Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2019 - 10 C 18.2425

bei uns veröffentlicht am03.04.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 25 K 16.754, 31.10.2018

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglos gebliebenen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Bevollmächtigten für seine Klage gegen die von der Beklagten verfügte Ausweisung weiter.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2016, mit dem der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1), das Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Fall des Nachweises der Straf- und Drogenfreiheit auf sieben Jahre befristet (Nr. 2) und die Abschiebung nach Afghanistan angedroht wurde, sofern das beim Kläger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge festgestellte Abschiebungsverbot rechtskräftig widerrufen wird (Nr. 3). Der Kläger beantragte für die hiergegen erhobene Klage Prozesskostenhilfe, was das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. Oktober 2018 mangels hinreichender Erfolgsaussichten ablehnte.

Die Beschwerde gegen die die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist zulässig (§ 146 Abs. 1 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorlagen.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, vorliegend nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 - 10 C 18.2522 - juris Rn. 17; B.v. 8.2.2019 - 10 C 18.1641 - juris Rn. 4 m.w.N.), hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Zunächst ergeben sich, soweit der Kläger rügt, dass über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zeitnah nach Klageerhebung sondern erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung entschieden worden sei, unter dem Aspekt der Verletzung rechtlichen Gehörs keine Bedenken gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht‚ sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfG‚ B.v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 Rn. 35). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht‚ die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG a.a.O. Rn. 39), nicht aber dazu, den Vorstellungen eines Beteiligten zu folgen (BVerwG, B.v. 1.8.2011 - 6 C 15.11 - juris Rn. 1; BayVGH‚ B.v. 8.9.2016 - 10 C 16.1214 - juris Rn. 2; B.v. 13.11.2013 - 10 C 13.2207 - juris Rn. 2). Der Kläger legt nicht dar, welches Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hätte. Soweit die zu knappe Zeitspanne zwischen dem Ergehen der Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren und dem Termin zur mündlichen Verhandlung moniert wird, berührt dies jedenfalls nicht mehr den vorliegend angegriffenen, die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss, sondern allenfalls noch das weitere Klageverfahren.

Das Verwaltungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten getroffene Ausweisungsentscheidung bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 53 ff. AufenthG. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass vom Kläger eine Wiederholungsgefahr ausgeht, weil er bereits kurze Zeit nach seiner Einreise zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, zuletzt wegen versuchter Vergewaltigung, und er weder Einsicht in das Unrecht seiner Tat gezeigt noch eine Aufarbeitung oder Therapie begonnen bzw. abgeschlossen hat.

Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr bestätigt der Kläger, dass eine therapeutische Aufarbeitung der Tat noch nicht erfolgt, sondern nach insgesamt sieben Gesprächen bei psychotherapeutischen Fachambulanzen für Gewalt- und Sexualstraftäter die Therapie beendet worden sei. Nach der von ihm hierzu vorgelegten Mitteilung der Inneren Mission München vom 22. Dezember 2016 sei der Kläger aufgrund seiner aktuellen Lebenssituation psychisch belastet und er berichte von sich wiederholenden Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Es werde die Erhaltung der psychotherapeutischen Anbindung bei einer anderen Einrichtung empfohlen. Aus dem Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt Ebrach vom 28. Januar 2016 geht hervor, dass der Kläger „noch keine Therapie in Hinsicht auf seine Straftat gemacht“ habe und „die Einzelgespräche der Stabilisierung der psychischen Verfassung“ gedient hätten. Die durch die Inhaftierungstat zutage getretene Gefährlichkeit bestehe fort. Das Amtsgericht München hält laut Beschluss vom 25. Juli 2016 die Weisung, dass sich der Kläger einer Sexualtherapie zu unterziehen hat, für notwendig. Zudem wurde die Weisung, wonach der Kläger eine andere Psychotherapie habe wählen können, aufgehoben, weil „speziell für den [Kläger] eine Sexualtherapie erforderlich ist. Es besteht eine ungünstige Prognose hinsichtlich des Rückfallrisikos. Der [Kläger] leugnete die Straftat weiterhin und war im Rahmen des Vollzugs nicht bereits, eine Sexualtherapie durchzuführen“. Schließlich hat das Landgericht München mit Beschluss vom 8. August 2016 die im Führungsaufsichtsbeschluss des Amtsgerichts München enthaltene Therapieweisung bei der Fachambulanz für Sexualstraftäter für rechtmäßig erachtet. Dem stünde auch nicht entgegen, dass „der [Kläger] nach wie vor nicht bereit ist, eine solche Therapie für Sexualstraftäter zu absolvieren“. Eine andere Einschätzung rechtfertigt auch das vom Kläger in Bezug genommene psychologische Gutachten zur Rückfallprognose von Dipl.-Psych. M. Kleylein-Gerlich vom 14. Juli 2015 nicht. Zwar werden dort prognostisch günstige Faktoren erwähnt. Jedoch wäre „eine Veränderung in Bezug auf die (…) risikoerhöhenden Faktoren“ erst „bei einem „Durchbruch“ bei der Behandlung hinsichtlich der Tataufarbeitung zu erwarten“. Dies ist bislang, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, vorliegend gerade nicht der Fall.

Aus dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten forensisch-psychiatrischem Gutachten des Klinikums der Universität München vom 3. Mai 2018 geht ebenfalls hervor, dass der Kläger weiterhin keine Reue zeigt, sondern sich zu Unrecht verurteilt sieht (s. S. 21 f. des Gutachtens). Eine Wiederholungsgefahr ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil sich der Kläger nach Einschätzung der Bewährungshilfe vom 6. November 2018 zuverlässig an die vereinbarten Termine halte, die Weisungen und Auflagen im Führungsaufsichtsbeschluss beachte und strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei; bei weiterem guten Verlauf werde die Führungsaufsicht im Mai 2019 beendet. Indes erwähnt die Bewährungshilfe nicht, dass der Kläger im Jahr 2018 wiederholt positiv auf THC/Cannabis getestet wurde. Laut Beschluss des Amtsgerichts München vom 4. Mai 2016 ist dem Kläger der Konsum von Alkohol und anderen berauschenden Mitteln untersagt (s. Nr. 4.e)). Der Kläger hat u.a. die Anlasstat unter Einfluss von Betäubungsmitteln begangen.

Fehl geht der Kläger in der Annahme, er habe ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, weil er so zu stellen sei, als wäre ihm nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Durch die Verwendung des Wortes „besitzt“ in § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine Aufenthaltserlaubnis tatsächlich vorhanden, also dem jeweiligen Ausländer erteilt sein muss (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2006 - 24 ZB 05.3139 - juris Rn. 16 zu § 56 AufenthG a.F.). Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in Bezug auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung klargestellt, dass nur der Inhaber einer Niederlassungserlaubnis geschützt werden soll (s. BT-Drs. 18/4097, S. 53). Das lässt sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen, da beide Vorschriften den Begriff „besitzt“ verwenden (vgl. OVG RhPf, B.v. 23.10.2018 - 7 A 10866/18 - juris Rn. 29 m.w.N.). Demnach reicht es grds. auch nicht aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt die Aufenthaltserlaubnis nur beantragt ist oder die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 55 Rn. 6; Cziersky-Reis in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 55 Rn. 10; Tanneberger in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.5.2018, Rn. 2 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand November 2018, Rn. 18 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Dessen ungeachtet würden die Erteilungsvoraussetzungen auch nicht vorliegen, weil der Kläger Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen und damit einen Ausschlussgrund im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG verwirklicht hat. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Ausschluss der Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen zwingend, und es wird den Behörden kein Ermessensspielraum belassen (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2011 - 19 B 10.2539 - juris Rn. 27 m.w.N.).

Schließlich begegnet auch die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung zur Dauer der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 3 AufenthG) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (s.o.) hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten keinen der gerichtlichen Kontrolle nach § 114 Satz 1 VwGO unterliegenden Fehler aufweist. Zwar teilte der Kläger im Rahmen der (ergänzenden) Klagebegründung vom 15. September 2016 mit, dass mittlerweile seine Mutter, zwei Geschwister und ein Neffe als Asylbewerber in Deutschland leben würden. Angesichts dessen konnte das Gericht aber noch von einem nicht hinreichend gesicherten Aufenthaltsstatus der Familie ausgehen. Dass die Familienangehörigen einen Schutzstatus erhalten haben, wird vom Kläger laut Beschwerdebegründung vom 29. November 2018 vermutet („wohl gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG“). Allerdings ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der erwachsene Kläger der familiären Unterstützung bedürfe bzw. umgekehrt seine Familienangehörigen in besonderem Maße auf den Kläger angewiesen wären. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus seinen biographischen Angaben im forensisch-psychiatrischem Gutachten vom 3. Mai 2018 (s. dort S. 6 ff.). Demzufolge hält die Befristungsentscheidung auch unter Berücksichtigung der zugunsten des Klägers eingetretenen, veränderten Sachlage (vgl. zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt: BayVGH, B.v. 5.10.2018 - 10 C 17.322 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 8.2.2019 - 10 C 18.1641 - juris Rn. 4) einer rechtlichen Prüfung stand, zumal die Beklagte im Hinblick darauf ihre Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzen konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2019 - 10 C 18.2425

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Herausgabe von vier mit polizeilicher Verfügung vom 23. November 2016 sichergestellten Reifensätzen (16 Alufelgen mit Sommerreifen) weiter.

Der Kläger wurde am 23. November 2016 in der Nähe von P. einer verdachtsunabhängigen Kontrolle unterzogen. Er war mit einen Lieferwagen IVECO samt Anhänger unterwegs, auf dem drei Pkws transportiert wurden. In zwei der Pkws fanden die Polizeibeamten die streitgegenständlichen Reifensätze. Zu ihrer Herkunft befragt, gab der Kläger an, dass er sie in L. in der Nähe der französischen Grenze für 1.200,- Euro erworben habe. Er konnte weder den Namen des Verkäufers (ein Autohaus) nennen noch einen Kaufbeleg vorlegen. Da die Reifensätze nach Auffassung der Polizeibeamten einen bedeutend höheren Wiederverkaufswert als den angeblich bezahlten Betrag hatten, verfügten sie eine Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 2 PAG a.F.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 forderte die Polizeiinspektion F. den Kläger auf, bis spätestens 7. Januar 2017 eine Rechnung über den Erwerb der Reifen mit Angabe der Verkäufers und des Verkaufspreises vorzulegen.

Der Kläger erhob am 11. Januar 2017 „Beschwerde“ gegen die Sicherstellung. Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 23. Januar 2017 ausgeführt, die Voraussetzungen des Art. 25 Nr. 2 PAG lägen nicht vor. Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nicht erschüttert. Die Reifen seinen gemäß Art. 28 PAG herauszugeben, weil die Voraussetzungen für eine Verwertung nicht gegeben seien.

Der Beklagte verwies in seinem Schreiben vom 6. Februar 2017 darauf, dass die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegt sei. Es lägen hinreichende Indizien dafür vor, dass es sich bei den sichergestellten Reifen um Hehlerware handle. Es gebe keine Kaufbelege, die Anzahl der Reifen gehe über den eigenen Bedarf hinaus, die Angaben des Klägers zum Erwerb und zur Herkunft der Reifen seien zweifelhaft. Es sei noch zu klären, ob sich der Kläger der Hehlerei schuldig gemacht habe.

Mit Verfügung vom 21. Februar 2017 stellte die Staatsanwaltschaft P. das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Hehlerei nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Am 5. April 2017 erhob der Kläger Klage auf Herausgabe der sichergestellten Reifen und beantragte zugleich, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er verwies auf die Einstellung des Strafverfahrens und darauf, dass er nicht mit einem tschechischen Pkw, wie von der Polizeiinspektion behauptet, unterwegs gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung seien entfallen. Dafür spreche der Zeitablauf und dass keine der durch Art. 25 Nr. 2 PAG geschützten Personen ihre Rechte geltend gemacht habe. Indizien, die die Beweislastregel des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB erschüttern könnten, seien durch den Beklagten nicht vorgetragen und lägen nicht vor.

Mit Beschluss vom 20. November 2018 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ab. Die Voraussetzungen eines Herausgabeanspruchs nach Art. 28 PAG seien nicht gegeben. Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB sei widerlegt. Der Kläger könne keinen Erwerbsbeleg für die Reifen vorlegen. Die geschilderte Ankaufssituation erscheine schon wegen der steuerlichen Auswirkungen fraglich. Zudem habe der Kläger keine weiteren Schritte zur Klärung der Eigentumsfrage unternommen. Die geschilderte Konstellation lege vielmehr den Schluss nahe, dass die Reifen dem tatsächlichen Eigentümer abhandengekommen seien und der Kläger kein Eigentum erworben habe. Daran ändere auch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nichts. Die Voraussetzungen für die Sicherstellung seien auch nicht deshalb entfallen, weil sich bislang keine Berechtigten gemeldet hätten. Der vorliegende Rechtsstreit werfe auch keine schwierigen oder ungeklärten Fragen auf. Die im Verfahren M 7 K 13.3043 thematisierte Frage sei inzwischen durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 10 BV 15.1049 geklärt.

Im Beschwerdeverfahren bringt der Kläger vor, dass der Rechtsstreit nicht einfach sei. Dies gelte sowohl für die Aufklärung des Sachverhalts als auch für die Rechtsfolgen. Der Kläger sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Das Verwaltungsgericht überspanne die Anforderungen an eine Prüfung im summarischen Verfahren. Völlig aus der Luft gegriffen sei die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es sei fernliegend, dass der Betriebsinhaber Gegenstände aus dem Betriebsvermögen entnommen und dann privat veräußert habe. Es dürfe auch nicht zu Lasten des Klägers gewertet werden, dass er aus seiner Sicht keinen Beleg für den Kauf gebraucht habe. Falsch sei auch, dass er den Verkäufer nicht genannt habe. Wären die sicherstellenden Beamten den Hinweisen des Klägers nachgegangen, wäre der Verkäufer zeitnah zu ermitteln gewesen. Der Kläger sei auch bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Zudem habe sich der „tatsächliche Eigentümer“ der Reifen nicht gemeldet. Dass der Kläger es unterlassen habe, sein Eigentum zu beweisen, führe nicht dazu, dass die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegt sei. Anhand der sichergestellten Reifen müsste es auch möglich sein, den ursprünglichen Eigentümer zu ermitteln.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Dem Anspruch auf Herausgabe der sichergestellten Reifen stehe entgegen, dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden und der Kläger nicht als Berechtigter anzusehen sei. Die Eigentumsvermutung sei widerlegt, da der Vortrag des Klägers, er habe die Reifen von einem Autohaus an der französischen Grenze ohne Beleg erworben, weil ihm bei einem Kauf ohne Beleg ein niedrigerer Preis angeboten worden sei, nicht nachgewiesen sei. Insbesondere habe er das Autohaus nicht benannt. Eine private Veräußerung der Reifen durch den Autohausinhaber scheide schon deshalb aus, weil dem Kläger angeboten worden sei, die Reifen mit oder ohne Beleg zu erwerben. Bezüglich der Einstellung des Strafverfahrens habe das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Anwendung der wesentlich strengeren strafrechtlichen Beweiserfordernisse durch die Strafverfolgungsbehörden keinen Rückschluss darauf zulasse, ob der für die Eigentumsvermutung erforderliche Grad an Gewissheit erreicht sei. Der Aufrechterhaltung der Sicherstellung stehe auch nicht entgegen, dass der wahre Eigentümer bislang nicht habe ermittelt werden können. Eine Herausgabepflicht bestehe nur gegenüber einem Berechtigten. Die Berechtigung habe der Kläger nicht nachgewiesen. Er werde nicht dadurch zum Berechtigten, dass die Polizei trotz entsprechender Bemühungen keinen Berechtigten habe ausfindig machen können.

Der Kläger ergänzte sein Vorbringen mit Schriftsatz vom 7. Januar 2019 dahingehend, dass geprüft werden müsse, ob die Sicherstellungsmaßnahme nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung überhaupt zulässig gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt seien die Polizeibeamten möglicherweise von der Annahme ausgegangen, dass es sich beim Kläger nicht um einen unbescholtenen Bürger handle, weil damals noch ein Strafbefehl eingetragenen gewesen sei. Ein Protokoll über die Sicherstellung liege nicht vor. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger der deutschen Sprache nicht mächtig sei und die Sicherstellung auf sprachlichen Missverständnissen beruhe. Es sei jedenfalls erforderlich, den Kläger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers nochmals zum Erwerbsvorgang zu befragen und sich von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen. Die Polizei sei nicht einmal in der Lage gewesen, die Länderkennung des Kennzeichens richtig wiederzugeben. Der Kläger habe den Beamten angeboten, sie zu dem Autohaus in der Nähe der französischen Grenze zu fahren, er habe lediglich das Autohaus nicht mehr namentlich benennen können.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage auf Herausgabe der sichergestellten Reifen an den Kläger keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kein weiterer Sachaufklärungsbedarf besteht und die Rechtssache auch keine ungeklärten schwierigen Rechtsfragen aufwirft.

Es ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf zwar nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können. Prozesskostenhilfe ist allerdings nicht bereits zu gewähren, wenn die entscheidungserhebliche Frage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht als „schwierig“ erscheint (BVerfG, B.v. 15.11.2017 - 2 BvR 902/17 - juris Rn. 12; B.v. 20.6.2016 - 2 BvR 748/13 - juris Rn. 12). Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerecht.

Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage besteht der geltend gemachte Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 PAG a.F. nicht. Zugrunde zu legen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, die regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme eintritt (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2019 - 10 C 18.1641 - Rn. 4 m.w.N.), hier im Juni 2017. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtslage ist daher noch das Polizeiaufgabengesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl S. 397), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. November 2015 (GVBl S. 410) - PAG a.F.

Nicht entscheidungserheblich ist entgegen der Auffassung des Klägers, ob die polizeiliche verdachtsunabhängige Kontrolle zulässig war und die Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 2 PAG a.F. zu Recht erfolgt ist. Der Kläger hat mit seiner Klage ausschließlich einen Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 PAG a.F. (und nicht im Wege der Folgenbeseitigung nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 25 Nr. 2 PAG a.F.) geltend gemacht, weil es aus seiner Sicht keiner weiteren Prüfung bedürfe, ob die Sicherstellung rechtmäßig gewesen sei, weil zumindest im Zeitpunkt der Klageerhebung die Voraussetzungen dafür weggefallen seien (Klageschrift Seite 5). Prüfungsgegenstand für den geltend gemachten Herausgabeanspruch ist demnach ausschließlich, ob die Voraussetzungen für die inzwischen bestandskräftig gewordene Sicherstellung entfallen sind und der Kläger Berechtigter i.S.d. Art. 28 Abs. 1 PAG a.F. ist.

Die Sicherstellung der Reifen am 23. November 2016 erfolgte auf der Grundlage von Art. 25 Nr. 2 PAG a.F., um deren Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor deren Verlust zu schützen. Die zuständige Polizeiinspektion hat dabei die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB als widerlegt und den Kläger somit nicht als Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer der Reifen angesehen. Als Indizien für die Widerlegung der Eigentumsvermutung haben die Polizeibeamten im Zeitpunkt der Sicherstellung die nicht nachgewiesene Herkunft der Reifen, einen fehlenden Kaufbeleg und den Unterschied zwischen dem bezahlten Preis und dem angenommenen Wert herangezogen.

Insoweit sind seither keine Änderungen des Sachverhalts eingetreten, die die bestandskräftige Sicherstellung infrage stellen und den nachträglichen Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung begründen würden. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt keines der die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegenden Indizien ausgeräumt. Insbesondere hat er keine weiteren Angaben zum Verkäufer gemacht oder nachträglich einen Beleg vorgelegt, der bestätigen würde, dass er die Reifen gegen Zahlung eines Geldbetrages von dem Autohaus erworben hat. Er beschränkt sich auf umfangreiche Ausführungen dazu, weshalb von ihm die Vorlage eines Kaufbelegs bzw. die Angabe des Verkäufers nicht verlangt werden könne und die Nichtvorlage eines Belegs gerade für seine Redlichkeit spreche. Auch die Mutmaßung des Klägers, der Verkäufer könne die Reifen vor dem Verkauf dem Betriebsvermögen entnommen haben und sie sodann als Privatmann verkauft haben, geht ins Leere, weil dem Kläger nach seinen eigenen Angaben die Reifen ja wahlweise zu einem höheren Preis mit Beleg angeboten wurden. Einen Nachweis für sein Vorbringen, er habe die Reifen zu einem günstigen Preis ohne Beleg bei einem Autohaus erworben, stellen die Ausführungen zur Entbehrlichkeit eines Kaufbelegs jedenfalls nicht dar. Auch etwaige Verständigungsprobleme zwischen dem Kläger und den Polizeibeamten bei der Sicherstellung erklären nicht, weshalb er nach der Sicherstellung keinerlei Nachweise für die Richtigkeit seiner Angaben erbracht hat. Er ist inzwischen anwaltlich vertreten, sodass er unter Einschaltung eines Dolmetschers weitere sachdienliche Angaben zur Ermittlung des Autohauses hätte machen bzw. sich selbst um einen entsprechenden Nachweis über den Kauf der Reifen hätte bemühen können. Soweit er sich darauf beruft, dass es wegen der Sprachbarriere bei der Sicherstellung zu Missverständnissen darüber gekommen sei, dass er die genaue Anschrift des Verkäufers nicht gewusst habe (Schriftsatz vom 10.1.2019), setzt sich der Kläger damit in Widerspruch zu seinem eigenen Vorbringen, wonach er das Autohaus namentlich nicht mehr habe benennen können, weil dies nach dem abgeschlossenen Erwerbsvorgang für ihn unerheblich gewesen sei (Schriftsatz vom 7.1.2019). Sein Vorbringen, er habe angeboten, die Polizeibeamten zu dem Autohaus nahe der französischen Grenze zu fahren, ist angesichts einer Entfernung von fast 600 km vom Ort der Sicherstellung, nicht glaubhaft. Auch lässt der Kläger offen, welche Hinweise er den Polizeibeamten angeblich gegeben haben will, aufgrund derer sie das Autohaus hätten ermitteln können. Die Tatsache, dass im Schreiben der Polizeiinspektion F. vom 23. Januar 2017 angegeben wird, der Kläger habe einen tschechischen Lkw mit einem tschechischen Kennzeichen gefahren, obwohl sich aus den Behördenakten (Bl. 3 und 7) eindeutig ergibt, dass es sich um Fahrzeug mit CH-Kennzeichen mit einem Anhänger mit belgischen Kennzeichen gehandelt hat, belegt weder die Richtigkeit der Angaben des Klägers zum Erwerb der Reifen noch sagt sie etwas über etwaige Verständigungsprobleme zwischen ihm und den Polizeibeamten aus. Die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO wegen besonders schweren Diebstahls durch Beschluss des Amtsgerichts München vom 8. Februar 2017 führt ebenfalls nicht zu einem nachträglichen Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung, weil das im Zeitpunkt der Sicherstellung noch anhängige Strafverfahren ausweislich der Akten ohnehin nicht als Indiz für eine Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB gewertet worden war. Auch die Einstellung des Strafverfahrens wegen Hehlerei nach § 170 Abs. 2 StPO sagt nichts darüber aus, ob der Kläger tatsächlich Eigentum an den Reifen erworben hat. Die Anklage wird gemäß § 170 Abs. 1 StPO nur erhoben, wenn gegen den Beschuldigten ein hinreichender Tatverdacht besteht, eine Verurteilung also wahrscheinlich ist (Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl. 2019, § 170 Rn. 3). Demgegenüber reicht es für die Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits aus, wenn Indizien oder Erfahrungssätze vorliegen, die mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers weniger wahrscheinlich erscheinen lassen als das Eigentum eines Dritten (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2018 - 10 ZB 18.3 - juris Rn. 9; B.v. 19.11.2010 - 10 ZB 10.1707 - juris Rn. 11 m.w.N.). Im Übrigen ist selbst die Staatsanwaltschaft in der Begründung der Einstellungsverfügung aufgrund der Angaben des Klägers davon ausgegangen, dass die Reifen aus einer rechtswidrigen Vortat stammen. Allein der Zeitablauf von fast zweieinhalb Jahren, ohne dass die Polizei seither die Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer der Reifen ausfindig machen konnte, rechtfertigt es nicht, nunmehr den Kläger trotz fortbestehender gegensätzlicher Indizienlage unter Heranziehung von § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgrund seiner bloßen Behauptung als Eigentümer anzusehen. Es ist insbesondere nicht ausgeschlossen, auch nach längerer Zeit noch die Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer ausfindig zu machen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 15.11.2016 - 10 BV 15.1049 - juris Rn. 42 ff.). Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Diebstahl bzw. die Hehlerei in Frankreich begangen wurde (es handelt sich überwiegend um Reifensätze eines französischen Automobilherstellers) und die Geschädigten dort zu suchen sind.

Solange somit die Eigentumsfrage nicht geklärt und der wahre Berechtigte gefunden ist, sind die Voraussetzungen der auf Art. 25 Nr. 2 PAG a.F. gestützten Sicherstellung nicht weggefallen, sie würden vielmehr bei einer Herausgabe an den Kläger wieder eintreten (BayVGH, B.v. 11.2.2009 - 10 CE 08.3393 - BayVBl 2009, 569; ähnlich BayVGH, B.v. 19.11.2010 - 10 ZB 10.1707 - juris Rn. 18; Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Kommentar, 4. Auflage 2014, Art. 28 Rn. 7). Dem steht nicht entgegen, dass die Polizei nach Art. 25 Nr. 2 PAG a.F. zum Schutz privater Rechte tätig wurde und ihr nach Art. 2 Abs. 2 PAG der Schutz privater Rechte nur dann obliegt, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Die Sicherstellung ist danach (weiterhin) zulässig, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn die Sicherstellung bei der maßgeblichen objektiven Betrachtung in dessen Interesse erfolgt. Dem mutmaßlichen Willen des Eigentümers einer Sache entspricht es regelmäßig, einen zu seinem Nachteil eingetretenen und andauernden Verstoß gegen die Eigentumsordnung weiterhin im Wege der Sicherstellung zu unterbinden, auch wenn er bisher nicht als Berechtigter ermittelt worden ist bzw. ermittelt werden konnte (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2016 - 10 BV 15.1049 - juris Rn. 43; OVG NW, B.v. 13.9.2016 - 5 A 667/16 - juris Rn. 38 ff.; OVG NW, B.v. 12.2.2007 - 5 A 1056/06 - juris Rn. 7).

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass die Sicherstellungsvoraussetzungen inzwischen weggefallen sind, weil kein Eigentümer oder rechtmäßiger Inhaber der tatsächlichen Gewalt, zu dessen Schutz gemäß Art. 25 Nr. 2 PAG a.F. die Sicherstellung erfolgt ist, mehr ermittelt werden kann, kann jedenfalls der Kläger die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände nicht an sich verlangen.

Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG a.F. sind die sichergestellten Sachen zwar grundsätzlich „an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind“. Jedoch besteht die Herausgabepflicht der Polizei nach richtigem Verständnis dieser Bestimmung nur gegenüber einem Berechtigten; eine Herausgabe abhanden gekommener Sachen an den Dieb oder Hehler oder sonst unrechtmäßigen Besitzer ist somit ausgeschlossen. Art. 28 Abs. 1 PAG a.F. regelt die Herausgabe der sichergestellten Sache an den Betroffenen, dessen Rechte durch den hoheitlichen Eingriff der Sicherstellung beeinträchtigt wurden bzw. werden. Wie sich insbesondere aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 PAG a.F., aber auch aus dem systematischen Zusammenhang dieser Bestimmung mit Art. 27 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 sowie Abs. 2 PAG a.F. ergibt, muss dem von der Sicherstellung Betroffenen für einen Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 PAG a.F. ein Recht an der Sache zustehen, er muss „Berechtigter“ sein, also Eigentümer oder berechtigter Besitzer. Die Herausgabe an jemanden, der den Besitz an der Sache durch eine Straftat wie Diebstahl oder Hehlerei erlangt hat, kann nach dieser Rechtsgrundlage nicht gefordert werden (BayVGH, B.v. 15.11.2016 - 10 BV 15.1049 - juris Rn. 45 unter Verweis auf B.v. 19.11.2010 - 10 ZB 10.1707 - juris Rn. 20; ähnlich OVG Berlin-Bbg, B.v. 15.6.2016 - OVG 1 S 21.16 - juris Rn. 14; Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Kommentar, 4. Auflage 2014, Art. 28 Rn. 12; Senftl in Möstl/Schwabenbauer, Beck’scher Online-Kommentar Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 1.4.2018, Art. 28 Rn. 9). Insofern ist die vom Verwaltungsgericht München im Urteil vom 14. Januar 2015 (M 7 K 13.3043) vertretene Auffassung durch die zitierte Rechtsprechung überholt. Zudem konnte in dem vom Verwaltungsgericht München entschiedenen Fall der Kläger Eigentum an den fraglichen Gegenständen erwerben, weil § 935 BGB - anders als vorliegend - dem Eigentumserwerb nicht entgegen stand.

Der Umstand, dass die Polizei bisher trotz entsprechender Bemühungen keinen „Berechtigten“ für die streitgegenständlichen Reifensätze ausfindig machen konnte und dass dies (möglicherweise) endgültig nicht mehr möglich ist, führt nicht dazu, dass der Kläger allein aus diesem Grund zum „Berechtigten“ wird. Dass der Berechtigte (noch) nicht bekannt ist, steht einer Sicherstellung und deren Aufrechterhaltung grundsätzlich nicht entgegen (BayVGH, B.v. 6.2.2014 - 10 CS 14.47 - NVwZ-RR 2014, 522 - Rn. 17; BayVGH, B.v. 19.11.2010 - 10 ZB 10.1707 - juris Rn. 15; teilw. noch offen lassend: BayVGH, B.v. 17.3.2010 - 10 C 09.3011, 10 C 0910 C 09.3012 - juris, Rn. 15; BayVGH, B.v. 6.2.2014 - 10 CS 14.47 - NVwZ-RR 2014, 522 - Rn. 17).

Im Übrigen wäre das Herausgabeverlangen des Klägers auch rechtsmissbräuchlich. Da mangels Vorlage entsprechender Nachweise oder Angaben zum Verkäufer weiterhin nicht davon ausgegangen werden kann, dass er Eigentümer oder berechtigter Besitzer der sichergestellten Reifen ist, kann er sich zur Begründung seines Herausgabeverlangens nicht darauf berufen, dass ein Berechtigter bislang nicht ermittelt worden ist (vgl. OVG NW, B.v. 13.9.2016 - 5 A 667/16 - juris Rn. 46 ff.; OVG NW, B.v. 11.8.2010 - 5 A 298/09 - juris Rn. 45; OVG NW, B.v. 12.2.2007 - 5 A 1056/06 - juris Rn. 9).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. Juli 2018 ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An dieser Voraussetzung fehlt es hier.

1. Soweit der Kläger im Wege einer Anfechtungsklage die Aufhebung des mit Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2018 verfügten Widerrufs der ihm am 9. Mai 2017 erteilten und bis 15. August 2018 gültigen Duldung begehrt, ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Duldung nach § 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG aufgrund des Entfallens der Passlosigkeit des Klägers und mangels Vorliegens anderweitiger Duldungsgründe gegeben sind.

Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist insofern grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungs- und Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 16.11.2018 - 10 C 18.2094 - juris Rn. 9; B.v. 10.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14 m.w.N.). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme oder Abgabe einer Stellungnahme ein (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007- 10 C 39.07 u.a. - juris Rn. 1; BayVGH, B.v. 10.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14). Etwas anderes in Bezug auf den maßgeblichen Zeitpunkt ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass ausnahmsweise dann nicht der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, sondern der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten maßgeblich ist, wenn sich nach dem Eintritt der Bewilligungsreife die Sach- und Rechtslage zugunsten des Klägers geändert hat und die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung infolge dieser Änderung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2018 - 10 C 17.322 - juris Rn. 6 m.w.N.). Denn beim Widerruf einer zeitlich befristeten Duldung ist wie im Falle eines Widerrufs oder einer Rücknahme eines zeitlich befristeten Aufenthaltstitels für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Ablaufs der ursprünglichen Geltungsdauer des (befristeten) Aufenthaltstitels bzw. hier der (befristeten) Duldung abzustellen (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtlichen Überprüfung des Widerrufs einer befristeten Aufenthaltserlaubnis vgl. bereits BayVGH, U.v. 29.11.2016 - 10 B 14.2060 - juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 16.8.2011 - 10 CS 11.432 - juris Rn. 30; BVerwG, B.v. 22.5.2013 - 1 B 25.12 - juris Rn. 6). Einer Einbeziehung tatsächlicher Entwicklungen nach Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes bedarf es nicht, wenn die nachträglich eingetretenen Tatsachen sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt nicht mehr auswirken können, sondern Bedeutung lediglich für die Neuerteilung oder Verlängerung der abgelaufenen Duldung haben (zum Fall einer nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer eines Aufenthaltstitels vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2013 - 1 B 25.12 - juris --Ls-; Rn. 6 m.w.N.).

So liegt der Fall hier: Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Duldung am 15. August 2018 eingetretene Umstände - wie hier die Geburt eines weiteren Kindes deutscher Staatsangehörigkeit am 23. September 2018 - können keine Berücksichtigung mehr finden. Mit Ablauf der Geltungsdauer trat Erledigung ein (vgl. Bruns in NK-Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 60a Rn. 47). Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht zutreffend befunden, dass keine sonstigen Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 AufenthG gegeben sind. Zwar ist nach Lage der Akten vom Bestehen einer familiären Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem minderjährigen Kind sowie seiner Verlobten auszugehen. Auch hat der Kläger am 24. Mai 2018 eine Sorgerechtserklärung für das erstgeborene Kind abgegeben. Dennoch ist er auf die Durchführung des Visumverfahrens zu verweisen, wozu er als erfolgloser Asylbewerber grundsätzlich verpflichtet ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2018 - 10 CE 18.2177 - juris Rn. 26 m.w.N.). Allein der Umstand, dass Familienangehörige eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen müssten, würde für eine Unzumutbarkeit auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Familie durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK noch nicht ausreichen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 19.6.2018 - 10 CE 18.993, 10 C10 C 18.994 - juris Rn. 5; B.v. 21.7.2015 - 10 CS 15.859 u.a. - juris Rn. 67; zum Ehegattennachzug BVerwG, Vorlagebeschluss v. 26.1.2017 - 1 C 1.16 - juris Rn. 36).

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall weder die Dauer des Visumverfahrens von Pakistan aus noch die vorübergehende Trennung des Klägers von seinem minderjährigen Kind und seiner Verlobten als besondere Umstände des Einzelfalls zu werten sind, die die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar machten. Es hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es im Verantwortungsbereich des Klägers liege, die Ausreisemodalitäten und den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten. Die Beklagte hat insofern eine entsprechende Hilfestellung in Aussicht gestellt. Bezüglich der Dauer des Visumverfahrens und der Wartezeiten beispielsweise für eine Terminbestätigung der deutschen Botschaft in Pakistan befindet sich der Kläger im Übrigen in keiner anderen Situation als andere Betroffene, die in Fällen der Familienzusammenführung das Visumverfahren ordnungsgemäß vom Ausland aus durchführen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2018 - 10 CE 18.993, 10 C10 C 18.944 - juris Rn. 5), wobei nach dem Vortrag der Beklagten eine relativ kurzfristige Terminvereinbarung zur Vorsprache bei der deutschen Auslandsvertretung in Pakistan (hier: zwei Monate) realistisch erscheint. Demzufolge kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, dass die Trennungszeit für die Durchführung des Visumverfahrens nicht absehbar sei bzw. über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum hinausginge.

2. Die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat ebenfalls keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

a) Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für einen minderjährigen ledigen Deutschen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag - wie im Falle des Klägers - unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnittes 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Dem Kläger kommt vorliegend auch nicht die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG zugute, wonach im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG keine Anwendung findet. Denn ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in diesem Sinne setzt einen strikten Rechtsanspruch voraus, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben muss. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 - juris Rn. 27 m.w.N.).

Ein solcher strikter Rechtsanspruch steht dem Kläger aber nicht zur Seite, da er ohne das erforderliche Visum eingereist ist und demzufolge die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2018 - 10 C 18.1497 - juris Rn. 19). Zwar kann hiervon gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Da diese Entscheidung aber im Ermessenswege zu treffen ist, liegt kein gebundener Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vor.

Darüber hinaus spricht vorliegend auch viel dafür, dass in der Person des Klägers ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 9 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG besteht. Er hat unrichtige Personalangaben zur Erlangung einer Duldung sowie wahrheitswidrige Angaben bezüglich des (Nicht-) Vorliegens eines Passes zum Abwenden des Erlöschens, hier des Widerrufs, seiner Duldung gemacht (vgl. BGH, B.v. 2.9.2009 - 5 StR 266/09 - juris Rn. 19, 22; Hohoff in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.11.2018, Rn. 91; Hörich in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Auflage 2016, § 95 Rn. 235). Auf die Passpflicht wurde der Kläger nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 16. November 2012 hingewiesen (Bl. 121 der Behördenakte). Er hat die Beklagte aber erst, nachdem er sie am 2. Dezember 2016 über seine wahre Identität in Kenntnis gesetzt hatte, mit Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom 27. Januar 2017 darüber informiert, dass er einen mittlerweile „abgelaufenen“ pakistanischen Pass gehabt hätte, den er Verwandten vor seiner Ausreise aus Griechenland zur Verwahrung überlassen habe. Ausgehend von einer absoluten Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB bestehen im Hinblick auf das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Verstößen gegen die Vorlage- und Aushändigungspflichten in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 28.12.2018 - 10 ZB 18.1154 - juris 9) keine durchgreifenden Zweifel an der Aktualität des Ausweisungsinteresses.

b) Nachdem, wie dargelegt, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht gegeben sind, scheidet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG ebenfalls aus (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 - 10 C 18.1782 - juris Rn. 7; B.v. 24.1.2019 - 10 CE 18.1871, 10 C 1810 C 18.1874 - Rn. 25; Maaßen/Kluth in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/ Heusch, Stand 1.11.2018, § 25 Rn. 148), und zwar unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob § 25 Abs. 5 AufenthG als Auffangvorschrift für ein sich aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK ergebendes Ausreisehindernis herangezogen werden kann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen der für die genannten Aufenthaltszwecke bestehenden Normen nicht erfüllt sind (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 - 10 C 18.1782 - juris Rn. 7; NdsOVG, U.v. 8.2.2018 - 13 LB 43/17 - ZAR 2018, 176; OVG Bremen, U.v. 16.3.2017 - 1 B 21/17 - BeckRS 2017, 105559; VGH BW, U.v. 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - InfAuslR 2011, 250).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

I.

Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Dem Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens im Schriftsatz vom 22. August 2016 entspricht das Gericht nicht, weil die Voraussetzungen des § 94 VwGO nicht vorliegen. Die Frage, ob der Beklagte die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängige Ausweisung aufhebt, ist nicht vorgreiflich im Sinn dieser Vorschrift. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob der Senat bei der Entscheidung über die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG wird durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofsvom 6. Juni 2016 (10 C 15.1345) nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht‚ sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfG‚ B.v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 Rn. 35). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht‚ die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG a. a. O. Rn. 39), nicht aber dazu, den Vorstellungen eines Beteiligten zu folgen (BVerwG, B.v. 1.8.2011 - 6 C 15/11 - juris Rn. 1; BayVGH‚ B.v. 13.11.2013 - 10 C 13.2207 - juris Rn. 2). Voraussetzung für einen Erfolg der Anhörungsrüge ist weiter, dass der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist (vgl. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Gemessen an diesen Maßstäben und dem Vortrag des Klägers im Rahmen des vorliegenden Verfahrens verletzt der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juni 2016 (10 C 15.1345) nicht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.

Die Klägerseite trägt zur Begründung der Anhörungsrüge vor, im Beschluss vom 2. Juni 2016 sei die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass nie beabsichtigt gewesen sei, die erste Ausweisungsverfügung vom 5. März 2009 wieder aufleben zu lassen. Zu dieser Tatsache sei sie zuvor nicht angehört worden. Auf diese Weise sei die auf Art. 103 Abs. 1 GG beruhende Pflicht zum Hinweis auf möglicherweise entscheidungserhebliche Tatsachen verletzt worden.

Ein Verstoß gegen das Gebot auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

Der klägerische Vortrag, bei dem (erneuten) Erlass einer Ausweisungsverfügung nach der Aufhebung einer früheren Ausweisungsentscheidung handele es sich um eine Rücknahme des aufhebenden Bescheides, also um die „Rücknahme einer Rücknahme“, wurde bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgebracht (siehe die Wiedergabe des klägerischen Vorbringens im Beschluss des VG München vom 2.6.2015, M 12 K 14.3776, S. 24 unten bis S. 25 oben). Das Verwaltungsgericht ist in den Gründen des genannten Beschlusses (S. 28 unten bis S. 29 oben) darauf eingegangen: Es handle sich hier „nicht um eine Rücknahme der Aufhebungsverfügung vom 10. Februar 2010, so dass der ursprüngliche Bescheid vom 5. März 2009 wieder aufleben würde. Der Beklagte hat vielmehr auf der Grundlage früher nicht vorhandener Unterlagen … einen neuen Bescheid unter erneuter Beurteilung der Wiederholungsgefahr, erneuter Ermessensausübung und erneuter Prüfung der Verhältnismäßigkeit erlassen …“

In der Beschwerdebegründung hat die Klägerseite insoweit ihren Vortrag aus der ersten Instanz wiederholt.

In dem mit der vorliegenden Anhörungsrüge angegriffenen Beschluss des Senats vom 6. Juni 2016 heißt es hierzu (S. 5 bis 6):

„Es [erg.: das Verwaltungsgericht] hat insbesondere zu Recht ausgeführt, dass es sich bei dem Erlass der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung vom 31. Juli 2014 nicht um eine Rücknahme der Aufhebungsentscheidung vom 10. Februar 2010 handelte; es war nämlich nie beabsichtigt, die erste Ausweisungsverfügung vom 5. März 2009 wieder aufleben zu lassen. Insofern greift das Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr hat der Beklagte die Ausweisungsentscheidung vom 5. März 2009 wegen erkannter Defizite (vgl. die Ausführungen in dem Beschluss über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 1.2.2010 im damaligen Verfahren M 23 K 09.1219) in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage aufgehoben und im Anschluss sogleich mit Ermittlungen insbesondere zu den Auswirkungen einer Ausweisung des Klägers auf das Wohl seiner beiden Kinder begonnen. Bei dem Bescheid vom 31. Juli 2014 handelt es sich gegenüber demjenigen vom 5. März 2009 um einen völlig eigenständigen, erneuten Verwaltungsakt mit einer neuen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen und neuen Ermessenserwägungen.

Der Beklagte war auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes an der erneuten Ausweisung gehindert. Zwar kann ein Verzicht auf eine Ausweisung grundsätzlich zu einem „Verbrauch“ des Ausweisungsgrundes führen, wenn dem betroffenen Ausländer hierdurch Vertrauensschutz vermittelt wird, so dass er sich im Vertrauen darauf in besonderer Weise auf einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet einrichten konnte (BVerwG, U.v. 16.11.1999 - 1 C 11/99 - DVBl 2000, 425 Rn. 20). Im vorliegenden Fall jedoch konnte der Kläger keineswegs darauf vertrauen, dass der Beklagte nach der Aufhebung des ersten Ausweisungsbescheids in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 seine Ausweisung nicht weiter betreiben würde. Es war ihm über seine Bevollmächtigte bekannt (siehe etwa Schreiben des Gutachters vom 13.9.2010; Bl. 382 der Behördenakte), dass die Ausländerbehörde die zu erwartenden Folgen einer Ausweisung bzw. Abschiebung des Klägers auf seine beiden Kinder ermittelte (siehe Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG). Auch hat die Ausländerbehörde gegenüber der jetzigen wie auch gegenüber weiteren Bevollmächtigten des Klägers im Telefongespräch bzw. schriftlich festgestellt, dass eine Ausweisung weiterhin geplant sei (siehe etwa Bl. 431, 456, 566 der Behördenakte).“

Hieraus ist zu erkennen, dass der Senat sich mit dem Vorbringen der Klägerseite ausführlich auseinandergesetzt hat. Es wurde keineswegs eine „Tatsache“ zugrunde gelegt, zu der die Klägerseite sich nicht äußern konnte; vielmehr hat der Senat nach Würdigung des Vorbringens der Beteiligten und des Inhalts der Akten aufgrund eigener rechtlicher Prüfung die vom Verwaltungsgericht getroffene Einschätzung als richtig befunden und ist somit der Meinung der Klägerseite in der Beschwerdebegründung nicht gefolgt.

Eine den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt ebenfalls nicht vor. Das ist nur dann der Fall, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 108 Rn. 24 m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat das Gericht jedoch lediglich den Vortrag des Klägers im Beschwerdeverfahren, der auch bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, einer Würdigung unterzogen. Es besteht jedoch weder eine Pflicht für das Gericht, dem Kläger vorab seine Rechtsauffassung mitzuteilen, noch dazu, vorab darauf hinzuweisen, dass es beabsichtige, dem Vortrag des Klägers nicht zu folgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht‚ weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr von 60‚- Euro anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Juni 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

Das vom Kläger innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen – soweit sie überhaupt den Voraussetzungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend vorgebracht wurden – nicht vor.

3

1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel.

4

a) Solche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nur anzunehmen, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 2 BvR 2615/14 –, juris, Rn. 19). Dazu müssen substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Urteilselemente greifen nicht durch, wenn sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4.03 –, juris, Rn. 9; BayVGH, Beschluss vom 31. August 2017 – 8 ZB 16.1357 –, juris, Rn. 11).

5

Aus der Begründung des Zulassungsantrags ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die am 2. Juni 2017 verfügte Ausweisung des Klägers und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Insbesondere hat es zutreffend wegen der vom Kläger am 15. Februar 2012 verübten Straftat (schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Aussetzung) ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse angenommen, dem kein gleichwertiges Bleibeinteresse gegenüberstehe. Das Verwaltungsgericht hat ferner nachvollziehbar dargelegt, dass unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände das Interesse an der Ausweisung des Klägers aus generalpräventiven Gesichtspunkten überwiege, die durch spezialpräventive Gründe gestützt würden. Die Richtigkeit dieser Erwägungen stellen die Einwände des Klägers nicht in Frage.

6

b) Soweit er sich gegen die Feststellung eines generalpräventiv begründeten Ausweisungsinteresses wendet, genügen seine Ausführungen teilweise den Darlegungserfordernissen nicht und sind insgesamt nicht geeignet, Zweifel am Vorliegen eines solchen Ausweisungsinteresses zu begründen.

7

Die vom Kläger aufgestellten Behauptungen, das Verwaltungsgericht habe sein Alter zur Tatzeit, das Fehlen einer „kriminellen Karriere“ und seinen Verzicht auf vorzeitige Haftentlassung zur Durchführung einer Sozialtherapie nicht ausreichend gewürdigt, erfüllen die Anforderungen an die Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Berufung nicht. Gleiches gilt, soweit er anführt, der Dauer seines Aufenthalts in Deutschland, den hiesigen Bindungen und denen zur Türkei sei nicht das erforderliche Gewicht beigemessen worden.

8

Für die Begründung ernstlicher Zweifel muss sich der Rechtsmittelführer mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts substantiell auseinandersetzen und dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen sie ernstlich zweifelhaft sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 124a, Rn. 52). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

9

Das Verwaltungsgericht hat alle vom Kläger genannten Kriterien berücksichtigt. Es spricht mehrfach von Jugendstrafe und hatte damit das Alter des Klägers im Blick. Ferner wird mehrfach auf das Urteil des Landgerichts Mainz vom 16. Dezember 2013 (3111 Js 4733/12.jug – 1 KLs –) Bezug genommen, für das etwaige Vorstrafen von Bedeutung waren. Das Verwaltungsgericht setzt sich zudem mit dem Verhalten des Klägers während der Haftzeit und mit seiner Therapie auseinander (UA, S. 11). Mit dem im Tatbestand vermerkten Datum der Einreise des Klägers findet die Dauer seines Aufenthaltes in Deutschland Berücksichtigung. Schließlich erörtert das Verwaltungsgericht die Bindungen des Klägers in Deutschland und in der Türkei (UA, S. 12). Da das Verwaltungsgericht die genannten Kriterien berücksichtigt hat, hätte der Kläger darlegen müssen, weshalb deren Bewertung fehlerhaft war. Die bloße Behauptung, den Gesichtspunkten sei nicht das erforderliche Gewicht beigemessen worden, genügt nicht. Zudem fehlt eine Erläuterung dazu, warum diese Kriterien bei der Feststellung eines generalpräventiv begründeten Ausweisungsinteresses von Bedeutung sein könnten.

10

Generalpräventive Gesichtspunkte können auch nach dem seit dem 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 –, juris, LS 1; Urteil des Senats vom 5. April 2018 – 7 A 11529/17.OVG, juris, LS 1). Dabei kommt es bei der Prüfung, ob der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, darauf an, dass die Ausweisung eine angemessene generalpräventive Wirkung erwarten lässt. Dies ist der Fall, wenn damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten. Behörden und Gerichte dürfen davon ausgehen, dass eine aus Anlass einer strafgerichtlichen Verurteilung verfügte Ausweisung zur Verwirklichung dieses Zwecks geeignet ist. Erforderlich ist, dass es Ausländer gibt, die sich in einer mit dem Betroffenen vergleichbaren Situation befinden und sich durch dessen Ausweisung von gleichen oder ähnlichen strafbaren Handlungen abhalten lassen (vgl. Urteil des Senats vom 5. April 2018 – 7 A 11529/17.OVG –, juris, Rn. 44, m.w.N.). Selbst wenn bei einem straffälligen Ausländer keine (Wiederholungs-)Gefahr besteht, kann von seinem Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer nicht davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 –, juris, Rn. 16).

11

Im Fall des Klägers hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass dessen Ausweisung geeignet ist, Ausländer, die aus einem nicht der Gleichberechtigung von Mann und Frau verpflichteten Kulturkreis stammen, von der Begehung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung abzuschrecken. Die Schwere der vom Kläger begangenen Tat und vor allem die Motivation für diese lassen die Ausweisung des Klägers als erforderlich erscheinen, um andere Ausländer in vergleichbarer Situation von ähnlichen Delikten abzuhalten.

12

Die besondere Brutalität der Tat ergibt sich aus den Feststellungen im bereits zitierten rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Mainz vom 16. Dezember 2013. Danach setzten der Kläger und zwei weitere junge Männer am 15. Februar 2012 eine 16jährige Bekannte unter Alkohol und verbrachten sie in ein Parkhaus. Dort entkleideten sie die inzwischen Willenlose und setzten sie auf den Kläger. Dieser drang in deren Scheide ein, während ein Mittäter mindestens zweimal mit der geballten Faust in den Anus des Opfers stieß, dies mit den Fingern beider Hände wiederholte und die Hände unter massiver Kraftanwendung auseinanderriss. Dabei riss im Unterleib des Opfers das gesamte Haut-, Binde- und Muskelgewebe unter Einschluss des Schließmuskels zwischen Vagina und Rektum. Nach Worten des rechtsmedizinischen Sachverständigen entstand eine riesige Wundhöhle. Die Täter ließen das Opfer zurück. Die Verletzungen der jungen Frau mussten operiert werden. Ein künstlicher Darmausgang konnte erst 18 Monate nach der Tat zurückverlegt werden. Sie leidet bis heute unter körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen.

13

Unter generalpräventiven Gesichtspunkten von besonderer Bedeutung ist das sich aus dem vorgenannten Strafurteil ergebende Geschehen im Vorfeld der Tat und insbesondere die sich daraus ergebende Einstellung der Täter. Sie kannten das Opfer, das wie sie einen türkischen bzw. kurdischen Migrationshintergrund aufweist. Die 16jährige nahm allerdings westliche Wertvorstellungen an. Sie kleidete und schminkte sich nach westlicher Mode und ging ohne Begleitung aus. Allein dies qualifizierte sie nach dem Welt- und Frauenbild der Täter bereits als zu verachtende „Schlampe, die es mit jedem und gerne auch mit mehreren Männern gleichzeitig treibe“. Aus diesem Grund wählten die Täter die Jugendliche als Opfer mit der Absicht aus, mit ihr gleichzeitig Sexualverkehr zu haben.

14

Die dieser Auswahl zu Grunde liegende Schlussfolgerung, junge Frauen, die allein ausgehen und sich nach westlicher Mode kleiden und schminken, seien „leicht zu haben“, zeugt von einem archaischen Frauenbild, welches mit dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Verständnis von der Rolle der Geschlechter nicht in Einklang zu bringen ist. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar, gleich ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Diese Rechte bilden den Rahmen, den das deutsche Recht für den selbstbewussten und selbstbestimmten Umgang der Geschlechter miteinander vorsieht. Damit ist die Vorstellung, Frauen mit westlich geprägtem Auftreten stünden ohne weiteres für sexuelle Handlungen zur Verfügung, nicht vereinbar. Es ist Aufgabe des Rechts der Gefahrenabwehr – und damit des Ausweisungsrechts nach dem Aufenthaltsgesetz – zu verhindern, dass eine solche, nicht an der Gleichberechtigung von Mann und Frau ausgerichtete Vorstellung Ausländer, die sich nicht an den Wertvorstellungen des Grundgesetzes orientieren, zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verleitet.

15

Vor diesem Hintergrund ist die Ausweisung des Klägers zur Verhinderung schwerer Straftaten erforderlich, indem einer Vielzahl von jungen Männern verdeutlicht wird, dass der deutsche Staat nicht nur Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bestraft, sondern auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergreift. Adressaten sind Männer, die dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen nicht die Bedeutung beimessen, die ihm nach dem Grundrechtsverständnis des Grundgesetzes zukommt. Gerade im früheren Umfeld des Klägers dürften solche junge Männer anzutreffen sein. Nach der Stellungnahme zur Sozial- und Kriminalprognose der JVA D. vom 10. Januar 2017 war der Kläger früher Mitglied einer üblen und sich ins Dissoziale hinein entwickelnden Clique. In deren Verhalten sei auch die Verachtung gegenüber Frauen zum Ausdruck gekommen. Den ausländischen Mitgliedern dieser Gruppe wird durch die Ausweisung des Klägers verdeutlicht, dass der deutsche Staat präventive Maßnahmen zum Schutz der Frauen ergreift. Personen aus diesem Kreis, die eine frauenverachtende Einstellung haben, wird so aufgezeigt, dass Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nicht nur straf- sondern auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben. Umgekehrt würde das Anliegen des Staates, das sexuelle Selbstbestimmungsrecht zu schützen, beeinträchtigt, wenn der Kläger trotz der schwer- und langwierigen Folgen seiner Tat für das Opfer weiter in Deutschland bleiben dürfte. Der Umstand, dass er seine Strafe vollständig verbüßt hat, steht dem nicht entgegen. Mit der Freiheitsstrafe wird das begangene Unrecht geahndet, während die Ausweisung der Gefahrenabwehr dient.

16

Das Ziel der Gefahrenabwehr wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass seit der Tat mehr als sechs Jahre vergangen sind. Diese Zeitspanne genügt nicht, um der Ausweisung des Klägers die generalpräventive Bedeutung zu nehmen. Zur Beurteilung der Frage, ab wann staatliche Maßnahmen wegen des zeitlichen Abstandes zu ihrem Anlass an Bedeutung verlieren, kann auf die Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung zurückgegriffen werden. Diese geben dem mit zunehmendem Zeitabstand eintretenden Bedeutungsverlust staatlicher Reaktionen einen zeitlichen Rahmen, der auch bei der Bewertung des generalpräventiven Ausweisungsinteresses herangezogen werden kann. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist vom Fortbestand des generalpräventiven Ausweisungsinteresses auszugehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 –, juris, Rn. 23). Dieser Zeitrahmen ist hier eingehalten. Schon für die Straftat der Aussetzung, wegen der der Kläger nach § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt wurde, beträgt die einfache Verjährungsfrist fünf Jahre, da sie mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die absolute Verjährung tritt demnach nach zehn Jahren ein. Diese Zeit ist seit der Tat vom 15. Februar 2012 noch nicht vergangen.

17

c) Das Verwaltungsgericht hat zudem zu Recht bei der Abwägung zwischen den Ausweisungs- und den Bleibeinteressen spezialpräventive Gründe berücksichtigt.

18

Beim Kläger liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1, 1a AufenthG vor, da er wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe von sechs, also mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen nach § 53 Abs. 2 AufenthG und Art. 8 EMRK ist dann von Bedeutung, inwieweit eine Wiederholungsgefahr für diese Straftaten angenommen werden kann.

19

Angesichts des hohen Rangs der durch die Tat am 15. Februar 2012 verletzten Rechtsgüter – Leib, Leben und sexuelle Selbstbestimmung – und mit Rücksicht auf das Ausmaß und die Folgen der Rechtsgutverletzungen – lebenslange seelische und körperliche Beeinträchtigung des Opfers – sind an die Annahme einer Wiederholungsgefahr keine hohen Anforderungen zu stellen. Allerdings kann allein die entfernte Möglichkeit einer erneuten Rechtsgutverletzung keine Wiederholungsgefahr begründen; vielmehr muss auch dann, wenn hochrangige Rechtsgüter verletzt wurden, eine Wiederholungsgefahr ernsthaft zu besorgen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 – 1 C 13.11 –, juris, Rn. 18; Beschluss des Senats vom 14. März 2017 – 7 B 11061/16.OVG – ESOVGRP, Rn. 11). Im Fall des Klägers sprechen maßgebliche Gesichtspunkte für eine Wiederholungsgefahr.

20

Gedanklicher Ausgangspunkt der Tat am 15. Februar 2012 und insbesondere der Auswahl des Opfers war das Frauenbild des Klägers. Dieses hat sich nach den zur Verfügung stehenden sachverständigen Einschätzungen nicht geändert. Deshalb ist zu befürchten, dass der Kläger auch in Zukunft das Selbstbestimmungsrecht der Frauen und deren Willen in sexuellen Belangen nicht ausreichend beachtet, übergriffig wird und gegen Strafvorschriften verstößt, die dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung dienen. Für eine Änderung seiner Vorstellung, unabhängig auftretende und westlich orientierte Frauen seien „leicht zu haben“, finden sich in den vorrangig in den Blick zu nehmenden jüngeren Stellungnahmen der JVA D. keine Anhaltspunkte. Diese sind ausreichend aussagekräftig, um eine zuverlässige Beurteilung der Wiederholungsgefahr zu ermöglichen. Einer zusätzlichen Bewertung durch einen Gutachter bedarf es dazu entgegen der Auffassung des Klägers nicht.

21

In der Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans der JVA D. vom 27. März 2017 wird festgehalten, dass das Thema Frauenbild weiter in der Therapie zu bearbeiten sei. Der Kläger müsse seine bisherige Haltung gegenüber Frauen und seinen Umgang mit diesen zunächst dezidiert darlegen. In einem nächsten Schritt müsse dann eine Entscheidung des Klägers erfolgen, ob er diese Haltung und dieses Bild verändern wolle; erst dann könne eine Verhaltensänderung angegangen werden. Nach dieser Einschätzung kann von einer nachhaltigen Veränderung der Einstellung des Klägers zu Frauen keine Rede sein. Denn augenscheinlich hat er sich noch nicht einmal mit seinem bisherigen Frauenbild auseinandergesetzt. Die Therapieverlaufsdokumentation der JVA D. vom 13. November 2017 zeigt kein anderes Bild. Danach habe der Kläger zwar das Thema Frauenbild ernst genommen. Es bedürfe allerdings noch eines Willensentschlusses zu einer Veränderung, selbst wenn er sich die Fähigkeit erarbeitet habe, sich von seiner bisherigen Lebensweise zu distanzieren. Auch danach fehlt ein positiver Entschluss des Klägers zur Änderung seiner Einstellung gegenüber Frauen.

22

Für eine Wiederholungsgefahr spricht ferner, dass der Kläger wieder bei seinen Eltern in W. wohnt. Ausweislich der Stellungnahme zur Sozial- und Kriminalprognose der JVA D. vom 11. Januar 2017 wollte er nach seiner Entlassung nicht nach W. und nicht zu seinen Eltern, um nicht in seine alten Kreise zurückzukehren. Das damit verbundene Risiko einer weiteren dissozialen Entwicklung ist durch den Einzug in die Wohnung der Eltern in W. eingetreten.

23

Die Annahme einer ernsthaft bestehenden Wiederholungsgefahr ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger zum Tatzeitpunkt erst 19 Jahre alt war und es sich um eine einmalige Tat gehandelt habe. Beide Gesichtspunkte sind für die Prognose, ob der Kläger wieder straffällig wird, ohne wesentliche Bedeutung. Weder das Alter noch die Tathäufigkeit entkräften die Feststellung, dass sich das Frauenbild des Klägers nicht geändert hat. Zudem hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei Sexualstraftaten um Neigungstaten handelt, bei denen grundsätzlich mit einer Wiederholungsgefahr gerechnet werden müsse. Insoweit ist es unerheblich, ob der Kläger zuvor nicht straffällig wurde. Allerdings ergibt sich aus den Verwaltungsakten, dass er früher bereits wegen Diebstahls und schwerer Körperverletzung beschuldigt worden war.

24

d) Ernstliche Zweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts bestehen auch nicht im Hinblick auf die übrigen Ziffern im Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2017. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis bereits § 11 Abs. 1 AufenthG entgegensteht. Deshalb bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob das im Fall des Klägers bestehende Ausweisungsinteresse der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegensteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).

25

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.

26

Solche Schwierigkeiten sind hier nicht zu erkennen. Der vom Kläger erwähnte Abwägungsprozess bereitet keine das normale Maß erheblich überschreitende Schwierigkeiten. Abwägungen zwischen Ausweisungs- und Bleibeinteressen sind bei jeder Ausweisungsentscheidung durchzuführen. Der Kläger hat nicht dargelegt, worin in seinem Fall Probleme liegen, die über den Normalfall hinausgehen.

27

3. Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.

28

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn der Streitfall die Entscheidung einer klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechts- oder Tatsachenfrage erfordert, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 2008 – 1 BvR 2587/06 –, juris, Rn. 19). An einer Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die aufgeworfene Frage auf der Grundlage des Gesetzes und bereits vorliegender Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2004 – VGH B 7/04 –, AS 35, 184).

29

Die hier gestellte Frage, ob eine Fortgeltungsfiktion gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG dem „Besitz“ einer Aufenthaltserlaubnis i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gleichsteht, ist nicht klärungsbedürftig. Die Frage lässt sich schon auf Grund des Wortlauts der letztgenannten Norm verneinen. Durch die Verwendung des Wortes „besitzt“ wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine Aufenthaltserlaubnis tatsächlich vorhanden, also dem jeweiligen Ausländer erteilt sein muss (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13. März 2006 – 24 ZB 05.3139 –, juris, Rn. 16). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis genügt deshalb für sich genommen noch nicht, um ein Bleibeinteresse zu begründen (vgl. Beschluss des Senats vom 23. Mai 2017 – 7 A 11445/16.OVG –, juris, Rn. 51). Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in Bezug auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung klargestellt, dass nur der Inhaber einer Niederlassungserlaubnis geschützt werden soll (s. BT-Drs. 18/4097, S. 53). Das lässt sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen, da beide Vorschriften den Begriff „besitzt“ verwenden.

30

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

31

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an Ziffer 8.1 und 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169).

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.