Strafrecht: Bandido-Fall - Beweisverwertungsverbot bei verdecktem Verhör

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Worum ging es? (5 StR 51/10)
1.Ausgangssituation – versuchte Anstiftung zum Mord
Gegenstand des Verfahrens war folgender:
Der Angeklagte vermied die Scheidung seiner Ehefrau aus Gründen befürchteter finanzieller Nachteile. In den Jahren zwischen 1998 bis 2005 bot er mehreren Personen Geld, und forderte sie dazu auf, seine Frau zu töten. Aufgrund dieser Handlungen wurde der Angeklagte wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
2.Situation während der Inhaftierung
Der Angeklagter, der sich aufgrund seiner Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zum Mord an seiner Ehefrau bereits in Haft befand, wurde wegen erneuter Annahme des Erbietens zur Begehung eines Mordes an der Ehefrau zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Verurteilung zu sieben Jahren Freiheitsstrafe stützte das Berliner Gericht auf die Zeugenaussage eines nicht offen ermittelnden Polizeibeamten in der Haft:
a)Verdeckter Ermittler in der Justizvollzugsanstalt eingesetzt
In der Haftanstalt überredete ein Mitgefangener den Angeklagten, seine Ehefrau gegen einen erheblichen finanziellen Vorteil beim Kauf einer Immobilie von den Gefolgsleuten des Mitgefangenen (Mitgliedern der Bandidos) auf professionelle Weise umbringen zu lassen.
Von dem Gespräch mit dem Angeklagten berichtete der Mitgefangene im Nachhinein der Gefängnisleitung, da er mit der Polizei zusammenarbeitete.
Ein anschließend aufgezeichnetes Gespräch gemäß § 100f StPO der beiden Gefangenen während eines Hofgangs führte allerdings zu keinem eindeutigen Tatbekenntnis des Angeklagten.
Zum Zwecke der Erreichung eines solchen Geständnisses verlangte ein Gesandter des Mitgefangenen – auch ein nicht offen ermittelnder Polizeibeamter - von dem Angeklagten, unter der Vorlage zweier Bilder, zu bekennen, welche der Frauen zu töten sei. Eines der Bilder lichtete die Frau des Angeklagten ab. In der Folge identifizierte der Angeklagte die zu tötende Frau, nämlich seine Ehefrau.
BGH verwirft das Urteil: Recht auf Selbstbelastungsfreiheit ist verletzt
Die eingelegte Revision in Form der Verfahrensrüge seitens des Angeklagten war erfolgreich:
Der BGH hob die Verurteilung auf. Das verdeckte Verhör sei durch den nicht offen ermittelnden Polizeibeamten in der Haft wegen des von dem Beamten aufgebauten Aussagezwangs („Im Notfall werden beiden Frauen umgebracht“) unverwertbar.
Die Nötigung mit einem empfindlichen Übelals objektive Tatbestandsmerkmale einer Nötigung gemäß § 240 liegt im Verhalten des Polizeibeamten – der Angeklagte wollte nicht für ein zweites Tötungsverbrechen verantwortlich sein.
Diese Nötigungshandlung greife nach Ansicht des BGH in den Kernbereich des dem Angeklagten zustehenden Rechts auf Selbstbelastungsfreiheit und damit in sein Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK. Die Zeugenaussage ist demzufolge unverwertbar.
Der BGH hat die Sache an eine andere Schwurgerichtskammer zurück verwiesen.
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Anzeigen >Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2010 - 5 StR 51/10
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
(1) Auch ohne Wissen der betroffenen Personen darf außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete, auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Die Maßnahme darf sich nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(4) § 100d Absatz 1 und 2 sowie § 100e Absatz 1, 3, 5 Satz 1 gelten entsprechend.