Strafprozessrecht: Blutentnahme: Erstes OLG bejaht Beweisverwertungsverbot
published on 29/06/2009 13:40
Strafprozessrecht: Blutentnahme: Erstes OLG bejaht Beweisverwertungsverbot

Ordnet ein Polizist auch heute noch, ohne dass „Gefahr im Verzug“ vorliegt, die Entnahme einer Blutprobe entsprechend der langjährigen Praxis an, ohne einen Richter zu kontaktieren, ist das eine so grobe Verkennung der Eilzuständigkeit, dass es zur Annahme eines Beweisverwertungsverbots führt.
So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers, der im alkoholisierten Zustand gegen 19.05 Uhr einen Verkehrsunfall verursachte. An seinem Wohnhaus erschienen um 19.35 Uhr Polizeibeamte. Der schlafende Angeklagte wurde geweckt. Er lehnte einen Alkoholtest ab. Es wurde durch die Polizei die Entnahme einer Blutprobe angeordnet. Die um 20.08 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen BAK-Wert von 2,6 Promille. Der Polizeibeamte hat sich im Verfahren darauf berufen, dass er entsprechend der langjährigen Praxis die Anordnung einer Blutprobe ohne vorherige Einschaltung der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts getroffen habe.
Das OLG missbilligte diese Vorgehensweise. Die Blutprobe hätte ohne richterliche Anordnung nicht entnommen werden dürfen. Die Richter konnten insoweit keine Gefahr im Verzug erkennen. Bei dem einfach gelagerten Sachverhalt sei eine richterliche Anordnung telefonisch einholbar gewesen. Der richtige Beschuldigte habe festgestanden, ebenso seine Alkoholisierung und der Verdacht bestimmter Verkehrsdelikte. Es sei auch um die Feststellung des Blutalkoholwerts, nicht um den Nachweis von Betäubungsmitteln gegangen. Das OLG hat ein Beweisverwertungsverbot bejaht. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung hat es einerseits auf den hohen Rang des von der Tat des Angeklagten betroffenen Rechtsguts sowie darauf abgestellt, dass der Angeklagte selbst nur eine geringfügige Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit habe hinnehmen müssen. Es liege aber ein objektiv willkürliches Verhalten bzw. ein grober Verstoß des handelnden Polizeibeamten vor. Dieser habe sich keinerlei Gedanken über die Fragen von Gefahr im Verzug und richterlicher Anordnungskompetenz gemacht, sondern allein aufgrund „langjähriger Praxis“ eine eigene Anordnung getroffen. Eine „langjährige Praxis“ sei nicht geeignet, die gesetzlichen Anforderungen außer Kraft zu setzen.
Hinweis: Ob in diesen Fällen ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist oder ob das Gericht die Blutprobe gleichwohl verwerten kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Die meisten Gerichte gehen derzeit, anders als das OLG Hamm, nicht von einem Beweisverwertungsverbot aus (OLG Hamm, 3 Ss 31/09).
So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers, der im alkoholisierten Zustand gegen 19.05 Uhr einen Verkehrsunfall verursachte. An seinem Wohnhaus erschienen um 19.35 Uhr Polizeibeamte. Der schlafende Angeklagte wurde geweckt. Er lehnte einen Alkoholtest ab. Es wurde durch die Polizei die Entnahme einer Blutprobe angeordnet. Die um 20.08 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen BAK-Wert von 2,6 Promille. Der Polizeibeamte hat sich im Verfahren darauf berufen, dass er entsprechend der langjährigen Praxis die Anordnung einer Blutprobe ohne vorherige Einschaltung der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts getroffen habe.
Das OLG missbilligte diese Vorgehensweise. Die Blutprobe hätte ohne richterliche Anordnung nicht entnommen werden dürfen. Die Richter konnten insoweit keine Gefahr im Verzug erkennen. Bei dem einfach gelagerten Sachverhalt sei eine richterliche Anordnung telefonisch einholbar gewesen. Der richtige Beschuldigte habe festgestanden, ebenso seine Alkoholisierung und der Verdacht bestimmter Verkehrsdelikte. Es sei auch um die Feststellung des Blutalkoholwerts, nicht um den Nachweis von Betäubungsmitteln gegangen. Das OLG hat ein Beweisverwertungsverbot bejaht. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung hat es einerseits auf den hohen Rang des von der Tat des Angeklagten betroffenen Rechtsguts sowie darauf abgestellt, dass der Angeklagte selbst nur eine geringfügige Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit habe hinnehmen müssen. Es liege aber ein objektiv willkürliches Verhalten bzw. ein grober Verstoß des handelnden Polizeibeamten vor. Dieser habe sich keinerlei Gedanken über die Fragen von Gefahr im Verzug und richterlicher Anordnungskompetenz gemacht, sondern allein aufgrund „langjähriger Praxis“ eine eigene Anordnung getroffen. Eine „langjährige Praxis“ sei nicht geeignet, die gesetzlichen Anforderungen außer Kraft zu setzen.
Hinweis: Ob in diesen Fällen ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist oder ob das Gericht die Blutprobe gleichwohl verwerten kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Die meisten Gerichte gehen derzeit, anders als das OLG Hamm, nicht von einem Beweisverwertungsverbot aus (OLG Hamm, 3 Ss 31/09).
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14/12/2020 14:14
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SubjectsStrafbarkeit, Strafverfahrensrecht, Strafrecht, Mord, Strafprozessrecht, Beweiserhebungsverbote / Beweisverwertungsverbote, showMore
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