Amtsgericht Aachen Urteil, 29. Mai 2015 - 100 C 32/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 105,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt weiteren Schadensersatz betreffend Privatgutachterkosten aus fremdem Recht auf der Grundlage eines Verkehrsunfallereignisses, welches sich am XX.XX.XXXX in B-Stadt zutrug.
3Die Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit.
4Auf der Grundlage des Auftrages vom 6.1.2015, Bl. 25 der Akte, erstattete für die Geschädigte der Privatgutachter Dr. I das aus Bl. 8 ff. der Akte ersichtliche Privatgutachten vom 9.1.2015 zum Unfallschaden.
5Er erstellte die aus Bl. 24 der Akte ersichtliche Rechnung vom 9.1.2015 über Brutto 867,00 Euro.
6Bei Erstattung des Gutachtenauftrages am 6.1.2015 erklärte die Geschädigte zugleich die aus Bl. 25 der Akte ersichtliche Sicherungsabtretung. Dort heißt es: „Abtretung und Zahlungsanweisung
7Ich trete hiermit meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des beauftragten Sachverständigenbüros unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des unfallbeteiligten Fahrzeuges ab. Hiermit weise ich den regulierungspflichten Versicherer an, die Sachverständigenkosten unmittelbar an das von mir beauftragte Sachverständigenbüro zu zahlen. Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offenzulegen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht gerührt. Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet.“
8Der Privatgutachter trat die Forderung weiter an die Klägerin ab.
9Die Beklagte regulierte auf die Privatgutachterkosten einen Betrag in Höhe von 761,60 Euro.
10Den Restbetrag macht die Klägerin mit dieser Klage geltend.
11Sie beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie 105,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist begründet.
18Die Klägerin kann aus fremdem Recht auf der Grundlage des Straßenverkehrsgesetzes von der Beklagten den mit der Klage geltend gemachten weiteren Schadensersatz betreffend restliche Privatgutachterkosten verlangen.
19Diese Abteilung des Amtsgerichts Aachen hat sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Urteil vom 11.2.2014 zu Aktenzeichen VI ZR 225/13 angeschlossen. Der darin verankerten Darlegungslastverteilung, die davon ausgeht, dass der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen genügt, wohingegen dem Geschädigten die Darlegung ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB offensteht, hat die Beklagte auf der Grundlage der Leitlinien dieser Entscheidung nicht genügt.
20Nach dieser Rechtsprechung genügt ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages und seiner Einzelkomponenten grundsätzlich nicht mehr aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.
21Das zur Abrechnung gebrachte Grundhonorar und die Nebenkosten sind im streitgegenständlichen Fall sehr hoch. Dennoch haben die Beklagten nicht dargetan, dass dies für den Geschädigten erkennbar war bzw. sein musste. Das hängt damit zusammen, dass der durchschnittliche Laie als Unfallgeschädigter keine Kenntnis von den BVSK Honorarbefragungen haben dürfte. Typischerweise dürfte er die Größenordnung eines Gutachterhonorars auf Stundenbasis, hier einer akademisch qualifizierten und selbständig tätigen Person kalkulieren. Mangels Einblick in das entsprechende Gewerbe sind für einen Laien Grund- und Nebenkosten kaum kalkulierbar.
22Das streitgegenständliche Honorar besteht aus einem Grundhonorar, das sich an der Schadenshöhe ausrichtet, sowie Nebenkosten und Mehrwertsteuer. Dieser Abrechnungsmodus ist grundsätzlich typisch und in der Sache nicht zu beanstanden.
23Auch wenn ein ermitteltes Grundhonorar den Rahmen der einschlägigen BVSK Honorarbefragung übersteigt, bedeutet dies nicht zwingend, dass dies für den Geschädigten zu einer erkennbaren, evidenten Überteuerung führt.
24Gleiches gilt betreffend die Nebenkosten. Eine jedermann evidente Überteuerung wird von der Beklagten auch nicht ausdrücklich behauptet. Vielmehr trägt sie objektive Umstände vor, bei denen schon fraglich ist, ob sie einem Geschädigten Laien bekannt sind, wie etwa die Orientierung an den Fahrtkosten und Telekommunikationspauschalen des RVG.
25Nachdem die Schreibkosten grundsätzlich auch Personalkosten beinhalten können, die Fotokosten einen Kostenanteil für die Anschaffung und Wartung der entsprechenden Hard- und Software und Fahrtkosten typischerweise auch einen Arbeitszeitanteil beinhalten können, ergeben sich aus der gestellten Rechnung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der abgerechneten Beträge für einen Laien erkennbar überhöht, unangemessen oder unüblich wären. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass nicht ein ortsansässiger Privatgutachter beauftragt worden wäre, denn die Besichtigung erfolgte im W Zentrum B-Stadt GmbH auf der U-Straße XXX in B-Stadt. Der Privatgutachter unterhält sein Büro in guter Verkehrsanbindung auf dem G-Platz in X-Stadt.
26Folgt man den Leitlinien des Bundesgerichtshofs, muss man bei der Frage, ob einzelne Rechnungspositionen und pauschalierte Beträge als überhöht erkennbar sind, durchgängig auf einen Laien-Geschädigten abstellen, der mangels besonderer Einblicke und Vergleichsmöglichkeiten die streitgegenständliche Rechnung hier für branchenüblich halten dürfte.
27Ein strengerer Maßstab für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Aufwendungen zur Schadensbeseitigung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist auch nicht deshalb anzulegen, weil der Anspruch vor seiner Entstehung durch die Geschädigte an den Privatgutachter und über diesen später an die Klägerin abgetreten worden wäre. Diese Abteilung des Amtsgerichts Aachen schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Landgerichts Ellwangen, Urteil vom 5.12.2014, Aktenzeichen 1 S 73/14, und des Landgerichts Stuttgart, Urteil vom 26.11.2014, Aktenzeichen 4 S 142/14, an. Entscheidend für die Beurteilung der Erforderlichkeit bleibt auch nach der Abtretung des Anspruches an den Privatgutachter und danach an die Klägerin die Perspektive des Geschädigten, weil sich der Schadensersatzanspruch durch die Abtretung inhaltlich nicht ändern kann, insbesondere zumal die Abtretung hier nur erfüllungshalber erfolgte.
28Die Nebenforderung ist aus § 291 BGB begründet.
29Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 2, 709 Satz 2 ZPO.
30Die Berufung wurde auf der Grundlage von § 511 Abs. 4 Satz 1 zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.
31Streitwert: 105,40 Euro.
32Rechtsbehelfsbelehrung:
33Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
34a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
35b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
36Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
37Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
38Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
39Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.