Sanierungsarbeiten: Hat der Mieter nur noch die Möglichkeit zur Katzenwäsche, darf er ins Hotel umziehen

bei uns veröffentlicht am30.06.2016
Zusammenfassung des Autors
Der Mieter hat einen Anspruch auf Ersatzunterbringung, wenn an den Sanierungstagen eine Ganzkörperwaschmöglichkeit nicht zur Verfügung steht.
Das folgt aus einem Urteil des Amtsgerichts Aachen. Das Gericht entschied, dass den Mietern über einen Zeitraum von fünf Tage eine derartige Einschränkung ihrer körperlichen Hygiene nicht zuzumuten sei. Daher müsse Abhilfe geschaffen werden. Der Mieter könne eine Ersatzunterkunft in einem nahe gelegenen Hotel beanspruchen. Die Übernachtungskosten dieses notwendigen Hotelaufenthalts sind zu ersetzen. Hat der Vermieter keinen Vorschuss gezahlt, ist der Mieter berechtigt, die Durchführung der Sanierungsarbeiten zu verweigern.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

AG Aachen, Urteil vom 12.11.2015 (Az.: 100 C 272/15).

Dringt Feuchtigkeit infolge Fugenundichtigkeiten der Verfliesung in Bad in die Wand ein, mit der Folge, dass sich auf der rückwärtigen Wandseite Ausblühungen bilden, ist eine Mietminderung um 100 % gerechtfertigt.


Tatbestand

Die Beklagten sind Mieter des Klägers zu einer Wohnung im Objekt W-Straße 26 in B-Stadt.

In der streitgegenständlichen Mietwohnung wurden an einer Seite der Dusche die Fliesenfugen undicht und lassen Feuchtigkeit durch, wodurch Feuchtigkeitserscheinungen an der gegenüberliegenden Flurwand aufgetreten sind. Diesen Mangel, der aus den Lichtbildern Bl. 50 ff. der Akte ersichtlich ist, zeigten die Beklagten mit E-Mail vom 3.4.2014, Bl. 20 f. der Akte, gegenüber dem Kläger an. Schadensbeseitigungsarbeiten erfolgten zunächst unter anderem aus Gründen aus der Sphäre der Beklagten nicht. Eine Mietminderung führten die Beklagten in diesem Zeitraum nicht durch. Alsdann vereinbarten die Parteien einen Termin für die Durchführung von Sanierungsarbeiten im Zeitraum 13. bis 17.4.2015.

Die Beklagten machten die Durchführung des Termins von einer Vorschusszahlung betreffend Verdienstausfall des Beklagten zu 2) wegen unbezahlten Urlaubes und der Kosten einer Ersatzunterkunft abhängig. Der Kläger sagte eine Kostenübernahme für eine Hotelunterbringung zu, verweigerte jedoch eine Vorschusszahlung und negierte einen Anspruch auf Verdienstausfall. Hilfsweise hatten die Beklagten angeboten, eine Duschmöglichkeit in einer gegebenenfalls freistehenden Wohnung im Objekt in Anspruch zu nehmen.

Zum vereinbarten Beginn der Sanierungsarbeiten hatten die Beklagten das Haus verlassen, so dass eine Durchführung der Sanierungsarbeiten nicht möglich war.

Nach Ankündigung vom 30.4.2015, Bl. 7 der Akte, nahmen die Beklagten ab dem Monat Mai 2015 eine Minderung des Mietzinses um 10% vor und hielten die monatliche Mietzahlung im dreifachen dieses Betrages zurück.

Im Mai 2015 kam es zu einer Mietunterzahlung in Höhe von 161,00 Euro. Im Juni 2015 kam es zu einer Mietunterzahlung von 150,00 Euro. Diese sind Gegenstand des Klageantrages zu 1.

Der Kläger begehrt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 311,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 161,00 Euro seit dem 5.5.2015 zu zahlen sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 150,00 Euro seit dem 5.6.2015 zu zahlen.

Ferner beantragt der Kläger, die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger und dem von ihm beauftragten Handwerker nach vorhergehender Terminsankündigung Zugang zur Wohnung W-Straße 26, B-Stadt, Erdgeschoss, zu gewähren.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger kann von den Beklagten weder aus dem Mietvertrag noch aus sonstigem Rechtsgrund derzeit die Nachzahlung der einbehaltenen Beträge für die Monate Mai und Juni 2015 verlangen.

Denn die Beklagten haben zu Recht von einem Minderungs- und Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Unstreitig sind die Fliesenfugen an einer Seite der Dusche undicht, so dass Feuchtigkeit in die Wand Badezimmer/Flur eintritt und auf der Flurseite Ausblühungen bildet. Der aus den Lichtbildern Bl. 50 ff. der Akte ersichtliche Zustand rechtfertigt eine Mietminderung um 10%. Im Wege des Zurückbehaltungsrechtes sind die Beklagten berechtigt, die monatliche Bruttomiete bis zum dreifachen des Minderungsbetrages einzubehalten. Die Beklagten hatten den Mangel angezeigt.

Der Minderung und der Zurückbehaltung steht auch nicht entgegen, dass ein für April 2015 vorgesehener Sanierungstermin deswegen gescheitert ist, weil die Beklagten sich nicht vor Ort befanden und den Handwerkern öffneten. Den Beklagten stand nämlich insoweit ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zu. Denn den Beklagten stand ein vom Gesetzgeber in § 555 a Abs. 3 BGB verankerter Aufwendungsersatzanspruch zu, den sie nach der ausdrücklichen Regelung in § 555 a Abs. 3 Satz 2 BGB im Wege des Vorschusses verlangen konnten. Dabei hat der Gesetzgeber keinerlei Einschränkung nach der Höhe der zu ersetzenden Aufwendungen vorgesehen.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob den Beklagten ein Anspruch auf Vorschuss auf einen Verdienstausfall wegen unbezahlten Urlaubes zur Beaufsichtigung der Handwerker durch den Beklagten zu 2) zusteht. Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass dies dann nicht der Fall ist, wenn die Beklagte zu 1) nicht berufstätig wäre. Zudem wird in der Rechtsprechung zum Teil eine unablässige Überwachung der Handwerker als nicht angemessene Aufwendung betrachtet, da eine stichprobenhafte Kontrolle bei Einlagerung besonders gefährdeter Hausratsgegenstände außerhalb der Wohnung und teilweisem Verschließen einzelner Zimmer für ausreichend erachtet wird. Dies könnte hier letztlich anders zu bewerten sein, da mehrere Gewerke parallel ausgeführt werden sollen.

Jedenfalls aber steht den Beklagten, denen an den veranschlagten 5 Sanierungstagen eine Ganzkörperwaschmöglichkeit nicht zur Verfügung stehen wird und die in der streitgegenständlichen Wohnung nur eine Möglichkeit zur Katzenwäsche an den zwei Waschbecken, die nur über sehr kurze Einhebelarmaturen verfügen, ein Anspruch auf Ersatzunterbringung zu. Auch ungeachtet des Umstandes, dass die Beklagte eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit auf der Grundlage einer Rückenerkrankung behauptet, die zu einem GdB von 40 führt, ist den Beklagten Mietern über einen Zeitraum von 5 Tage eine derartige Einschränkung ihrer körperlichen Hygiene nicht zuzumuten, so dass Abhilfe zu schaffen ist. Nachdem der Kläger eine Nutzungsmöglichkeit eines Badezimmers in einer anderen Wohnung im streitgegenständlichen Objekt nicht angeboten hat/anbieten konnte, steht den Beklagten eine Ersatzunterkunft in einem nahegelegenen Hotel, worauf sich beide Seiten verständigt hatten, zu. Die Übernachtungskosten dieses notwendigen Hotelaufenthaltes sind nach § 555 a Abs. 3 Satz 1 BGB zu ersetzen. Da der Gesetzgeber dem Mieter ein mögliches Insolvenzrisiko des Vermieters nicht aufbürgen wollte, hat er ausdrücklich in Satz 2 einen Anspruch auf Vorschuss verankert, dem der Kläger nicht nachgekommen ist.

Dies führt zu der Konsequenz, dass die Beklagten berechtigt waren, die Durchführung der ab dem 13.4.2015 vereinbarten Sanierungsarbeiten zu verweigern.

Nachdem die Beklagten damit die Durchführung der vereinbarten Sanierungsarbeiten im April 2015 zu Recht verweigert haben, bestand für den Klageantrag zu 2. kein Rechtsschutzbedürfnis.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 2, 709 Satz 2 ZPO.

Streitwert: Klageantrag zu 1.: 311,00 Euro,

Klageantrag zu 2.: 500,00 Euro,

insgesamt: 811,00 Euro.

Gesetze

Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 273 Zurückbehaltungsrecht


(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweiger

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Amtsgericht Aachen Urteil, 12. Nov. 2015 - 100 C 272/15

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Referenzen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.


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(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.