Gebrauchsgüter: Verlust aus Veräußerung ist steuerlich relevant
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs sind alle körperlichen Gegenstände bzw. Wirtschaftsgüter zu erfassen, die im Privatvermögen gehalten werden. Damit fallen nicht nur Wertpapiere sondern z.B. auch Pkw darunter. Dies gilt selbst dann, wenn die Gegenstände objektiv kein Wertsteigerungspotenzial besitzen. Die Finanzverwaltung konnte sich mit Ihrer Argumentation nicht durchsetzen, dass private Gebrauchsgüter mit Verlustpotenzial nicht steuermindernd berücksichtigt werden können.
Hinweis: Der durch den Verkauf von Gebrauchsgütern wie Antiquitäten, Schmuck, Gemälde, Einrichtungsgegenstände oder Jahreswagen erzielte Verlust lässt sich mit Gewinnen aus Börsengeschäften und Immobilienverkäufen verrechnen. Sofern kein Ausgleich im gleichen oder vorangegangenen Jahr möglich ist, darf der Verlustvortrag bis 2013 Gewinne mindern, die der Abgeltungsteuer unterliegen. Das gelingt aber nur bei einem Verkauf bis Ende 2008 (BFH, IX R 29/06).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes zu einer lebens- langen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision der Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zur Frage der Schuldfähigkeit der zur Tatzeit 21 Jahre alten Angeklagten , die nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts ihren zweijährigen Sohn A unversorgt und unbeaufsichtigt in der Wohnung zurückließ, während sie sich selbst bei Bekannten aufhielt , und dadurch innerhalb von drei Tagen den Tod des Kindes durch Verdursten herbeiführte, hat die sachverständig beratene Strafkammer folgendes ausgeführt: Zur Tatzeit habe die Angeklagte unter einer “unreifen Persönlichkeitsstörung“ gelitten, die durch die Unfähigkeit, das eigene Leben zu planen, durch einen verzerrten Realitätsbezug, ein “schwarzweißes Weltbild“ sowie einen ausgeprägten Selbstbezug gekennzeichnet gewesen sei. Die Störung habe aber nicht den Schweregrad erreicht, der für die Eingangsvoraussetzungen der §§ 20, 21 StGB erforderlich sei. Letzteres gelte auch, wenn man mit dem psychiatrischen Sachverständigen davon ausgehe, daß bei der Angeklagten zwischen Anfang und Mitte Oktober 2001 und dem Verlassen der Wohnung im November 2001 eine leichte depressive Episode vorgelegen habe. Von einer mittelgradigen oder schwerwiegenden Depression könne auch nicht im Blick auf die vor der Tat von der Angeklagten ab Oktober 2001 herbeigeführte Vermüllung ihrer Wohnung ausgegangen werden, weil diese nicht auf ihre depressive Verstimmung, sondern vor allem auf die für Ende November 2001 anberaumte Zwangsräumung zurückzuführen gewesen sei; der Zustand der Wohnung sei der Angeklagten deshalb gleichgültig gewesen. Außerdem habe die Bewährungshelferin bei einem Besuch der Angeklagten am 9. Oktober 2001 in der Behörde keine “Depressivität“ bemerkt. Der Schweregrad einer Depression könne aber nicht ausgeprägt sein, wenn es dem Betroffenen noch gelinge, diese nach außen zu verbergen.
Selbst wenn man der depressiven Episode der Angeklagten eine Relevanz für den ersten Akt der Tatausführung, das Verlassen der Wohnung, und für einen gewissen Zeitraum danach, etwa bis zum Kontakt der Angeklagten zu ihren Bekannten zuschreiben wolle, sei spätestens mit dem ersten Treffen der Angeklagten mit ihren Freunden ihre depressive Episode – welchen Schweregrad diese auch gehabt haben möge – beendet gewesen. Dies ergebe sich aus den Aussagen von drei Bekannten der Angeklagten, die in der fraglichen Zeit mit ihr umgegangen seien und sie in ihrer “(positiven) Gestimmtheit“ so erlebt hätten wie früher. Diese Bewertung werde auch nicht durch den Betäubungsmittelmißbrauch der Angeklagten nach Verlassen der Wohnung in Frage gestellt. In dieser Zeit habe die Angeklagte täglich Haschisch und gelegentlich auch Kokain konsumiert. Mit Haschisch habe die Angeklagte nach ihren eigenen Angaben ihr schlechtes Gewissen beruhigen und die Angst vor der Situation in ihrer Wohnung verdrängen wollen. Insofern fehle es schon an einer Kausalität zwischen dem Mißbrauch der Droge und der Tatbegehung.
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Bedenklich ist bereits, den Schweregrad einer Depression in die Beurteilung von ungeschulten medizinischen Laien zu stellen und maßgeblich auch auf dieser Grundlage das Vorliegen einer für die Anwendung von § 21 StGB beachtlichen mittelgradigen oder schwerwiegenden Depression abzulehnen. Die Bekannten der Angeklagten, die zu den möglichen Tatzeitpunkten mit ihr umgegangen sind, haben sie zumeist unter dem Einfluß von Cannabis erlebt, das sie zur Beruhigung genommen hatte. Auch war die Angeklagte gerade bestrebt, ihrer Bedrückung durch ein vermeintlich abwechslungsreiches und ungebundenes Leben zu entgehen, so daß sie – dies liegt jedenfalls nahe – ihre möglicherweise erheblich depressive Grundstimmung vor sich selbst und anderen verborgen hat. Darüber hinaus ist in der psychiatrischen Fachwissenschaft seit langem anerkannt, daß es nicht selten Depressionen gibt, die selbst Ärzte nicht erkennen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Depression hinter körperlichen und/oder psychopathologischen Phänomenen wie z.B. Gewichtsabnahme, Schlafstörungen, Verhaltensauffälligkeiten , Aggressionszuständen, Alkoholismus oder Drogenmißbrauch verbirgt (vgl. Kielholz, Die larvierte Depression, 1981, S. 9 und 39; Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 247).
Die Ausführungen des Landgerichts lassen darüber hinaus die gebotene Gesamtschau vermissen, in welche die Täterpersönlichkeit und deren Entwicklung, die Vorgeschichte, der unmittelbare Anlaß, die Ausführung der Tat sowie das Verhalten nach der Tat einzubeziehen sind (BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 4, 9, 16, 24, 29). Hierzu bestand im vorliegenden Fall schon deshalb Anlaß, weil dem Urteil zu entnehmen ist, daß die noch junge Angeklagte eine sehr belastete Kindheit durchlebt hat und daß auch ihr späterer Lebensweg äußerst problematisch verlaufen ist (frühe Schwangerschaft und Freigabe des Kindes zur Adoption, Prostitution und Betäubungsmittelmißbrauch , gestörte Beziehung zu dem Vater des Tatopfers, schwierige soziale Verhältnisse, Überforderung und Einsamkeit).
Für die Prüfung und Bewertung des Schweregrades der vom Sachverständigen festgestellten depressiven Störung hätte insbesondere die unmittelbare Vorgeschichte, nämlich die Entwicklung der depressiven Störung bzw. die möglichen Anzeichen für deren progredienten Verlauf, vertieft einbezogen werden müssen. Hierzu hat die Strafkammer ausführlich dargelegt, daß es der Angeklagten ab März 2001 immer schwerer gelang, alltägliche Anforderungen zu bewältigen, sie keiner sinnvollen Beschäftigung mehr nachging, sie sich die meiste Zeit in schlechter Stimmung in ihrer Wohnung aufhielt, häufig an Erkältungskrankheiten litt und Termine bei ihrer Bewährungshelferin nicht mehr einhielt. Seit Juni 2001 nahm die Angeklagte auch die Termine bei dem Sozialamt nicht mehr wahr, so daß die Mietzahlungen für ihre Wohnung eingestellt wurden. Stattdessen arbeitete sie gelegentlich wieder als Prostituierte. Im Juli 2001 lebte die Beziehung der Angeklagten zu dem Vater von A wieder auf, und sie machten Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Nach einer Woche trennte sich der Kindsvater jedoch wieder von der Angeklagten, was sie sehr enttäuschte. Im September 2001 erhielt die Angeklagte die Mitteilung, daß sie wegen der Mietschulden ihre Wohnung bis zum 30. November 2001 räumen müsse. In der Folgezeit hielt sie sich überwiegend zu Hause auf und war sehr niedergeschlagen. Sie vernachlässigte ihre Wohnung, die zunehmend vermüllte. In jedem Zimmer stapelte sich Unrat. Die Angeklagte wechselte ihrem Sohn zwar noch die Windeln , entsorgte sie jedoch nicht mehr, sondern warf die gebrauchten in eine Küchenecke. Schließlich war sie auch frustriert darüber, daß ihre Mutter, von der sie sich nicht geliebt fühlte, mehr Interesse an A zeigte als an ihr.
Die Strafkammer hat in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar begründet, warum sie aus dieser auf eine nicht unerhebliche Depression hindeutenden kontinuierlichen Abnahme von sozial gebotenen Verhaltensweisen und persönlichem Wohlbefinden ausgerechnet das für den Schweregrad einer depressiven Störung besonders bedeutsame Kriterium, nämlich die Vermüllung der Wohnung, herausnimmt und dieses Phänomen nicht auf die psychische Verfassung der Angeklagten, sondern ausschließlich darauf zurückführt , daß die Wohnung Ende November hätte geräumt werden müssen. Das hierfür angeführte Argument, daß sie in dieser Zeit immerhin noch die Windeln des Kindes gewechselt habe, ist nicht aussagekräftig. Es besagt allenfalls, daß noch Reste von Verantwortungsgefühl für den Sohn erhalten geblieben waren. Die weitere Begründung, die Bewährungshelferin habe am 9. Oktober 2001 keine „Depressivität“ bei der Angeklagten festgestellt, ist aus den oben bereits dargelegten Gründen nicht genügend tragfähig.
Schließlich hätte die depressive Verstimmung der Angeklagten auch vor dem Hintergrund der vom Sachverständigen ebenfalls diagnostizierten “unreifen Persönlichkeitsstörung“ beurteilt und erwogen werden müssen, ob möglicherweise das Zusammenwirken beider Faktoren dazu geführt hat, daß zur Tatzeit die Schuldfähigkeit der Angeklagten erheblich im Sinne von § 21 StGB beeinträchtigt war, dies zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.
3. Der Senat hebt das Urteil lediglich im Strafausspruch auf. Die Voraussetzungen des § 20 StGB liegen offensichtlich nicht vor. Sollte der neue Tatrichter auf der Grundlage eines weiteren Sachverständigengutachtens zu einer anderen Bewertung der Schuldfähigkeit der Angeklagten gelangen, vermag dies das Mordmerkmal der Grausamkeit hier nicht in Zweifel zu ziehen. Unabhängig von der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen von § 21 StGB wird die besondere psychische Befindlichkeit der Angeklagten bei der nach § 13 Abs. 2 StGB gebotenen Ermessensentscheidung zu beachten sein (BGHR StGB § 13 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 2).
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
I.
- 2
- Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
- 3
- Der zur Tatzeit 20-jährige Angeklagte und seine Freunde, die Zeugen K. und Sch. , trafen sich am Abend des 7. Juni 2006 mit weiteren Bekannten und konsumierten alkoholische Getränke. Einige Zeit später bega- ben sie sich mit ihren Fahrrädern zum Bahnhofsvorplatz in Nauen, um dort „abzuhängen“. Wie gewöhnlich führte der Angeklagte in seiner Hosentasche ein aufklappbares Butterflymesser mit einer Klingenlänge von etwa 15 cm bei sich. Zur selben Zeit begab sich das spätere Opfer, H. , mit einigen Kollegen zum Bahnhof Nauen, um von dort aus nach Berlin zu fahren. H. und sein Kollege M. , die in Nauen eine Betriebsfeier hatten, waren in auch alkoholbedingt enthemmter Stimmung und sangen Fußballlieder anlässlich der seinerzeit stattfindenden Fußballweltmeisterschaft. Dies störte den Angeklagten, der sich mit seinen Freunden noch auf dem Bahnhofsvorplatz befand. Als Reaktion auf das Singen und Grölen warf entweder der Angeklagte oder einer seiner Freunde eine Flasche vom Bahnhofsvorplatz hoch auf die Gleise am Bahnsteig, wo inzwischen H. mit seinen Kollegen angekommen war. H. rief daraufhin: „Schwuchtel, geh doch zu Mami!“ in Richtung Bahnhofsvorplatz, wobei er den Angeklagten und seine Freunde nicht sehen konnte und deshalb auch nicht wusste, wer die Flasche geworfen hatte. Danach wurde mindestens noch eine weitere Flasche von unten nach oben geworfen, woraufhin H. und M. in Richtung Bahnhofsvorplatz riefen, man möge mit dem Werfen aufhören. Das beantworteten der Angeklagte, K. oder Sch. mit dem Ruf, dass man gleich hochkommen werde. H. erwiderte: „Dann mach doch!“. Alsdann beruhigte sich die Situation wieder; der Angeklagte und seine Freunde unterhielten sich weiter auf dem Bahnhofsvorplatz.
- 4
- Gleichwohl entschloss sich der Angeklagte, der sich nachhaltig durch das „Fußballliedgegröle“ gestört gefühlt hatte, nach oben auf den Bahnsteig zu gehen und einen Streit anzufangen, wobei er sich bewusst war, ein Messer bei sich zu führen. Für ihn und seine Freunde war klar, dass es zu einer tätlichen und nicht nur verbalen Auseinandersetzung kommen würde. Oben angekommen, schob der Angeklagte sein Fahrrad in Richtung auf H. , der ganz hinten am Bahnsteig auf einer Wartebank saß. Er sprach H. an, der mit den Worten: „Verpiss Dich, ich hab’ gute Laune“ reagierte. Nunmehr stellte der Angeklagte sein Fahrrad an einem Pfeiler ab, holte sein Butterflymesser aus der Tasche und hielt es H. mit der scharfen Seite an den Hals. Hierdurch entstand eine Verletzung der oberen Hautschicht. H. sprang auf und wich zunächst zurück, während der Angeklagte mit dem Messer in der Hand auf ihn zuging. Sie schubsten sich gegenseitig , wobei H. versuchte, den Angeklagten mit Schlägen abzuwehren. Währenddessen rief er: „Stich doch!“ und Worte wie „Penner“ und „Wichser“. Insgesamt zeigte er sich von dem Messer des Angeklagten nicht sonderlich beeindruckt.
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- Spätestens zu Beginn des Gerangels entschloss sich der Angeklagte, das Messer aktiv gegen H. einzusetzen. Dabei war ihm der Tod H. s gleichgültig; vorrangig wollte er sich gegenüber seinen Kumpanen Sch. und K. keine Blöße geben. Er stach auf sein Opfer ein und traf es zunächst in die linke vordere Achselfalte. H. wehrte sich immer noch und rief: „Na komm doch“ oder ähnlich auffordernde Worte. Zwei weitere Stiche trafen ihn in die Flanke und die linke Brustseite, wobei die linke Brusthöhle eröffnet und das Herz verletzt wurde. H. lief noch einige Schritte und fiel dann zu Boden, während sich der Angeklagte mit seinem Fahrrad entfernte. H. verstarb noch auf dem Bahnsteig.
- 6
- Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als Totschlag bewertet, eine Notwehrsituation ausgeschlossen und die Voraussetzungen eines minder schweren Falles des Totschlags im Sinne von § 213 StGB verneint, weil der Angeklagte – eine Ehrverletzung durch die Worte des Opfers unterstellt – jedenfalls nicht spontan darauf reagiert habe. Vielmehr sei er bedächtig, zielgerichtet und „eiskalt“ vorgegangen. Die Voraussetzungen des § 21 StGB hat die Strafkammer verneint: Eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (nach Trinkmengenberechnung und Angaben eines rechtsmedizinischen Sachverständigen angenommene Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit: 0,89 Promille) des alkoholgewöhnten Angeklagten habe nicht vorgelegen. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Ange- klagte in geistiger Hinsicht von der Norm abweiche. Darüber hinaus seien entwicklungsbedingte Schwierigkeiten, den Anreizen zur Tat mit hinreichenden Hemmungsvorstellungen zu begegnen, bei dem Angeklagten nicht festgestellt worden.
II.
- 7
- Die Einwände der Revision gegen den Schuldspruch, speziell die tatrichterliche Beweiswürdigung, insbesondere im Zusammenhang mit der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes, sind entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet. Der Beschwerdeführer beanstandet jedoch zutreffend die Ablehnung eines Beweisantrages als rechtsfehlerhaft. Mit dieser Verfahrensrüge hat die Revision den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
- 8
- Die Verteidigung des Angeklagten hatte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass der Angeklagte zur Tatzeit schuldunfähig oder zumindest erheblich vermindert schuldfähig gewesen sei. Zur Begründung bezog sie sich auf einen durch das beantragte Gutachten erwarteten Nachweis einer mindestens erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge Alkohols und Erregung. Diesen Beweisantrag wies der Tatrichter im wesentlichen unter Hinweis auf die eigene Sachkunde mit der Begründung zurück, weder aus der Lebensgeschichte noch aus der Tat des Angeklagten ergäben sich Anknüpfungstatsachen , welche die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens erforderlich machten.
- 9
- Bei – jedenfalls nicht von langer Hand geplanten – Tötungsdelikten erweist es sich, insbesondere im Bereich des Jugendstrafrechts, in der Mehrzahl der Fälle als sachgerecht, einen psychiatrischen Sachverständigen beizuziehen. Daher ist insoweit eine fehlende oder nur knappe, allein auf gerichtliche Sachkunde gestützte Begründung für das Vorliegen uneinge- schränkter Schuldfähigkeit schon sachlich-rechtlich nicht unbedenklich (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage – 5 StR 197/07). Eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch Nichthinzuziehung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit liegt regelmäßig nicht fern (vgl. BGH NStZ 2006, 49; BGH, Beschluss vom 29. November 2006 – 5 StR 329/06). Im vorliegenden Fall ergeben sich zudem aus den Urteilsausführungen fallbezogene Besonderheiten , die eine Begutachtung entgegen der Auffassung des Landgerichts nahe legten (vgl. BGH NStZ 2003, 363, 364). Das Landgericht hat seine eigene Sachkunde jedenfalls mangels hinreichender Beachtung dieser Besonderheiten auch weder in dem den Antrag zurückweisenden Beschluss noch in den Urteilsgründen ausreichend belegt.
- 10
- Der Angeklagte hatte erhebliche Schulprobleme, wiederholte die sechste Klasse und verließ die Schule im Jahre 2002 nach der achten Klasse , die er ebenfalls zweimal durchlaufen musste. Nach dem sich anschließenden berufsvorbereitenden Jahr wurde ihm nicht die Eignung für eine Berufsausbildung , sondern nur die Eignung für eine Helfertätigkeit bescheinigt. Das ihm gleichwohl vermittelte Lehrverhältnis wurde von Seiten des Arbeitgebers noch in der Probezeit gekündigt. Der Angeklagte begann, vermehrt dem Alkohol zuzusprechen und nahm – allerdings in geringen Mengen – auch Cannabis zu sich. Als sich seine Freundin im Sommer 2004 von ihm trennte, steigerte er seinen Alkoholkonsum und ritzte sich möglicherweise an den Armen. Unter Alkoholeinfluss reagiert er besonders aggressiv und fühlt sich schon bei nichtigen Anlässen angegriffen. Im Urteil wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Angeklagte nur über eine geringe Frustrationstoleranz verfügt.
- 11
- All dies kann auch im Zusammenhang mit dem gruppendynamischen Hintergrund des Tatgeschehens die Annahme gedanklicher Beherrschung und willensmäßiger Steuerung der tatlenkenden gefühlsmäßigen Regungen des Angeklagten bei der offensichtlich völlig überzogenen mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Messerattacke in Frage stellen. Hinzu kommt, dass der Tat Handlungen und Wortwechsel vorausgegangen sind, die jedenfalls aus der Sicht eines leicht kränkbaren, zudem angetrunkenen und in diesem Zustand übermäßig reizbaren Heranwachsenden beleidigenden Charakter hatten. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe bedächtig, zielgerichtet und „eiskalt“ gehandelt, nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die Tatsache, dass Zeugen sein äußeres Erscheinungsbild in dieser Weise bewertet haben, genügt jedenfalls nicht, die psychische Befindlichkeit des Angeklagten bei Ausführung der Tat ausreichend zu erfassen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2004 – 5 StR 351/03). Auch die vom Landgericht für die Annahme unverminderter Schuldfähigkeit herangezogenen Tatsachen, nämlich dass der Angeklagte gewaltfrei erzogen worden sei und dass Gehirnverletzungen oder schwere Erkrankungen nicht vorgelegen hätten, sind nicht hinreichend aussagekräftig; jedenfalls sind sie nicht geeignet, eine relevante affektive Erregung des Angeklagten bei Begehung der auch für ihn außergewöhnlichen Tat auszuschließen.
- 12
- Bei dieser Sachlage bedarf die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB erheblich eingeschränkt war – die Voraussetzungen des § 20 StGB liegen ersichtlich nicht vor – mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen erneuter Prüfung. Der Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe kann deshalb nicht bestehen bleiben. Da der Senat nicht mit letzter Sicherheit ausschließen kann, dass nach Anhörung eines Sachverständigen auch die Verhängung einer Maßregel in Betracht kommen könnte, hebt er den gesamten Rechtsfolgenausspruch auf.