Mietzahlung: Kein Verzug, wenn Vermieter ohne Ankündigung Lastschriftverfahren aussetzt

bei uns veröffentlicht am26.09.2008
Zusammenfassung des Autors
Rechtsanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht (WEG) - S&K Rechtsanwälte in Berlin-Mitte
Wird die Einziehung von Mietzinsforderungen im Lastschriftverfahren vereinbart, so kommt der Schuldner nicht in Verzug, wenn der Gläubiger von der Ermächtigung keinen Gebrauch mehr macht, ohne dies vorher anzukündigen.

Dies gilt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart grundsätzlich auch, wenn die Einziehung im Lastschriftverfahren unterbleibt, weil es zuvor zu einzelnen Rücklastschriften gekommen ist. Anders verhält sich die Sachlage nach Ansicht der Richter nur, wenn so konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass keine Deckung besteht, dass es treuwidrig wäre, wenn der Schuldner sich weiterhin auf das Lastschriftverfahren berufen könnte. Diese Ausnahme liege aber üblicherweise nicht vor, wenn es in mehreren Monaten nur zu vereinzelten Rücklastschriften gekommen ist (OLG Stuttgart, 5 U 20/08).

Urteile

1 Urteile zitieren order werden zitiert von diesem Artikel

1 Urteile werden in dem Artikel zitiert

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil, 17. Apr. 2012 - 5 U 20/08

bei uns veröffentlicht am 17.04.2012

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor I. Auf die Berufung der Beklagten zu 6) wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2008 teilweise abgeändert: Die Klage des Klägers ge

Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Artikel zu Sonstige Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien

Mietgebrauch: Weihnachts-Lichterkette ist am Balkon einer Mietwohnung zulässig

27.11.2015

Der Mieter darf am Balkon seiner Mietwohnung eine Lichterkette anbringen. Das ist vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache umfasst.

Mietrecht: Zur Berücksichtigungsfähigkeit von Mieterleistungen als abwohnbarer Baukostenzuschuss

17.04.2012

Baukostenzuschuss setzt voraus, dass Mieter vor Durchführung der Instandsetzung Beiträge zur Instandsetzung erbracht hat-BGH vom 15.02.12-Az:VIII ZR 166/10

Hundehaltung: Vermieter kann Hunde nicht in jedem Fall verbieten

26.03.2014

Hätte der Vermieter einer Hundehaltung zustimmen müssen, so kann er von seinem Mieter nicht verlangen, die Hundehaltung zu unterlassen.

Referenzen

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 6) wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2008 teilweise abgeändert:

Die Klage des Klägers gegen die Beklagte zu 6) wird abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen.

III. Die Gerichtskosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger zu 3/5 und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 2/5 zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers für den ersten Rechtszug haben die Beklagten zu 1) und 2) zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3), 4) und 6) für den ersten Rechtszug hat der Kläger zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) für den ersten Rechtszug haben diese selbst zu tragen.

Die durch die im zweiten Rechtszug erfolgte Nebenintervention der Beklagten zu 2) (= Streithelferin im Berufungsverfahren) verursachten Kosten hat diese selbst zu tragen.

Die übrigen Kosten des zweiten Rechtszugs hat der Kläger zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Den Beklagten zu 1) und 2) bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der am … geborene Kläger begehrt von den Beklagten Schmerzensgeld. Weiter begehrt er ihnen gegenüber die Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und künftige immaterielle Schäden, die ihm im Zusammenhang mit den Geschehnissen bei seiner Geburt entstanden sind.

2

Die Mutter des Klägers, Frau J… B…, wurde am …. wegen der bevorstehenden Geburt des Klägers in die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 6) in K… betriebene Klinik wegen regelmäßiger Wehen nach komplikationsloser erster Schwangerschaft zur Entbindung überwiesen.

3

Sie wurde dort um 12.50 Uhr stationär in der gynäkologischen Abteilung aufgenommen.

4

Die gynäkologische Abteilung war zu dieser Zeit als Belegabteilung ausgestaltet.

5

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), die verstorbene Frau Dr. med. E… S…, war Leiterin der Belegabteilung.

6

Die Beklagte zu 2) war dort als freiberufliche Beleghebamme tätig.

7

Im Jahr 1970/1971 ist zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 6) und den Eheleuten Dres. L… und E… S… ein Belegarztvertrag abgeschlossen worden. Auf den Inhalt dieses bei der Akte befindlichen Vertrages wird Bezug genommen.

8

Der Beklagte zu 3) war zum Zeitpunkt der Aufnahme der Mutter des Klägers der Leiter der Anästhesieabteilung. Der Beklagte zu 4) war dort als diensthabender Oberarzt tätig. Der Beklagte zu 5) arbeitete als Anästhesiepfleger in der Klinik.

9

Die Aufnahmeuntersuchung der Mutter des Klägers wurde von der Beklagten zu 2) vorgenommen.

10

Sie veranlasste die Ableitung der Herztöne durch ein etwa elfminütiges CTG.

11

Der weitere genaue Ablauf der Geschehnisse ist im Einzelnen streitig.

12

Um 15.30 Uhr untersuchte die Beklagte zu 2) die Mutter des Klägers und stellte fest, dass der Muttermund 6-7 cm geöffnet war und sie kräftige Wehen hatte.

13

Um 16.20 Uhr und 17.00 Uhr verabreichte sie der Mutter des Klägers zur Förderung der Geburt jeweils eine halbe Ampulle Orasthin.

14

Im weiteren Verlauf der Geburt traten spätestens um 17.15 Uhr Komplikationen auf. Um 17.18 Uhr wurde ein Herztonabfall beim Kläger registriert.

15

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), die nach 16.00 Uhr von der Beklagten zu 2) zur Geburt hinzugerufen wurde, nahm für die vaginale Entbindung bei hinterer Hinterhauptslage des Klägers eine Zange zu Hilfe.

16

Um 17.25 Uhr wurde der Kläger mit einer zweifachen Nabelschnurumschlingung und ohne eigene Atmung geboren. Die APGAR-Werte wurden mit 1-2-2 (für 1-5-10 Minuten nach der Geburt) angegeben.

17

Etwa ab 17.35 Uhr begannen Frau Dr. S… und der Beklagte zu 5) mit Reanimationsversuchen bei dem Kläger, die bis ca. 17.50 Uhr andauerten. Es gelang dem Beklagten zu 5), den Kläger zu intubieren.

18

Bereits um 17.30 Uhr war die Kinderklinik W… benachrichtigt worden. Die verständigte Kinderärztin traf um 18.10 Uhr ein und übernahm die Behandlung des Klägers. Der Kläger wurde dann in die Kinderklinik nach W… verlegt.

19

Zwischenzeitlich wurde wegen des kritischen Zustandes des Klägers die Anästhesieabteilung informiert. Der Beklagte zu 3) hatte zu dieser Zeit keinen Dienst. Bereitschaftsdienst hatte der Beklagte zu 4). Der Bereitschaftsdienst der Anästhesieabteilung war damals so geregelt, dass der Bereitschaftsdienst habende Arzt sowohl für den Krankenhausstandort K… wie auch für den Krankenhausstandort R… zuständig war. Zum Zeitpunkt der Information befand sich der Beklagte zu 4) am Standort R…. Die Zeit für die Fahrstrecke von R… nach K… beträgt etwa 30 Minuten. Als der Beklagte zu 4) bei dem Kläger eintraf, war bereits die Kinderärztin der Kinderklinik W… vor Ort. Der Beklagte zu 4) nahm keine eigenen Reanimationsmaßnahmen am Kläger vor.

20

Der Kläger ist aufgrund der Sauerstoffunterversorgung bei und nach der Geburt zu 100 % schwerbehindert und für sämtliche Verrichtungen des Alltags auf fremde Hilfe angewiesen.

21

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagten zu 1) und 2) hätten schwerwiegende Behandlungsfehler zu vertreten.

22

Der Beklagte zu 3) und die Beklagte zu 6) hafteten wegen unzureichender Organisation des Notdienstes für die Anästhesie. Der eingerichtete gemeinsame Bereitschaftsdienst für K… und R… sei nicht ausreichend gewesen.

23

Auch sei die Erstversorgung von Notfällen nicht ausreichend geregelt gewesen.

24

Der Beklagte zu 4) hafte, da er nicht ausreichend über seinen Aufenthaltsort informiert habe. Er habe seine Rufbereitschaft nicht ordnungsgemäß wahrgenommen.

25

Er sei als Oberarzt für die Organisation des Notdienstes mitverantwortlich gewesen.

26

Die Klage gegen den Beklagten zu 5) hat der Kläger im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens zurückgenommen.

27

In einem Teilvergleich vom 19. Oktober 2005 vor dem Landgericht haben sich die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet, als Gesamtschuldner an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000,00 € zu zahlen. Weiter verpflichteten sie sich alle materiellen Schäden aus dem Schadensereignis vom … zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Bezüglich zukünftiger immaterieller Schäden erkannten die Beklagten zu 1) und 2) eine Haftung für den Fall an, dass beim Kläger eine wesentliche derzeit nicht vorhersehbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintritt.

28

Der Schmerzensgeldbetrag ist am 12. Januar 2005 auch gezahlt worden.

29

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

30

1. die Beklagten zu 3), 4) und 6) zu verurteilen, ihm zu Händen seiner gesetzlichen Vertreter ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 2,5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % seit dem 15. November 1994, gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und zu 2) zu zahlen;

31

2. festzustellen, dass die Beklagten zu 3), 4) und 6) verpflichtet sind, ihm jeglichen materiellen und den künftigen immateriellen Schaden aus dem Schadensereignis vom … gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und 2) zu ersetzen, soweit Ersatzansprüche nicht auf Dritte übergehen;

32

3. festzustellen, dass hinsichtlich eines Schmerzensgeldbetrages von 250.000,00 € Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.

33

Die Beklagten zu 3), 4) und 6) haben erstinstanzlich zuletzt beantragt,

34

die Klage abzuweisen.

35

Sie haben vorgetragen, dass ihre Haftung ausgeschlossen sei, weil Behandlungsfehler allein durch die Beklagten zu 1) und 2) begangen worden seien. Ein Organisationsverschulden könne ihnen nicht zur Last gelegt werden. Auch bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Fehlverhalten und dem Schaden, den der Kläger erlitten habe.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der insoweit gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

37

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C… J…, Dr. H… B…, R… Z…, H… L… und P… E… und durch Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten der Sachverständigen Prof. Dr. D… K… und Prof. Dr. Dr. P… B… und deren mündliche Erläuterung.

38

Die Beklagten zu 2), 3) und 5) sind persönlich angehört worden. Auch die Mutter des Klägers hat sich in mündlicher Verhandlung geäußert.

39

Wegen des Ergebnisses der Anhörungen und der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. D… K… vom 12. Januar 2000 (Bl. 385 - 403 d. A.) und 8. Juli 2004 (Bl. 677 - 686 d. A.) und von Prof. Dr. Dr. P… B… vom 3. April 2002 (Bl. 482 - 493 d. A.), 27. Dezember 2004 (Bl. 699 - 706 d. A.) und 6. September 2007 (Bl. 1018 - 1022 d. A.) und den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 21. April 1999 (Bl. 304 - 316 d. A.), 19. November 2003 (Bl. 624 - 633 d. A.) und 14. Februar 2007 (Bl. 975 - 979 d. A.) Bezug genommen.

40

Mit Urteil vom 14. April 2008, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Landgericht Kaiserslautern

41

1. festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe eines Schmerzensgeldbetrages von 250.000,00 € erledigt ist,

42

2. festgestellt, dass die Beklagte zu 6) verpflichtet ist, dem Kläger als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) und 2) alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus den im Zusammenhang mit seiner Geburt am … erlittenen Schäden entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen,

43

3. die Beklagte zu 6) verurteilt, an den Kläger 4 % Zinsen aus 250.000,00 € vom 3. Dezember 1996 bis 11. Januar 2005 zu zahlen.

44

Im Übrigen hat das Landgericht die weitergehende Klage des Klägers abgewiesen.

45

Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte zu 6) dem Kläger nach den §§ 823 Abs. 1, 31, 89, 847 BGB a. F. gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und 2) zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie zur Zahlung der Prozesszinsen verpflichtet ist.

46

Mit der Mutter des Klägers sei ein sogenannter gespaltener Krankenhausvertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Klägers abgeschlossen worden. Das Belegkrankenhaus schulde hierbei die pflegerische und medizinische Betreuung außerhalb der ärztlichen Leistungen der Belegärztin. Im Übrigen sei die Belegärztin alleinige Vertragspartnerin der Mutter.

47

Dennoch hafte das Belegkrankenhaus zusammen mit der Belegärztin, wenn - wie vorliegend - sich im Schaden zusammen mit dem Fehler des Arztes ein Organisationsverschulden des Belegkrankenhauses ausgewirkt habe.

48

Der Beklagten zu 6) falle ein grober Organisationsfehler zur Last.

49

Zwar sei die Gynäkologieabteilung des Krankenhauses eine Belegabteilung gewesen. Das Krankenhaus müsse jedoch die erforderliche ärztliche und nichtärztliche Assistenz bereitstellen. Der Krankenhausträger hafte unmittelbar selbst, wenn ihm innerhalb seines Verantwortungsbereiches schuldhafte Versäumnisse unterlaufen seien.

50

Die Beklagte zu 6) habe es unterlassen, den Notdienst im Bereich der Anästhesie fachgerecht zu organisieren. Die Anästhesie sei eine Hauptabteilung der Beklagten zu 6) gewesen. Es habe sich nicht um eine Belegabteilung gehandelt, so dass die Beklagte zu 6) insoweit die volle Verantwortung trage.

51

Laut Bereitschaftsdienstplan habe der Anästhesist zugleich Notdienst in R… und K… zu leisten gehabt. Die Fahrtzeit zwischen beiden Kliniken betrage etwa 30 Minuten. Bei einer derartigen Ausgestaltung des Notdienstes sei die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten seitens des Belegkrankenhauses nicht in der erforderlichen Weise sichergestellt. Die Beklagte zu 6) hafte für die ungenügende Organisation des anästhesiologischen Dienstes. Die Beklagte zu 6) habe fehlerhaft die Einrichtung einer geburtshilflichen Belegabteilung übernommen, ohne organisatorisch sicherzustellen, dass Notfälle ausreichend behandelt werden können.

52

Weiterhin müsse der Beklagten zu 6) angelastet werden, dass keine ausreichend klaren Absprachen zwischen ihr und der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), der Belegärztin, hinsichtlich der Koordination zwischen den Abteilungen, insbesondere bezüglich der Handhabe von Notfällen bestanden hätten. Aus dem Belegarztvertrag ergäbe sich, dass das Krankenhaus die Standardausrüstung und das Personal zur Verfügung stelle. Eine ausdrückliche Regelung zur Notversorgung finde sich im Belegarztvertrag nicht. Durch die fehlende Absprache habe die Beklagte zu 6) ihre Koordinations- und Organisationspflicht verletzt.

53

Es hätten keine klaren Zuständigkeitsabsprachen für Notfälle bestanden.

54

Das Organisationsversäumnis der Beklagten zu 6) sei als grober Fehler zu bewerten.

55

Die Beklagte zu 6) habe nicht bewiesen, dass die dargestellten Organisationsfehler nicht zu der schweren Hirnschädigung mit Mehrfachbehinderung des Klägers geführt hätten.

56

Ihr sei es nicht gelungen, den Kausalverlauf zu widerlegen.

57

Die Beklagte zu 6) hafte als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) und 2), da alle drei Beklagten nebeneinander für den aus der unerlaubten Handlung entstandenen Schaden verantwortlich seien.

58

Ansprüche gegen den Beklagten zu 3) bestünden nicht. Der Beklagte zu 3) hafte weder aus Vertrag, noch aus Delikt, da keine in seinen Verantwortungsbereich fallenden Fehler vorlägen.

59

Auch Ansprüche gegen den Beklagten zu 4) könnten nicht festgestellt werden. Es komme weder eine vertragliche, noch eine deliktische Haftung in Betracht.

60

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte zu 6) mit der Berufung.

61

Sie vertritt die Auffassung, dass im Jahre 1993 die Anästhesieabteilung des Kreiskrankenhauses K… für die Erstversorgung des Neugeborenen bei einem Notfall nicht zuständig gewesen sei. Hierfür sei die Beklagte zu 1) zuständig gewesen. Sie habe die ihr obliegende ärztliche Verantwortung für die Notfallversorgung der Neugeborenen gerade nicht auf die Anästhesieabteilung des Kreiskrankenhauses K… übertragen gehabt, so dass etwaige Mängel in der anästhesiologischen Versorgung vorliegend nicht entscheidungserheblich sein könnten. Auch aus den eingeholten Gutachten ergäbe sich nichts anderes.

62

Die Regelung des Notdienstes der Anästhesie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt (1993) habe durchaus noch dem Standard eines Kreiskrankenhauses in ländlicher Region entsprochen. Die Standards, die von den Sachverständigen angegeben worden seien, seien in einem Kreiskrankenhaus im ländlichen Raum nicht umsetzbar.

63

Im Übrigen habe der damalige Träger zulässigerweise die Verantwortung für die Versorgung von Notfällen an den operierenden Arzt delegiert.

64

Nicht verkannt werden sollte ferner, dass die Entscheidung, ob die Ausstattung eines Belegkrankenhauses ausreiche, um die nach der Eingangsdiagnose zu erwartende ärztliche Behandlungsaufgabe bewältigen zu können, eine dem Aufgabenkreis des Belegarztes zuzurechnende Entscheidung sei, für die der Träger des Belegkrankenhaues nicht hafte. Die Belegärztin habe um die personelle Situation und die Dauer der Verfügbarkeit eines Facharztes für Anästhesie während des nächtlichen Bereitschaftsdienstes gewusst. Wenn aber die Geburtshelferin in Kenntnis der personellen Situation bewusst die Verantwortung dafür übernehme, dass sie während der Bereitschaftszeiten ggf. eine Notoperation unter Mithilfe eines Anästhesiepflegers durchführen müsse, könne dies nicht zu Lasten des Krankenhausträgers gehen.

65

Die Haftung der Beklagten zu 6) scheitere aber auch daran, dass sich etwaige organisatorische Mängel im Anästhesiebereich des Kreiskrankenhauses im vorliegenden Fall nicht ausgewirkt hätten, nachdem der praktisch erfahrene Anästhesiepfleger, Herr M… R…, unmittelbar nach Anforderung eines Anästhesisten nach der Geburt des Klägers dessen Erstversorgung suffizient übernommen und durchgeführt habe. Es seien alle Maßnahmen getroffen worden, die ein Facharzt für Anästhesie getroffen hätte. Dass die Maßnahmen fachgerecht erfolgt seien, könne nicht zweifelhaft sein. Ein etwaiger Organisationsmangel sei daher nicht kausal für den eingetretenen Schaden geworden.

66

Gegen die genannte Entscheidung des Landgerichts wendet sich auch der Kläger mit der Berufung insoweit, als seine Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) abgewiesen worden ist.

67

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Beklagte zu 3) als Leiter der Anästhesie neben der Beklagten zu 6) sowohl vertraglich als auch deliktisch für schwere Organisationspflichtverletzungen hafte.

68

Neben dem Krankenhausvertrag sei zwischen der Kindesmutter als Privatpatientin und dem Beklagten zu 3) als selbst liquidierenden Chefarzt ein Arztzusatzvertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Klägers zustande gekommen. Der Beklagte zu 3) sei daher dem Kläger gegenüber zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen und habe dementsprechend auch ein Liquidationsrecht gehabt. Die Reanimation des Klägers sei auch von dem Beklagten zu 3) persönlich in Rechnung gestellt worden. Der Beklagte zu 3) sei bereits mit der stationären Aufnahme der Kindesmutter deliktisch und vertraglich verpflichtet gewesen, jederzeit eine fachgerechte anästhesiologische Versorgung zu gewährleisten. Auch gegenüber dem Kläger hätten die vertraglichen und deliktischen Schutzpflichten nicht erst mit der Geburt, sondern bereits pränatal bestanden.

69

Als Chefarzt sei der Beklagte zu 3) mitverantwortlich dafür gewesen, dass eine anästhesiologische Versorgung, insbesondere auch von Notfallpatienten, jederzeit gewährleistet gewesen sei. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen.

70

Der notwendige Standard bezüglich der Anästhesie sei nicht gegeben gewesen. Nur ein Anästhesist habe Notdienst sowohl in R… wie auch in K… gehabt, wobei allein die Fahrtstrecke zwischen den beiden Kliniken etwa 30 Minuten betrage.

71

Auch der Beklagte zu 4) hafte. Der Beklagte zu 4) sei nicht nur diensthabender Oberarzt, sondern auch Vertreter des Beklagten zu 3) als Chefarzt gewesen. Als stellvertretender Abteilungsleiter sei er verpflichtet gewesen, die ihm bekannten, schweren Organisationsmängel zu beseitigen bzw. zumindest auf eine Beseitigung hinzuwirken.

72

Dem Beklagten zu 4) sei der grobe Organisationsfehler auch bekannt gewesen.

73

Er hätte den Missstand abstellen müssen, zumindest hätte er remonstrieren und auf den Missstand hinweisen müssen.

74

Soweit die Beklagte zu 6) die Entscheidung des Landgerichts mit der Berufung angreift, verteidigt der Kläger die erstinstanzliche Entscheidung nach Maßgabe seines Vorbringens.

75

Ein schweres Organisationsverschulden der Beklagten zu 6) wie auch des Beklagten zu 3) liege darin, dass keine bindende Regelung dahingehend getroffen worden sei, wer für die Erstversorgung eines gefährdeten Neugeborenen verantwortlich sein sollte. Es hätte darauf hingewirkt werden müssen, dass nicht nur irgendeine Zuständigkeitsregelung getroffen wird, sondern dass die Erstversorgung eines kranken oder gefährdeten Neugeborenen durch einen auf diesem Gebiet erfahrenen Arzt kompetent sichergestellt wird.

76

Der Beklagten zu 6) sei es als weiteres schweres Organisationsverschulden vorzuwerfen, dass in der Notsituation nicht rechtzeitig ein Anästhesist zur Reanimation des schwer asphyktischen Klägers zur Verfügung stand.

77

Es liege auch eine Aufklärungspflichtverletzung vor. Die Eltern des Klägers seien nicht über die mangelhafte personelle Ausstattung der Anästhesieabteilung informiert worden. Sie seien auch nicht darüber informiert worden, dass der erforderliche Anästhesiedienst rund um die Uhr, mit dem die Beklagte zu 6) auf ihrer Homepage werbe, gerade nicht immer und jederzeit verfügbar sei. Hätten die Eltern des Klägers dies gewusst, hätten sie eine andere Klinik gewählt.

78

Soweit der Kläger die Entscheidung des Landgerichts mit der Berufung angreift, verteidigen die Beklagten zu 3) und 4) die angegriffene Entscheidung nach Maßgabe ihres Vorbringens.

79

Die Streithelferin im Berufungsverfahren (= Beklagte zu 1)) ist mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 im zweiten Rechtszug auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit beigetreten.

80

Der Kläger beantragt,

81

unter teilweiser Abänderung des Urteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2008

82

1. festzustellen, dass die Beklagten zu 3) und 4) verpflichtet sind, ihm als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), zu 2) und zu 6) alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus den im Zusammenhang mit seiner Geburt am … erlittenen Schäden entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen,

83

2. die Beklagten zu 3) und 4) zu verurteilen, als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 6) an ihn 4 % Zinsen aus 250.000,00 € vom 3. Dezember 1996 bis 11. Januar 2005 zu zahlen.

84

Der Beklagte zu 3) beantragt,

85

die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2008, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 3) richtet, zurückzuweisen.

86

Der Beklagte zu 4) beantragt,

87

die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2008, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 4) richtet, zurückzuweisen.

88

Die Beklagte zu 6) beantragt,

89

das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2008 dahingehend abzuändern, dass die Klage gegen die Beklagte zu 6) abgewiesen wird.

90

Der Kläger beantragt,

91

die Berufung der Beklagten zu 6) zurückzuweisen.

92

Die Streithelferin im Berufungsverfahren schließt sich den Anträgen des Klägers an.

93

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M… R… (= am zweiten Rechtszug nicht beteiligter Beklagter zu 5)) und durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H… D… und dessen mündliche Erläuterung sowie durch die mündliche Erläuterung der in erster Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. P… B….

94

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H… D… vom 16. Mai 2011 (Bl. 1445 - 1481 d. A.) und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 14. Februar 2012 (Bl. 1610 – 1618 d. A.) Bezug genommen.

95

Zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt.

II.

96

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 6) sind zulässig.

97

Die Berufung der Beklagten zu 6) hat in vollem Umfang Erfolg, während die Berufung des Klägers erfolglos bleibt.

98

1. Eine Haftung der Beklagten zu 6) für die dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Geburt am … erlittenen Schäden ist nicht gegeben.

99

a) Der Senat geht dabei mit dem Landgericht davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), die verstorbene Frau Dr. E… S…, und die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldnerinnen für die dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Geburt am … erlittenen Schäden haften.

100

Der Senat teilt insoweit auch die Auffassung des Landgerichts, dass sowohl der verstorbenen Frau Dr. S…, wie auch der Beklagten zu 2) grobe Behandlungsfehler unterlaufen sind.

101

Wegen der Einzelheiten diesbezüglich wird zur Begründung auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts vom 14. April 2008 verwiesen.

102

b) Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts, dass die Regelung des Notdienstes im Bereich der Anästhesie unzureichend gewesen ist.

103

Dies ergibt sich aus den vorliegenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K… vom 12. Januar 2000 und 8. Juli 2004 sowie den Gutachten von Prof. Dr. Dr. B… vom 27. Dezember 2004 und 6. September 2007 und den mündlichen Erläuterungen durch beide Sachverständige im Termin vor dem Landgericht vom 14. Februar 2007.

104

c) Trotzdem haftet die Beklagte zu 6) nicht für die dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Geburt entstandenen Schäden aufgrund des unter b) bezeichneten Organisationsmangels.

105

Denn es fehlt an dem notwendigen Rechtswidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang zwischen dem Organisationsfehler und dem bei dem Kläger eingetretenen Schaden.

106

Der Grundsatz, dass derjenige, der pflichtwidrig ein schädigendes Ereignis verursacht, dem Geschädigten für alle dadurch ausgelösten Schadensfolgen haftet, gilt nicht ohne Einschränkungen. Es ist anerkannt, dass der Verstoß gegen eine Rechtspflicht nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte. Das trifft nicht nur für den Bereich des Deliktsrechts, sondern auch im Vertragsrecht zu; auch hier muss der Schaden nach Art und Entstehungsweise aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Pflicht bestimmt war (BGH NJW 1992, 555 ff m. w. N.).

107

Nach der im Schadensrecht allgemein anerkannten Lehre vom Schutzzweckzusammenhang, der zum Teil auch unter dem Aspekt des Rechtswidrigkeitszusammenhangs diskutiert wird, genügt es nämlich nicht, dass zwischen dem Schaden und der durch einen Schädiger geschaffenen Gefahrenlage eine bloß zufällige äußere Verbindung besteht; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang bestehen. Denn der Schädiger haftet nur für solche Schäden, die sich als Verwirklichung der Gefahr darstellen, weswegen ein bestimmtes Verhalten untersagt bzw. geboten ist. Dies gilt sowohl bei deliktischer als auch vertraglicher Haftung (Beschluss des Senats vom 21. August 2001, OLGR Zweibrücken 2002, 470 ff).

108

aa) Im vorliegenden Fall geht es um die notfallmäßige Erstversorgung eines Neugeborenen, der reanimiert werden musste.

109

Hierzu führt der Sachverständige Prof. Dr. D… in seinem Gutachten vom 16. Mai 2011 aus, dass zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers für die Betreuung des reanimationspflichtigen Neugeborenen aufgrund der historischen Entwicklung im Akutfall zunächst der Geburtshelfer verantwortlich gewesen ist.

110

Er hat bei der mündlichen Erläuterung des Gutachtens im Senatstermin vom 14. Februar 2012 weiter ausgeführt, dass ohne entgegenstehende Absprache davon auszugehen sei, dass der geburtshelfende Arzt zuständig sei für die Erstversorgung und auch Notfallversorgung des Neugeborenen, jedenfalls so lange, bis Ärzte der Kinderklinik eintreffen und das Kind übernehmen. Zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers dürfte es auch so gewesen sein, so der Sachverständige, dass Gynäkologen eher in der Lage gewesen seien, ein neugeborenes Kind notzuversorgen als ein Anästhesist. Wegen des Kindes habe kein Anästhesist bereitstehen müssen.

111

Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B… hat dem ausdrücklich zugestimmt. Er führte seinerseits aus, dass dann wenn keine anderweitigen Absprachen bestehen, der geburtshelfende Arzt primär und ausschließlich zuständig ist für das neugeborene Kind. Dies gelte auch für Notfälle. Gynäkologen würden deshalb auch für die Notversorgung von neugeborenen Kindern ausgebildet. Es müsse daher für das Kind nicht unbedingt ein Anästhesist vor Ort sein.

112

Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der übereinstimmenden Einschätzungen der genannten Sachverständigen zu zweifeln. Entgegen der Auffassung des Klägers widersprechen die Einschätzungen der Sachverständigen auch nicht ihren früheren Ausführungen.

113

So hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B… bereits in seinem Gutachten vom 27. Dezember 2004 ausgeführt, dass dann, wenn die primäre Versorgung eines Neugeborenen ausschließlich in der Hand des Gynäkologen gelegen hat, auch nur dieser die entsprechende Verantwortung getragen hat.

114

Der vorliegende Belegarztvertrag der Dres. E… und L… S… mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 6) vom 15. April 1970/12. Februar 1971 gibt keinen Anlaß zu einer anderen Bewertung. In diesem Vertrag ist eine Versorgung von Neugeborenen nicht gesondert erwähnt bzw. geregelt.

115

Auch ansonsten ergeben sich aus dem Akteninhalt keine anderweitigen Absprachen hinsichtlich der Versorgung und damit auch der Notfallversorgung von Neugeborenen.

116

Eine Übertragung auf die Anästhesieabteilung ist nicht ersichtlich.

117

Vielmehr hat der vernommene Zeuge H… L… ausgesagt, dass für die Reanimation eines Neugeborenen der geburtsbegleitende Gynäkologe zuständig gewesen ist, nicht der Anästhesist. Dass die die Geburtshilfe durchführenden Belegärzte auch für die Erstversorgung der Neugeborenen zuständig gewesen sind, hat auch der Zeuge P… E… bestätigt.

118

bb) Die Sachverständigen Prof. Dr. D… und Prof. Dr. Dr. B… haben bei ihrer mündlichen Anhörung im Senatstermin vom 14. Februar 2012 übereinstimmend erklärt, dass auch wenn das Krankenhaus über eine eigene Anästhesieabteilung verfügt, es primär Sache des geburtshelfenden Arztes ist, ein neugeborenes Kind erstzuversorgen bzw. notzuversorgen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, keine abweichenden Vereinbarungen bestünden.

119

Prof. Dr. Dr. B… hat insoweit weiter ausgeführt, dass nur dann, wenn die Verantwortlichkeit für die Erstversorgung des Kindes auf die Abteilung der Anästhesie übertragen worden wäre, die Organisationsstruktur des Krankenhauses, wie sie damals gewesen sei, völlig ungenügend gewesen sei.

120

Wie bereits ausgeführt, ist ein solcher Fall aber vorliegend nicht gegeben.

121

cc) Weil es - wegen Fehlens anderweitiger Absprachen - allein Aufgabe der Geburtshelferin war, die notfallmäßige Erstversorgung des Klägers durchzuführen, hat sich vorliegend keine Gefahr verwirklicht, zu deren Abwendung ein sachgerecht geregelter Notfalldienst hätte eingerichtet werden müssen.

122

So hat auch der Sachverständige Prof. Dr. D… in seinem schriftlichen Gutachten vom 16. Mai 2011 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass es der Belegärztin oblegen hätte, festzustellen, ob in ihrer Abteilung alle räumlichen, fachlichen und personellen Voraussetzungen gegeben gewesen seien, ihre Tätigkeit fachgerecht ausüben zu können. Sofern sie Missstände bzw. Defizite im Verlauf ihrer jahrzehntelangen belegärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus K… festgestellt hätte, hätte sie den Träger informieren müssen. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, sich selbst in der Reanimation Neugeborener fortzubilden oder mit der Anästhesieabteilung eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zu treffen. Der Krankenhausträger hätte auf Anforderung der Fachbereichsleitungen (hier Fachärzte bzw. Belegärzte) initiativ werden müssen. Er sei aber nicht verpflichtet gewesen, selbst eine entsprechende Organisation bzw. interdisziplinäre Vereinbarung herbeizuführen. Er habe von der fachlichen Kompetenz der Belegärztin ausgehen dürfen, es sei denn, ihm wären Defizite oder gar Missstände aufgezeigt worden.

123

d) Dass die Geburtshelferin offensichtlich fachlich nicht hinreichend kompetent war, kann im vorliegenden Verfahren kein Organisationsverschulden der Beklagten zu 6) begründen.

124

Prof. Dr. D… hat bei der Anhörung im Senatstermin vom 14. Februar 2012 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass er, wie schon in seinem schriftlichen Gutachten vom 16. Mai 2011, die Auffassung vertrete, dass der Krankenhausträger zunächst nicht verpflichtet gewesen sei, selbst eine entsprechende Organisation bzw. interdisziplinäre Vereinbarung herbeizuführen. Er habe von der fachlichen Kompetenz der Belegärztin ausgehen können.

125

Prof. Dr. Dr. B… hat dieser Einschätzung zugestimmt.

126

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 6) zum damaligen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dass die Geburtshelferin nicht in der Lage war, die notfallmäßige Erstversorgung von Neugeborenen zu bewerkstelligen.

127

Aus den genannten Gründen kommt es auch letztlich nicht darauf an, ob Dr. T… Ende der 80er Jahre die Regelung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Bereich der Anästhesie gegenüber dem Krankenhausträger beanstandet hat, wie der Zeuge M… R… bekundete. Denn dass ein Missstand betreffend die Versorgung von Neugeborenen beanstandet worden sei, konnte der Zeuge R… nicht angeben. Es ergeben sich auch aus der Akte keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Krankenhausträger damals bekannt gewesen wäre, dass die für die Notfallversorgung von Neugeborenen zuständige Geburtshelferin hierzu nicht hinreichend in der Lage gewesen ist.

128

Angesichts dessen kann auch die vertragliche Beziehung der Mutter des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 6) keine Haftung der Beklagten zu 6) begründen.

129

e) Auch dass ein Anästhesist im Rahmen einer Anforderung aufgrund der damals bestehenden Notdienstregelung nicht schneller zur Verfügung stand, kann vorliegend keine Haftung der Beklagten zu 6) begründen.

130

Denn wenn die Erst- oder Notversorgung des Neugeborenen wie vorliegend allein im Verantwortungsbereich des Geburtshelfers liegt, muß ein Anästhesist hierfür nicht verfügbar sein.

131

So haben die Sachverständigen Prof. Dr. D… und Prof. Dr. Dr. B… nachvollziehbar darin übereingestimmt, dass jedenfalls wegen des Neugeborenen bzw. dessen Erst- oder Notversorgung ein Anästhesist nicht bereitstehen muss. Ein Fall, wo ein solcher benötigt wird, wie z. B. eine Notsectio, lag hier gerade nicht vor.

132

Zweck des anästhesiologischen Bereitschaftsdienstes ist es nicht, quasi als Reserve bereitzustehen für den Fall, dass ein nicht hinreichend kompetenter Geburtshelfer nicht in der Lage ist, die von ihm übernommenen Aufgaben, für die er auch ausreichend ausgebildet sein müsste, zu bewältigen. Hinsichtlich des entstandenen Schadens fehlt es daher auch insoweit am Rechtswidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang.

133

f) Eine Haftung der Beklagten zu 6) ergibt sich auch nicht aus der behaupteten Aufklärungspflichtverletzung.

134

Soweit der Kläger behauptet, die Mutter des Klägers hätte sich bei Kenntnis der beanstandeten Notdienstregelung hinsichtlich der Anästhesie nicht in die Klinik in K… begeben, sondern in eine andere Klinik, kann dahinstehen, ob insoweit eine Aufklärungspflicht verletzt worden ist.

135

aa) Denn die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 6) ist im vorliegenden Fall nicht aufklärungspflichtig gewesen.

136

Aufklärungspflichtig ist der behandelnde Arzt (Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechtes 4. Aufl. § 62 Rdnr. 1). Im vorliegenden Fall bestand unbestritten ein Belegarztvertrag bzw. ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag. Kennzeichnend für einen solchen Vertrag ist, dass der Patient die medizinischen Leistungen allein vom Belegarzt erwartet, was eine Leistungspflicht des Krankenhausträgers insoweit ausschließt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht 6. Aufl. Teil A Rdnr. 31). Damit obliegt aber dem Belegarzt als eigene Pflicht die Aufklärung des Patienten.

137

Dass der Belegärztin Frau Dr. S… die Regelung des anästhesiologischen Bereitschaftsdienstes in der Klinik in K… nicht bekannt gewesen ist, wird schon nicht behauptet. Es wäre daher an ihr gewesen, die Mutter des Klägers entsprechend aufzuklären. So ist auch die Entscheidung, ob die vorhandene Ausstattung für die Behandlung ausreicht, Sache des Belegarztes (Geiß/Greiner, a.a.O. Teil A Rdnr. 35).

138

bb) Auch fehlt es hinsichtlich der gerügten Aufklärungspflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden am Rechtswidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang.

139

Denn wie bereits ausgeführt, ist Zweck des anästhesiologischen Notdienstes nicht, quasi als Reserve für Tätigkeiten bereit zu stehen, die - wie vorliegend - im alleinigen Handlungs- und Verantwortungsbereich der Geburtshelferin liegen. Weil dies so ist, kann auch eine unterlassene Aufklärung über die Ausgestaltung des anästhesiologischen Bereitschaftsdienstes nicht die Haftung der Beklagten zu 6) für den geltend gemachten Schaden begründen. Denn es hat sich gerade nicht das Risiko verwirklicht, zu dessen Abwendung der anästhesiologische Bereitschaftsdienst vorgehalten wird.

140

Im vorliegenden Fall ist im übrigen von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt worden, dass die Mutter des Klägers über die Risiken einer bevorstehenden Geburt aufgeklärt worden ist. Es ist daher mangels anderweitigen Sachvortrags davon auszugehen, dass der Mutter des Klägers eine Grundaufklärung (Basisaufklärung) über die Risiken bei einer Geburt zuteil geworden ist.

141

Hat sich in solchen Fällen nur das Risiko verwirklicht, über das aufgeklärt worden ist, ohne dass sich ein weiteres aufklärungspflichtiges aber nicht aufgeklärtes Risiko verwirklicht hätte, wird eine Haftung verneint. In solchen Fällen fehlt der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang (Geiß/Greiner, a.a.O. Teil C Rdnr. 157; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht 10. Aufl. Teil B Rdnr. 450; Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. 11. Kapitel § 63 Rdnr. 5 ff ; BGH NJW 2000, 1784 ff).

142

Dies gilt erst recht bei einem nicht aufklärungspflichtigen Behandlungsfehler.

143

cc) Soweit noch darauf hingewiesen wird, dass die Beklagte zu 6) auf ihrer Homepage ausdrücklich damit wirbt, dass ein Anästhesist 24 Stunden im Haus ist und z. B. auch nachts eine Periduralanästhesie durchgeführt werden kann, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn eine solche Werbung kann bei der Mutter des Klägers nur dann einen Vertrauenstatbestand oder eine entsprechende Erwartung bewirkt haben, wenn schon zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers so geworben wurde. Dies wird von dem Kläger aber nicht behauptet.

144

2. Entgegen der Auffassung des Klägers haftet auch der Beklagte zu 3) nicht für die dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Geburt entstandenen Schäden.

145

Insoweit wird Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung vom 14. April 2008, die der Senat teilt.

146

Mit der Berufung sind diesbezüglich keine Umstände aufgezeigt worden, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten.

147

Dass der Beklagte zu 5) den Kläger reanimiert hat begründet keine vertragliche Einstandspflicht des Beklagten zu 3 für etwaige hierbei gegebene Fehler oder Versäumnisse. Die erfolgte Rechnungsstellung begründet keine vertragliche Haftungsübernahme für das Tätigwerden des lediglich zufällig auf der Station befindlichen Beklagten zu 5).

148

3. Auch Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 4) vermag der Senat nicht festzustellen.

149

Auch insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts vom 14. April 2008, die der Senat teilt.

150

Mit der Berufung sind keine Umstände aufgezeigt worden, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

III.

151

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 101 ZPO.

152

Hinsichtlich der Entscheidung über die Gerichtskosten für die erste Instanz ist zu berücksichtigen, dass eine Kostenentscheidung, auch gegenüber einem ausgeschiedenen Streitgenossen, korrigiert werden kann, zumal wenn wie vorliegend die Änderung für ihn vorteilhaft ist (vgl. hierzu Zöller/Heßler, ZPO 29. Aufl. § 528 Rdnr. 35).

153

Die Übernahme der gesamten außergerichtlichen Kosten des Klägers für den ersten Rechtszug durch die Beklagten zu 1) und 2) ist in dem erstinstanzlichen Teilvergleich vom 19. Oktober 2005 zwischen den genannten Parteien vereinbart worden. Der Wortlaut des Vergleichs enthält insoweit keine Einschränkungen.

154

Einer Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des nur in erster Instanz beteiligten Beklagten zu 5) bedarf es nicht, weil hierüber schon das Landgericht mit Beschluß vom 7. Juni 2002 entschieden hat.

155

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

156

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, sind nicht gegeben.

157

Beschluss

158

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 481.100,00 € (400.000,00 € + 81.100,00 €) festgesetzt.