Verkehrsrecht: Radfahrerunfall: Zum Ursachenzusammenhang




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Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg im Fall eines Autofahrers, der von einem Radfahrer in Anspruch genommen worden war. Die Richter entschieden, dass der Autofahrer hier nicht haftbar sei. Zwar sei der Radfahrer möglicherweise aus Schrecken etc. wegen des herannahenden Pkw gestürzt. Der rein zeitliche und räumliche Zusammenhang beider Ereignisse erlaube aber nicht, einen Anscheinsbeweis zulasten des Autofahrers anzunehmen. Dieser hafte also nicht automatisch. Vielmehr müsse der Radfahrer beweisen, dass der Autofahrer an seinem Sturz die Schuld trage. Das habe er vorliegend nicht gekonnt (OLG Naumburg, 1 U 124/09).
Die Entscheidung im einzelnen lautet:
OLG Naumburg: Beschluss vom 24.03.2010 (Az: 1 U 124/09)
Fährt ein PKW aus einer Einfahrt, wobei er einen kombinierten Fuß- und Radweg überqueren müsste und kommt er nach einem Sturz eines Radfahrers auf diesem Radweg noch vor dem Radweg zu stehen, so lässt sich ohne weitere Anhaltspunkte kein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang herleiten. Der rein zeitliche und räumliche Zusammenhang beider Ereignisse erlaubt auch keinen Anscheinsbeweis anzunehmen. Deshalb kann offen bleiben, ob bei Unfällen im Zusammenhang mit einem behaupteten Verstoß gegen § 10 StVO ein solcher immer nur dann angenommen werden kann, wenn es auch zu einem Zusammenstoß gekommen ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.11.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (5 O 403/09) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 7.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel insbesondere keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung sowie auf den Inhalt des Hinweises vom 11.2.2010. Der Inhalt des Schriftsatzes vom 19.3.2010 rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Anscheinsbeweises liegen nicht vor. Abgesehen davon, dass eine Mithaftung des aus einer Ausfahrt Ausfahrenden allenfalls dann in der Rechtsprechung diskutiert wird, wenn es zu einem Zusammenstoß gekommen ist (z. B.):
- OLG Celle MDR 2003, 928
- OLG Hamm NZV 1995, 152
- OLG München zfs 1997, 171
- OLG Schleswig r+s 1991, 261
- LG Dessau NZV 2006, 149
Etwas Anderes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der im Schriftsatz vom 19.3.2010 zitierten Entscheidung des Kammergerichts, weil es auch im dortigen Fall zu einem Zusammenstoß gekommen ist. Es liegen aber auch grundsätzlich die Voraussetzungen für die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht vor. Der Senat hatte bereits im Hinweis vom 11.2.2010 ausgeführt, dass die Umstände, die zu dem Sturz des Zeugen D. geführt haben, im wesentlichen ungeklärt sind. Es ist insbesondere nicht klar, wo sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) befand, als der Zeuge den Bremsvorgang einleitete. Fest steht damit nur, dass der Beklagte zu 1) aus einer Ausfahrt fahren wollte und der Zeuge D. auf dem Fahrrad ein Bremsmanöver einleitete. Ob zwischen diesen beiden Vorgängen ein ganz enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht, bleibt demgegenüber unklar. Festzuhalten bleibt, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht einmal nach dem Unfallgeschehen auf dem Radweg befand, mithin objektiv für den Zeugen D. zu keinem Zeitpunkt ein Hindernis bestand. Aus diesem vagen zeitlichen, räumlichen Zusammenhang beider Ereignisse kann man keinen Anscheinsbeweis herleiten.
Aus diesem Grund kann entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht angenommen werden, dass die Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 (insbesondere) Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Bereits der äußere Geschehensablauf lässt die Annahme eines Anscheinbeweises nicht zu, sodass es für den vorliegenden Fall letztlich auf die abstrakte Rechtsfrage, ob bei Unfällen im Zusammenhang mit einem behaupteten Verstoß gegen § 10 StVO ein Anscheinsbeweis immer nur dann angenommen werden kann, wenn es auch zu einem Zusammenstoß (hier: Fahrradfahrer/Pkw) gekommen ist, nicht ankommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.
Streitwert:
Zahlungsklage 232,07 Euro
Schmerzensgeld 5.000,- Euro
Feststellungsantrag 1.000,- Euro
6.232,07 Euro
(= Gebührenstufe bis 7.000,- Euro)
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind zwar bei der Kostenquote, nicht aber beim Streitwert zu berücksichtigen (Senat, Urteil vom 4.6.2009 - 1 U 4/08 -).



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Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.11.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (5 O 403/09) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 7.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel insbesondere keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung sowie auf den Inhalt des Hinweises vom 11.2.2010 (Bl. 24 - 26 II). Der Inhalt des Schriftsatzes vom 19.3.2010 rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Anscheinsbeweises liegen nicht vor. Abgesehen davon, dass eine Mithaftung des aus einer Ausfahrt Ausfahrenden allenfalls dann in der Rechtsprechung diskutiert wird, wenn es zu einem Zusammenstoß gekommen ist (z.B.):
- 2
- OLG Celle MDR 2003, 928
- OLG Hamm NZV 1995, 152
- OLG München zfs 1997, 171
- OLG Schleswig r+s 1991, 261
- LG Dessau NZV 2006, 149
- 3
Etwas Anderes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der im Schriftsatz vom 19.3.2010 zitierten Entscheidung des Kammergerichts (NZV 1991, 365), weil es auch im dortigen Fall zu einem Zusammenstoß gekommen ist. Es liegen aber auch grundsätzlich die Voraussetzungen für die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht vor. Der Senat hatte bereits im Hinweis vom 11.2.2010 ausgeführt, dass die Umstände, die zu dem Sturz des Zeugen D. geführt haben, im wesentlichen ungeklärt sind. Es ist insbesondere nicht klar, wo sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) befand, als der Zeuge den Bremsvorgang einleitete. Fest steht damit nur, dass der Beklagte zu 1) aus einer Ausfahrt fahren wollte und der Zeuge D. auf dem Fahrrad ein Bremsmanöver einleitete. Ob zwischen diesen beiden Vorgängen ein ganz enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht, bleibt demgegenüber unklar. Festzuhalten bleibt, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht einmal nach dem Unfallgeschehen auf dem Radweg befand, mithin objektiv für den Zeugen D. zu keinem Zeitpunkt ein Hindernis bestand. Aus diesem vagen zeitlichen, räumlichen Zusammenhang beider Ereignisse kann man keinen Anscheinsbeweis herleiten.
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Aus diesem Grund kann entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht angenommen werden, dass die Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 (insbesondere) Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Bereits der äußere Geschehensablauf lässt die Annahme eines Anscheinbeweises nicht zu, sodass es für den vorliegenden Fall letztlich auf die abstrakte Rechtsfrage, ob bei Unfällen im Zusammenhang mit einem behaupteten Verstoß gegen § 10 StVO ein Anscheinsbeweis immer nur dann angenommen werden kann, wenn es auch zu einem Zusammenstoß (hier: Fahrradfahrer/PkW) gekommen ist, nicht ankommt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.
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Streitwert:
Zahlungsklage
232,07 Euro
Schmerzensgeld
5.000,00 Euro
Feststellungsantrag
1.000,00 Euro
6.232,07 Euro
(= Gebührenstufe bis
7.000,00 Euro)
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Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind zwar bei der Kostenquote, nicht aber beim Streitwert zu berücksichtigen (Senat, Urteil vom 4.6.2009 - 1 U 4/08 -).
Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)