Steuerrecht: BFH: Zur Auflösung eines passivischen Korrekturpostens
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) übernahm mit Vertrag vom 30. Oktober 1992 von der Treuhandanstalt einen Teil des ehemaligen Betriebs der X GmbH. Der Kaufpreis sollte 487 000 DM betragen.
Dieser Kaufpreis wurde basierend auf einem Verkehrswert-Gutachten bzw. Nachbewertungen eines Herrn Y sowie dem ermittelten Vermögensstatus per 30. September 1992 der WP-Gesellschaft Z GmbH wie folgt ermittelt:
Aktiva | DM |
Grund und Boden (16 DM/qm) | 173 000 |
Gebäude | 298 000 |
Technische Anlagen/Maschinen | 88 000 |
Vorräte | 126 000 |
Forderungen aus Lieferungen/Leistungen | 262 000 |
Kasse/Bank | 120 000 |
Summe | 1067 000 |
Passiva Rückstellungen | 13 000 |
Verbindlichkeiten aus Lieferungen/Leistungen | 82 000 |
Differenz (Aktiva ./. Passiva) | 972 000 |
/. anerk.ennbare Kosten Abbruchkosten | 400 000 |
Abriss Rampe | 35 000 |
Betriebstrennungskosten | 50 000 |
Summe | 485 000 |
Kaufpreis | 487 000 |
In Höhe der zu erwartenden Kosten bildete der Kläger in der Eröffnungsbilanz zum 1. November 1992 eine Rückstellung in Höhe von 485 000 DM. Das Anlagevermögen wies er in Höhe von 570 996 DM aus. Dieser Betrag setzte sich wie folgt zusammen:
DM | |
Grund und Boden | 173 152 |
Werkstatt 1+2 | 13 115 |
Farbspritzanlage | 154 209 |
Heizhaus | 5 000 |
Lehrlingswohnheim | 72 336 |
Berufsausbildungsgebäude | 30 259 |
Sonstige Gebäude | 3 |
Bauliche Anlagen | 371 |
Technische Anlage/Maschinen | 108 579 |
Andere Anlagen/BGA | 13 972 |
Summe | 570 996 |
Von 1992 bis 1998 nahm der Kläger Abschreibungen auf das Anlagevermögen in Höhe von insgesamt 332 696 DM vor; in der Bilanz auf den 31. Dezember 1999 wies er das Anlagevermögen noch in Höhe von 238 663 DM aus. Die Rückstellung löste er zum 31. Dezember 1997 in Höhe von 100 000 DM und zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 20 000 DM gewinnerhöhend auf. Zum 31. Dezember 1998 betrug die Rückstellung noch 365 000 DM.
Die Steuerfestsetzungen für die Kalenderjahre 1992 bis 1998 wurden bestandskräftig. Die Einkommensteuer für 1999 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 31. Januar 2001 auf 16 498 DM fest.
Für den Zeitraum 1999 bis 2001 führte das FA im Mai 2003 bei dem Kläger eine Außenprüfung durch. Dabei kam die Prüferin zu dem Ergebnis, in der Eröffnungsbilanz auf den 1. November 1992 sei das Anlagevermögen in unzutreffender Höhe ausgewiesen gewesen und der Kläger habe insoweit bis zum Ende des Prüfungszeitraums überhöhte Abschreibungen vorgenommen. Die Prüferin löste die zum 31. Dezember 1998 noch in Höhe von 365 000 DM ausgewiesene Rückstellung in 1999 gewinnerhöhend auf, da eine Verpflichtung zum Abbruch nicht bestanden habe. Weiterhin nahm die Prüferin zum 31. Dezember 1999 eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf den Grund und Boden von 16 DM/qm auf 12 DM/qm vor und buchte die Restbuchwerte der Gebäude gewinnmindernd aus.
Das FA folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung mit geändertem Bescheid vom 29. Juli 2004. Nach Einspruch setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2006 die Einkommensteuer für 1999 auf 33 532 EUR herab. Dabei berücksichtigte es, dass lt. Kaufvertrag 61 000 DM auf das Anlagevermögen entfallen sollten, und teilte diesen Betrag auf die einzelnen Vermögensbestandteile auf. Das Anlagevermögen lt. Eröffnungsbilanz auf den 1. November 1992 setzte sich danach aus folgenden Werten zusammen:
DM | |
Grund und Boden | 18 495,20 |
Werkstatt 1+2 | 1 403,00 |
Farbspritzanlage | 16 470,00 |
Heizhaus | 536,80 |
Lehrlingswohnheim | 7 728,70 |
Berufsausbildungsgebäude | 3 233,00 |
Sonstige Gebäude | 0,00 |
Bauliche Anlagen | 36,60 |
Technische Anlagen/Maschinen | 11 602,20 |
Andere Anlagen/BGA | 1 494,50 |
Summe | 61 000,00 |
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das FA habe die Rückstellung in Höhe von 365 000 DM zu Unrecht gewinnerhöhend aufgelöst. Bei Fehlern, die --wie im Streitfall-- aus einer Eröffnungsbilanz fortgeführt würden, fehle es in der Regel an der Zweischneidigkeit eines Bilanzansatzes und damit an der steuerlichen Auswirkung; solche Fehler seien daher grundsätzlich gewinnneutral zu stornieren.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Das angefochtene Urteil wird wegen fehlerhafter Rechtsanwendung aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
Der Ansatz von Rückstellungen richtet sich gemäß § 5 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Danach wird eine Rückstellung grundsätzlich aufwandswirksam verbucht (per Aufwand an Rückstellung). Tritt der "Rückstellungsfall" nicht ein, ist die Rückstellung --als "actus contrarius"-- wieder auszubuchen (per Rückstellung an Aufwand). Tritt der "Rückstellungsfall" hingegen ein, ist in der Regel eine schlichte Umbuchung --ohne Gewinnauswirkung-- vorzunehmen (per Rückstellung an Verbindlichkeit).
Ist eine Verbindlichkeit erfolgsneutral entstanden (z.B. eine Darlehensverbindlichkeit), so ist sie ebenso aufzulösen. Die Schuld ist dagegen erfolgswirksam auszubuchen, wenn sie gegen Aufwand eingebucht worden ist.
Im Streitfall ist die in der Eröffnungsbilanz ausgewiesene Rückstellung keine Rückstellung im steuerrechtlichen Sinn; sie weist nicht eine in der Vergangenheit verursachte (ungewisse) Verbindlichkeit gegenüber Dritten aus, sondern enthält einen Korrekturposten zum Ausgleich der überhöhten Aktivwerte.
In diesem besonderen Fall muss der Korrekturposten zum Ausgleich aufwandswirksam vorgenommener überhöhter Absetzungen nach den Regeln des formellen Bilanzzusammenhangs korrespondierend, also gewinnwirksam aufgelöst werden. Hätte der Kläger von vornherein die zutreffenden Werte angesetzt, hätte er keine überhöhten Absetzungen vornehmen können.
Die "Rückstellung" ist im Hinblick auf ihren Zusammenhang mit dem Ausweis der Anschaffungskosten nicht erfolgsneutral entstanden, sondern sollte von vornherein den zu hohen Ausweis der Anschaffungskosten (und damit des "Anschaffungsaufwandes") kompensieren. Das FA weist vollkommen zu Recht darauf hin, dass die Bilanzberichtigung stets unter Berücksichtigung der Fehlerursache stattfinden muss. Dass der Kläger dies in der Vergangenheit ebenso gesehen hat, zeigt der Umstand, dass er die "Abschreibung" der Rückstellung von 485 000 DM auf 365 000 DM von sich aus gewinnerhöhend vorgenommen hat.
Die bisher zu Unrecht in Anspruch genommenen Absetzungen sind höher als der Betrag der erfolgswirksam aufgelösten Rückstellung:
DM | |
Anschaffungskosten Anlagevermögen | 61 000 |
./. Anschaffungskosten Grund und Boden (nach Teilwertabschreibung) | 16 909 |
AfA-Volumen | 44 091 |
tatsächliche AfA | 332 696 |
zu hohe AfA | 288 605 |
gewinnwirksame Herabsetzungen durch FA (Einspruchsentscheidung Anlage 2 Pos. 1-5) | 221 731 |
Gesamtaufwand | 510 336 |
demgegenüber erfolgswirksame Auflösung der Rückstellung von | 485 000 |
Der Kläger steht sich daher im Ergebnis sogar besser, als er sich bei von Anfang an zutreffender Bilanzierung gestanden hätte.
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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof
- 1.
in der Sache selbst entscheiden oder - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.
(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.2Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.3In den Verzeichnissen sind der Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen.
(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.
(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.
(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn
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der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder - 2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.
(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.
(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.
(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen
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auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen; - 2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
- 1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen, - 2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.
(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.
(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.