Pendlerpauschale: Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden

bei uns veröffentlicht am08.02.2008

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Neuregelung zur Pendlerpauschale für verfassungswidrig. Er hat deshalb zwei Verfahren mit Beschlüssen vom 10.1.2008 ausgesetzt und die Frage, ob die "gekürzte Pendlerpauschale" verfassungsgemäß ist, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.

Seit dem 1.1.2007 sind Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten einzustufen. Ab dem 21. Entfernungskilometer werden sie lediglich wie Werbungskosten im steuerrechtlichen Sinn behandelt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Weg von und zu der Arbeitsstätte in die private Sphäre der Steuerpflichtigen fällt (sogenanntes Werkstorprinzip). Nach Auffassung des BFH gehören die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte allerdings zu den Erwerbsaufwendungen. Sie seien deshalb bei der Bestimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach dem sogenannten objektiven Nettoprinzip zu berücksichtigen. Der BFH ist ferner der Ansicht, dass der Gesetzgeber das Werkstorprinzip nicht folgerichtig umgesetzt habe. Denn sonstige Mobilitätskosten – wozu u.a. Kosten der doppelten Haushaltsführung zählen – könnten weiterhin als Werbungskosten oder in sonstiger Weise steuerlich geltend gemacht werden.

Selbst wenn man aber das Werkstorprinzip anerkennen sollte, verstößt das Abzugsverbot nach Auffassung des BFH gegen das subjektive Nettoprinzip. Fahrtkosten seien unvermeidbare Ausgaben, denen sich der Arbeitnehmer nicht beliebig entziehen könne. Diese Aufwendungen seien auch nicht durch den Grundfreibetrag abgegolten. Andernfalls bliebe das einkommensteuerliche Existenzminimum hinter dem sozialrechtlichen Mindestbedarf zurück. Danach nämlich zählen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den notwendigen Ausgaben, die das nach Sozialhilferecht zu berücksichtigende Einkommen mindern. Nach derzeitiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) muss der Gesetzgeber dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen aber mindestens das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt.

Hinweis: Das Bundesministerium der Finanzen hat in einer Pressemitteilung vom 23.1.2008 klar gestellt, dass die Finanzämter bis zu einer Entscheidung des BVerfG weiterhin auf Antrag des Steuerpflichtigen die Fahrtkosten zur Arbeit ab dem ersten Kilometer auf der Lohnsteuerkarte eintragen können. Ob dies sinnvoll ist, kann aber nicht generell gesagt werden. Denn wenn das BVerfG die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung doch nicht feststellen sollte, muss in den Fällen, in denen der Freibetrag ab dem 1. Kilometer vorläufig eingetragen wurde, mit einer Steuernachzahlung gerechnet werden. Steuerbescheide ergehen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts insoweit vorläufig. 

Mit einer abschließenden Beurteilung dieser Frage durch das BVerfG wird noch in diesem Jahr gerechnet (BMF, Pressemitteilung vom 23.1.2008; BFH, VI R 17/07).

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