3.8 GmbH - Entziehung von Geschäftsanteilen

bei uns veröffentlicht am08.05.2012

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Erforderlichkeit von gesellschaftsvertraglichen Regelungen - Rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht - BSP Rechtsanwälte Berlin Mitte
1.    Einführung

In der gesellschaftsrechtlichen Beratungspraxis treten naturgemäß häufig Fragen rund um das Ausscheiden von Gesellschaftern aus einem Unternehmen auf. Dieser Artikel hat das Leitbild der GmbH vor Augen. Entsprechende Analogien sind jedoch auch für Gesellschaften Bürgerlichen Rechts (GbR) oder Unternehmergesellschaften denkbar.

Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, ist ein mitunter langwieriger und kostenintensiver Rechtsstreit häufig schon vorprogrammiert. Es wird dabei zumeist über die Zulässigkeit einer zwangsweisen Einziehung von Geschäftsanteilen des betreffenden Gesellschafters oder über die Höhe der Abfindung gestritten. Der vorausgehende Streit betrifft nicht selten persönliche Zerwürfnisse unter Mitgesellschaftern, die den Bestand und den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft erheblich gefährden.

Diesen Streitigkeiten kann durch eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung begegnet werden. Disziplinierende Regelungen können außerdem dazu beitragen, Streitigkeiten zu verhindern oder nicht eskalieren zu lassen.

Aus unserer Beratungspraxis ist das gesetzlich vorgesehene Musterprotokoll als völlig unzureichend anzusehen. Das Musterprotokoll trifft über die hier angesprochenen Problemstellungen keinerlei Regelung und ist daher für die Praxis ungeeignet, sobald die Art des Unternehmens nicht mehr einer kleinen Ein-Mann-GmbH entspricht.

Bei den in diesem Beitrag vorgeschlagenen gesellschaftsvertraglichen Regelungen werden zwei Zielsetzungen verfolgt. Zum einen kann bereits bei der Gründung der Gesellschaft oder im Rahmen einer späteren Änderung des Gesellschaftsvertrages eine Regelung gefunden werden, die eine faire Abwicklung im Interesse aller Beteiligten vorgibt. Zum anderen können Regelungen getroffen werden, die ein konkretes Einziehungs- und Abfindungsverfahren vorgeben und dabei dem Gesellschaftsinteresse am nächsten kommen.


2.    Gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Regelungen

Konkrete gesellschaftsvertragliche Regelungen für Streitfälle in der Gesellschaft haben sich aus unserer Beratungspraxis als unabdingbar erwiesen. In diesen Regelungen spielt das Szenario um den Ausschluss eines Gesellschafters beziehungsweise der Einziehung seines Geschäftsanteils eine zentrale Rolle. In diesem Beitrag wird die zwangsweise Einziehung näher dargestellt.

Es wird grundsätzlich zwischen der freiwilligen Einziehung, also der Einziehung des Geschäftsanteils mit Einverständnis des betroffenen Gesellschafters, und der zwangsweisen Einziehung des Geschäftsanteils gegen den Willen des Gesellschafters unterschieden. 

Darüber hinaus ist die Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen zwingend von einer ebenfalls möglichen Zwangsabtretung oder dem Ausschluss eines Gesellschafters zu unterscheiden. Welche der Modalitäten anzuwenden ist, hängt von der jeweiligen Konstellation des Einzelfalls ab. Sinnvoll ist es daher alle Varianten in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, sodass der Gesellschaft ein breiter Handlungsspielraum eröffnet wird und die jeweils passende Option ausgeübt werden kann.

Ist die Zwangseinziehung in dem Gesellschaftsvertrag geregelt und liegt ein wichtiger Grund vor, können die Gesellschafter die Zwangseinziehung in der Gesellschafterversammlung beschließen.

Dreh- und Angelpunkt ist dabei § 34 GmbHG. Trotzdem die Norm seit 1892 unverändert im Gesetz enthalten ist, ist die Zwangseinziehung von Gesellschaftsanteilen erst in der jüngeren Zeit verstärkt Gegenstand von Gerichtsentscheidungen geworden.

Der Zwangseinziehung kommt dabei als wichtiges Instrument und ultima ratio, um einen missliebigen Gesellschafter aus der Gesellschaft zu entfernen, eine überragende Bedeutung zu. Trotz der hervorgehobenen Bedeutung regelt § 34 GmbHG weder Voraussetzungen noch Wirkung der Zwangseinziehung. Dies ist nachvollziehbar, erkennt man in der Norm die entstehungsgeschichtliche Absicht die (Zwangs-)Einziehung als Mittel zur Veränderung der
Kapitalverhältnisse und nicht des Personenbestandes der Gesellschaft zu regeln. Daher ist eine gesellschaftsvertragliche Grundlage dringend erforderlich.

Die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Zwangseinziehung treffen die Gesellschaft mitunter besonders hart, wobei die diesbezüglichen Auswirkungen teilweise noch nicht abschließend diskutiert sind.

Umso mehr muss deswegen die Regelung im Gesellschaftsvertrag für die Zwangseinziehung so ausgestaltet sein, dass sie möglichst wenig Spielraum für gerichtliche Auseinandersetzungen bietet.

Fest steht jedoch, dass der gesellschaftsvertragliche Gestaltungsspielraum dort seine Grenzen findet, wo Willkür droht, also die Mitgliedschaft in das freie Ermessen eines oder aller anderen Gesellschafter gelegt wird. Daher wird für eine zwangsweise Einziehung des Geschäftsanteils stets ein wichtiger Grund gefordert.

Die Gesellschaft soll nicht die Möglichkeit haben, einen Gesellschafter auszuschließen, weil dieser „aneckt“ und nicht einer Meinung mit seinen Mitgesellschaftern ist. So liegt ein wichtiger Grund für eine Zwangseinziehung zum Beispiel weder in der Nichtgenehmigung von Jahresabschlüssen noch in einem Widerstand gegen die Aufnahme neuer Gesellschafter in Verbindung mit einer Kapitalerhöhung.


3.    Einziehungsgründe

Die Zwangseinziehung kann aber sowohl aus verhaltensbezogenen
als auch aus verhaltensunabhängigen Gründen vorgenommen werden.
Als verhaltensbezogene Gründe kommen der Verlust bestimmter erforderlicher
Eigenschaften (zum Beispiel Verlust der Zulassung als Rechtsanwalt
oder als Arzt), Verstöße gegen Wettbewerbsverbote, wiederholte Verletzung
von Geschäftsführerpflichten, die Kündigung des Gesellschafters und dergleichen in Betracht.

In einer personalistisch ausgerichteten und auf die Mitarbeit aller Gesellschafter
angelegten GmbH kann der Gesellschaftsvertrag auch die Zwangseinziehung vorsehen, wenn der Gesellschafter nicht mehr in ausreichendem Maße mitarbeitet.

Insgesamt ist für die hier besprochene Zwangseinziehung, aber auch für die Zwangsabtretung oder Zwangsausschließung ein wichtiger Grund erforderlich.

Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Person oder das Verhalten des auszuschließenden Gesellschafters oder die durch Ihn gesetzten Umstände die Erreichung des Gesellschaftszwecks erheblich gefährden oder gar unmöglich machen und deswegen der Verbleib des Gesellschafters in der Gesellschaft untragbar erscheint.

Konkrete wichtige Gründe zur Zwangseinziehung können zum Beispiel sein:
  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters oder Ablehnung der Eröffnung mangels Masse
  • Massive finanzielle Unregelmäßigkeiten
  • Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot
  • Zerstörung oder schwere Störung des gesellschaftlichen Vertrauensverhältnisses, sodass den Mitgesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem auszuschließenden Gesellschafter nicht mehr zugemutet werden kann
  • Denunziation eines Mitgesellschafters
  • Sittliche Verfehlungen gegenüber Mitarbeitern der Gesellschaft
  • Wiederholte Erstattung von Strafanzeigen gegen Mitgesellschafter mit verfälschenden Angaben
  • Unzulässige Privatentnahmen
  • Kriminelle Handlungen gegenüber der Gesellschaft

Bei der Bewertung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist jedoch auch das Verhalten anderer Mitgesellschafter zu berücksichtigen, die möglicherweise zu den Streitigkeiten beigetragen haben können und daher die Verfehlung des betreffenden Gesellschafters relativieren könnte.


4.    Verfahren der Zwangseinziehung

Vorab ist sicherzustellen, dass der betreffende Gesellschafter seiner Verpflichtung zur Leistung seiner Einlage auf seinen Geschäftsanteil in vollem Umfang nachgekommen ist, denn die Zwangseinziehung darf nicht im Widerspruch zu den bestehenden Grundsätzen der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals stehen. Nach § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHGkann ein Gesellschafter nicht von seiner Verpflichtung zur Leistung der Einlage befreit werden. Eine Zwangseinziehung bei nur teilweiser vorheriger Einlagenleistung würde daher dieser Vorschrift widersprechen.

Grundsätzlich ist über die Zwangseinziehung ein Gesellschafterbeschluss herbeizuführen. Aus § 46 Nr. 4 GmbHG ergibt sich hierfür die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung. Nach § 45 Abs. 2 GmbHG kann der Gesellschaftsvertrag diese Aufgabe auch einem anderen Gesellschaftsorgan übertragen.

Zuvor müssen dem betreffenden Gesellschafter die Gründe für den Ausschluss und die Einziehung dargelegt werden und ihm muss rechtliches Gehör gewährt werden. 

Über die Einziehung ist nach § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit abzustimmen, wobei von dieser Reglung aber im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden kann. In der Praxis sind häufig Mehrheiten von 75 bis 85 Prozent der Stimmen vereinbart, was der besonderen Bedeutung der Zwangseinziehung Rechnung trägt.

Der von der Zwangseinziehung betroffene Gesellschafter ist nicht nur teilnahme-, sondern grundsätzlich auch stimmberechtigt, sofern der Grund für die Einziehung nicht in der Person des Gesellschafters selbst liegt.

Eine besondere Form ist für diese Verfahren nicht vorgeschrieben. Die Erstellung eines Protokolls über die Beschlussfassung ist jedoch zu befürworten, sollten im Nachhinein Streitigkeiten wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beschlussfassung auftreten. In der Praxis werden unverhältnismäßig häufig Beschlussmängel geltend gemacht, sodass penibel auf die Einhaltung der diesbezüglichen gesellschaftsvertraglichen und gesetzlichen Vorgaben zu achten ist. Aus der Beratungspraxis heraus ist zu empfehlen für die Vorbereitung und Durchführung solch wichtiger Gesellschafterversammlungen anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Neben dem Einziehungsgrund muss der Beschluss die von der Zwangseinziehung betroffenen Geschäftsanteile angeben. Aus dem Beschluss muss auch deutlich hervorgehen, dass es sich um eine Zwangseinziehung statt um eine, durch die Zielsetzung mit ihr verwandte, Ausschließung handelt.

Die eingezogenen Geschäftsanteile werden alsdann zumeist von der Gesellschaft selbst gehalten. Der Einziehungsbeschluss ist dabei unter Beachtung der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1bzw. 33 Abs. 2 GmbHG zu fassen. Nach diesen Vorschriften darf der Erwerb eigener Geschäftsanteile nicht aus dem Vermögen der Gesellschaft finanziert werden, das zur Deckung der Stammkapitalziffer benötigt wird, dem sogenannten gebundenen Vermögen. Die Abfindung ist aus freiem Vermögen zu erbringen.


5.    Abfindungsanspruch

Das GmbH-Gesetz enthält mit Ausnahme des mittelbaren Hinweises in § 34 Abs. 3 GmbHG keine Regelung eines Abfindungsanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters. Gleichwohl ist heute anerkannt, dass der in § 738 Abs. 1 S. 2 BGBpostulierte Grundsatz eines Abfindungsanspruchs auch für das Recht der GmbH maßgeblich ist. 

Der Abfindungsanspruch bildet neben dem Vorliegen eines wichtigen Grundes den Kern der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen in derartigen Konstellationen.

Die Zwangseinziehung des Geschäftsanteils bewirkt grundsätzlich den Ausschluss der jeweiligen Rechte des Gesellschafters. Dieser Rechteverlust soll die „Strafe“ für das pflichtwidrige Verhalten darstellen. Eine allzu unangemessene Kürzung des Abfindungsanspruches würde einer Doppelbestrafung gleichkommen und ist daher dann ausgeschlossen, wenn eine unangemessene Benachteiligung eintritt. 

Grundsätzlich ist der von der Zwangseinziehung betroffene Gesellschafter zum vollen Verkehrswert seines Geschäftsanteils abzufinden. Angesichts des mitunter enormen Umfangs des gesetzlichen Abfindungsanspruchs ist es jedoch seit jeher geboten, den Anspruch inhaltlich zu begrenzen. Die Rechtsprechung hält gesellschaftsvertragliche Beschränkungen des Abfindungsrechts eines Gesellschafters unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung von Gesellschaftsverträgen grundsätzlich für zulässig.

Zwar ist es grundsätzlich nicht erforderlich konkrete Berechnungsregeln in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Es ist ausreichend, wenn der Inhalt der Regelung für die betroffenen Gesellschafter im Wege der Auslegung des Gesellschaftsvertrages hinreichend konkretisierbar ist. 

Um Streitigkeiten bezüglich der Abfindungshöhe bzw. der Abfindungsberechnung vorzubeugen, empfiehlt es sich allerdings dringend, konkrete Berechnungsregeln in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, um es nicht auf eine nachträgliche objektive Vertragsauslegung durch ein Gericht ankommen zu lassen.

Die im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Abfindungsklauseln erfüllen mehrere Funktionen. Zum einen dienen sie der Liquiditätssicherung, indem sie den gesetzlichen Anspruch auf Abfindung zum Verkehrswert des Geschäftsanteils beschränken oder die Zahlung der Abfindung durch ratenweise Auszahlung zeitlich hinauszögern. Hier widerstreiten die Grundsätze der Liquiditätssicherung für die Gesellschaft und das Interesse des Gesellschafters an einer sofortigen Auszahlung. Hier muss also im Interesse beider Parteien eine angemessene und rechtlich zulässige Regelung gefunden werden. Denn durch den Zwang zu einer nicht langfristig vorausgeplanten Auszahlung in Höhe des vollen Abfindungswertes kann der Bestand der Gesellschaft gefährdet werden. Breits deswegen ist eine entsprechende Regelung zur Abfindung unabdingbar.
 
Zum anderen soll die Abfindungsklausel zur Streitvermeidung beziehungsweise Schlichtung und Mäßigung zwischen den Gesellschaftern beitragen. Aufgrund der erheblichen Toleranzbreite vertretbarer und plausibler Berechnungsmöglichkeiten ist aber jede Anteilsbewertung in hohem Maße konfliktträchtig. Nicht selten kommt es zwischen den Gesellschaftern zum Streit über die Bewertung ihres Geschäftsanteils. Gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelungen müssen daher einfach, praktikabel und für die Gesellschafter nach vollziehbar sein. 
 
Darüber hinaus ist mit abfindungsbeschränkenden Bestimmungen eine gewisse Gesellschafterdisziplinierung bezweckt. Eine im Verhältnis zum Verkehrswert niedrige Abfindung soll die Gesellschafter zu einem gesellschaftsfreundlichen Verhalten veranlassen. Dabei steht das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft im Vordergrund.
 
Die Beschränkung des Abfindungsanspruches bedarf einer gesellschaftsvertraglichen Grundlage. Fehlt eine solche Regelung bei Gründung der Gesellschaft, ist der Gesellschafter grundsätzlich zum Verkehrswert abzufinden.
 
Liegt in der Person eines Gesellschafters ein wichtiger Grund für seinen Ausschluss und damit für die Einziehung seiner Geschäftsanteile vor, so macht eine gesellschaftsvertragliche Regelung Sinn, die zu einem möglichst geringen Abfindungsbetrag führt. Zu bedenken ist jedoch, dass nach der diesbezüglichen Rechtsprechung die Ausgestaltung unterschiedlicher Abfindungsregelungen für unterschiedliche Einziehungsgründe unzulässig sein dürfte.
Ebenso sinnvoll ist es, eine Regelung aufzunehmen, die vor gerichtlichen Auseinandersetzungen ein Verfahren für eine gütliche, vergleichsweise Regelung des Ausscheidens und den damit verbundenen Folgen vorgibt. Die Praxis zeigt, dass sofern ein wichtiger Grund in der Person des auszuschließenden Gesellschafters liegt, eine solche Einigung in der Regel jedoch nicht erfolgen wird. Besonders dann ist eine geringe Abfindung gerechtfertigt. 

Zwar können Vereinbarungen über die Höhe, die Berechnung und die Zahlungsweise der Abfindung auch für den Fall des Austritts aus wichtigem Grund grundsätzlich wirksam vorgenommen werden. Der BGH hat jedoch hierzu ausgeführt, dass das Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu den zwingenden, unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten gehört und in unzulässiger Weise eingeschränkt wird, wenn die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Abfindungsbeschränkung zu einem groben Missverhältnis zwischen dem vertraglichen und dem nach dem Verkehrswert zu bemessenden Abfindungsanspruch führt. 

So hält der BGH eine Abfindung zum Nennwert, die weit unter dem tatsächlichen Verkehrswert des Geschäftsanteils liegt, für nichtig. Die Abfindung zur Hälfte des Verkehrswertes dürfte bereits als höchst bedenklich anzusehen sein.

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Abfindungshöhe zu bestimmen und zu beschränken. Grundsätzlich kann von vier wesentlichen Ansätzen ausgegangen werden. Es kann die Bilanz der Gesellschaft herangezogen werden (Buchwert) oder der Beteiligungswert innerhalb der Gesellschaft (Nennwert) in einer Abfindungsklausel seinen Niederschlag finden. Des Weiteren kann man als Ausgangspunkt für die Abfindungsbestimmung auf Methoden zur Unternehmensbewertung (Substanzwertverfahren, Ertragswertverfahren) zurückgreifen, wobei eine Abfindungsbeschränkung dann durch prozentuale Abschläge erfolgt. Etwas außerhalb dieser vier Ansätze steht das sogenannte Stuttgarter Verfahren, das von der Finanzverwaltung entwickelt wurde und in neueren Gesellschaftsverträgen längst nicht mehr verwendet wird.

Da das Substanzwertverfahren aufgrund des reinen Bezuges auf die Sachwerte des Unternehmens ebenfalls als veraltet gilt, verbleibt das Ertragswertverfahren als Grundlage der Abfindungsermittlung. 

Problematisch ist jedoch die Bewertung des Unternehmenswertes oder des Ertrags des Unternehmens. Es sollte vermieden werden, sich auf Gutachten von Schlichtungsstellen oder Handelskammern zu verlassen, da diese aus der praktischen Erfahrung heraus eher als beliebig ungenau und kostenintensiv zu bewerten sind und mitunter eine erhebliche Zeitspanne für die Erstellung benötigen. Es ist daher sinnvoll, sich bereits im Gesellschaftsvertrag auf eine einfache und praktisch handhabbare Berechnungsmöglichkeit festzulegen. Wir haben bereits aus der praktischen Beratungstätigkeit solche Berechnungsmethoden entwickelt und erfolgreich erprobt.

Es sei nochmals klargestellt, wie wichtig eine vorgegebene Berechnungsmethode für den Abfindungsanspruch ist, da bereits der Beschluss zur zwangsweisen Einziehung des Geschäftsanteils von Anfang an als nichtig anzusehen ist, falls die Abfindungshöhe so hoch ist, dass sie nicht mehr aus dem frei verfügbaren Gesellschaftsvermögen sondern aus dem gebundenen Vermögen der Gesellschaft zu zahlen ist. Diesen Gedanken zuende gedacht, bedeutet dies, dass nachgelagerte Streitigkeiten über die Berechnung der Abfindung und deren Höhe die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses tangieren. Ohne eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung ist es daher möglich, dass sich aufgrund von Streitigkeiten, die noch Jahre nach dem Einziehungsbeschluss über die Höhe der Abfindung geführt werden, der Beschluss nachträglich als von Anfang an nichtig erweist. Dies stellt dann regelmäßig zugleich das „Todesurteil“ für die Gesellschaft dar.

Es bietet sich daher an, den Beschluss über die Zwangseinziehung bereits unter der Bedingung zu fassen, dass eine Zahlung der Abfindung nur erfolgen darf, wenn das Vorhandensein ausreichenden ungebundenen Vermögens sichergestellt ist. Darüber hinaus kommt in dieser Konstellation auch eine Zwangsabtretung in Betracht.


6.    Wirksamkeit der Zwangseinziehung

Ein unterschätztes praktisches Problem stellt sich für den Zeitpunkt, ab wann die Zwangseinziehung ihre volle Wirkung entfaltet. Nach der von der Rechtsprechung favorisierten „Bedingungstheorie“ wird die Einziehung erst dann wirksam, wenn der Abfindungsanspruch vollständig beglichen ist. 

Jedoch kann dies gerade, wenn Ratenzahlungen vereinbart sind, mitunter einige Jahre in Anspruch nehmen, selbst wenn zwischenzeitlich keinerlei Rechtsstreitigkeiten geführt werden.

Bedenkt man jedoch, dass solange die Zwangseinziehung noch nicht wirksam ist, der betroffen Gesellschafter noch in vollem Besitz all seiner Gesellschafterrechte ist, kann dies für die Gesellschaft ganz empfindliche Nachteile zur Folge haben. Gefürchtet sind in der Praxis vor allem die Auskunfts- und Einsichtsansprüche, die je nach Fallkonstellation sogar den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft lahm legen können. 

Auch aus diesem Grund ist es unabdingbar, die Rechte des Gesellschafters für diesen Fall bereits ab Beschlussfassung auszuschließen oder zumindest nur auf die Rechte, die mit dem Abfindungsanspruch in engem Zusammenhang stehen zu begrenzen und eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung aufzunehmen.


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