Vorsorge: Rechtzeitig vorsorgen durch Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung


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„Viele Bürger glauben zu Unrecht, sie müssten für den Ernstfall nichts regeln. Sie meinen, ihr Ehegatte oder ihre Kinder könnten im Ernstfall alles Notwendige in ihrem Sinne in die Wege leiten. Tatsächlich existiert aber keine gesetzliche Vollmacht für die Vertretung Volljähriger – weder für nahe Familienangehörige noch für den Ehegatten. Nur für Minderjährige sieht das Gesetz grundsätzlich eine Vertretung durch die Eltern vor“, erklärt Dr. Steffen Breßler, Geschäftsführer der Notarkammer Koblenz.
Wenn keine Vorsorge getroffen wurde und jemand aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung seine Angelegenheiten nicht mehr selbst wahrnehmen kann, wird durch das Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt. Den meisten behagt jedoch der Gedanke, dass womöglich ein Fremder ihre Angelegenheiten regeln könnte und dafür auch noch bezahlt werden muss, ganz und gar nicht. „Selbst wenn ein Familienangehöriger zum Betreuer bestellt wird, ist eine Dauerbetreuung wegen des Erfordernisses gerichtlicher Genehmigungen für bestimmte Rechtsgeschäfte sowie der Rechnungslegungspflichten sehr belastend“, weiß Dr. Breßler.
Das Gesetz sieht jedoch vor, dass eine Betreuung nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden können. Eine Betreuungssituation kann daher effektiv mit einer sogenannten Vorsorgevollmacht vermieden werden. Eine solche berechtigt regelmäßig eine Vertrauensperson, für den Vollmachtgeber in vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten tätig zu werden.
Wichtig ist, dass eine Vorsorgevollmacht mindestens schriftlich verfasst sein muss, wenn der Bevollmächtigte auch in gesundheitlichen Angelegenheiten entscheiden können soll. Viele Rechtsgeschäfte des Alltags erfordern jedoch eine über die Schriftform hinausgehende notarielle Vollmacht, insbesondere Grundstücksgeschäfte, gesellschaftsrechtliche Vorgänge und der Abschluss von Darlehensverträgen. Den meisten Banken genügt auch bei den sonstigen Bankgeschäften eine privatschriftliche Vollmacht nicht. Daher ist letztlich nur eine notarielle Vorsorgevollmacht wirklich umfassend und kann die Anordnung einer Betreuung weitestgehend aus-schließen. Denn wie das LG Detmold kürzlich entschieden hat, muss eine Bank eine umfassende notarielle Vorsorgevollmacht anerkennen und darf nicht etwa eine gesonderte Bankvollmacht fordern (10 S 110/14).
Eine solch weitreichende Vollmacht sollte jedoch trotz der großen Vorteile nicht unüberlegt erteilt werden. „Eine Vollmacht ist stets Vertrauenssache“, mahnt Dr. Steffen Breßler. Der Vollmachtgeber sollte sich genau überlegen, wen er als Bevollmächtigten einsetzt. Wenn niemand vorhanden ist, dem ausreichendes Vertrauen entgegengebracht wird, kann statt einer Vollmacht eine Betreuungsverfügung errichtet werden, mit der dem Gericht eine bestimmte Person als Betreuer vorgeschlagen oder auch ausgeschlossen wird. Außerdem können Anweisungen zu Art und Weise einer etwaigen Betreuung getroffen werden.
Von der Vorsorgevollmacht und der Betreuungsverfügung ist die Patientenverfügung zu unterscheiden. Eine Patientenverfügung ist eine persönliche Handlungsanweisung an Ärzte, welche Behandlung gewünscht wird oder unterlassen werden soll, insbesondere im Falle einer schweren und lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung. Eine bloße Patientenverfügung führt jedoch nicht dazu, dass eine Vertrauensperson berechtigt ist, Entscheidungen in Gesundheitsfragen oder gar in Vermögensangelegenheiten zu treffen. Hierzu bedarf es einer Vorsorgevollmacht. Dies wird oftmals verkannt.
„Die notarielle Beratung stellt sicher, dass der Wille des Beteiligten rechtlich sicher umgesetzt wird und die verschiedenen Erklärungen optimal aufeinander abgestimmt werden“, so Dr. Steffen Breßler. Die Kosten einer beurkundeten Vorsorgevollmacht sind dabei moderat. Sie richten sich in erster Linie nach dem Vermögen des Vollmachtgebers. Bei einem Vermögen von 100.000 EUR kostet eine umfängliche General- und Vorsorgevollmacht maximal 165 EUR zuzüglich Umsatzsteuer und Auslagen, die Beratung des Notars inklusive.
Quelle: Hamburgische Notarkammer.


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Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.05.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lemgo abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.578,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2013 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. den §§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.
6Sie führt in Abänderung des angefochtenen Urteils – bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs – zu einer antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1, 398 BGB. Zu dem nach diesen Vorschriften ersatzfähigen Schaden zählen auch die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
71.
8Eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB liegt darin, dass sie die Ausführung der Zahlungsanweisung des Bevollmächtigten bezüglich des besagten Sparkontos von Voraussetzungen abhängig gemacht hat, die – wovon mangels entsprechenden Sachvortrages auszugehen ist – weder vertraglich vereinbart worden sind, noch gesetzlich oder aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich waren.
9a)
10Die Zedentin hat dem Bevollmächtigten am 16.12.2002 wirksam eine Vorsorgevollmacht erteilt, die diesen dazu berechtigte, die Zedentin in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies rechtlich möglich ist, zu vertreten (vergleiche Ziff. I. 1. der Vorsorgevollmacht). Unstreitig lag diese Vorsorgevollmacht der Beklagten jedenfalls als Telefax vor, wie sich insbesondere der vorgerichtlichen Korrespondenz entnehmen lässt. Begründete Zweifel an der Wirksamkeit dieser Vorsorgevollmacht hat die Beklagte weder vorgerichtlich noch im vorliegenden Rechtsstreit geäußert. Der Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Beklagten hat nach dem Aktenvermerk des Betreuungsgerichts G vom 29.05.2013 zudem eingeräumt, dass die Unterschrift unter der Vorsorgevollmacht mit den hinterlegten Vergleichsunterschriften der Zedentin übereinstimme. Wie sich insbesondere den beiden E-Mails ihres Mitarbeiters vom 15. und 17.05.2013 entnehmen lässt, verlangte die Beklagte allerdings die Vorlage einer Bestellungsurkunde und eines Betreuerausweises. Insbesondere sind auch in diesen beiden E-Mails keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht erhoben worden. Der Mitarbeiter der Beklagten spricht in der E-Mail vom 15.05.2013 vielmehr nur von möglichen abweichenden juristischen Auslegungen einer solchen Vorsorgevollmacht.
11b)
12Aufgrund des zitierten Inhalts der Vorsorgevollmacht, die auch nicht widerrufen worden ist, war der Bevollmächtigte berechtigt, auch über das Sparkonto zu verfügen, für welches unstreitig keine gesonderte Bankvollmacht erteilt worden ist. Eine andere rechtliche Beurteilung wäre allenfalls dann gerechtfertigt gewesen, wenn entweder die Vorsorgevollmacht gefälscht oder aber nach ihrer Errichtung durch eine andere Erklärung der Zedentin widerrufen, eingeschränkt oder abgeändert worden wäre. Dies war unstreitig nicht der Fall.
13c)
14Wegen des Bestehens dieser Vorsorgevollmacht hat das Betreuungsgericht G mit zutreffenden Erwägungen die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ abgelehnt. Eine Erforderlichkeit einer Betreuung im Sinne des § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB lässt sich wegen der Existenz dieser Vollmacht gerade nicht feststellen.
15d)
16Im Weiteren kann bei der rechtlichen Beurteilung dahinstehen, ob die Beklagte tatsächlich die Ausführung der Anweisung von der Vorlage der Originalvollmacht abhängig gemacht hat. Denn jedenfalls ist nicht festzustellen, dass sie den Bevollmächtigten vor der Einschaltung des Klägers unmissverständlich auf das Erfordernis der Vorlage der Originalvollmacht hingewiesen hat.
17e)
18Soweit sie die Beklagte mit der Berufung entgegen der von ihr in der vorgerichtlichen Korrespondenz vertretenen Auffassung geltend macht, auch wegen § 174 S. 1 BGB berechtigt gewesen zu sein, die Ausführung der Anweisung des Bevollmächtigten zu verweigern, ist darauf hinzuweisen, dass § 174 BGB vorliegend nicht einschlägig ist. Bei der Anweisung an eine Bank handelt es sich – wie insbesondere § 784 BGB zeigt – gerade nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft. Abgesehen davon vermag die Kammer auch nicht festzustellen, dass die Beklagte unverzüglich und unmissverständlich die Vorsorgevollmacht zurückgewiesen hat, weil sie nicht im Original vorgelegen hat.
19f)
20Schließlich spricht auch das weitere Verhalten der Beklagten dafür, dass diese selbst die Vorlage einer Originalvollmacht nicht (mehr) für erforderlich hielt. Denn in ihrem Schreiben vom 19.06.2013 ist keine Rede mehr von der Vorlage der Originalvollmacht. Vielmehr werden dort zur Aufklärung des Sachverhalts noch zwei Fragen gestellt. Auch im Weiteren lassen sich dem Sachvortrag der Beklagten keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Originalvollmacht in der Folgezeit noch vor der Ausführung der Anweisung vorgelegt worden ist.
212.
22Die Beklagte hat auch die Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten. Dabei trägt die Beklagte die Darlegung- und Beweislast für ein fehlendes Verschulden.
23Der Sachvortrag der Beklagten reicht indes nicht aus, um vorliegend die Vermutung eines Verschuldens zu widerlegen. Denn spätestens mit der Übersendung der Stellungnahme des Amtsgerichts G vom 24.05.2013 durch das Schreiben des Klägers vom 29.05 2013 konnte die Beklagte gefahrlos die Anweisungen des Bevollmächtigten ausführen. Aufgrund dieses „Negativattestes“ drohten ihr keine haftungsrechtlichen Risiken, nachdem das Amtsgericht G von einer wirksamen Vollmachtserteilung ausgegangen und darüber hinaus eine Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ gerade wegen der bestehenden Vorsorgevollmacht nicht für möglich gehalten hat. Gleichwohl hat die Beklagte auch in der Folgezeit die Anweisung zunächst noch nicht ausgeführt, sondern auch noch mit Schreiben vom 31.05.2013 daran festgehalten, dass aus ihrer Sicht eine Betreuung sachgerecht sei.
24Auch der Umstand, dass die Zedentin bezüglich des 2009 eröffneten Sparkontos dem Bevollmächtigten gerade keine spezielle Bankvollmacht erteilt hat, vermag die Beklagte nicht zu entlasten. Ohne einen Widerruf, eine Einschränkung oder Abänderung der bestehenden Vorsorgevollmachtkonto konnte und durfte die Beklagte allein aufgrund dieser Vorsorgevollmacht Anweisungen des Bevollmächtigten ausführen, ohne sich haftungsrechtlichen Risiken auszusetzen. Schließlich lässt die Beklagte bei ihrer Argumentation auch außer Betracht, dass gerade wegen des Bestehens der Vorsorgevollmacht eine gesonderte Vollmacht für das im Jahr 2009 eröffnete Sparkonto nicht mehr erteilt worden sein könnte.
253.
26Die objektive Pflichtverletzung der Beklagten war auch ursächlich für den eingetretenen Schaden. Nachdem die Beklagte die Ausführung der Anweisung des Bevollmächtigten von unberechtigten Anforderungen abhängig gemacht hatte, konnte und durfte der für die Zedentin handelnde Bevollmächtigte die Einschaltung eines Rechtsbeistandes für notwendig und erforderlich halten. Ohne die entsprechenden Verhaltensweisen der Beklagten wäre eine Einschaltung des Klägers nicht notwendig gewesen.
274.
28Der Höhe nach ist die Klageforderung zwischen den Parteien nicht im Streit; insbesondere hat die Beklagte auch den Ansatz einer 1,5-Geschäftsgebühr nicht beanstandet. Dieser Ansatz dürfte im Hinblick auf den Umfang und die Bedeutung der anwaltlichen Tätigkeit auch nicht überhöht sein.
295.
30Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Zinsen können allerdings erst ab dem 13.09.2013 verlangt werden, nämlich mit Ablauf der mit Schreiben vom 02.09.2013 gesetzten Zahlungsfrist zum 12.09.2013.
316.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
337.
34Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 2578,14 EUR festgesetzt.