tatsache, dass ein Schutzsuchender bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden i. S. d. Art. 15 lit. a) bis c) QRL zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird.

Für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden bzw. dem Sachverhalt, der bei einer Rückkehr erneut zu einer Verfolgung führen könnte, besteht. Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL erstreckt

vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen, ob stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen

vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.

Von diesen Maßstäben ausgehend kann der Kläger auch unter Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (QRL) die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in den Irak nicht beanspruchen. Das gilt sowohl im Hinblick auf sein Individualschicksal als auch im Hinblick auf die zu verneinende Gruppenverfolgung wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit.

Der Kläger ist unverfolgt ausgereist. Er vermochte eine im Ausreisezeitpunkt bereits erlittene oder ihm unmittelbar drohende staatliche oder nicht-staatliche Individualverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL nicht darzutun.

Zielgerichtete Verfolgungshandlungen seitens staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure in Anknüpfung an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 10 QRL, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung oder in ihrer Gesamtwirkung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a und lit. b QRL darstellen, lassen sich den durchgängig beibehaltenen und auch zur Überzeugung des Senats glaubhaften Aussagen des Klägers nicht entnehmen.

Die von ihm sowohl in dem Verfahren vor dem Bundesamt als auch in dem erstinstanzlichen Verfahren geschilderten Vorfälle, die konkret gegen seine Person gerichtet waren, d. h. die verbalen Bedrohungen seitens anderer Mitarbeiter in der Schwefelfabrik, die Nachfragen bei kurdischen Kontrollstellen auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle mit der Unterstellung, der kurdischen Opposition anzugehören, die Warnungen eines im Dorf des Klägers wohnenden yezidischen Mitarbeiters des kurdischen Geheimdienstes, das Dorf zu verlassen, sowie die - mit einem Freispruch endende - Falschanzeige eines yezidischen Dorfbewohners, der ihn belästigt und beschimpft habe, bleiben vielmehr unterhalb der maßgeblichen Schwelle im Sinne der genannten Bestimmungen. Sie erfüllen keines der vorstehend genannten Regelbeispiele des Art. 9 Abs. 2 QRL. Auch greifen sie weder für sich allein (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL) noch in ihrer Gesamtheit (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL) in das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben oder in die nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung), nach Art. 4 EMRK (Schutz vor Sklaverei oder Leibeigenschaft), nach Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und nach Art. 6 und 7 EMRK (Sicherung eines fairen Gerichtsverfahrens und Strafausspruchs) geschützten Rechte ein.

Die vom Kläger genannten Vorfälle stellen zwar Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten in verschiedenen Lebensbereichen dar. Von einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte, die einen (weiteren) Aufenthalt des Klägers im Herkunftsland unzumutbar machen, kann jedoch keine Rede sein.

Dies gilt auch, wenn man die von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als maßgeblich für seine Verfolgungsfurcht bezeichneten Vorfälle betrachtet.

Insoweit hat der Kläger bekundet, zusammen mit neun weiteren Personen von Seiten kurdischer Parteifunktionäre für 5 Tage inhaftiert gewesen zu sein, nachdem er sich im Jahr 2004 dafür eingesetzt habe, dass der Unterricht in den Schulen außer in kurdischer Sprache auch in arabischer Sprache gehalten werden solle. Die damalige Haft habe ihn nicht zur Ausreise veranlasst. Er habe jedoch in der Folgezeit weiterhin Probleme mit kurdischen Parteistellen gehabt. So sei er von Parteiverantwortlichen der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), meistens aber von der Kurdischen Demokratischen Partei (PDK) häufig vorgeladen worden. Wenn es sich um „kleine Sachen“ gehandelt habe, sei er zu der Partei-Dienststelle in Bozan einbestellt worden, in 90 % der Fälle sei er jedoch an der jeweiligen Dienststelle in Al Qosh gewesen. Anlass seiner Vorladungen sei etwa gewesen, dass im Februar 2007 Dorfbewohner aus Bozan gegen die kurdische Regionalregierung demonstriert und eine kurdische Fahne von der Schule heruntergeholt hätten. Im Jahr seiner Ausreise 2009 sei er etwa alle zwei Monate - ohne bestimmten Anlass - und zuletzt im Oktober 2009 vorgeladen worden. Am Vorabend dieser letzten Vorladung hätten gegen 18.30 bis 19.00 Uhr zwei Peschmerga heftig an der Haustür geklopft und ihn aufgefordert, am nächsten Morgen in der Parteidienststelle in Al Qosh zu erscheinen. Als er dorthin gegangen sei, habe ihn der anwesende Peschmerga gefragt, ob er immer noch hier sei. Dieser habe ihn beschimpft und erniedrigt und aufgefordert, aus der Region zu verschwinden. Man betrachte ihn als Gegner, weil er sich gegen die Kurden gestellt habe. Auch habe man ihm vorgeworfen, kein Parteimitglied zu sein. Nach etwa 20 bis 25 Minuten habe man ihn aus dem Raum geworfen, ein an der Tür stehender Peschmerga habe ihm dabei einen Fußtritt versetzt. Bis zu seiner Ausreise im Dezember 2009 sei ihm nichts mehr geschehen. Auch die früheren Vorladungen hätten sich im Wesentlichen so abgespielt wie die Vorladung im Oktober 2009. Des Weiteren gab der Kläger an, auf seinem Weg zur Arbeit in die Fabrik von Mishrak ständig Angst vor Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ gehabt zu haben.

Auch diese von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als wesentlich für seine Verfolgungsfurcht in den Vordergrund gestellten Vorfälle - häufige Vorladungen vor die örtlichen Parteidienststellen der PDK und PUK in Al Qosh und Bozan sowie Anschläge von Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ auf dem üblichen Weg zu seiner Arbeitsstelle südlich von Mossul - erfüllen weder den Tatbestand der in Art. 9 Abs. 2 QRL genannten Regelbeispiele noch vermögen sie allein oder in ihrer Gesamtwirkung eine zielgerichtete, an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 10 QRL anknüpfende Verfolgung im Sinne einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschrechte nach Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL zu begründen.

Abgesehen von der von ihm selbst nicht als fluchtauslösend bezeichneten, lange zurückliegenden kurzzeitigen Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004 liegen keine Eingriffe in Leben, körperliche Unversehrtheit und physische Freiheit vor, sondern allenfalls - wenngleich unangenehme und belastende - Nachstellungen unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz. Die Vorladungen vor örtliche Parteistellen, denen der Kläger jeweils selbst nachkam, beschränkten sich eigenen Angaben zufolge stets auf verbale Angriffe in einem Zeitraum von etwa 20 Minuten und blieben ohne weitere Folgen für den Kläger, der bis zu der von ihm - aus anderen Gründen - veranlassten Arbeitsaufgabe im September 2009 ungehindert seiner Arbeit und Existenzsicherung nachgehen konnte. Soweit er ferner auf allgemeine Verfolgungsgefahren durch Terroristen bzw. „Gotteskämpfer“ auf dem Weg zur Arbeit verweist, stellen diese keine zielgerichtete individuelle Verfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG dar.

Insgesamt kann daher von einer durch unzumutbaren Verfolgungsdruck aufgrund staatlicher oder nichtstaatlicher Individualverfolgung im Sinne der genannten Vorschrift veranlassten Ausreise des Klägers nicht ausgegangen werden. Dies verdeutlicht auch der Umstand, dass der Kläger nach der im Jahr 2004 erlittenen fünftägigen Inhaftierung seitens kurdischer Parteistellen noch fünf Jahre freiwillig an seinem Heimatort verblieb. Nichts anderes gilt, wenn man dies - seinen Angaben folgend – in einen Zusammenhang mit der Fürsorge für seine im August 2009 verstorbene Mutter stellt.

Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht mit Rücksicht darauf als vorverfolgt anzusehen, dass er Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden ist. Eine an dieses Merkmal anknüpfende Gruppenverfolgung im Irak war und ist zu verneinen.

Zwar kann sich die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das der Flüchtling mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gruppenverfolgung)

zu den Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.; BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris.

Das Vorliegen einer derartigen Gruppenverfolgung von Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Yeziden im Irak ist jedoch zu verneinen. Dies hat der Senat unter ausführlicher Würdigung zahlreicher Erkenntnisquellen

vgl. hierzu u.a. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010, EZKS an VG München vom 17.2.2010, vom 26.5.2008 an VG Köln zu Az. 21 K 142/0.A u.a. vom 22.12.2007 an VG Cottbus, vom 19.7.2007 an VG Gelsenkirchen, vom 15.7.2007 an VG Karlsruhe zu Az. 3 K 10741/04, vom 19.3.2007 an VG Ansbach zu Az. AN 9 K 04.30815, Bundesasylamt (Österreich), Die Sicherheitslage der Yeziden im Irak vom 4.11.2009, Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Yeziden im Irak, November 2007, GIGA an VG Köln vom 7.9.2007 und 12.3.2007; GIGA an VG Düsseldorf vom 2.4.2007, UNHCR an VG Köln vom 9.1.2007 und vom 28.7.2007, BAMF, Yeziden im Irak von Juni 2007; den Bericht Dulz/Siamend Hajo/Savelsberg, Die Yeziden im „neuen“ Irak 2004/2005

bereits in seinem o.g. Urteil

Urteil vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -, dokumentiert bei juris,

entschieden. Die dortigen Feststellungen beziehen sich sowohl auf denjenigen Zeitraum, in den die Ausreise des hiesigen Klägers fällt, als auch auf den sich daran anschließenden Zeitraum bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung.

In dem genannten Urteil hat der Senat im Fall eines - wie der Kläger des vorliegenden Verfahrens - aus der Provinz Ninive stammenden Klägers kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit festgestellt, dass für Yeziden im Irak weder eine landesweite noch eine regional auf die Stammsiedlungsgebiete der Yeziden im Norden des Irak, die Regionen Sheikhan, al Sheikhan und Sindjar, - insgesamt oder im einzelnen - begrenzte Gruppenverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 10, 9 QRL anzunehmen war und ist, da es - auch bei regionaler Betrachtung - an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt. Daran hält der Senat fest.

Die Auswertung der o.g. Erkenntnisse im Rahmen des Urteils des Senats vom 16.9.2011, a.a.O., hat ergeben, dass es insbesondere nach dem Jahr 2007, für das insgesamt etwa 1000 relevante Übergriffe auf Yeziden zu verzeichnen waren, in den Folgejahren bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung nicht mehr zu Übergriffen in einer vergleichbaren Größenordnung gekommen ist. Vielmehr war eine stete und erhebliche Abnahme verfolgungsrelevanter Vorfälle zu verzeichnen.

Selbst wenn unterstellt wird, dass die insgesamt bekannt gewordenen Maßnahmen verfolgungsrelevant im Sinne der Art. 9, 10 QRL waren, war deren Zahl selbst unter Einrechnung einer hierzu in angemessener Relation stehenden Dunkelziffer nicht geeignet, eine landesweite oder regionale Verfolgung der Yeziden als religiöser Gruppe, die nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010

auf derzeit noch ca. 200.000 Glaubenszugehörige zu bemessen ist, zu belegen. Sie blieb und bleibt vielmehr in erheblichem Abstand zur kritischen Verfolgungsdichte.

Ist der Kläger danach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, kommt ihm für die Beurteilung der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu befürchten hat, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugute und ist hierfür der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.

Ausgehend von diesem Maßstab ist eine Verfolgung im Sinne der genannten Bestimmung im Falle seiner Rückkehr nicht zu prognostizieren.

Dies gilt für die von ihm geltend gemachte individuelle Verfolgungsgefahr sowohl mit Blick auf die lange zurückliegende kurzzeitige Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004, die Nachstellungen durch die örtlichen kurdischen Parteistellen, die sich stets unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz bewegten, und die vorgetragenen Warnungen und Belästigungen durch einzelne Dorfbewohner, als auch im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden.

Bezüglich der geltend gemachten individuellen Verfolgungsgefahr ergibt sich dies bereits aus den für den Ausreisezeitpunkt dargelegten Aspekten, aus denen sich weder für den damaligen, noch für den Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bejahen lässt. Änderungen, die nunmehr eine andere Betrachtung zuließen, sind nicht eingetreten. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lassen – wie für die Zeit vor seiner Ausreise – auch für die Zeit nach seiner Ausreise bis heute den Schluss auf eine entsprechende Gefährdung des Klägers im Rückkehrfall nicht zu.

Eine Gefährdung des Klägers als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden – insoweit unter dem Aspekt der Gruppenverfolgung - ist im Falle seiner Rückkehr im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ebenfalls zu verneinen. An den Feststellungen des o.g. Urteils des Senats

Urteil vom 16.9.2011 – 3 A 446/09 -, a.a.O.

zur Frage der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak wird festgehalten. Daran haben sich zwischenzeitlich, seit Erlass dieser Entscheidung, auch bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt keine relevanten Veränderungen ergeben.

Aus dem im o.g. Urteil vom 16.9.2011 noch nicht berücksichtigten Bericht der Minority Rights Group International: Still Targeted: Continued Persecution of Iraq’s Minorities vom Juni 2010 ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine abweichende Bewertung der Frage einer (regionalen) Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak rechtfertigen könnten. Abgesehen von den dort konkret aufgeführten Opferzahlen für das Jahr 2007, die der Senat im o.g. Urteil gewürdigt und als nicht ausreichend für die Annahme der erforderlichen Gefahrendichte erachtet hat, benennt der Bericht, der sich auf die Befragung von lediglich 45 Yeziden aus den Gebieten Mossul und Dohuk stützt, für die Folgezeit ab 2007 bis zum gegebenen Zeitpunkt keine konkreten Zahlen, die eine den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügende Verfolgungsdichte belegen könnten

vgl. hierzu etwa auch Beschlüsse des Senats vom 1.3.2012 - 3 A 13/11 - und vom 16.12.2011 - 3 A 264/11 - im Falle eines gleichfalls aus Ninive stammenden yezidischen Klägers.

Auch sonst sind keine neuen Zahlen, Fakten und Erkenntnisse ersichtlich, welche die Verneinung der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak durchgreifend in Frage stellen könnten.

Ebenfalls gebietet die aktuelle Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien

- EZKS - vom 20.11.2011 an VG Düsseldorf

keine abweichende Beurteilung. Danach beanspruchen die Darlegungen der früheren Stellungnahme vom 17.2.2010, die der Senat in seinem o.g. Urteil vom 16.9.2011, eingehend gewürdigt hat, nach wie vor Geltung. Allerdings wird dort - im Gegensatz zu den Angaben des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 28.11.2010 über 200.000 im Nordirak lebende Yeziden - gleichfalls ohne durchgreifenden Beleg von einer „geschätzten“ Gesamtzahl von 300.000 Yeziden ausgegangen. Auch die Zugrundelegung dieser Gesamtzahl hätte auf die vom Senat in dem genannten Urteil getroffenen Feststellungen bezüglich der Verfolgungsdichte für Yeziden im (Nord)Irak im Ergebnis keine maßgeblichen Auswirkungen, da sich bei der vom EZKS angenommenen höheren Personenzahl in Relation zu den festgestellten Verfolgungsschlägen (einschließlich der Einbeziehung einer Dunkelziffer) die Verfolgungsdichte sogar verringern würde.

Nach der Anfang Oktober 2011 erfolgten Recherche eines Gutachters im Rahmen der o.g. Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011 durch Befragung von fünf Personen anlässlich eines eintägigen Aufenthalts in der Stadt Sindjar ist für die Region Sindjar infolge einer Intensivierung der Maßnahmen im Sicherheitsbereich sogar eine Verbesserung der Lage im Vergleich zu den Vorjahren festzustellen. So weist EZKS darauf hin, dass etwa die Strecke zwischen Dohuk-Stadt und Sindjar-Stadt regelmäßig auch von Yeziden genutzt wird und dass die Befragten anders als noch vor zwei Jahren nicht von Zwischenfällen/Angriffen auf dieser Straße berichtet hätten. Es habe keine großen Anschläge mehr auf Zentraldörfer wie noch im Jahr 2007 gegeben, auch die Zahl der Einzeltötungen und Entführungen sei gesunken.

Nach der Gesamteinschätzung des EZKS werden im Sindjar zwar nach wie vor Yeziden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Opfer von Anschlägen (Morde, Entführungen, Lösegelderpressung), wobei diese Gefahr insbesondere dann bestehe, wenn sie sich aus den Zentraldörfern hinaus in Richtung Mossul begäben. Diesbezügliche relevante Zahlen, die eine abweichende Beurteilung von den bisherigen Feststellungen des Senats geböten, werden in

der Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011, a.a.O.,

die sich im Wesentlichen mit der Situation im Sindjar-Gebiet befasst, jedoch nicht benannt.

Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger aus dem in der Provinz Ninive, Distrikt Telkef und Subdistrikt Al Qosh liegenden Dorf Bozan stammt.

Die Situation der Yeziden im Distrikt Telkef, in dem der Sub-Distrikt Al Qosh, der unter de facto kurdischer Kontrolle steht, zu einem ihrer Hauptsiedlungsgebiete gehört, ist nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. EZKS vom 17.2.2010, S. 13, 23 bis 27

vergleichsweise gut und vergleichbar mit derjenigen in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan und daher besser als im Sindjar.

Die Lage in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan ist nach Einschätzung von EZKS derzeit verhältnismäßig ruhig und stabil. In den letzten Jahren, insbesondere ab Ende 2007 ist dort sowohl eine Verbesserung der Sicherheitslage als auch eine Verbesserung der Infrastruktur festzustellen. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass dort eine direkte Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten besteht. Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden sind nicht bekannt. Auch sind im Sheikhan/al-Sheikhan keine Übergriffe gegenüber Yeziden dokumentiert, die in Opposition zur KRG-Politik stehen

vgl. hierzu im einzelnen Urteil des Senats vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -.

Im Herkunfts-Distrikt des Klägers Telkef, der ebenfalls über eine direkte Anbindung an die de jure kurdisch verwalteten Gebiete verfügt, gibt es ebenfalls keine durchgreifenden Hinweise auf Übergriffe auf Yeziden. Zwar berichtet EZKS unter Berufung auf UNAMI auch von Beschwerden über die willkürliche Verhaftung „ausgewählter“ Araber, Christen und Yeziden durch Peschmerga und den kurdischen Geheimdienst. Konkrete Hintergründe und Zahlen, aus denen sich belastbare Feststellungen ableiten lassen, benennt jedoch EZKS nicht

vgl. hierzu EZKS vom 17.2.2010, S. 11, 23, 27 und vom 26.5.2008 an VG Köln, S. 28; siehe auch SFH, Irak vom 10.1.2008: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwalteten Provinzen Sulaimaniya, Erbil und Dohuk, S. 16.

Schließlich lassen sich auch dem Bericht der

Denge Ezidiyan vom 2.12.2011 sowie der Pressemitteilung der GbV vom 9.12.2011 „Pogrome von radikalen Islamisten gegen Christen und Yeziden in Irakisch-Kurdistan“

über Angriffe auf yezidische und christliche Einrichtungen in den Städten Zakho, Simel und Dohuk im Nordirak, in deren Verlauf 20 Einrichtungen - vornehmlich Hotels und Läden - zerstört und etwa 30 Personen verwundet worden sein sollen, keine Zahlen entnehmen, die die genannten Feststellungen zur Gefahrendichte in Frage stellen könnten. Denn aus diesen Vorfällen können keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden, ob, wie häufig und in welchem Umfang sich solche oder ähnliche Angriffe wiederholen und auch die Herkunftsregion des Klägers betreffen könnten. Insoweit ist auch zu gewichten, dass in den drei autonom kurdisch regierten Provinzen weit überwiegend Muslime und insgesamt nur wenige der im Irak ansässigen Yeziden leben. Demgegenüber ist die Bevölkerung des Herkunftsorts des Klägers, Bozan, wie viele Orte im Distrikt Telkef überwiegend yezidisch

vgl. hierzu EZKS an VG Köln vom 26.5.2008, S. 8.

Hinzu kommt, dass nach den o.g. Erkenntnissen der GbV vom 9.12.2011 die am 2.12.2011 verletzten Personen überwiegend nicht Zivilisten, sondern Polizisten gewesen sein sollen und die kurdische Regierung der autonomen Region Kurdistan-Irak die Anschläge umgehend deutlich verurteilt hat.

Da auch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren keine weiteren Übergriffe in einer vergleichbaren Größenordnung bekannt geworden sind, ist der zuletzt beschriebene Vorfall als Einzelfall einzuschätzen.

Nach allem hält der Senat an seiner bisherigen Gesamteinschätzung der Lage der Yeziden in ihren Stammsiedlungsgebieten fest.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte, die ebenfalls eine Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak verneinen

vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 27.2.2012 - 13 a ZB 11.30338 - betreffend Yeziden aus dem Siedlungsgebiet Al Qosh; Urteile vom 2.2.2012 - 13 a B 11.30335 - und 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 - und Beschlüsse vom 8.11.2011 - 13 a ZB 11.30383, vom 3.11.2011 - 13 a ZB 11.30383 -, betreffend gleichfalls die Region Mossul/Ninive, OVG Münster, Beschlüsse vom 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; OVG Lüneburg, Urteile vom 19.3.2007 - 9 LB 373/06 und 9 LB 380/06 -; VGH Mannheim, Urteil vom 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, jeweils zitiert nach juris.

Eine dem Kläger mit Blick auf individuelle Gründe und seine yezidische Religionszugehörigkeit drohende, im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL relevante Gefährdung ist daher nach allem nicht anzunehmen.

Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass dem Kläger, der - wie dargelegt - in der mündlichen Verhandlung lediglich Vorladungen durch örtliche Parteifunktionäre der PDK und PUK in seinem Heimatdorf Bozan und in Al Qosh geltend gemacht hat, auch eine interne Schutzalternative i.S.d. Art. 8 QRL in anderen Teilen desTelkef, in dem nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zahlreiche Verwandte seiner Ehefrau leben, offenstünde.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 (konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung) und nach § 60 Abs. 3 AufenthG (Gefahr der Todesstrafe aufgrund einer von dem Schutzsuchenden begangenen Straftat) sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in der Herkunftsregion des Klägers in der Provinz Ninive und dort im Distrikt Telkef, überhaupt die Annahme eines innerstaatlichen oder auch nur regionalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen kann, kann dabei offenbleiben

vgl. Urteile des Senats vom 16.9.2011, a.a.O. und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 -; ebenso offen gelassen zum landesweiten Konflikt im Irak etwa OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -, VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 -, jeweils zitiert nach juris.

Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung.

Die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr kann erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, gezielt oder auch zufällig selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden. Bezüglich der Gefahrendichte ist auf die Herkunftsregion abzustellen, in die der Betreffende typischerweise zurückkehren wird. Eine Individualisierung kann sich aber auch bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben. Hierunter kann auch eine ethnische oder religiöse Zugehörigkeit fallen. Für die Feststellung der Gefahrendichte i.S.d. unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gelten vergleichbare Maßstäbe wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für die Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung. Neben einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung, die auch die medizinische Versorgungslage mit einbezieht

vgl. BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - und vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; VGH München, Urteil vom 2.2.2012, a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 – 9 A 3642/06.A, zitiert nach juris.

Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Herkunftsland einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgesetzt wäre.

Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL kann sich der Kläger - wie dargelegt - nicht berufen. Dies gilt sowohl mit Blick auf die geltend gemachten individuellen Gründe als auch seine yezidische Religionszugehörigkeit. Insoweit kann vollumfänglich auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG verwiesen werden.

Hinsichtlich der (landesweiten) Gefahrendichte ist, wie der Senat bereits in den o.g. Urteilen vom 1.6.2011 und vom 16.9.2011 im Einzelnen dargelegt hat, nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar von einer immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak auszugehen. Dennoch ist gegenüber früheren Jahren insbesondere eine relevante Abnahme der Opferzahlen zu verzeichnen

hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Juni 2011 und Januar 2010; Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010, taz 5.5.2011, BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte.

Zur allgemeinen Gefahrendichte insbesondere für die Jahre 2010 und 2011 in Relation zur Gesamtbevölkerung des Irak mit etwa 32,3 Millionen Menschen kann vollumfänglich auf die Ausführungen in den Urteilen des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 – und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris

verwiesen werden. Die Gesamtopferzahlen im Jahr 2010 mit 4028 Opfern und die sich auf vergleichbaren Niveau im Jahr 2011 (bis Mai 2011 1033 Tote) bewegenden Opferzahlen einschließlich einer einzurechnenden angemessenen Dunkelziffer von Verletzten und sonstigen Geschädigten verdeutlichen, dass eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 lit. c QRL) im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, zu verneinen ist. Angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im (gesamten) Irak derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dies gilt auch hinsichtlich der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ninive. Dort gab es im Jahr 2010 bei 363 Vorfällen 505 Tote (18 Tote je 100 000 Einwohner) und bis April 2011 bei 92 Vorfällen 132 Tote (4,7 Tote je 100 000 Einwohner)

vgl. hierzu auch VGH München, Urteil vom 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 -, zitiert nach juris.

Auch nach der Auswertung neueren Erkenntnismaterials

hierzu etwa BAMF, Briefing Notes vom 5.3.2012

geht von der allgemeinen Lage im Irak zwar nach wie vor eine Gefahr aus, die neben den Angehörigen spezieller Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften auch eine Vielzahl von Zivilpersonen ohne eindeutige Zuordnung betrifft. Seit dem Abzug der amerikanischen Truppen im Dezember 2011 finden weiterhin landesweit Anschläge statt. So gab es nach den dortigen Feststellungen im Januar 2012 151 Tote, davon 99 Zivilisten und insgesamt 321 Verwundete. Im Februar wurden 150 Iraker getötet, davon 91 Zivilisten. Nach einem weiteren Bericht

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 30.1.20212

sind Angaben von Iraq Body Count zufolge seit Jahresbeginn 2012 mindestens 320 Menschen bei Anschlägen getötet worden, während im Januar 2011 die Zahl der Opfer bei 387 Personen gelegen habe. Die vorgenannten Anschläge haben sich mithin auf einem mit den Jahren 2010 und 2011 vergleichbarem Niveau fortgesetzt und vermögen daher eine Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht zu begründen.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Religionsgemeinschaft der Yeziden wirkt sich - jedenfalls bezogen auf die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorrangig in den Blick zu nehmende Herkunftsregion – ebenfalls nicht gefahrerhöhend aus. Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen zur Frage einer Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG Bezug genommen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellungen zur Gefährdungslage in der Herkunftsprovinz Ninive mit dem Distrikt Telkef und dem Subdistrikt Al Qosh.

Angesichts des relativ „geringen“ Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens bietet schließlich auch die - zwar tendenziell verbesserte - teilweise aber immer noch angespannte medizinische Versorgungslage

vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010

ebenfalls keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

III.

Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen in der Person des Klägers nicht vor.

Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Klägers nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unzulässig ist, sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger drohen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen – auch erheblichen – Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebezielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt in einem solchen Fall eine Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer - landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.9.2011 - 10 C 24.10 - vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 16.9.2011, a.a.O., verneint.

Eine durchgreifende Änderung ist seitdem nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher nicht angenommen werden.

Der Berufung der Beklagten war nach alledem stattzugeben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 13.1.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Die Berufung führt daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG.

Die von dem Kläger begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG ist abzulehnen, weil er nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er aus begründeter Furcht vor (bereits erlittener oder unmittelbar bevorstehender) politischer Verfolgung aus seinem Heimatland ausgereist ist bzw. dass ihm gegenwärtig eine solche aus den in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gründen droht. Er ist im Dezember 2009 unverfolgt aus dem Irak ausgereist und muss im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, bei einer Rückkehr dorthin relevanten Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.6.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG von dem Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (lit. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die unter lit. a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn es besteht eine inländische Fluchtalternative (lit. c).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG unterliegt im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, nach denen auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG erfolgt

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Dritt- staatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewähren- den Schutzes (ABI EG Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Ungeachtet der Neufassung der Richtlinie durch die sog. Anerkennungsrichtlinie vom 13.12.2011 (QRL 2011) sind die vorbezeichneten Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 im vorliegenden Berufungsverfahren in der bislang geltenden Fassung an-zuwenden, da deren Neufassung gemäß Art. 41 QRL 2011 erst zum 22.12.2013 in Kraft tritt.

Nach Art. 9 Abs. 1 QRL gelten als Verfolgung in diesem Sinne Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - keine Abweichung zulässig ist (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter lit. a) beschriebenen Weise betroffen ist (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL).

Art. 9 Abs. 3 QRL bestimmt, dass eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 QRL genannten Verfolgungsgründen und den in Art. 9 Abs. 1 QRL als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.

Die Annahme einer relevanten Verfolgungssituation i.S.d. §60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass eine spezifische Zielrichtung vorliegt, d.h. die Verfolgung muss nach ihrer erkennbaren Gerichtetheit an die vorstehend genannten Merkmale anknüpfen

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315 ff.

Die Zielgerichtetheit bezieht sich nicht nur auf die asylerheblichen Merkmale bzw. jetzt auf die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 QRL, an die die Handlung an- knüpfen muss (Art. 9 Abs. 3 QRL), sondern auch auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst.

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

Für ein solches Verständnis des Begriffs der Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL spricht auch die Begründung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 12. 9. 2001, in der es heißt, dass als Verfolgung "ausschließlich Handlungen gelten, die absichtlich, fortdauernd oder systematisch ausgeführt werden und so gravierend sind, dass eine Rückkehr ins Herkunftsland ausgeschlossen ist"

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

An einer solchen gezielten Rechtsverletzung fehlt es indes regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu er- leiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen

hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVervVGE 96, 200 ff.

Zu den notstandsfesten Rechten im Sinne von Art 9 QRL gehören das Recht auf Leben nach Art. 2 EMRK, das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung nach Art. 3 EMRK, das Verbot von Sklaverei und Leibeigenschaft nach Art. 4 Abs. 1 EMRK sowie das Verbot einer Verurteilung ohne gesetzliche Grundlage nach Art. 7 EMRK. Bei einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit ist ohne Weiteres von einer beachtlichen Verfolgung auszugehen, sofern der Eingriff von Art. 3 EMRK erfasst wird. In jedem Falle stellt das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit bzw. physische Freiheit ein grundlegendes Menschenrecht dar. Wird ein Eingriff in dieses Recht nicht von Art. 3 EMRK erfasst, ist eine Verfolgung anzunehmen, wenn die Verletzung des Rechts schwerwiegend im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a .QRL ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009 - 10 C 51.07 -, zitiert nach juris.

Bei der Anknüpfung an eine religiöse Betätigung macht es einen Unterschied, ob es sich um die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit handelt oder um einen Eingriff in die Religionsfreiheit dahingehend, dass dem Gläubigen eine Einschränkung oder Unterlassung seines Glaubens abverlangt wird

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009, a.a.O., zitiert nach juris.

Maßnahmen, die andere Rechtsgüter betreffen, sind dann Verfolgung, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde des Opfers verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Verfolgerstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben

vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 42.87 - sowie Urteil vom 18.2.1986 - 9 C 104.85 -, zitiert nach juris.

Exemplarisch für Verfolgungshandlungen benennt Art. 9 Abs. 2 QRL unter anderem: Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (lit. a); gesetzliche administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (lit. b); unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (lit. c), Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (lit. d).

Das Erfordernis nach Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL , dass die Handlungen aufgrund ihrer Art oder Wiederholung schwerwiegend sein müssen, verdeutlicht, dass auch eine einmalige Verfolgungshandlung ausreichen kann, wenn sich daraus ergibt, dass der weitere Aufenthalt im Herkunftsland für den Antragsteller unzumutbar war. Andererseits kann nach Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL – wie bereits dargelegt - eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen.

Eine allgemein verbindliche Festlegung, inwieweit unterschiedliche kumulativ auftretende Maßnahmen den Verfolgungsbegriff i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL erfüllen, ist indes nicht möglich. Weder aus der von der Beklagten angeführten Begründung vom 12.9.2001 zu Art. 9 QRL (ursprünglich konzipiert als Art. 11) noch aus dem Gemeinsamen Standpunkt vom 4.3.1996 lassen sich eindeutige verallgemeinerungsfähige Interpretationshinweise entnehmen.

Eine Beurteilung des Eingreifens des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL unterliegt vielmehr der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.

Die kumulative Wirkung unterschiedlicher Handlungen muss aber stets derart gravierend sein, dass der Schutzsuchende davon in ähnlicher Weise wie durch eine i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL schwerwiegende Menschenrechtsverletzung betroffen ist. Die festgestellten Handlungen oder Maßnahmen müssen deshalb in ihrer Gesamtwirkung das Gewicht und die Schwere einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung aufweisen

zur Rechtsprechung des BVerwG vor Inkrafttreten des Art. 9 QRL vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.8.1997 - 9 B 105.97 -, vom 3.4.1995 - 9 B 758.94 - und Urteil vom 23.7.1991 - 9 C 154.90 -, jeweils zitiert nach juris.

Die Verfolgungshandlungen nach Art. 10, 9 QRL müssen ferner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen

vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., jeweils zitiert nach juris.

Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint

vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008 - 10 C 33.07 - und Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -; OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Ist der Ausländer verfolgt ausgereist, findet die in Art. 4 Abs. 4 QRL vorgesehene Beweiserleichterung Anwendung. Danach ist die Tatsache, dass ein Schutzsuchender bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden i. S. d. Art. 15 lit. a) bis c) QRL zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird.

Für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden bzw. dem Sachverhalt, der bei einer Rückkehr erneut zu einer Verfolgung führen könnte, besteht. Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL erstreckt

vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen, ob stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen

vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.

Von diesen Maßstäben ausgehend kann der Kläger auch unter Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (QRL) die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in den Irak nicht beanspruchen. Das gilt sowohl im Hinblick auf sein Individualschicksal als auch im Hinblick auf die zu verneinende Gruppenverfolgung wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit.

Der Kläger ist unverfolgt ausgereist. Er vermochte eine im Ausreisezeitpunkt bereits erlittene oder ihm unmittelbar drohende staatliche oder nicht-staatliche Individualverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL nicht darzutun.

Zielgerichtete Verfolgungshandlungen seitens staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure in Anknüpfung an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 10 QRL, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung oder in ihrer Gesamtwirkung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a und lit. b QRL darstellen, lassen sich den durchgängig beibehaltenen und auch zur Überzeugung des Senats glaubhaften Aussagen des Klägers nicht entnehmen.

Die von ihm sowohl in dem Verfahren vor dem Bundesamt als auch in dem erstinstanzlichen Verfahren geschilderten Vorfälle, die konkret gegen seine Person gerichtet waren, d. h. die verbalen Bedrohungen seitens anderer Mitarbeiter in der Schwefelfabrik, die Nachfragen bei kurdischen Kontrollstellen auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle mit der Unterstellung, der kurdischen Opposition anzugehören, die Warnungen eines im Dorf des Klägers wohnenden yezidischen Mitarbeiters des kurdischen Geheimdienstes, das Dorf zu verlassen, sowie die - mit einem Freispruch endende - Falschanzeige eines yezidischen Dorfbewohners, der ihn belästigt und beschimpft habe, bleiben vielmehr unterhalb der maßgeblichen Schwelle im Sinne der genannten Bestimmungen. Sie erfüllen keines der vorstehend genannten Regelbeispiele des Art. 9 Abs. 2 QRL. Auch greifen sie weder für sich allein (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL) noch in ihrer Gesamtheit (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL) in das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben oder in die nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung), nach Art. 4 EMRK (Schutz vor Sklaverei oder Leibeigenschaft), nach Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und nach Art. 6 und 7 EMRK (Sicherung eines fairen Gerichtsverfahrens und Strafausspruchs) geschützten Rechte ein.

Die vom Kläger genannten Vorfälle stellen zwar Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten in verschiedenen Lebensbereichen dar. Von einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte, die einen (weiteren) Aufenthalt des Klägers im Herkunftsland unzumutbar machen, kann jedoch keine Rede sein.

Dies gilt auch, wenn man die von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als maßgeblich für seine Verfolgungsfurcht bezeichneten Vorfälle betrachtet.

Insoweit hat der Kläger bekundet, zusammen mit neun weiteren Personen von Seiten kurdischer Parteifunktionäre für 5 Tage inhaftiert gewesen zu sein, nachdem er sich im Jahr 2004 dafür eingesetzt habe, dass der Unterricht in den Schulen außer in kurdischer Sprache auch in arabischer Sprache gehalten werden solle. Die damalige Haft habe ihn nicht zur Ausreise veranlasst. Er habe jedoch in der Folgezeit weiterhin Probleme mit kurdischen Parteistellen gehabt. So sei er von Parteiverantwortlichen der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), meistens aber von der Kurdischen Demokratischen Partei (PDK) häufig vorgeladen worden. Wenn es sich um „kleine Sachen“ gehandelt habe, sei er zu der Partei-Dienststelle in Bozan einbestellt worden, in 90 % der Fälle sei er jedoch an der jeweiligen Dienststelle in Al Qosh gewesen. Anlass seiner Vorladungen sei etwa gewesen, dass im Februar 2007 Dorfbewohner aus Bozan gegen die kurdische Regionalregierung demonstriert und eine kurdische Fahne von der Schule heruntergeholt hätten. Im Jahr seiner Ausreise 2009 sei er etwa alle zwei Monate - ohne bestimmten Anlass - und zuletzt im Oktober 2009 vorgeladen worden. Am Vorabend dieser letzten Vorladung hätten gegen 18.30 bis 19.00 Uhr zwei Peschmerga heftig an der Haustür geklopft und ihn aufgefordert, am nächsten Morgen in der Parteidienststelle in Al Qosh zu erscheinen. Als er dorthin gegangen sei, habe ihn der anwesende Peschmerga gefragt, ob er immer noch hier sei. Dieser habe ihn beschimpft und erniedrigt und aufgefordert, aus der Region zu verschwinden. Man betrachte ihn als Gegner, weil er sich gegen die Kurden gestellt habe. Auch habe man ihm vorgeworfen, kein Parteimitglied zu sein. Nach etwa 20 bis 25 Minuten habe man ihn aus dem Raum geworfen, ein an der Tür stehender Peschmerga habe ihm dabei einen Fußtritt versetzt. Bis zu seiner Ausreise im Dezember 2009 sei ihm nichts mehr geschehen. Auch die früheren Vorladungen hätten sich im Wesentlichen so abgespielt wie die Vorladung im Oktober 2009. Des Weiteren gab der Kläger an, auf seinem Weg zur Arbeit in die Fabrik von Mishrak ständig Angst vor Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ gehabt zu haben.

Auch diese von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als wesentlich für seine Verfolgungsfurcht in den Vordergrund gestellten Vorfälle - häufige Vorladungen vor die örtlichen Parteidienststellen der PDK und PUK in Al Qosh und Bozan sowie Anschläge von Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ auf dem üblichen Weg zu seiner Arbeitsstelle südlich von Mossul - erfüllen weder den Tatbestand der in Art. 9 Abs. 2 QRL genannten Regelbeispiele noch vermögen sie allein oder in ihrer Gesamtwirkung eine zielgerichtete, an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 10 QRL anknüpfende Verfolgung im Sinne einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschrechte nach Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL zu begründen.

Abgesehen von der von ihm selbst nicht als fluchtauslösend bezeichneten, lange zurückliegenden kurzzeitigen Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004 liegen keine Eingriffe in Leben, körperliche Unversehrtheit und physische Freiheit vor, sondern allenfalls - wenngleich unangenehme und belastende - Nachstellungen unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz. Die Vorladungen vor örtliche Parteistellen, denen der Kläger jeweils selbst nachkam, beschränkten sich eigenen Angaben zufolge stets auf verbale Angriffe in einem Zeitraum von etwa 20 Minuten und blieben ohne weitere Folgen für den Kläger, der bis zu der von ihm - aus anderen Gründen - veranlassten Arbeitsaufgabe im September 2009 ungehindert seiner Arbeit und Existenzsicherung nachgehen konnte. Soweit er ferner auf allgemeine Verfolgungsgefahren durch Terroristen bzw. „Gotteskämpfer“ auf dem Weg zur Arbeit verweist, stellen diese keine zielgerichtete individuelle Verfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG dar.

Insgesamt kann daher von einer durch unzumutbaren Verfolgungsdruck aufgrund staatlicher oder nichtstaatlicher Individualverfolgung im Sinne der genannten Vorschrift veranlassten Ausreise des Klägers nicht ausgegangen werden. Dies verdeutlicht auch der Umstand, dass der Kläger nach der im Jahr 2004 erlittenen fünftägigen Inhaftierung seitens kurdischer Parteistellen noch fünf Jahre freiwillig an seinem Heimatort verblieb. Nichts anderes gilt, wenn man dies - seinen Angaben folgend – in einen Zusammenhang mit der Fürsorge für seine im August 2009 verstorbene Mutter stellt.

Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht mit Rücksicht darauf als vorverfolgt anzusehen, dass er Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden ist. Eine an dieses Merkmal anknüpfende Gruppenverfolgung im Irak war und ist zu verneinen.

Zwar kann sich die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das der Flüchtling mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gruppenverfolgung)

zu den Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.; BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris.

Das Vorliegen einer derartigen Gruppenverfolgung von Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Yeziden im Irak ist jedoch zu verneinen. Dies hat der Senat unter ausführlicher Würdigung zahlreicher Erkenntnisquellen

vgl. hierzu u.a. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010, EZKS an VG München vom 17.2.2010, vom 26.5.2008 an VG Köln zu Az. 21 K 142/0.A u.a. vom 22.12.2007 an VG Cottbus, vom 19.7.2007 an VG Gelsenkirchen, vom 15.7.2007 an VG Karlsruhe zu Az. 3 K 10741/04, vom 19.3.2007 an VG Ansbach zu Az. AN 9 K 04.30815, Bundesasylamt (Österreich), Die Sicherheitslage der Yeziden im Irak vom 4.11.2009, Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Yeziden im Irak, November 2007, GIGA an VG Köln vom 7.9.2007 und 12.3.2007; GIGA an VG Düsseldorf vom 2.4.2007, UNHCR an VG Köln vom 9.1.2007 und vom 28.7.2007, BAMF, Yeziden im Irak von Juni 2007; den Bericht Dulz/Siamend Hajo/Savelsberg, Die Yeziden im „neuen“ Irak 2004/2005

bereits in seinem o.g. Urteil

Urteil vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -, dokumentiert bei juris,

entschieden. Die dortigen Feststellungen beziehen sich sowohl auf denjenigen Zeitraum, in den die Ausreise des hiesigen Klägers fällt, als auch auf den sich daran anschließenden Zeitraum bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung.

In dem genannten Urteil hat der Senat im Fall eines - wie der Kläger des vorliegenden Verfahrens - aus der Provinz Ninive stammenden Klägers kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit festgestellt, dass für Yeziden im Irak weder eine landesweite noch eine regional auf die Stammsiedlungsgebiete der Yeziden im Norden des Irak, die Regionen Sheikhan, al Sheikhan und Sindjar, - insgesamt oder im einzelnen - begrenzte Gruppenverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 10, 9 QRL anzunehmen war und ist, da es - auch bei regionaler Betrachtung - an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt. Daran hält der Senat fest.

Die Auswertung der o.g. Erkenntnisse im Rahmen des Urteils des Senats vom 16.9.2011, a.a.O., hat ergeben, dass es insbesondere nach dem Jahr 2007, für das insgesamt etwa 1000 relevante Übergriffe auf Yeziden zu verzeichnen waren, in den Folgejahren bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung nicht mehr zu Übergriffen in einer vergleichbaren Größenordnung gekommen ist. Vielmehr war eine stete und erhebliche Abnahme verfolgungsrelevanter Vorfälle zu verzeichnen.

Selbst wenn unterstellt wird, dass die insgesamt bekannt gewordenen Maßnahmen verfolgungsrelevant im Sinne der Art. 9, 10 QRL waren, war deren Zahl selbst unter Einrechnung einer hierzu in angemessener Relation stehenden Dunkelziffer nicht geeignet, eine landesweite oder regionale Verfolgung der Yeziden als religiöser Gruppe, die nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010

auf derzeit noch ca. 200.000 Glaubenszugehörige zu bemessen ist, zu belegen. Sie blieb und bleibt vielmehr in erheblichem Abstand zur kritischen Verfolgungsdichte.

Ist der Kläger danach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, kommt ihm für die Beurteilung der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu befürchten hat, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugute und ist hierfür der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.

Ausgehend von diesem Maßstab ist eine Verfolgung im Sinne der genannten Bestimmung im Falle seiner Rückkehr nicht zu prognostizieren.

Dies gilt für die von ihm geltend gemachte individuelle Verfolgungsgefahr sowohl mit Blick auf die lange zurückliegende kurzzeitige Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004, die Nachstellungen durch die örtlichen kurdischen Parteistellen, die sich stets unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz bewegten, und die vorgetragenen Warnungen und Belästigungen durch einzelne Dorfbewohner, als auch im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden.

Bezüglich der geltend gemachten individuellen Verfolgungsgefahr ergibt sich dies bereits aus den für den Ausreisezeitpunkt dargelegten Aspekten, aus denen sich weder für den damaligen, noch für den Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bejahen lässt. Änderungen, die nunmehr eine andere Betrachtung zuließen, sind nicht eingetreten. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lassen – wie für die Zeit vor seiner Ausreise – auch für die Zeit nach seiner Ausreise bis heute den Schluss auf eine entsprechende Gefährdung des Klägers im Rückkehrfall nicht zu.

Eine Gefährdung des Klägers als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden – insoweit unter dem Aspekt der Gruppenverfolgung - ist im Falle seiner Rückkehr im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ebenfalls zu verneinen. An den Feststellungen des o.g. Urteils des Senats

Urteil vom 16.9.2011 – 3 A 446/09 -, a.a.O.

zur Frage der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak wird festgehalten. Daran haben sich zwischenzeitlich, seit Erlass dieser Entscheidung, auch bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt keine relevanten Veränderungen ergeben.

Aus dem im o.g. Urteil vom 16.9.2011 noch nicht berücksichtigten Bericht der Minority Rights Group International: Still Targeted: Continued Persecution of Iraq’s Minorities vom Juni 2010 ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine abweichende Bewertung der Frage einer (regionalen) Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak rechtfertigen könnten. Abgesehen von den dort konkret aufgeführten Opferzahlen für das Jahr 2007, die der Senat im o.g. Urteil gewürdigt und als nicht ausreichend für die Annahme der erforderlichen Gefahrendichte erachtet hat, benennt der Bericht, der sich auf die Befragung von lediglich 45 Yeziden aus den Gebieten Mossul und Dohuk stützt, für die Folgezeit ab 2007 bis zum gegebenen Zeitpunkt keine konkreten Zahlen, die eine den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügende Verfolgungsdichte belegen könnten

vgl. hierzu etwa auch Beschlüsse des Senats vom 1.3.2012 - 3 A 13/11 - und vom 16.12.2011 - 3 A 264/11 - im Falle eines gleichfalls aus Ninive stammenden yezidischen Klägers.

Auch sonst sind keine neuen Zahlen, Fakten und Erkenntnisse ersichtlich, welche die Verneinung der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak durchgreifend in Frage stellen könnten.

Ebenfalls gebietet die aktuelle Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien

- EZKS - vom 20.11.2011 an VG Düsseldorf

keine abweichende Beurteilung. Danach beanspruchen die Darlegungen der früheren Stellungnahme vom 17.2.2010, die der Senat in seinem o.g. Urteil vom 16.9.2011, eingehend gewürdigt hat, nach wie vor Geltung. Allerdings wird dort - im Gegensatz zu den Angaben des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 28.11.2010 über 200.000 im Nordirak lebende Yeziden - gleichfalls ohne durchgreifenden Beleg von einer „geschätzten“ Gesamtzahl von 300.000 Yeziden ausgegangen. Auch die Zugrundelegung dieser Gesamtzahl hätte auf die vom Senat in dem genannten Urteil getroffenen Feststellungen bezüglich der Verfolgungsdichte für Yeziden im (Nord)Irak im Ergebnis keine maßgeblichen Auswirkungen, da sich bei der vom EZKS angenommenen höheren Personenzahl in Relation zu den festgestellten Verfolgungsschlägen (einschließlich der Einbeziehung einer Dunkelziffer) die Verfolgungsdichte sogar verringern würde.

Nach der Anfang Oktober 2011 erfolgten Recherche eines Gutachters im Rahmen der o.g. Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011 durch Befragung von fünf Personen anlässlich eines eintägigen Aufenthalts in der Stadt Sindjar ist für die Region Sindjar infolge einer Intensivierung der Maßnahmen im Sicherheitsbereich sogar eine Verbesserung der Lage im Vergleich zu den Vorjahren festzustellen. So weist EZKS darauf hin, dass etwa die Strecke zwischen Dohuk-Stadt und Sindjar-Stadt regelmäßig auch von Yeziden genutzt wird und dass die Befragten anders als noch vor zwei Jahren nicht von Zwischenfällen/Angriffen auf dieser Straße berichtet hätten. Es habe keine großen Anschläge mehr auf Zentraldörfer wie noch im Jahr 2007 gegeben, auch die Zahl der Einzeltötungen und Entführungen sei gesunken.

Nach der Gesamteinschätzung des EZKS werden im Sindjar zwar nach wie vor Yeziden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Opfer von Anschlägen (Morde, Entführungen, Lösegelderpressung), wobei diese Gefahr insbesondere dann bestehe, wenn sie sich aus den Zentraldörfern hinaus in Richtung Mossul begäben. Diesbezügliche relevante Zahlen, die eine abweichende Beurteilung von den bisherigen Feststellungen des Senats geböten, werden in

der Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011, a.a.O.,

die sich im Wesentlichen mit der Situation im Sindjar-Gebiet befasst, jedoch nicht benannt.

Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger aus dem in der Provinz Ninive, Distrikt Telkef und Subdistrikt Al Qosh liegenden Dorf Bozan stammt.

Die Situation der Yeziden im Distrikt Telkef, in dem der Sub-Distrikt Al Qosh, der unter de facto kurdischer Kontrolle steht, zu einem ihrer Hauptsiedlungsgebiete gehört, ist nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. EZKS vom 17.2.2010, S. 13, 23 bis 27

vergleichsweise gut und vergleichbar mit derjenigen in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan und daher besser als im Sindjar.

Die Lage in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan ist nach Einschätzung von EZKS derzeit verhältnismäßig ruhig und stabil. In den letzten Jahren, insbesondere ab Ende 2007 ist dort sowohl eine Verbesserung der Sicherheitslage als auch eine Verbesserung der Infrastruktur festzustellen. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass dort eine direkte Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten besteht. Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden sind nicht bekannt. Auch sind im Sheikhan/al-Sheikhan keine Übergriffe gegenüber Yeziden dokumentiert, die in Opposition zur KRG-Politik stehen

vgl. hierzu im einzelnen Urteil des Senats vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -.

Im Herkunfts-Distrikt des Klägers Telkef, der ebenfalls über eine direkte Anbindung an die de jure kurdisch verwalteten Gebiete verfügt, gibt es ebenfalls keine durchgreifenden Hinweise auf Übergriffe auf Yeziden. Zwar berichtet EZKS unter Berufung auf UNAMI auch von Beschwerden über die willkürliche Verhaftung „ausgewählter“ Araber, Christen und Yeziden durch Peschmerga und den kurdischen Geheimdienst. Konkrete Hintergründe und Zahlen, aus denen sich belastbare Feststellungen ableiten lassen, benennt jedoch EZKS nicht

vgl. hierzu EZKS vom 17.2.2010, S. 11, 23, 27 und vom 26.5.2008 an VG Köln, S. 28; siehe auch SFH, Irak vom 10.1.2008: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwalteten Provinzen Sulaimaniya, Erbil und Dohuk, S. 16.

Schließlich lassen sich auch dem Bericht der

Denge Ezidiyan vom 2.12.2011 sowie der Pressemitteilung der GbV vom 9.12.2011 „Pogrome von radikalen Islamisten gegen Christen und Yeziden in Irakisch-Kurdistan“

über Angriffe auf yezidische und christliche Einrichtungen in den Städten Zakho, Simel und Dohuk im Nordirak, in deren Verlauf 20 Einrichtungen - vornehmlich Hotels und Läden - zerstört und etwa 30 Personen verwundet worden sein sollen, keine Zahlen entnehmen, die die genannten Feststellungen zur Gefahrendichte in Frage stellen könnten. Denn aus diesen Vorfällen können keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden, ob, wie häufig und in welchem Umfang sich solche oder ähnliche Angriffe wiederholen und auch die Herkunftsregion des Klägers betreffen könnten. Insoweit ist auch zu gewichten, dass in den drei autonom kurdisch regierten Provinzen weit überwiegend Muslime und insgesamt nur wenige der im Irak ansässigen Yeziden leben. Demgegenüber ist die Bevölkerung des Herkunftsorts des Klägers, Bozan, wie viele Orte im Distrikt Telkef überwiegend yezidisch

vgl. hierzu EZKS an VG Köln vom 26.5.2008, S. 8.

Hinzu kommt, dass nach den o.g. Erkenntnissen der GbV vom 9.12.2011 die am 2.12.2011 verletzten Personen überwiegend nicht Zivilisten, sondern Polizisten gewesen sein sollen und die kurdische Regierung der autonomen Region Kurdistan-Irak die Anschläge umgehend deutlich verurteilt hat.

Da auch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren keine weiteren Übergriffe in einer vergleichbaren Größenordnung bekannt geworden sind, ist der zuletzt beschriebene Vorfall als Einzelfall einzuschätzen.

Nach allem hält der Senat an seiner bisherigen Gesamteinschätzung der Lage der Yeziden in ihren Stammsiedlungsgebieten fest.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte, die ebenfalls eine Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak verneinen

vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 27.2.2012 - 13 a ZB 11.30338 - betreffend Yeziden aus dem Siedlungsgebiet Al Qosh; Urteile vom 2.2.2012 - 13 a B 11.30335 - und 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 - und Beschlüsse vom 8.11.2011 - 13 a ZB 11.30383, vom 3.11.2011 - 13 a ZB 11.30383 -, betreffend gleichfalls die Region Mossul/Ninive, OVG Münster, Beschlüsse vom 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; OVG Lüneburg, Urteile vom 19.3.2007 - 9 LB 373/06 und 9 LB 380/06 -; VGH Mannheim, Urteil vom 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, jeweils zitiert nach juris.

Eine dem Kläger mit Blick auf individuelle Gründe und seine yezidische Religionszugehörigkeit drohende, im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL relevante Gefährdung ist daher nach allem nicht anzunehmen.

Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass dem Kläger, der - wie dargelegt - in der mündlichen Verhandlung lediglich Vorladungen durch örtliche Parteifunktionäre der PDK und PUK in seinem Heimatdorf Bozan und in Al Qosh geltend gemacht hat, auch eine interne Schutzalternative i.S.d. Art. 8 QRL in anderen Teilen desTelkef, in dem nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zahlreiche Verwandte seiner Ehefrau leben, offenstünde.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 (konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung) und nach § 60 Abs. 3 AufenthG (Gefahr der Todesstrafe aufgrund einer von dem Schutzsuchenden begangenen Straftat) sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in der Herkunftsregion des Klägers in der Provinz Ninive und dort im Distrikt Telkef, überhaupt die Annahme eines innerstaatlichen oder auch nur regionalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen kann, kann dabei offenbleiben

vgl. Urteile des Senats vom 16.9.2011, a.a.O. und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 -; ebenso offen gelassen zum landesweiten Konflikt im Irak etwa OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -, VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 -, jeweils zitiert nach juris.

Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung.

Die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr kann erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, gezielt oder auch zufällig selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden. Bezüglich der Gefahrendichte ist auf die Herkunftsregion abzustellen, in die der Betreffende typischerweise zurückkehren wird. Eine Individualisierung kann sich aber auch bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben. Hierunter kann auch eine ethnische oder religiöse Zugehörigkeit fallen. Für die Feststellung der Gefahrendichte i.S.d. unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gelten vergleichbare Maßstäbe wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für die Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung. Neben einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung, die auch die medizinische Versorgungslage mit einbezieht

vgl. BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - und vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; VGH München, Urteil vom 2.2.2012, a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 – 9 A 3642/06.A, zitiert nach juris.

Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Herkunftsland einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgesetzt wäre.

Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL kann sich der Kläger - wie dargelegt - nicht berufen. Dies gilt sowohl mit Blick auf die geltend gemachten individuellen Gründe als auch seine yezidische Religionszugehörigkeit. Insoweit kann vollumfänglich auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG verwiesen werden.

Hinsichtlich der (landesweiten) Gefahrendichte ist, wie der Senat bereits in den o.g. Urteilen vom 1.6.2011 und vom 16.9.2011 im Einzelnen dargelegt hat, nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar von einer immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak auszugehen. Dennoch ist gegenüber früheren Jahren insbesondere eine relevante Abnahme der Opferzahlen zu verzeichnen

hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Juni 2011 und Januar 2010; Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010, taz 5.5.2011, BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte.

Zur allgemeinen Gefahrendichte insbesondere für die Jahre 2010 und 2011 in Relation zur Gesamtbevölkerung des Irak mit etwa 32,3 Millionen Menschen kann vollumfänglich auf die Ausführungen in den Urteilen des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 – und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris

verwiesen werden. Die Gesamtopferzahlen im Jahr 2010 mit 4028 Opfern und die sich auf vergleichbaren Niveau im Jahr 2011 (bis Mai 2011 1033 Tote) bewegenden Opferzahlen einschließlich einer einzurechnenden angemessenen Dunkelziffer von Verletzten und sonstigen Geschädigten verdeutlichen, dass eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 lit. c QRL) im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, zu verneinen ist. Angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im (gesamten) Irak derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dies gilt auch hinsichtlich der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ninive. Dort gab es im Jahr 2010 bei 363 Vorfällen 505 Tote (18 Tote je 100 000 Einwohner) und bis April 2011 bei 92 Vorfällen 132 Tote (4,7 Tote je 100 000 Einwohner)

vgl. hierzu auch VGH München, Urteil vom 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 -, zitiert nach juris.

Auch nach der Auswertung neueren Erkenntnismaterials

hierzu etwa BAMF, Briefing Notes vom 5.3.2012

geht von der allgemeinen Lage im Irak zwar nach wie vor eine Gefahr aus, die neben den Angehörigen spezieller Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften auch eine Vielzahl von Zivilpersonen ohne eindeutige Zuordnung betrifft. Seit dem Abzug der amerikanischen Truppen im Dezember 2011 finden weiterhin landesweit Anschläge statt. So gab es nach den dortigen Feststellungen im Januar 2012 151 Tote, davon 99 Zivilisten und insgesamt 321 Verwundete. Im Februar wurden 150 Iraker getötet, davon 91 Zivilisten. Nach einem weiteren Bericht

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 30.1.20212

sind Angaben von Iraq Body Count zufolge seit Jahresbeginn 2012 mindestens 320 Menschen bei Anschlägen getötet worden, während im Januar 2011 die Zahl der Opfer bei 387 Personen gelegen habe. Die vorgenannten Anschläge haben sich mithin auf einem mit den Jahren 2010 und 2011 vergleichbarem Niveau fortgesetzt und vermögen daher eine Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht zu begründen.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Religionsgemeinschaft der Yeziden wirkt sich - jedenfalls bezogen auf die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorrangig in den Blick zu nehmende Herkunftsregion – ebenfalls nicht gefahrerhöhend aus. Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen zur Frage einer Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG Bezug genommen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellungen zur Gefährdungslage in der Herkunftsprovinz Ninive mit dem Distrikt Telkef und dem Subdistrikt Al Qosh.

Angesichts des relativ „geringen“ Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens bietet schließlich auch die - zwar tendenziell verbesserte - teilweise aber immer noch angespannte medizinische Versorgungslage

vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010

ebenfalls keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

III.

Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen in der Person des Klägers nicht vor.

Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Klägers nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unzulässig ist, sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger drohen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen – auch erheblichen – Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebezielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt in einem solchen Fall eine Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer - landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.9.2011 - 10 C 24.10 - vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 16.9.2011, a.a.O., verneint.

Eine durchgreifende Änderung ist seitdem nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher nicht angenommen werden.

Der Berufung der Beklagten war nach alledem stattzugeben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.4.2011 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 68/10 - wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

Soweit die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten auferlegt wurden, wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auch dieser Kostenanteil dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit aus der Region Ninive. Er reiste eigenen Angaben zufolge im Dezember 2009 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte zusammen mit seiner Ehefrau die Anerkennung als Asylberechtigte. Am 30.3.2010 wurde für ein gemeinsames in Deutschland geborenes Kind ebenfalls ein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt der Beklagten am 7.1.2010 erklärte der Kläger, er habe sich zuletzt im Dorf Bozan aufgehalten, das zu Al Qosh gehöre. Dort lebe auch noch eine verheiratete Schwester, weitere Verwandten im Irak habe er nicht. Nach seinem Abitur 1997 in Al Qosh habe er zunächst zwei Jahre an der Fachhochschule in Mossul Elektrotechnik und anschließend von 1999 bis 2002 mit erfolgreichem Abschluss Informatik studiert. Zuletzt habe er vom 20.8.2003 bis zum 3.9.2009 als Ingenieur in einer Schwefelfabrik in Mishrak gearbeitet. Er habe auch gegen Entgelt im Dorf Satellitenanlagen installiert. Die Arbeit in der Fabrik sei schwierig gewesen, weil die Fahrten dorthin problematisch gewesen seien. Er sei mit dem PKW von Bozan bis nach Bashika/Bahzani gefahren und von dort mit dem Kleinbus der Firma weiter gereist. Er habe große Angst vor Terroristen gehabt, weil er Yezide sei. Andere Yeziden, die in einer Textilfabrik gearbeitet hätten, seien im April 2007 ermordet worden. In der Fabrik hätten alle gewusst, dass er Yezide sei. Sie hätten ihn deswegen gehasst. Er habe auch Probleme beim Überqueren der kurdischen Kontrollpunkte auf dem Weg von Bashika nach Bozan gehabt. Er sei zum Beispiel immer gefragt worden, wie es möglich sei, dass er als Yezide eine Arbeitsstelle in der Fabrik bekommen habe. Man habe ihm unterstellt, der kurdischen Opposition anzugehören und Kurden zu hassen. Dies führe er darauf zurück, dass er nach der Ankündigung der Kurden im Oktober 2004, in Schulen kurdisch zu unterrichten, zusammen mit anderen gefordert habe, dass der Unterricht auch in arabischer Sprache abgehalten werde. Damals - im Jahr 2004 - sei er zu Parteiverantwortlichen in Al Qosh bestellt worden. Man habe ihm gedroht, dass er in Kurdistan keine Ruhe haben werde und dort niemals arbeiten dürfe. Dann sei er zu einer Parteistelle in Telkef und nach Sheikhan gebracht worden. Dort sei er fünf Tage zusammen mit acht anderen inhaftiert gewesen, danach sei er freigelassen worden. Er sei jedoch eine unerwünschte Person geblieben. Die Parteifunktionäre hätten ihn öfter bestellt, manchmal alle 20 Tage, manchmal alle zwei Monate. Sie hätten ihm stets gedroht und erklärt, er habe ein großes Verbrechen gegen Kurdistan begangen. Nach den Wahlen am 15.1.2009 hätten die Schwierigkeiten zugenommen, weil andere Kräfte in Mossul an die Macht gekommen seien, die gegen die kurdische Verwaltung gewesen seien. Außerdem habe es im Dorf eine Person gegeben, die dem kurdischen Geheimdienst angehöre. Dieser habe ihm gesagt, dass es besser für ihn sei, wenn er nicht mehr im Dorf gesehen werde. Im August 2009 seien Yeziden aus Bashika/Bahzani durch einen Sprengsatz, der an einem Auto angebracht gewesen sei, auf dem Weg von Telkef nach Mossul getötet bzw. verletzt worden. Es habe sich dabei um Yeziden gehandelt, die im gleichen Ministerium wie er selbst gearbeitet hätten. Auch habe es ein Problem mit einem anderen Mann aus seinem Dorf gegeben. Dieser habe ihn im Januar 2008 angezeigt und behauptet, er habe ihn beleidigt. Er sei vor einen Richter geladen worden, der ihn aber freigesprochen habe. Konkrete Schwierigkeiten mit staatlichen Sicherheitsorganen habe er nicht gehabt. Für die Ehefrau und das Kind des Klägers wurden keine eigenen Gründe geltend gemacht.

Mit Bescheiden vom 13.1.2010 betreffend den Kläger und seine Ehefrau und vom 12.5.2010 betreffend das gemeinsame Kind lehnte das Bundesamt der Beklagten die Anträge in vollem Umfang ab. Die Bescheide wurden am 21.1.2010 zugestellt bzw. am 14.5.2010 per Einschreiben zur Post gegeben.

Hiergegen erhoben der Kläger und seine Familie am 27.1.2010 und am 18.5.2010 jeweils Klage, die am 23.8.2010 miteinander verbunden wurden. Zur Begründung vertiefte der Kläger sein bisheriges Vorbringen, und machte des Weiteren geltend, Yeziden im Irak unterlägen einer Gruppenverfolgung.

Der Kläger und seine Familie haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 13.1.2010 und vom 12.5.2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG vorliegt,

weiterhin hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 15.4.2011 - 2 K 68/10 - hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter abgewiesen und unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 13.1.2010 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen. Die Klagen der Ehefrau und des Sohnes des Klägers wurden vollumfänglich abgewiesen.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass der Kläger aus Furcht vor einer von nichtstaatlichen Akteuren ausgehenden und an seine yezidische Religion anknüpfenden, unmittelbar bevorstehenden Bedrohung seines Lebens und seiner körperlichen Unversehrtheit ausgereist sei, und ihm daher ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 AsylVfG zustehe.

Der Kläger habe übereinstimmend mit seinen Angaben bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt in der mündlichen Verhandlung vor Gericht widerspruchsfrei und ohne Steigerung im Vorbringen und damit glaubhaft vorgetragen, dass er wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit und seines Engagements für einen zweisprachigen Unterricht in Schulen in nahezu allen Lebensbereichen von Muslimen und Mitgliedern kurdischer Parteien unter Druck gesetzt und bedroht worden sei. Man habe sogar von ihm verlangt, sein Dorf zu verlassen. Er sei gezwungen gewesen, seinen Arbeitsplatz in der Fabrik, in der er zuletzt der einzige von ursprünglich neun Yeziden gewesen sei, aufzugeben. Auf diesem Arbeitsplatz sei er von arabischen Mitarbeitern bedroht worden, die u. a. geäußert hätten, Yeziden müssten getötet werden. Die Übergriffe hätten im Jahr 2007 begonnen. Auf dem Weg zur Arbeit hätten Muslime, die sich „Gotteskämpfer“ genannt hätten, gezielt nach Yeziden gesucht. Diese hätten auf dem Weg nach Mossul 22 Yeziden getötet. Einen Monat, bevor er seine Arbeit bei der Fabrik aus Angst vor weiteren Übergriffen aufgegeben habe, hätten diese „Gotteskämpfer“ einen Sprengsatz unter das Fahrzeug eines Yeziden deponiert. Dabei sei eine Person getötet und eine andere verletzt worden. Ursprünglich seien in dem Firmenbus, der ihn immer zur Arbeit gebracht habe, Yeziden, Muslime und Christen gemeinsam zur Fabrik gefahren. Nach dem Weggang anderer yezidischer Kollegen habe er jedoch befürchtet, als einziger Yezide in diesem Bus den Übergriffen schutzlos ausgeliefert zu sein. Seine Versuche, den Arbeitsplatz zu wechseln, seien gescheitert. Abgesehen von diesen Schwierigkeiten habe er auch in seinem Dorf Probleme gehabt, weil er sich für einen zweisprachigen Unterricht in Schulen eingesetzt habe. Seither sei er regelmäßig bei den kurdischen Parteistellen vorgeladen und dort beleidigt und erniedrigt worden. Er sei nicht bereits früher ausgereist, weil er sich um seine Mutter gekümmert habe, die 2009 verstorben sei.

Vor diesem Hintergrund stehe fest, dass der Kläger bedingt durch seine yezidische Religionszugehörigkeit und aufgrund seines früheren Engagements im Schulwesen als Einzelperson in das Blickfeld von fundamentalistischen Muslimen und Mitgliedern der kurdischen Parteien geraten sei und er angesichts der ständigen Drohungen in allen Lebensbereichen habe befürchten müssen, alsbald selbst Opfer gewalttätiger Übergriffe zu werden. Obwohl die von dem Kläger erlittenen Übergriffe für sich genommen möglicherweise noch nicht die Schwelle der asylerheblichen Eingriffsintensität erreicht hätten, sei aufgrund der Häufung der einzelnen Vorfälle, die sich auf nahezu alle Lebensbereiche erstreckt und die darauf abgezielt hätten, den Kläger aus seinem Heimatdorf und von seinem Arbeitsplatz zu vertreiben, von deren Relevanz i.S.v. Art. 9 Abs. 1 b Qualifikationsrichtlinie auszugehen. Der Annahme einer Vorverfolgung stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger erst 2009 ausgereist sei. Dies habe er nachvollziehbar damit erklärt, dass er seine Mutter nicht habe alleine lassen wollen und deshalb erst nach ihrem Tod ausgereist sei.

Effektiven Schutz im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG habe der irakische Staat dem Kläger insbesondere in Ermangelung effektiver Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet nicht bieten können.

Der vorverfolgt ausgereiste Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, in einem anderen Landesteil des Irak Schutz zu suchen. Eine Übersiedlung in die unter kurdischer Autonomie stehenden Provinzen des Nordirak scheide schon deshalb aus, weil er dort über keine verwandtschaftlichen Beziehungen verfüge. Hinzu komme, dass eine legale Niederlassung in den unter kurdischer Verwaltung stehenden Provinzen insbesondere für irakische Staatsangehörige aus dem Zentral- oder Südirak mit erheblichen Problemen verbunden bzw. unmöglich sei.

Andere Regionen des Irak stünden als inländische Fluchtalternative ebenso wenig zur Verfügung. Unter Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs könne nicht mit der insoweit erforderlichen hinreichenden Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch bei einem Ausweichen in andere Orte im Bezirk Telkef bzw. der Provinz Mossul massive Beeinträchtigungen zu gewärtigen hätte. Zudem seien Yeziden im Nordirak erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber auch z. B. durch die Sicherheitskräfte der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) ausgesetzt.

Die Ehefrau und der Sohn des Klägers könnten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht beanspruchen, da sie eigene Verfolgungsgründe nicht geltend gemacht hätten und eine Gruppenverfolgung von Angehörigen der yezidischen Religionsgemeinschaft im Irak derzeit mangels Vorliegens einer entsprechenden Verfolgungsdichte nicht anzunehmen sei.

Gegen das ihr am 4.7.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.7.2011 hinsichtlich des den Kläger betreffenden stattgebenden Teils einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem durch den ihr am 27.12.2011 zugestellten Beschluss des Senats vom 22.12.2011 - 3 A 325/11 - (berichtigt hinsichtlich des Rubrums durch Beschluss des Senats vom 22.2.2012) entsprochen wurde.

In der am 24.1.2012 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung führt die Beklagte im wesentlichen aus, selbst unter Zugrundelegung der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens könne nicht von einer im Herkunftsstaat bereits erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ausgegangen werden. Der Kläger berufe sich überwiegend auf Ereignisse, die Dritten und nicht ihm gegolten hätten.

Soweit es die Bedrohungen und sonstigen Beeinträchtigungen anbelange, denen er nach seinen Angaben ausgesetzt gewesen sei, stelle dies auch in der Kumulierung keine i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL ausreichende Verfolgungshandlung dar. Denn insoweit könnten nur solche unterschiedlichen Maßnahmen einer Zusammenrechnung zuzuführen sein, die erkennbar an denselben Verfolgungsgrund anknüpften.

Nach den Materialien zur sog. Qualifikationsrichtlinie sei keine im Wege erweiternder Normauslegung erreichbare Schutzerstreckung beabsichtigt gewesen, die maßgeblich über das bis dahin innerstaatlich geltende Verständnis des geschützten Bereichs hinausgehen sollte. Die Bestimmung des Art. 9 QRL orientiere sich weitgehend an der Genfer Konvention und dem Gemeinsamen Standpunkt vom 4.3.1996 betreffend die harmonisierte Anwendung des Begriffs „Flüchtling“.

Nach der damaligen Interpretation des Flüchtlingsbegriffs sei bei der innerstaatlichen Rechtsanwendung schon generell keine Zusammenrechnung für sich jeweils nicht hinreichend intensiver Diskriminierung in der Weise vorgesehen gewesen, dass sich aus deren Gesamtheit eine hinreichend intensive Verfolgungsbetroffenheit hätte ergeben können.

Ungeachtet dessen halte sie - die Beklagte - das Vorbringen des Klägers für nicht hinreichend glaubhaft.

Allein wegen Zugehörigkeit zur Gruppe der yezidischen Religionszugehörigen sei keine relevante Gefährdung anzunehmen. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c QRL und nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.4.2011 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 68/10 - die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei er - der Kläger - unter dem Druck einer erlittenen bzw. unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ausgereist. Abgesehen von dem Hinweis auf die Mordanschläge im April 2007 und im August 2009 habe er nur gegen ihn selbst gerichtete Maßnahmen und Bedrohungen in allen Lebensbereichen geltend gemacht. An die Inhaftierung im Jahr 2004 wegen des Eintritts für den arabischen Schulunterricht, die jedoch nicht sein Ausreiseanlass gewesen sei, hätten sich weitere Bedrohungen seitens kurdischer Parteifunktionäre, aber auch durch einen kurdischen Geheimdienstmitarbeiter und einen weiteren Mann aus seinem Heimatdorf angeschlossen. Der kurdische Geheimdienstmitarbeiter habe ihm gesagt, es sei besser für ihn, wenn er in seinem Heimatdorf nicht mehr gesehen werde. Dies habe er als Morddrohung verstehen müssen. Die Auffassung der Beklagten, wonach unterschiedliche Maßnahmen nur dann i.S.d. Art. 9 QRL zusammenzurechnen seien, wenn sie an denselben Verfolgungsgrund anknüpften, sei nicht haltbar. Im Übrigen knüpften alle gegen ihn gerichteten Maßnahmen an seine yezidische Religionszugehörigkeit an.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 29.3.2012 zu seinen Asylgründen informatorisch angehört.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Ausländerbehörde, der ebenso wie die bei Gericht geführte Dokumentation Irak, insbesondere hinsichtlich der in der Anlage zur Sitzungsniederschrift bezeichneten Teile, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 13.1.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Die Berufung führt daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG.

Die von dem Kläger begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG ist abzulehnen, weil er nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er aus begründeter Furcht vor (bereits erlittener oder unmittelbar bevorstehender) politischer Verfolgung aus seinem Heimatland ausgereist ist bzw. dass ihm gegenwärtig eine solche aus den in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gründen droht. Er ist im Dezember 2009 unverfolgt aus dem Irak ausgereist und muss im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, bei einer Rückkehr dorthin relevanten Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.6.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG von dem Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (lit. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die unter lit. a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn es besteht eine inländische Fluchtalternative (lit. c).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG unterliegt im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, nach denen auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG erfolgt

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Dritt- staatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewähren- den Schutzes (ABI EG Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Ungeachtet der Neufassung der Richtlinie durch die sog. Anerkennungsrichtlinie vom 13.12.2011 (QRL 2011) sind die vorbezeichneten Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 im vorliegenden Berufungsverfahren in der bislang geltenden Fassung an-zuwenden, da deren Neufassung gemäß Art. 41 QRL 2011 erst zum 22.12.2013 in Kraft tritt.

Nach Art. 9 Abs. 1 QRL gelten als Verfolgung in diesem Sinne Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - keine Abweichung zulässig ist (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter lit. a) beschriebenen Weise betroffen ist (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL).

Art. 9 Abs. 3 QRL bestimmt, dass eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 QRL genannten Verfolgungsgründen und den in Art. 9 Abs. 1 QRL als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.

Die Annahme einer relevanten Verfolgungssituation i.S.d. §60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass eine spezifische Zielrichtung vorliegt, d.h. die Verfolgung muss nach ihrer erkennbaren Gerichtetheit an die vorstehend genannten Merkmale anknüpfen

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315 ff.

Die Zielgerichtetheit bezieht sich nicht nur auf die asylerheblichen Merkmale bzw. jetzt auf die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 QRL, an die die Handlung an- knüpfen muss (Art. 9 Abs. 3 QRL), sondern auch auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst.

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

Für ein solches Verständnis des Begriffs der Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL spricht auch die Begründung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 12. 9. 2001, in der es heißt, dass als Verfolgung "ausschließlich Handlungen gelten, die absichtlich, fortdauernd oder systematisch ausgeführt werden und so gravierend sind, dass eine Rückkehr ins Herkunftsland ausgeschlossen ist"

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

An einer solchen gezielten Rechtsverletzung fehlt es indes regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu er- leiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen

hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVervVGE 96, 200 ff.

Zu den notstandsfesten Rechten im Sinne von Art 9 QRL gehören das Recht auf Leben nach Art. 2 EMRK, das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung nach Art. 3 EMRK, das Verbot von Sklaverei und Leibeigenschaft nach Art. 4 Abs. 1 EMRK sowie das Verbot einer Verurteilung ohne gesetzliche Grundlage nach Art. 7 EMRK. Bei einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit ist ohne Weiteres von einer beachtlichen Verfolgung auszugehen, sofern der Eingriff von Art. 3 EMRK erfasst wird. In jedem Falle stellt das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit bzw. physische Freiheit ein grundlegendes Menschenrecht dar. Wird ein Eingriff in dieses Recht nicht von Art. 3 EMRK erfasst, ist eine Verfolgung anzunehmen, wenn die Verletzung des Rechts schwerwiegend im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a .QRL ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009 - 10 C 51.07 -, zitiert nach juris.

Bei der Anknüpfung an eine religiöse Betätigung macht es einen Unterschied, ob es sich um die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit handelt oder um einen Eingriff in die Religionsfreiheit dahingehend, dass dem Gläubigen eine Einschränkung oder Unterlassung seines Glaubens abverlangt wird

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009, a.a.O., zitiert nach juris.

Maßnahmen, die andere Rechtsgüter betreffen, sind dann Verfolgung, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde des Opfers verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Verfolgerstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben

vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 42.87 - sowie Urteil vom 18.2.1986 - 9 C 104.85 -, zitiert nach juris.

Exemplarisch für Verfolgungshandlungen benennt Art. 9 Abs. 2 QRL unter anderem: Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (lit. a); gesetzliche administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (lit. b); unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (lit. c), Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (lit. d).

Das Erfordernis nach Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL , dass die Handlungen aufgrund ihrer Art oder Wiederholung schwerwiegend sein müssen, verdeutlicht, dass auch eine einmalige Verfolgungshandlung ausreichen kann, wenn sich daraus ergibt, dass der weitere Aufenthalt im Herkunftsland für den Antragsteller unzumutbar war. Andererseits kann nach Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL – wie bereits dargelegt - eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen.

Eine allgemein verbindliche Festlegung, inwieweit unterschiedliche kumulativ auftretende Maßnahmen den Verfolgungsbegriff i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL erfüllen, ist indes nicht möglich. Weder aus der von der Beklagten angeführten Begründung vom 12.9.2001 zu Art. 9 QRL (ursprünglich konzipiert als Art. 11) noch aus dem Gemeinsamen Standpunkt vom 4.3.1996 lassen sich eindeutige verallgemeinerungsfähige Interpretationshinweise entnehmen.

Eine Beurteilung des Eingreifens des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL unterliegt vielmehr der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.

Die kumulative Wirkung unterschiedlicher Handlungen muss aber stets derart gravierend sein, dass der Schutzsuchende davon in ähnlicher Weise wie durch eine i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL schwerwiegende Menschenrechtsverletzung betroffen ist. Die festgestellten Handlungen oder Maßnahmen müssen deshalb in ihrer Gesamtwirkung das Gewicht und die Schwere einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung aufweisen

zur Rechtsprechung des BVerwG vor Inkrafttreten des Art. 9 QRL vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.8.1997 - 9 B 105.97 -, vom 3.4.1995 - 9 B 758.94 - und Urteil vom 23.7.1991 - 9 C 154.90 -, jeweils zitiert nach juris.

Die Verfolgungshandlungen nach Art. 10, 9 QRL müssen ferner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen

vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., jeweils zitiert nach juris.

Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint

vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008 - 10 C 33.07 - und Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -; OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Ist der Ausländer verfolgt ausgereist, findet die in Art. 4 Abs. 4 QRL vorgesehene Beweiserleichterung Anwendung. Danach ist die Tatsache, dass ein Schutzsuchender bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden i. S. d. Art. 15 lit. a) bis c) QRL zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird.

Für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden bzw. dem Sachverhalt, der bei einer Rückkehr erneut zu einer Verfolgung führen könnte, besteht. Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL erstreckt

vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen, ob stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen

vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.

Von diesen Maßstäben ausgehend kann der Kläger auch unter Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (QRL) die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in den Irak nicht beanspruchen. Das gilt sowohl im Hinblick auf sein Individualschicksal als auch im Hinblick auf die zu verneinende Gruppenverfolgung wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit.

Der Kläger ist unverfolgt ausgereist. Er vermochte eine im Ausreisezeitpunkt bereits erlittene oder ihm unmittelbar drohende staatliche oder nicht-staatliche Individualverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL nicht darzutun.

Zielgerichtete Verfolgungshandlungen seitens staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure in Anknüpfung an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 10 QRL, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung oder in ihrer Gesamtwirkung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a und lit. b QRL darstellen, lassen sich den durchgängig beibehaltenen und auch zur Überzeugung des Senats glaubhaften Aussagen des Klägers nicht entnehmen.

Die von ihm sowohl in dem Verfahren vor dem Bundesamt als auch in dem erstinstanzlichen Verfahren geschilderten Vorfälle, die konkret gegen seine Person gerichtet waren, d. h. die verbalen Bedrohungen seitens anderer Mitarbeiter in der Schwefelfabrik, die Nachfragen bei kurdischen Kontrollstellen auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle mit der Unterstellung, der kurdischen Opposition anzugehören, die Warnungen eines im Dorf des Klägers wohnenden yezidischen Mitarbeiters des kurdischen Geheimdienstes, das Dorf zu verlassen, sowie die - mit einem Freispruch endende - Falschanzeige eines yezidischen Dorfbewohners, der ihn belästigt und beschimpft habe, bleiben vielmehr unterhalb der maßgeblichen Schwelle im Sinne der genannten Bestimmungen. Sie erfüllen keines der vorstehend genannten Regelbeispiele des Art. 9 Abs. 2 QRL. Auch greifen sie weder für sich allein (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL) noch in ihrer Gesamtheit (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL) in das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben oder in die nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung), nach Art. 4 EMRK (Schutz vor Sklaverei oder Leibeigenschaft), nach Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und nach Art. 6 und 7 EMRK (Sicherung eines fairen Gerichtsverfahrens und Strafausspruchs) geschützten Rechte ein.

Die vom Kläger genannten Vorfälle stellen zwar Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten in verschiedenen Lebensbereichen dar. Von einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte, die einen (weiteren) Aufenthalt des Klägers im Herkunftsland unzumutbar machen, kann jedoch keine Rede sein.

Dies gilt auch, wenn man die von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als maßgeblich für seine Verfolgungsfurcht bezeichneten Vorfälle betrachtet.

Insoweit hat der Kläger bekundet, zusammen mit neun weiteren Personen von Seiten kurdischer Parteifunktionäre für 5 Tage inhaftiert gewesen zu sein, nachdem er sich im Jahr 2004 dafür eingesetzt habe, dass der Unterricht in den Schulen außer in kurdischer Sprache auch in arabischer Sprache gehalten werden solle. Die damalige Haft habe ihn nicht zur Ausreise veranlasst. Er habe jedoch in der Folgezeit weiterhin Probleme mit kurdischen Parteistellen gehabt. So sei er von Parteiverantwortlichen der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), meistens aber von der Kurdischen Demokratischen Partei (PDK) häufig vorgeladen worden. Wenn es sich um „kleine Sachen“ gehandelt habe, sei er zu der Partei-Dienststelle in Bozan einbestellt worden, in 90 % der Fälle sei er jedoch an der jeweiligen Dienststelle in Al Qosh gewesen. Anlass seiner Vorladungen sei etwa gewesen, dass im Februar 2007 Dorfbewohner aus Bozan gegen die kurdische Regionalregierung demonstriert und eine kurdische Fahne von der Schule heruntergeholt hätten. Im Jahr seiner Ausreise 2009 sei er etwa alle zwei Monate - ohne bestimmten Anlass - und zuletzt im Oktober 2009 vorgeladen worden. Am Vorabend dieser letzten Vorladung hätten gegen 18.30 bis 19.00 Uhr zwei Peschmerga heftig an der Haustür geklopft und ihn aufgefordert, am nächsten Morgen in der Parteidienststelle in Al Qosh zu erscheinen. Als er dorthin gegangen sei, habe ihn der anwesende Peschmerga gefragt, ob er immer noch hier sei. Dieser habe ihn beschimpft und erniedrigt und aufgefordert, aus der Region zu verschwinden. Man betrachte ihn als Gegner, weil er sich gegen die Kurden gestellt habe. Auch habe man ihm vorgeworfen, kein Parteimitglied zu sein. Nach etwa 20 bis 25 Minuten habe man ihn aus dem Raum geworfen, ein an der Tür stehender Peschmerga habe ihm dabei einen Fußtritt versetzt. Bis zu seiner Ausreise im Dezember 2009 sei ihm nichts mehr geschehen. Auch die früheren Vorladungen hätten sich im Wesentlichen so abgespielt wie die Vorladung im Oktober 2009. Des Weiteren gab der Kläger an, auf seinem Weg zur Arbeit in die Fabrik von Mishrak ständig Angst vor Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ gehabt zu haben.

Auch diese von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als wesentlich für seine Verfolgungsfurcht in den Vordergrund gestellten Vorfälle - häufige Vorladungen vor die örtlichen Parteidienststellen der PDK und PUK in Al Qosh und Bozan sowie Anschläge von Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ auf dem üblichen Weg zu seiner Arbeitsstelle südlich von Mossul - erfüllen weder den Tatbestand der in Art. 9 Abs. 2 QRL genannten Regelbeispiele noch vermögen sie allein oder in ihrer Gesamtwirkung eine zielgerichtete, an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 10 QRL anknüpfende Verfolgung im Sinne einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschrechte nach Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL zu begründen.

Abgesehen von der von ihm selbst nicht als fluchtauslösend bezeichneten, lange zurückliegenden kurzzeitigen Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004 liegen keine Eingriffe in Leben, körperliche Unversehrtheit und physische Freiheit vor, sondern allenfalls - wenngleich unangenehme und belastende - Nachstellungen unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz. Die Vorladungen vor örtliche Parteistellen, denen der Kläger jeweils selbst nachkam, beschränkten sich eigenen Angaben zufolge stets auf verbale Angriffe in einem Zeitraum von etwa 20 Minuten und blieben ohne weitere Folgen für den Kläger, der bis zu der von ihm - aus anderen Gründen - veranlassten Arbeitsaufgabe im September 2009 ungehindert seiner Arbeit und Existenzsicherung nachgehen konnte. Soweit er ferner auf allgemeine Verfolgungsgefahren durch Terroristen bzw. „Gotteskämpfer“ auf dem Weg zur Arbeit verweist, stellen diese keine zielgerichtete individuelle Verfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG dar.

Insgesamt kann daher von einer durch unzumutbaren Verfolgungsdruck aufgrund staatlicher oder nichtstaatlicher Individualverfolgung im Sinne der genannten Vorschrift veranlassten Ausreise des Klägers nicht ausgegangen werden. Dies verdeutlicht auch der Umstand, dass der Kläger nach der im Jahr 2004 erlittenen fünftägigen Inhaftierung seitens kurdischer Parteistellen noch fünf Jahre freiwillig an seinem Heimatort verblieb. Nichts anderes gilt, wenn man dies - seinen Angaben folgend – in einen Zusammenhang mit der Fürsorge für seine im August 2009 verstorbene Mutter stellt.

Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht mit Rücksicht darauf als vorverfolgt anzusehen, dass er Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden ist. Eine an dieses Merkmal anknüpfende Gruppenverfolgung im Irak war und ist zu verneinen.

Zwar kann sich die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das der Flüchtling mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gruppenverfolgung)

zu den Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.; BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris.

Das Vorliegen einer derartigen Gruppenverfolgung von Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Yeziden im Irak ist jedoch zu verneinen. Dies hat der Senat unter ausführlicher Würdigung zahlreicher Erkenntnisquellen

vgl. hierzu u.a. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010, EZKS an VG München vom 17.2.2010, vom 26.5.2008 an VG Köln zu Az. 21 K 142/0.A u.a. vom 22.12.2007 an VG Cottbus, vom 19.7.2007 an VG Gelsenkirchen, vom 15.7.2007 an VG Karlsruhe zu Az. 3 K 10741/04, vom 19.3.2007 an VG Ansbach zu Az. AN 9 K 04.30815, Bundesasylamt (Österreich), Die Sicherheitslage der Yeziden im Irak vom 4.11.2009, Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Yeziden im Irak, November 2007, GIGA an VG Köln vom 7.9.2007 und 12.3.2007; GIGA an VG Düsseldorf vom 2.4.2007, UNHCR an VG Köln vom 9.1.2007 und vom 28.7.2007, BAMF, Yeziden im Irak von Juni 2007; den Bericht Dulz/Siamend Hajo/Savelsberg, Die Yeziden im „neuen“ Irak 2004/2005

bereits in seinem o.g. Urteil

Urteil vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -, dokumentiert bei juris,

entschieden. Die dortigen Feststellungen beziehen sich sowohl auf denjenigen Zeitraum, in den die Ausreise des hiesigen Klägers fällt, als auch auf den sich daran anschließenden Zeitraum bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung.

In dem genannten Urteil hat der Senat im Fall eines - wie der Kläger des vorliegenden Verfahrens - aus der Provinz Ninive stammenden Klägers kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit festgestellt, dass für Yeziden im Irak weder eine landesweite noch eine regional auf die Stammsiedlungsgebiete der Yeziden im Norden des Irak, die Regionen Sheikhan, al Sheikhan und Sindjar, - insgesamt oder im einzelnen - begrenzte Gruppenverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 10, 9 QRL anzunehmen war und ist, da es - auch bei regionaler Betrachtung - an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt. Daran hält der Senat fest.

Die Auswertung der o.g. Erkenntnisse im Rahmen des Urteils des Senats vom 16.9.2011, a.a.O., hat ergeben, dass es insbesondere nach dem Jahr 2007, für das insgesamt etwa 1000 relevante Übergriffe auf Yeziden zu verzeichnen waren, in den Folgejahren bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung nicht mehr zu Übergriffen in einer vergleichbaren Größenordnung gekommen ist. Vielmehr war eine stete und erhebliche Abnahme verfolgungsrelevanter Vorfälle zu verzeichnen.

Selbst wenn unterstellt wird, dass die insgesamt bekannt gewordenen Maßnahmen verfolgungsrelevant im Sinne der Art. 9, 10 QRL waren, war deren Zahl selbst unter Einrechnung einer hierzu in angemessener Relation stehenden Dunkelziffer nicht geeignet, eine landesweite oder regionale Verfolgung der Yeziden als religiöser Gruppe, die nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010

auf derzeit noch ca. 200.000 Glaubenszugehörige zu bemessen ist, zu belegen. Sie blieb und bleibt vielmehr in erheblichem Abstand zur kritischen Verfolgungsdichte.

Ist der Kläger danach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, kommt ihm für die Beurteilung der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu befürchten hat, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugute und ist hierfür der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.

Ausgehend von diesem Maßstab ist eine Verfolgung im Sinne der genannten Bestimmung im Falle seiner Rückkehr nicht zu prognostizieren.

Dies gilt für die von ihm geltend gemachte individuelle Verfolgungsgefahr sowohl mit Blick auf die lange zurückliegende kurzzeitige Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004, die Nachstellungen durch die örtlichen kurdischen Parteistellen, die sich stets unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz bewegten, und die vorgetragenen Warnungen und Belästigungen durch einzelne Dorfbewohner, als auch im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden.

Bezüglich der geltend gemachten individuellen Verfolgungsgefahr ergibt sich dies bereits aus den für den Ausreisezeitpunkt dargelegten Aspekten, aus denen sich weder für den damaligen, noch für den Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bejahen lässt. Änderungen, die nunmehr eine andere Betrachtung zuließen, sind nicht eingetreten. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lassen – wie für die Zeit vor seiner Ausreise – auch für die Zeit nach seiner Ausreise bis heute den Schluss auf eine entsprechende Gefährdung des Klägers im Rückkehrfall nicht zu.

Eine Gefährdung des Klägers als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden – insoweit unter dem Aspekt der Gruppenverfolgung - ist im Falle seiner Rückkehr im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ebenfalls zu verneinen. An den Feststellungen des o.g. Urteils des Senats

Urteil vom 16.9.2011 – 3 A 446/09 -, a.a.O.

zur Frage der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak wird festgehalten. Daran haben sich zwischenzeitlich, seit Erlass dieser Entscheidung, auch bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt keine relevanten Veränderungen ergeben.

Aus dem im o.g. Urteil vom 16.9.2011 noch nicht berücksichtigten Bericht der Minority Rights Group International: Still Targeted: Continued Persecution of Iraq’s Minorities vom Juni 2010 ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine abweichende Bewertung der Frage einer (regionalen) Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak rechtfertigen könnten. Abgesehen von den dort konkret aufgeführten Opferzahlen für das Jahr 2007, die der Senat im o.g. Urteil gewürdigt und als nicht ausreichend für die Annahme der erforderlichen Gefahrendichte erachtet hat, benennt der Bericht, der sich auf die Befragung von lediglich 45 Yeziden aus den Gebieten Mossul und Dohuk stützt, für die Folgezeit ab 2007 bis zum gegebenen Zeitpunkt keine konkreten Zahlen, die eine den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügende Verfolgungsdichte belegen könnten

vgl. hierzu etwa auch Beschlüsse des Senats vom 1.3.2012 - 3 A 13/11 - und vom 16.12.2011 - 3 A 264/11 - im Falle eines gleichfalls aus Ninive stammenden yezidischen Klägers.

Auch sonst sind keine neuen Zahlen, Fakten und Erkenntnisse ersichtlich, welche die Verneinung der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak durchgreifend in Frage stellen könnten.

Ebenfalls gebietet die aktuelle Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien

- EZKS - vom 20.11.2011 an VG Düsseldorf

keine abweichende Beurteilung. Danach beanspruchen die Darlegungen der früheren Stellungnahme vom 17.2.2010, die der Senat in seinem o.g. Urteil vom 16.9.2011, eingehend gewürdigt hat, nach wie vor Geltung. Allerdings wird dort - im Gegensatz zu den Angaben des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 28.11.2010 über 200.000 im Nordirak lebende Yeziden - gleichfalls ohne durchgreifenden Beleg von einer „geschätzten“ Gesamtzahl von 300.000 Yeziden ausgegangen. Auch die Zugrundelegung dieser Gesamtzahl hätte auf die vom Senat in dem genannten Urteil getroffenen Feststellungen bezüglich der Verfolgungsdichte für Yeziden im (Nord)Irak im Ergebnis keine maßgeblichen Auswirkungen, da sich bei der vom EZKS angenommenen höheren Personenzahl in Relation zu den festgestellten Verfolgungsschlägen (einschließlich der Einbeziehung einer Dunkelziffer) die Verfolgungsdichte sogar verringern würde.

Nach der Anfang Oktober 2011 erfolgten Recherche eines Gutachters im Rahmen der o.g. Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011 durch Befragung von fünf Personen anlässlich eines eintägigen Aufenthalts in der Stadt Sindjar ist für die Region Sindjar infolge einer Intensivierung der Maßnahmen im Sicherheitsbereich sogar eine Verbesserung der Lage im Vergleich zu den Vorjahren festzustellen. So weist EZKS darauf hin, dass etwa die Strecke zwischen Dohuk-Stadt und Sindjar-Stadt regelmäßig auch von Yeziden genutzt wird und dass die Befragten anders als noch vor zwei Jahren nicht von Zwischenfällen/Angriffen auf dieser Straße berichtet hätten. Es habe keine großen Anschläge mehr auf Zentraldörfer wie noch im Jahr 2007 gegeben, auch die Zahl der Einzeltötungen und Entführungen sei gesunken.

Nach der Gesamteinschätzung des EZKS werden im Sindjar zwar nach wie vor Yeziden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Opfer von Anschlägen (Morde, Entführungen, Lösegelderpressung), wobei diese Gefahr insbesondere dann bestehe, wenn sie sich aus den Zentraldörfern hinaus in Richtung Mossul begäben. Diesbezügliche relevante Zahlen, die eine abweichende Beurteilung von den bisherigen Feststellungen des Senats geböten, werden in

der Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011, a.a.O.,

die sich im Wesentlichen mit der Situation im Sindjar-Gebiet befasst, jedoch nicht benannt.

Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger aus dem in der Provinz Ninive, Distrikt Telkef und Subdistrikt Al Qosh liegenden Dorf Bozan stammt.

Die Situation der Yeziden im Distrikt Telkef, in dem der Sub-Distrikt Al Qosh, der unter de facto kurdischer Kontrolle steht, zu einem ihrer Hauptsiedlungsgebiete gehört, ist nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. EZKS vom 17.2.2010, S. 13, 23 bis 27

vergleichsweise gut und vergleichbar mit derjenigen in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan und daher besser als im Sindjar.

Die Lage in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan ist nach Einschätzung von EZKS derzeit verhältnismäßig ruhig und stabil. In den letzten Jahren, insbesondere ab Ende 2007 ist dort sowohl eine Verbesserung der Sicherheitslage als auch eine Verbesserung der Infrastruktur festzustellen. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass dort eine direkte Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten besteht. Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden sind nicht bekannt. Auch sind im Sheikhan/al-Sheikhan keine Übergriffe gegenüber Yeziden dokumentiert, die in Opposition zur KRG-Politik stehen

vgl. hierzu im einzelnen Urteil des Senats vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -.

Im Herkunfts-Distrikt des Klägers Telkef, der ebenfalls über eine direkte Anbindung an die de jure kurdisch verwalteten Gebiete verfügt, gibt es ebenfalls keine durchgreifenden Hinweise auf Übergriffe auf Yeziden. Zwar berichtet EZKS unter Berufung auf UNAMI auch von Beschwerden über die willkürliche Verhaftung „ausgewählter“ Araber, Christen und Yeziden durch Peschmerga und den kurdischen Geheimdienst. Konkrete Hintergründe und Zahlen, aus denen sich belastbare Feststellungen ableiten lassen, benennt jedoch EZKS nicht

vgl. hierzu EZKS vom 17.2.2010, S. 11, 23, 27 und vom 26.5.2008 an VG Köln, S. 28; siehe auch SFH, Irak vom 10.1.2008: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwalteten Provinzen Sulaimaniya, Erbil und Dohuk, S. 16.

Schließlich lassen sich auch dem Bericht der

Denge Ezidiyan vom 2.12.2011 sowie der Pressemitteilung der GbV vom 9.12.2011 „Pogrome von radikalen Islamisten gegen Christen und Yeziden in Irakisch-Kurdistan“

über Angriffe auf yezidische und christliche Einrichtungen in den Städten Zakho, Simel und Dohuk im Nordirak, in deren Verlauf 20 Einrichtungen - vornehmlich Hotels und Läden - zerstört und etwa 30 Personen verwundet worden sein sollen, keine Zahlen entnehmen, die die genannten Feststellungen zur Gefahrendichte in Frage stellen könnten. Denn aus diesen Vorfällen können keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden, ob, wie häufig und in welchem Umfang sich solche oder ähnliche Angriffe wiederholen und auch die Herkunftsregion des Klägers betreffen könnten. Insoweit ist auch zu gewichten, dass in den drei autonom kurdisch regierten Provinzen weit überwiegend Muslime und insgesamt nur wenige der im Irak ansässigen Yeziden leben. Demgegenüber ist die Bevölkerung des Herkunftsorts des Klägers, Bozan, wie viele Orte im Distrikt Telkef überwiegend yezidisch

vgl. hierzu EZKS an VG Köln vom 26.5.2008, S. 8.

Hinzu kommt, dass nach den o.g. Erkenntnissen der GbV vom 9.12.2011 die am 2.12.2011 verletzten Personen überwiegend nicht Zivilisten, sondern Polizisten gewesen sein sollen und die kurdische Regierung der autonomen Region Kurdistan-Irak die Anschläge umgehend deutlich verurteilt hat.

Da auch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren keine weiteren Übergriffe in einer vergleichbaren Größenordnung bekannt geworden sind, ist der zuletzt beschriebene Vorfall als Einzelfall einzuschätzen.

Nach allem hält der Senat an seiner bisherigen Gesamteinschätzung der Lage der Yeziden in ihren Stammsiedlungsgebieten fest.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte, die ebenfalls eine Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak verneinen

vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 27.2.2012 - 13 a ZB 11.30338 - betreffend Yeziden aus dem Siedlungsgebiet Al Qosh; Urteile vom 2.2.2012 - 13 a B 11.30335 - und 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 - und Beschlüsse vom 8.11.2011 - 13 a ZB 11.30383, vom 3.11.2011 - 13 a ZB 11.30383 -, betreffend gleichfalls die Region Mossul/Ninive, OVG Münster, Beschlüsse vom 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; OVG Lüneburg, Urteile vom 19.3.2007 - 9 LB 373/06 und 9 LB 380/06 -; VGH Mannheim, Urteil vom 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, jeweils zitiert nach juris.

Eine dem Kläger mit Blick auf individuelle Gründe und seine yezidische Religionszugehörigkeit drohende, im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL relevante Gefährdung ist daher nach allem nicht anzunehmen.

Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass dem Kläger, der - wie dargelegt - in der mündlichen Verhandlung lediglich Vorladungen durch örtliche Parteifunktionäre der PDK und PUK in seinem Heimatdorf Bozan und in Al Qosh geltend gemacht hat, auch eine interne Schutzalternative i.S.d. Art. 8 QRL in anderen Teilen desTelkef, in dem nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zahlreiche Verwandte seiner Ehefrau leben, offenstünde.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 (konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung) und nach § 60 Abs. 3 AufenthG (Gefahr der Todesstrafe aufgrund einer von dem Schutzsuchenden begangenen Straftat) sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in der Herkunftsregion des Klägers in der Provinz Ninive und dort im Distrikt Telkef, überhaupt die Annahme eines innerstaatlichen oder auch nur regionalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen kann, kann dabei offenbleiben

vgl. Urteile des Senats vom 16.9.2011, a.a.O. und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 -; ebenso offen gelassen zum landesweiten Konflikt im Irak etwa OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -, VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 -, jeweils zitiert nach juris.

Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung.

Die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr kann erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, gezielt oder auch zufällig selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden. Bezüglich der Gefahrendichte ist auf die Herkunftsregion abzustellen, in die der Betreffende typischerweise zurückkehren wird. Eine Individualisierung kann sich aber auch bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben. Hierunter kann auch eine ethnische oder religiöse Zugehörigkeit fallen. Für die Feststellung der Gefahrendichte i.S.d. unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gelten vergleichbare Maßstäbe wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für die Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung. Neben einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung, die auch die medizinische Versorgungslage mit einbezieht

vgl. BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - und vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; VGH München, Urteil vom 2.2.2012, a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 – 9 A 3642/06.A, zitiert nach juris.

Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Herkunftsland einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgesetzt wäre.

Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL kann sich der Kläger - wie dargelegt - nicht berufen. Dies gilt sowohl mit Blick auf die geltend gemachten individuellen Gründe als auch seine yezidische Religionszugehörigkeit. Insoweit kann vollumfänglich auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG verwiesen werden.

Hinsichtlich der (landesweiten) Gefahrendichte ist, wie der Senat bereits in den o.g. Urteilen vom 1.6.2011 und vom 16.9.2011 im Einzelnen dargelegt hat, nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar von einer immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak auszugehen. Dennoch ist gegenüber früheren Jahren insbesondere eine relevante Abnahme der Opferzahlen zu verzeichnen

hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Juni 2011 und Januar 2010; Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010, taz 5.5.2011, BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte.

Zur allgemeinen Gefahrendichte insbesondere für die Jahre 2010 und 2011 in Relation zur Gesamtbevölkerung des Irak mit etwa 32,3 Millionen Menschen kann vollumfänglich auf die Ausführungen in den Urteilen des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 – und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris

verwiesen werden. Die Gesamtopferzahlen im Jahr 2010 mit 4028 Opfern und die sich auf vergleichbaren Niveau im Jahr 2011 (bis Mai 2011 1033 Tote) bewegenden Opferzahlen einschließlich einer einzurechnenden angemessenen Dunkelziffer von Verletzten und sonstigen Geschädigten verdeutlichen, dass eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 lit. c QRL) im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, zu verneinen ist. Angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im (gesamten) Irak derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dies gilt auch hinsichtlich der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ninive. Dort gab es im Jahr 2010 bei 363 Vorfällen 505 Tote (18 Tote je 100 000 Einwohner) und bis April 2011 bei 92 Vorfällen 132 Tote (4,7 Tote je 100 000 Einwohner)

vgl. hierzu auch VGH München, Urteil vom 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 -, zitiert nach juris.

Auch nach der Auswertung neueren Erkenntnismaterials

hierzu etwa BAMF, Briefing Notes vom 5.3.2012

geht von der allgemeinen Lage im Irak zwar nach wie vor eine Gefahr aus, die neben den Angehörigen spezieller Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften auch eine Vielzahl von Zivilpersonen ohne eindeutige Zuordnung betrifft. Seit dem Abzug der amerikanischen Truppen im Dezember 2011 finden weiterhin landesweit Anschläge statt. So gab es nach den dortigen Feststellungen im Januar 2012 151 Tote, davon 99 Zivilisten und insgesamt 321 Verwundete. Im Februar wurden 150 Iraker getötet, davon 91 Zivilisten. Nach einem weiteren Bericht

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 30.1.20212

sind Angaben von Iraq Body Count zufolge seit Jahresbeginn 2012 mindestens 320 Menschen bei Anschlägen getötet worden, während im Januar 2011 die Zahl der Opfer bei 387 Personen gelegen habe. Die vorgenannten Anschläge haben sich mithin auf einem mit den Jahren 2010 und 2011 vergleichbarem Niveau fortgesetzt und vermögen daher eine Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht zu begründen.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Religionsgemeinschaft der Yeziden wirkt sich - jedenfalls bezogen auf die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorrangig in den Blick zu nehmende Herkunftsregion – ebenfalls nicht gefahrerhöhend aus. Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen zur Frage einer Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG Bezug genommen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellungen zur Gefährdungslage in der Herkunftsprovinz Ninive mit dem Distrikt Telkef und dem Subdistrikt Al Qosh.

Angesichts des relativ „geringen“ Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens bietet schließlich auch die - zwar tendenziell verbesserte - teilweise aber immer noch angespannte medizinische Versorgungslage

vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010

ebenfalls keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

III.

Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen in der Person des Klägers nicht vor.

Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Klägers nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unzulässig ist, sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger drohen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen – auch erheblichen – Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebezielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt in einem solchen Fall eine Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer - landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.9.2011 - 10 C 24.10 - vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 16.9.2011, a.a.O., verneint.

Eine durchgreifende Änderung ist seitdem nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher nicht angenommen werden.

Der Berufung der Beklagten war nach alledem stattzugeben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 13.1.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Die Berufung führt daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG.

Die von dem Kläger begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG ist abzulehnen, weil er nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er aus begründeter Furcht vor (bereits erlittener oder unmittelbar bevorstehender) politischer Verfolgung aus seinem Heimatland ausgereist ist bzw. dass ihm gegenwärtig eine solche aus den in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gründen droht. Er ist im Dezember 2009 unverfolgt aus dem Irak ausgereist und muss im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, bei einer Rückkehr dorthin relevanten Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.6.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG von dem Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (lit. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die unter lit. a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn es besteht eine inländische Fluchtalternative (lit. c).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG unterliegt im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, nach denen auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG erfolgt

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Dritt- staatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewähren- den Schutzes (ABI EG Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Ungeachtet der Neufassung der Richtlinie durch die sog. Anerkennungsrichtlinie vom 13.12.2011 (QRL 2011) sind die vorbezeichneten Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 im vorliegenden Berufungsverfahren in der bislang geltenden Fassung an-zuwenden, da deren Neufassung gemäß Art. 41 QRL 2011 erst zum 22.12.2013 in Kraft tritt.

Nach Art. 9 Abs. 1 QRL gelten als Verfolgung in diesem Sinne Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - keine Abweichung zulässig ist (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter lit. a) beschriebenen Weise betroffen ist (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL).

Art. 9 Abs. 3 QRL bestimmt, dass eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 QRL genannten Verfolgungsgründen und den in Art. 9 Abs. 1 QRL als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.

Die Annahme einer relevanten Verfolgungssituation i.S.d. §60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass eine spezifische Zielrichtung vorliegt, d.h. die Verfolgung muss nach ihrer erkennbaren Gerichtetheit an die vorstehend genannten Merkmale anknüpfen

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315 ff.

Die Zielgerichtetheit bezieht sich nicht nur auf die asylerheblichen Merkmale bzw. jetzt auf die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 QRL, an die die Handlung an- knüpfen muss (Art. 9 Abs. 3 QRL), sondern auch auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst.

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

Für ein solches Verständnis des Begriffs der Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL spricht auch die Begründung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 12. 9. 2001, in der es heißt, dass als Verfolgung "ausschließlich Handlungen gelten, die absichtlich, fortdauernd oder systematisch ausgeführt werden und so gravierend sind, dass eine Rückkehr ins Herkunftsland ausgeschlossen ist"

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009, a.a.O.

An einer solchen gezielten Rechtsverletzung fehlt es indes regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu er- leiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen

hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVervVGE 96, 200 ff.

Zu den notstandsfesten Rechten im Sinne von Art 9 QRL gehören das Recht auf Leben nach Art. 2 EMRK, das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung nach Art. 3 EMRK, das Verbot von Sklaverei und Leibeigenschaft nach Art. 4 Abs. 1 EMRK sowie das Verbot einer Verurteilung ohne gesetzliche Grundlage nach Art. 7 EMRK. Bei einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit ist ohne Weiteres von einer beachtlichen Verfolgung auszugehen, sofern der Eingriff von Art. 3 EMRK erfasst wird. In jedem Falle stellt das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit bzw. physische Freiheit ein grundlegendes Menschenrecht dar. Wird ein Eingriff in dieses Recht nicht von Art. 3 EMRK erfasst, ist eine Verfolgung anzunehmen, wenn die Verletzung des Rechts schwerwiegend im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a .QRL ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009 - 10 C 51.07 -, zitiert nach juris.

Bei der Anknüpfung an eine religiöse Betätigung macht es einen Unterschied, ob es sich um die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit handelt oder um einen Eingriff in die Religionsfreiheit dahingehend, dass dem Gläubigen eine Einschränkung oder Unterlassung seines Glaubens abverlangt wird

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.3.2009, a.a.O., zitiert nach juris.

Maßnahmen, die andere Rechtsgüter betreffen, sind dann Verfolgung, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde des Opfers verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Verfolgerstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben

vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 42.87 - sowie Urteil vom 18.2.1986 - 9 C 104.85 -, zitiert nach juris.

Exemplarisch für Verfolgungshandlungen benennt Art. 9 Abs. 2 QRL unter anderem: Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (lit. a); gesetzliche administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (lit. b); unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (lit. c), Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (lit. d).

Das Erfordernis nach Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL , dass die Handlungen aufgrund ihrer Art oder Wiederholung schwerwiegend sein müssen, verdeutlicht, dass auch eine einmalige Verfolgungshandlung ausreichen kann, wenn sich daraus ergibt, dass der weitere Aufenthalt im Herkunftsland für den Antragsteller unzumutbar war. Andererseits kann nach Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL – wie bereits dargelegt - eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen.

Eine allgemein verbindliche Festlegung, inwieweit unterschiedliche kumulativ auftretende Maßnahmen den Verfolgungsbegriff i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL erfüllen, ist indes nicht möglich. Weder aus der von der Beklagten angeführten Begründung vom 12.9.2001 zu Art. 9 QRL (ursprünglich konzipiert als Art. 11) noch aus dem Gemeinsamen Standpunkt vom 4.3.1996 lassen sich eindeutige verallgemeinerungsfähige Interpretationshinweise entnehmen.

Eine Beurteilung des Eingreifens des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL unterliegt vielmehr der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.

Die kumulative Wirkung unterschiedlicher Handlungen muss aber stets derart gravierend sein, dass der Schutzsuchende davon in ähnlicher Weise wie durch eine i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL schwerwiegende Menschenrechtsverletzung betroffen ist. Die festgestellten Handlungen oder Maßnahmen müssen deshalb in ihrer Gesamtwirkung das Gewicht und die Schwere einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung aufweisen

zur Rechtsprechung des BVerwG vor Inkrafttreten des Art. 9 QRL vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.8.1997 - 9 B 105.97 -, vom 3.4.1995 - 9 B 758.94 - und Urteil vom 23.7.1991 - 9 C 154.90 -, jeweils zitiert nach juris.

Die Verfolgungshandlungen nach Art. 10, 9 QRL müssen ferner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen

vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., jeweils zitiert nach juris.

Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint

vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008 - 10 C 33.07 - und Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -; OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Ist der Ausländer verfolgt ausgereist, findet die in Art. 4 Abs. 4 QRL vorgesehene Beweiserleichterung Anwendung. Danach ist die Tatsache, dass ein Schutzsuchender bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden i. S. d. Art. 15 lit. a) bis c) QRL zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird.

Für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden bzw. dem Sachverhalt, der bei einer Rückkehr erneut zu einer Verfolgung führen könnte, besteht. Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL erstreckt

vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, OVG Münster, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -, jeweils zitiert nach juris.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen, ob stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen

vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.

Von diesen Maßstäben ausgehend kann der Kläger auch unter Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (QRL) die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in den Irak nicht beanspruchen. Das gilt sowohl im Hinblick auf sein Individualschicksal als auch im Hinblick auf die zu verneinende Gruppenverfolgung wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit.

Der Kläger ist unverfolgt ausgereist. Er vermochte eine im Ausreisezeitpunkt bereits erlittene oder ihm unmittelbar drohende staatliche oder nicht-staatliche Individualverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL nicht darzutun.

Zielgerichtete Verfolgungshandlungen seitens staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure in Anknüpfung an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 10 QRL, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung oder in ihrer Gesamtwirkung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a und lit. b QRL darstellen, lassen sich den durchgängig beibehaltenen und auch zur Überzeugung des Senats glaubhaften Aussagen des Klägers nicht entnehmen.

Die von ihm sowohl in dem Verfahren vor dem Bundesamt als auch in dem erstinstanzlichen Verfahren geschilderten Vorfälle, die konkret gegen seine Person gerichtet waren, d. h. die verbalen Bedrohungen seitens anderer Mitarbeiter in der Schwefelfabrik, die Nachfragen bei kurdischen Kontrollstellen auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle mit der Unterstellung, der kurdischen Opposition anzugehören, die Warnungen eines im Dorf des Klägers wohnenden yezidischen Mitarbeiters des kurdischen Geheimdienstes, das Dorf zu verlassen, sowie die - mit einem Freispruch endende - Falschanzeige eines yezidischen Dorfbewohners, der ihn belästigt und beschimpft habe, bleiben vielmehr unterhalb der maßgeblichen Schwelle im Sinne der genannten Bestimmungen. Sie erfüllen keines der vorstehend genannten Regelbeispiele des Art. 9 Abs. 2 QRL. Auch greifen sie weder für sich allein (Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL) noch in ihrer Gesamtheit (Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL) in das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben oder in die nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung), nach Art. 4 EMRK (Schutz vor Sklaverei oder Leibeigenschaft), nach Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und nach Art. 6 und 7 EMRK (Sicherung eines fairen Gerichtsverfahrens und Strafausspruchs) geschützten Rechte ein.

Die vom Kläger genannten Vorfälle stellen zwar Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten in verschiedenen Lebensbereichen dar. Von einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte, die einen (weiteren) Aufenthalt des Klägers im Herkunftsland unzumutbar machen, kann jedoch keine Rede sein.

Dies gilt auch, wenn man die von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als maßgeblich für seine Verfolgungsfurcht bezeichneten Vorfälle betrachtet.

Insoweit hat der Kläger bekundet, zusammen mit neun weiteren Personen von Seiten kurdischer Parteifunktionäre für 5 Tage inhaftiert gewesen zu sein, nachdem er sich im Jahr 2004 dafür eingesetzt habe, dass der Unterricht in den Schulen außer in kurdischer Sprache auch in arabischer Sprache gehalten werden solle. Die damalige Haft habe ihn nicht zur Ausreise veranlasst. Er habe jedoch in der Folgezeit weiterhin Probleme mit kurdischen Parteistellen gehabt. So sei er von Parteiverantwortlichen der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), meistens aber von der Kurdischen Demokratischen Partei (PDK) häufig vorgeladen worden. Wenn es sich um „kleine Sachen“ gehandelt habe, sei er zu der Partei-Dienststelle in Bozan einbestellt worden, in 90 % der Fälle sei er jedoch an der jeweiligen Dienststelle in Al Qosh gewesen. Anlass seiner Vorladungen sei etwa gewesen, dass im Februar 2007 Dorfbewohner aus Bozan gegen die kurdische Regionalregierung demonstriert und eine kurdische Fahne von der Schule heruntergeholt hätten. Im Jahr seiner Ausreise 2009 sei er etwa alle zwei Monate - ohne bestimmten Anlass - und zuletzt im Oktober 2009 vorgeladen worden. Am Vorabend dieser letzten Vorladung hätten gegen 18.30 bis 19.00 Uhr zwei Peschmerga heftig an der Haustür geklopft und ihn aufgefordert, am nächsten Morgen in der Parteidienststelle in Al Qosh zu erscheinen. Als er dorthin gegangen sei, habe ihn der anwesende Peschmerga gefragt, ob er immer noch hier sei. Dieser habe ihn beschimpft und erniedrigt und aufgefordert, aus der Region zu verschwinden. Man betrachte ihn als Gegner, weil er sich gegen die Kurden gestellt habe. Auch habe man ihm vorgeworfen, kein Parteimitglied zu sein. Nach etwa 20 bis 25 Minuten habe man ihn aus dem Raum geworfen, ein an der Tür stehender Peschmerga habe ihm dabei einen Fußtritt versetzt. Bis zu seiner Ausreise im Dezember 2009 sei ihm nichts mehr geschehen. Auch die früheren Vorladungen hätten sich im Wesentlichen so abgespielt wie die Vorladung im Oktober 2009. Des Weiteren gab der Kläger an, auf seinem Weg zur Arbeit in die Fabrik von Mishrak ständig Angst vor Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ gehabt zu haben.

Auch diese von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als wesentlich für seine Verfolgungsfurcht in den Vordergrund gestellten Vorfälle - häufige Vorladungen vor die örtlichen Parteidienststellen der PDK und PUK in Al Qosh und Bozan sowie Anschläge von Terroristen bzw. „Gotteskämpfern“ auf dem üblichen Weg zu seiner Arbeitsstelle südlich von Mossul - erfüllen weder den Tatbestand der in Art. 9 Abs. 2 QRL genannten Regelbeispiele noch vermögen sie allein oder in ihrer Gesamtwirkung eine zielgerichtete, an die Merkmale des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 10 QRL anknüpfende Verfolgung im Sinne einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschrechte nach Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL zu begründen.

Abgesehen von der von ihm selbst nicht als fluchtauslösend bezeichneten, lange zurückliegenden kurzzeitigen Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004 liegen keine Eingriffe in Leben, körperliche Unversehrtheit und physische Freiheit vor, sondern allenfalls - wenngleich unangenehme und belastende - Nachstellungen unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz. Die Vorladungen vor örtliche Parteistellen, denen der Kläger jeweils selbst nachkam, beschränkten sich eigenen Angaben zufolge stets auf verbale Angriffe in einem Zeitraum von etwa 20 Minuten und blieben ohne weitere Folgen für den Kläger, der bis zu der von ihm - aus anderen Gründen - veranlassten Arbeitsaufgabe im September 2009 ungehindert seiner Arbeit und Existenzsicherung nachgehen konnte. Soweit er ferner auf allgemeine Verfolgungsgefahren durch Terroristen bzw. „Gotteskämpfer“ auf dem Weg zur Arbeit verweist, stellen diese keine zielgerichtete individuelle Verfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG dar.

Insgesamt kann daher von einer durch unzumutbaren Verfolgungsdruck aufgrund staatlicher oder nichtstaatlicher Individualverfolgung im Sinne der genannten Vorschrift veranlassten Ausreise des Klägers nicht ausgegangen werden. Dies verdeutlicht auch der Umstand, dass der Kläger nach der im Jahr 2004 erlittenen fünftägigen Inhaftierung seitens kurdischer Parteistellen noch fünf Jahre freiwillig an seinem Heimatort verblieb. Nichts anderes gilt, wenn man dies - seinen Angaben folgend – in einen Zusammenhang mit der Fürsorge für seine im August 2009 verstorbene Mutter stellt.

Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht mit Rücksicht darauf als vorverfolgt anzusehen, dass er Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden ist. Eine an dieses Merkmal anknüpfende Gruppenverfolgung im Irak war und ist zu verneinen.

Zwar kann sich die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das der Flüchtling mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gruppenverfolgung)

zu den Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.; BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris.

Das Vorliegen einer derartigen Gruppenverfolgung von Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Yeziden im Irak ist jedoch zu verneinen. Dies hat der Senat unter ausführlicher Würdigung zahlreicher Erkenntnisquellen

vgl. hierzu u.a. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010, EZKS an VG München vom 17.2.2010, vom 26.5.2008 an VG Köln zu Az. 21 K 142/0.A u.a. vom 22.12.2007 an VG Cottbus, vom 19.7.2007 an VG Gelsenkirchen, vom 15.7.2007 an VG Karlsruhe zu Az. 3 K 10741/04, vom 19.3.2007 an VG Ansbach zu Az. AN 9 K 04.30815, Bundesasylamt (Österreich), Die Sicherheitslage der Yeziden im Irak vom 4.11.2009, Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Yeziden im Irak, November 2007, GIGA an VG Köln vom 7.9.2007 und 12.3.2007; GIGA an VG Düsseldorf vom 2.4.2007, UNHCR an VG Köln vom 9.1.2007 und vom 28.7.2007, BAMF, Yeziden im Irak von Juni 2007; den Bericht Dulz/Siamend Hajo/Savelsberg, Die Yeziden im „neuen“ Irak 2004/2005

bereits in seinem o.g. Urteil

Urteil vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -, dokumentiert bei juris,

entschieden. Die dortigen Feststellungen beziehen sich sowohl auf denjenigen Zeitraum, in den die Ausreise des hiesigen Klägers fällt, als auch auf den sich daran anschließenden Zeitraum bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung.

In dem genannten Urteil hat der Senat im Fall eines - wie der Kläger des vorliegenden Verfahrens - aus der Provinz Ninive stammenden Klägers kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit festgestellt, dass für Yeziden im Irak weder eine landesweite noch eine regional auf die Stammsiedlungsgebiete der Yeziden im Norden des Irak, die Regionen Sheikhan, al Sheikhan und Sindjar, - insgesamt oder im einzelnen - begrenzte Gruppenverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 10, 9 QRL anzunehmen war und ist, da es - auch bei regionaler Betrachtung - an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt. Daran hält der Senat fest.

Die Auswertung der o.g. Erkenntnisse im Rahmen des Urteils des Senats vom 16.9.2011, a.a.O., hat ergeben, dass es insbesondere nach dem Jahr 2007, für das insgesamt etwa 1000 relevante Übergriffe auf Yeziden zu verzeichnen waren, in den Folgejahren bis zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung nicht mehr zu Übergriffen in einer vergleichbaren Größenordnung gekommen ist. Vielmehr war eine stete und erhebliche Abnahme verfolgungsrelevanter Vorfälle zu verzeichnen.

Selbst wenn unterstellt wird, dass die insgesamt bekannt gewordenen Maßnahmen verfolgungsrelevant im Sinne der Art. 9, 10 QRL waren, war deren Zahl selbst unter Einrechnung einer hierzu in angemessener Relation stehenden Dunkelziffer nicht geeignet, eine landesweite oder regionale Verfolgung der Yeziden als religiöser Gruppe, die nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010

auf derzeit noch ca. 200.000 Glaubenszugehörige zu bemessen ist, zu belegen. Sie blieb und bleibt vielmehr in erheblichem Abstand zur kritischen Verfolgungsdichte.

Ist der Kläger danach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, kommt ihm für die Beurteilung der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu befürchten hat, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugute und ist hierfür der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.

Ausgehend von diesem Maßstab ist eine Verfolgung im Sinne der genannten Bestimmung im Falle seiner Rückkehr nicht zu prognostizieren.

Dies gilt für die von ihm geltend gemachte individuelle Verfolgungsgefahr sowohl mit Blick auf die lange zurückliegende kurzzeitige Sistierung durch kurdische Parteistellen im Jahr 2004, die Nachstellungen durch die örtlichen kurdischen Parteistellen, die sich stets unterhalb der Schwelle einer Verfolgungsrelevanz bewegten, und die vorgetragenen Warnungen und Belästigungen durch einzelne Dorfbewohner, als auch im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden.

Bezüglich der geltend gemachten individuellen Verfolgungsgefahr ergibt sich dies bereits aus den für den Ausreisezeitpunkt dargelegten Aspekten, aus denen sich weder für den damaligen, noch für den Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bejahen lässt. Änderungen, die nunmehr eine andere Betrachtung zuließen, sind nicht eingetreten. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lassen – wie für die Zeit vor seiner Ausreise – auch für die Zeit nach seiner Ausreise bis heute den Schluss auf eine entsprechende Gefährdung des Klägers im Rückkehrfall nicht zu.

Eine Gefährdung des Klägers als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden – insoweit unter dem Aspekt der Gruppenverfolgung - ist im Falle seiner Rückkehr im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ebenfalls zu verneinen. An den Feststellungen des o.g. Urteils des Senats

Urteil vom 16.9.2011 – 3 A 446/09 -, a.a.O.

zur Frage der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak wird festgehalten. Daran haben sich zwischenzeitlich, seit Erlass dieser Entscheidung, auch bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt keine relevanten Veränderungen ergeben.

Aus dem im o.g. Urteil vom 16.9.2011 noch nicht berücksichtigten Bericht der Minority Rights Group International: Still Targeted: Continued Persecution of Iraq’s Minorities vom Juni 2010 ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine abweichende Bewertung der Frage einer (regionalen) Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak rechtfertigen könnten. Abgesehen von den dort konkret aufgeführten Opferzahlen für das Jahr 2007, die der Senat im o.g. Urteil gewürdigt und als nicht ausreichend für die Annahme der erforderlichen Gefahrendichte erachtet hat, benennt der Bericht, der sich auf die Befragung von lediglich 45 Yeziden aus den Gebieten Mossul und Dohuk stützt, für die Folgezeit ab 2007 bis zum gegebenen Zeitpunkt keine konkreten Zahlen, die eine den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügende Verfolgungsdichte belegen könnten

vgl. hierzu etwa auch Beschlüsse des Senats vom 1.3.2012 - 3 A 13/11 - und vom 16.12.2011 - 3 A 264/11 - im Falle eines gleichfalls aus Ninive stammenden yezidischen Klägers.

Auch sonst sind keine neuen Zahlen, Fakten und Erkenntnisse ersichtlich, welche die Verneinung der Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak durchgreifend in Frage stellen könnten.

Ebenfalls gebietet die aktuelle Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien

- EZKS - vom 20.11.2011 an VG Düsseldorf

keine abweichende Beurteilung. Danach beanspruchen die Darlegungen der früheren Stellungnahme vom 17.2.2010, die der Senat in seinem o.g. Urteil vom 16.9.2011, eingehend gewürdigt hat, nach wie vor Geltung. Allerdings wird dort - im Gegensatz zu den Angaben des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 28.11.2010 über 200.000 im Nordirak lebende Yeziden - gleichfalls ohne durchgreifenden Beleg von einer „geschätzten“ Gesamtzahl von 300.000 Yeziden ausgegangen. Auch die Zugrundelegung dieser Gesamtzahl hätte auf die vom Senat in dem genannten Urteil getroffenen Feststellungen bezüglich der Verfolgungsdichte für Yeziden im (Nord)Irak im Ergebnis keine maßgeblichen Auswirkungen, da sich bei der vom EZKS angenommenen höheren Personenzahl in Relation zu den festgestellten Verfolgungsschlägen (einschließlich der Einbeziehung einer Dunkelziffer) die Verfolgungsdichte sogar verringern würde.

Nach der Anfang Oktober 2011 erfolgten Recherche eines Gutachters im Rahmen der o.g. Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011 durch Befragung von fünf Personen anlässlich eines eintägigen Aufenthalts in der Stadt Sindjar ist für die Region Sindjar infolge einer Intensivierung der Maßnahmen im Sicherheitsbereich sogar eine Verbesserung der Lage im Vergleich zu den Vorjahren festzustellen. So weist EZKS darauf hin, dass etwa die Strecke zwischen Dohuk-Stadt und Sindjar-Stadt regelmäßig auch von Yeziden genutzt wird und dass die Befragten anders als noch vor zwei Jahren nicht von Zwischenfällen/Angriffen auf dieser Straße berichtet hätten. Es habe keine großen Anschläge mehr auf Zentraldörfer wie noch im Jahr 2007 gegeben, auch die Zahl der Einzeltötungen und Entführungen sei gesunken.

Nach der Gesamteinschätzung des EZKS werden im Sindjar zwar nach wie vor Yeziden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Opfer von Anschlägen (Morde, Entführungen, Lösegelderpressung), wobei diese Gefahr insbesondere dann bestehe, wenn sie sich aus den Zentraldörfern hinaus in Richtung Mossul begäben. Diesbezügliche relevante Zahlen, die eine abweichende Beurteilung von den bisherigen Feststellungen des Senats geböten, werden in

der Stellungnahme des EZKS vom 20.11.2011, a.a.O.,

die sich im Wesentlichen mit der Situation im Sindjar-Gebiet befasst, jedoch nicht benannt.

Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger aus dem in der Provinz Ninive, Distrikt Telkef und Subdistrikt Al Qosh liegenden Dorf Bozan stammt.

Die Situation der Yeziden im Distrikt Telkef, in dem der Sub-Distrikt Al Qosh, der unter de facto kurdischer Kontrolle steht, zu einem ihrer Hauptsiedlungsgebiete gehört, ist nach den vorliegenden Erkenntnissen

vgl. EZKS vom 17.2.2010, S. 13, 23 bis 27

vergleichsweise gut und vergleichbar mit derjenigen in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan und daher besser als im Sindjar.

Die Lage in den Distrikten Sheikhan und al-Sheikhan ist nach Einschätzung von EZKS derzeit verhältnismäßig ruhig und stabil. In den letzten Jahren, insbesondere ab Ende 2007 ist dort sowohl eine Verbesserung der Sicherheitslage als auch eine Verbesserung der Infrastruktur festzustellen. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass dort eine direkte Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten besteht. Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden sind nicht bekannt. Auch sind im Sheikhan/al-Sheikhan keine Übergriffe gegenüber Yeziden dokumentiert, die in Opposition zur KRG-Politik stehen

vgl. hierzu im einzelnen Urteil des Senats vom 16.9.2011 - 3 A 446/09 -.

Im Herkunfts-Distrikt des Klägers Telkef, der ebenfalls über eine direkte Anbindung an die de jure kurdisch verwalteten Gebiete verfügt, gibt es ebenfalls keine durchgreifenden Hinweise auf Übergriffe auf Yeziden. Zwar berichtet EZKS unter Berufung auf UNAMI auch von Beschwerden über die willkürliche Verhaftung „ausgewählter“ Araber, Christen und Yeziden durch Peschmerga und den kurdischen Geheimdienst. Konkrete Hintergründe und Zahlen, aus denen sich belastbare Feststellungen ableiten lassen, benennt jedoch EZKS nicht

vgl. hierzu EZKS vom 17.2.2010, S. 11, 23, 27 und vom 26.5.2008 an VG Köln, S. 28; siehe auch SFH, Irak vom 10.1.2008: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwalteten Provinzen Sulaimaniya, Erbil und Dohuk, S. 16.

Schließlich lassen sich auch dem Bericht der

Denge Ezidiyan vom 2.12.2011 sowie der Pressemitteilung der GbV vom 9.12.2011 „Pogrome von radikalen Islamisten gegen Christen und Yeziden in Irakisch-Kurdistan“

über Angriffe auf yezidische und christliche Einrichtungen in den Städten Zakho, Simel und Dohuk im Nordirak, in deren Verlauf 20 Einrichtungen - vornehmlich Hotels und Läden - zerstört und etwa 30 Personen verwundet worden sein sollen, keine Zahlen entnehmen, die die genannten Feststellungen zur Gefahrendichte in Frage stellen könnten. Denn aus diesen Vorfällen können keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden, ob, wie häufig und in welchem Umfang sich solche oder ähnliche Angriffe wiederholen und auch die Herkunftsregion des Klägers betreffen könnten. Insoweit ist auch zu gewichten, dass in den drei autonom kurdisch regierten Provinzen weit überwiegend Muslime und insgesamt nur wenige der im Irak ansässigen Yeziden leben. Demgegenüber ist die Bevölkerung des Herkunftsorts des Klägers, Bozan, wie viele Orte im Distrikt Telkef überwiegend yezidisch

vgl. hierzu EZKS an VG Köln vom 26.5.2008, S. 8.

Hinzu kommt, dass nach den o.g. Erkenntnissen der GbV vom 9.12.2011 die am 2.12.2011 verletzten Personen überwiegend nicht Zivilisten, sondern Polizisten gewesen sein sollen und die kurdische Regierung der autonomen Region Kurdistan-Irak die Anschläge umgehend deutlich verurteilt hat.

Da auch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren keine weiteren Übergriffe in einer vergleichbaren Größenordnung bekannt geworden sind, ist der zuletzt beschriebene Vorfall als Einzelfall einzuschätzen.

Nach allem hält der Senat an seiner bisherigen Gesamteinschätzung der Lage der Yeziden in ihren Stammsiedlungsgebieten fest.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte, die ebenfalls eine Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak verneinen

vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 27.2.2012 - 13 a ZB 11.30338 - betreffend Yeziden aus dem Siedlungsgebiet Al Qosh; Urteile vom 2.2.2012 - 13 a B 11.30335 - und 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 - und Beschlüsse vom 8.11.2011 - 13 a ZB 11.30383, vom 3.11.2011 - 13 a ZB 11.30383 -, betreffend gleichfalls die Region Mossul/Ninive, OVG Münster, Beschlüsse vom 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; OVG Lüneburg, Urteile vom 19.3.2007 - 9 LB 373/06 und 9 LB 380/06 -; VGH Mannheim, Urteil vom 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, jeweils zitiert nach juris.

Eine dem Kläger mit Blick auf individuelle Gründe und seine yezidische Religionszugehörigkeit drohende, im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Art. 9, 10 QRL relevante Gefährdung ist daher nach allem nicht anzunehmen.

Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass dem Kläger, der - wie dargelegt - in der mündlichen Verhandlung lediglich Vorladungen durch örtliche Parteifunktionäre der PDK und PUK in seinem Heimatdorf Bozan und in Al Qosh geltend gemacht hat, auch eine interne Schutzalternative i.S.d. Art. 8 QRL in anderen Teilen desTelkef, in dem nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zahlreiche Verwandte seiner Ehefrau leben, offenstünde.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 (konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung) und nach § 60 Abs. 3 AufenthG (Gefahr der Todesstrafe aufgrund einer von dem Schutzsuchenden begangenen Straftat) sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in der Herkunftsregion des Klägers in der Provinz Ninive und dort im Distrikt Telkef, überhaupt die Annahme eines innerstaatlichen oder auch nur regionalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen kann, kann dabei offenbleiben

vgl. Urteile des Senats vom 16.9.2011, a.a.O. und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 -; ebenso offen gelassen zum landesweiten Konflikt im Irak etwa OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -, VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 -, jeweils zitiert nach juris.

Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung.

Die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr kann erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, gezielt oder auch zufällig selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden. Bezüglich der Gefahrendichte ist auf die Herkunftsregion abzustellen, in die der Betreffende typischerweise zurückkehren wird. Eine Individualisierung kann sich aber auch bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben. Hierunter kann auch eine ethnische oder religiöse Zugehörigkeit fallen. Für die Feststellung der Gefahrendichte i.S.d. unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gelten vergleichbare Maßstäbe wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für die Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung. Neben einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung, die auch die medizinische Versorgungslage mit einbezieht

vgl. BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - und vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; VGH München, Urteil vom 2.2.2012, a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 – 9 A 3642/06.A, zitiert nach juris.

Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Herkunftsland einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgesetzt wäre.

Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL kann sich der Kläger - wie dargelegt - nicht berufen. Dies gilt sowohl mit Blick auf die geltend gemachten individuellen Gründe als auch seine yezidische Religionszugehörigkeit. Insoweit kann vollumfänglich auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG verwiesen werden.

Hinsichtlich der (landesweiten) Gefahrendichte ist, wie der Senat bereits in den o.g. Urteilen vom 1.6.2011 und vom 16.9.2011 im Einzelnen dargelegt hat, nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar von einer immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak auszugehen. Dennoch ist gegenüber früheren Jahren insbesondere eine relevante Abnahme der Opferzahlen zu verzeichnen

hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Juni 2011 und Januar 2010; Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010, taz 5.5.2011, BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte.

Zur allgemeinen Gefahrendichte insbesondere für die Jahre 2010 und 2011 in Relation zur Gesamtbevölkerung des Irak mit etwa 32,3 Millionen Menschen kann vollumfänglich auf die Ausführungen in den Urteilen des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 – und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris

verwiesen werden. Die Gesamtopferzahlen im Jahr 2010 mit 4028 Opfern und die sich auf vergleichbaren Niveau im Jahr 2011 (bis Mai 2011 1033 Tote) bewegenden Opferzahlen einschließlich einer einzurechnenden angemessenen Dunkelziffer von Verletzten und sonstigen Geschädigten verdeutlichen, dass eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 lit. c QRL) im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, zu verneinen ist. Angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im (gesamten) Irak derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dies gilt auch hinsichtlich der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ninive. Dort gab es im Jahr 2010 bei 363 Vorfällen 505 Tote (18 Tote je 100 000 Einwohner) und bis April 2011 bei 92 Vorfällen 132 Tote (4,7 Tote je 100 000 Einwohner)

vgl. hierzu auch VGH München, Urteil vom 11.11.2011 - 13 a B 11.30270 -, zitiert nach juris.

Auch nach der Auswertung neueren Erkenntnismaterials

hierzu etwa BAMF, Briefing Notes vom 5.3.2012

geht von der allgemeinen Lage im Irak zwar nach wie vor eine Gefahr aus, die neben den Angehörigen spezieller Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften auch eine Vielzahl von Zivilpersonen ohne eindeutige Zuordnung betrifft. Seit dem Abzug der amerikanischen Truppen im Dezember 2011 finden weiterhin landesweit Anschläge statt. So gab es nach den dortigen Feststellungen im Januar 2012 151 Tote, davon 99 Zivilisten und insgesamt 321 Verwundete. Im Februar wurden 150 Iraker getötet, davon 91 Zivilisten. Nach einem weiteren Bericht

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 30.1.20212

sind Angaben von Iraq Body Count zufolge seit Jahresbeginn 2012 mindestens 320 Menschen bei Anschlägen getötet worden, während im Januar 2011 die Zahl der Opfer bei 387 Personen gelegen habe. Die vorgenannten Anschläge haben sich mithin auf einem mit den Jahren 2010 und 2011 vergleichbarem Niveau fortgesetzt und vermögen daher eine Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht zu begründen.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Religionsgemeinschaft der Yeziden wirkt sich - jedenfalls bezogen auf die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorrangig in den Blick zu nehmende Herkunftsregion – ebenfalls nicht gefahrerhöhend aus. Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen zur Frage einer Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG Bezug genommen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellungen zur Gefährdungslage in der Herkunftsprovinz Ninive mit dem Distrikt Telkef und dem Subdistrikt Al Qosh.

Angesichts des relativ „geringen“ Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens bietet schließlich auch die - zwar tendenziell verbesserte - teilweise aber immer noch angespannte medizinische Versorgungslage

vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010

ebenfalls keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

III.

Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen in der Person des Klägers nicht vor.

Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Klägers nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unzulässig ist, sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger drohen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen – auch erheblichen – Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebezielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt in einem solchen Fall eine Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer - landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.9.2011 - 10 C 24.10 - vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 16.9.2011, a.a.O., verneint.

Eine durchgreifende Änderung ist seitdem nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher nicht angenommen werden.

Der Berufung der Beklagten war nach alledem stattzugeben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.