Bundesarbeitsgericht Beschluss, 16. Aug. 2011 - 1 ABR 30/10

bei uns veröffentlicht am16.08.2011

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. April 2010 - 2 TaBV 3/09 - aufgehoben, soweit es den Anträgen zu 2) und zu 3) entsprochen hat und insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Der Antrag zu 3) wird abgewiesen.

b) Im Übrigen werden die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 10. März 2009 - 2 BV 8/08 - zurückgewiesen.

2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Durchführung des Reklamationsverfahrens nach dem Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA-TV) der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie mit zuletzt 327 Mitarbeitern. Sie ist Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

3

Am 16. September 2003 schlossen der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. und die Industriegewerkschaft Metall den räumlich für das Land Baden-Württemberg geltenden Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA-TV) sowie den Einführungstarifvertrag zum ERA-TV (ETV-ERA). Bei der Arbeitgeberin fand die Einführung des ERA-TV am 1. Januar 2008 statt. In diesem Tarifvertrag ist bestimmt:

        

„...   

        

§ 4     

        

Grundsätze der Grundentgeltermittlung

        

4.1     

Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der Beschäftigten gemäß § 9.1 ist die eingestufte Arbeitsaufgabe.

        

4.2     

Die Arbeitsaufgabe wird durch die Arbeitsorganisation bestimmt. Sie wird ganzheitlich betrachtet. Zu ihrer Einstufung werden alle übertragenen Teilaufgaben im Rahmen der folgenden Bestimmungen berücksichtigt.

        

...     

        
        

§ 7     

        

Paritätische Kommission

        

7.1     

In den Betrieben wird eine paritätisch besetzte Einstufungs- bzw. Reklamationskommission (im Folgenden: Paritätische Kommission) gebildet (siehe auch § 8).

        

7.1.1 

Die Paritätische Kommission besteht aus je drei Vertretern des Arbeitgebers einerseits sowie der Beschäftigten andererseits. Mindestens ein Vertreter der Beschäftigten muss dem Betriebsrat angehören.

        

7.1.2 

Die Vertreter des Arbeitgebers werden von diesem, die Vertreter der Beschäftigten vom Betriebsrat bestimmt. Beide Seiten benennen eine entsprechende Anzahl von Stellvertretern.

                 

...     

        

7.2     

Aufgaben der Paritätischen Kommission

        

7.2.1 

Der Paritätischen Kommission obliegt die

                 

-       

Einstufung bestehender, aber nicht bewerteter Arbeitsaufgaben,

                 

-       

Einstufung neu entstehender oder veränderter Arbeitsaufgaben,

                 

soweit dieser Tarifvertrag ihr nicht weitere Aufgaben zuweist.

        

7.2.2 

Sie ist darüber hinaus berechtigt, von Fall zu Fall bestehende Einstufungen zu überprüfen, sofern dargelegt werden kann, dass sich auf Grund veränderter Anforderungen eine Veränderung der Einstufung ergeben könnte.

        

7.3     

Entscheidungsfindung in der Paritätischen Kommission

        

7.3.1 

Der Arbeitgeber übergibt der Paritätischen Kommission zur Vorbereitung der Entscheidung die entsprechenden Unterlagen (§ 6.4) und teilt die vorläufige Einstufung mit.

                 

Jede Seite der Paritätischen Kommission kann unter Angabe von Gründen vom Arbeitgeber die Überprüfung der Beschreibung der Arbeitsaufgabe hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der übertragenen Arbeitsaufgabe und ggf. die Überarbeitung der Beschreibung verlangen.

                 

...     

        

7.3.3 

Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, so wird auf Antrag einer Seite je ein sachkundiger stimmberechtigter Vertreter der Tarifvertragsparteien hinzugezogen (erweiterte Paritätische Kommission).

        

7.3.4 

Kommt nach eingehender Beratung in dieser erweiterten Paritätischen Kommission eine einheitliche oder mehrheitliche Meinung nicht zu Stande, wird auf Antrag einer Seite eine Schiedsstelle gebildet.

                 

…       

                 

Der Vorsitzende der Schiedsstelle unternimmt zunächst einen Vermittlungsversuch. Scheitert dieser, so entscheidet die Schiedsstelle sowohl bezüglich der Merkmalstufen als auch der Entgeltgruppe im Rahmen der gestellten Anträge.

                 

Die Entscheidung ist durch den Vorsitzenden binnen einer Frist von drei Wochen schriftlich zu begründen.

                 

…       

        

7.3.7 

Mit der Entscheidung der Paritätischen Kommission nach § 7.3.1, der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.3, der Schiedsstelle nach § 7.3.4 oder der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.5 ist das Einstufungsverfahren abgeschlossen.

                 

Die Entscheidung ist damit verbindlich, sofern nicht - binnen einer Frist von zwei Wochen nach der Entscheidung bzw. dem Vorliegen der Begründung - Arbeitgeber oder Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung unverbindlich ist, weil ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze in §§ 4 - 6 vorgenommen worden ist.

        

7.3.8 

Wird die Entscheidung aufgehoben, ist die Arbeitsaufgabe durch die Paritätische Kommission unter Beachtung der gerichtlichen Begründung erneut zu bewerten.

                 

...     

        

§ 8     

        

Vereinfachtes Einstufungsverfahren

        

8.1     

In Betrieben mit bis zu 500 Beschäftigten, in konzernabhängigen Betrieben mit bis zu 300 Beschäftigten, wird keine ständige Paritätische Kommission gebildet.

        

8.2     

An ihrer Stelle übernimmt der Betriebsrat die Entgegennahme der Mitteilung des Arbeitgebers über die:

                 

-       

Einstufung bestehender, aber noch nicht bewerteter Arbeitsaufgaben;

                 

-       

Einstufung neu entstehender oder veränderter Arbeitsaufgaben.

                 

Dabei sind die entsprechenden Unterlagen gemäß § 6.4 zu übergeben.

                 

Die Einstufung des Arbeitgebers ist verbindlich.

                 

Führt die Einstufung des Arbeitgebers zu einer niedrigeren als der bisherigen, wird sie erst nach Ablauf von 8 Wochen wirksam. Bei Reklamation durch den Betriebsrat gemäß § 10 verlängert sich diese Frist bis zur Beendigung des Reklamationsverfahrens, jedoch längstens auf insgesamt 5 Monate.

                 

...     

        

§ 9     

        

Grundentgeltanspruch der Beschäftigten

        

9.1     

Der Beschäftigte hat Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen Entgeltgruppe, die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht.

                 

...     

        

§ 10   

        

Reklamation

        

10.1   

Beschäftigte oder Betriebsrat können die mitgeteilte Entgeltgruppe (siehe § 9.2) schriftlich beim Arbeitgeber reklamieren.

                 

Bei der Reklamation ist schriftlich oder mündlich darzulegen, dass - und aus welchen Gründen - die Entgeltgruppe nicht zutreffend sein soll.

        

10.2   

Nach der Reklamation ist die Entgeltgruppe und ggf. die Einstufung der Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber zu überprüfen.

                 

Dies soll in der Regel innerhalb von 2 Monaten erfolgen.

                 

Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Beschäftigten und dem Betriebsrat unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

        

10.3   

Wird über das Ergebnis der Überprüfung kein Einverständnis erzielt, erfolgt eine weitere Überprüfung der Einstufung in der Paritätischen Kommission (§ 7.1 bzw. § 8.3).

                 

In diesem Fall hat der Arbeitgeber, soweit nicht vorhanden, eine Aufgabenbeschreibung anzufertigen, in der die im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführte Arbeitsaufgabe dargestellt ist. Die entsprechenden Unterlagen gemäß § 6.4 sind der Paritätischen Kommission zu übergeben.

        

10.4   

Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, ist entsprechend § 7.3.3 ff. zu verfahren.

        

10.5   

Führt die Überprüfung zu einer höheren Entgeltgruppe, so gilt diese ab dem Zeitpunkt der Reklamation.

        

10.6   

Führt die Überprüfung zu einer niedrigeren Entgeltgruppe, so gilt diese ab dem Zeitpunkt der verbindlichen Entscheidung.

        

10.7   

Der Beschäftigte kann im Hinblick auf das Ergebnis der Überprüfung den Rechtsweg beschreiten.

                 

Er kann jedoch nur geltend machen, dass ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze der §§ 4 - 6 vorgenommen worden ist.“

4

Im ETV-ERA ist bestimmt:

        

„§ 3   

        

Sachliche Voraussetzungen zur Einführung des ERA-TV

        

...     

        
        

3.2     

Ersteinstufung

        

3.2.1 

Grundlage für die Einführung des ERA-TV ist die Neubewertung der betrieblichen Arbeitsaufgaben. Bis zum Einführungsstichtag soll möglichst eine verbindliche, muss jedoch zumindest eine vorläufige Einstufung des Arbeitgebers vorliegen.

                 

…       

        

3.2.3 

Verbindliche Einstufungen können innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach der betrieblichen ERA-Einführung nur mit der Begründung reklamiert werden, dass die im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführte Arbeitsaufgabe nicht der bewerteten Arbeitsaufgabe entspricht.

        

…“    

        
5

Zur Vorbereitung der Einführung des ERA-TV hatte die Arbeitgeberin im Jahre 2006 die Arbeitsaufgaben der Beschäftigten bewertet und eingestuft. Ende November 2007 teilte sie ihnen die Zusammensetzung ihres Entgelts nach der ERA-Einführung mit. Daraufhin reklamierten im Januar 2008 insgesamt 40 Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Betriebsrat die erfolgten Einstufungen mit der jeweils im Einzelnen näher dargelegten Begründung, die Arbeitgeberin habe bei der Bewertung der Arbeitsaufgaben nicht alle tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten ausreichend berücksichtigt. Der Betriebsrat leitete die Reklamationsscheine an die Arbeitgeberin weiter und forderte diese in einem Begleitschreiben auf, die Entgeltgruppe und gegebenenfalls die Einstufung der Arbeitsaufgabe zu überprüfen. Anfang Mai 2008 wies die Arbeitgeberin die Reklamationen gegenüber den Arbeitnehmern zurück und teilte dies zugleich dem Betriebsrat mit. Dessen Forderung, den Fall zur weiteren Behandlung an die Paritätische Kommission zu übergeben, lehnte sie ab.

6

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Paritätische Kommission habe im Reklamationsverfahren auch zu prüfen, ob die tatsächlich ausgeführten mit den bewerteten Arbeitsaufgaben übereinstimmen. Die Arbeitgeberin habe ihr deshalb die schriftlichen Arbeitsaufgabenbeschreibungen, die Begründungen für die Aufgabenbewertungen sowie die Reklamationsscheine zu übergeben. Des Weiteren habe sie die von ihr entsandten Mitglieder der Paritätischen Kommission anzuweisen, die Reklamationen unter formellen und materiellen Gesichtspunkten zu prüfen und über sie zu entscheiden.

7

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, der bei ihr gebildeten Paritätischen Kommission die Beschreibung der Arbeitsaufgaben und die Bewertungsbegründung für diejenigen Arbeitsplätze, auf denen am 27. November 2007 die in Anlage 1 zur Antragsfassung vom 10. März 2009 genannten Arbeitnehmer eingesetzt waren und die Reklamationsscheine dieser Arbeitnehmer zu übergeben;

        

2.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, die von ihr in die tarifliche Paritätische Kommission entsandten Mitglieder anzuweisen, alle bei ihr gegen die mitgeteilten Einstufungen eingegangenen Reklamationen, soweit die Antragsgegnerin ihnen nicht stattgegeben hat, unter formellen (Reklamationsbefugnis, Schriftform, schriftliche oder mündliche Darlegung der Reklamationsgründe) und materiellen (insbesondere der Prüfung der Übereinstimmung der zugrunde gelegten Arbeitsaufgabenbeschreibung mit der tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe) Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden;

        

3.    

festzustellen, dass die Prüfungskompetenz der nach den Regelungen des ERA-TV bei der Antragsgegnerin gebildeten Paritätischen Kommission sich auch auf die Prüfung der Übereinstimmung der zugrunde gelegten Arbeitsaufgabenbeschreibung mit der tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe erstreckt.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 1 und zu 3 stattgegeben und den Antrag zu 2 abgewiesen. Gegen den Beschluss haben beide Beteiligten im Umfang ihres jeweiligen Unterliegens Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen insgesamt stattgegeben und die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihren Abweisungsantrag weiter.

10

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hat teilweise Erfolg. Der Antrag zu 2 ist unbegründet, der Antrag zu 3 ist unzulässig. Soweit sie sich gegen den Antrag zu 1 wendet, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.

11

I. Das Landesarbeitsgericht hat über die Anträge zutreffend im Beschlussverfahren entschieden. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz iSd. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Dies ist nicht nur der Fall, wenn die durch das Betriebsverfassungsgesetz geregelte Ordnung des Betriebs und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebsparteien als Träger dieser Ordnung im Streit sind, sondern auch dann, wenn es um Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe geht, die ihre Grundlage in Tarifverträgen haben (BAG 31. März 2001 - 1 AZB 19/00 - zu C I 1 der Gründe, BAGE 97, 167). Der Betriebsrat beruft sich hier auf Rechtspositionen, die er durch den ERA-TV begründet sieht. Dieser ergänzt in den §§ 7 ff. die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte aus §§ 99 ff. BetrVG bei Ein- und Umgruppierungen, ohne diese jedoch auszuschließen (BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 34/09 - Rn. 28 ff., EzA BetrVG 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 8). Eine derartige Ergänzung der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten ist zulässig (vgl. BAG 24. August 2004 - 1 ABR 28/03 - BAGE 111, 350).

12

II. Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er macht mit seinen Anträgen geltend, ihm seien durch den ERA-TV eigene Rechte eingeräumt worden. Ob diese tatsächlich bestehen, ist eine Frage der Begründetheit der Anträge.

13

III. In dem Verfahren war die Paritätische Kommission nicht nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu hören. Diese ist nicht beteiligtenfähig iSd. § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG, weil sie nicht selbst Träger eigener betriebsverfassungsrechtlicher Rechte ist. Der ERA-TV hat vielmehr den Betriebsparteien die das Betriebsverfassungsgesetz ergänzenden Rechte und Pflichten bei Ein- und Umgruppierungen zugewiesen und die Paritätische Kommissionen lediglich als Einrichtung zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten in diesen Fragen geschaffen. Eine Übertragung eigener betriebsverfassungsrechtlicher Rechte an die Paritätische Kommission ist damit jedoch nicht verbunden.

14

IV. Der Antrag zu 1 ist zulässig und begründet.

15

1. Er erfüllt die Anforderungen des auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Unterlagen, welche die Arbeitgeberin der Paritätischen Kommission übergeben soll, sind hinreichend bestimmt bezeichnet. Aus dem Vorbringen des Betriebsrats ist ersichtlich, auf welche Reklamationen sich das Begehren bezieht.

16

2. Der Antrag zu 1 ist begründet.

17

a) Der Betriebsrat hat bei einer Reklamation der dem Arbeitnehmer mitgeteilten Entgeltgruppe gemäß § 10.3 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 6.4 ERA-TV einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Übergabe der schriftlichen Beschreibung und Bewertung der Arbeitsaufgaben des betreffenden Arbeitnehmers an die Paritätische Kommission, wenn - wie hier - über das Ergebnis der Überprüfung gemäß § 10.2 ERA-TV kein Einverständnis erzielt wird und daher eine weitere Überprüfung der Einstufung in der Paritätischen Kommission erfolgt. Dieser sind des Weiteren die Reklamationsscheine zuzuleiten, aus denen sich die Gründe für die Reklamation ergeben, weil nur dann eine sachgerechte Prüfung der Einwände möglich ist. Der Anspruch auf Übergabe der Unterlagen an die Paritätische Kommission steht dem Betriebsrat zu, da die Paritätische Kommission selbst nicht Träger eigener betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten ist.

18

b) Die Arbeitgeberin kann die Übergabe der Unterlagen und damit die Überprüfung der Reklamation durch die Paritätische Kommission nicht mit der Begründung ablehnen, diese sei hierfür nicht zuständig. Hierüber hat die Paritätische Kommission selbst zu befinden. Der ERA-TV weist der Arbeitgeberin insoweit kein Vorprüfungsrecht zu. Wird über die Zulässigkeit des Reklamationsverfahrens in der Paritätischen Kommission keine Einigung erzielt, tritt auf Antrag einer Seite die erweiterte Paritätische Kommission nach § 10.4 iVm. § 7.3.3 ERA-TV zusammen. Kommt auch dort keine einheitliche oder mehrheitliche Meinung zustande, wird auf Antrag einer Seite eine Schiedsstelle gebildet. Nach § 7.3.7 ERA-TV, auf den in § 10.4 ERA-TV verwiesen ist, können Arbeitgeber und Betriebsrat die Entscheidung der Schiedsstelle gerichtlich überprüfen lassen. In diesem Verfahren ist dann auch über die Zulässigkeit des Reklamationsverfahrens zu entscheiden, weil es sich hierbei um eine Verfahrensfrage handelt, die nach § 7.3.7 ERA-TV der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

19

V. Der Antrag zu 2 ist zulässig, aber unbegründet.

20

1. Mit dem Antrag zu 2 verlangt der Betriebsrat, der Arbeitgeberin aufzugeben, die von ihr in die Paritätische Kommission entsandten Mitglieder anzuweisen, alle bei ihr gegen die mitgeteilten Einstufungen eingegangenen Reklamationen, soweit sie ihnen nicht stattgegeben hat, unter formellen und materiellen Gesichtspunkten zu prüfen und hierüber zu entscheiden. Dem Betriebsrat geht es damit - wie er in der Anhörung vor dem Arbeitsgericht klargestellt hat - darum, dass die Arbeitgeberin ihren Vertretern in der Paritätischen Kommission die Weisung erteilt, zu den streitigen Punkten zu verhandeln und an der Abstimmung hierüber teilzunehmen. So verstanden ist der Antrag hinreichend bestimmt.

21

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der ERA-TV enthält für das Begehren des Betriebsrats keine Rechtsgrundlage.

22

a) Der ERA-TV ergänzt die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen und sieht für Fälle fehlender Übereinstimmung der Betriebsparteien bei Einstufungen und Reklamationen sowie bei Reklamationen durch Beschäftigte die Bildung einer Paritätischen Kommission zur Herbeiführung einer Einigung vor. So hat nach § 10.3 ERA-TV eine weitere Überprüfung der Einstufung in der Paritätischen Kommission zu erfolgen, wenn im Falle einer Reklamation über das Ergebnis der Überprüfung kein Einverständnis erzielt wird. Zur effektiven Durchführung dieses tariflichen Regelungsauftrags hat der Betriebsrat das Recht, vom Arbeitgeber die Benennung und Entsendung von Vertretern in die Paritätische Kommission verlangen zu können. Andernfalls könnte der Arbeitgeber die Bildung der tarifvertraglich vorgesehenen Paritätischen Kommission verhindern.

23

b) Der Betriebsrat kann jedoch vom Arbeitgeber nicht die Erteilung bestimmter Weisungen an die von ihm entsandten Vertreter fordern. Das Verfahren in der Paritätischen Kommission bezweckt eine betriebsnahe einfache Konfliktlösung in Fällen der Ein- und Umgruppierung. Dabei gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass die Mitglieder der Paritätischen Kommission aktiv und weisungsungebunden an der Lösung streitiger Reklamationsfälle mitwirken. Den Fall der Passivität oder des bewussten Fernbleibens von Sitzungen der Paritätischen Kommission haben sie nicht bedacht. Insoweit besteht eine unbewusste Regelungslücke, die von den Gerichten für Arbeitssachen zu schließen ist, weil sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (vgl. BAG 29. April 2004 - 6 AZR 101/03 - zu 4 a der Gründe, BAGE 110, 277). Mit Blick auf die mit dem Verfahren in der Paritätischen Kommission bezweckte einfache Konfliktlösung liegt es nahe, die bestehende Regelungslücke durch Anwendung der in der betrieblichen Praxis bekannten Verfahrensgrundsätze des Einigungsstellenverfahrens zu schließen. Weigern sich die Vertreter einer Seite, in der Paritätischen Kommission an einer Abstimmung teilzunehmen, sind daher entsprechend den zu § 76 Abs. 5 Satz 2 BetrVG entwickelten Grundsätzen nur die tatsächlich abgegebenen Stimmen zu zählen(vgl. BAG 17. September 1991 - 1 ABR 23/91 - zu B I der Gründe, BAGE 68, 277; DKKW/Berg 12. Aufl. § 76 Rn. 78; Fitting 25. Aufl. § 76 Rn. 74; ErfK/Kania 11. Aufl. § 76 BetrVG Rn. 20; aA Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 76 Rn. 111; Richardi BetrVG 12. Aufl. § 76 Rn. 103, die Stimmenthaltungen als Nein-Stimmen werten). Dies bewirkt für die Mitglieder der Paritätischen Kommission einen Mitwirkungszwang und verhindert eine Blockade des Reklamationsverfahrens durch eine der Betriebsparteien, weil die erschienenen und abstimmungswilligen Mitglieder der Paritätischen Kommission eine Sachentscheidung herbeiführen können.

24

VI. Der zu 3 gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig. Er ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

25

1. Nach dieser auch im Beschlussverfahren anwendbaren Vorschrift kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der entsprechenden richterlichen Entscheidung hat. Ein Rechtsverhältnis ist jede durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Der Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Rechtspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten verwehrt ist (BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 93/09 - Rn. 12, EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 10).

26

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag zu 3 nicht auf die Feststellung einer rechtlichen Beziehung einer Person (des Betriebsrats) zu einer anderen Person (der Arbeitgeberin) gerichtet. Es geht dem Betriebsrat vielmehr um die Feststellung des Umfangs der Prüfungskompetenz der Paritätischen Kommission und dabei konkret um die Frage, ob sich diese auch auf die Prüfung der Übereinstimmung der zugrunde gelegten Arbeitsaufgabenbeschreibung mit der übertragenen Arbeitsaufgabe erstreckt. Das betrifft kein Rechtsverhältnis, sondern zielt auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens zum Umfang der Prüfungskompetenz der Paritätischen Kommission.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Platow    

        

    Benrath    

                 

Urteilsbesprechung zu Bundesarbeitsgericht Beschluss, 16. Aug. 2011 - 1 ABR 30/10

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Angelegenheiten aus dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz und dem Drittelbeteiligungsgesetz, soweit über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat und über ihre Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist;
3a.
Angelegenheiten aus den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
3b.
Angelegenheiten aus dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, soweit nicht für Maßnahmen nach seinen §§ 43 bis 45 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist;
3c.
Angelegenheiten aus § 51 des Berufsbildungsgesetzes;
3d.
Angelegenheiten aus § 10 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes;
3e.
Angelegenheiten aus dem SE-Beteiligungsgesetz vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3675, 3686) mit Ausnahme der §§ 45 und 46 und nach den §§ 34 bis 39 nur insoweit, als über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie deren Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist;
3f.
Angelegenheiten aus dem SCE-Beteiligungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1911, 1917) mit Ausnahme der §§ 47 und 48 und nach den §§ 34 bis 39 nur insoweit, als über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie deren Abberufung zu entscheiden ist;
3g.
Angelegenheiten aus dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3332) in der jeweils geltenden Fassung mit Ausnahme der §§ 34 und 35 und nach den §§ 23 bis 28 nur insoweit, als über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie deren Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist;
3h.
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4.
die Entscheidung über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung;
5.
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6.
die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag.

(2) In Streitigkeiten nach diesen Vorschriften findet das Beschlußverfahren statt.

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.

(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.

(3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben oder in elektronischer Form niederzulegen und vom Vorsitzenden mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sowie Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

(4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden.

(5) In den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

(6) Im übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.

(7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.

(8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.