Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2014 - 15 ZB 12.163

bei uns veröffentlicht am15.01.2014

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Landratsamts C. vom 16. Juni 2011 für die Umnutzung einer bestehenden Unterstellhalle in eine Unterstellhalle für Wohnwagen und sonstige Anhänger auf dem Grundstück Fl. Nr. ... Gemarkung K. (Baugrundstück). Südlich des Baugrundstücks grenzt das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Fl. Nr. ... der Klägerin an. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerfG, B. v. 16.7.2013 - 1 BvR 3057/11 - NJW 2013, 3506 m. w. N.). § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (BVerwG. B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - DVBl 2004, 838). Soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt unzureichend ermittelt, was zu falschen Feststellungen im Urteil führe, werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts hergeleitet. In diesen Fällen wird ein Zulassungsgrund nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (vgl. BayVGH, B. v. 2.4.2013 - 2 ZB 12.1210 - juris Rn. 5 und Rn. 8 m. w. N.). Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B. v. 30.7.2010 - 8 B 125/09 - juris Rn. 23 m. w. N.). Daran gemessen ergeben sich aus den Darlegungen der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

a) Das Verwaltungsgericht ist aufgrund des Nebeneinanders von Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung von einem Schutzanspruch der Klägerin in Höhe der Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein Mischgebiet ausgegangen (hier: Tagrichtwert von 60 dB(A), weil in der Nachtzeit keine Park- und Fahrbewegungen zugelassen sind). Dabei hat es entscheidungserheblich auf die vorhandene Wohnnutzung und die aktuell bestehenden gewerblichen Nutzungen („Lagerplatz für Hackschnitzel, Holzbestände und Baugerüste; Einlagerung von Röntgenbildern in einem Nebengebäude des Sägewerks“) sowie auf den nachwirkenden, erst 2009 eingestellten Zimmereibetrieb abgestellt. Das ist nicht zu beanstanden.

Der hiergegen gerichtete Einwand, das Verwaltungsgericht hätte dem Beweisangebot zur Einnahme eines Augenscheins nachkommen müssen, lässt nicht erkennen, welche - von dieser tatrichterlichen Bewertung der näheren Umgebung durch das Verwaltungsgericht abweichenden - tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung einer Ortsbesichtigung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B. v. 12.7.2012 - 4 B 13/12 - NVwZ 2012, 1565) und wieso sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, obwohl sie von der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht förmlich beantragt wurde.

Es ist auch nicht nachzuvollziehen, weshalb die nähere Umgebung entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts als allgemeines Wohngebiet zu bewerten sein soll. Dass die vorhandene gewerbliche Nutzung nach Auffassung der Klägerin im Hinblick auf die Lärmentwicklung untergeordnet ist, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Mischgebiets, das bestimmungsgemäß der Unterbringung von Gewerbebetrieben dient, die das Wohnen nicht wesentlich stören (§ 6 Abs. 1 BauNVO). Die Errichtung eines neuen Wohnhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. ... rechtfertigt ebenso wenig die Annahme der Klägerin, es liege ein allgemeines Wohngebiet vor, weil Wohngebäude auch in einem Mischgebiet oder in einer von gewerblicher Nutzung und Wohnnutzung geprägten Gemengelage zulässig sind. Der Verweis auf die Klagebegründung (S. 8) lässt ebenfalls keine Prägung in Richtung eines Wohngebiets erkennen. Danach haben die Beteiligten vor dem Verwaltungsgericht im Verfahren RO 2 K 05.765 anlässlich der Ortsbesichtigung vom 5. August 2005 übereinstimmend erklärt, dass es weitere Betriebe außer dem des Beigeladenen nicht gibt. Hieraus schließt die Klägerin, dass ein allgemeines Wohngebiet vorliege. Diese Schlussfolgerung ist aber - auch bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse im Jahr 2005 - nicht gerechtfertigt. Angesichts der nach wie vor ausgeübten gewerblichen Nutzung der gegenständlichen Halle und des seinerzeit noch vorhandenen Zimmereibetriebs, den das Verwaltungsgericht als nachprägend berücksichtigt hat, war das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets bereits nach den Erkenntnissen im Augenscheinstermin vom 5. August 2005 auszuschließen.

Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, „eine Verdichtung dieser lockeren Streubebauung ist seit dem Jahr 1968 nicht eingetreten“ ist nicht entscheidungserheblich, trifft aber in der Sache zu, wie der mit Genehmigungsvermerk versehene Lageplan aus dem Jahr 1968 erkennen lässt. Davon abgesehen kann die Frage einer „Verdichtung“ der Bebauung nicht mit dem „Gebietscharakter“ gleichgesetzt werden.

Auch der Einwand, das Verwaltungsgericht habe ungeprüft der Antwort des Beklagtenvertreters vertraut, auf dem Grundstück ... befinde sich das Nebengebäude eines Maurerbetriebs, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Der Klägerbevollmächtigte hat dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung weder widersprochen, noch hat er in der mündlichen Verhandlung einen dahingehenden förmlichen Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, B. v. 18.12.2006 - 4 BN 30/06 - NVwZ-RR 2007, 285). Hinzu kommt, dass auch das Zulassungsvorbringen nicht erkennen lässt, dass die beanstandete Feststellung der Sache nach unzutreffend ist.

b) Das Verwaltungsgericht hat die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem Wohnhaus der Klägerin nicht falsch ermittelt. Die Ausführung des Verwaltungsgerichts, dass „der umgenutzte Teil der Halle in einer Entfernung von ca. 33 m zum südlich gelegenen klägerischen Grundstück beginnt“, bezieht sich auf die mit Bescheid vom 2. März 2004 erteilte Baugenehmigung und trifft der Sache nach zu.

c) Das Verwaltungsgericht brauchte dem Vortrag der Klägerin, der durch den Betrieb des Vorhabens ausgelöste Lärm entstehe nicht nur durch Fahrzeugbewegungen, sondern auch durch Reinigen der abgestellten Wohnwagen und Gespräche, nicht durch Einholung eines gerichtlich angeordneten Sachverständigengutachtens nachzugehen. Dass das gelegentliche Säubern der Wohnwagen zu einer beachtlichen zusätzlichen Lärmbeeinträchtigung führen kann, ist nach der sachkundigen Bewertung durch den fachlichen Immissionsschutz beim Landratsamt nicht anzunehmen (vgl. Stellungnahme vom 28.9.2011). Insbesondere ist eine gezielte Reinigung mit Staubsaugern nicht vorgesehen; eine Reinigungsanlage oder die gewerbliche Reinigung der abgestellten Wohnwagen ist weder beantragt noch genehmigt. Die Nutzung der Halle als Unterstellraum für Wohnwagen ist auch nicht darauf gerichtet, einen Besucherkreis anzuziehen, für den - wie etwa in Versammlungsstätten oder Gaststätten - das Beisammensein im Vordergrund stünde. Insoweit sind Geräuschwirkungen aufgrund menschlicher Lebensäußerungen, wie sie z. B. beim Führen von „Gesprächen“ entstehen, als sozialadäquat hinzunehmen. Welche „sonstigen Begleiterscheinungen“ für die Lärmbeurteilung des Vorhabens von Relevanz sein können, wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.

d) Angesicht der nachvollziehbaren Bewertung der durch das Vorhaben ausgelösten Geräuschwirkungen durch den fachlichen Immissionsschutz beim Landratsamt begegnet es auch im Übrigen keinen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht davon abgesehen hat, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu den Lärmwirkungen des Vorhabens einzuholen. Insbesondere bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass ein Beurteilungspegel von 60 dB(A)/tags am Anwesen der Klägerin nicht eingehalten werden kann.

Nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Die Entscheidung eines Tatsachengerichts über Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten steht dabei gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich in seinem tatrichterlichen Ermessen (vgl. BVerwG, B. v. 28.3.2013 - 4 B 15/12 - BauR 2013, 1248 m. w. N.). Grundsätzlich verwehrt es das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO dem Tatsachengericht nicht, sich bei der rechtlichen Würdigung auf Tatsachenvortrag der Beteiligten, namentlich die von einer Behörde mit besonderer Sachkunde erstellten oder im Verwaltungsverfahren eingeholten Unterlagen zu stützen. Unterbleibt die Einholung von (zusätzlichen) Gutachten, liegt darin nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann ein Aufklärungsmangel, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. So sind Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (vgl. BVerwG, B. v. 21.12.2010 - 7 B 4/10 - NVwZ 2011, 433 m. w. N.).

Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht auf die umweltschutzfachlichen Stellungnahmen vom 7. Mai 2011 und vom 28. September 2011 abgestellt hat, in denen die zu erwartenden Lärmwirkungen im Sinne einer worst-case-Betrachtung ermittelt worden sind. Nach der Lärmprognose des Umweltingenieurs des Landratsamts ist selbst unter der unrealistischen Annahme, dass bei insgesamt 32 Stellplätzen für Wohnwagen 64 Fahrbewegungen pro Tag stattfinden, durch die An- und Abfahrtsgeräusche maximal ein Beurteilungspegel von 47 dB(A) am Anwesen der Klägerin zu erwarten. Aufgrund der nachvollziehbaren Angaben des Umweltschutzingenieurs des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist unter Einbeziehung einer lärmmäßigen Vorbelastung durch das Hackschnitzellager nicht davon auszugehen, dass es zu einer Verdoppelung des ermittelten Immissionswertes kommt. Doch auch dann, wenn man dies abermals zugunsten der Klägerin unterstellen will, erhöht sich der Beurteilungspegel lediglich auf 50 dB(A). Die von der Klägerin eingewandten Holzlieferungen für das Hackschnitzellager sind demnach bereits prognostisch bewertet. Weshalb das angelieferte Holz auf dem Grundstück des Beigeladenen „offensichtlich zu Hackschnitzeln verarbeitet“ werden soll, bleibt unklar. Denn mit Bescheid vom 27. August 2009 wurde die Teilumnutzung der Unterstellhalle in ein „Hackschnitzellager“ genehmigt. Aus den Baugenehmigungsunterlagen ergibt sich dagegen nicht, dass auch die Verarbeitung von Holz in Hackschnitzel beantragt oder genehmigt worden wäre (vgl. auch Schreiben des Landratsamts vom 25. Oktober 2010 an die Klägerin). Wenn weiterhin - was wiederum unrealistisch ist - zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass sämtliche Reflexionen direkt auf ihr Wohnhaus treffen, ist mit den Ausführungen des Umweltschutzingenieurs unter Zugrundelegung einer Reflexionswirkung sämtlicher Außenwände allenfalls eine weitere Zunahme um 3 dB(A) auf einen Beurteilungspegel von dann 53 dB(A) anzunehmen. Der hiergegen gerichtete Einwand der Klägerin, diese Annahme sei eine reine Schätzung, die jeglicher sachlicher Grundlage entbehre, lässt keine substantiierte Auseinandersetzung mit der fachkundigen Bewertung des Umweltingenieurs des Landratsamts erkennen, der unter Annahme einer etwaigen Reflexionswirkung die Verdoppelung des Schallpegels (Spiegelschallquelle) ohne Energieverlust zugrunde liegt. Es trifft deshalb nicht zu, „dass die bauliche Situation der Halle gerade nicht berücksichtigt wurde“. Diese wurde vielmehr zugunsten der Klägerin im Sinn einer nochmaligen worst-case-Betrachtung berücksichtigt, weil davon ausgegangen wird, dass „alle Reflexionen direkt auf das Wohnhaus der Klägerin treffen“ (vgl. bereits die Stellungnahme vom 28. September 2011). Dessen ungeachtet ist der errechnete Beurteilungspegel noch deutlich vom Immissionsrichtwert für Mischgebiete entfernt, auf den das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich abstellt. Es ist deshalb nicht zu sehen, dass sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 12.7.2012 - 4 B 13/12 - NVwZ 2012, 1565).

e) Da aufgrund der auch gewerblichen Prägung der näheren Umgebung nicht vom Vorliegen eines Wohngebiets ausgegangen werden kann, ist bei der Lärmbeurteilung kein Ruhezeitenzuschlag u. a. für Sonn- und Feiertage anzusetzen (vgl. Nr. 6.5 TA Lärm). Ob die zugelassene gewerbliche Nutzung durch den Beigeladenen geeignet ist, gegen das Feiertagsgesetz zu verstoßen, kann offen bleiben. Das Feiertagsgesetz ist nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung im Genehmigungsverfahren (Art. 59 Satz 1 BayBO).

f) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Beigeladene nicht gehindert war, durch einen neuen Bauantrag von der im Vergleichswege abgeänderten Baugenehmigung vom 2. März 2004 abzurücken bzw. von dieser keinen Gebrauch mehr zu machen.

In dem zwischen den Beteiligten im Verfahren RO 2 K 05.765 geschlossenen Vergleich vom 5. August 2005 verpflichtete sich der Beklagte, die Baugenehmigung vom 2. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2005 um näher bezeichnete Nebenbestimmungen zu ergänzen, was mit Bescheid vom 26. August 2005 auch geschehen ist; die Klägerin und der Beigeladene erklärten sich mit der Änderung dieser Baugenehmigung einverstanden. Grundlage des von der Klägerin in Bezug genommenen Vergleichs ist die von der Klägerin angefochtene Baugenehmigung vom 2. März 2004, die die „Teilumnutzung“ der Halle zum Unterstellen von Wohnwagen und Anhängern auf einer Teilfläche der Halle und damit ein anderes Vorhaben zum Gegenstand hatte. Die gegenständliche Baugenehmigung vom 16. Juni 2011 hat einen hiervon abweichenden Regelungsinhalt, insbesondere erfasst sie nicht nur die Erweiterung der Nutzung auf den zuvor als Holz- und Baugerüstlager genutzten Bereich, sondern die Nutzung der gesamten Halle zum Unterstellen von Wohnwagen und Anhängern. Dies ist auch zu fordern, denn bei der Erweiterung einer bereits bestehenden Nutzung ist stets das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung (BVerwG, B. v. 17.2.2009 - 4 B 4/09 - juris Rn. 5 m. w. N.). Die Baugenehmigung vom 2. März 2004 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 26. August 2005 ist deshalb überholt, weil der Beigeladene keinen Gebrauch mehr von ihr macht. Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der darin festgelegten Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung vom 16. Juni 2011 besteht nicht, insbesondere haben sich der Beigeladene und der Beklagte im Vergleich vom 5. August 2005 weder ausdrücklich dazu verpflichtet, Veränderungen der Halle oder ihrer Nutzung für alle Zeit zu unterlassen oder hierfür keine Genehmigung zu erteilen, noch kann der Vergleich dahin ausgelegt werden. Denn die Vergleichsregelung lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich nur auf die Baugenehmigung vom 2. März 2004 bezieht, die Gegenstand der damaligen Anfechtungsklage der Klägerin war. Mit dem Vergleich vom 5. August 2005 sollte das die Baugenehmigung vom 2. März 2004 betreffende Klageverfahren unter Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Beteiligten beendet werden; er hat aber nicht den Anspruch, den nachbarschaftlichen Konflikt zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen in bauplanungsrechtlicher Hinsicht dauerhaft für alle künftigen Vorhaben abschließend zu lösen. Der Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2012 (Az. 8 C 4/11 - BVerwGE 143, 335) lässt nicht erkennen, weshalb hier eine andere Betrachtung anzustellen sei. Die Klägerin konnte gerade nicht annehmen, dass es mit der Baugenehmigung vom 2. März 2004 sein Bewenden habe und der Beigeladene seine Halle stets danach nutzen werde. Als gemeinsame Grundlage aller am Vergleich Beteiligten kommt eine dahin gehende Absicht ohnehin nicht in Betracht. Schließlich ist die Klägerin nicht schutzlos gestellt, denn sie kann gegen eine neue Baugenehmigung im Klagewege vorgehen, wovon sie hier auch Gebrauch gemacht hat.

2. Verfahrensmängel, die zur Zulassung der Berufung führen könnten (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegen nach den vorstehenden Ausführungen nicht vor.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2014 - 15 ZB 12.163

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(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. November 2011 - 13 LA 81/11 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde beanstanden die Beschwerdeführer insbesondere, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil über ihre Klage gegen einen deichrechtlichen Planfeststellungsbeschluss abgelehnt hat.

A.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der an der Alten Aller gelegenen Flurstücke X, Y und Z, von denen eines mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebaut ist.

3

2. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz stellte mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 auf Antrag eines Deichverbands einen Plan für die Verbesserung der Deichsicherheit auf einem Streckenabschnitt von ungefähr 4 km fest. Der festgestellte Plan übernimmt auch einen Änderungsantrag des Deichverbands vom 7. Juli 2008. In diesem wird ausgeführt, für den Bereich der Flurstücke X, Y und Z habe der Antrag bisher die Herstellung einer neuen Hochwasserschutzmauer sowie die Anlage eines Deichverteidigungswegs zwischen der neuen Hochwassermauer und dem Wohngebäude der Beschwerdeführer auf dem Flurstück X vorgesehen. Aufgrund der doch nicht unerheblichen Vorteile eines grünen Deiches gegenüber einer Hochwasserschutzwand im Hinblick auf Sicherheit und Unterhaltungskosten habe die ursprüngliche Planung aus heutiger Sicht, nicht zuletzt auch aufgrund neuerer Vorgaben zur Finanzierung, einer neuen Bewertung bedurft. Im Ergebnis sei danach, soweit möglich, auch hier der grüne Deich zu realisieren. Der Bau des Deiches solle auf dem Flurstück Y erfolgen. Der dauerhaft in Anspruch genommene Flächenanteil dieses Flurstücks betrage 3.100 qm.

4

3. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführer gegen den Planfeststellungsbeschluss weitgehend ab.

5

Eine Verletzung des Abwägungsgebotes könnten die Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend machen. Der beklagte Landesbetrieb (im Folgenden: Beklagter) habe bei seiner Abwägungsentscheidung die Belange der Beschwerdeführer berücksichtigt. Das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Z werde im Umfang von 830 qm für den Neubau des Deichkörpers in Anspruch genommen. Eine Flächeninanspruchnahme sei bei der Entscheidung zugunsten des grünen Deiches in diesem Umfang geboten. Eine wesentliche Beeinträchtigung ihres verbleibenden Grundbesitzes ergebe sich daraus nicht, zumal auch bei einer Erhöhung der vorhandenen Flutschutzmauer, wie dies die Beschwerdeführer wünschten, Beeinträchtigungen ihres Grundbesitzes zu erwarten wären. Die Flächeninanspruchnahme sei dann allerdings geringer. Auch die Belange des Naturschutzes würden gewahrt. Denn der vorhandene Teich, der als Biotop einzustufen sei, werde an anderer Stelle neu hergestellt. Eine erhebliche Beeinträchtigung des vorhandenen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH-Gebiet) sei zudem durch die geplante Trassierung nicht zu erwarten. Dies wäre allenfalls bei einer Verlegung des Deiches in östlicher Richtung, also auf das Flurstück Y, der Fall. Dieses Flurstück werde aber durch die Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt, hiervon werde lediglich während der Bauzeit ein Arbeitsstreifen in Anspruch genommen.

6

4. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab.

7

Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sei nicht hinreichend dargetan und liege zudem nicht vor. Die Beschwerdeführer hätten die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Abwägungsgebot entspreche.

8

Die Beschwerdeführer seien durch die Deicherneuerungsmaßnahme unmittelbar in ihrem Eigentumsrecht betroffen. Sie hätten deshalb einen Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Abwägungskontrolle.

9

Das Abwägungsgebot habe in der Rechtsprechung zu der gerichtlichen Überprüfung von Planungsalternativen in Bezug auf abweichende Standorte beziehungsweise Trassen eine nähere Ausformung erfahren, die sich auch auf die Bestimmung einer Deichlinienführung für einen der Planfeststellung unterliegenden Deichbau übertragen ließe: Ernsthaft in Betracht kommende Alternativlösungen müssten bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die eigentliche planerische Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Alternativen unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Planfeststellungsbehörde handele nicht schon dann fehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls aus guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl seien erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen sei.

10

Einen derartigen Fehler hätten die Beschwerdeführer in ihrer Zulassungsbegründung nicht darzulegen vermocht.

11

So sei die dauerhafte Inanspruchnahme des im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Flurstücks Y durch die Erstellung eines grünen Deichs anstelle der Verstärkung und Erhöhung der alten Hochwasserschutzmauer Gegenstand der Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses gewesen. Der Änderungsantrag des Beigeladenen vom 7. Juli 2008 weise eindeutig darauf hin, dass alle beschriebenen Maßnahmen (Errichtung eines grünen Deiches anstelle einer Hochwasserschutzmauer) auf dem Flurstück Y zu realisieren seien. Der Änderungsantrag sei ebenso wie der zugehörige Lageplan Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses und damit Gegenstand der Abwägung geworden. Dass dieser Belang auch tatsächlich inhaltlich abgewogen worden sei, ergebe sich aus den Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses. Danach seien die Eigentumsbelange der Beschwerdeführer, die aufgrund der Vorgabe, dass ein grüner Deich errichtet werden müsse, betroffen würden, in die Abwägung eingestellt worden, hätten aber hinter die Belange des Hochwasserschutzes zurücktreten müssen. Einzig denkbare Alternative zur Verwirklichung des Hochwasserschutzes im Bereich des Wohnhauses der Beschwerdeführer sei die Herstellung eines grünen Deiches auf der Trasse des jetzigen Deiches. Dies hätte aber den Abriss dieses Wohnhauses zur Folge, was ungleich schwerer wiege als die Inanspruchnahme von Weideland.

12

Allerdings sei das Verwaltungsgericht offensichtlich irrig davon ausgegangen, das Flurstück Y werde nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens in Anspruch genommen. Dies sei jedoch für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ohne Bedeutung, da die dauerhafte teilweise Inanspruchnahme dieses Grundstücks - wie dargelegt - durch den Beklagten ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden sei, mithin kein Abwägungsfehler vorliege, der der Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht entgegenstünde.

13

Zu Recht habe das Verwaltungsgericht auch die Errichtung eines grünen Deiches vor dem Wohnhaus der Beschwerdeführer anstelle der ursprünglich geplanten Verstärkung und Erhöhung der vorhandenen Hochwasserschutzmauer als abwägungsfehlerfrei angesehen. Insoweit habe es zutreffend auf die Schwachstellen im Übergangsbereich einer Hochwasserschutzmauer zu dem sich anschließenden grünen Deich hingewiesen. Zu Recht habe es dabei auch darauf abgestellt, dass eine notfallmäßige Erhöhung durch Sandsäcke bei einem grünen Deich einfacher und sicherer zu bewerkstelligen sei, als dies bei einer Hochwasserschutzmauer der Fall wäre. Dies ergebe sich schon aufgrund der breiteren zur Verfügung stehenden Grundfläche und bedürfe keiner weiteren Erläuterung.

II.

14

1. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Planfeststellungsbeschluss, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht. Sie rügen eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 GG und machen unter anderem geltend, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze ihr Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, weil er die Anforderungen an die Darlegung der verschiedenen Zulassungsgründe überspanne.

15

Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hätten sie aufgezeigt, dass sich eine erhebliche Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Urteils schlüssig in Frage stellen lasse. Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil davon aus, dass das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Y nicht auf Dauer, sondern lediglich für die Bauzeit in geringem Umfang beeinträchtigt werde. Mit der Feststellung dieser Tatsache gehe das Verwaltungsgericht außerdem davon aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des sich dort befindenden FFH-Gebiets nicht zu erwarten sei. Sie hätten dargelegt, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts 3.100 qm des Flurstücks Y dauerhaft in Anspruch genommen werden sollten. Insoweit stimmten die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss überein.

16

Diese Fehleinschätzung sei für das Urteil des Verwaltungsgerichts auch erheblich, denn sie betreffe die Art und Weise sowie den Umfang der Inanspruchnahme ihres Grundeigentums, darüber hinaus aber auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von ihnen rügefähige Frage der Vereinbarkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses mit (europäischem) Naturschutzrecht. Erheblich sei sie auch insofern, als das Verwaltungsgericht auf die Feststellung seine Überprüfung der dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Abwägung stütze und hiernach in dem Urteil zu dem Schluss komme, die Beklagte habe ihre Belange hinreichend berücksichtigt.

17

Die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts habe das Oberverwaltungsgericht im Grunde zwar auch erkannt, die "irrige" Annahme des Verwaltungsgerichts zu der Inanspruchnahme des Flurstücks Y jedoch als für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils unbedeutend angesehen. Die angebliche Ergebnisrichtigkeit des Urteils begründe das Oberverwaltungsgericht damit, dass die Planfeststellungsbehörde die Inanspruchnahme des Flurstücks Y ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt habe. Mit dieser Würdigung greife das Oberverwaltungsgericht aber dem eigentlichen Berufungsverfahren vor. Unabhängig davon seien erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dargetan, wenn sich aus dem Vorbringen ergebe, dass das Urteil auf der fehlerhaften Annahme von in Anspruch genommenen Flächen fuße, denn es sei Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu prüfen, ob die Belange tatsächlich ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden seien.

18

2. Die Niedersächsische Landesregierung sowie der Beklagte und der im Ausgangsverfahren beigeladene Deichverband hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten der Ausgangsverfahren sind beigezogen.

B.

19

Die Verfassungsbeschwerde hat hinsichtlich des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Erfolg.

I.

20

Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet, ist sie zulässig (1.) und begründet (2.). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er ist aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

21

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben haben. Dies war weder zur Erschöpfung des Rechtswegs (a) noch wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (b) geboten.

22

a) aa) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; 126, 1 <17>). Erheben Beschwerdeführer in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10).

23

Wird die Rüge einer Gehörsverletzung hingegen weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst wirksam im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge einer Gehörsverletzung wieder zurückgenommen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rechtswegerschöpfung nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab. Wurde ein Anhörungsrügeverfahren vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführt, mit der Verfassungsbeschwerde aber kein Gehörsverstoß gerügt - etwa weil sich die Beschwerdeführer insoweit von den Gründen des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses haben überzeugen lassen -, zählt dieses Anhörungsrügeverfahren, wenn es nicht offensichtlich aussichtslos war, gleichwohl zum Rechtsweg und wirkt damit fristbestimmend für die Verfassungsbeschwerde.

24

bb) Die Beschwerdeführer machen mit ihrer Verfassungsbeschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend.

25

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde enthält allerdings Ausführungen, die - isoliert betrachtet - als Rügen einer Gehörsverletzung gedeutet werden könnten. So beanstanden die Beschwerdeführer unter anderem, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe. Dieses Vorbringen kann bei sachdienlicher Auslegung nicht als Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG verstanden werden. Es dient im Zusammenhang der Verfassungsbeschwerde eindeutig dem Ziel zu begründen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie den der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache verkannt habe. Dass die Beschwerdeführer ungeachtet dessen mit diesen Ausführungen gleichwohl der Sache nach einen Gehörsverstoß rügen wollen, kann nach dem Grundsatz wohlwollender Auslegung prozessualer Anträge im Sinne des erkennbaren Rechtsschutzanliegens auch deshalb nicht angenommen werden, weil ihrem Vorbringen ansonsten ein Verständnis unterlegt würde, das mangels Erhebung einer Anhörungsrüge zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde führen würde.

26

b) Die Erhebung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO war hier auch nicht mit Rücksicht auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde geboten.

27

aa) Dieser in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz verlangt, dass Beschwerdeführer alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Das kann auch bedeuten, dass Beschwerdeführer zur Wahrung des Subsidiaritätsgebots gehalten sind, im fachgerichtlichen Verfahren eine Gehörsverletzung mit den gegebenen Rechtsbehelfen, insbesondere mit einer Anhörungsrüge, selbst dann anzugreifen, wenn sie im Rahmen der ihnen insoweit zustehenden Dispositionsfreiheit mit der Verfassungsbeschwerde zwar keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen wollen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), durch den fachgerichtlichen Rechtsbehelf aber die Möglichkeit wahren, dass bei Erfolg der Gehörsverletzungsrüge in den vor den Fachgerichten gegebenenfalls erneut durchzuführenden Verfahrensschritten auch andere Grundrechtsverletzungen, durch die sie sich beschwert fühlen, beseitigt werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Denn die Dispositionsfreiheit der Beschwerdeführer enthebt sie nicht ohne Weiteres der Beachtung des Subsidiaritätsgebotes; als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist dieses der Verfügungsmacht der Beschwerdeführer entzogen.

28

Die Verweisung auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit einer anderweitigen prozessualen Möglichkeit zur Abhilfe (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07,1 BvR 1569/08 -, NJW 2012, S. 3081 <3082 [Tz. 45]>). Zur Vermeidung der Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, bei der sie sich nicht auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG berufen, müssen Beschwerdeführer daher aus Gründen der Subsidiarität eine Anhörungsrüge oder den sonst gegen eine Gehörsverletzung gegebenen Rechtsbehelf nur dann ergreifen, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt und zu erwarten wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer bereits im gerichtlichen Verfahren einen entsprechenden Rechtsbehelf ergreifen würden.

29

Das Subsidiaritätsgebot greift danach in den hier in Rede stehenden Fällen insbesondere dann, wenn auf der Hand liegt, dass mit dem Beschwerdevorbringen der Sache nach ein Gehörsverstoß gerügt wird, die Beschwerdeführer aber ersichtlich mit Rücksicht darauf, dass kein Anhörungsrügeverfahren durchgeführt wurde, ausschließlich die Verletzung eines anderen Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts geltend machen, das durch ein solches Vorgehen des Gerichts gleichfalls verletzt sein kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris).

30

Die Möglichkeit, über eine erfolgreiche Anhörungsrüge die Beseitigung anderweitiger Grundrechtsverletzungen zu erreichen, besteht im Übrigen von vornherein nur in dem Umfang, als diese denselben Streitgegenstand betreffen wie die geltend gemachte Gehörsverletzung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Nur insoweit kann aus dem Subsidiaritätsgrundsatz die Obliegenheit der Erhebung einer Anhörungsrüge auch für den Fall abgeleitet werden, dass mit der Verfassungsbeschwerde kein Gehörsverstoß gerügt wird.

31

bb) Gemessen hieran verletzt es nicht den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass die Beschwerdeführer es unterlassen haben, eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Ablehnung der Zulassung der Berufung zu erheben.

32

Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung des FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe, ist schon zweifelhaft, ob dieser Vortrag, selbst wenn er in der Sache zuträfe, überhaupt geeignet ist, eine Gehörsverletzung zu begründen. Wird bestimmter Vortrag in einer gerichtlichen Entscheidung nicht erwähnt, lässt dies nämlich nur unter besonderen Umständen den Rückschluss auf die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens zu (vgl. BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Das hier in Frage stehende, für die Geltendmachung einer Gehörsverletzung eher unspezifische Vorbringen der Beschwerdeführer ist zudem eindeutig und sinnvoll in die Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eingebunden, die sich gegen die Verneinung des Berufungszulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache richtet. Es gibt insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer damit lediglich eine Versäumung der Anhörungsrüge umgehen wollten. Sie müssen sich daher nicht entgegenhalten lassen, dass die Erhebung einer Anhörungsrüge nahe gelegen hätte und zu erwarten gewesen wäre, dass ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter eine Anhörungsrüge erhoben hätte.

33

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

34

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

35

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

36

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies ist den Beschwerdeführern gelungen. Sie haben aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht in einem für ihr Grundeigentum und damit für die Entscheidung wesentlichen Punkt von falschen Annahmen über die Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss ausgegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

37

Das Urteil des Verwaltungsgerichts geht von der Annahme aus, das im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Flurstück Y werde durch die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt; vielmehr werde lediglich während der Bauzeit ein Streifen dieses Flurstücks in Anspruch genommen.

38

Die Beschwerdeführer haben in der Begründung ihres Zulassungsantrags geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bereits im Änderungsantrag vom 7. Juli 2008 ausdrücklich von der Notwendigkeit der dauerhaften Inanspruchnahme von 3.100 qm des Flurstücks Y die Rede sei. Dementsprechend sei auch die Festsetzung im Planfeststellungsbeschluss erfolgt. Der Planfeststellungsbeschluss enthalte keine gerechte Abwägung ihrer Belange.

39

Das Oberverwaltungsgericht hat erkannt, dass das Verwaltungsgericht "offensichtlich irrig" von einer nur vorübergehenden Inanspruchnahme des Flurstücks Y nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens ausgegangen ist. Dennoch hat es sich nicht dazu veranlasst gesehen, die Berufung aufgrund einer unzutreffenden Annahme der tatsächlichen Betroffenheit der Beschwerdeführer zuzulassen. Es hat vielmehr im Berufungszulassungsverfahren eine eigene Prüfung der fachplanerischen Abwägungsentscheidung vorgenommen und dabei das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig befunden. Damit hat es in verfassungswidriger Weise Teile der dem Berufungsverfahren vorbehaltenen Sachprüfung in das Berufungszulassungsverfahren vorverlagert.

40

Zwar begegnet es keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere entscheidungstragende Gründe abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

41

Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kontrolle der fachplanerischen Abwägungsentscheidung in einem für die Beschwerdeführer entscheidenden Punkt durch eine eigene Kontrolle ersetzt. Ob das Deichbauvorhaben die Eigentumsrechte der Beschwerdeführer gemessen an den damit verfolgten Zielen und den in Frage kommenden Vorhabenalternativen - hier insbesondere der von den Beschwerdeführern statt des Deichneubaus verlangten Ertüchtigung der Hochwasserschutzwand - unverhältnismäßig beeinträchtigt, hängt unter anderem maßgeblich von der mit den festgestellten Maßnahmen einhergehenden Eigentumsbelastung für die Beschwerdeführer ab. Dass es insofern für die Abwägungsentscheidung von erheblichem Gewicht ist, ob das Flurstück Y nur vorübergehend während der Bauzeit als Arbeitsstreifen oder dauerhaft in dem doch beträchtlichen Umfang von 3.100 qm in Anspruch genommen wird, liegt auf der Hand. Es war dem Oberverwaltungsgericht bei Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes verwehrt, im Berufungszulassungsverfahren, das insbesondere mangels eines förmlichen Beweisaufnahmeverfahrens den Beteiligten von vornherein weniger Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tatsachenfeststellung einräumt als das Hauptsacheverfahren, diese Frage der Abgewogenheit des Planfeststellungsbeschlusses abweichend vom Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden.

42

Da das Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ablehnen konnte, beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf diesem Verfassungsverstoß. Ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts darüber hinaus auch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, kann dahinstehen.

II.

43

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landesbetriebs wendet, bedarf es keiner Entscheidung. Durch die Aufhebung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet und dadurch eine erneute fachgerichtliche Aufarbeitung des Ausgangsfalls möglich (vgl. BVerfGE 129, 1 <37>).

C.

44

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

45

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Gründe

1

Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

2

1. Die Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

3

Bei der Grundsatzrüge muss der Beschwerdeführer eine bestimmte, von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage des revisiblen Rechts genau bezeichnen sowie substantiiert näher begründen, warum er diese Rechtsfrage für klärungsbedürftig und im Revisionsverfahren für klärungsfähig hält; ferner muss er dartun, warum ihre Tragweite über den konkreten Einzelfall hinausreicht und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 28. Mai 2010 - BVerwG 8 B 121.09 - juris).

4

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der Beschwerdeschrift hinsichtlich der darin als klärungsbedürftig angegebenen Rechtsfrage

"Sind nach dem endgültigen Ausscheiden des Geschädigten durch ein Unternehmen erworbene Aktien Vermögensgegenstände i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG?"

nicht gerecht. Mit der Beschwerde wird bereits nicht dargetan, aus welchem Grund diese aufgeworfene Rechtsfrage für klärungsbedürftig gehalten wird und warum ihre Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist. Die bloße Behauptung, dem Kläger sei eine zusätzliche Entschädigung "auf die nachträglich erworbenen 140 000 RM Aktien zu gewähren", wenn die aufgeworfene Frage in seinem Sinne geklärt werde, reicht nicht aus.

5

Die gestellte Frage war für das Verwaltungsgericht nur mit Blick darauf entscheidungserheblich, ob nach der Anteilsentziehung von dem Unternehmen angeschaffte Aktien dazu führen, dass sich die Höhe des Bruchteilseigentums steigert. Das hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf den Beschluss des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2006 - BVerwG 7 B 76.05 - zutreffend verneint, ohne dass ein weiterer Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren besteht. Denn für die Höhe des einzuräumenden Bruchteilseigentums ist der Schädigungszeitpunkt maßgebend. Nach dem Schädigungszeitpunkt von dem Unternehmen angeschaffte Aktien sind hiernach für die ergänzende Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG ohne Belang (Beschluss vom 21. Februar 2006 - BVerwG 7 B 76.05 - Rn. 9 n.v.). Der Kläger hat in seiner Beschwerdebegründung auch keine durchgreifenden Gründe genannt, die eine abweichende Beurteilung für die Bemessung der Entschädigung oder die Höhe der Erlösauskehr rechtfertigen könnten. Der von ihm angeführte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Oktober 1998 - 1 BvR 2349/96 - (BVerfGE 99, 129 <139 ff., 141>) befasst sich allein mit einer unterschiedlichen Behandlung von Grundstückseigentum und Erbbaurecht im Rahmen des § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG und ist mithin im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung. Nichts anderes gilt auch für die vom Kläger zitierte bilanzrechtliche Vorschrift des Handelsgesetzbuches.

6

2. Auch die erhobene Divergenzrüge genügt nicht den prozessrechtlichen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

7

Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 f.). Daran fehlt es hier.

8

Der Kläger hat den von ihm bezeichneten abstrakten Rechtssätzen aus dem angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2009 - BVerwG 5 C 33.07 - (BVerwGE 134, 196 = Buchholz 360 § 52 GKG Nr. 8), wonach

bei Schädigung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in der NS-Zeit unabhängig von der Höhe der Beteiligung die Höhe der Entschädigung nach der anteiligen Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Unternehmen (§ 2 Satz 2 NS-VEntschG) zu bemessen ist,

im Sinne des § 2 NS-VEntschG die Schädigung durch Zugriff auf eine Aktienbeteiligung auch eine Schädigung an einem Unternehmen bedeutet und

gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 VermG als Vermögenswert im Sinne des Vermögensrechts ausdrücklich auch die Beteiligung an einem Unternehmen erfasst ist, wie sie, ohne dass die Aktie als eine solche Beteiligung im Gesetz genannt wird, in der und durch die Aktie verkörpert wird,

keinen nach seiner Auffassung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift davon abweichenden abstrakten Rechtssatz im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts gegenüber gestellt. Er hat lediglich gerügt, das Verwaltungsgericht habe "diese Rechtsprechung" in seinem Urteil "nicht berücksichtigt". Denn es habe die Berechnung der unmittelbaren Beteiligung von Dr. F. in Höhe von 140 000 RM bezogen auf das Stammkapital (offenbar gemeint: Grundkapital) von 1 Mio. RM damit abgelehnt, dass die Berechnung der Entschädigung für den Verlust entzogener Beteiligungen "gemäß § 2 I NS-VEntschG" (offenbar gemeint: § 2 Satz 1 NS-VEntschG) erfolge, obwohl das Bundesverwaltungsgericht im vorbezeichneten Urteil vom 17. Juli 2009 (a.a.O.) den Rechtssatz aufgestellt habe, § 2 Satz 2 NS-VEntschG finde Anwendung. Das reicht nicht aus, um eine Divergenzrüge hinreichend zu begründen, zumal der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im genannten Urteil zum Verhältnis der Regelungen der Sätze 1 und 2 des § 2 NS-VEntschG keine Ausführungen gemacht hat. Eine fehlerhafte Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatzes stellt keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.

9

Auch soweit der Kläger eine Divergenz zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2005 - BVerwG 7 B 21.05 - rügt, macht er wiederum lediglich geltend, das Verwaltungsgericht habe den von ihm angeführten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts rechtsfehlerhaft angewandt, in dem es die von ihm vorgelegten Unterlagen (Protokoll der Generalversammlung vom 22. Dezember 1936 und Hinterlegungsschein vom 17. Dezember 1936) nicht hinreichend berücksichtigt habe. Das vermag eine Divergenz nicht zu begründen.

10

3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.

11

a) Soweit in der Beschwerdebegründung gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe die vom Kläger gestellten Anträge unzutreffend gewürdigt, da der Kläger

mit seinem Schriftsatz vom 15. Februar 2002 Klageanträge nur angekündigt habe, ohne ein endgültiges Begehren zu formulieren und ohne einen solchen Sachverhalt zur Grundlage seiner Klage gemacht zu haben,

ist ein Verfahrensfehler nicht ersichtlich.

12

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen hat, soweit der Kläger in seinem Klageantrag zu 1 über seinen ursprünglichen Klageantrag hinaus die Feststellung seiner Berechtigung hinsichtlich der unmittelbaren Beteiligung seines Rechtsvorgängers Dr. Sally F. an der ehemaligen Maschinen- und Anlagenbau G. GmbH (MAG) in Höhe von 51,53 % begehrt. Denn der angegriffene Bescheid der Beklagten ist insoweit bereits in Bestandskraft erwachsen.

13

Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2002 enthält unter Nr. 2 seines Tenors die Regelung, dass der Kläger Berechtigter ist hinsichtlich der unmittelbaren Aktienbeteiligung von Dr. Sally F. an der ehemaligen MAG "in Höhe von 32 000 RM, die - gemessen an einem Stammkapital von 730 000 RM - 4,38 % beträgt, und in Höhe von 140 000 RM, die - gemessen an einem Stammkapital von 1 200 000 RM - 11,67 % beträgt" und dass dem Kläger wegen des Verlustes dieser Aktienbeteiligungen dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung in Geld gegen den Entschädigungsfonds nach Maßgabe des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes zusteht. Diese Entscheidung der Beklagten erging auf das am 24. September 1991 bei der zuständigen Behörde eingegangene Schreiben vom 9. September 1991, mit dem von der zwischenzeitlich verstorbenen Frau Emmy D. als Rechtsnachfolgerin von Dr. Sally F. vermögensrechtliche Ansprüche u.a. wegen des Verlustes der unmittelbaren und mittelbaren Aktienbeteiligungen an der ehemaligen MAG angemeldet wurden, sowie der ergänzenden Erklärungen und Angaben des Klägers. Vor Ergehen des streitgegenständlichen Bescheides hatte der Bevollmächtigte des Klägers auf die Anhörung gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 VermG mit Schreiben vom 17. September 2001 mitgeteilt, dass die Beklagte "die Beteiligungshöhen von Herrn Dr. F. ... mit 32 000 RM und 140 000 RM zutreffend" festgesetzt habe; auch der Bezug des ersten Betrages (von 32 000 RM) auf das ursprüngliche "Stammkapital" von 730 000 RM sei zutreffend. Unzutreffend sei allerdings der Bezug des "zweiten Betrages auf ein Stammkapital von 1,2 Mio. RM"; dieses sei "auf eine Mio. RM zu beziehen und damit als 14 % Anteil zu bewerten" (BA IV Bl. 304). Darüber hinausgehende Ansprüche wurden hinsichtlich der unmittelbaren Aktienbeteiligung an der MAG von dem Kläger nicht geltend gemacht. Der auf dieser Grundlage ergangene Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2002 war nach seinem Regelungsgehalt darauf gerichtet, u.a. über die Ansprüche des Klägers hinsichtlich der unmittelbaren Aktienbeteiligung des Dr. Sally F. an der ehemaligen MAG eine abschließende Entscheidung zu treffen. Soweit mithin im angegriffenen Bescheid der Beklagten hinsichtlich der unmittelbaren Aktienbeteiligung Dr. Sally F. (lediglich) die in Nr. 2 des Bescheidtenors aufgeführten Anteile von 4,38 % (32 000 RM bei einem Grundkapital von 730 000 RM) und von 11,67 % (140 000 RM bei einem Grundkapital von 1,2 Mio. RM) festgestellt wurden, wurden angesichts des Gesamtregelungscharakters des Bescheides damit zugleich darüber hinausgehende Ansprüche des Klägers abgelehnt.

14

Die im Bescheid vom 16. Januar 2002 getroffenen Regelungen sind bestandskräftig geworden, soweit sie nicht mit der vor Ablauf der Frist des § 74 VwGO erhobenen Klage angegriffen worden sind. Zu Recht ist dabei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Gegenstand der am 15. Februar 2002 beim Verwaltungsgericht erhobenen Verpflichtungsklage des bereits damals anwaltlich vertretenen Klägers ausweislich der Nr. 1 der Klageschrift lediglich das Begehren war, den Tenor zu Nr. 2 des angegriffenen Bescheides "hinsichtlich des 2. Beteiligungsbetrages", also hinsichtlich der Aktienbeteiligung von 140 000 RM, zu ändern. Der Kläger hat insoweit zwar die Feststellung begehrt, dass er Berechtigter ist "hinsichtlich eines weiteren Betrages in Höhe von 140 000 RM, der - gemessen an einem Stammkapital von 1 Mio. RM - 14 % beträgt." Dabei ging es ihm aber ersichtlich nicht um einen gegenüber den bereits vom Bescheid erfassten Aktienbeteiligungen (Nennbeträgen) von 172 000 RM (32 000 RM und 140 000 RM) "weiteren", also zusätzlichen Betrag von 140 000 RM. Mit "weiteren" meinte er vielmehr den (neben dem "Beteiligungsbetrag" von 32 000 RM) im Bescheid anerkannten "2. Beteiligungsbetrag" von 140 000 RM, den er jedoch bei der Berechnung des Anteils auf ein Grundkapital von 1 Mio. RM bezogen wissen wollte.

15

Im Übrigen ist der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2002 hinsichtlich der unmittelbaren Aktienbeteiligung des Rechtsvorgängers des Klägers bestandskräftig geworden. Dies war bereits zum Zeitpunkt der mit Schriftsatz vom 19. April 2007 und dann erneut in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klageerweiterung/-änderung(en) der Fall. Denn der Kläger hatte den Bescheid insoweit, also hinsichtlich der nicht erfolgten Berechtigtenfeststellung für eine über die Nennbeträge von 172 000 RM hinausgehende unmittelbare Aktienbeteiligung des Dr. Sally F. an der ehemaligen MAG, nicht innerhalb der am 18. Februar 2002 abgelaufenen einmonatigen Klagefrist des § 74 VwGO angegriffen. Daran ändert auch die in der Klageschrift gewählte Formulierung nichts, der Prozessbevollmächtigte "kündige zunächst folgende Anträge an ...". Da das bei Klageerhebung geltend gemachte Rechtsschutzbegehren erst mit Schriftsatz des Klägers vom 19. April 2007 und dann nochmals in der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2009 erweitert worden ist, war der angegriffene Bescheid nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist insoweit unanfechtbar.

16

Der vom Kläger innerhalb der Klagefrist des § 74 VwGO nicht angegriffene Teil der im Bescheid vom 16. Januar 2002 getroffenen Gesamtregelung war auch einer (Teil-)Bestandskraft zugänglich. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsaktes teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft sie, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ("Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist...") ergibt, an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl. Beschluss vom 2. Januar 1997 - BVerwG 8 B 240.96 - juris Rn. 5). Eine solche Teilbarkeit der in dem angegriffenen Bescheid vom 16. Januar 2002 getroffenen Gesamtregelung war im vorliegenden Falle gegeben. Denn die im Bescheid erfolgte Berechnung des Anteils der Nennbeträge der Aktien am Grundkapital der Aktiengesellschaft ist von der Entscheidung über die Grundlage der Berechnung, nämlich der Feststellung der Nennbeträge der Aktien (hier: 32 000 RM; 140 000 RM; keine weiteren unmittelbaren Aktienbeteiligungen), als selbstständige (Teil-)Regelung abtrennbar (zur Teilbestandskraft von Bemessungsgrundlagen vgl. Urteil vom 25. Oktober 1978 - BVerwG 8 C 7.78 - BVerwGE 56, 362 <364 f.>).

17

Diese nach Ablauf der Klagefrist eingetretene Unanfechtbarkeit des bezeichneten Teils der Gesamtregelung kann nicht nachträglich durch eine spätere Erweiterung des Klagebegehrens wieder beseitigt werden (vgl. dazu u.a. Urteil vom 26. April 1974 - BVerwG 7 C 30.72 - Buchholz 401.67 Schankerlaubnissteuer Nr. 16 m.w.N.).

18

Die Frage, ob das im Schriftsatz vom 19. April 2007 und dann des Weiteren in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2009 nochmals modifizierte Rechtsschutzbegehren eine Klageänderung oder eine Klageerweiterung darstellt und ob diese nach § 91 VwGO bzw. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 263, 264 ZPO zulässig war, kann mithin offenbleiben, denn in beiden Fällen ist das insoweit verfolgte Begehren unzulässig. Es kommt weder darauf an, ob das Verwaltungsgericht zu Recht eine Klageänderung angenommen und diese als nicht sachdienlich qualifiziert hat noch darauf, ob die Beklagte und die Beigeladenen sich auf das geänderte Begehren eingelassen haben.

19

Sowohl bei einer Klageänderung (§ 91 VwGO) als auch bei einer Klageerweiterung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) müssen die Sachurteilsvoraussetzungen auch hinsichtlich des erweiterten Teils der Klage vorliegen und von Amts wegen geprüft werden. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist des § 74 VwGO (vgl. Urteile vom 23. März 1972 - BVerwG 3 C 132.70 - BVerwGE 40, 25 <32> und vom 11. Februar 1982 - BVerwG 5 C 119.79 - BVerwGE 65, 45 <49>).

20

b) Das Vorbringen des Klägers lässt auch nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht mit den erfolgten Beiladungen einen Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begangen hat. Zwar kann nach dem Vorbringen des Klägers und der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Feststellung des Klägers zutreffend ist, die Beigeladene zu 1 habe ihre Geschäftsanteile an der MAG-GmbH zwischenzeitlich veräußert. Daraus folgt jedoch entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht, dass die Beiladung der Beigeladenen zu 1 verfahrensfehlerhaft erfolgt ist. Soweit das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung über das Unternehmen Fa. Maschinen- und Anlagenbau G. GmbH (MAG-GmbH) falsche Tatsachenfeststellungen getroffen haben sollte, stand es dem Kläger (und der Beklagten) offen, gemäß § 119 VwGO die Berichtigung des Tatbestandes zu beantragen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Im Übrigen hätte der Kläger (und die Beklagte) in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit gehabt, die Aufhebung der Beiladung der Beigeladenen zu 1 zu beantragen, was jedoch unterlassen worden ist. Im Übrigen könnte das Urteil nicht auf der Beiladung beruhen.

21

c) Soweit der Kläger zudem die Beiladung der TLG Gewerbepark G. GmbH, der Beigeladenen zu 2, rügt, ist auch insofern ein Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht ersichtlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urteile vom 13. April 2000 - BVerwG 7 C 84.99 - BVerwGE 111, 129 = Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 26 und vom 24. August 2000 - BVerwG 7 C 5.00 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 28) kann der am Restitutionsverfahren beteiligte Verfügungsberechtigte einen bestandskräftig gewordenen Teilbescheid über die Berechtigung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG im Rahmen eines späteren Rechtsstreits über die Rückübertragung grundsätzlich nicht mehr in Frage stellen. Die Berechtigtenfeststellung begründet somit einen rechtlichen Nachteil für den Verfügungsberechtigten im Vorfeld der abschließenden Entscheidung über den Antrag auf Rückübertragung und damit zugleich dessen Interesse i.S.v. § 65 Abs. 2 VwGO an einer Beiladung bereits im Verfahren über die Feststellung der Berechtigung.

22

d) Soweit der Kläger mit der Verfahrensrüge schließlich geltend macht, das Verwaltungsgericht habe bezüglich seines Klageantrages zu 3 seine Berechtigung hinsichtlich der Einräumung von Bruchteilseigentum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auf 68,90 % festzustellen, den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und damit die Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO verletzt, hat sein Begehren ebenfalls keinen Erfolg.

23

Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; (zu den Anforderungen an eine Aufklärungsrüge vgl. u.a. Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Daran fehlt es hier. In welcher tatsächlichen Hinsicht für das Verwaltungsgericht insoweit noch ein weiterer durch eine Beweisaufnahme zu deckender Aufklärungsbedarf bestanden haben soll und welche Beweismittel zur Verfügung gestanden haben sollen, lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen.

24

4. Soweit sich aus dem Schriftsatz des Klägers vom 15. März 2010 neues Vorbringen ergibt, kann dies nicht berücksichtigt werden, weil der Schriftsatz erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO, also nach dem 1. Dezember 2009 eingegangen ist.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.

3

Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Nicht jede Frage, zu der sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht geäußert hat, führt indessen auf eine erst im Revisionsverfahren zu klärende Thematik. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsverfahrens ist vielmehr Voraussetzung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. So liegt es hier. Die von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob zur Abgrenzung eines zentralen Versorgungsbereichs im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB auf die Festlegung eines Vorranggebiets als Ziel der Raumordnung abgestellt werden kann, mit dem der zentralörtliche Siedlungs- und Versorgungskern abgegrenzt werden soll, lässt sich mit dem Verwaltungsgerichtshofs verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

4

§ 34 Abs. 3 BauGB ordnet an, dass von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass regionalplanerische Zielvorgaben zur räumlichen Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche nach § 34 Abs. 3 BauGB nicht in Betracht kommen, sondern für die Einordnung eines Gebiets als zentraler Versorgungsbereich allein die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind (so auch Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl. 2004, Rn. 2068; Uechtritz, NVwZ 2007, 660 <662>; Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Aufl. 2007, Rn. 329; a.A. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 34 Rn. 55; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 34 Rn. 74; Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2009, § 34 Rn. 53). Dem ist beizupflichten.

5

Im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 und 2 BauGB wird generell und seit jeher nur auf das tatsächlich Vorhandene abgestellt und haben Grundstückseigenschaften, die in den optisch wahrnehmbaren Gegebenheiten keinen Niederschlag gefunden haben, außer Betracht zu bleiben (vgl. Urteil vom 11. Februar 1993 - BVerwG 4 C 15.92 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 156 S. 91 f.). Vor diesem Hintergrund spricht bereits der Wortlaut des durch das BauGB-Änderungsgesetz 2004 eingefügten § 34 Abs. 3 BauGB dafür, dass die Norm lediglich auf dem Umgriff tatsächlich vorhandener zentraler Versorgungsbereiche abstellt. Sie spricht nicht von "vorhandenen oder zu entwickelnden" zentralen Versorgungsbereichen, sondern enthält sich dieser adjektivischen Zusätze. Insofern unterscheidet sie sich von § 9 Abs. 2a BauGB, der zwecks "Erhaltung oder Entwicklung", d.h. Bewahrung und Schaffung zentraler Versorgungsbereiche zur Aufstellung eines Bebauungsplans mit bestimmten Festsetzungen ermächtigt.

6

Das Ergebnis liegt auf der Linie der bisherigen Senatsrechtsprechung. Der Senat hat im Urteil vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 1.08 - (BVerwGE 136, 18) die unmittelbare Anknüpfung an landesplanerische Zielvorgaben bei der Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB u.a. deshalb nicht für möglich gehalten, weil sich Zielvorgaben an die Träger der Bauleitplanung und nicht an die Genehmigungsbehörde richten. Zwar stehen seine Ausführungen im Zusammenhang mit der Frage, ob zur Feststellung schädlicher Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB die einschlägigen landesplanerischen Zielvorgaben als Orientierungshilfe herangezogen werden dürfen. Sie sind jedoch - zu Recht - so formuliert, dass sie für die Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB insgesamt und damit auch für die von der Klägerin aufgeworfene Frage gelten. Der Wortlaut des § 34 Abs. 3 BauGB gibt nichts dafür her, dass eine rechtlich gebundene Entscheidung über die Erteilung einer Vorhabengenehmigung vom jeweiligen Inhalt einer landes- oder regionalplanerischen Dezision abhängig sein soll. Insoweit unterscheidet sich § 34 Abs. 3 BauGB beispielsweise von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, wonach öffentliche Belange bestimmten Außenbereichsvorhaben in der Regel entgegenstehen, soweit hierfür (durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder) als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Der Senat ist mit dem Verwaltungsgerichtshofs der Auffassung, dass es eines ausdrücklichen Gesetzesbefehls bedurft hätte, um Zielen der Raumordnung im Tatbestand des § 34 Abs. 3 BauGB Geltung zu verschaffen.

7

Der Begründung des Regierungsentwurfs, dass sich zentrale Versorgungsbereiche nicht nur aus tatsächlichen Verhältnissen, sondern auch aus planerischen Festlegungen in Bauleitplänen oder Raumordnungsplänen ergeben könnten (BTDrucks 15/2250 S. 54), nötigt nicht zur gegenteiligen Beurteilung der Rechtslage. Denn der gesetzgeberische Wille kommt in § 34 Abs. 3 BauGB nicht hinreichend zum Ausdruck. Das bedeutet nicht, dass planerische Festlegungen nicht bei der Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche bzw. als Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten relevant sein können (so Uechtritz, a.a.O.). Sie sind nur nicht verbindlich (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. II, Stand Januar 2012, § 34 Rn. 85 b). Aus dem Urteil des Senats vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 4 C 7.07 - (BVerwGE 129, 307) ergibt sich nichts Abweichendes. Mit der Aussage, nach der Vorstellung des Gesetzgebers könnten sich zentrale Versorgungsbereiche auch aus planerischen Festschreibungen ergeben, hat der Senat die Gesetzesbegründung lediglich wiedergegeben, sie aber nicht inhaltlich bewertet und gebilligt.

8

Überdies spricht manches dafür, dass die Begründung des Regierungsentwurfs inzwischen überholt ist. Für einen Systemwechsel innerhalb des § 34 BauGB, der Vorschrift eine ihr bislang fremde planerische Komponente beizugeben, besteht seit der Einführung des § 9 Abs. 2a BauGB durch die BauGB-Novelle 2007 kein Anlass mehr. Denn mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber der Gemeinde ein Instrument an die Hand gegeben, unter Beachtung der Bindung an Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB) zentrale Versorgungsbereiche durch einen (einfachen) Bebauungsplan festzulegen (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Bd. I, 3. Aufl., Stand Juni 2012, § 9 Rn. 73j) und deren Erhaltung und Entwicklung verbindlich zu sichern (BTDrucks 16/2496 S. 10).

9

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Die Rüge der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe ihrem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht entsprochen und dadurch seiner Aufklärungspflicht zuwider gehandelt, greift nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht oder lediglich hilfsweise beantragt hat (Beschluss vom 12. Januar 2012 - BVerwG 4 B 35.11 - RdL 2012, 167). Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Gericht auch ohne unbedingten Beweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Daran fehlt es hier. Im Übrigen darf das Tatsachengericht grundsätzlich nach seinem tatrichterlichen Ermessen entscheiden, ob es Sachverständigengutachten einholt (stRspr; vgl. Beschluss vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268).

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 7 B 45.10 - juris Rn. 15).

4

Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV (ggf. i.V.m. § 9 Abs. 1 der Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen im Land Nordrhein-Westfalen), soweit nach dieser Vorschrift Sicherheitsabstände (Achtungsabstände) einzuhalten sind, um die Auswirkungen von Dennoch-Störfällen so gering wie möglich zu halten, die Pflicht zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG konkretisiert oder aber die Pflicht des Errichters und Betreibers einer genehmigungspflichtigen Anlage gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG näher bestimmt, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren zu treffen mit der Folge, dass die Pflicht, gemäß § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV (ggf. i.V.m. § 9 Abs. 1 BVOT) einen Sicherheitsabstand zur Auswirkungsbegrenzung von vernünftigerweise ausgeschlossenen Dennoch-Störfällen einzuhalten, nicht nachbarschützend ist und keine bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmepflichten nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zwischen dem Anlagenbetreiber und einem benachbarten Bauherrn begründet,

und

ob bei der Bemessung des erforderlichen Sicherheitsabstandes nach § 9 Abs. 1 BVOT, § 3 Abs. 3 der 12. BlmSchV dann, wenn als Grenze eine Wärmestrahlung gewählt wird, bei der letale Folgen selbst innerhalb eines Wohngebäudes unmittelbar zu erwarten stehen, im Gegenzug bei der Betrachtung des Störfallszenarios eine Windstärke von 10 m/s, d.h. eine Starkwindlage, von dem Störfallbetrieb in Richtung auf das schutzwürdige Vorhaben ungeachtet ihrer konkreten Wahrscheinlichkeit nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen ist.

5

Diese Fragen rechtfertigen - soweit sie überhaupt einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich sind - die Zulassung der Revision nicht, weil es auf sie nicht (mehr) entscheidungserheblich ankommt. Nach der Grundsatzentscheidung des Senats vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 4 C 11.11 - (zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) ist den Anforderungen, die Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG (sog. Seveso-II-Richtlinie) an die Zulassung von Vorhaben in der Nachbarschaft eines Störfallbetriebs stellt, durch eine richtlinienkonforme Auslegung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots Rechnung zu tragen. Die Grundsätze, die der Senat in der vorbezeichneten Entscheidung entwickelt hat, finden - ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte - im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Belangs des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, der eine besondere Ausprägung des nachbarlichen Gebots der Rücksichtnahme darstellt, entsprechende Anwendung. Damit kann sich ein unter die Richtlinie 96/82/EG fallender Betrieb (wie hier - nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - der Betrieb der Beigeladenen) darauf berufen, der von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG geforderte "angemessene Abstand" werde durch ein geplantes Wohnbauvorhaben nicht eingehalten; dieses sei gegenüber dem Betrieb rücksichtslos. Dem entsprechend kommt es nicht mehr darauf an, ob § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV (ggf. i.V.m. § 9 Abs. 1 BVOT) selbst drittschützende Wirkung zukommt bzw. anhand welcher Faktoren der nach § 9 Abs. 1 BVOT bzw. § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV erforderliche Sicherheitsabstand zu bemessen ist.

6

2. Die Entscheidung des Senats vom 20. Dezember 2012 (a.a.O.) nötigt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (siehe zur "überholten" Grundsatzrüge etwa Beschlüsse vom 11. Februar 1986 - BVerwG 8 B 7.85 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 240 = juris Rn. 3, vom 9. April 1999 - BVerwG 9 B 21.99 - juris Rn. 3 und vom 21. Februar 2000 - BVerwG 9 B 57.00 - juris Rn. 6). Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Klägerin deshalb planungsrechtlich unzulässig sei, weil es Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB beeinträchtige und damit zugleich zulasten der Beigeladenen einen Verstoß gegen das in dieser Vorschrift enthaltene Rücksichtnahmegebot begründe (UA S. 24); auf S. 47 des Urteilsabdrucks werden zudem die Kriterien angewendet, die der Europäische Gerichtshof in der Vorabentscheidung vom 15. September 2011 - Rs. C-53/10 - (ABl EU 2011 Nr. C 319 S. 5 = ZfBR 2011, 763) genannt hat. Das entspricht dem Urteil des Senats vom 20. Dezember 2012 (a.a.O.).

7

3. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die geltend gemachten Verfahrensfehler sind entweder schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt oder liegen jedenfalls nicht vor.

8

Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschlüsse vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist dabei vom materiellrechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 <449> = juris Rn. 21, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 und vom 20. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 38.10 - juris Rn. 18).

9

a) Soweit die Klägerin geltend macht, ein Verfahrensfehler liege darin, dass bereits der Beschluss über die Zulassung der Berufung verfahrensfehlerhaft ergangen sei, verkennt sie, dass sie die Zulassung der Revision mit einer solchen Rüge schon deshalb nicht erreichen kann, weil die Zulassung der Berufung als unanfechtbare Vorentscheidung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen ist (vgl. etwa Beschlüsse vom 30. September 2005 - BVerwG 1 B 26.05 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 82 = juris Rn. 6 und vom 14. Dezember 2006 - BVerwG 1 B 272.06 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 33 Rn. 3). Das gleiche gilt, soweit die Beschwerde einen Verfahrensfehler darin sieht, dass das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens (§ 94 VwGO) abgelehnt hat (Beschluss vom 13 September 2005 - BVerwG 7 B 14.05 - juris Rn. 20 f.); diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO ebenfalls unanfechtbar.

10

Der weiter in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die Berufung zu Unrecht als zulässig erachtet, weil die Beigeladene als Berufungsführerin zur Zeit der Zulassung der Berufung zwar Eigentümerin, nicht aber Betreiberin des Gaskavernenspeichers gewesen sei, greift nicht, denn jedenfalls im für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2011 war die Beigeladene (unstreitig auch) Betreiberin, womit unter diesem Gesichtspunkt gegen die Zulässigkeit der Berufung keine Bedenken bestehen.

11

b) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) verletzt. Das gilt sowohl hinsichtlich des Vorwurfs, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit bestimmten Ausführungen der Klägerin nicht auseinander gesetzt (1), nicht in das Verfahren eingeführte und zudem in Englisch verfasste Beweismittel im Urteil verwertet (2) als auch in Bezug auf den Vorhalt, es habe Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt (3).

12

(1) Ein Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, liegt vor, wenn das Gericht seiner Verpflichtung, die für die Entscheidung erheblichen Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachkommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u.a. - BVerfGE 87, 363 <392>; BVerwG, Urteile vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 und vom 20. November 1995 - BVerwG 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22 f.; jeweils m.w.N.). Daraus folgt aber keine Verpflichtung des Gerichts, jeglichen Vortrag in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden (Beschluss vom 21. Februar 2000 a.a.O. Rn. 8). Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht ein bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat. Dieser Ausnahmefall liegt indessen nicht vor, wenn das Gericht den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt gelassen hat, namentlich wenn er nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich war (vgl. etwa Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - juris Rn. 14, vom 13. Dezember 2010 - BVerwG 7 B 64.10 - juris Rn. 24 und vom 21. Mai 2012 - BVerwG 7 B 70.11 - juris Rn. 12). Zudem verpflichten Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO die Gerichte nicht dazu, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87, 1 <33>).

13

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit ihrem Vortrag nicht auseinandergesetzt, die mit ihrem Bauantrag verfolgte Nutzung der ehemaligen Katstelle als Wohnung verlange von der Beigeladenen keine größeren Rücksichtnahmepflichten und keine weiteren Vorkehrungen als die auf dem Grundstück bereits regelmäßig praktizierte Nutzung der Katstelle als Wochenend- und Freizeitwohnung sowie des Grundstückes als Garten, als unbegründet. Ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 3, 34, 48, 49) beleuchtet das Oberverwaltungsgericht die Folgen der Zulassung des klägerischen Vorhabens für die Beigeladene. Dabei stellt es fest, dass die von der Klägerin derzeit ausgeübte Nutzung nicht genehmigt ist, mithin keinen Bestandsschutz genießt, und die Beigeladene bei Zulassung des klägerischen Vorhabens erstmals auf eine legalerweise ausgeübte Wohnnutzung Rücksicht nehmen müsste, was gegebenenfalls zu nachträglichen Betriebseinschränkungen führen könne. Damit erübrigen sich aber weitere Erörterungen im Hinblick auf eine etwaige "Vorbelastung", auf die die Klägerin offensichtlich abstellt. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 3. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 5.09 - (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 209 Rn. 14) an den Europäischen Gerichtshof verweist, sind die vom Senat dort gemachten Ausführungen zur Berücksichtigung einer etwaigen Vorbelastung durch die - auch schon vom Oberverwaltungsgericht berücksichtigte - Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. September 2011 (a.a.O.) sowie das Urteil des Senats vom 20. Dezember 2012 (a.a.O.) sachlich überholt. Danach ist das Kriterium der Vorbelastung im Störfallrecht bei richtlinienkonformer Handhabung unbrauchbar (Urteil vom 20. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 34 a.E.).

14

(2) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen voraus, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. etwa Beschlüsse 31. Juli 1985 - BVerwG 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = juris Rn. 6 m.w.N., vom 19. März 1991 - BVerwG 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 = juris Rn. 7, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = juris Rn. 4, vom 22. April 1999 - BVerwG 9 B 188.99 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 44 = juris Rn. 3 und vom 28. Januar 2003 - BVerwG 4 B 4.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53 = juris Rn. 4). Daran fehlt es hier, soweit die Klägerin rügt, dass sich das Oberverwaltungsgericht das Handbuch zum Programm ALOHA aus dem Internet besorgt, es selbst vom Englischen ins Deutsche - soweit erforderlich - übersetzt und im Urteil verwertet habe, obwohl das Handbuch nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung und schon gar nicht in deutscher Übersetzung gewesen sei. Insofern legt sie schon nicht dar, was sie diesbezüglich bei ausreichender Gehörsgewährung (noch) vorgetragen hätte. Das bedarf jedoch keiner Vertiefung, denn die vom Oberverwaltungsgericht verwendeten Aussagen im englischen Handbuch (es handelt sich um einen Satz) waren für das Gericht jedenfalls nicht entscheidungserheblich, das Urteil beruht mithin nicht hierauf. Denn das Berufungsgericht hat die Berechnungen des Gutachters der Klägerin auf der Grundlage des Programms ALOHA bereits aufgrund der Angaben im TÜV-Gutachten sowie in dem Gutachten des LANUV als falsch bewertet (UA S. 42) und dieses Ergebnis nur noch ergänzend - im Wege einer Hilfsbegründung - durch das Handbuch zu besagtem Programm als bestätigt angesehen (UA S. 42). Diese Hilfsbegründung kann jedoch hinweggedacht werden, ohne dass sich am Ergebnis (Feststellung der fehlerhaften Anwendung des Programms ALOHA durch die Gutachter der Klägerin) etwas ändert.

15

(3) Ein Gehörsverstoß kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Oberverwaltungsgericht die Beweisanträge Nr. 1 und 4 der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2011 abgelehnt hat.

16

Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (Beschlüsse vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 31 und vom 14. Mai 2008 - BVerwG 4 B 46.07 - juris Rn. 28). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings dann verletzt, wenn die Ablehnung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143 f.> und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <311>; BVerwG, Beschluss vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 S. 16), mithin auf sachfremde Erwägungen gestützt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1988 - 1 BvR 818.88 - BVerfGE 79, 51 <62>). Wie bereits ausgeführt, ist hierfür maßgebend auf den materiellrechtlichen Standpunkt der angegriffenen Entscheidung abzustellen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht erfordert eine entsprechende Rüge den substantiierten Vortrag, dass die Ablehnung des Beweisantrags fehlerhaft erfolgt ist, die Begründung der Ablehnungsentscheidung im Gesetz keine Stütze findet und deshalb das rechtliche Gehör verletzt worden ist (Beschluss vom 13. Dezember 2002 - BVerwG 1 B 95.02 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 67 = juris Rn. 6). Hieran fehlt es vorliegend.

17

(3.1) Der Beweisantrag Nr. 1 der Klägerin zielte auf die Einholung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen für Physik, insbesondere für Strömungsphysik, bezüglich der Innenrauhigkeit des Steigrohres in der Kaverne Victor 2 (Nr. 1.1), der Unwahrscheinlichkeit eines sog. Guillotinebruchs am Kavernenkopf (Nr. 1.2), der fehlenden Berücksichtigung einer starken Kontraktion und eines starken Reibungsverlusts am Übergang von Kaverne zum Rohrschuh in den Berechnungen des TÜV von 2006 und des LANUV von 2011 (Nr. 1.3), der maximalen Höhe des Massestroms am Kavernenkopf (Nr. 1.4) sowie dazu, dass die zum Abriss des Kavernenkopfes notwendige Druckbelastung am Kavernenkopf nicht auftreten könne (Nr. 1.5).

18

Diesen Beweisantrag hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Die Klägerin sieht hierin einen Verfahrensfehler. Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Begründung stelle dies eine vorweggenommene Beweiswürdigung dar und beinhalte die Aussage, das Gericht halte den Sachverhalt bereits für hinreichend geklärt. Mit einer solchen Begründung könne ein Beweisantrag nicht in rechtmäßiger Weise abgelehnt werden.

19

Nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (Urteile vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> und vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 = juris Rn. 10). Die Entscheidung eines Tatsachengerichts über Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten steht dabei gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich in seinem tatrichterlichen Ermessen (z.B. Urteil vom 8. Juni 1979 - BVerwG 4 C 1.79 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 120 = NJW 1980, 900). Die unterlassene Einholung eines Obergutachtens stellt deshalb nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 5), weil die bereits vorliegenden Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (stRspr, u.a. Urteil vom 19. Dezember 1968 - BVerwG 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156> = Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr. 2; Beschlüsse vom 10. März 1977 - BVerwG 6 B 38.76 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 21 und vom 30. August 1993 - BVerwG 2 B 106.93 - juris Rn. 2). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausweislich der Begründung der Entscheidung über die Ablehnung des Beweisantrags, die es in seinem Urteil (UA S. 43, 45, 46) noch weiter präzisiert hat, rechtsfehlerfrei ausgegangen. Von einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung kann damit keine Rede sein. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr angenommen, dass durch die in das Verfahren eingeführten Gutachten ihm die erforderliche Sachkunde bereits soweit vermittelt wurde, um im Wege der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) den vorliegend maßgeblichen Mindestabstand zwischen dem klägerischen Vorhaben und dem Gaskavernenspeicher der Beigeladenen bestimmen zu können. Das Oberverwaltungsgericht hat sich des Weiteren auf den Seiten 39 bis 46 des Entscheidungsabdrucks ausführlich mit den in das Verfahren - auch von Seiten der Klägerin - eingebrachten bzw. den von ihm eingeholten Gutachten auseinander gesetzt, hat diese umfassend gewürdigt und ist bezüglich des maßgeblichen Sicherheitsabstandes letztlich der durch das LANUV-Gutachten bestätigten Ansicht des TÜV gefolgt, weil es dieses für überzeugend gehalten hat (UA S. 37). Hiermit setzt sich die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise auseinander.

20

(3.2) Schließlich rügt die Klägerin, auch Beweisantrag Nr. 4 sei in der mündlichen Verhandlung unzulässigerweise abgelehnt worden. Danach sollte den Gutachtern der Gegenseite aufgegeben werden, ihre iterative Berechnung des Massestroms einschließlich der zugehörigen Excel-Tabellen vorzulegen, sowie der Klägerin und ihrem Sachverständigen Gelegenheit gegeben werden, dazu Stellung zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht lehnte diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, die eingeforderten Vorlagen würden erkennbar keine relevanten Erkenntnisse erbringen. Die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht insofern vor, den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt zu haben (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil es seine Entscheidung nur auf ein Gutachten stützen dürfe, das schlüssig und nachvollziehbar sei. Das setze gerade im Streit um wissenschaftliche Fragen voraus, dass die methodischen und rechnerischen Schritte, mit denen ein Sachverständiger zu einer Erkenntnis gelangt sei, nachvollzogen werden könnten. Dem habe der Beweisantrag Nr. 4 gedient. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht dargetan. Inwieweit Ausgangsdaten und Verarbeitungsschritte einer gutachterlichen Stellungnahme offen gelegt werden müssen, um deren Verwertbarkeit überprüfen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung und der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO), die sich regelmäßig nicht allgemeingültig beantworten lässt (Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 24 und vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 - juris Rn. 44). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Eingabegrößen und die Berechnungsgrundlagen im Anhang der Stellungnahme des LANUV aufgeführt sind (UA S. 44). Hinweise, auf durchgreifende, die Aussagekraft der Abschätzung in relevantem Umfang relativierende Fehler bei den Berechnungsgrundlagen, welche Anlass hätten geben können, die angelegten Excel-Tabellen anzufordern, hat das Oberverwaltungsgericht ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 44) nicht gefunden. Vor diesem Hintergrund hätte die Beschwerde darlegen müssen, dass bei der Aufnahme der Grundlagendaten und der Berechnungen Fehler unterlaufen sein könnten (Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4000.09 - juris Rn. 61 a.E. für eine Verkehrsprognose). Daran fehlt es.

21

c) Letztlich liegt auch keine sogenannte aktenwidrige Entscheidung vor.

22

Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes (§ 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben (Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 = juris Rn. 6). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss "zweifelsfrei" sein (z.B. Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338). Diese Voraussetzungen sind durch die Beschwerde nicht dargetan.

23

(1) Die Klägerin rügt, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, weil es davon ausgehe, dass bei Erreichen einer Wärmestrahlung von 12 kW/qm ein Wohngebäude regelmäßig keinen hinreichenden Schutz mehr biete, sondern mit letalen Folgen zu rechnen sei (UA S. 39). Aus den Akten ergebe sich - so die Klägerin - jedoch genau das Gegenteil. Dieser Einwand greift nicht durch. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei der genannten Passage im Urteil vom 15. Dezember 2011 lediglich um eine Ungenauigkeit in der Diktion handelt. Das folgt daraus, dass das Oberverwaltungsgericht im weiteren Verlauf seiner Prüfung davon ausgeht, dass der Wert von 12 kW/qm aufgrund der Unterschreitung des Sicherheitsabstandes von 85 m durch das verfahrensgegenständliche Gebäude (ca. 75 m Entfernung) überschritten wird und es infolgedessen zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme komme. Die Annahme, dass die typischen in Deutschland anzutreffenden Gebäude bei einer Wärmestrahlung von mehr als 12 kW/qm - somit auch das klägerische Gebäude - keinen ausreichenden Schutz vor letalen Folgen mehr bieten, entspricht jedoch der Aktenlage.

24

(2) Die Klägerin rügt des Weiteren, dass das Oberverwaltungsgericht bezüglich des der Ausbreitungsbetrachtung zugrunde zu legenden Massenstroms, d.h. der im Störfall auftretenden Emissionen am Kavernenkopf, hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Parameter (Ideal-/Realgasverhalten, Druck, Strömungsdurchmesser/Ausströmungsquerschnitt, Inburex-Sicherheitsbericht 2002) von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen sei. Insofern legt sie jedoch schon keinen "offensichtlichen" bzw. "zweifelsfreien" Widerspruch entsprechend obigen Grundsätzen dar, sondern ersetzt die Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts durch eine eigene. Das gilt umso mehr, als die genannten Parameter, ihre Bestimmung und ihre Bedeutung für den maßgeblichen Sicherheitsabstand zwischen den Beteiligten sowie den Gutachtern im Verfahren heftig umstritten waren. Damit fehlt es bereits an der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Darlegung.

25

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Gründe

I.

1

Die Kläger wenden sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die den Beigeladenen für die Errichtung einer Biogasanlage erteilt worden ist.

2

Die Kläger sind Eigentümer eines Wohngrundstücks im B. Weg in M., das in ca. 320 m Entfernung vom landwirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen liegt. Zu diesem Betrieb gehören ein genehmigter Schweinemaststall mit 560 Liegeplätzen, eine Getreidehalle und ein Güllebehälter. Die Beigeladenen sind überdies Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen im Umfang von ca. 15,8 ha und Pächter landwirtschaftlicher Flächen im Umfang von ca. 100 ha. Der anlagenbezogene LKW-Verkehr zum Betrieb der Beigeladenen führt u.a. über den T. Weg, der als Gemeindestraße gewidmet ist.

3

Im April 2002 zeigten die Beigeladenen den Immissionsschutzbehörden an, dass sie beabsichtigen, eine Biogasanlage zu errichten und ihren Schweinemastbetrieb auf 2 200 Tiere zu erweitern. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord wies den Landkreis M. nach einem Ortstermin darauf hin, dass ein gemeinsames Genehmigungsverfahren für die Biogasanlage und die Anlagen zur Erweiterung der Schweinezucht nicht in Betracht komme. Im April 2004 beantragten die Beigeladenen beim Landkreis die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Haltung von 2 200 Schweinen, die - nach Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG - zunächst abgelehnt wurde. Auf die dagegen von den Beigeladenen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht den Landkreis zur Neubescheidung. Mit Bescheid vom 27. November 2006 wurde die Genehmigung für die Erweiterung der Schweinemast auf 2 200 Tiere unter Auflagen erteilt. Nach Ziffer I, 1 der Genehmigung darf die Schweinemast nur unter der Bedingung betrieben werden, dass die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Biogasanlage vollziehbar und die Biogasanlage funktionsfähig ist.

4

Im Frühjahr 2004 beantragten die Beigeladenen beim Beklagten eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur biologischen Behandlung von nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen mit einem Durchsatz von 10 t pro Tag sowie einer Verbrennungsmotoranlage zur Erzeugung von Strom für den Einsatz von Biogas mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 bis 10 Megawatt. Ausweislich der Antragsunterlagen können in der Biogasanlage 6 600 t Gülle, 5 950 t Getreide und 100 t Abfälle aus der Landespflege vergoren und einem Blockheizkraftwerk, das abluftseitig mit Abgasschalldämpfern betrieben werden soll, zugeleitet werden. Der Schwerlastverkehr zur Anlage soll in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr erfolgen. Die Leistung der Anlage sollte ursprünglich 2 x 536 kW betragen. Mit Schreiben vom 18. Februar 2005 änderten die Beigeladenen den Antrag dahingehend ab, dass die installierte elektrische Leistung der Anlage 0,5 MW nicht überschreite.

5

Mit Bescheid vom 29. Juli 2005 erteilte der Beklagte im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage. Der dagegen von den Klägern eingelegte Widerspruch wurde nach Einholung eines Gutachtens zu den Stoffströmen der geplanten Biogasanlage mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2006 zurückgewiesen.

6

Die Kläger haben gegen die Genehmigung der Biogasanlage fristgerecht Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger nach Einholung von Gutachten zu den Lärm- und Geruchsimmissionen zurückgewiesen: Die Genehmigung vom 29. Juli 2005 sei rechtmäßig und verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte habe die Genehmigung der Biogasanlage und die Erweiterung der Schweinemast von 560 auf 2 200 Mastplätze zu Recht in zwei getrennte immissionsschutzrechtliche Verfahren aufgespalten. Die erweiterte Schweinemastanlage und die Biogasanlage stellten keine einheitliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b der 4. BImSchV dar. Technisch und rechtlich handele es sich um zwei eigenständige Anlagen und nicht um eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV. Die baurechtliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB verlange zwar einen Zusammenhang beider Betriebe, der vorliegend durch die schon vorhandene Schweinemast hergestellt werde. Immissionsrechtlich bestehe eine solche Verbindung aber nicht, wie schon die unterschiedlichen Genehmigungserfordernisse und die unterschiedliche Zuordnung der Biogasanlagen einerseits und Schweinemastanlagen mit einer Größe von 2 200 Mastplätzen andererseits im Anhang zur 4. BImSchV zeigten. Abgesehen davon sei die Erweiterung der Schweinemast für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Biogasanlage technisch auch nicht erforderlich. Die in der Genehmigung für die Erweiterung der Schweinemast normierte Bedingung der Vollziehbarkeit der Genehmigung für die Biogasanlage führe ebenfalls nicht zu einer technischen Verbundenheit, sondern garantiere lediglich, dass die anfallende Gülle einer Verstromung zugeführt werden könne.

7

Zudem würden Dritte durch die Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG statt im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG auch nicht in eigenen Rechten verletzt.

8

Die Biogasanlage verstoße nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht gegen nachbarschützende immissionsschutzrechtliche Bestimmungen. Von dem Vorhaben gehe kein unzumutbarer Verkehrslärm aus. Die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für Wohngebiete würden nach den Feststellungen des Gutachters P. in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2008 auch während der Getreideerntezeit eingehalten.

9

Auch unzumutbare Lärmbelästigungen durch die Biogasanlage im Sinne von Ziffer 6 der TA Lärm könnten sicher ausgeschlossen werden. Angesichts der Lage des Grundstücks der Kläger in einem allgemeinen Wohngebiet an der unmittelbaren Grenze zum Außenbereich und des schon seit Jahrzehnten vorhandenen Schweinemastbetriebes erscheine es sachgerecht, einen Mittelwert zwischen Dorfgebiet und allgemeinem Wohngebiet zu bilden. Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet würden nach dem Gutachten des Gutachters P. vom 1. Oktober 2008 sicher eingehalten.

10

Die Kläger würden durch das Vorhaben auch nicht von erheblichen Geruchsimmissionen betroffen. Dabei habe die Erweiterung der Schweinemast außer Betracht zu bleiben, weil sie Gegenstand einer gesonderten Genehmigung sei und die Geruchsimmissionen nicht der Biogasanlage unmittelbar zugeordnet werden könnten.

11

Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen aus Biogasanlagen fehle es an rechtsverbindlichen Konkretisierungen. Mangels unmittelbarer Anwendbarkeit der VDI-Richtlinie 3471 und der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) sei die Frage der Erheblichkeit der Immissionen im gerichtlichen Verfahren primär anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Nach der Gesamtschau der dem Senat vorliegenden Gutachten und Sachverständigenstellungnahmen sei nicht damit zu rechnen, dass die Kläger auf ihrem Grundstück durch die Biogasanlage unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt wären. Nach dem Geruchsgutachten und der Ammoniakprognose des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 sei im Hinblick auf die Erweiterung der Schweinemast auf 2 200 Mastplätze davon auszugehen, dass auf keiner Beurteilungsfläche mit geschlossener Wohnbebauung eine Wahrnehmungshäufigkeit von 0,10 (entsprechend 10 % der Jahresstunden) erreicht oder überschritten werde und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Ammoniakimmissionen vorlägen. Auch der Gutachter Prof. St. sei in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 davon ausgegangen, dass bei keiner der vier beauftragten Betriebsvarianten mit erheblichen Geruchsimmissionen durch die Biogasanlage zu rechnen sei.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die auf grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensrügen gestützt ist.

II.

13

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

14

Die Revision ist weder wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

15

1. a) Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie erfordert den schlüssigen Vortrag, dass zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unbestrittenen Akteninhalt ein Widerspruch gegeben sei. Der Widerspruch muss offensichtlich sein. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, weil eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (Beschluss vom 31. Mai 2010 - BVerwG 4 BN 15.10 - juris Rn. 8). Davon ausgehend ist der Vorwurf aktenwidriger Sachverhaltsfeststellungen nicht gerechtfertigt.

16

Die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, es habe seiner rechtlichen Prüfung eine immissionsrechtliche Genehmigung für eine Biogasanlage zugrunde gelegt, die mit dem vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Inhalt nicht erteilt worden sei. Dieser Vorwurf ist unzutreffend. Er findet in den von der Beschwerde zitierten Formulierungen auf den S. 15, 25 und 18 der Urteilsgründe keine Stütze. Die Ausführungen auf S. 15 der Urteilsgründe behandeln die Frage, ob die Schweinemastanlage mit 2 200 Tierplätzen und die Biogasanlage eine einheitliche Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV darstellen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht u.a. mit der Begründung verneint, dass die Erweiterung der Schweinemast für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Biogasanlage im Hinblick auf den geringen energetischen Ertrag von Schweinegülle technisch nicht erforderlich sei. Dementsprechend sei die Genehmigung vom 27. November 2006 für eine erweiterte Schweinemast mit 2 200 Mastplätzen hinsichtlich der Beurteilung der Biogasanlage auch insoweit nicht von Belang. Insbesondere führe die dort normierte Bedingung der Vollziehbarkeit der Biogasanlage (Ziffer I, 1) nicht zu einer technischen Verbundenheit, sondern garantiere lediglich, dass die anfallende Gülle auch im Falle der Erweiterung der Schweinemast einer Verstromung zugeführt werden kann. Der Sache nach richtet sich die Rüge der Aktenwidrigkeit demnach nicht gegen offenkundig aktenwidrige Tatsachenfeststellungen, sondern gegen die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, dass es an einer technischen Verbundenheit von Schweinemast und Biogasanlage fehle. Dies gilt auch für die weiter zitierte Passage auf S. 25 der Urteilsgründe, wonach die Erweiterung der Schweinemast jedenfalls bei der Prüfung der Geruchsemissionen außer Betracht zu bleiben habe, weil sie Gegenstand einer gesonderten Genehmigung sei und die Geruchsemissionen nicht der Biogasanlage unmittelbar zugeordnet werden können.

17

Auch die beanstandete Formulierung auf S. 18 der Urteilsgründe, wonach die Gülle in jeder Betriebsvariante vollständig dem Verfahren der Biogaserzeugung zur Verfügung gestellt werde, was für den hier zunächst maßgeblichen Ist-Betrieb (560 Mastplätze mit Biogasanlage) offenkundig sei und wovon auch in den Zielbetrieben mit 2 200 Mastplätzen ohne Weiteres ausgegangen werden könne, kann nicht als Beleg für aktenwidrige Sachverhaltsfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts dienen. Die Kläger übersehen, dass es für das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblich nicht darauf ankam, ob der Schweinestall mit 560 oder 2 200 Mastschweinen betrieben wird, weil die Genehmigung für die Biogasanlage nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts die Erweiterung des Schweinemastbetriebes nicht zum Gegenstand hat. Die Beschwerde hält diese Würdigung unter Hinweis auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2006 zum Stichwort Privilegierung (S. 7) für falsch. Auch dieses Vorbringen erschöpft sich aber in Wahrheit darin, die tatrichterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als fehlerhaft anzugreifen.

18

b) Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zuzulassen.

19

Die Kläger rügen einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht, den sie darin erblicken, dass das Oberverwaltungsgericht ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, eine Ausbreitungsrechnung erstellen zu lassen, nicht nachgegangen ist. Eine solche Ausbreitungsrechnung habe auch der vom Gericht bestellte Gutachter Prof. St. für erforderlich gehalten. Die Sachlage sei insoweit weder durch die Stellungnahme des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 noch die Stellungnahme der SGD vom 26. Juni 2009 hinreichend geklärt. Vielmehr sei aufgrund des Beweisantrages der gerichtlich bestellte Sachverständige aufgerufen gewesen, die von ihm selbst als fehlend bemängelte Ausbreitungsrechnung durchzuführen. Ohne Ausbreitungsrechnung könne nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass die Kläger von unzumutbaren Geruchsimmissionen betroffen werden. Das nicht eingeholte Gutachten wäre zu dem Ergebnis gelangt, dass selbst bei Bildung eines Mittelwertes im Bereich des Wohnhauses der Kläger aber auch der Außenflächen unzumutbare Immissionen angekommen wären, insbesondere die Geruchshäufigkeit über 15 % der Jahresstunden gelegen hätte.

20

Mit diesem Vorbringen ist ein Aufklärungsmangel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Zwar trifft zu, dass der Sachverständige Prof. St. in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 (S. 59) ausgeführt hat, die Frage, wie sich die Geruchsstoffemissionen in dem topografisch stark gegliederten Gelände bei den Klägern immissionstechnisch bemerkbar machen werden, sei letztendlich nur über eine Ausbreitungsrechnung zu beantworten. Das Oberverwaltungsgericht hat sich seine Überzeugung, dass die Kläger durch die Errichtung der Biogasanlage nicht von erheblichen Geruchsimmissionen betroffen werden, aber nicht nur auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. St., sondern auch der im Genehmigungsverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahme des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 und einer fachlichen Stellungnahme des Beklagten vom 26. Juni 2009 gebildet (vgl. UA S. 26 - 31). Nach der Ausbreitungsrechnung des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 werden die Kläger bei Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht von unzumutbaren Geruchsimmissionen betroffen. Zum selben Ergebnis gelangt auch eine Ausbreitungsrechnung, die der Beklagte auf der Grundlage der vom Sachverständigen Prof. St. in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 ermittelten Geruchsfrachten vorgenommen und mit Schriftsatz vom 26. Juni 2009 in das gerichtliche Verfahren eingeführt hat. Danach wird der Immissionswert für Wohn-/Mischgebiete von 0,10 am Gebäude der Kläger unterschritten. Die Beschwerde legt nicht dar, warum das Oberverwaltungsgericht diese Stellungnahmen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen durfte, sondern eine weitere Ausbreitungsrechnung des Sachverständigen Prof. St. hätte einholen müssen. Grundsätzlich verwehren es weder das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, noch der Grundsatz der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO dem Tatsachengericht, sich bei der rechtlichen Würdigung auf Tatsachenvortrag der Beteiligten, namentlich die von einer Behörde mit besonderer Fachkunde erstellten oder im Verwaltungsverfahren eingeholten Unterlagen zu stützen (vgl. Beschlüsse vom 24. August 1987 - BVerwG 4 B 129.87 - Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 12 = juris Rn. 43 und vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 5). Unterbleibt die Einholung von (zusätzlichen) Gutachten, liegt darin nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann ein Aufklärungsmangel, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. So sind Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (stRspr; Beschluss vom 3. Februar 2010 - BVerwG 7 B 35.09 - juris Rn. 12 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass eine dieser Fallgestaltungen hier vorliegt, hat die Beschwerde nicht dargetan.

21

Das Vorbringen der Kläger, dass eine solche Ausbreitungsrechnung schon deswegen veranlasst gewesen sei, weil die Mindestabstände der TA Luft von 286 m (2 200 x 0,13) zwischen Schweinemaststall und Wohnanwesen der Kläger (Ziff. 5.4.7.1) sowie 300 m zwischen Kofermentationsanlagen und Wohnbebauung (Ziff. 5.4.8.6.1) nicht eingehalten seien, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den von den Klägern nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts steht das Wohnhaus der Kläger im B. Weg 13 mehr als 300 m von der geplanten Anlage entfernt (vgl. UA S. 2 und S. 26 unten, S. 27 oben). Dies deckt sich auch mit den Entfernungsangaben im Gutachten des Sachverständigen Prof. St. vom 30. Dezember 2008 (S. 27 oben), wonach der geringste Abstand der Biogasanlage zum Anwesen der Kläger im B. Weg 13 305 m beträgt. Auch in der Beschwerdebegründung ist auf Seite 2 ausgeführt, dass das Wohngebäude der Kläger ca. 300 m entfernt sei. Vor diesem Hintergrund kann von einer Nichteinhaltung der Mindestabstände keine Rede sein.

22

2. Die Revision kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden.

23

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Daran fehlt es hier.

24

a) Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob die Biogasanlage und der die Gülle liefernde Mastschweinestall aufgrund des räumlich-funktionalen Zusammenhangs im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b) BauGB Anlagenteile einer einheitlichen Anlage im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 oder Nebeneinrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV sind.

25

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren auf der Grundlage des vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts so nicht stellen würde. Die Regelungen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der 4. BImSchV haben, wie aus dem Umkehrschluss von § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV folgt, nur für solche Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen Bedeutung, die nicht schon von sich aus nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sind (Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1, Stand August 2010, § 4 BImSchG Rn. 24; Böhm, in: Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand Oktober 2010, § 4 Rn. 56). Dies trifft nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts weder auf die Biogasanlage noch die erweiterte Schweinemast zu. Für die übrigen Anlagen enthält § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV einen klarstellenden Hinweis. Danach ist für genehmigungsbedürftige Anlagen, die entweder als Nebeneinrichtung oder als Teile in einem Unterordnungsverhältnis zu einer genehmigungspflichtigen Hauptanlage stehen, nur eine - Haupt- und Nebenanlage umfassende - Genehmigung erforderlich. Die Form des Genehmigungsverfahrens wird durch § 2 Abs. 1 der 4. BImSchV bestimmt. Die Vorschrift stellt klar, dass Anlagen in Spalte 2 des Anhangs nicht dem vereinfachten Verfahren unterliegen, wenn sie Teile der in Spalte 1 des Anhangs genannten Anlagen sind (BRDrucks 226/85, S. 42, 43). Ist auch nur eine der Anlagen in Spalte 1 des Anhangs aufgeführt, wird das Genehmigungsverfahren insgesamt mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt (vgl. Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 2, Stand März 2010, § 1 4. BImSchV Rn. 37; Bd. 1, Stand August 2010, § 4 BImSchG Rn. 26). D.h., ein förmliches Verfahren für eine Gesamtanlage ist auch dann durchzuführen, wenn die Nebeneinrichtung dem förmlichen Verfahren und die Haupteinrichtung dem vereinfachten Verfahren unterliegt (Ludwig, a.a.O. § 2 4. BImSchV Rn. 11).

26

b) Auch soweit die Beschwerde bei wohlwollender Auslegung die Frage als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig und -fähig aufwerfen will,

ob eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Biogasanlage grundsätzlich als Teil oder Nebeneinrichtung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlage zu qualifizieren ist,

kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht. Unter welchen abstrakten Voraussetzungen eine Anlage als Teil oder Nebeneinrichtung einer anderen Anlage anzusehen ist, ist geklärt. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist anhand der jeweiligen Einzelfallumstände zu klären und entzieht sich einer generellen Beantwortung.

27

Zum Kernbestand einer genehmigungsbedürftigen Gesamtanlage gehören alle Teilanlagen, die bei den zur Erreichung des jeweiligen Betriebszwecks (Herstellung, Gewinnung, Verarbeitung, Bearbeitung) notwendigen Verfahrensschritten eingesetzt oder benutzt werden. Der Kernbestand setzt sich aus dem Anlagenkern und den sonstigen wesentlichen Bestandteilen zusammen. Zum Anlagenkern gehören die Haupteinrichtungen, in denen der durch den Betriebszweck gekennzeichnete eigentliche Betriebsvorgang stattfindet (z.B. Reaktionsbehälter, Rohrleitungen, Antriebsmotoren, Brenner, Gebläse). Zu den sonstigen wesentlichen Bestandteilen gehören die übrigen Betriebseinheiten, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind, insbesondere Hilfseinrichtungen wie Meß-, Steuer- und Regeleinrichtungen sowie Sicherheitsvorkehrungen wie Sicherheitsventile und Abschaltvorkehrungen (Feldhaus, a.a.O. § 4 Rn. 22, 23; Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 7 C 71.82 - BVerwGE 69, 351 = Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 2 = juris Rn. 10).

28

Demgegenüber haben Nebeneinrichtungen keine Verfahrensschritte zum Gegenstand, die zur Erreichung des Betriebszwecks unmittelbar erforderlich sind, sie sind aber auf diesen Zweck hin ausgerichtet. Im Verhältnis zum Kernbestand haben sie eine "dienende" Funktion. Auf die Notwendigkeit der Nebeneinrichtung für das Funktionieren der Hauptanlage kommt es nicht an. Maßgebend ist die tatsächliche Einbeziehung in den auf die Hauptanlage bezogenen und von diesem bestimmten Funktionszusammenhang. Ob eine (Teil-)Anlage als Nebeneinrichtung zu qualifizieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, ob die Anlage im Einzelfall für den Betrieb der Kernanlage bedeutsam ist (Ludwig, in: Feldhaus a.a.O. § 1 4. BImSchV Rn. 34; Urteil vom 6. Juli 1984 a.a.O.).

29

Auch die Frage, ob eine dem Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB unterfallende Biogasanlage Teil oder Nebeneinrichtung einer Tierhaltungsanlage ist, ist grundsätzlich anhand der jeweiligen Einzelfallumstände zu beurteilen. Etwas anderes folgt nicht ohne Weiteres aus dem von § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB geforderten räumlich-funktionalen Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Biogasanlage. Dieser räumlich-funktionale Zusammenhang bedingt zwar nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur die Nähe des Vorhabens zur Hofstelle, sondern bezieht sich auch auf die Möglichkeit der Verwendung in der Anlage anfallender Reststoffe als Dünger auf den Betriebsflächen und insbesondere die gemeinsame Nutzung bestehender baulicher Anlagen im Betrieb der Hofstelle und der Biogasanlage (Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 7 C 6.08 - BVerwGE 132, 372 ff. = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 378 = juris Rn. 20). Das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen eines Betriebes" in § 35 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 1 BauGB verlangt aber nur, dass die Biogasanlage im Anschluss an eine bereits bestehende privilegierte Anlage im Außenbereich errichtet und betrieben werden darf. Ihm kann dagegen nicht entnommen werden, dass die Biogasanlage gegenüber dem klassischen landwirtschaftlichen Basisbetrieb, an den angeknüpft wird, von untergeordneter Bedeutung sein muss. Das in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enthaltene Merkmal des "Dienens" kann auf § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ebenso wenig übertragen werden wie die (räumliche) Beschränkung der Anlage auf die Maße einer noch zulässigen "mitgezogenen" Nutzung (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 18, 19). Umgekehrt lässt sich aus dem Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erst recht nicht herleiten, dass die Tierhaltungsanlage Teil oder Nebeneinrichtung der Biogasanlage ist.

30

Es versteht sich von selbst und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass es für die anhand der Einzelfallumstände vorzunehmende Beurteilung, ob eine Biogasanlage den Charakter einer Nebeneinrichtung hat, u.a. darauf ankommt, ob und inwieweit die Biogasanlage dem Betreiber zur Verwertung seiner tierischen Nebenprodukte dient, ob und inwieweit der Betreiber die durch die Produktion des Biogases erzeugte Energie in seinem Betrieb nutzt, welche Größe die jeweiligen Einrichtungen haben, welches Verhältnis der Eigenanteil an der Gesamteinsatzmenge oder der eigen genutzten Energie hat oder wie die Gärrückstände verwertet werden. Allein ein betriebstechnischer Zusammenhang reicht nicht aus (vgl. Peine/Knopp/Radcke, Das Recht der Errichtung von Biogasanlagen, 2009, S. 52, 53).

31

Davon ausgehend mag Einiges dafür sprechen, dass eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Biogasanlage bei Anlegung der vorgenannten immissionsschutzrechtlichen Maßstäbe in der Regel als Nebeneinrichtung des landwirtschaftlichen Betriebes, dem sie räumlich-funktional zugeordnet ist, qualifiziert werden kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage, ob die Biogasanlage dem landwirtschaftlichen Betrieb dient, zuverlässig nur unter Würdigung der jeweiligen Einzelfallumstände beurteilt werden kann.

32

c) Auch die weiter als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

ob die Geruchs-Schutzwürdigkeit ausgewiesener Wohngebiete in Randlagen zum Außenbereich gegenüber privilegierten Außenbereichsvorhaben, insbesondere der Landwirtschaft, im Sinne einer Mittelwertbildung gemindert ist und die Geruchsimmissionen aus landwirtschaftlicher Tierhaltung "privilegierter" sind als andere Immissionen,

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die aufgeworfene Frage kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden. Ob eine Wohnnutzung in Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbereichsvorhaben eine verminderte Schutzwürdigkeit genießt, ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass bei städtebaulichen Konflikten in sog. Gemengelagen, also mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, im Rahmen (und zur Umsetzung) des Rücksichtnahmegebots auch bei Geruchsimmissionen eine Art Mittelwert (der Richtwerte der benachbarten Baugebiete) zu bilden ist. Dieser Mittelwert ist der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte, vielmehr handelt es sich um einen "Zwischenwert" für die Bestimmung der Zumutbarkeit (Beschluss vom 28. September 1993 - BVerwG 4 B 151.93 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 119). Bei einem solchermaßen zu gewinnenden Mittelwert müssen zur Bestimmung der Zumutbarkeit zudem die Ortsüblichkeit und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, wobei insbesondere auch die Priorität der entgegenstehenden Nutzung von Bedeutung ist (Beschluss vom 12. September 2007 - BVerwG 7 B 24.07 - juris Rn. 4). Wesentliches Kriterium für die Höhe des Zwischenwertes und damit für die konkrete Schutzbedürftigkeit eines zum Wohnen dienenden Grundstücks ist, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht worden ist. Ob der emittierende Betrieb an das dem Wohnen dienende Gebiet herangerückt ist oder ob sich das zum Wohnen dienende Gebiet - umgekehrt - in Richtung auf den emittierenden Betrieb ausgeweitet hat, beurteilt sich nach tatsächlichen, von der Würdigung konkreter Begebenheiten des Einzelfalls abhängender Faktoren und hebt somit nicht auf eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ab (Beschluss vom 12. September 2007 a.a.O. Rn. 6, 7).

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.

3

Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Nicht jede Frage, zu der sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht geäußert hat, führt indessen auf eine erst im Revisionsverfahren zu klärende Thematik. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsverfahrens ist vielmehr Voraussetzung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. So liegt es hier. Die von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob zur Abgrenzung eines zentralen Versorgungsbereichs im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB auf die Festlegung eines Vorranggebiets als Ziel der Raumordnung abgestellt werden kann, mit dem der zentralörtliche Siedlungs- und Versorgungskern abgegrenzt werden soll, lässt sich mit dem Verwaltungsgerichtshofs verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

4

§ 34 Abs. 3 BauGB ordnet an, dass von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass regionalplanerische Zielvorgaben zur räumlichen Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche nach § 34 Abs. 3 BauGB nicht in Betracht kommen, sondern für die Einordnung eines Gebiets als zentraler Versorgungsbereich allein die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind (so auch Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl. 2004, Rn. 2068; Uechtritz, NVwZ 2007, 660 <662>; Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Aufl. 2007, Rn. 329; a.A. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 34 Rn. 55; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 34 Rn. 74; Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2009, § 34 Rn. 53). Dem ist beizupflichten.

5

Im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 und 2 BauGB wird generell und seit jeher nur auf das tatsächlich Vorhandene abgestellt und haben Grundstückseigenschaften, die in den optisch wahrnehmbaren Gegebenheiten keinen Niederschlag gefunden haben, außer Betracht zu bleiben (vgl. Urteil vom 11. Februar 1993 - BVerwG 4 C 15.92 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 156 S. 91 f.). Vor diesem Hintergrund spricht bereits der Wortlaut des durch das BauGB-Änderungsgesetz 2004 eingefügten § 34 Abs. 3 BauGB dafür, dass die Norm lediglich auf dem Umgriff tatsächlich vorhandener zentraler Versorgungsbereiche abstellt. Sie spricht nicht von "vorhandenen oder zu entwickelnden" zentralen Versorgungsbereichen, sondern enthält sich dieser adjektivischen Zusätze. Insofern unterscheidet sie sich von § 9 Abs. 2a BauGB, der zwecks "Erhaltung oder Entwicklung", d.h. Bewahrung und Schaffung zentraler Versorgungsbereiche zur Aufstellung eines Bebauungsplans mit bestimmten Festsetzungen ermächtigt.

6

Das Ergebnis liegt auf der Linie der bisherigen Senatsrechtsprechung. Der Senat hat im Urteil vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 1.08 - (BVerwGE 136, 18) die unmittelbare Anknüpfung an landesplanerische Zielvorgaben bei der Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB u.a. deshalb nicht für möglich gehalten, weil sich Zielvorgaben an die Träger der Bauleitplanung und nicht an die Genehmigungsbehörde richten. Zwar stehen seine Ausführungen im Zusammenhang mit der Frage, ob zur Feststellung schädlicher Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB die einschlägigen landesplanerischen Zielvorgaben als Orientierungshilfe herangezogen werden dürfen. Sie sind jedoch - zu Recht - so formuliert, dass sie für die Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB insgesamt und damit auch für die von der Klägerin aufgeworfene Frage gelten. Der Wortlaut des § 34 Abs. 3 BauGB gibt nichts dafür her, dass eine rechtlich gebundene Entscheidung über die Erteilung einer Vorhabengenehmigung vom jeweiligen Inhalt einer landes- oder regionalplanerischen Dezision abhängig sein soll. Insoweit unterscheidet sich § 34 Abs. 3 BauGB beispielsweise von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, wonach öffentliche Belange bestimmten Außenbereichsvorhaben in der Regel entgegenstehen, soweit hierfür (durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder) als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Der Senat ist mit dem Verwaltungsgerichtshofs der Auffassung, dass es eines ausdrücklichen Gesetzesbefehls bedurft hätte, um Zielen der Raumordnung im Tatbestand des § 34 Abs. 3 BauGB Geltung zu verschaffen.

7

Der Begründung des Regierungsentwurfs, dass sich zentrale Versorgungsbereiche nicht nur aus tatsächlichen Verhältnissen, sondern auch aus planerischen Festlegungen in Bauleitplänen oder Raumordnungsplänen ergeben könnten (BTDrucks 15/2250 S. 54), nötigt nicht zur gegenteiligen Beurteilung der Rechtslage. Denn der gesetzgeberische Wille kommt in § 34 Abs. 3 BauGB nicht hinreichend zum Ausdruck. Das bedeutet nicht, dass planerische Festlegungen nicht bei der Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche bzw. als Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten relevant sein können (so Uechtritz, a.a.O.). Sie sind nur nicht verbindlich (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. II, Stand Januar 2012, § 34 Rn. 85 b). Aus dem Urteil des Senats vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 4 C 7.07 - (BVerwGE 129, 307) ergibt sich nichts Abweichendes. Mit der Aussage, nach der Vorstellung des Gesetzgebers könnten sich zentrale Versorgungsbereiche auch aus planerischen Festschreibungen ergeben, hat der Senat die Gesetzesbegründung lediglich wiedergegeben, sie aber nicht inhaltlich bewertet und gebilligt.

8

Überdies spricht manches dafür, dass die Begründung des Regierungsentwurfs inzwischen überholt ist. Für einen Systemwechsel innerhalb des § 34 BauGB, der Vorschrift eine ihr bislang fremde planerische Komponente beizugeben, besteht seit der Einführung des § 9 Abs. 2a BauGB durch die BauGB-Novelle 2007 kein Anlass mehr. Denn mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber der Gemeinde ein Instrument an die Hand gegeben, unter Beachtung der Bindung an Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB) zentrale Versorgungsbereiche durch einen (einfachen) Bebauungsplan festzulegen (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Bd. I, 3. Aufl., Stand Juni 2012, § 9 Rn. 73j) und deren Erhaltung und Entwicklung verbindlich zu sichern (BTDrucks 16/2496 S. 10).

9

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Die Rüge der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe ihrem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht entsprochen und dadurch seiner Aufklärungspflicht zuwider gehandelt, greift nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht oder lediglich hilfsweise beantragt hat (Beschluss vom 12. Januar 2012 - BVerwG 4 B 35.11 - RdL 2012, 167). Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Gericht auch ohne unbedingten Beweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Daran fehlt es hier. Im Übrigen darf das Tatsachengericht grundsätzlich nach seinem tatrichterlichen Ermessen entscheiden, ob es Sachverständigengutachten einholt (stRspr; vgl. Beschluss vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268).

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zustimmung zur Abänderung eines Prozessvergleichs sowie die Rückzahlung des aus einem Grundstücksverkauf von ihr an die Beklagten ausgekehrten Erlöses.

2

Eigentümer des Grundstücks war seit dem 21. Juli 1932 der Kaufmann Hermann M., der am 15. Oktober 1933 verstarb und von seiner Ehefrau Johanna M. allein beerbt wurde, die wie ihr Ehemann jüdischen Glaubens war. 1937 verkaufte Johanna M. das Grundstück an den Großkaufmann Friedrich Hermann K. Nach dessen Tod wurde seine Witwe Florentine K. 1943 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Sie verstarb 1968 und wurde von ihren Söhnen Wolfgang K. und Ulrich K. beerbt, die in ungeteilter Erbengemeinschaft als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch bis 1986 eingetragen waren. Im März 1986 ging das Grundstück in das Eigentum des Volkes - Rechtsträger: VEB Gebäudewirtschaft H. - über.

3

Am 11. September 1990 meldeten Wolf-Peter L. als Alleinerbe des verstorbenen Wolfgang K. sowie Ulrich K. vermögensrechtliche Restitutionsansprüche auf das Grundstück an. Sie kündigten eigene Investitionen von 1,2 Mio. DM sowie die Schaffung von 20 Arbeitsplätzen an.

4

Die Beigeladene plante auf dem verfahrensgegenständlichen und auf benachbarten Grundstücken die Errichtung eines multifunktionalen Geschäfts- und Bürohauses mit einem Investitionsvolumen von 80 Mio. DM, womit die Schaffung von 380 Arbeitsplätzen und 40 Ausbildungsplätzen verbunden sein sollte.

5

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1991 stellte die Klägerin (Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, im Folgenden: Vermögensamt) fest, dass der Verkauf des Grundstücks an die Beigeladene investiven Zwecken im Sinne von § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a VermG diene, § 3 Abs. 3 bis 5 VermG auf die Veräußerung keine Anwendung finde und keine Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung erforderlich sei. Gegen diesen Bescheid legten Ulrich K. und Wolf-Peter L. Widerspruch ein und beantragten beim Verwaltungsgericht Halle die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (Az.: 2 VG B 49/92).

6

Mit vermögensrechtlichem Restitutionsbescheid vom 6. Januar 1992 übertrug die Klägerin (Vermögensamt) das verfahrensgegenständliche Grundstück an Wolf-Peter L. und an Ulrich K. zurück. Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Halle vorläufigen Rechtsschutz (Az.: 2 VG B 58/92).

7

Mit notariellem Kaufvertrag vom 3. März 1992 veräußerte die Klägerin das Grundstück an die Beigeladene. Der Vertrag sah einen Mindestkaufpreis von 2,5 Mio. DM vor, der erhöht werden sollte, wenn ein auf Kosten der Beigeladenen einzuholendes Verkehrswertgutachten einen höheren Wert ergeben sollte. § 14 Buchst. e des Kaufvertrages enthielt eine Belehrung über mögliche Restitutionsansprüche früherer Eigentümer nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes.

8

Am 22. April 1992 schlossen die Klägerin, Wolf-Peter L., Ulrich K. und die Beigeladene als Beteiligte der beiden beim Verwaltungsgericht Halle anhängigen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes den hier in Rede stehenden Prozessvergleich, der in zehn Punkten im Wesentlichen Folgendes regelte:

1. Die Antragsteller des Verfahrens 2 VG B 49/92, nämlich die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K., nehmen ihren Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid der (Klägerin) vom 20. Dezember 1991 zurück.

2. Die Stadt H. hebt ihren Restitutionsbescheid vom 6. Januar 1992 auf und setzt auf hiermit gestellten Antrag der Verfügungsberechtigten und "der Berechtigten" das Verfahren zur gütlichen Einigung gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 VermG aus.

3. Der notarielle Kaufvertrag vom 3. März 1992 wird dahingehend geändert, dass anstelle des dort genannten Kaufpreises von 2,5 Mio. DM ein solcher von 3,5 Mio. DM vereinbart wird.

4. Die Stadt H. und die Beigeladene vereinbaren ferner, dass die Bestimmung des Kaufvertrages vom 3. März 1992 über die Einholung eines Verkehrswertgutachtens entfällt.

5. Die Stadt H. und die Beigeladene vereinbaren des Weiteren, dass der sich aus Ziffer 3 dieses Vergleichs ergebende Kaufpreis unverzüglich nach Umschreibung des Eigentums auf die Beigeladene an die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. zu Händen von Herrn Wolf-Peter L. ausgezahlt wird. Die bis zur Auszahlung des Gesamtbetrages von 3,5 Mio. DM auf dem Notaranderkonto aufgelaufenen Zinsen stehen ebenfalls den Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. zu.

6. Die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. stimmen den in Ziffern 3 bis 5 dieses Vergleichs vereinbarten Änderungen des Kaufvertrages vom 3. März 1992 und diesem Vertrag in der nunmehr geltenden Fassung insgesamt zu.

7. Die Stadt H. (Vermögensamt) setzt hiermit den "an die Berechtigten, die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K.," auszukehrenden Erlös auf 3,5 Mio. DM nebst den nach Maßgabe von Ziffer 5 aufgelaufenen Zinsen fest. Die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. erklären Rechtsbehelfsverzicht gegen diese Festsetzung.

8. und 9. treffen Kostenregelungen.

10. Die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. erklären ihren Rückübertragungsantrag für erledigt. Die Beteiligten beider Verfahren verzichten auf den Erlass eines Feststellungsbescheides gemäß § 31 Abs. 5 Satz 3 VermG und die Erstellung eines Übergabeprotokolls.

9

Die im Vergleich getroffenen Abreden wurden im Jahre 1992 vollzogen; der Kaufpreis wurde an die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. noch im Jahre 1992 ausgezahlt.

10

In der Folgezeit machte die Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. (im Folgenden: JCC) mit Schreiben vom 15., 22. und 23. Dezember 1992 bei der Klägerin (Vermögensamt) im Rahmen einer Globalanmeldung vermögensrechtliche Rückübertragungsansprüche nach den ehemaligen Eigentümern M. unter anderem für das verfahrensgegenständliche Grundstück geltend, hilfsweise Ansprüche auf Entschädigung der feststellbaren Vermögenswerte. Mit Schreiben vom 7. Juni 1994 informierte die Klägerin die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten von Wolf-Peter L. und Ulrich K. über diesen Antrag. In dem Schreiben heißt es, sofern sich diese Ansprüche als berechtigt erwiesen, könne sich der Anspruch der JCC auf die Auskehrung des erzielten Verkaufserlöses richten, da eine Rückübertragung des Grundstückes wegen der erfolgten Weiterveräußerung nicht mehr möglich sein dürfte.

11

Mit Urteil vom 28. Januar 1999 verpflichtete das Verwaltungsgericht Halle die Klägerin (Vermögensamt) zu der Feststellung, dass die JCC hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstücks Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes ist. Dieses Urteil wurde rechtskräftig. Die Klägerin kam der Verpflichtung aus diesem Urteil mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. August 1999 nach.

12

Den Antrag der JCC auf Auskehr des im Prozessvergleich vom 22. April 1992 vereinbarten Verkaufserlöses von 3,5 Mio. DM lehnte die Klägerin (Vermögensamt) mit Bescheid vom 31. Januar 2000 ab. Auf den Widerspruch der JCC hob das Regierungspräsidium Halle diesen Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2002 auf und stellte unter anderem fest, dass die JCC dem Grunde nach - unter gleichzeitiger Festsetzung einer Gegenleistung und eines Ablösebetrages - einen Anspruch auf Auskehr des Kaufpreises aus dem am 3. März 1992 zwischen der Klägerin und der Beigeladenen abgeschlossenen Kaufvertrag in der Fassung des am 22. April 1992 geschlossenen Prozessvergleichs in Höhe von 3,5 Mio. DM (1 789 521,58 €) habe. Die hiergegen erhobene Klage der Klägerin wies das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 21. April 2001 ab; das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss vom 11. November 2005 zurück. Daraufhin zahlte die Klägerin im Dezember 2005 an die JCC 1 789 521,58 €.

13

Mit an die Bevollmächtigten der Rechtsvorgänger der Beklagten gerichtetem Schreiben vom 6. Dezember 2001 hatte die Klägerin bereits zuvor den Prozessvergleich vom 22. April 1992 mit der Begründung gekündigt, dieser werde nach dem ihr vorliegenden Entwurf des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Halle vom 4. Juli 2001 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinfällig. Ein Festhalten an diesem Vergleich sei ihr nicht mehr zumutbar. Eine Vergleichsanpassung scheide nach der Natur der Sache aus. Gegenüber der Beigeladenen erklärte die Klägerin keine Kündigung des Prozessvergleichs.

14

Nachdem ihre Bemühungen, den Wolf-Peter L. und Ulrich K. zugeflossenen Verkaufserlös zurückzuerlangen, gescheitert waren, hat die Klägerin am 24. April 2006 beim Verwaltungsgericht Halle gegen die Beklagte zu 1, die nach dem Tod von Ulrich K. als dessen Alleinerbin dessen Rechtsnachfolgerin geworden war, und gegen den Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2, Herrn Wolf-Peter L., als Gesamtschuldner Klage auf Zahlung von 1 789 521,58 € nebst Zinsen, hilfsweise auf Feststellung erhoben, dass der Prozessvergleich vom 20. April 1992 wegen Kündigung unwirksam sei. Mit Beschlüssen vom 5. September 2007 hat sich das Verwaltungsgericht Halle für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren, soweit es sich gegen die Beklagte zu 1 richtet, an das Bayerische Verwaltungsgericht München und, soweit es sich gegen die Beklagte zu 2 richtet, an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen.

15

Mit Schriftsätzen vom 25. Juni 2010 hat die Klägerin in beiden Verfahren ihr Klagebegehren dahin geändert, dass sie nunmehr die Beigeladene als weitere Beklagte in die Verfahren einbezogen und von allen Beklagten die Zustimmung zur Anpassung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 verlangt hat. Außerdem hat sie beantragt, die jeweilige Beklagte zur Zahlung von 1 789 521,58 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verpflichten.

16

Daraufhin hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 7. Dezember 2010 die Klage gegen die Beigeladene abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesen. In gleicher Weise hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 das auch bei ihr gegen die Beigeladene geführte Verfahren abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesen.

17

In dem vom Bayerischen Verwaltungsgericht München an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesenen Verfahren erkannte die Beigeladene "den mit Schriftsatz vom 25. Januar 2010 geltend gemachten Anspruch der Klägerin in Erfüllung eines außergerichtlichen Vergleichs mit ihr - aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht im Übrigen -" an. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main wies auf den daraufhin von der Klägerin gestellten Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils mit Urteil vom 24. Mai 2012 die Klage gegen die Beigeladene als unzulässig ab. Zur Begründung führte es aus, die Beigeladene sei nicht prozessführungsbefugt, weil die Klägerin nicht alle am Prozessvergleich vom 22. April 1992 Beteiligten verklagt habe, obwohl sie im Hinblick auf den geltend gemachten Anpassungsanspruch notwendige Streitgenossen im Sinne von § 64 VwGO i.V.m. § 62 Abs. 1, 2. Alt. ZPO seien. Die Revision gegen dieses Urteil hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main nicht zugelassen. Das vom Verwaltungsgericht Hamburg an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesene Verfahren hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 31. Mai 2012 eingestellt, nachdem die Klägerin diese Klage zurückgenommen hatte.

18

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Beklagte zu 2 mit Teilurteil vom 8. Dezember 2010 hinsichtlich des dortigen Klageantrages zu 1 (Vertragsanpassung) verpflichtet, einer Anpassung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 dahingehend zuzustimmen, dass dessen Ziffer 5 durch folgenden Satz ergänzt wird: "Nachdem die Stadt H. einen dem Kaufpreis von 3,5 Mio. DM (= 1 789 521,58 €) entsprechenden Betrag an die Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. gezahlt hat, verpflichten sich nunmehr die Rechtsnachfolger der Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. (als Gesamtschuldner), einen Betrag in Höhe von 1 183 129,41 € an die Stadt H. zu zahlen." Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Anpassung des Vertragsinhalts des gerichtlichen Vergleichs lägen vor. Der Klägerin sei es wegen der nachträglich eingetretenen Veränderungen - Restitutionsantrag der JCC - im Grundsatz nicht zuzumuten, am ursprünglichen Vertrag in vollem Umfang festzuhalten. Hinsichtlich des Klageantrages zu 2 (Zahlung) hat das Verwaltungsgericht Hamburg das Verfahren ausgesetzt. Gegen dieses Teilurteil richtet sich die Revision der Beklagten zu 2, der sich die Klägerin angeschlossen hat.

19

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit Urteil vom 16. Dezember 2010 die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen. Die Klägerin könne eine Anpassung des voll abgewickelten Vertrags nicht verlangen. Sie trage das Risiko nachträglicher Anmeldungen, weil diese ihr hätten bekannt sein müssen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

20

Das Bundesverwaltungsgericht hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

21

Die Klägerin rügt Verstöße gegen formelles und materielles revisibles Recht. Insbesondere macht sie geltend, die Urteile verletzten § 60 VwVfG, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München obendrein § 3 Abs. 2, 4 Satz 3 VermG. Ihr stehe gegen die Beklagten sowohl ein Anspruch auf Zustimmung zur Abänderung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 als auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch in der vollen Höhe von 1 789 521,58 € zu. Ihre Ansprüche seien auch weder verjährt noch verwirkt.

22

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Dezember 2010 und das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2010 zu ändern

und die Beklagten zu verurteilen, zuzustimmen, dass Ziffer 7 des am 22. April 1992 vor dem Verwaltungsgericht Halle geschlossenen Vergleichs durch die folgende Regelung ergänzt wird:

"Nachdem die Stadt H. einen dem Kaufpreis von 3,5 Mio. DM (= 1 789 521,58 €) entsprechenden Betrag an die Claims Conference gezahlt hat, verpflichten sich nunmehr die Rechtsnachfolger der Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. (als Gesamtschuldner), einen Betrag in Höhe von 1 789 521,58 € an die Stadt H. zu zahlen."

sowie die Beklagte zu 1 (Frau Bianca K.) zu verurteilen, an die Klägerin 1 789 521,58 € nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

23

Die Beklagte zu 1 beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Dezember 2010 zurückzuweisen.

24

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass an die Unzumutbarkeit eines weiteren Festhaltens an einer vertraglichen Regelung erhöhte Anforderungen gestellt werden müssten, wenn - wie hier - die Verpflichtungen bereits erfüllt worden seien. Die Klägerin begehre der Sache nach letztlich eine einseitige nachträgliche Vertragsänderung, keine Vertragsanpassung. Es sei aber nicht Aufgabe des § 60 VwVfG, einen Vergleichsvertrag zu korrigieren, der sich später nach allseitiger Erfüllung für eine Vertragspartei als ungünstig erwiesen habe. Der Prozessvergleich enthalte unabhängig davon keine für die Klägerin im Sinne von § 60 Abs. 1 VwVfG unzumutbar gewordene Regelung. Es habe sich ein Risiko verwirklicht, das bereits bei Abschluss des Vergleichs bestanden habe.

25

Die Beklagte zu 2 beantragt,

das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2010 zu ändern und den Klageantrag zu 1 in vollem Umfang abzuweisen.

26

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die Klage sei bereits nach § 173 VwGO i.V.m. § 261 Abs. 3 Ziffer 1 ZPO unzulässig, denn die Klägerin mache zeitgleich Ansprüche mit demselben Streitgegenstand auch gegen die Beklagte zu 1 gerichtlich geltend. Außerdem sei die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch darauf habe, gemäß § 60 VwVfG eine Anpassung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 zu verlangen. Ein Schuldverhältnis, das einer Anpassung zugänglich wäre, bestehe nach Erfüllung nicht mehr (§ 362 BGB). Es liege auch keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 VwVfG vor. Das Verwaltungsgericht habe ferner übersehen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bereits verjährt sei. Zumindest sei der Anspruch verwirkt. Das Verwaltungsgericht Hamburg habe zudem ihren Vortrag unberücksichtigt gelassen, sie habe das von ihrem Rechtsvorgänger aus dem Vergleich erhaltene Geld bereits verbraucht, so dass ihr die Herausgabe des Erlangten unmöglich sei.

27

Demgegenüber beantragt die Klägerin,

die Revision der Beklagten zu 2 gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2010 zurückzuweisen.

28

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

29

Der Vertreter des öffentlichen Interesses verteidigt das angegriffene Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München. Die Voraussetzungen für eine Anpassung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG seien nicht gegeben.

30

1. Der Senat hat die gegen die beiden Beklagten bislang getrennt geführten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 93 Satz 1 VwGO). Das war erforderlich, denn die Beklagten stehen in Ansehung des Klaganspruchs in notwendiger Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO i.V.m. §§ 59, 62 ZPO). Streitgegenstand ist der behauptete Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zustimmung zur Anpassung des am 22. April 1992 zwischen ihnen und der Beigeladenen vor dem Verwaltungsgericht Halle geschlossenen Vergleichsvertrages hinsichtlich der dort in Ziffer 7 getroffenen Regelung. Dieser Anspruch kann der Klägerin aus Rechtsgründen - jedenfalls dem Grunde nach - nur gegen beide Beklagten gemeinsam zustehen. Durch die angesprochene vertragliche Regelung setzte die Klägerin - wozu sie als Vermögensamt befugt war - den an die Rechtsvorgänger der Beklagten auszukehrenden Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks L. Straße ... in H. auf 3,5 Mio. DM fest (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG). Auskehrverpflichtet war sie selbst; in ihrer Eigenschaft als seinerzeit Verfügungsberechtigte hatte sie das Grundstück kurz zuvor an die Beigeladene verkauft. Die Rechtsvorgänger der Beklagten wurden als auskehrberechtigt angesehen, weil sie von der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum im Jahre 1986 betroffen waren. Ansprüche nach dem Vermögensgesetz wegen dieser Eigentumsentziehung konnten ihnen jedoch nur gemeinschaftlich zustehen; das Grundstück hatte ihnen zuvor in ungeteilter Erbengemeinschaft nach ihrer Mutter Florentine K. gehört (vgl. § 2a Abs. 4 VermG).

31

2. Das Klagebegehren richtet sich nicht gegen die Beigeladene. Sie wird von ihm nicht berührt. Weder könnte sie von der Klägerin auf Zustimmung zu der verlangten Vertragsanpassung in Anspruch genommen werden, noch müsste die Klägerin, wenn sie es dennoch tut, dies in demselben Verfahren verfolgen wie gegen die Beklagten. Allein aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu den seinerzeit vertragsschließenden Parteien gehört, ergibt sich das nicht. Entscheidend ist nicht diese formelle Beteiligung, sondern allein das konkrete Anpassungsverlangen der Klägerin. Dieses betrifft aber allein die Erlösauskehrberechtigung der Beklagten und ihre eigene Erlösauskehrverpflichtung; es lässt die Rechtsstellung der Beigeladenen gänzlich unberührt.

32

Dem steht nicht entgegen, dass die Verwaltungsgerichte das konkrete Anpassungsverlangen fälschlich nicht der Ziffer 7 des Vergleichsvertrages, sondern dessen Ziffer 5 zugeordnet haben. Die dort getroffene Regelung betrifft zwar auch die Beigeladene; sie erschöpft sich aber in der Bestimmung, dass die Beigeladene den Kaufpreis statt an die Klägerin (als Verkäuferin) auf deren Geheiß hin unmittelbar an die Rechtsvorgänger der Beklagten leisten sollte und dass diese Zahlung für sie erfüllende und damit schuldbefreiende Wirkung haben sollte. Diese Regelung zieht die vorliegende Klage nicht in Zweifel. Namentlich beansprucht die Klägerin nicht, den Vergleichsvertrag dahin abzuändern, dass die erfüllende Wirkung der Zahlung der Beigeladenen in Frage gestellt werde und dass die Beigeladene den Kaufpreis noch einmal zahlen solle.

33

3. Die Beiladung der Beigeladenen war aufzuheben. Sie war weder notwendig (§ 65 Abs. 2 VwGO) noch auch nur zweckmäßig (§ 65 Abs. 1 VwGO). Der Aufhebung steht § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Diese Vorschrift untersagt dem Revisionsgericht nur die (einfache) Beiladung, nicht aber deren Aufhebung. Für ein solches generelles Hindernis bestünde auch kein Grund. Gerade eine Beiladung, die dem Beigeladenen wie den Hauptbeteiligten nur Erschwernisse bereitet und Kosten verursacht, der Sache aber unter keinem Gesichtspunkt dient, muss jederzeit beendet werden können.

Entscheidungsgründe

34

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München und ihre Anschlussrevision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg sind in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang begründet. Die weitergehenden Revisionen der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München und der Beklagten zu 2 gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg sowie die weitergehende Anschlussrevision der Klägerin gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg haben keinen Erfolg.

35

Die Klägerin kann von den Beklagten die Zustimmung zur Anpassung von Ziffer 7 des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 verlangen. Hinsichtlich der sich hieran anschließenden Zahlungsansprüche der Klägerin kann das Bundesverwaltungsgericht nicht abschließend entscheiden; insofern ist der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen, soweit er dort nicht ohnehin noch anhängig ist.

36

1. Der Anspruch auf Zustimmung zur Anpassung des Prozessvergleichs scheitert entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daran, dass die Klägerin ihn erst nach Klageerhebung mit Schriftsatz vom 25. Juni 2010 geltend gemacht hat.

37

Allerdings ist das vorherige Anpassungsverlangen eine vom Gericht von Amts wegen zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung. Dieses muss feststellen, ob der Zugang eines solchen Anpassungsverlangens bei den anderen Vertragspartnern nachgewiesen ist, dass ferner die Anpassungsverhandlungen gescheitert sind oder dass solche Verhandlungen von dem oder den Vertragspartner(n) definitiv abgelehnt worden sind. Erst bei Weigerung einer Vertragspartei kann die Anpassung durch eine auf die Abgabe entsprechender Zustimmungserklärungen gerichtete Leistungsklage durchgesetzt werden (vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 60 VwVfG Rn. 23b unter Bezugnahme auf Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <340> = Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 10).

38

Diese Voraussetzungen liegen im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und lagen auch schon im Zeitpunkt der beiden angefochtenen Urteile vor. Die Klägerin hat zwar zunächst den Vergleichsvertrag mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 nur gekündigt und in der Klageschrift vom 24. April 2006 die Ansicht vertreten, dass die Kündigung den Vertrag beseitigt habe und eine Vertragsanpassung deshalb nicht mehr erforderlich sei. Nach Aufgabe dieser Rechtsmeinung hat sie ihren Anpassungsanspruch dann jedoch gegenüber beiden Beklagten mit Schriftsatz vom 25. Juni 2010 geltend gemacht. Diese haben ihn abgelehnt und eine Einigung über die von der Klägerin begehrte Abänderung des Prozessvergleichs damit unzweideutig ausgeschlossen. Der in den Verfahren vor den beiden Verwaltungsgerichten erfolgten Klageänderung vom 25. Juni 2010 sind zudem mehrere gescheiterte Einigungsversuche vorausgegangen. Auch die gerichtlichen Vergleichsvorschläge, wonach sich die Beklagten verpflichten sollten, an die Klägerin zur Abgeltung aller möglichen Ansprüche im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Grundstück einen bestimmten Betrag zu zahlen, sind von den Beklagten abgelehnt worden.

39

Schließlich kann die Zulässigkeit des Klaganspruchs auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass das vorgerichtliche Anpassungsverlangen genau den Inhalt hat, auf den der Verlangende nach Auffassung des Gerichts Anspruch hat, mit anderen Worten, dass der Verlangende die Grenzen des beiderseits Zumutbaren selbst bereits zutreffend erkennt und benennt. Dies würde den gebotenen Rechtsschutz von Voraussetzungen abhängig machen, die der Betroffene jedenfalls in Fallgestaltungen der vorliegenden Art kaum je würde erfüllen können. Dementsprechend steht das erkennende Gericht nicht vor der Alternative, dem Klagebegehren ganz zu entsprechen oder es zur Gänze abzuweisen. Vielmehr steht dem Gericht gerade in Ansehung des jeweils Zumutbaren ein Entscheidungsspielraum zu, der Klage teilweise zu entsprechen und sie im Übrigen - hinsichtlich eines unbegründeten Mehrverlangens - abzuweisen (vgl. Urteil vom 26. Januar 1995 a.a.O. S. 343).

40

2. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zustimmung zur Anpassung des Prozessvergleichs ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Hiernach kann eine Vertragspartei, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblich gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass ihr das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen. Diese Vorschrift ist hier anwendbar.

41

a) Bei dem Prozessvergleich vom 22. April 1992 handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von §§ 54, 55 VwVfG.

42

Der gerichtliche Vergleich (Prozessvergleich) nach § 106 VwGO ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Regelungen des Prozessrechts richtet, als auch ein Rechtsgeschäft, für das die Rechtsvorschriften des materiellen Rechts gelten. Als Prozesshandlung beendet er den Rechtsstreit unabhängig von dem sachlich-rechtlichen Inhalt des Vergleichs allein aufgrund seines Abschlusses vor Gericht. Als Rechtsgeschäft unterliegt er auch nach Abschluss des Prozesses den allgemeinen Regeln des materiellen Rechts (stRspr; vgl. Urteil vom 28. März 1962 - BVerwG 5 C 100.61 - BVerwGE 14, 103 <104> = Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 3 S. 5 f.).

43

Am Vertragscharakter des Prozessvergleichs ändert nichts, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermögensamt in seiner Ziffer 7 auf der Grundlage des Vermögensgesetzes einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG erlassen hat, mit dem sie durch hoheitliche Entscheidung gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG den an die Rechtsvorgänger der Beklagten auszukehrenden Erlös aus dem Kaufvertrag auf 3,5 Mio. DM nebst näher bestimmter Zinsen festgesetzt hat. Bestandteil eines Vertrages kann die Verpflichtung der beteiligten Behörde sein, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Sie kann den Verwaltungsakt auch sogleich mit ihrer Vertragserklärung verlautbaren. Zwar ist Wesensmerkmal des Verwaltungsakts, dass die Behörde die Regelung einseitig, kraft ihrer Hoheitsmacht, trifft; auch ihre Einfügung in einen umfassenden Vertrag macht sie als solche nicht vom Willen des anderen Vertragsteils abhängig. Der Vertrag bietet dem Verwaltungsakt jedoch einen zusätzlichen Rechtsgrund; zudem haben die Rechtsvorgänger der Beklagten hier den Verwaltungsakt akzeptiert und auf Rechtsmittel verzichtet.

44

Der Erlass dieses Verwaltungsakts war Teil einer umfassenden vertraglichen Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur vergleichsweisen Beilegung von Streitigkeiten zwischen der Klägerin in ihrer Rolle als Vermögensamt und den Rechtsvorgängern der Beklagten als Restitutionsantragsteller sowie der Beigeladenen als Investorin im Sinne von § 3a VermG a.F. Der Vertrag beinhaltete - außer der in Ziffer 7 erfolgten Festsetzung der Erlösauskehr und des Verzichts der Rechtsvorgänger der Beklagten auf Rechtsmittel dagegen - die Rücknahme von Rechtsbehelfen gegen den zugunsten der Beigeladenen ergangenen Feststellungsbescheid vom 20. Dezember 1991 (Ziff. 1) und die mit Einverständnis der Betroffenen vorgenommene Aufhebung des Restitutionsbescheides vom 6. Januar 1992 durch die Klägerin (Ziff. 2). Das vorliegende Anpassungsverlangen betrifft sachlich Ziffer 7 des Vertrages und damit den Regelungskontext dieser Regelungen. Es beurteilt sich mithin nach öffentlichem Recht.

45

Daran ändert nichts, dass der Vertrag in den Ziffern 3 bis 5 auch privatrechtliche Vereinbarungen trifft, namentlich solche über die Höhe des Kaufpreises. Diese Bestimmungen betreffen nicht das Rechtsverhältnis der Klägerin zu den Rechtsvorgängern der Beklagten, sondern dasjenige der Klägerin zur Beigeladenen; die Klägerin trat insofern auch nicht als Vermögensamt, sondern als Verfügungsberechtigte über das Grundstück auf. Begründet ein Vertrag sowohl öffentlich-rechtliche wie bürgerlich-rechtliche Verpflichtungen, so kommt es auf die Rechtsnatur des jeweils strittigen Vertragsanspruchs an (Urteil vom 29. Mai 1981 - BVerwG 4 C 72.78 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 22 = DÖV 1981, 878 und Beschluss vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 B 94.04 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 22 = DVBl 2005, 516; Rennert, in Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2010, § 40 VwGO Rn. 71 m.w.N.). Aber selbst wenn die Rechtsnatur eines derartigen Mischvertrages nur einheitlich bestimmt werden könnte und deshalb nach dem Schwerpunkt der Regelung zu bestimmen wäre (vgl. Urteil vom 5. Oktober 1965 - BVerwG 4 C 26.65 - BVerwGE 22, 138 <140> = Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 4a; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2000 - V ZB 50/99 - NVwZ-RR 2000, 845), so verbliebe es bei der Geltung öffentlichen Rechts. Denn der Vertrag erhält sein Gepräge durch die getroffenen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen und Regelungen. Die Zurücknahme der Rechtsbehelfe der Rechtsvorgänger der Beklagten gegen den Investitionsvorrangbescheid vom 20. Dezember 1991 sowie die Aufhebung des zu ihren Gunsten ergangenen Restitutionsbescheides vom 6. Januar 1992 durch die Klägerin waren ersichtlich unverzichtbare Bedingungen dafür, dass sich die Beigeladene zu einer Erhöhung des von ihr für das erworbene verfahrensgegenständliche Grundstück zu zahlenden Kaufpreises von 2,5 auf 3,5 Mio. DM verpflichtete, um ihrerseits möglichst umgehend das Grundstück für die vorgesehenen investiven Zwecke nutzen zu können. Umgekehrt setzte die in Ziffer 5 getroffene Vereinbarung über die Auszahlung des auf 3,5 Mio. DM erhöhten Kaufpreises durch die Beigeladene unmittelbar an die Rechtsvorgänger der Beklagten den in Ziffer 7 von der Klägerin erlassenen Verwaltungsakt über die Auskehrung des - erhöhten - Erlöses voraus. Angesichts dessen bilden die öffentlich-rechtlichen Prozesserklärungen und Regelungen den Schwerpunkt des Prozessvergleichs und machen diesen damit insgesamt zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag.

46

b) § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gilt nicht nur für Dauerschuldverhältnisse sowie auf gewisse Zeit angelegte, gestreckte Vertragsbeziehungen, sondern auch für öffentlich-rechtliche Verträge der hier in Rede stehenden Art, welche einmalige Leistungspflichten begründen. Zwar legt das Wort "Anpassung" eine in die Zukunft wirkende Vertragsänderung nahe, und die Bestimmung, dass, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, der Vertrag zu kündigen sei, spricht für die Annahme, dass dem Gesetzgeber vornehmlich Dauerschuldverhältnisse vor Augen gestanden haben. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ein Vertrag, der einmalige Leistungspflichten begründet, ausnahmslos und schlechterdings bindet. § 60 VwVfG ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht seit langem anerkannten allgemeinen Grundsatzes, wonach die strikte Vertragsbindung ("pacta sunt servanda") auch ohne entsprechende Vereinbarung dann durchbrochen werden muss, wenn ein Festhalten an der Vereinbarung infolge einer wesentlichen Änderung der Vertragsgrundlage einer oder mehreren Vertragsparteien nicht zuzumuten wäre ("clausula rebus sic stantibus"). Demzufolge hat der Senat die Anpassung von Verträgen mit einmaligen Leistungspflichten für möglich erachtet (vgl. Urteil vom 9. November 1990 - BVerwG 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <80> = Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 109 zu einem Ablösungsvertrag für Erschließungsbeiträge).

47

Ähnlich liegt es im Zivilrecht. Die zum ungeschriebenen Grundsatz der Vertragsanpassung bei Änderung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 17. April 1973 - X ZR 59/69 - BGHZ 61, 153 <159> und vom 15. Dezember 1983 - III ZR 226/82 - BGHZ 89, 226 <231>) hat aufgrund des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3138) nunmehr ihren Niederschlag in § 313 BGB gefunden. Die in § 313 Abs. 1 BGB getroffene Regelung entspricht in der Sache § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. § 313 Abs. 3 BGB aber zeigt, dass eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht nur bei Dauerschuldverhältnissen, sondern grundsätzlich bei allen Verträgen in Betracht kommt. Denn § 313 Abs. 3 BGB stellt neben die Kündigung den Rücktritt und enthält in Satz 2 für Dauerschuldverhältnisse eine Sonderregelung. Diese Bestimmungen fassen in Gesetzesform, was bereits zuvor - auch im öffentlichen Recht - anerkannt war. Sie finden im Übrigen jedenfalls gemäß § 62 Satz 2 VwVfG auch im öffentlichen Recht Anwendung.

48

c) Entgegen der im angefochtenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vertretenen Auffassung ist die Anwendbarkeit des § 60 VwVfG auch nicht auf Verträge beschränkt, deren vertraglich begründete Leistungsverpflichtungen noch nicht durch Erfüllung erloschen sind. Zwar erlischt nach § 362 Abs. 1 BGB das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1953 - II ZR 181/52 - BGHZ 10, 391 <396> = juris Rn. 10; Fetzer, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, 6. Aufl. 2012, vor § 362 BGB Rn. 9). Das betrifft indes nur den Anspruch des Gläubigers auf die Leistung und die entsprechende Leistungspflicht des Schuldners. Damit endet nicht notwendig auch das Schuldverhältnis im weiteren Sinn, als die Gesamtheit der schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner. Das Schuldverhältnis wirkt jedenfalls als Rechtsgrund für die empfangene Leistung (§ 812 BGB) fort. Aus ihm ergibt sich für den Gläubiger im Verhältnis der Vertragsparteien die Berechtigung, die Leistung behalten zu dürfen (vgl. Fetzer, a.a.O., Rn. 9 m.w.N.). Bezogen auf diese Rechtswirkungen kommt mithin eine Anpassung des Vertrages auch nach Erfüllung noch in Betracht. Ob eine Anpassung auch zurückliegende Zeiträume betreffen und in diesem Sinne Rückwirkung entfalten kann, ist allein eine Frage der Zumutbarkeit. Insofern mögen erhöhte Anforderungen gelten; schlechthin ausgeschlossen ist ein Anspruch auf Vertragsanpassung jedoch auch dann nicht (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. Juni 1979 - V ZR 80/77 - BGHZ 74, 370 <373> und 24. November 1995 - V ZR 164/94 - BGHZ 131, 209 <216 f.>).

49

Aus der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt nichts anderes. Das von den Prozessbeteiligten herangezogene Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - (BVerwGE 97, 331 <342 f.> = Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 10 S. 10) ist insoweit nicht einschlägig. Es befasst sich mit einer auf gewisse Dauer angelegten und noch nicht abgeschlossenen Vertragsbeziehung. Es bejaht einen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 60 VwVfG für die Zeit ab Zugang des Anpassungsverlangens und betrifft damit dessen zeitlichen Anwendungsbereich, nicht jedoch die Frage, ob bereits erfüllte Verträge noch Gegenstand eines Anpassungsverlangens sein können.

50

3. Der Prozessvergleich ist wirksam zustande gekommen (a und b) und nicht wirksam beendet worden (c). Davon sind sowohl das Verwaltungsgericht Hamburg als auch das Bayerische Verwaltungsgericht München zu Recht ausgegangen.

51

a) Der Vergleichsvertrag ist nicht nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 779 BGB unwirksam. Das wäre nur der Fall, wenn der nach seinem Inhalt als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprach und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Daran fehlt es hier. Die gesetzliche Regelung stellt auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ab und erfasst damit nur den Fall des Fehlens der Vergleichsgrundlage zu jenem Zeitpunkt, nicht auch deren späteren Wegfall. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 gingen die Beteiligten übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass die Rechtsvorgänger der Beklagten Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG waren. Erst aufgrund der nach Vergleichsabschluss im Dezember 1992 erfolgten wirksamen Anmeldung des Restitutionsanspruches der JCC nach § 1 Abs. 6 i.V.m. § 2 Abs. 1 VermG ergab sich insoweit eine Änderung der Sach- und Rechtslage.

52

b) Der Prozessvergleich ist auch nicht nach § 58 Abs. 1 VwVfG wegen fehlender Zustimmung der JCC unwirksam. Er hat bei seinem Abschluss nicht in von ihr beanspruchte Rechte eingegriffen, so dass für seine Wirksamkeit ihre schriftliche Zustimmung nicht erforderlich war. Am 22. April 1992 hatte die JCC noch keine vermögensrechtlichen Ansprüche für das verfahrensgegenständliche Grundstück bei der zuständigen Behörde der Klägerin nach § 30 VermG angemeldet. Diese konnte daher damals weder die Berechtigung der JCC im Sinne von § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 6 VermG feststellen noch über einen Anspruch der JCC auf Erlösauskehr nach § 3 Abs. 4 S. 3 VermG entscheiden. Dabei wäre es verblieben, wenn die JCC nicht nachträglich noch Restitutionsansprüche angemeldet hätte. Bis zu dieser Anmeldung konnten damit auch keine von der JCC beanspruchten Rechte im Sinne von § 58 Abs. 1 VwVfG durch den Prozessvergleich verkürzt, beeinträchtigt oder entzogen werden. Dementsprechend hätte die JCC vor der Anmeldung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche auch weder gegen den zugunsten der Beigeladenen erlassenen Investitionsvorrangbescheid vom 20. Dezember 1991 noch gegen den zugunsten der Rechtsvorgänger der Beklagten ergangenen Restitutionsbescheid vom 6. Januar 1992 oder gegen die zu deren Gunsten ergangene Erlösauskehranordnung in Ziffer 7 des Prozessvergleichs wirksam mit Rechtsbehelfen vorgehen können. Erst wenn von mehreren Personen Ansprüche auf Rückübertragung desselben Vermögenswertes oder auf Erlösauskehr geltend gemacht werden, gilt nach § 3 Abs. 2 VermG derjenige als Berechtigter, der von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG als Erster betroffen war. Ohne Anmeldung kann diese Rechtswirkung nicht herbeigeführt werden; denn die von der Vorschrift geregelte Anspruchskonkurrenz besteht nur zwischen angemeldeten Ansprüchen.

53

c) Der Prozessvergleich vom 22. April 1992 ist auch nicht nachträglich durch Kündigung oder Anfechtung unwirksam geworden.

54

Allerdings hat die Klägerin den Vergleichsvertrag mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 gekündigt. Das Schreiben ging jedoch nach den getroffenen Feststellungen, die die Klägerin nicht in Zweifel gezogen hat, allein den Prozessbevollmächtigten der Rechtsvorgänger der beiden Beklagten, nicht aber der Beigeladenen und damit nicht allen Vertragsparteien zu. Damit fehlt es bereits am ordnungsgemäßen Zugang der Kündigungserklärung, so dass offenbleiben kann, ob sich die Klägerin überhaupt auf einen Kündigungsgrund berufen konnte.

55

Aus demselben Grunde scheidet ferner aus, die Kündigung in eine Anfechtung nach § 119 oder § 123 BGB umzudeuten. Insofern kann offenbleiben, ob ein Anfechtungsgrund bestünde. Im Übrigen wäre eine Anfechtung - aus welchem Grunde auch immer - am 6. Dezember 2001 jedenfalls verspätet erfolgt (§§ 121, 124 BGB), nachdem die Klägerin von der Anmeldung der vorrangigen Ansprüche der JCC seit Dezember 1992 und von deren vorrangiger Berechtigung an dem Grundstück jedenfalls seit der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. Januar 1999 wusste.

56

4. Die Verhältnisse, die für die in Ziffer 7 des Prozessvergleichs getroffene Regelung maßgebend gewesen sind, haben sich seit dessen Abschluss am 22. April 1992 so wesentlich geändert, dass der Klägerin das Festhalten an dieser Regelung nicht zuzumuten ist.

57

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG setzt voraus, dass nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen haben (a). Vertragsgrundlage sind die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die für den Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Vertragsparteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urteil vom 24. März 2010 - VIII ZR 160/09 - NJW 2010, 1663 ). Wesentlich ist eine Änderung der Verhältnisse daher nur, wenn die Vertragsparteien bei Kenntnis dieser Änderung den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten (b). Schließlich müssen die Folgen der nachträglichen Änderung den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat, weshalb ihm das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zumutbar ist (c).

58

a) Die Vertragsparteien gingen bei Abschluss des Prozessvergleichs am 22. April 1992 übereinstimmend von der Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten, der Restitutionsantragsteller Ulrich K. und Wolf-Peter L., aus. Das ergibt sich schon aus dessen Wortlaut, der Wolf-Peter L. und Ulrich K. in Ziffer 2 und 7 - ersichtlich im Sinne des Vermögensgesetzes - als "die Berechtigten" bezeichnet. Die Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten wurde dabei im Vertrag nicht erst geregelt, sondern von den Vertragsparteien als feststehend vorausgesetzt. Auch dies ergibt sich aus dem Vertragstext. Namentlich stellt Ziffer 7 die Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten nicht erst fest, sondern bestimmt lediglich als Konsequenz hieraus, dass sie den "auszukehrenden Erlös" aus der Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks erhalten sollten; auf eine Feststellung der Berechtigung durch Bescheid wurde in Ziffer 10 Satz 2 ausdrücklich verzichtet.

59

Die Vorstellung der Vertragsparteien von der Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten entsprach, wie oben dargelegt, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Sach- und Rechtslage. Diese änderte sich jedoch, als einige Monate später - im Dezember 1992 - die JCC vermögensrechtliche Ansprüche (auch) für das vertragsgegenständliche Grundstück anmeldete; die JCC war Rechtsnachfolger der früher geschädigten Eigentümerin M., weshalb ihre Berechtigung die Rechtsvorgänger der Beklagten verdrängte (§ 3 Abs. 2 VermG).

60

Der Feststellung, dass damit eine tatsächliche und rechtliche Grundlage des Vertrages nachträglich wegfiel, steht nicht die Erwägung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München entgegen, die Vertragsparteien hätten sich über die Möglichkeit einer künftigen Anmeldung von Ansprüchen der JCC und insbesondere über deren mögliche verdrängende Wirkung keine Vorstellungen gemacht. Für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG reicht es aus, wenn nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, deren Bestand die Vertragspartner als gemeinsame Grundlage des Vertrages angenommen und deren Fortbestand sie fraglos vorausgesetzt haben, ohne diese tatsächlichen Umstände oder rechtlichen Bedingungen zum Vertragsinhalt gemacht zu haben. Die gemeinsame Vorstellung muss dagegen nicht obendrein auf konkrete künftig eintretende Ereignisse oder deren Ausbleiben gerichtet sein. Sie kann auch in der unausgesprochen gebliebenen Erwartung liegen, ein für die Vereinbarung entscheidender tatsächlicher oder rechtlicher Zustand - wie die gemeinsame Vorstellung von der Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten - werde Bestand haben. Dies entspricht der Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25. Januar 2011 - BVerwG 2 B 73.10 - juris Rn. 8) als auch des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. Urteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 179/05 - BGHZ 177, 193 <208 Rn. 40>).

61

b) Die vermögensrechtliche Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten war für die Vertragsparteien so wesentlich, dass sie andernfalls den Vertrag nicht geschlossen hätten. Sonst wäre kaum verständlich, aus welchen Gründen die Klägerin den Veräußerungserlös gerade ihnen hätte zukommen lassen sollen. Sämtliche Vertragsparteien wollten die im Vergleich vereinbarte Regelung über die Auskehr des Erlöses an die Rechtsvorgänger der Beklagten ersichtlich nur deshalb treffen, weil deren Berechtigung für sie fraglos feststand.

62

Die Beklagten wenden ein, die Klägerin hätte den Vergleichsvertrag zugunsten ihrer Rechtsvorgänger auch dann geschlossen, wenn sie mit einer nachfolgenden verdrängenden Anspruchsanmeldung der JCC gerechnet hätte. Ihr sei es allein darum gegangen, den Erstanmeldern L. und K. das Klagerecht "abzukaufen", um die dringend erwünschte Investition des Beigeladenen nicht weiter zu verzögern. Hierfür fehlt aber jeder Anhaltspunkt. Richtig dürfte sein, dass das Motiv des "Abkaufs" jedenfalls die Beigeladene dazu bewogen hat, der Erhöhung des Kaufpreises zuzustimmen; dem wird Rechnung zu tragen sein (vgl. unten c) cc). Die Annahme jedoch, die Klägerin hätte allein aus diesem Grunde das Risiko auf sich genommen, den erheblichen Betrag von 3,5 Mio. DM zweimal bezahlen zu müssen, ist lebensfremd. Viel näher liegt die Annahme, dass die Klägerin, hätte sie dieses Risiko bedacht, auf einem Widerrufs- oder Rücktrittsrecht zumindest für den bereits im ursprünglichen Kaufvertrag bedungenen Kaufpreis von 2,5 Mio. DM bestanden hätte. Ein anderes Vertragsverhalten wäre ihr als öffentlich-rechtliche Körperschaft auch gar nicht möglich gewesen.

63

c) Der Klägerin ist das unveränderte Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung in Ziffer 7 des Vergleichsvertrages infolge der erwähnten wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht mehr zuzumuten. Das Verwaltungsgericht Hamburg ist davon zu Recht ausgegangen. Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat dies dagegen verkannt.

64

aa) Für eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG genügt nicht, dass sich für eine Vertragspartei das normale Vertragsrisiko realisiert. Es reicht ferner nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Verschlagsschluss vernünftigerweise jetzt nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss nach dem Regelungszusammenhang sowie nach dem Zweck der Vorschrift die Änderung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt haben, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen also den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat (vgl. Urteile vom 25. November 1966 - BVerwG 7 C 35.65 - BVerwGE 25, 299 <302 f.> = Buchholz 310 Vorbem. III § 42 VwGO Ziff. 3 Nr. 55, vom 9. November 1990 - BVerwG 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <80 f.> = Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 109 und vom 24. September 1997 - BVerwG 11 C 10.96 - Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 1 = NVwZ 1998, 1075; Beschluss vom 25. Januar 2011 - BVerwG 2 B 73.10 - juris Rn. 8). Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden der Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab zugrunde zulegen (vgl. Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 60 Rn. 7; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 60 Rn. 12a und Lorenz, DVBl 1997, 865 <871> jeweils m.w.N.). Anderenfalls hätte es eine Vertragspartei entgegen dem - für die Gewährleistung von Rechtssicherheit unverzichtbaren - Grundsatz "pacta sunt servanda" in der Hand, über die Eigendefinition der Unzumutbarkeit die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung weitgehend selbst zu bestimmen.

65

Die rechtliche Würdigung, ob sich aus der wesentlichen Änderung der gemeinsam vorausgesetzten Grundlagen des Vertrages unzumutbare Folgewirkungen für eine Vertragspartei ergeben, ist auf der Grundlage aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. Urteile vom 25. November 1966, vom 9. November 1990 und vom 24. September 1997 jeweils a.a.O.; Beschluss vom 25. Januar 2011 a.a.O.). Das Festhalten an dem unveränderten ursprünglichen Vertragsinhalt ist jedenfalls dann unzumutbar, wenn - bei Annahme der Gleichwertigkeit der gegenseitig versprochenen Leistungen bei Vertragsschluss - durch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung oder eine nachträgliche Rechtsänderung ein eklatantes Missverhältnis zwischen ihnen entstanden ist. Denn bei gegenseitigen Verträgen ist in der Regel die Vorstellung von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung Geschäftsgrundlage (BGH, Urteile vom 14. Oktober 1959 - V ZR 9/58 - NJW 1959, 2203 = LM BGB § 242 (Bb) Nr. 34, vom 21. Dezember 1960 - V ZR 56/60 - LM BGB § 242 (Bb) Nr. 39 = MDR 1961, 307 und vom 8. Februar 1978 - VIII ZR 221/76 - JZ 1978, 235 <236> = juris Rn. 13). Die Ausgleichsfunktion der beiderseitigen Leistungen muss im Hinblick auf § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG so stark gestört sein, dass es dem benachteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben unmöglich wird, in der bisherigen vertraglichen Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen (vgl. BGH, Urteile vom 1. Oktober 1975 - VIII ZR 108/74 - NJW 1976, 142 und vom 11. März 1993 - I ZR 27/91 - NJW-RR 1993, 880 = juris Rn. 15 m.w.N.; Lorenz, a.a.O., S. 867).

66

bb) So liegt es hier. Das Interesse der Klägerin an dem Prozessvergleich beschränkte sich darauf, den bereits vereinbarten Verkauf des Grundstücks an die Investorin - die Beigeladene - durchzusetzen und zu beschleunigen; deshalb stimmte sie einer Regelung durch (verfahrensbeendenden) Prozessvergleich an Stelle einer solchen durch (anfechtbare) Verwaltungsakte zu. In Ansehung des Verkaufserlöses verfolgte die Klägerin hingegen ersichtlich keine eigenen - positiven - Interessen. Ihr stand der Verkaufserlös keinesfalls zu; hingegen war sie zur Auskehr an den vermögensrechtlich Berechtigten verpflichtet (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VermG). Sie musste den von der Beigeladenen geschuldeten Kaufpreis praktisch nur an den Berechtigten weiterleiten, wovon auch Ziffer 5 des Vergleichsvertrages ausgeht. Das Interesse der Klägerin richtete sich insofern allerdings - negativ - darauf, den Kaufpreis nicht zweimal auskehren zu müssen. Dass ihr dies - zumal als öffentlich-rechtliche Körperschaft, welche sich aus Steuermitteln finanziert - angesichts der erheblichen Höhe des Kaufpreises nicht zuzumuten ist, liegt auf der Hand. Genau hierzu aber hat die nachträgliche Anmeldung vorrangiger vermögensrechtlicher Ansprüche durch die JCC geführt.

67

Das Risiko der Doppelzahlung infolge einer nachträglichen Anmeldung von Ansprüchen der JCC liegt nicht einseitig bei der Klägerin. Gegenteiliges ergibt sich nicht schon daraus, dass es sich um ein vermögensrechtstypisches Risiko handelte; § 60 Abs. 1 VwVfG lässt sich nicht von vornherein auf Veränderungen außerhalb des jeweils betroffenen Sach- und Rechtsgebiets beschränken. Es ergibt sich aber auch weder aus der vertraglichen noch aus der gesetzlichen Risikoverteilung (vgl. § 313 Abs. 1 BGB). Für eine Zuweisung des Risikos einer nachträglichen Anmeldung vorrangiger vermögensrechtlicher Ansprüche an die Klägerin durch den Vergleichsvertrag selbst fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Beklagten behaupten zwar, die Klägerin habe dieses Risiko im Vertrage einseitig übernommen, sind jedoch jeden Beleg dafür schuldig geblieben. Auch das Gesetz weist das Risiko nicht einseitig der Klägerin zu, und zwar weder in ihrer Rolle als Verfügungsberechtigte noch in derjenigen als Vermögensamt. Die treuhänderische Verpflichtung des Verfügungsberechtigten nach § 3 Abs. 3 VermG, auf welche die Bevollmächtigte der Beklagten zu 1 vorrangig abhebt, setzt einen Antrag nach § 30 VermG voraus und besteht demzufolge nur gegenüber dem Berechtigten, der Restitutionsansprüche angemeldet hat; hierzu zählte die JCC im April 1992 (noch) nicht. Auch aus der Vorrangregel des § 3 Abs. 2 VermG lässt sich nichts gewinnen; sie greift erst ein, wenn konkurrierende Ansprüche angemeldet sind. Immerhin ist zu bedenken, dass eine solche Anmeldung konkurrierender Ansprüche noch möglich war; die Ausschlussfrist in § 30a VermG wurde erst durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) mit Wirkung vom 22. Juli 1992 eingeführt und war ohnehin im April 1992 noch nicht abgelaufen. Dass eine spätere Anmeldung aber auch solche Ansprüche verdrängen und rückwirkend entwerten würde, über die zuvor bereits unanfechtbar entschieden war, war im April 1992 in der Rechtsprechung noch nicht entschieden (vgl. Urteil vom 21. Juni 2001 - BVerwG 7 C 4.00 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 26) und lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 VermG allein nicht entnehmen.

68

Die Klägerin hat auch keine Sorgfaltspflicht verletzt. Sie war durch die bestehenden Richtlinien gehalten, sich vor Vertragsschluss über das Vorliegen konkurrierender vermögensrechtlicher Anmeldungen zu unterrichten. Gleichermaßen wies die Belehrung durch den Notar, die als § 14 Buchst. e Eingang in den mit der Beigeladenen geschlossenen Grundstückskaufvertrag vom 3. März 1992 gefunden hatte, die Vertragsparteien - und damit auch die Klägerin - "auf ihre Verpflichtung hin..., sich wegen Anmeldungen von derartigen (scil.: vermögensrechtlichen Rückübertragungs-)Ansprüchen zu informieren". Das hat die Klägerin getan; derartige Anmeldungen lagen - unstreitig - seinerzeit nicht vor.

69

Die nachträgliche Anmeldung konkurrierender Ansprüche der JCC auf das in Rede stehende Grundstück war für die Klägerin auch nicht eher vorhersehbar als für die anderen Vertragsparteien. Die JCC leitete ihre Ansprüche als Rechtsnachfolgerin der Johanna M., die jüdischen Glaubens war, daraus her, dass diese das Grundstück 1937 im Wege eines Zwangsverkaufs im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG an Friedrich Hermann K. veräußern musste. Die Klägerin musste von diesem Zwangsverkauf keine bessere Kenntnis haben als die Rechtsvorgänger der Beklagten. Das Grundbuch verzeichnete zwar den Namen M., der auf eine jüdische Glaubenszugehörigkeit hinweisen mochte; der Blick ins Grundbuch stand indes allen Vertragsparteien gleichermaßen offen. Eher noch als bei der Klägerin ließe sich ein Sonderwissen von jenem Zwangsverkauf bei den Rechtsvorgängern der Beklagten vermuten, war es doch ihr Vater und Großvater, der das Grundstück 1937 von Frau M. erworben hatte.

70

Sowenig wie die nachträgliche Anmeldung konkurrierender Ansprüche der JCC für die Klägerin (eher als für die Rechtsvorgänger der Beklagten) vorhersehbar war, sowenig waren deren unzumutbare Folgen für sie vermeidbar. Vorkehrungen schon im Vertrage hätten vorausgesetzt, dass die Vertragsparteien mit einer nachträglichen, aber vorrangigen Anmeldung rechneten; daran fehlt es. Möglichkeiten für spätere Vorkehrungen zur Schadensverminderung oder Schadensvermeidung sind aber nicht ersichtlich.

71

cc) Der Klägerin ist aber ein Festhalten an der in Ziffer 7 des Vergleichsvertrages getroffenen Regelung nicht in der vollen Höhe des hiernach an die Rechtsvorgänger der Beklagten auszukehrenden Betrages von 3,5 Mio. DM unzumutbar. Es ist zu berücksichtigen, dass nach den getroffenen Feststellungen die Vertragsparteien beim Abschluss des Vergleichs und bei der Bezifferung dieses Betrages nicht allein das Ziel verfolgten, den Letzteren als den (angenommenen) Restitutionsberechtigten den Gegenwert des Grundstücks zukommen zu lassen. Denn der in dem notariellen Kaufvertrag zwischen der Beigeladenen und der Klägerin ursprünglich vereinbarte Kaufpreis von 2,5 Mio. DM wurde im Prozessvergleich nicht etwa aufgrund eines neuen Verkehrswertgutachtens um eine Million DM erhöht. Sicherlich stimmte die Beigeladene der Kaufpreiserhöhung zum Teil auch zu, um ein neues Verkehrswertgutachten zu ersparen, insofern also in unbesehener Vorwegnahme seines möglichen Ergebnisses. Hinzu kam aber und vor allem, dass die Beigeladene und die Klägerin mit der Kaufpreiserhöhung den Rechtsvorgängern der Beklagten deren - seinerzeit tatsächlich bestehendes - Klagerecht "abgekauft" haben, wie das Verwaltungsgericht Hamburg rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Ersichtlich hatten sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene seinerzeit ein starkes Interesse daran, dass sich die damals beim Verwaltungsgericht Halle anhängigen gerichtlichen Verfahren nicht noch länger hinzogen und dass insbesondere der zugunsten der Beigeladenen ergangene Feststellungsbescheid vom 20. Dezember 1991 in Bestandskraft erwuchs und so eine jahrelange rechtliche Unsicherheit in Bezug auf die ungeklärten Eigentumsfragen an dem Grundstück vermieden wurden. Da eine zügige Realisierung des Investitionsvorhabens der Beigeladenen seinerzeit auch im öffentlichen Interesse lag und dementsprechend auch die Klägerin als Stadt darauf hoffte, davon zu profitieren, ist es ihr im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zuzumuten, die finanziellen Nachteile zu tragen, die sich für sie aus der Nichtweiterleitung eines dem "Abkaufinteresse" entsprechenden Anteils des Differenzbetrages zwischen dem ursprünglichen und dem am 22. April 1992 vereinbarten Kaufpreis ergeben. Dieser Anteil lässt sich nicht genau ermitteln, weil er maßgeblich auf den damaligen Einschätzungen der Beteiligten hinsichtlich ihrer jeweiligen Interessenlage und deren hypothetischer Entwicklung beruhte. Der erkennende Senat schätzt das "Abkaufinteresse" deshalb gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO auf 70 % des Erhöhungsbetrages von 1 Mio. DM, mithin auf 700 000 DM, die damit von dem Ausgangswert von 3,5 Mio. DM, auf den sich der Anpassungsanspruch der Klägerin bezieht, jedenfalls in Abzug zu bringen sind.

72

Entgegen der vom Verwaltungsgericht Hamburg im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung ist dieser Betrag nicht um weitere 186 000 DM wegen möglicher Entschädigungsansprüche der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgänger nach § 7a Abs. 3c VermG zu reduzieren. Zwar steht eine solche Entschädigung hiernach demjenigen zu, der nach § 3 Abs. 2 VermG wegen eines Anspruchs eines vorrangig Berechtigten nach § 1 Abs. 6 VermG von der Rückübertragung ausgeschlossen ist. Es spricht aber schon wenig dafür, dass die Rechtsvorgänger der Beklagten das Grundstück in redlicher Weise erworben haben, wie § 1 Abs. 2 Satz 1 EntschG zusätzlich voraussetzt, beruhte der Erwerb doch gerade auf dem Zwangsverkauf. Zudem hätte sich ein Entschädigungsanspruch nicht gegen die Klägerin, sondern gegen den Entschädigungsfonds gerichtet (§ 1 Abs. 1, § 9 EntSchG). Schließlich unterliegt der Entschädigungsanspruch nach § 7a Abs. 3c Satz 2 und 3 EntSchG der Verjährung. Ob die Beklagten vor Ablauf der Verjährungsfrist vorsorglich rechtzeitig Entschädigungsansprüche geltend gemacht haben, stand und steht nicht in der Verfügungsmacht der Klägerin.

73

5. Die Anpassung des Vergleichsvertrages mit dem Ziel, den Rechtsgrund für den Erhalt des Erlöses in Höhe von 1 431 617,20 € (entspricht 2,8 Mio. DM) zu beseitigen und die Beklagten zur Rückerstattung dieses Betrages zu verpflichten, ist diesen freilich nur dann zuzumuten, wenn etwa schutzwürdiges Vertrauen gewahrt bleibt.

74

a) Grundsätzlich ist den Beklagten die Vertragsanpassung nicht unzumutbar. Sie haben eine Zahlung erhalten, deren Grundlage auch für sie selbst die Annahme war, Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes zu sein. Die Anmeldung vorrangiger Ansprüche der JCC hat diese Grundlage beseitigt. Ihnen bleibt die seinerzeitige Verfahrensposition; was sie im Zuge der Vergleichsverhandlungen für den "Abkauf" dieser Verfahrensposition erzielen konnten, bleibt ihnen erhalten. Darüber hinaus war für sie die Zahlung ohne sachliche Grundlage.

75

b) Allerdings ist zu bedenken, dass das Interesse, das seinerzeitige Verwaltungsverfahren gerade durch einen Prozessvergleich zu beenden, einseitig bei der Klägerin und der Beigeladenen lag. Die Rechtsvorgänger der Beklagten haben dieses Beschleunigungsinteresse der anderen Vertragsparteien zwar ausgenutzt; selbst aber hatten sie kein besonderes Beschleunigungsinteresse, will man ihnen nicht gerade eine Sorge vor ausstehenden konkurrierenden vermögensrechtlichen Anmeldungen unterstellen. Aus ihrer Sicht hätte die Klägerin als Vermögensamt die nötigen vermögensrechtlichen Regelungen daher auch durch Verwaltungsakt treffen können.

76

Dies aber führt dazu, dass sie der Klägerin jedenfalls diejenigen Einwendungen entgegenhalten können, die ihnen zugestanden hätten, hätte die Klägerin die vermögensrechtlichen Regelungen, statt durch Vertrag, durch Verwaltungsakt getroffen. Die Rechtsformwahl des Vertrages kann sie insofern nicht schlechter stellen. Wäre die in Ziffer 7 des Prozessvergleichs erfolgte Festsetzung der Erlösauskehr zugunsten der Rechtsvorgänger der Beklagten ohne Vergleich durch selbstständigen Bescheid ergangen, hätte die Klägerin diesen begünstigenden Verwaltungsakt, der jedenfalls zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war, nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 VwVfG widerrufen können. Hiernach darf die zuständige Behörde, wenn sie aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, den bestandskräftigen begünstigenden Verwaltungsakt widerrufen, wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Sie hat dann den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. Nichts anderes kann gelten, wenn der in Rede stehende begünstigende Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde - wie hier in Ziffer 7 des Prozessvergleichs - im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erlassen worden ist.

77

Einen mit der vertraglichen Regelung in Ziffer 7 des Prozessvergleichs inhaltsgleichen begünstigenden Verwaltungsakt hätte die Klägerin (Vermögensamt) wegen des Wegfalls der vermögensrechtlichen Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten widerrufen dürfen. Angesichts des Betrages von 3,5 Mio. DM ist davon auszugehen, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Das Interesse an der sparsamen Verwendung von öffentlichen Mitteln ist als öffentliches Interesse im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG anzusehen (Urteil vom 11. Februar 1982 - BVerwG 2 C 9.81 - Buchholz 232 § 116a BBG Nr. 8 = DVBl 1982, 795<797> und Beschluss vom 17. Oktober 1985 - BVerwG 7 B 161.85 - Buchholz 11 Art. 106 GG Nr. 3 = juris Rn. 4), bei dessen Verletzung Schaden für wichtige Gemeinschaftsgüter droht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um die Verwendung öffentlicher Mittel in der hier in Rede stehenden Größenordnung handelt. Die Klägerin hätte die Beklagten dann jedoch für den Vertrauensnachteil entschädigen müssen, den diese dadurch erleiden, dass sie oder ihre Rechtsvorgänger auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut haben, soweit dieses Vertrauen schutzwürdig ist (§ 49 Abs. 6 VwVfG).

78

Den Beklagten muss derselbe Einwand zustehen. Die von der Klägerin beanspruchte Vertragsanpassung ist daher entsprechend einzuschränken. Die Einschränkung führt zusätzlich dazu, dass die Beklagten für den Rückzahlungsbetrag nicht als Gesamtschuldner haften; denn dann wirkte sich der Einwand der einen Beklagten zum Nachteil der anderen aus. Der äußerste Rückzahlungsbetrag von insgesamt 1 431 617,20 € (entspricht 2,8 Mio. DM) ist deshalb auf die Beklagten je hälftig aufzuteilen.

79

c) Ob und in welchem Umfang die Beklagten gegenüber dem Anpassungs- und Zahlungsbegehren der Klägerin im Sinne von § 49 Abs. 6 VwVfG schutzwürdig sind, ist bisher nicht festgestellt worden. Die Beklagten haben zwar vorgetragen, sie hätten das von ihren Rechtsvorgängern erhaltene Geld bereits verbraucht, da sie von der Beständigkeit und Rechtmäßigkeit der im Prozessvergleich vereinbarten Regelungen ausgegangen seien. Eine Erfüllung der mit dem Anpassungsverlangen geltend gemachten Ansprüche sei ihnen damit unmöglich, jedenfalls nicht mehr zuzumuten. Hierzu liegen allerdings bislang keine tatsächlichen Feststellungen in den angefochtenen Urteilen vor. Das Tatsachengericht wird im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls welche Vermögensdispositionen die Rechtsvorgänger der Beklagten oder diese selbst getroffen haben. Die Beweislast für das Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen schutzwürdigen Vertrauens liegt bei den Beklagten, da sie hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten.

80

Allerdings ist zu bedenken, dass insofern nur Vermögensdispositionen in der Zeit seit dem Abschluss des Prozessvergleichs bis zum Zugang des Schreibens der Klägerin vom 7. Juni 1994 in Betracht kommen, mit welchem sie auf den Eingang der Anmeldung der konkurrierenden Ansprüche der JCC hingewiesen worden sind. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG, die auch im Rahmen von § 49 Abs. 6 VwVfG geboten ist; der auf § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 VwVfG beschränkte Verweis in § 49 Abs. 6 Satz 2 VwVfG steht einer Parallelität des § 49 Abs. 6 VwVfG zu § 48 Abs. 3 VwVfG im Übrigen nicht entgegen (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 49 VwVfG ). Wie für § 48 Abs. 3 VwVfG (vgl. dort Satz 2), so findet daher die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auch für § 49 Abs. 6 VwVfG ihre Grenze in § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, der im Rahmen von § 49 Abs. 6 VwVfG freilich nur entsprechend und deshalb mit der Maßgabe Anwendung findet, dass an die Stelle der Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Widerruflichkeit des Verwaltungsakts tritt. Hieraus ergibt sich, dass ein Vertrauen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgänger für die Zeit nach Erhalt des Hinweisschreibens vom 7. Juni 1994 nicht mehr schutzwürdig ist. Denn seitdem mussten sie mit einem Vertragsanpassungs- und Rückforderungsverlangen der Klägerin rechnen.

81

6. a) Der von der Klägerin gegen die Beklagten geltend gemachte Anpassungsanspruch ist nicht verjährt.

82

Gemäß § 62 Satz 2 VwVfG sind bei öffentlich-rechtlichen Verträgen ergänzend zu den Bestimmungen im Verwaltungsverfahrensgesetz die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden. Das gilt auch hinsichtlich der Regelungen über die Verjährung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 62 Rn. 23 m.w.N.). Die gesetzliche Verweisung in § 62 Satz 2 VwVfG ist, wie ihr Wortlaut ausweist, nicht auf Zahlungsansprüche beschränkt. Nach § 194 Abs. 1 BGB unterliegt der Verjährung jedes Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch). Aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Regelungszusammenhang und dem erkennbaren Zweck der Regelung ergibt sich nichts anderes.

83

Ob die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs hiernach entsprechend nur für vertragliche oder auch für gesetzliche Ansprüche gelten, die sich an einen Vertrag knüpfen oder auf einen Vertrag beziehen, und ob sie auch Gestaltungsrechte einschließen, mag offenbleiben. Denn auch wenn die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. zugrunde gelegt wird, auf welche sich die Beklagten berufen, wäre das Anpassungsverlangen der Klägerin nicht verjährt. Die Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB n.F. mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, und endet nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB n.F. ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Diese Regelung wurde jedoch erst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in Kraft gesetzt; bis dahin galt für Ansprüche der vorliegenden Art die allgemeine dreißigjährige Frist. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die neuen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die am 1. Januar 2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB sieht vor, dass in Fällen, in denen die Verjährungsfrist des neuen Rechts kürzer als die nach dem bisherigen Recht ist, die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet wird.

84

Hiernach war der Anpassungsanspruch der Klägerin nach § 60 Abs. 1 VwVfG zur Zeit der Klageerhebung am 24. April 2006 nicht verjährt. Die hinreichende Kenntnis von den ihren Anpassungsanspruch nach § 60 Abs. 1 VwVfG begründenden Umständen erhielt die Klägerin, als geklärt war, dass der Anspruch der JCC auf Erlösauskehr bestand und dass sie ihn ungeachtet der im Prozessvergleich vom 22. April 1992 getroffenen Regelung erfüllen musste. Dies stand erst fest, nachdem das Bundesverwaltungsgericht ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 21. April 2001 mit Beschluss vom 11. November 2005 zurückgewiesen hatte.

85

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch der Klägerin auch nicht verwirkt.

86

Ein Anspruch ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die spätere Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Diese Anforderungen gelten auch im Vermögensrecht (vgl. u.a. Beschluss vom 4. April 2012 - BVerwG 8 C 9.11 - juris Rn. 24). Das Umstandsmoment ist insbesondere erfüllt, wenn der Schuldner infolge eines bestimmten Verhaltens des Gläubigers darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauenstatbestand, vgl. Urteil vom 27. Juli 2005 - BVerwG 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 11 f.; Beschlüsse vom 13. Februar 1998 - BVerwG 7 B 34.98 - juris und vom 4. April 2012 a.a.O.).

87

Daran fehlt es hier. Nach den von den Tatsachengerichten getroffenen Feststellungen und der Aktenlage hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt gegenüber den Beklagten zum Ausdruck gebracht oder durch ihr Verhalten signalisiert, dass sie im Falle ihrer rechtskräftigen Verpflichtung zur erneuten Auskehr des vereinbarten Kaufpreises an die JCC auf eine Anpassung des Vergleichsvertrages und eine Rückforderung des an die Rechtsvorgänger der Beklagten ausgekehrten Betrages verzichten würde. Vielmehr hat sie die Prozessbevollmächtigten der Rechtsvorgänger beider Beklagten mit Schreiben vom 7. Juni 1994 über die Anmeldung der Ansprüche der JCC unterrichtet und damit zum Ausdruck gebracht, gegebenenfalls Ansprüche erheben zu wollen. In der Folgezeit waren beide Rechtsvorgänger der Beklagten zu den beiden Verwaltungsstreitverfahren beigeladen, mit denen die Klägerin versuchte, die Ansprüche der JCC abzuwehren, und die im November 2005 zu ihrer rechtskräftigen Verpflichtung führten, den Kaufpreis für das Grundstück an die JCC auszukehren. Auch wenn die Klägerin entgegen ihrer im Jahre 2001 erfolgten Androhung zunächst keine Klage gegen die Rechtsvorgänger der Beklagten erhoben hatte, hat sie damit für diese keine Vertrauensgrundlage dergestalt geschaffen, dass nunmehr mit einer Inanspruchnahme der Beklagten nicht mehr zu rechnen sei. Weder der Zeitraum zwischen der Anmeldung der Ansprüche durch die JCC im Dezember 1992 und dem Schreiben vom 7. Juni 1994 noch der Zeitraum zwischen dem rechtskräftigem Abschluss des vorgenannten gerichtlichen Verfahrens im November 2005 und der Erhebung der Klage im April 2006 war so lang, dass allein hieraus die Beklagten oder ihre Rechtsvorgänger den Schluss hätten ziehen können, die Klägerin werde Ansprüche nach § 60 VwVfG nicht mehr verfolgen.

88

1. In Ansehung des sich aus der Vertragsanpassung ergebenden Zahlungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 ist das Verfahren noch beim Verwaltungsgericht Hamburg anhängig. Hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs gegen die Beklagte zu 1 verweist der Senat die Sache ebenfalls dorthin.

89

a) Da die Beklagten in Ansehung des Streitgegenstandes, wie (oben II 1.) gezeigt, notwendige Streitgenossen sind, muss das Verfahren vor einem und demselben Gericht geführt werden. Das gilt nicht nur hinsichtlich des Vertragsanpassungsverlangens selbst, sondern auch hinsichtlich des Zahlungsverlangens. Dass die Klägerin den Streitgegenstand in dieser Weise in zwei Klaganträge aufgeteilt hat und sinnvoll aufteilen konnte, führt nicht dazu, die notwendige Verbundenheit zwischen den gegen die beiden Beklagten gerichteten Verfahren in Ansehung des Zahlungsverlangens wieder zu lösen. Zwar stehen die Beklagten hinsichtlich des Zahlungsverlangens selbst nicht mehr in notwendiger Streitgenossenschaft; sie sind, wie gezeigt, nicht einmal Gesamtschuldner und können dem jeweiligen Zahlungsbegehren je individuelle Einwendungen entgegenhalten. Das liegt jedoch nur in der vorliegenden konkreten Fallgestaltung begründet, die eine derartige Aufgliederung und Abschichtung des umfassenden Klagebegehrens der Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erlaubt. Es ändert nichts daran, dass es sich um einen unselbstständigen Teil eines einheitlichen Streitgegenstandes handelt, für den die Beklagten jedenfalls dem Grunde nach zu notwendigen Streitgenossen verbunden sind; eine Differenzierung zwischen dem Anpassungsanspruch einerseits und dem hierauf aufbauenden Leistungsanspruch andererseits ist daher nicht geboten (vgl. Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <342>; Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG-Kommentar, 9. Aufl. 2010, § 60 VwVfG Rn. 21; a.A. etwa Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921 <926 f.>, die eine Stufenklage befürworten). Im Übrigen wäre eine erneute Trennung des Verfahrens in Ansehung des Zahlungsverlangens der Höhe nach wenig prozessökonomisch, zumal sich etliche Fragen auch hier für beide Beklagte gleichermaßen stellen.

90

b) Da das Bundesverwaltungsgericht über die Klage nicht abschließend entscheiden kann, die Sache bislang aber bei zwei verschiedenen Verwaltungsgerichten anhängig war, muss der Senat das zuständige Verwaltungsgericht bestimmen (§ 53 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO). Hierzu bedarf es weder des Antrags eines der bislang mit der Sache befassten Verwaltungsgerichte noch eines Antrags der Beteiligten; das Bundesverwaltungsgericht kann das zuständige Gericht auch von Amts wegen bestimmen, wenn die Sache bei ihm ohnehin anhängig ist, es den Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Ziff. 2 VwGO an ein unteres Gericht zurückverweisen muss und hierfür im Sinne von § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO mehrere untere Gerichte in Betracht kommen.

91

An der Bestimmung des zuständigen Verwaltungsgerichts ist der Senat nicht durch § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG gehindert. Das Verwaltungsgericht Halle hatte zwar mit Beschlüssen vom 5. September 2007 die Klage gegen die Beklagte zu 1 an das Bayerische Verwaltungsgericht München und die Klage gegen die Beklagte zu 2 an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen. Diese Verweisungsbeschlüsse sind nach § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar und nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG bindend. Die Reichweite dieser Bindungswirkung bezieht sich aber immer nur auf das konkrete, durch den jeweiligen Streitgegenstand bestimmte Verfahren, das verwiesen wurde. Den Verweisungsbeschlüssen des Verwaltungsgerichts Halle lag ein anderer Streitgegenstand zugrunde als im vorliegenden, an das erstinstanzliche Gericht zurückzuweisenden Verfahren. Die Klägerin hatte damals die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1 798 521,58 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit und - als Vorfrage hierzu - die Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessvergleichs beantragt. Erst nach der Verweisung hat sie mit Schriftsätzen vom 25. Juni 2010 vor dem Verwaltungsgericht Hamburg und vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München ihre Klage geändert; erst hierdurch wurde das Klagebegehren der Vertragsanpassung rechtshängig. Damit entfällt eine Bindungswirkung der Verweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Halle.

92

Es spricht Überwiegendes dafür, als zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Hamburg zu bestimmen. Zwar bezieht sich der seinerzeitige Prozessvergleich auf vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich eines in Halle belegenen Grundstücks, was für eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Halle spricht (vgl. § 52 Nr. 1 VwGO, § 35 Abs. 2 VermG). Ähnlich gute Gründe lassen sich jedoch für den allgemeinen Gerichtsstand des jeweiligen Beklagten nach § 52 Ziff. 5 VwGO finden. Nachdem dem bisherigen Verfahren dieser letztere Gesichtspunkt zugrundegelegt worden ist, erscheint es dem Senat zweckmäßig, hieran festzuhalten. Dann aber ist es sinnvoll, als zuständiges Gericht nicht das Bayerische Verwaltungsgericht München als den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 1, sondern das Verwaltungsgericht Hamburg als denjenigen der Beklagten zu 2 zu bestimmen; denn dort ist das Verfahren hinsichtlich des Zahlungsantrags gegen die Beklagte zu 2 ohnehin noch anhängig.

93

2. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Beigeladenen beruht auf § 162 Abs. 3 VwGO. Danach trägt die Klägerin im Hinblick auf ihr nur teilweises Obsiegen die Hälfte der außergerichtlichen Kosten, die der Beigeladenen im Verfahren gegen die Beklagte zu 1 in erster Instanz entstanden sind. Das entspricht der Billigkeit; denn die Beigeladene hat im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen, und sich damit dort - anders als im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Halle und Hamburg und anders als im Revisionsverfahren - einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten trägt die Beigeladene selbst.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.