Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Januar 2015, soweit es die Aufhebung der Asylantragsablehnung in Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. Januar 2014 betrifft, hat keinen Erfolg. In Nr. 1 dieses Bescheids war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers wegen der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.
Die Beklagte wirft als gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob „der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung, die mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergeht, deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist und ob dies insbesondere auch dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, ob der bislang zuständige Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt sowie ob jedenfalls stets ein relevanter Rechtsnachteil fehlt, wenn der im Bundesgebiet gestellte Asylantrag sich als Zweitantrag i. S. d. § 71a AsylVfG darstellt, der nicht gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens erfüllt“.
Das Rechtsmittel ist bereits nicht statthaft und unzulässig, weil die Beklagte durch die Aufhebung von Nr. 1 ihres Bescheids nicht beschwert ist. Eine Beschwer läge nur vor, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für sie nach ihrem Inhalt nachteilig wäre, also dem Kläger etwas zu ihren Lasten zusprechen, zu ihren Lasten rechtsgestaltend wirken oder einen Streit um ein Rechtsverhältnis zu ihren Ungunsten entscheiden würde (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 29; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2014, vor § 124 Rn. 39). Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Bundesrepublik Deutschland durch Zeitablauf nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgeblich ist hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Unstreitig ist hier die Überstellungsfrist abgelaufen. Dieser Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der 6-Monatsfrist stellt keinen fingierten Selbsteintritt, sondern eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 19 K34). Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht zeitgemäß durchführt, die Folgen tragen muss (dies., Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 K9, zu der Nachfolgeregelung des Art. 29 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist).
Im Übrigen geht auch die Beklagte von ihrer Zuständigkeit aus. Sie hat mit Bescheid vom 20. Januar 2015 die Nr. 2 des Bescheids vom 21. Januar 2014 aufgehoben, weil die Zuständigkeit zur Durchführung des Verfahrens aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist auf Deutschland übergegangen sei. Der Ausspruch, der Asylantrag des Klägers sei mangels Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, entspricht daher weder der Rechtslage noch der nunmehrigen Auffassung der Beklagten. Angesichts des Zuständigkeitsübergangs ist unmaßgeblich, ob Ungarn wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist die Übernahme ablehnt.
Eine Beschwer der Beklagten vermag auch ihre weitere Darlegung nicht zu begründen, dass der Asylantrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG nicht verfahrensrelevant sei. Weder die von der Beklagten beabsichtigte Aufrechterhaltung der angefochtenen Regelung in diesem Sinn noch eine dahingehende Umdeutung kommen in Betracht. Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung des Klägers, der von ihm angegriffene Verwaltungsakt (Unzulässigkeit des Asylantrags wegen der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) sei rechtswidrig und greife in seine Rechtssphäre ein. Die Rechtskraftwirkung beschränkt sich dabei auf die vom Gericht aus dem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, mithin die geprüften Aufhebungsgründe (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 90 Rn. 8, § 121 Rn. 21 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 8.12.1992 - 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 = DVBl 1993, 258; Rennert in Eyermann, a. a. O., § 121 Rn. 22 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 7.8.2008 - 7 C 7.08 - BVerwGE 131, 346 = DVBl 2008, 1247). Damit ist rechtskraftfähiger Inhalt des Urteils allein die Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG. Hiervon zu unterscheiden ist der materielle Asylanspruch und inwieweit dieser im Rahmen eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG noch geltend gemacht werden kann. Diese Frage ist nicht auf das gleiche Ziel gerichtet, sondern betrifft einen anderen Streitgegenstand, der ggf. Inhalt eines weiteren (Gerichts-)Verfahrens sein kann. Davon geht zwar auch die Beklagte mit ihrem Vortrag aus, die Tenorierung der Ablehnung als unzulässig beinhalte die Regelung, dass eine materielle Entscheidung nicht getroffen werde. Im Gegensatz zu ihrer Auffassung enthält aber der Ausspruch, dass der Asylantrag mangels Zuständigkeit unzulässig ist, nicht zugleich eine materiell-rechtliche Aussage dahingehend, dass ein weiteres Asylverfahren im Sinn von § 71a AsylVfG nicht durchzuführen ist. Deshalb scheidet auch eine entsprechende Umdeutung aus. Die Umdeutung ist die Modifizierung der Regelung eines fehlerhaften Verwaltungsakts dadurch, dass dieser als Verwaltungsakt mit gleichwertiger Regelung aufrechterhalten wird und den die Behörde, weil er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, deshalb auch zweifellos gewollt hätte (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 47 Rn. 6, 13). Daran fehlt es hier, weil eine Entscheidung nach § 27a AsylVfG nur die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags betrifft, wohingegen § 71a AsylVfG eine materielle Prüfung dahingehend erfordert, ob Wiederaufgreifensgründe gemäß § 51 VwVfG vorliegen. Weder der angestrebte Erfolg noch die Wirkungen dieser beiden Verwaltungsakte sind gleich. Ein Ausspruch nach § 27a AsylVfG bildet die Grundlage für eine Abschiebungsanordnung in den anderen Staat - hier Ungarn - nach § 34a AsylVfG, das Fehlen der Voraussetzungen des § 71a AsylVfG führt zu einer Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat - hier Afghanistan - gemäß § 34 AsylVfG. Da eine Aufrechterhaltung bzw. Umdeutung nicht möglich ist, beschränkt sich die Rechtskraftwirkung im hier vorliegenden ersten Fall auf die (Un-)Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Eine Beschwer der Beklagten ist damit auch insoweit nicht gegeben.
Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort standen materielle Asylfragen im Raum; das Bundesamt hat den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Einer Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf es angesichts der Kostenentscheidung nicht.