Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2015 - 4 A 14.1787

bei uns veröffentlicht am20.10.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 A 14.1787

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 20. Oktober 2015

4. Senat

Sachgebietsschlüssel: 523

Hauptpunkte:

Vereinsrechtliche Verbotsverfügung gegen Ersatzorganisation, Anfechtung des Verbots durch Einzelpersonen, Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs, Begriffsmerkmale eines Vereins, Nachweis der Vereinseigenschaft anhand von Indizien

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

...

vertreten durch:

..., L-str. ..., M.,

- Beklagter -

wegen Vereinsverbot;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Peitek aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Oktober 2015

am 20. Oktober 2015

folgendes Urteil:

I.

Die Klagen werden abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Verfahrenskosten zu jeweils einem Einundvierzigstel.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine ihnen jeweils persönlich übermittelte vereinsrechtliche Verfügung, mit der das „Freie Netz Süd“ zu einer verbotenen Vereinigung erklärt wird.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2014 erließ das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) eine „an die Vereinigung ‚Freies Netz Süd‘, ihre Mitglieder und Unterstützer sowie die Drittbetroffenen“ adressierte, auf § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG gestützte Verfügung. Darin wird festgestellt, dass die Vereinigung „Freies Netz Süd“ (FNS) eine Ersatzorganisation der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern durch Verfügung vom 19. Dezember 2003 verbotenen Vereinigung „Fränkische Aktionsfront“ (F. A. F.) sei (1.); das FNS sei verboten und werde aufgelöst (2.). Zum Vollzug des Verbots trifft der Bescheid eine Reihe von Einzelmaßnahmen (3. bis 7.2.).

Gegen den ihnen jeweils am 23. Juli 2014 bekanntgegebenen Bescheid haben die Kläger am 19. August 2014 Klage erhoben. Sie beantragen,

Nr. 1 und 2 des Bescheids des StMI vom 2. Juli 2014, Az. IE4-1202.52-18, aufzuheben.

Die Klage richte sich als Anfechtungsklage gegen ein nach dem Vereinsgesetz verfügtes Vereinigungsverbot. Als Kläger könne die angebliche Vereinigung mangels Organ oder anderweitiger, etwa satzungsmäßiger Vertreter nur in Gestalt der vom Beklagten ihr zugerechneten Einzelpersonen, die auch sämtlich Zustellungsadressaten gewesen seien, repräsentiert werden. Dabei sei klarzustellen, dass sich die Klage gegen das Vereinigungsverbot richte und nicht etwa im Namen jedes/jeder Einzelnen gegen die Feststellung von dessen bzw. deren Mitgliedschaft. Dessen ungeachtet könne mit der Tatsache der Klage in der vorliegenden Form kein Präjudiz für das tatsächliche Bestehen einer Vereinigung namens „Freies Netz Süd“ verbunden werden; die Notwendigkeit der Klage nahezu des gesamten von der Verfügungszustellung betroffenen Personenkreises sei rein prozessual bedingt. Die Kläger seien durch die Verfügung nachteilig betroffen unabhängig davon, ob der Verbotsgegenstand überhaupt existiert habe und ob die Kläger diesen gebildet hätten. Denn jeder einzelne habe im Falle der Bestandskraft des Verbots strafrechtliche Verfolgung unter dem Gesichtspunkt des § 85 StGB zu gewärtigen, sollte er etwa seine politische Meinung zusammen mit anderen Klägern gemeinsam betätigen. Im Übrigen seien die Kläger in ihren Grundrechten auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit betroffen.

Es sei bereits fragwürdig und durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt, dass Vereine durch Bundes- oder Landesinnenminister verboten werden könnten, während Parteien durch den Verfassungsgerichtsvorbehalt nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG privilegiert seien. Der Vereinsbegriff des Grundgesetzes und des Vereinsgesetzes werde überdehnt, wenn eine Vernetzung bestimmter Gruppen und Personen verboten werde, also das bloß geistige Verbindunghalten und der Informationsaustausch untereinander. Eine Vereinigung „Freies Netz Süd“ (FNS) habe es nie gegeben, schon gar nicht mehr im Zeitpunkt der Verbotsverfügung. Wie der Beklagte selbst in der Verfügung schreibe, sei bereits am 28. April 2014, also mehr als zwei Monate zuvor, auf der Homepage des FNS mitgeteilt worden, dass die Netzplattform eingestellt und künftig nicht mehr aktualisiert werde. Aus dieser Mitteilung sei ersichtlich, dass es sich bei der Bezeichnung „Freies Netz Süd“ nicht um eine solche für eine Vereinigung handle, sondern für eine Internetseite („Netzplattform“), die ihren Betrieb eingestellt habe. In der Süddeutschen Zeitung vom 15. Mai 2012 sei geschrieben worden, dass im Unterschied zum Nationalen Block, den Skinheads Allgäu und der Fränkischen Aktionsfront beim FNS feste Vereinsstrukturen in dieser Form nicht existierten. Der verantwortliche Staatsminister Herrmann sei mit den Worten zitiert worden, es sei eindeutig so, dass das FNS anders agiere als die bisher verbotenen Organisationen. Auch ein sogenannter Rechtsextremismus-Experte habe erklärt, es gebe kein Oben und kein Unten, es sei eine fluide Struktur. Folgerichtig habe ein anderer Rechtsextremismus-Experte vom FNS als einer leeren Hülle gesprochen, da das FNS seit Herbst 2013 nicht mehr aktiv sei. Der Beklagte möge vortragen, welche Vernetzungsbemühungen es seit dem Tag der Stilllegung der Internetseite am 1. Mai 2014 noch gegeben habe. Dementsprechend schwer falle es dem Beklagten auch, ein Organisationsschema des angeblichen Vereins FNS auch nur ansatzweise darzustellen. Es würden weder Einzelpersonen oder Vereinigungen genannt, die als dem Verein zugehörig angesehen würden, noch würden formelle oder informelle Führer genannt, Finanzierungsstrukturen und Mitgliederpflichten dargestellt oder dargelegt, wie die Willensbildung im Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Verein funktioniert haben solle. Tatsächlich habe es dies auch nicht gegeben, jedenfalls nicht in Gestalt der zur Ausführung des Vereinigungsbegriffs notwendigen Mindestvoraussetzungen. Dass der Beklagte selbst nicht recht an ihre unter dem Druck der politischen Verhältnisse erzwungene Konstruktion glaube, zeige seine merkwürdige Untätigkeit gegenüber den Mitgliedsvereinigungen, für die das FNS angeblich als Dachverband fungiert habe und die in der Verfügung als dem FNS zuzuordnen bezeichnet würden. Dieses Unterlassen entbehre jeglicher Logik und schaffe völlige Rechtsunsicherheit; der Schwebezustand solle Verunsicherung schaffen und die Tätigkeit der dort aktiven Opposition lähmen. Die Verlinkung bestimmter Gruppierungen oder anderer Plattformen könne kein stichhaltiges Kriterium für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung sein. In den acht Jahren des Bestehens der Plattform FNS seien diesbezüglich unzählige Wechsel und vielfache Veränderungen erfolgt. Teilweise seien rechte Gruppierungen gar nicht oder nur temporär verlinkt gewesen, obwohl sie sich an gemeinsamen Versammlungen beteiligt hätten. Viele Seiten seien verschwunden, andere entstanden; freie Kameradschaft hätten sich aufgelöst, einen Namenswechsel vollzogen oder sich neu gegründet. Der Beklagte möge einmal anhand seiner geheimdienstlichen Erkenntnisse die Genese der verschiedenen rechten Gruppen und ihr Verhältnis zum FNS darlegen. Regionale und überregionale Gruppen hätten Berichte von der Seite des FNS übernommen und selbst veröffentlicht, ohne dass sie als Mitglieder des FNS ihrerseits verboten worden seien. So sei das „Nationale und Soziale Aktionsbündnis 1. Mai“, dessen Demonstrationen auch außerhalb Bayerns stattgefunden hätten, ebenfalls dem FNS zugerechnet worden, obwohl hier kein Verbot erfolgt sei; gänzlich fehle auch die Kameradschaft Nürnberg. Die Zuordnungen und Herleitungen von angeblichen Strukturen seien willkürlich, frei erfunden und entbehrten jeder nachvollziehbaren Logik. Nicht jede über das FNS beworbene Veranstaltung hätten alle in der Verbotsverfügung genannten Gruppierungen mitgetragen. Andererseits habe es Aktionen und Kampagnen gegeben, die in einer Gruppierung entstanden und dann erst später über die Plattform FNS weiter gestreut worden seien, zum Beispiel die Anti-Zeitarbeitskampagne des Aktionsbündnisses Nordoberpfalz oder die von der Gruppe Widerstand Cham kreierte Kampagne zur Anwerbung von Russlanddeutschen für die nationale Bewegung. Diese und viele andere Erkenntnisse widerlegten die Annahme, es habe einen einheitlichen Willensbildungsprozess oder gar eine hierarchische Struktur gegeben. Jede Gruppe und jede Einzelperson habe vielmehr das unterstützt, was sie selbst für unterstützenswert gehalten habe. Es habe auch keine vom FNS angemeldeten Versammlungen gegeben.

Das Verbot sei auch deswegen rechtswidrig, weil es von einer unzuständigen Behörde verfügt worden sei. Falls es, was bestritten werde, eine Vereinigung FNS überhaupt gegeben habe, habe sie jedenfalls zum Zeitpunkt des Verbotes nicht mehr existiert. Viele der vom Beklagten als maßgebliche Protagonisten oder Mitglieder des FNS angesehenen Personen hätten sich nämlich der länderübergreifend tätigen Partei „Der Dritte Weg“ angeschlossen. Wenn dieser Personenkreis gemeint sein sollte, so wäre, falls die Parteikriterien nicht erfüllt sein sollten, der Bundesminister des Inneren für ein Verbot zuständig, andernfalls das Bundesverfassungsgericht. Aber selbst auf den bestrittenen Verein FNS bezogen müsse festgestellt werden, dass Mitglieder der zugeordneten Gruppen und viele Adressaten der Verfügung selbstverständlich länderübergreifend tätig gewesen seien, zum Beispiel beim Austausch mit der griechischen „Goldenen Morgenröte“ und bei der Teilnahme an Versammlungen. Zudem sei die Tätigkeit aufgrund der weltweiten Propagandawirkung mittels Internet zwangsläufig aus diesem Grund länderübergreifend gewesen.

Die Frage einer Ausrichtung des FNS gegen die verfassungsmäßige Ordnung und die Frage der Einstufung als Ersatzorganisation der F. A. F. könnten nicht getrennt voneinander behandelt werden. Im Falle eines rechtswidrigen Verbots der F. A. F. dürfe sich die Verbotsverfügung nicht auf den Vortrag der Ersatzorganisation stützen. Der Verwaltungsgerichtshof müsse daher inzident die Rechtmäßigkeit des seinerzeitigen F. A. F.-Verbots prüfen und könne sich nicht auf dessen Bestandskraft berufen. Letztlich sei zu prüfen, ob das Verbotsobjekt selbst gemäß § 8 Abs. 1 VereinsG verfassungswidrige Bestrebungen weiterverfolge. Die Inhalte von Schriftstücken, Slogans, Aufklebern, Plakaten, Transparenten und Ansprachen seien ausschließlich in dem für den Urheber ungünstigsten Sinne ausgelegt worden, obwohl sich die allermeisten dieser Deutungen ersichtlich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten, sondern erlaubt seien. Das Bundesverfassungsgericht habe in der Wunsiedel-Entscheidung ausgeführt, dass das Grundgesetz kein allgemeines antinationalsozialistisches Grundprinzip kenne, welches ein Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhaltes erlaube. Unter dieser Prämisse seien die Annahmen und Herleitungen des Beklagten hinfällig und damit keine taugliche Begründung zur Annahme von Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

In einem am Vortag der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz wird das Vorbringen der Kläger ergänzt und vertieft.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Forderung der Klägerseite nach einer inzidenten Überprüfung des Vereinsverbots der F. A. F. gehe ins Leere, da die damalige Verbotsverfügung unanfechtbar sei, nachdem eine dagegen gerichtete Klage mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juni 2006 (Aktenzeichen 4 A 04.532) im Wesentlichen abgewiesen worden sei. Die Zuständigkeit des StMI für die streitgegenständliche Verbotsverfügung ergebe sich aus § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG, wonach die oberste Landesbehörde Verbotsbehörde sei für Vereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränkten. Für die Zuständigkeit sei nicht entscheidend, ob Internetinhalte auch von außerhalb des eigentlichen Tätigkeitsgebietes bzw. weltweit zur Kenntnis genommen werden könnten. Die Nutzung des Internets führe nicht zur generellen Unzuständigkeit der Landesbehörden, da die bloße Abrufbarkeit von Inhalten außerhalb Bayerns keine Tätigkeit außerhalb Bayerns darstelle. Eine solche Tätigkeit setze stets ein Tätigwerden voraus, also ein aktives Durchführen von Aktionen. Dass sich das Tätigwerden des FNS im Wesentlichen auf Bayern beschränkt habe, sei in der Verbotsverfügung eingehend dargelegt worden. Die Zuständigkeit der Verbotsbehörde richte sich nach der Organisation und Tätigkeit des Vereins; als Organisationsbereich komme es in erster Linie auf die Vereinstätigkeit an, die überall dort stattfinde, wo der Verein in relevanter Weise durch nicht ganz unbedeutendes Verhalten anhaltend in Erscheinung trete. Die bloße Teilnahme einzelner Akteure an von Dritten organisierten und durchgeführten Veranstaltungen gehe nicht über eine unbedeutende Tätigkeit in einem anderen Bundesland hinaus; zudem fehle es insoweit an einem „anhaltenden“ In-Erscheinung-Treten außerhalb Bayerns. Zum Auftreten des FNS in der Öffentlichkeit werde auf die Verbotsverfügung verwiesen. Für die Bestimmung des Organisationsbereichs könne es auch auf den Wohnbereich der Mitglieder ankommen, ohne dass allein das Residieren einiger Mitglieder in anderen Bundesländern einen überregionalen Verein konstituiere. Es bleibe bei der Verbotszuständigkeit eines Landes, wenn der Tätigkeitsschwerpunkt dort liege. Eine Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern komme nur in Betracht, wenn die Vereinigung über das Gebiet des Landes, in dem sie ihren Sitz habe, hinaus durch nicht ganz unbedeutende Tätigkeiten anhaltend in Erscheinung trete. Das FNS habe sich - wie ausführlich dargestellt - stets als nationales politisches Infoportal für Bayern bzw. als Widerstandsportal für Bayern, Franken, Schwaben und die Oberpfalz bezeichnet und sei als solches aufgetreten. Dass viele Akteure des FNS sich dem „Dritten Weg“ angeschlossen hätten, könne zu keiner anderen Bewertung der Zuständigkeit führen. Die Mitgliedschaft in einer Vereinigung schließe die Mitgliedschaft in einer anderen Vereinigung nicht aus. Anders als bei dem FNS handle es sich beim „Dritten Weg“ nach eigenem Anspruch um eine bundesweit tätige politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes, die seit ihrer Gründung im September 2013 in mehreren Bundesländern aktiv sei und dort sogenannte Stützpunkte gegründet habe. Gegründet worden sei der „Dritte Weg“ in Heidelberg, als Kontaktanschrift werde eine Adresse in Rheinland-Pfalz genannt. Die leitenden Posten seien von Personen besetzt, die selbst keine Akteure des FNS gewesen seien, mit diesen nicht im Zusammenhang gestanden hätten und auch nicht aus Bayern stammten. Auch das sog. 10-Punkte-Programm weise in allen Punkten Deutschlandbezug auf und hebe nicht in einem einzigen Punkt Bayern hervor.

Zur Begründung der Vereinseigenschaft des FNS werde auf die Verbotsverfügung verwiesen. Entgegen der Behauptung der Klägerseite habe das FNS zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung nach wie vor bestanden. Es komme dabei nicht auf ein Fortbestehen in der ursprünglichen Gestalt an; es genüge, dass der Verein zu diesem Zeitpunkt nach lebensnaher Betrachtung als noch existent anzusehen sei und somit Adressat einer Verbotsverfügung sein könne. Unabhängig davon spreche einiges dafür, auch einen nicht mehr existenten Verein nach dem Vereinsgesetz verbieten zu können, um die mit einem Verbot verbundenen Folgen auslösen zu können. Ziel eines Vereinsverbots sei nicht nur die aktuelle Struktur und Organisation zu zerschlagen, sondern auch die Fortführung der Ziele und Aktivitäten präventiv zu unterbinden. Soweit noch ein berechtigtes Interesse an einem Vereinsverbot anzunehmen sei, müsse ein solches Verbot möglich sein. Fragen der Adressierung des Verbots träten dahinter zurück, da die zu verbietende Organisation insoweit wie ein Verein in Auflösung zu behandeln sei. Letztlich könne dies hier offen bleiben, da das FNS zum Zeitpunkt des Verbots nach wie vor existent gewesen sei. Bei der Mitteilung auf der Internetseite des FNS am 28. April 2014, dass die Internetplattform eingestellt und künftig nicht mehr aktualisiert würde, sei zugleich darauf hingewiesen worden, dass die Plattform als Archivseite fortbestehe und bis auf weiteres abrufbar bleibe. Sie sei somit als Vernetzungsmöglichkeit zwischen Mitgliedern der rechtsextremistischen Szene erhalten geblieben und habe als Kommunikationsplattform dienen können; auch die E-Mail-Adresse sei für die Kontaktaufnahme freigeschaltet geblieben. Durch die Aufrechterhaltung der Plattform in einer nicht aktualisierten Version seien die verfassungswidrigen Bestrebungen der F. A. F fortgeführt worden. Nach der Rechtsprechung könnten für das Erfüllen eines Verbotsgrundes auch zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie noch aussagekräftig seien. Alle bisher eingestellten Beiträge der Internetseite seien auch nach der Ankündigung vom 28. April 2014 erreichbar und die Verlinkung zu Internetangeboten extremistischer Gruppierungen erhalten geblieben. Somit sei das FNS zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung durch die Internetplattform weiterhin existent gewesen, so dass die Verfügung nicht ins Leere gegangen sei. Aus Sicht eines unbedarften Dritten habe dieser weiterhin mit der Existenz des FNS rechnen müssen, da er die Internetadresse nach wie vor habe erreichen können und damit Zugang zu den bisher eingestellten Beiträgen und Verlinkung gehabt habe. Allein die Einstellung der Aktualisierungsbemühungen stelle keine Selbstauflösung des FNS dar. Es habe weiterhin fortbestanden und durch das Betreiben der Internetplattform den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VereinsG erfüllt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass dem Vereinsverbot umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen vorausgegangen seien, um die Strukturen des Vereins aufzudecken und belastbare Informationen für ein Verbot zusammenzutragen. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen am 10. Juli 2013 seien umfangreiche Beweismittel zu den verfassungswidrigen Tätigkeiten des FNS sichergestellt worden, auf deren Basis die Verbotsverfügung erlassen worden sei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei für die Akteure des FNS damit zu rechnen gewesen, dass ein Vereinsverbot im Raum stehe und in absehbarer Zeit erlassen werde, so dass eine inhaltliche Neuausrichtung bzw. Verschleierung der Vereinsaktivitäten naheliegend gewesen sei. Wie in der Verbotsverfügung dargelegt, habe der behauptete Rückzug aus der publizistischen Tätigkeit einem Verbot zuvorkommen sollen und lediglich den Versuch dargestellt, die eigenen Vorhaben und Ziele ungeachtet gefürchteter staatlicher Maßnahmen weitgehend unverändert fortführen zu können. Allein das vorgebliche Aufgeben der Internetplattform könne schon aufgrund des Gesetzeszweckes ein Vereinsverbot nicht verhindern. Vielmehr könnte sonst aufgrund eines bloßen Unterbleibens weiterer aktiver Tätigkeiten der Erfolg eines Vereinsverbotsverfahrens leicht unterlaufen und so dessen Zweck vereitelt werden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klagen, die sich jeweils gegen die Nr. 1 und 2 des Bescheids des StMI vom 2. Juli 2014 richten, sind zulässig, haben aber keinen Erfolg. Das angegriffene Vereinsverbot ist, soweit die Kläger sich dagegen im Rahmen einer Anfechtungsklage zur Wehr setzen können, nicht rechtswidrig und verletzt sie daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Bei dem mit einem gemeinsamen Klageschriftsatz verfolgten Rechtsschutzbegehren der 41 Kläger, die sich auf eine individuelle Grundrechtsbetroffenheit berufen, handelt es sich um eine Mehrzahl gleichgerichteter Anfechtungsklagen und damit um eine subjektive Klagehäufung (§ 64 VwGO i. V. m. § 60 ZPO).

Das gemeinsam verfolgte Ziel einer Teilaufhebung des Verbotsbescheids lässt sich bei sach- und interessengerechter Auslegung nicht dahingehend (um-)deuten, dass die Kläger nicht (nur) als Einzelne klagen, sondern (auch) in ihrer Gesamtheit das FNS repräsentieren und dessen Rechte wahrnehmen wollten, so dass (zusätzlich) über einen Aufhebungsanspruch des FNS zu entscheiden wäre. Eine in dieser Form erhobene Anfechtungsklage „des FNS“ wäre mangels Aktivlegitimation von vornherein unbegründet. Denn die einer Personenvereinigung zustehenden Rechte können nur von deren Organen bzw. von Vertretern ausgeübt werden, die von der Vereinigung dazu bestellt worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2001 - 6 VR 1/01 u. a. - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 juris Rn. 6). Dass ihnen das FNS eine Organfunktion zugewiesen oder im Hinblick auf das Vereinsverbot einen speziellen Vertretungsauftrag erteilt hätte, machen aber die Kläger selbst nicht geltend. Sie tragen vielmehr vor, dass das FNS weder Organe noch sonstige Vertreter gehabt habe und dass es dort überhaupt zu keinen verbindlichen internen Willensbildungsprozessen gekommen sei. Eine wie auch immer geartete Repräsentantenstellung der Kläger kommt demnach nicht in Betracht. Das Gleiche gilt für eine - im Anfechtungsrechtsstreit wohl ohnehin unzulässige (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2014 - 15 CS 14.949 - Rn. 19 m. w. N.) - gewillkürte Prozessstandschaft, da auch die Befugnis, im eigenen Namen einen Prozess über ein fremdes Recht zu führen, eine Ermächtigung des Rechtsinhabers voraussetzt (vgl. BVerwG U.v. 30.11.1973 - IV C 20.73 - BayVBl 1974, 440).

II.

An einer Prozessführung für das FNS haben die Kläger im Übrigen auch kein schützenswertes Interesse, da sie gegen die Verbotsverfügung aus eigenem Recht Klage erheben können. Für ihre Anfechtungsklagen steht ihnen jeweils die nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis zu.

Grundsätzlich kann zwar ein Vereinsverbot nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur von der verbotenen Vereinigung selbst angefochten werden, nicht dagegen von deren Mitgliedern oder sonstigen Einzelpersonen (BVerwG, U.v. 13.8.1984 - 1 A 26/83 - DÖV 1984, 940; B.v. 2.3.2001 a. a. O. juris Rn. 7; B.v. 4.7.2008 - 6 B 39/08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45; B.v. 19.7.2010 - 6 B 20/10 - NVwZ 2011, 372 Rn. 14; U.v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - NVwZ 2014, 1573 Rn. 11). Denn die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies nur Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit sein, die ungeachtet ihrer Rechtsform nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig ist und im Rechtsstreit gemäß § 62 Abs. 3 VwGO durch ihren Vorstand oder durch anderweitig beauftragte Personen vertreten wird (BVerwG a. a. O.; Graulich, DVBl 2015, 1210/1215). Ausnahmsweise können jedoch einzelne Personen, denen der Verbotsbescheid zugestellt wurde, ein nach § 42 Abs. 2 VwGO zulässiges individuelles Rechtsschutzbegehren verfolgen, wenn und soweit sie geltend machen, die Existenz eines Vereins im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG sei von vornherein ausgeschlossen und die Verfügung betreffe sie daher persönlich in ihrer Rechtsstellung (BVerwG a. a. O.). Denn in einem solchen Fall kann der von der Verfügung betroffene Personenkreis regelmäßig mangels Beteiligtenfähigkeit (§ 61 Nr. 2 VwGO) nicht selbst Klage erheben (vgl. HambOVG, B.v. 6.10.2000 - 4 Bs 269/00 - juris Rn. 17).

Entsprechend diesen Grundsätzen, die auch für Verbotsverfügungen gegen Ersatzorganisationen nach § 8 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG gelten müssen, steht den Klägern als individuell betroffenen Personen die geforderte Klagebefugnis zu. Sie gehören zu den insgesamt 47 Adressaten, denen der Bescheid des StMI vom 2. Juli 2014 zugestellt wurde, und berufen sich (u. a.) darauf, dass es sich beim FNS wegen fehlender organisatorischer Strukturen nicht um einen Verein im Sinne des Gesetzes handle oder gehandelt habe. Würde das Vereinsverbot unanfechtbar, könnten sie sich nach § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB strafbar machen, falls sie die im Bescheid genannten Aktivitäten fortführen oder wiederaufnehmen sollten.

III.

Die Anfechtungsklagen sind jedoch unbegründet. Die bezüglich des FNS ergangene Verbotsverfügung ist, soweit sie im vorliegenden Verfahren geprüft werden kann, rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Wird ein Vereinsverbot - wie hier - von natürlichen Personen zulässigerweise mit der Begründung angegriffen, die in § 2 Abs. 1 VereinsG genannten Voraussetzungen eines Vereins lägen nicht vor, so ist die gerichtliche Prüfung auf dieses Vorbringen beschränkt. Ob darüber hinaus die sonstigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und insbesondere die materiellen Verbotsgründe vorliegen, bleibt in einem solchen Verfahren außer Betracht (BVerwG, B.v. 4.7.2008 a. a. O. Rn. 5, B.v. 6.1.2014 - 6 B 60/13 Rn. 16; U.v. 14.5.2014 a. a. O.; HambOVG a. a. O. Rn. 18; NdsOVG, U.v. 3.9.2013 - 11 KS 288/12 - DVBl 2013, 1406 juris Rn. 36). Darin liegt entgegen der Auffassung der Kläger keine unzulässige Beschränkung des nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen Rechtsschutzes. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass es sich bei der betreffenden Personengruppe nicht um einen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG handelt, ist die Verbotsverfügung schon aus diesem Grund aufzuheben. Liegen hingegen die Begriffsmerkmale eines Vereins vor, so ist (bzw. wäre) dieser nicht gehindert (gewesen), selbst eine vollständige Prüfung der Verbotsvoraussetzungen herbeizuführen (BVerwG, B.v. 4.7.2008 a. a. O.). Nimmt der Verein die Verbotsverfügung hin oder versäumt er einen möglichen Rechtsbehelf, so können nicht ersatzweise einzelne seiner Mitglieder oder sonstige interessierte Personen eine umfassende gerichtliche Kontrolle herbeiführen (vgl. HambOVG a. a. O. Rn. 16).

2. Das FNS stellte - bezogen auf den für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.2012 - 6 A 2/10 - NVwZ-RR 2012, 648 Rn. 12) - einen Verein gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 VereinsG dar, denn es erfüllte alle Merkmale der in § 2 Abs. 1 VereinsG enthaltenen Legaldefinition. Danach ist ein Verein im Sinne des Gesetzes ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

a) Die Begriffsmerkmale des § 2 Abs. 1 VereinsG, für deren Vorliegen die Verbotsbehörde die materielle Beweislast trägt, sind grundsätzlich weit auszulegen (BVerwG, U.v. 14.5.2014 a. a. O. Rn. 24 m. w. N.). Dies entspricht dem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck des Vereinsgesetzes und dient zugleich dem Schutz der Vereinigungsfreiheit, da die Existenz einer Vereinigung, welche die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt, nur gemäß § 3 Abs. 1 VereinsG und nach Feststellung des Vorliegens eines Verbotsgrunds nach Art. 9 Abs. 2 GG beendet werden darf (vgl. BTDrs 4/430 S. 13).

Auch bei einer extensiven Interpretation des Vereinsbegriffs kann zwar ein Zusammenschluss von Personen nur angenommen werden, wenn diese sich durch einen konstitutiven Akt verbunden haben. An die Qualität dieses Aktes dürfen jedoch keine hohen Anforderungen gestellt werden; eine stillschweigende Übereinkunft reicht aus (BVerwG a. a. O., Rn. 25; HambOVG, B.v. 6.10.2000 a. a. O., juris Rn. 20; NdsOVG, U.v. 3.9.2013 a. a. O. juris Rn. 38). Hinsichtlich des gemeinsamen Zwecks genügt eine faktische Übereinstimmung über die wesentlichen Ziele des Zusammenschlusses, gleichviel worin diese Ziele bestehen. Die vom Willen der einzelnen Mitglieder losgelöste und organisierte Gesamtwillensbildung, der die Mitglieder kraft der Verbandsdisziplin untergeordnet sein müssen, erfordert weder eine Satzung noch spezifische Vereinsorgane; ausreichend ist eine Organisationsstruktur, die faktisch auf eine organisierte Willensbildung schließen lässt. Das Vorliegen sämtlicher Begriffsmerkmale kann aus Indizien hergeleitet werden (BVerwG a. a. O.; HambOVG a. a. O., juris Rn. 21).

b) Nach diesen Maßgaben hat das StMI zu Recht eine Vereinseigenschaft des FNS angenommen.

Wie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergibt und im angegriffenen Bescheid dargelegt wird, sind für das FNS, das sich seit der Gründung im November 2008 und der nachfolgenden Anmeldung der Domain http://freies-netz-sued.net stets in Pluralform („wir“, „uns“) präsentiert hat, eine Reihe namentlich bekannter Personen über längere Zeiträume hinweg tätig geworden, z. B. die Kläger zu 3, 5 und 24 als offizielle Betreiber der Homepage, die Klägerin zu 13 als Inhaberin der zur Kontaktaufnahme angegebenen Telefonnummer sowie die Kläger zu 2, 6, 14, 30 und 32 als presserechtlich Verantwortliche für die in größeren Mengen bereitgehaltenen FNS-Flugblätter, -Aufkleber und -Flyer. Es muss daher von einem - zumindest konkludent begründeten - dauerhaften Zusammenschluss einer Personenmehrheit zu einem gemeinsamen Zweck ausgegangen werden.

Dieser Zweck bestand entgegen den Selbstdarstellungen auf der Website des FNS (s. Bescheid v. 2.7.2014, S. 12 f.) nicht lediglich im Betreiben eines online gestellten politischen Infoportals, also einer für Aktivisten des „Nationalen Widerstands“ geöffneten Informations-, Kommunikations- und Publikationsplattform. Das FNS hat vielmehr als eine Art Dachverband der ihm angeschlossenen regionalen und lokalen neonazistischen Vereinigungen („Kameradschaften“) eine Koordinations- und Lenkungsfunktion für ganz Bayern wahrgenommen. Diese Organisationsstruktur und der daraus resultierende Führungsanspruch kommen freilich in den öffentlichen Verlautbarungen der Betreiber der Website und in den bei der Durchsuchung sichergestellten E-Mails der maßgeblichen Akteure nicht explizit zur Sprache. Aus einer Reihe schriftlicher Äußerungen maßgeblicher Protagonisten sowie aus Art und Umfang der vom FNS entfalteten Tätigkeit, insbesondere den von ihm initiierten und propagierten überörtlichen Kampagnen und Demonstrationen, wird aber erkennbar, dass es den Mitgliedern des Netzwerks über einen bloßen Informationsaustausch hinaus um das aktive Fördern bestimmter rechtsextremer politischer Aktivitäten auch außerhalb des Internets ging und dass dazu eine dauerhafte Organisationsstruktur aufgebaut wurde, der sich die angeschlossenen Kameradschaften und sonstigen Aktivisten bis zu einem gewissen Grad ein- und untergeordnet haben.

aa) Dass das FNS entgegen dem Vorbringen der Kläger kein bloßes Informationsportal war, ergibt sich aus einer Vielzahl von Indizien. So wurde beim Kläger zu 3, der bis zur streitgegenständlichen Verbotsverfügung Inhaber der auf der Website mit einem Verschlüsselungscode angegebenen E-Mail-Adresse fnsued@gmx war (vgl. S. 14, 17 des Bescheids), bei der Hausdurchsuchung am 10. Juli 2013 ein Ausschnitt aus einem intern verbreiteten Mobilisierungsflugblatt gefunden, dessen Formulierung („Vom Freien Netz Süd fährt ein Bus zum Trauermarsch nach Bad Nenndorf“) unzweideutig auf eine vom FNS zentral organisierte Aktion im August 2010 hinweist (Behördenakten [BA] S. 1771). Dementsprechend heißt es im nachfolgenden Bericht auf der Website www.f...de, die Resonanz „auf unseren Aufruf“ sei groß gewesen; das dazu veröffentlichte Foto zeigt ein bei der Veranstaltung mitgeführtes Plakat mit dem bayerischen Landeswappen und dem Zusatz „Freies Netz Süd Kameradschaft München“ (BA S. 1770 f.).

In einer ebenfalls auf der Website veröffentlichten Meldung über eine Veranstaltung zum 1. Mai 2009 in W. ... wird sogar explizit von einer „Demonstration des Freien Netz Süd“ gesprochen, bei der als Redner „vom Freien Netz Süd“ der Kläger zu 3 aufgetreten sei; dieser habe dann „die Veranstaltung offiziell beendet“ (BA S. 1790). Nach weiteren auf der FNS-Homepage erschienenen Berichten hat der Kläger zu 3 in seiner Eigenschaft als Vertreter des „Freien Netz Süd“ auch einige Wochen später bei einer Versammlung vor „Aktivisten aus dem Nationalen Widerstand“ in Schwandorf sowie am 12. Februar 2011 bei einer „Gedenkveranstaltung“ in Budapest das Wort ergriffen (BA S. 1791). In einem Bericht über einen Aktionstag am 2. April 2011 wird ein (namentlich nicht genannter) „Vertreter des ‚Freien Netz Süd‘“ erwähnt, der auf einer Kundgebung in Ansbach gesprochen habe (BA S. 2037). In einer Meldung vom 10. Mai 2012 ist von der „traditionelle(n) 1. Mai Demonstration des Freien Netz Süd“ in Hof a. d. Saale die Rede (BA S. 2172). Diese Wortwahl legt - ebenso wie der auf Flyern verbreitete Appell „FREIES-NETZ-SUED.net - Schließt euch uns an!“ (BA S. 1799) - den Schluss nahe, dass es sich hier um einen mitgliedschaftlich verfassten Personenverband mit einer eigenen politischen Agenda handelte.

bb) Verschiedene Berichte auf der Homepage lassen klar erkennen, dass das FNS von sich aus politische Aktionen initiiert und zentral gesteuert hat, die dann auf der regionalen oder lokalen Ebene von gleichgesinnten Gruppen oder Einzelpersonen umgesetzt wurden. So heißt es in einem Bericht vom 14. September 2010, „das ‚Freie Netz Süd‘ (FNS) startet ab dem heutigen Schulbeginn eine neue Kampagne, die sich gegen die Ableistung des Wehrdienstes richtet…“ (BA S. 2413). Schon ab dem folgenden Tag finden sich Meldungen, wonach in mehreren Ortschaften Niederbayerns sowie u. a. im Bereich von Fürth, Nürnberg, München, Erlangen-Höchstadt, Hof, Bayreuth und Schweinfurt entsprechende Plakate und Flugblätter aufgetaucht seien (BA S. 2413 ff.). Ein Bericht vom 13. Juni 2011 beschreibt unter der Überschrift „Spontane Flugblattaktion gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan“ eine Verteilaktion in Schwandorf „mit dem aktuellen Material der Kampagne des Freien Netz Süd - Sag nein zur Bundeswehr“ (BA S. 2435). Auch die Mobilisierungskampagne für die o. g. Demonstration zum 1. Mai 2012 in Hof wurde offenkundig zunächst vom FNS in Gang gesetzt und erst später von den angeschlossenen regionalen Gruppen aufgegriffen (BA S. 2198 ff.).

Das FNS hat die für solche Aktionen notwendigen Propagandamittel ersichtlich in großen Mengen selbst hergestellt und zur Verteilung bereitgehalten. So fand sich im Zuge einer Durchsuchung beim Kläger zu 19 neben Druckvorlagen für frühere FNS-Flyer u. a. eine Folie mit mehreren unterschiedlich gestalteten Vorlagen für den Schriftzug www.f...net (BA S. 2069). In einem auf der Homepage am 12. August 2011 abrufbaren Bericht zum Thema Zeitarbeit wird mitgeteilt, dass „das FNS“ den betreffenden Text auch als Vollfarb-Flugblatt im DIN A 6- Format erstellt habe; dieses könne ebenso wie entsprechende Themenaufkleber im Format DIN A 7 nunmehr im „nationalen Versandhandel“ von Interessierten bezogen werden (BA S. 2178). In einer Meldung vom 24. März 2011 heißt es, das „Freie Netz Süd“ habe ein Flugblatt „Hände weg von Libyen“ gestaltet, das sich nunmehr jeder kostenlos runterladen könne; auf der beigefügten Abbildung des Flugblatts findet sich der Urhebervermerk „© ...“ (BA S. 2435).

Das FNS hat sich demnach nicht auf die Rolle eines zentralen Informationsmediums beschränkt, sondern durch die Schaffung einer übergeordneten Organisation die auf regionaler und lokaler Ebene vorhandenen rechtsextremistischen Gruppierungen und Aktivisten für bestimmte Aktionen zu einem landesweiten Handlungsverbund zusammengeführt. Die auf verschiedenen medialen Wegen initiierten und koordinierten landesweiten Kampagnen setzten ein arbeitsteiliges Vorgehen und damit ein Mindestmaß an organisierter Willensbildung innerhalb des FNS voraus. Dies wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass „den Kameraden vom Freien Netz Süd“ im Juni 2011 für ihren „Einsatz um Strukturaufbau und Vernetzung des nationalen Lagers“ ein Förderpreis eines NPD-Presseorgans zuerkannt wurde (BA S. 2458). Ein bei der Klägerin zu 27 sichergestellter Datenträger enthält insoweit aufschlussreiche Schreiben von NPD-Funktionären, in denen das FNS ausdrücklich als eine (vom Verbot bedrohte) „Vereinigung“ bezeichnet wird (BA S. 2455 ff.).

cc) Dass das FNS bei den von ihm organisierten Aktionen einen Führungsanspruch erhoben hat und zumindest von einigen der bestehenden „Kameradschaften“ auch tatsächlich als eine überregionale Führungsinstanz akzeptiert worden ist, belegt etwa ein beim Kläger zu 40 beschlagnahmter Brief des Klägers zu 10 vom 4. März 2011. Darin ist zunächst in Bezug auf die Fahrt zu einer Versammlung in Dresden von „Netzbussen“ und „Netzmitgliedern“ die Rede; im Zusammenhang mit Unstimmigkeiten innerhalb des „Nationalen Bündnisses Niederbayern“ (NBN) heißt es dann, der Verfasser des Briefes sei „auf die Netzantwort gespannt“; er frage sich, „wie stellt sich das Netz die weitere Zusammenarbeit vor…?“ (BA S. 2017 ff.). Hieran wird deutlich, dass dem landesweit tätigen FNS eine besondere Autorität im Verhältnis zu den regionalen oder lokalen Gruppen zuerkannt wurde. Dies schließt einzelne sachliche oder persönliche Konflikte nicht aus. So beschreibt etwa eine beim Kläger zu 40 beschlagnahmte Materialsammlung für die Jahre 2008 und 2009 Streitigkeiten zwischen Vertretern des FNS, namentlich den als „Führungskader“ bezeichneten Klägern zu 1 und 2, und den in München und Nürnberg aktiven „Freien Nationalisten“ (BA S. 2020 ff.).

Die vorliegenden Erkenntnisse belegen, dass die regionalen Kameradschaften durch regelmäßige Treffen in das übergeordnete Netzwerk FNS eingebunden wurden. Hierfür spricht beispielsweise eine beim Kläger zu 17 aufgefundene E-Mail an den Kläger zu 2. Darin verwahrt sich der Absender gegen Kritik an seiner Abwesenheit „beim letzten Treffen“ mit dem Hinweis, seines Wissens müsse (nur) „aus jedem Bezirk eine Person anwesend sein“; zum letzten Treffen seien absprachegemäß zwei Personen „als Vertreter der Oberpfalz“ gefahren. Später heißt es dort, er verbitte sich den Vorwurf, sich jemals unsolidarisch „gegenüber dem FNS oder einer anderen nationalen Struktur verhalten“ zu haben (BA S. 2521). Ebenfalls im elektronischen Datenbestand des Klägers zu 17 findet sich eine elektronische Textnachricht mit der Anfrage, ob „für das nächste FNS treffen“ noch eine E-Mail geschickt werden solle mit dem Inhalt, dass „die Führungsleute das Geld von ihren Kameradschaften mitbringen sollen“ (BA S. 2522). Eine elektronische Nachricht von einem auf den Kläger zu 2 zugelassenen Account spricht im Hinblick auf die Verwendung bestimmten Propagandamaterials von getroffenen „Gesamtentscheidungen“ (BA S. 2342); in E-Mails des Klägers zu 1 ist von „Führungsleuten“ und von einem „Treffen der regionalen Gruppenvertreter“ die Rede (BA S. 2344).

dd) Ungeachtet dieser Beteiligung der regionalen Gruppierungen deuten die verfügbaren Indizien darauf hin, dass sich der Willensbildungsprozess innerhalb des FNS letztlich auf ganz wenige Führungspersonen beschränkt hat. Dies gilt nicht nur für die Textauswahl auf der Website, für die es in einer E-Mail aus dem FNS-Umkreis heißt, alle eingereichten Berichte würden „erst von uns gelesen, geprüft … ggf. anwaltlich“ (BA S. 2525). Auch die sonstigen Aktivitäten des FNS wurden ersichtlich von einem kleinen Kreis von Aktivisten zentral geplant und gesteuert. Dabei wurden im Interesse einer organisierten Gesamtwillensbildung unterschiedliche Zuständigkeiten festgelegt und Aufgabenfelder verteilt.

Wie im Bescheid des StMI näher ausgeführt wird (S. 23 bis 31), kam insoweit den Klägern zu 1 und 2 die maßgebliche Leitungsfunktion zu. Im Rahmen einer stillschweigenden Arbeitsteilung dürfte dabei der Kläger zu 1 vorrangig die inhaltlichen Positionen des FNS vorgegeben und nach außen hin vertreten haben, während der Kläger zu 2 als regelmäßiger Anmelder von Veranstaltungen und presserechtlich Verantwortlicher eher organisatorische und technische Aufgaben übernommen hat (vgl. BA S. 2218, 2248, 2269). Wie die teilweise konspirative Vorgehensweise dieser beiden Hauptverantwortlichen des FNS zeigt, wollten sie allerdings bei allen ihren schriftlichen Äußerungen unbedingt vermeiden, dass sich dadurch „Strukturen aufdecken“ lassen (BA S. 2347). Der insoweit aufschlussreiche E-Mail-Verkehr zur Anfrage eines Aktivisten aus der Schweiz, der dort „als Ableger des FNS“ eine Kameradschaft aufbauen wollte, lässt gleichwohl deutlich erkennen, dass hinsichtlich einer Aufnahme in das FNS die Kläger zu 1 und 2 die maßgeblichen Entscheidungsträger waren (BA S. 2347 ff.).

Die hervorgehobene politische Führungsrolle insbesondere des Klägers zu 1 zeigt sich schon an der Vielzahl und an der Ausführlichkeit der ihn betreffenden Berichte auf der Website des FNS, insbesondere zu seinen Auftritten als Redner bei zentralen Veranstaltungen und als Repräsentant des „nationalen Lagers“ bei Besuchen im Ausland (BA S. 1547 f., 1553 ff.). In welch hohem Maße die Aktivitäten des FNS von seiner Person abhängig waren, trat vor allem während seiner mehrjährigen Haftzeit zutage. Wie sich aus dem sichergestellten E-Mail-Verkehr ergibt, wurden in dieser Zeit einige seiner bisherigen Leitungsfunktionen vom Kläger zu 40 ausgeübt, der dabei von dem (über die Entwicklungen fortlaufend informierten) Kläger zu 1 verschiedentlich aus der Haft heraus schriftlich angewiesen und angespornt wurde (BA S. 2010, 2043 ff., z. B. 2047: „Lass Dir die Zügel nicht aus der Hand nehmen“.). Nachdem der Kläger zu 40 selbst in Haft gekommen war, wurde es für die verbliebenen FNS-Akteure offenbar schwierig, mit den schriftlichen Unterlagen sinnvoll weiterzuarbeiten; dies belegt ein Brief des Klägers zu 2 vom 27. Juni 2011 („Wie Du Dir vorstellen kannst, muss hier wieder alles neu erarbeitet werden… Es nützen die schönsten Listen nichts, wenn sie andere nicht interpretieren können. Jede Woche tauchen neue Fragen auf…“; BA S. 2015 f.). In einem Brief an den Kläger zu 40 vom 6. Juni 2011 ist davon die Rede, in ein paar Monaten sei „ja der Chef wieder da“; mit dieser Bezeichnung kann nach Lage der Dinge nur der bis zum September 2011 inhaftierte Kläger zu 1 gemeint sein (BA S. S. 2017).

Welche besondere Autorität der Kläger zu 1 ungeachtet seiner haftbedingten langen Abwesenheit besaß, zeigt auch das handschriftlich verfasste „Grußwort“, das er dem Kläger zu 40 zur Verlesung auf dem für Mai 2010 geplanten „3. Frankentag“ übermittelt hat (BA S. 2047, 2049 f.). Auf dem im Folgejahr veranstalteten „4. Frankentag“ gab es laut einem Bericht auf der Website des FNS vom 16. August 2011 ebenfalls „Grußworte“ des weiterhin inhaftierten Klägers zu 1 (BA S. 1792). Bereits wenige Monate nach seiner Entlassung aus der JVA Bayreuth trat er dann bei der als „1. Mai Demonstration des Freien Netz Süd“ bezeichneten Versammlung zum 1. Mai 2012 in Hof (vgl. BA S. 2172) wieder als Redner auf und ließ sich dort von Gleichgesinnten mehrfach interviewen; hieraus wurde ein Dokumentationsvideo produziert, das einige Wochen später auf youtube veröffentlicht wurde (BA S. 2205 ff.). Dass der Kläger zu 1 nach außen hin als der maßgebliche Repräsentant des FNS galt, wird auch in dem Umstand deutlich, dass er von neonazistischen Kreisen aus Sachsen als Vortragsredner angefragt wurde, um über seine Arbeit zu berichten (BA S. 2290 f.).

Die ungewöhnlich hohe Zahl der bei ihm sichergestellten Flugblätter und Aufkleber (BA S. 1538 ff.) belegt schließlich, dass der Kläger zu 1 neben seinen öffentlichen Auftritten auch als zentrale Verteilstation für das Propagandamaterial des FNS fungiert hat. An der Produktion und Gestaltung der Druckwerke war er offenbar ebenfalls maßgeblich beteiligt, wie der aufgefundene Datenträger mit pdf-Vorlagen für unterschiedliche Papierformate zeigt (BA S. 1540).

Insgesamt ist aufgrund dieser herausragenden Stellung des Klägers zu 1 davon auszugehen, dass er innerhalb des FNS eine (weitgehende) faktische Leitungsgewalt besaß und damit - unterstützt vom Kläger zu 2 - in der Lage war, konkrete Aktionen des rechtsextremistischen Netzwerks zu initiieren, zu koordinieren und zu steuern. Die einzelnen Mitglieder und angeschlossenen Kameradschaften haben diesen Führungsanspruch durch ihre fortwährend bekundete Bereitschaft zur Zusammenarbeit konkludent anerkannt und sich damit prinzipiell dem Gesamtwillen der Vereinigung FNS unterworfen.

c) Das FNS hat seine Vereinseigenschaft nicht dadurch verloren, dass sich in den letzten Monaten vor dem Verbot einige seiner Aktivisten dem ebenfalls rechtsextremistisch ausgerichteten „Dritten Weg“ (auch: „III. Weg“) angeschlossen haben. Bei dieser im September 2013 in Heidelberg gegründeten und derzeit mit Postfach in Bad Dürkheim ansässigen Vereinigung handelt es sich dem eigenen Anspruch nach um eine auf Bundesebene tätige Partei, die in mehreren Bundesländern mit Stützpunkten aktiv ist und eine Beteiligung an Wahlen anstrebt. Eine Mitgliedschaft im „Dritten Weg“ schließt daher eine gleichzeitige Betätigung in dem auf Bayern beschränkten Netzwerk FNS keineswegs aus. Dass der „Dritte Weg“ die Organisationsstrukturen des FNS übernommen hätte und dessen Kampagnen unverändert fortführen würde, ist jedenfalls für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung nicht ersichtlich.

d) In dem Umstand, dass die Internetplattform des FNS seit dem 28. April 2014 nicht mehr aktualisiert wurde, lag noch keine (Selbst-) Auflösung der organisatorischen Strukturen mit der Folge, dass bei Erlass des angegriffenen Bescheids im Juli 2014 kein Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG mehr bestanden hätte.

Zwar hat das FNS, dessen öffentlich sichtbare Aktivitäten bereits nach den landesweiten Durchsuchungsaktionen am 10. Juli 2013 zurückgegangen waren, mit dem „Einfrieren“ des Internetauftritts seine publizistischen Wirkungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Die bisher auf der Internetseite eingestellten Beiträge blieben jedoch ebenso wie die Verlinkungen zu den Internetangeboten anderer rechtsextremistischer Organisationen weiterhin erreichbar. Aus diesem Aufrechterhalten der Homepage als Archivseite und an dem fortbestehenden Angebot einer verschlüsselten Kontaktaufnahme über die E-Mail-Adresse [email protected] wird erkennbar, dass an dem Anspruch festgehalten wurde, das Zusammenwirken der bestehenden neonazistischen Verbände und örtlichen Aktivisten auf der überregionalen Ebene zu fördern. Dass die maßgeblichen Akteure des FNS ihr bisheriges Konzept, nach Art eines Dachverbands zentrale Koordinations- und Lenkungsaufgaben wahrzunehmen, mit dem bloßen Verzicht auf eine Aktualisierung des Internetauftritts dauerhaft aufgegeben hätten, kann weder ihren ausdrücklichen Verlautbarungen noch den sonstigen Umständen entnommen werden.

Die bisherige, weitgehend konspirative Vorgehensweise innerhalb des FNS spricht vielmehr dafür, dass der Rückzug aus öffentlich wahrnehmbaren Betätigungsfeldern lediglich dazu dienen sollte, die zum damaligen Zeitpunkt erwarteten vereinsrechtlichen Verbotsmaßnahmen zu erschweren und sich durch die vorsorgliche Bildung verdeckter Strukturen auf einen künftigen Verbotsfall vorzubereiten. Bereits im Vorfeld der behördlichen Durchsuchungsaktionen hatte es, wie einige in den Behördenakten dokumentierte Äußerungen von FNS-Aktivisten belegen, konkrete Überlegungen dazu gegeben, wie die bisherigen Tätigkeiten nach einem Verbot fortgeführt werden könnten. So enthält etwa eine beim Kläger zu 17 gefundene E-Mail vom 9. April 2012 (BA S. 2525) eine Absprache für ein offenbar erwartetes Vereinsverbot („Fns Verbot - wenn Tag X dann der kommende Sonntag Treffen in Fürth“). In einer E-Mail-Korrespondenz am 11. Dezember 2012 wird die Frage erörtert, ob eine fiktive Presseagentur namens „Freie Medien Süd“ mit dem entsprechenden Logo im Falle eines Verbots des FNS dazu dienen könnte, dessen Videos weiterzuverwenden (BA S. 2359 f.). Der darin zum Ausdruck kommenden Entschlossenheit zur Fortführung der bisherigen Aktivitäten trotz des drohenden Verbots kann, auch wenn die genannten Äußerungen bei Erlass der Verbotsverfügung einige Zeit zurücklagen, für die Beurteilung der Frage, wie der Verzicht auf eine Aktualisierung der Homepage des FNS zu verstehen ist, eine erhebliche Aussagekraft beigemessen werden (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 - NVwZ 2003, 986/988). Es muss daher angenommen werden, dass das FNS bis zu der behördlichen Verbotsentscheidung in seiner (nicht offengelegten) Grundstruktur als Verein fortbestanden hat.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 205.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands für jede der 41 Einzelklagen beruht auf § 52 Abs. 2 GKG (Auffangstreitwert). Der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (http://www.b...de/m...pdf) sieht zwar in Nr. 45.1.1 für ein Vereinsverbot durch eine oberste Landesbehörde einen Streitwert von 15.000 Euro vor (so auch BVerwG, B.v. 16.9.2014 - 6 B 31/14 - Buchholz 402.45 Vereinsrecht Nr. 65). Dies bezieht sich aber auf den (Normal-) Fall, dass das Verbot von der betroffenen Vereinigung angefochten und daher gerichtlich umfassend überprüft wird. Erheben wie hier nur einzelne Personen in eigenem Namen Klagen gegen die Verbotsverfügung, so erscheint es im Hinblick auf die von vornherein beschränkte Sachprüfung angemessen, für jede dieser Klagen keinen höheren Streitwert als den in § 52 Abs. 2 GKG genannten Betrag anzusetzen.

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2015 - 4 A 14.1787

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2015 - 4 A 14.1787

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2015 - 4 A 14.1787 zitiert 29 §§.

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 18. Apr. 2012 - 6 A 2/10

bei uns veröffentlicht am 18.04.2012

Tatbestand 1 Der Kläger ist ein im Jahr 1997 gegründeter Verein mit Sitz in Frankfurt a. M., der nach seiner Satzung seinen Zweck darin sieht, in Fällen von Naturkatastr

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 19. Juli 2010 - 6 B 20/10

bei uns veröffentlicht am 19.07.2010

Gründe 1 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Der von ihm geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision liegt vor. Da
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2015 - 4 A 14.1787.

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 07. Juni 2018 - B 1 K 16.23

bei uns veröffentlicht am 07.06.2018

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Klägerin ist seit 25. Mai 2010 Eigent

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 07. Juni 2018 - B 1 K 16.185

bei uns veröffentlicht am 07.06.2018

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Klägerin, vertreten durch ihre Gesell

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2015 - 4 A 14.1787

bei uns veröffentlicht am 20.10.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 4 A 14.1787 Im Namen des Volkes Urteil vom 20. Oktober 2015 4. Senat Sachgebietsschlüssel: 523 Hauptpunkte: Vereinsrechtliche Verbotsverfügung gegen Ersatzor

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2015 - 4 C 15.1090

bei uns veröffentlicht am 14.07.2015

Tenor 1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 21. April 2015 wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe I. Die Klägerin wendet

Referenzen

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt

1.
einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder
2.
einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mitglied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt oder ihre weitere Betätigung unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) § 84 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Vorschriften der §§ 59 bis 63 der Zivilprozeßordnung über die Streitgenossenschaft sind entsprechend anzuwenden.

Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen die Genehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit fünf Wohneinheiten und Tiefgarage auf dem aus den FlNr. ... und ... (Gemarkung H.) bestehenden und straßenseitig über die Mittlere E. erschlossenen Baugrundstück. Sie haben als Miteigentümerinnen nach dem Wohnungseigentumsgesetz des südlich benachbarten Grundstücks FlNr. ... (Gemarkung H.) am 24. März 2014 gegen die ihnen nicht zugestellte Baugenehmigung vom 10. Oktober 2013 in eigenem Namen Klage beim Verwaltungsgericht Augsburg erhoben (Au 4 K 14.485) und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt (Au 4 S 14.486).

Mit je am 17. April 2014 zugestelltem Beschluss vom 15. April 2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab. Das Vorhaben verletze keine im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden Vorschriften des Bauplanungsrechts. Da bereits ein Schmutzwasserkanal durch das Grundstück der Antragstellerinnen zu dem in der U. verlegten öffentlichen Kanal führe, werde ihnen durch die Baugenehmigung für das Nachbargrundstück kein Notleitungsrecht in entsprechender Anwendung von § 917 Abs. 1 BGB aufgezwungen. Fragen nach dem Umfang der aus der im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit resultierenden Duldungspflichten seien bürgerlich-rechtlicher Natur und vor den Zivilgerichten zu klären. Die Ableitung von Regenwasser in die dafür vorhandene zweite Rohrleitung habe ein Gutachter in einer Stellungnahme vom 16. März 2014 zwar als “grenzwertig“ angesehen. Das bedeute aber, dass diese Ableitungsanlage noch als ausreichend angesehen werden könne und die Erschließung damit gesichert sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerinnen. Sie beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. April 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 10. Oktober 2013 anzuordnen sowie die Einstellung der Bauarbeiten zu verfügen.

Hier sei zu berücksichtigen, dass eine ordnungsgemäße Erschließung allein über das Grundstück der Antragstellerinnen erfolgen solle. Die Leitung für das Oberflächenwasser (Regenwasser) habe keine ausreichenden Sicherheitsreserven, weshalb die Gefahr von Überflutungen des tiefer gelegenen Grundstücks bestehe und Schäden auch am Eigentum der Antragstellerinnen entstehen könnten. Eine verfassungskonforme Auslegung von Art. 59 BayBO gebiete, Art. 14 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Die Baugenehmigung könne so, wie sie erteilt wurde, nicht bestehen bleiben. Im Übrigen dürfe die Bauaufsichtsbehörde einen Bauantrag gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO auch ablehnen, wenn das Vorhaben gegen nicht im Genehmigungsverfahren zu prüfende Vorschriften verstoße. Mit Beschluss vom 3. Juli 2014 hätten sämtliche Wohnungseigentümer die bisherige Prozessführung der Antragstellerinnen genehmigt und diese ermächtigt, die Rechte der Gemeinschaft im eigenen Namen geltend zu machen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nachdem der Rohbau fertiggestellt sei, sei das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entfallen. Unabhängig davon seien die Anforderungen des Art. 11 BayBO (Schutz gegen Einwirkungen durch bauliche Anlagen) nicht Gegenstand der Prüfung im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO. Die Baugenehmigung enthalte dazu auch keine Feststellungen, weshalb eine Rechtsverletzung der Antragstellerinnen ausscheide. Die von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO der Baubehörde eingeräumte Ablehnungsbefugnis diene nicht der Wahrung nachbarlicher Interessen. Den Nachbarn werde kein Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens dahingehend eingeräumt, dass die Baugenehmigung in den vom sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift erfassten Fällen abzulehnen sei. Im Übrigen sei die Entwässerung der Tiefgaragenzufahrt auf dem Baugrundstück auch ohne Inanspruchnahme des Grundstücks FlNr. ***/* möglich.

Die Beigeladene beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Bauakte verwiesen.

II.

Die Prüfung der statthaften (§ 146 Abs. 1 VwGO) sowie form- und fristgerecht eingelegten (§ 147 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) Beschwerde in erster Linie anhand der fristgerecht dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO) ergibt, dass die Klage gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Der Senat teilt im Ergebnis die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Genehmigung keine eigenen öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte der Antragstellerinnen verletzt. Im Hinblick auf die befürchteten Schäden am Sondereigentum durch Überflutung des Grundstücks FlNr. ***/* bei Starkregen fehlt es bereits an einer entsprechenden Regelung in der Baugenehmigung; daneben wird die mögliche Beeinträchtigung eigener Rechte nicht schlüssig dargelegt (1.). § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG weist die Befugnis zur Wahrnehmung gemeinschaftsbezogener Abwehrrechte der insoweit rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu; eine gewillkürte Prozessstandschaft - die rechtsgeschäftliche Übertragung der Befugnis, fremde Rechte in eigenem Namen gerichtlich zu verfolgen - ist im Anfechtungsrechtsstreit vor den Verwaltungsgerichten durch § 42 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen (2.).

1. Der Prüfungsumfang und damit zugleich die Feststellungswirkung (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO) der im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung hat sich gemäß § 59 Satz 1 BayBO im vorliegenden Fall unter anderem darauf beschränkt, ob die Erschließung des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesichert ist. Die in diesem Zusammenhang zu prüfenden Mindestanforderungen an die Sicherung ausreichender Erschließung bestimmen sich nach dem jeweils zu errichtenden Vorhaben (BVerwG, U. v. 20.8.1985 - 4 C 48/81 - ZfBR 1985, 288 = juris Rn. 15 f.). Der vom Gesetz nicht definierte bundesrechtliche (BVerwG, U. v. 3.5.1988 - 4 C 54/85 - BauR 1988, 576 = juris Rn. 23) Begriff der öffentlichen, bauplanungsrechtlichen Erschließung umfasst nach allgemeiner Auffassung die Erreichbarkeit des Baugrundstücks mit Kraftfahrzeugen über öffentliche Verkehrsanlagen, die Versorgung mit Wasser, Elektrizität und Energie (str.) sowie die Beseitigung der Abwässer und der festen Abfälle (Driehaus in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Stand Mai 2014, § 123 Rn. 3; Vogel in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand Februar 2014, § 123 Rn. 2; Ernst/Griwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand 1. Januar 2014, § 123 Rn. 4 b; Gloria, NVwZ 1991, 720, 721 f.). Zu der so beschriebenen bodenrechtlich-grundstücksbezogenen Erschließung zählt nicht ein allgemeiner „bauordnungsrechtlicher Umgebungsschutz“ (König in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 11 Rn. 6 a.E.), den beispielsweise Art. 11 BayBO in Gestalt allgemeiner sicherheitsrechtlicher Anforderungen an bauliche Anlagen zum Schutz vor Einwirkungen - auch in der Nachbarschaft des Vorhabens - zum Gegenstand hat.

Nachdem der Bauantrag der Beigeladenen am 4. Juli 2013 bei ihr eingegangen war, hat die Gemeinde im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren mit Beschluss des Gemeinderats vom 30. Juli 2013 dem Vorhaben zugestimmt und ergänzend festgestellt, dass die Zufahrt, die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung (Kanalisation im Trennsystem) gesichert seien (Bl. 138/140 d. Bauakte). Auf dieser Grundlage erteilte das Landratsamt mit Datum vom 10. Oktober 2013 die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO. Der Bescheid weist im Text (unter 3. auf S. 3) lediglich auf die oben zitierte Stellungnahme der Gemeinde hin. Die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen (Bl. 53, 62-69 d. Bauakte) enthalten keine zeichnerische Darstellung der Oberflächenwasserentsorgung des Vorhabens auf dem Baugrundstück oder über das benachbarte Grundstück FlNr. 269/1.

Daraus folgt, dass die Oberflächenentwässerung des Baugrundstücks nicht in der angegriffenen Baugenehmigung geregelt worden ist. Infolgedessen geht die Anfechtung der Genehmigung mit der Begründung, von einer mangelnden Sicherung der Oberflächenentwässerung des Baugrundstücks gingen Nachteile oder Gefahren für das Grundstück FlNr. ... aus, von vorneherein ins Leere (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 - 4 B 244/96 - NVwZ 1998, 58 = juris Rn. 3). Zwar finden sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung vereinzelt Erwägungen dazu, dass eine Baugenehmigung deshalb gegen das einfachgesetzliche Rücksichtnahmegebot verstoßen könnte, weil die Entsorgung von Niederschlagswasser auf dem Baugrundstück nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen gewährleistet sei oder durch einen genehmigten Erdwall zulasten der Nachbarschaft verändert werde (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2006 - 20 CS 05.3147 - juris Rn. 10-13; B.v. 11.9.2012 - 15 CS 12.634 - juris Rn. 13-15). Enthält aber - wie im vorliegenden Fall - die Baugenehmigung als öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung keine Aussage dazu, dass auch die Abführung von Oberflächenwasser den Vorschriften des öffentlichen Rechts entspricht, bleibt der Nachbar in diesem Punkt auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche (vgl. § 1004 Abs. 1 BGB) beschränkt. Die Anwendung der zum bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze wird durch den Regelungsumfang der jeweils erteilten Baugenehmigung begrenzt.

Abgesehen davon haben die Antragstellerinnen auch unter Berücksichtigung ihrer - im Schriftsatz vom 10. Juli 2014 erstmalig enthaltenen - näheren Äußerungen zu möglichen Beeinträchtigungen ihres Sondereigentums nicht substanziiert aufgezeigt, dass die genehmigte Bebauung insoweit zu unzumutbaren Verhältnissen führen könnte. Wenn es wegen der vom Gutachter (vgl. baufachliche Stellungnahme vom 16.3.2014, Bl. 192-235 d. Bauakte = Bl. 16-60 der VG-Akte) als „grenzwertig“ bezeichneten Dimensionierung des Regenwasserkanals tatsächlich zu einem Rückstau des „Abwassers“ (?) in das Anwesen auf dem Grundstück FlNr. ... kommen sollte, läge die Ursache dafür vor allem in dem Zusammentreffen zweier in einem Teilabschnitt (ab „RW 2“) über denselben Regenwasserkanal abgeführten Oberflächenwasserströme, nämlich aus dem Baugrundstück und dem Unterliegergrundstück, an dem die Antragstellerinnen mitbeteiligt sind. Wie in einem solchen Fall der Nachweis der alleinigen oder überwiegenden Verursachung eines Rückstaus bis in das Haus auf dem Unterliegergrundstück durch Wasser, das vom Oberliegergrundstück herrührt, zu führen wäre, erscheint schon für sich betrachtet nicht plausibel. Die zitierte Begutachtung nimmt für ein statistisch am Standort Lindau einmal in zwei Jahren überschrittenes Regenereignis mit einer kurzzeitigen (fünfminütigen) Menge von 241 l/s einen Regenwasser-Volumenstrom von insgesamt 12,30 l/s für das Baugrundstück und einen solchen von 10,80 l/s für das Unterliegergrundstück an. Ab dem Einleitpunkt „RW 2“ werden lt. dem Gutachten insgesamt 21,2 l/s ausgewiesen. Wegen des nur geringen Gefälles zwischen dem Schacht am Einleitpunkt „RW 2“ bis zum rund 3,50 m entfernten Schacht „RW 3“ (von Schachtsohle RW 2 - 411,02 - zur Schachtsohle RW 3 - 410.95 - insgesamt 7 cm) empfiehlt die zitierte Begutachtung eine nochmalige Überprüfung, ob der ab „RW 2“ in „DN 200“ ausgeführte Kanal ausreichend dimensioniert ist. Eine Schadensprognose wird aber auch für den Bestand nicht aufgestellt, zumal für eine Leitung mit „DN 200“ bei Vollfüllung eine tatsächliche Abflussleistung von rd. 33 l/s angegeben wird. Es kommt hinzu, dass die Antragstellerinnen sich zu der am Ende des Gutachtens angesprochenen Frage, ob für das Gebäude auf dem Grundstück FlNr. ... eine Rückstausicherung vorhanden ist, nicht geäußert haben. Bei diesem Sach- und Erkenntnisstand ist die zuletzt vorgetragene „naturgemäße Beeinträchtigung des Sondereigentums im Erdgeschoss (Antragstellerin 2) und im Kellergeschoss (beide Antragstellerinnen)“ durch einen Rückstau allenfalls spekulativ.

Gleiches gilt für die angenommenen Überflutungsschäden am Sondereigentum der Antragstellerinnen im Erdgeschoss und Kellergeschoss. Mit den in dem mehrfach erwähnten Gutachten enthaltenen Annahmen und Folgerungen für ein dreißigjähriges Regenereignis, das kurzzeitig nicht in einen Vorfluter (Kanal oder Gewässer) entwässert werden kann, lässt sich auch diese Befürchtung nicht schlüssig belegen. Der Gutachter schätzt die Überflutungshöhe des Baugrundstücks auf befestigten und für die Berechnung als eben unterstellten Flächen außerhalb des Gebäudes alternativ mit einem (zurückzuhaltende Regenwassermenge 6,3 Kubikmeter) oder zwei Zentimetern (zurückzuhaltende Regenwassermenge 13,6 Kubikmeter) ab. Da das Grundstück FlNr. ... im Süden lediglich mit einer - wegen eines rechtwinkligen Grenzversprungs im Westen - projizierten Länge von rd. 24 m an das insgesamt 45 m breite Baugrundstück angrenzt (vgl. Bl. 53 der Bauakte) wäre es von den angesprochenen Gesamtwassermengen selbst im Falle ihres ungehinderten Abflusses in Richtung Untere E. auch nur etwa zur Hälfte betroffen. Im Schriftsatz vom 10. Juli 2014 wird nicht ansatzweise dargestellt, wie es angesichts dessen zu einem Wassereinbruch in den Keller des Gebäudes auf FlNr. ... - und damit in das Teil- oder Sondereigentum (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 WEG) der Antragstellerinnen - kommen sollte.

2. Hinsichtlich der in der Baugenehmigung als gesichert festgestellten abwassermäßigen Erschließung haben die Antragstellerinnen keine Bedenken vorgetragen. Die vorhandene Leitung im Grundstück FlNr. ... ist zur ordnungsgemäßen Ableitung der vom Bauvorhaben herrührenden Abwässer nach den in den Akten enthaltenen Aussagen geeignet, die Baugenehmigung bewirkt damit keine Rechtsverschlechterung in Richtung auf die Duldung eines „Notleitungsrechts“ entsprechend § 917 Abs. 1 BGB (BVerwG, U. v. 26.3.1976 - 4 C 7/74 - BVerwGE 50, 282; B. v. 11.5.1998 - 4 B 45/98 - BRS 60 Nr. 182 = juris Rn. 8; BayVGH, U. v. 17.11.1999 - 26 B 96.1268 - BayVBl 2000, 472; B. v. 30.4.2007 - 1 CS 06.3335 - NVwZ-RR 2008, 80 = juris Rn. 29-31).

Abgesehen davon wären die Antragstellerinnen selbst bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des Grundstücks FlNr. 269/1 in diesem Zusammenhang nicht klage- und antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO. Bei der Abwehr von Beeinträchtigungen des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücks (§ 1 Abs. 5 WEG) handelt es sich um Maßnahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 WEG). Zur Wahrnehmung entsprechender Rechte gegenüber Dritten ist gemäß § 10 Abs. 6 Satz 1 bis 3 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt. Diese Befugnis kann im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsrechtsstreit nicht rechtsgeschäftlich dergestalt auf Dritte übertragen werden, dass diese fremde Rechte - hier der insoweit rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer - in eigenem Namen geltend machen können. § 42 Abs. 2 VwGO verlangt für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage, dass der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend macht (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 42 Rn. 71). Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist im Anfechtungsrechtsstreit ausgeschlossen (BVerwG, U. v. 26.10.1995 - 3 C 27/94 - NVwZ-RR 1996, 537 = juris Rn. 19; BayVGH, B. v. 16.8.2000 - 19 B 99.2247 - BayVBl 2001, 725 = juris Rn. 25; Happ, a. a. O., Rn. 76; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, vor § 40 Rn. 25; Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 42 Rn. 114-115.1; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 63 Rn. 7 a; Czybulka in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 62 Rn. 21; Wahl/Schütz in Schoch u. a., VwGO, Stand April 2013, § 42 Abs. 2 Rn. 37; Wysk, VwGO, 2011, vor § 40 Rn. 37; vgl. auch von Albedyll in Bader u. a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 42 Rn. 62, 65, 67).

Nach alledem konnte die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. April 2014 keinen Erfolg haben.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, Abs. 3 Halbs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG; die Festsetzung orientiert sich an Nr. 1.5 und 9.7.1 Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57).

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Der von ihm geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision liegt vor. Das angefochtene Urteil beruht auf dem ordnungsgemäß dargelegten Verfahrensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. Die Gehörsrüge ist ordnungsgemäß erhoben worden. Die Klägerin genügt im Hinblick auf den geltend gemachten Gehörsverstoß dem Darlegungserfordernis nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, indem sie sinngemäß vorträgt, das Oberverwaltungsgericht habe ihre gegen die vereinsrechtliche Verbotsverfügung vom 1. April 2008 gerichtete Anfechtungsklage nicht ohne vorherigen rechtlichen Hinweis nach § 86 Abs. 3 VwGO durch eine Sachentscheidung mit der Begründung abweisen dürfen, sie erfülle die Voraussetzungen einer Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG nicht und könne deshalb auch durch eine objektiv rechtswidrige Verfügung nicht in einem aus dieser Gewährleistung folgenden Recht verletzt sein, nachdem das Gericht die Vereinseigenschaft zuvor mehrfach nur unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Klage problematisiert habe. Obwohl sie, wenn sie kein Verein sei, die gegen sie gerichtete Verbotsverfügung nicht befolgen müsse, belaste sie sie mit einem entgegengesetzten Rechtsschein. Gegen diesen habe sie ausgehend von der erstmals in der Urteilsbegründung zu Tage getretenen Bewertung des Oberverwaltungsgerichts Rechtsschutz nur in Gestalt einer Nichtigkeitsfeststellungsklage erlangen können. Die Umstellung ihres Klageantrages habe ihr das Oberverwaltungsgericht durch einen entsprechenden Hinweis ermöglichen müssen.

3

2. Die Gehörsrüge hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts stellt sich mit seiner die Entscheidung tragenden Begründung für die Klägerin als überraschend dar. Mangels eines vorherigen gerichtlichen Hinweises konnte die Klägerin nicht erkennen, auf welchen Vortrag bzw. Antrag es für eine ihr günstige Entscheidung ankam.

4

a) Eine das Recht auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa: Beschlüsse vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 S. 20 f., vom 16. Juni 2003 - BVerwG 7 B 106.02 - NVwZ 2003, 1132 <1134> - insoweit in Buchholz 303 § 279 ZPO Nr. 1 nicht abgedruckt - und vom 2. März 2010 - BVerwG 6 B 72.09 - juris Rn. 14) vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten. Zwar muss das Gericht auch in Anbetracht der Ausprägung, die das Recht auf rechtliches Gehör in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung. Die besonderen Umstände eines konkreten Falles können indes eine andere Beurteilung gebieten (Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2).

5

b) In dem zur Entscheidung stehenden Fall sind solche besonderen Umstände gegeben. Das Oberverwaltungsgericht hätte der Klägerin mit einem entsprechenden Hinweis - gegebenenfalls nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO - Gelegenheit geben müssen, zu der die Entscheidung tragenden Einschätzung (UA S. 5 f. und 12 f.), die nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähige und nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugte Klägerin könne eine Aufhebung der vereinsrechtlichen Verbotsverfügung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Sache nicht beanspruchen, weil sie durch diese - ungeachtet ihrer objektiven Rechtswidrigkeit - wegen der ihr nicht zukommenden Eigenschaft eines Vereins nicht in einem Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG verletzt sein könne, Stellung zu nehmen und auf sie gegebenenfalls prozessual zu reagieren.

6

aa) In der Begründung der an die Klägerin gerichteten, mit der Anordnung des Sofortvollzuges versehenen vereinsrechtlichen Verbotsverfügung vom 1. April 2008 wird ausgeführt, die Klägerin sei ein Verein im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG, der durch von seinen Mitgliedern begangene und ihm zuzurechnende Straftaten den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfülle. Die Klägerin hat sich hiergegen mit der Anfechtungsklage und einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt und geltend gemacht, sie sei nur ein loser, nicht auf Dauer angelegter Zusammenschluss von Fans des 1. FC Magdeburg, die im Sommer 2007 eine Mannschaft für ein von dem 1. FC Magdeburg veranstaltetes Fußballturnier gebildet hätten. Jedenfalls könnten ihr etwaige Straftaten Einzelner nicht zugerechnet werden.

7

Mit Beschluss vom 24. Juli 2008 (Az.: 3 R 437/08) hat das Oberverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage wiederhergestellt. In den Gründen des Beschlusses heißt es, der Antrag sei zulässig, denn zur Anfechtung eines Vereinsverbots und zur Anbringung eines Eilantrages sei nur die verbotene Vereinigung, nicht hingegen ein Mitglied befugt. In der Sache entfalle ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Vereinsverbotes grundsätzlich dann, wenn die Klage gegen die Verbotsverfügung nach summarischer Prüfung aller Voraussicht nach Erfolg haben werde. Nach diesem Maßstab sei es überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Verbotsverfügung in dem anhängigen Hauptsacheverfahren nicht als rechtmäßig erweisen werde. Es lasse sich bereits nicht eindeutig feststellen, dass es sich bei der Klägerin um eine durch einen konstitutiven Akt zustande gekommene Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes handele. Unabhängig davon bestünden durchgreifende Zweifel daran, ob die weiteren materiellen Voraussetzungen für das Vereinsverbot vorlägen, denn es gebe trotz erheblicher Verdachtsmomente keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Zweck oder die Tätigkeit der Klägerin als Vereinigung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verfügungserlasses den Strafgesetzen zuwidergelaufen seien.

8

In dem Klageverfahren haben die Beteiligten auf entsprechende Anfrage des Oberverwaltungsgerichts (GA Bl. 130) gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Nach weiterem Vortrag des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mitgeteilt, dass es diese Erklärungen nach Vorberatung als verbraucht erachte und in der durchzuführenden mündlichen Verhandlung mehrere Zeugen vernehmen wolle (GA Bl. 246). Durch eine weitere Verfügung hat es "zur Vorbereitung des Termins der mündlichen Verhandlung und zur Gewährung rechtlichen Gehörs" die Klägerin um eine Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob noch ein Rechtsschutzbedürfnis für das angestrengte Klageverfahren in der Weise bestehe, dass sie im Fall der Aufhebung der Verbotsverfügung den durch sie untersagten Tätigkeiten wieder nachgehen werde. Es sei nicht hinreichend ersichtlich, ob auch nach dem Beschluss in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch eine irgendwie geartete Organisationsstruktur der Klägerin bestehe. Die ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses sei von derjenigen der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO strikt zu trennen (GA Bl. 368).

9

In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 23. September 2009 hat der Vorsitzende ausweislich der Niederschrift darauf hingewiesen, die Zulässigkeit der Klage könne zweifelhaft sein, weil § 61 Nr. 2 VwGO die Beteiligtenfähigkeit davon abhängig mache, dass eine körperschaftsähnlich verfestigte Organisationsstruktur vorhanden sei. Im weiteren Verlauf hat das Gericht Zeugenbeweis über die Gründung, die Aktivitäten und die Organisation der Klägerin erhoben, die mündliche Verhandlung geschlossen und nach Beratung und Wiederaufruf in Anwesenheit der Klägerin unter Mitteilung der wesentlichen Gründe das angefochtene Urteil verkündet (GA Bl. 396 ff.).

10

bb) Vor dem Hintergrund dieser prozessualen Entwicklung musste die Klägerin zu der Einschätzung gelangen, die in den Vordergrund getretene und in ihrer Beantwortung von dem Ausgang der Beweisaufnahme abhängige Frage, ob sie - noch - die Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG erfülle, könne im Fall ihrer Verneinung zwar zu einer Abweisung der Klage als unzulässig wegen einer nicht gegebenen Beteiligungsfähigkeit nach § 61 VwGO oder eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses führen, müsse aber, wenn das Oberverwaltungsgericht die Zulässigkeit - wie in dem Eilbeschluss vom 24. Juli 2008 - unabhängig von der Vereinseigenschaft - bejahe, zum Erfolg der Klage in der Sache führen. In keiner Weise hatte sie mit dem der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden rechtlichen Ansatz zu rechnen, nach dem es für sie im Fall der Verneinung ihrer Eigenschaft als Verein von vornherein aussichtslos war, im Wege der Anfechtungsklage eine Aufhebung der Verbotsverfügung vom 1. April 2008 zu erreichen, da sie selbst bei einer Überwindung der Zulässigkeitsschranken jedenfalls im Rahmen der Begründetheit der Klage zwingend scheitern musste, weil die objektiv rechtswidrige Verfügung sie nicht in ihren Rechten verletze.

11

Von einem Hinweis auf diesen Ansatz durfte das Oberverwaltungsgericht in Anbetracht seiner Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht absehen. Den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Verbotsverfügung, den die Klägerin, wie sie darlegt, nach einem solchen Hinweis gestellt hätte, hätte das Oberverwaltungsgericht nicht übergehen dürfen. Auf die Frage, ob dieser Antrag Erfolg gehabt hätte, kommt es gemäß § 138 Nr. 3 VwGO nicht an.

12

3. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, wegen des Verfahrensfehlers die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).

13

Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts auch in der Sache nicht zutrifft, eine Gruppierung, die die Merkmale eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfülle, könne die Aufhebung einer gleichwohl an sie gerichteten und schon deshalb rechtswidrigen vereinsrechtlichen Verbotsverfügung nicht beanspruchen, weil sie nicht in einem ihr zustehenden Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG verletzt sein könne.

14

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der auch das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich ausgeht (UA S. 6), ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt, nicht hingegen ein Mitglied. Die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies nur Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit sein. Diese ist ungeachtet ihrer Rechtsform nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig und wird im Rechtsstreit gemäß § 62 Abs. 3 VwGO durch ihren Vorstand vertreten (Urteil vom 13. August 1984 - BVerwG 1 A 26.83 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 7 S. 1 f., Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - BVerwG 6 A 5.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67, Beschluss vom 2. März 2001 - BVerwG 6 VR 1.01, 6 A 1.01 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 S. 34, Zwischenurteil vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 A 1.04 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 40, Beschluss vom 4. Juli 2008 - BVerwG 6 B 39.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45 Rn. 5). Auf die Klage einer als solche in Anspruch genommenen "Vereinigung" ist grundsätzlich auch zu klären, ob die Voraussetzungen des Vereinsbegriffs nach § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt sind (Beschluss vom 2. März 2001 a.a.O. S. 34). Nur ausnahmsweise und kumulativ zu dem Anfechtungsrecht der "Vereinigung" können auch einzelne Personen, zu deren Händen eine Verbotsverfügung ergangen ist, nach § 42 Abs. 2 VwGO zur Anfechtung dieser Verfügung befugt sein, wenn sie geltend machen, die Existenz eines Vereins sei von vornherein ausgeschlossen und die Verfügung betreffe sie daher in ihrer persönlichen Rechtsstellung (Beschlüsse vom 2. März 2001 a.a.O. S. 34 und vom 4. Juli 2008 a.a.O. Rn. 5).

15

Diese Rechtsprechung setzt voraus, dass eine Gruppierung, die die Merkmale des Vereinsbegriffs im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG und § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfüllt, aber als Verein und deshalb rechtswidrig mit einer vereinsrechtlichen Verfügung belegt wird, diese Verfügung nicht nur in zulässiger Weise, sondern auch in der Sache erfolgreich anfechten kann, mithin auch im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in einem ihr zustehenden Recht verletzt ist. Allerdings ist dieses Recht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher nicht ausdrücklich benannt worden. Dass es sich nicht um das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 GG handelt, kann mit dem Oberverwaltungsgericht angenommen werden.

16

Indes ist das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinn zu verstehen (grundlegend: BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <36 ff.>), das auch die Gewährleistung enthält, nur auf Grund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <45>). Weil der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts stets einem staatlichen Freiheitseingriff unterliegt, folgt nach der sog. Adressatentheorie allein hieraus ein Klagerecht nach § 42 Abs. 2 VwGO. Konsequenterweise und korrespondierend hiermit muss eine als Eingriff in die Freiheit ihres Adressaten zu bewertende behördliche Verfügung regelmäßig nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben werden, wenn die Sach- und Rechtsprüfung ergibt, dass der grundrechtliche Anspruch auf Gesetzmäßigkeit durch die Eingriffsverwaltung verletzt wurde, denn der Eingriff ist dann nicht durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand Januar 2010, Art. 2 Abs. 1 Rn. 65; vgl. auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 35 f.). Nur in durch besondere Normstrukturen gekennzeichneten Ausnahmefällen, zu denen die hier zu entscheidende Fallkonstellation ersichtlich nicht gehört, können sich das Bedürfnis einer näheren Begründung dieser Regel (BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1997 - 2 BvL 55, 56/92 - BVerfGE 97, 49 <61 ff.>, diese von dem Oberverwaltungsgericht zitierte Entscheidung betrifft eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG) oder eine Ausnahme von ihr (vgl. etwa: Beschluss vom 4. November 2005 - BVerwG 1 B 58.05 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 14 S. 29) ergeben.

17

Der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht nach Art. 19 Abs. 3 GG einer "Vereinigung" versagt werden, die ein an sie gerichtetes vereinsrechtliches Verbot unter Berufung darauf angreift, dass sie die Merkmale eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfülle. Denn eine solche "Vereinigung" weist, da sie ansonsten schwerlich Ziel einer Maßnahme nach dem Vereinsgesetz wäre, jedenfalls in Ansätzen eine organisatorische Verfestigung auf und ist, soweit es um die Frage ihrer Vereinseigenschaft geht, Zuordnungssubjekt einer rechtlichen Regelung, so dass eine Grundrechtsberechtigung der Organisation zur Abrundung des Freiheitsschutzes der hinter ihr stehenden Individuen anzunehmen ist (vgl. zu diesen Kriterien: Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand Januar 2010, Art. 19 Abs. 3 Rn. 41; Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 19 Rn. 65).

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

(2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
politische Parteien im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes,
2.
Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt

1.
einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder
2.
einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mitglied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt oder ihre weitere Betätigung unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) § 84 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

(2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
politische Parteien im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes,
2.
Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

(2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
politische Parteien im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes,
2.
Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1997 gegründeter Verein mit Sitz in Frankfurt a. M., der nach seiner Satzung seinen Zweck darin sieht, in Fällen von Naturkatastrophen, Kriegen und anderen Katastrophen weltweit humanitäre Hilfe zu leisten. Er wendet sich gegen eine nach dem Vereinsgesetz ergangene Verbotsverfügung, mit der ihn das Bundesministerium des Innern belegt hat.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 23. Juni 2010 fest, dass der Kläger sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte. Der Kläger wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Kennzeichen des Klägers zu verwenden und Ersatzorganisationen für ihn zu bilden bzw. bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen. Das Vermögen des Klägers sowie näher bezeichnete Forderungen und Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet; ausgenommen davon blieben die in ihr enthaltenen Einziehungsanordnungen.

3

Das Bundesministerium des Innern bezog sich zur Begründung des Vereinsverbots auf die Grundsätze des in der Sache Al-Aqsa ergangenen Urteils des Senats vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 = NVwZ 2005, 1435) und führte aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrunds des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Er unterstütze seit langem und in einem beträchtlichen Umfang mit Spendengeldern die in den palästinensischen Gebieten im Gazastreifen bzw. im Westjordanland (Westbank) ansässigen Sozialvereine der Islamic Society (Al-Yamiya al-Islamiya) und der Islamic Charitable Society Hebron (Al-Jamiya al-Khairiya al-Islamiya), die der HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya) zuzuordnen seien. Die HAMAS verneine das Existenzrecht Israels und wirke in aggressiv-kämpferischer Weise darauf hin, Angehörige und Institutionen des Staates Israel auch unter Einsatz von terroristischen Mitteln zu bekämpfen, ihnen Schaden zuzufügen und weitere Gewalt hervorzurufen. Die HAMAS habe einen militärischen, einen politischen und einen sozialen Arm, die miteinander verschmolzen und für die Verfolgung der Ziele der Organisation von gleichem Wert seien. Durch die Unterstützung der den sozialen Flügel der HAMAS bildenden Sozialvereine trage der Kläger mittelbar zu der Gewalt bei, die die HAMAS in das Verhältnis des palästinensischen und des israelischen Volkes hineintrage. Nicht erforderlich sei, dass die von dem Kläger geleisteten Gelder in den militärischen Bereich der HAMAS geflossen seien. Vielmehr liege eine gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Unterstützung der HAMAS auch darin, dass die in Deutschland gesammelten Spendengelder an einen der HAMAS zuzuordnenden Sozialverein weitergeleitet und von diesem zu sozialen Zwecken verwendet würden. Denn das soziale Engagement dieser Sozialvereine werde von der palästinensischen Bevölkerung der HAMAS zugerechnet und steigere auf diese Weise deren Akzeptanz. Dadurch werde die Rekrutierung von Aktivisten des Terrors begünstigt. Das Gesamtbudget der HAMAS werde entlastet, so dass die eingesparten Mittel auch dem terroristischen Bereich zugute kämen. Der Kläger leite überdies Spenden an die Al-Khidmat Foundation in Pakistan, die Charitable Society for Social Welfare (Jamayat Al-Islah Al-Ejtimae Al-Kairyah) im Jemen, die Islamic Dawa Association (Munazzamat Al Dawa Al Islamiyya) im Sudan und den Verein Cansuyu in der Türkei weiter, die ihrerseits die HAMAS unterstützten. Die leitenden Mitglieder des Klägers hätten die die mittelbare Unterstützung der HAMAS begründenden Umstände gekannt und sich mit der HAMAS und den von ihr ausgehenden Gewalttaten identifiziert.

4

Der Kläger hat gegen die Verbotsverfügung Klage erhoben und trägt zu deren Begründung vor: Die Konstruktion der mittelbaren Unterstützung eines gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten Vereins, wie sie der Senat in seinem Urteil in der Sache Al-Aqsa entwickelt habe, könne wegen des Gewichts des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit im Rahmen der hier in Rede stehenden transnationalen karitativen Hilfe nicht aufrechterhalten werden. Ein karitativer Verein, der Hilfeleistungen unter Einschaltung einer ausländischen Partnerorganisation erbringe, könne vielmehr dadurch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG in der Regel nicht erfüllen. Denn für ein Verbot sei die Feststellung zu fordern, dass über die Partnerorganisation von vornherein zweckgerichtet die von einer anderen Organisation entfalteten terroristischen bzw. gewaltsamen Aktivitäten gefördert werden sollten. Entfalte eine zu humanitären Zwecken geleistete und verwendete Hilfe insoweit allenfalls mittelbar Förderungseffekte, stelle dies auch aus der Sicht des Rechts der Gefahrenabwehr keine ein Vereinsverbot rechtfertigende Unterstützungshandlung dar. Wenn man gleichwohl eine mittelbare Unterstützung ausreichen lassen wolle, sei zu berücksichtigen, dass die HAMAS, seit sie den Gazastreifen - ab Juni 2007 - allein beherrsche, dort Formen regulärer Staatlichkeit und einen realpolitischen Pragmatismus auch im Verhältnis zu Israel ausgebildet habe. Auch habe er, der Kläger, karitative Hilfen in den palästinensischen Gebieten über seine dortigen Partnerorganisationen nur projektbezogen und an konkret bestimmte hilfsbedürftige Personen geleistet sowie durch Kontrollmaßnahmen die zweckgerichtete und nicht an politischen Interessen ausgerichtete Verwendung überprüft. Es könne jedenfalls nicht festgestellt werden, dass er in dem für die angefochtene Verfügung relevanten Zeitraum bewusst und gewollt mit einer Vereinigung zusammengearbeitet habe, die als palästinensischer Sozialverein der HAMAS zuzuordnen sei oder diese Organisation vom Ausland her unterstütze. Die Zusammenarbeit mit der Islamic Society habe er eingestellt, nachdem ihm bekannt geworden sei, dass deren stellvertretender Vorsitzender in Jabaliya, Issam Jouda, Bürgermeister der Stadt Jabaliya geworden sei, und er deshalb habe feststellen müssen, dass die von ihm vorausgesetzte politische Neutralität seines Kooperationspartners nicht gegeben sei. Er habe danach mit dem Verein Salam zusammengearbeitet, den ein Vorstandsmitglied der Islamic Society, Yakoub Sulaiman, unabhängig und ohne Wissen der Islamic Society aufgebaut habe, um aus humanitärer Gesinnung die Hilfe für Waisenkinder mit ihm - dem Kläger - fortzuführen.

5

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 23. Juni 2010 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie verteidigt die Verbotsverfügung unter Verweis auf die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen und weitere im Gerichtsverfahren beigebrachte Unterlagen.

8

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2012 Beweis erhoben über die Fragen, wie das Verhältnis des Vorstandsmitglieds der Islamic Society Yakoub Sulaiman zur HAMAS ist und ob er unabhängig und ohne Wissen der Islamic Society die Organisation Salam aufgebaut hat, durch Vernehmung des Mitglieds des Kuratoriums des Klägers Engin K. als Zeugen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 23. Juni 2010 verfügte Vereinsverbot (1.) und die zugehörigen, gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist auf dieser Grundlage in formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßiger Weise ergangen.

11

a) Formelle Mängel der Verbotsverfügung sind nicht ersichtlich. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (zuletzt: Urteil vom 1. September 2010 - BVerwG 6 A 4.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 11) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, Vermögenswerte und Beweismittel beiseite zu schaffen. Gegen dieses nachvollziehbare Bestreben des Bundesministeriums, der angefochtenen Verfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ist nichts zu erinnern.

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht auf den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG gestützt. Der Kläger richtet sich - bezogen auf den für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung - gegen den Gedanken der Völkerverständigung, denn er hat durch die Überlassung von Spendengeldern für humanitäre Zwecke an Sozialvereine, die der HAMAS zuzuordnen sind, diese gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Organisation in einer den Tatbestand des Verbotsgrunds ausfüllenden Weise unterstützt.

13

In seinem Urteil in der Sache Al-Aqsa vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 = NVwZ 2005, 1435) hat der Senat die Voraussetzungen geklärt, unter denen ein Verein den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG dadurch verwirklicht, dass er Sozialvereine finanziell unterstützt, die Bestandteile des Gesamtgefüges der terroristischen Organisation der HAMAS sind (aa)). In tatsächlicher Hinsicht ist eine Änderung des der Völkerverständigung widerstreitenden Charakters der HAMAS nicht feststellbar (bb)). An den in seiner Entscheidung in der Sache Al-Aqsa zum Verbotsgrund der Völkerverständigungswidrigkeit entwickelten rechtlichen Maßstäben hält der Senat fest (cc)). Vor diesem Hintergrund hat der Kläger die objektiven Voraussetzungen für ein auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG gestütztes Vereinsverbot zwar nicht durch seine Unterstützung der Al-Khidmat Foundation in Pakistan, der Charitable Society for Social Welfare im Jemen, der Islamic Dawa Association im Sudan und des Vereins Cansuyu in der Türkei (dd)) und auch nicht durch seine an die Islamic Charitable Society Hebron im Westjordanland (Westbank) geleistete Förderung (ee)) erfüllt. Er hat den objektiven Verbotstatbestand jedoch dadurch verwirklicht, dass er Spendengelder zunächst der Islamic Society im Gazastreifen zugeleitet hat und sodann die Salam Society for Relief & Development (im Folgenden: Salam) finanziell unterstützt hat, die als im Gesamtgefüge der HAMAS verankerte Empfangsstelle für die Zuwendungen des Klägers an die Stelle der Islamic Society getreten war (ff)). Im Hinblick auf diese Förderung ist für den Kläger auch der subjektive Tatbestand des Verbotsgrunds der Völkerverständigungswidrigkeit zu bejahen (gg)). Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Vereinsverbots auf der Rechtsfolgenseite bedarf es nicht (hh)).

14

aa) Der Senat hat in seinem Urteil in der Sache Al-Aqsa (a.a.O. S. 80 ff. bzw. S. 1437 ff.) mit Bezug auf den Sommer des Jahres 2002 festgestellt, dass zahlreiche der in den palästinensischen Gebieten des Gazastreifens und des Westjordanlands tätigen Sozialvereine - unter ihnen die Islamic Society im Gazastreifen und die Islamic Charitable Society Hebron im Westjordanland - der sozialen Handlungsebene der HAMAS angehören und damit Teil des untrennbaren Gesamtgefüges dieser Organisation sind, das neben diesem sozialen einen politischen und einen militärisch-terroristischen Bereich umfasst. Die HAMAS übt Gewalttaten gegenüber Israel und israelischen Staatsbürgern aus, beeinträchtigt die friedliche Verständigung des israelischen und des palästinensischen Volkes und richtet sich deshalb gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Durch Zuwendungen an die Sozialvereine der HAMAS werden auch bei einer der sozialen bzw. humanitären Zwecksetzung entsprechenden Verwendung der Hilfeleistungen unmittelbar die HAMAS und mittelbar ihre terroristischen Aktivitäten und die von ihr in das Verhältnis zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Volk hineingetragene Gewalt unterstützt. Denn die palästinensische Bevölkerung rechnet das soziale Engagement der Sozialvereine der HAMAS zu. Dadurch leisten die Sozialvereine einen bedeutenden Beitrag zur Akzeptanz der HAMAS. Dies erleichtert die Rekrutierung von Aktivisten, die sich an terroristischen Handlungen der HAMAS beteiligen. Hinzu kommt, dass die HAMAS die finanzielle Entlastung im sozialen Bereich ihrem militärisch-terroristischen Sektor zugute kommen lassen kann. Findet die in Rede stehende Unterstützung über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang statt, ist diese geeignet, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen, so dass die objektiven Voraussetzungen des Vereinsverbots gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG erfüllt sind. Die subjektiven Voraussetzungen sind gegeben, wenn bei der unterstützenden Vereinigung die den objektiven Verbotstatbestand begründenden Umstände bekannt sind und die Vereinigung sich mit der HAMAS einschließlich der von dieser Organisation ausgehenden Gewalttaten identifiziert und die gewalttätigen Handlungen nicht nur in Kauf nimmt.

15

bb) Die Entwicklung, die die politischen Verhältnisse in den palästinensischen Gebieten und hier insbesondere seit dem Jahr 2007 im Gazastreifen bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung im Juni 2010 genommen haben, rechtfertigt nicht die Annahme, die HAMAS habe den von dem Senat für das Jahr 2002 festgestellten Charakter als gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Organisation verloren.

16

Die Organisation hat ihre von antisemitischem Gedankengut durchsetzte Charta aus dem Jahr 1988 (Dokument des Verwaltungsvorgangs - im Folgenden Dok. V - 1) nicht außer Kraft gesetzt. Sie hat - anders als die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) - nicht die von dem sog. Nahost-Quartett (Vereinigte Staaten, Russland, Europäische Union, Vereinte Nationen) formulierten Bedingungen für eine internationale Kooperation akzeptiert, die in einem Gewaltverzicht sowie in der Anerkennung des Existenzrechts Israels und der bisherigen Vereinbarungen im Nahostfriedensprozess bestehen (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von einzelnen Abgeordneten und der Fraktion Die Linke, BTDrucks 17/3129 S. 7). Die Europäische Union hat dementsprechend die HAMAS als eine an terroristischen Handlungen beteiligte Vereinigung qualifiziert (vgl. für die Zeit des Verbotserlasses: Nr. 2.10. des Anhangs zum Beschluss 2009/1004/GASP des Rates vom 22. Dezember 2009, ABl EU Nr. L 346 S. 58).

17

cc) Entgegen der Kritik des Klägers liegt keine unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit darin, dass nach den Maßstäben des Urteils des Senats in der Sache Al-Aqsa Hilfeleistungen, die ein Verein von Deutschland aus Sozialvereinen zuleitet, die der gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten HAMAS zuzuordnen sind, auch bei zweckentsprechender Mittelverwendung den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG erfüllen können.

18

Die nach Auffassung des Klägers ein Vereinsverbot nicht rechtfertigende Mittelbarkeit der Unterstützung ist bei einer solchen Hilfeleistung wie dargelegt nur im Hinblick auf die von der HAMAS ausgehende Gewalt gegeben. Die Organisation als solche wird unmittelbar unterstützt, da die geförderten Sozialvereine ihre genuinen Teile sind. Auch in dieser Fallgestaltung ist der objektive Verbotstatbestand nur dann erfüllt, wenn der jeweilige Unterstützungsbeitrag der völkerverständigungswidrigen Betätigung der HAMAS förderlich, das heißt objektiv geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Dies wird durch die Voraussetzung einer über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang vorgenommenen Förderung sichergestellt. Wegen der durch eine solche Unterstützung bewirkten strukturellen Stärkung des Gesamtsystems HAMAS kann die humanitäre Zwecksetzung der Hilfeleistung nicht isoliert betrachtet werden. Sie wird vielmehr überlagert durch die Akzeptanz- und Entlastungsvorteile für die völkerverständigungswidrige Betätigung der HAMAS, die mit ihr verbunden sind. Dass die Unterstützung der Sozialvereine diese Vorteile für den militärisch-terroristischen Bereich der HAMAS auslösen kann, entspricht allgemeinem Erfahrungswissen. Die Auswirkungen einzelner Zuwendungen über den sozialen Bereich hinaus müssen nicht konkret verfolgt und festgestellt werden. Auf Grund der generellen Eignung solcher Zuwendungen, sich für den militärisch-terroristischen Bereich der HAMAS positiv auszuwirken, dient die Unterstützung der HAMAS in ihrem sozialen Bereich zugleich dem militärisch-terroristischen Bereich und gefährdet dadurch den Gedanken der Völkerverständigung.

19

Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei der Interpretation der subjektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands Rechnung zu tragen. Insbesondere wirkt das Erfordernis, dass sich der unterstützende Verein mit der völkerverständigungswidrigen Betätigung der HAMAS identifizieren muss, um als gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet eingestuft zu werden, der Gefahr eines unverhältnismäßigen Verbotserlasses entgegen.

20

dd) Den objektiven Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG hat der Kläger nicht durch seine finanzielle Unterstützung der Al-Khidmat Foundation in Pakistan, der Charitable Society for Social Welfare im Jemen, der Islamic Dawa Association im Sudan und des Vereins Cansuyu in der Türkei verwirklicht.

21

Die Beklagte hat nicht festgestellt, dass diese Gruppierungen Teile der HAMAS sind. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die vier außerpalästinensischen Organisationen die von dem Kläger erhaltenen Leistungen oder durch diese Leistungen freigewordene eigene Mittel regelmäßig an die HAMAS oder ihr zuzurechnende Vereinigungen weitergeleitet und die Förderungen dort dem Gedanken der Völkerverständigung widerstreitende Wirkungen gezeitigt haben. Es bestehen vor diesem Hintergrund keine geeigneten Anhaltspunkte dafür, dass die Unterstützung, die die genannten Organisationen nach Annahme der Beklagten der HAMAS gewähren, dem Kläger als hinreichend gewichtiger eigener Beitrag zur Beeinträchtigung des Gedankens der Völkerverständigung zugerechnet werden könnte.

22

ee) Dadurch dass der Kläger die im Westjordanland tätige Islamic Charitable Society Hebron in den Jahren 2006 bis 2010 mit Spendengeldern in Höhe von insgesamt gut 317 000 € (vgl. von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden Anl. B - 190) unterstützt hat, hat er die objektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG ebenfalls nicht erfüllt.

23

Zwar hat der Kläger hiermit der Islamic Charitable Society Hebron Unterstützung über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang gewährt und diese auch bis zum Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung vom 23. Juni 2010 aufrechterhalten. Jedoch war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verbotserlasses die Verbindung zwischen der Islamic Charitable Society Hebron und der HAMAS, die der Senat in seinem Urteil vom 3. Dezember 2004 in der Sache Al-Aqsa mit Bezug auf den Sommer des Jahres 2002 festgestellt und die der Islamic Charitable Society Hebron den Charakter eines Bestandteils des Gesamtgefüges der HAMAS verliehen hatte, bereits seit längerem aufgelöst. Nach den in diesem Zusammenhang zu bewertenden Umständen (aaa) bis ccc)) ist die frühere Beherrschung der Islamic Charitable Society Hebron durch die HAMAS seit dem Jahr 2008 beendet und seither auch nicht wieder neu begründet worden. Der Sozialverein steht vielmehr nun politisch der von der PLO und der Fatah dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde nahe, die die palästinensischen Angelegenheiten im Westjordanland seit den Jahren 2007/2008 unter Ausschluss der HAMAS bestimmt.

24

aaa) Entgegen der Auffassung der Beklagten wird eine für das Verbot des Klägers beachtliche weitere Zugehörigkeit der Islamic Charitable Society Hebron zur HAMAS nicht durch ein Schreiben (Dok. V 29) belegt, das nach Angabe der Beklagten bei einer Durchsuchung der Vereinsräume der Islamic Charitable Society Hebron aufgefunden worden sein soll.

25

In diesem Schriftstück fordert der außerhalb der palästinensischen Gebiete befindliche Teil der HAMAS deren Wohltätigkeitsorganisationen in diesen Gebieten zur Auskunft über ihre finanzielle Lage auf. Da das Schreiben weder eine Adresse noch ein Datum aufweist und die Beklagte nicht mitteilt, wie das Schreiben in die Vereinsräume der Islamic Charitable Society Hebron gelangt sein soll, diese Räumlichkeiten nicht näher beschreibt und auch nicht angibt, wer diese Räumlichkeiten zu welcher Zeit durchsucht haben soll, kann nicht zu Lasten des Klägers davon ausgegangen werden, dass das Schreiben der Islamic Charitable Society Hebron in einem für den Erlass der Verbotsverfügung beachtlichen zeitlichen Zusammenhang gezielt als Bestandteil der HAMAS übermittelt worden ist.

26

bbb) Eine den Verbotserlass rechtfertigende Verbindung zwischen der Islamic Charitable Society Hebron und der HAMAS vermag die Beklagte auch nicht dadurch darzutun, dass sie geltend macht, die Islamic Charitable Society Hebron und andere im Westjordanland ansässige Sozialvereine, die der HAMAS zugehörten, seien wegen dieser Zugehörigkeit repressiven Maßnahmen der von der PLO und der Fatah dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde ausgesetzt gewesen, nachdem die HAMAS die Fatah im Juni 2007 gewaltsam aus dem Gazastreifen verdrängt habe. Dieser Vortrag beschreibt recht verstanden im Gegenteil Umstände, die zur Auflösung der Bindungen zwischen der Islamic Charitable Society Hebron und der HAMAS geführt haben.

27

Ausweislich der dem Senat vorliegenden Materialien ist das israelische Militär am Anfang des Jahres 2008 mit Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Auflösungsanordnungen gegen Sozialvereine im Westjordanland vorgegangen (Israelisches Außenministerium, Bericht vom 10. Juli 2008, Anl. B 56; Anordnungen des israelischen Militärs, von dem Kläger vorgelegte Anlage - im Folgenden Anl. K - 28). Dies ist im Ergebnis zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Die Beklagte beruft sich jedoch darauf, die Palästinensische Autonomiebehörde habe im Dezember 2007, von Mai bis August 2008, im November 2008 und im Mai 2009 zusätzliche Maßnahmen speziell gegen die Islamic Charitable Society Hebron und andere Sozialvereine der HAMAS erlassen. Sie verweist hierzu unter anderem auf Presseberichte (Anl. B 57 bis B 59), auf ein an den Kläger gerichtetes Schreiben der Islamic Charitable Society Hebron vom 29. Oktober 2008 (Dok. V 27), in dem von erlittenen Festnahmen, Gebäudeschließungen und Vermögensbeschlagnahmen als Schwierigkeiten und sorgenreichen Ereignissen von "2007 bis heute" die Rede ist, sowie auf Berichte in Internetforen (Anl. B 60 und B 61) über die Durchsuchung des Sitzes der Islamic Charitable Society Hebron mit zugehöriger Schule in Bani Nu'aim und des Gebäudes der Organisation in al-Shaik. Der Kläger macht demgegenüber geltend, im Gegensatz zu anderen Wohltätigkeitsorganisationen im Westjordanland sei die Islamic Charitable Society Hebron nur Eingriffen des israelischen Militärs, nicht aber solchen seitens der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgesetzt gewesen, und bezieht sich zum Beweis dessen auf eine Liste der von dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde und Vorsitzenden der PLO, Mahmut Abbas, aufgelösten Wohltätigkeitsorganisationen (Abdruck eines Erlasses vom 30. August 2007, Anl. K 117), die den Namen der Islamic Charitable Society Hebron nicht enthält, sowie eine von ihm eingeholte Auskunft des derzeitigen Vorsitzenden seines Kooperationspartners (Auskunft vom 22. März 2011, Anl. K 118). Soweit sich aus den von der Beklagten genannten Quellen Abweichendes ergebe, lasse sich deren Zuverlässigkeit nicht überprüfen.

28

Der Senat muss das Ausmaß und die Urheber der repressiven Maßnahmen, denen die Islamic Charitable Society Hebron als vormals von der HAMAS beherrschter Sozialverein ausgesetzt war, nicht im Einzelnen feststellen. Entscheidend ist, dass derartige Eingriffe stattgefunden und zu dem Ergebnis geführt haben, dass der Einfluss der HAMAS auf den Verein gebrochen worden ist. Letzteres wird insbesondere daran deutlich, dass HAMAS-Mitglieder aus den führenden Positionen der Islamic Charitable Society Hebron herausgedrängt worden sind. Während der Sozialverein nach dem von dem Kläger nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten vor dem Jahr 2008 von den hochrangigen HAMAS-Funktionären Adel Nu'man Juneidi und Dr. Adnan Maswadeh geführt wurde, ist Vereinsvorsitzender seitdem der Richter Hatim al-Bakri, der dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde und Vorsitzenden der PLO, Mahmut Abbas, und der ihn stützenden Fatah, nicht hingegen der HAMAS nahesteht (Pressebericht vom 7. April 2011, Anl. K 114). Die Islamic Charitable Society Hebron erfreut sich seit dieser politischen Neuorientierung einer Förderung durch die Palästinensische Autonomiebehörde. So spendete Präsident Abbas einer Einrichtung des Vereins am Anfang des Jahres 2010 einen Betrag von 30 000 US-Dollar (Pressebericht vom 13. Januar 2010, Anl. K 116). Die Vereinigung ist zudem nach dem Wegfall des Einflusses der international geächteten HAMAS in den letzten Jahren zu einem Kooperationspartner anerkannter internationaler Organisationen geworden (vgl. Abkommen für 2009/2010 mit United Nations Development Programme, Anl. K 24; Abkommen für 2010 mit Action Contre la Faim, Anl. K 27).

29

Auch die Beklagte stellt die Durchbrechung der Herrschaft der HAMAS über die Islamic Charitable Society Hebron durch die seit dem Jahr 2007 durchgeführten Maßnahmen im Ergebnis nicht in Frage, meint jedoch, den Verbotserlass noch mit dem vor dem Jahr 2008 bestehenden Zustand rechtfertigen zu können. Dem kann nicht gefolgt werden, da es hierfür in Anbetracht der seit der Aufhebung des Einflusses der HAMAS vergangenen Zeit an dem erforderlichen Zusammenhang fehlt.

30

ccc) Eine Wiederbegründung des Einflusses der HAMAS auf die Islamic Charitable Society Hebron wird entgegen der Einschätzung der Beklagten nicht dadurch belegt, dass der Sozialverein nach dem Tod seines früheren Vorsitzenden, des HAMAS- Funktionärs und Gründungsmitglieds Dr. Adnan Maswadeh, im März 2011 in seinen Räumlichkeiten eine dreitägige Kondolenzveranstaltung durchgeführt hat (Berichte aus dem März 2011 auf palästinensischen Internetseiten, Anl. B 183 und B 184). Der Kläger, der diese Veranstaltung nicht bestreitet, weist zu Recht darauf hin, sie könne als von der heutigen politischen Ausrichtung der Islamic Charitable Society Hebron unabhängige Respektbezeugung für den Verstorbenen verstanden werden.

31

ff) Der Kläger hat die objektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG jedoch dadurch verwirklicht, dass er zunächst in der Zeit von 2006 bis Februar 2010 der im Gazastreifen tätigen Islamic Society und hieran unmittelbar anknüpfend ab Mai 2010 bis zum Vollzug der angefochtenen Verbotsverfügung im Juli 2010 dem ebenfalls im Gazastreifen ansässigen Verein Salam Spendengelder für unterschiedliche soziale Zwecke zugewandt hat. Diese langfristige Förderung hatte einen beträchtlichen Umfang. Denn nach den Feststellungen der Beklagten (Anl. B 190), die der Kläger nicht bestreitet, haben in der genannten Zeit die Islamic Society insgesamt gut 2 100 000 € und der Verein Salam insgesamt gut 300 000 € von dem Kläger erhalten.

32

Die 1976 ins Leben gerufene Islamic Society ist im Gazastreifen mit mehreren Zweigstellen vertreten, deren erste im Jahr 1979 in Jabaliya gegründet wurde (Internetseite der Vereinigung, Anl. B 46; vgl. auch die Übersetzungen in Anl. B 95 und Anl. K 3). Der Sozialverein ist untrennbarer Bestandteil des Gesamtgefüges der HAMAS, was der Senat in seinem Urteil vom 3. Dezember 2004 in der Sache Al-Aqsa mit Bezug auf den Sommer des Jahres 2002 festgestellt hatte, auch für den Zeitraum von 2006 bis Februar 2010 gewesen, in dem ihn der Kläger finanziell unterstützte (aaa)). Hieran unmittelbar anschließend trat der Verein Salam in der Zeit von Mai bis Juli 2010 als im Gesamtgefüge der HAMAS verankerte Empfangsstelle für den Geldtransfer des Klägers an die Stelle der Islamic Society (bbb)). Die von dem Kläger geleistete Förderung wird von dem objektiven Tatbestand des Verbotsgrunds aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG auch insoweit erfasst, als sie projektbezogen vorgenommen wurde und der Kläger für die Empfänger der mit seinen Geldern beschafften Hilfen erkennbar war (ccc)).

33

aaa) Im Anschluss an den Erkenntnisstand des Urteils des Senats vom 3. Dezember 2004 in der Sache Al-Aqsa haben sich keine Entwicklungen ergeben, die die Annahme stützen könnten, die Verbindung zwischen der Islamic Society und der HAMAS habe sich in der Zeit, während der der Kläger die Islamic Society gefördert hat, aufgelöst. Vielmehr hat die Beklagte gewichtige Aspekte aufgezeigt, die diese Verbindung für den relevanten Zeitraum bestätigen ((1) bis (2)).

34

(1) Die von dem Senat seinerzeit festgestellten personellen Verknüpfungen zwischen der HAMAS und ihrem Sozialverein Islamic Society haben in der Person von Issam Jouda eine Aktualisierung erfahren. Dieser war von Oktober 2004 bis Ende 2009 Vorsitzender (vereinsrechtliche Eintragungsmitteilung vom 1. März 2005, Anl. B 122) und danach noch bis zum Frühjahr 2010 stellvertretender Vorsitzender der Zweigstelle Jabaliya der Islamic Society. Er gehört dem Kreis der führenden Mitglieder der HAMAS an, was daran deutlich wird, dass er Ende des Jahres 2009 von der HAMAS zum Bürgermeister der Stadt Jabaliya, einer der größten und bedeutendsten Städte im Gazastreifen, berufen worden ist.

35

(2) Die Verschränkungen der Islamic Society mit den anderen Bestandteilen des HAMAS- Netzwerks sind auch in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nach außen hin deutlich geworden. So berichteten etwa arabische Medien im Jahr 2006 über eine palästinensische Massenhochzeit, die die HAMAS durch die ihr zugehörige Islamic Society und deren damaligen Zweigstellenvorsitzenden Issam Jouda ausgerichtet habe (Dok. V 14 und V 15), und im Jahr 2009 über die Beteiligung der Islamic Society am Bau und an der Ausstattung eines von der HAMAS eröffneten Vortragssaales in einer Moschee in Jabaliya (Dok. V 20).

36

bbb) Die Förderung, die der Kläger von 2006 bis Februar 2010 der HAMAS durch Überweisung von Spendengeldern für humanitäre Zwecke an deren Sozialverein Islamic Society zuteil werden ließ, führte er ab Mai 2010 bis zum Vollzug der angefochtenen Verbotsverfügung im Juli 2010 durch die Zuwendung von Hilfsgeldern an Salam fort. Dieser Verein ist wie die Islamic Society als untrennbarer Bestandteil des HAMAS-Gesamtgefüges zu qualifizieren und hatte in diesem Gefüge die Funktion der Empfangsstelle für die Hilfeleistungen des Klägers von der Islamic Society übernommen.

37

Der wesentliche Teil der Anknüpfungstatsachen, die den Senat zu diesem Schluss führen, ist von den Beteiligten in dem gerichtlichen Verfahren übereinstimmend bzw. unbestritten vorgetragen worden. Um von dem Senat zu berücksichtigende, zwischen den Beteiligten nicht umstrittene Indizien handelt es sich auch bei dem Inhalt von Telefongesprächen zwischen Mitarbeitern des Klägers sowie Mitgliedern und Mitarbeitern der Islamic Society und des Vereins Salam, die das Bundesamt für Verfassungsschutz im Rahmen von angeordneten Beschränkungen nach § 1 Abs.1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a G 10 aufgezeichnet hat. Die Beklagte hat diese Aufzeichnungen nach Übersetzung in die deutsche Sprache in das gerichtliche Verfahren eingeführt. Der Kläger hat die Gespräche nicht in Abrede gestellt, die Richtigkeit der von der Beklagten vorgelegten Übersetzungen in der mündlichen Verhandlung bestätigt, sich in seinem Vorbringen auf die Gesprächsinhalte bezogen und diese im Ergebnis nur in anderer Weise als die Beklagte bewertet. Seine Berufung auf ein seiner Ansicht nach für die Gesprächsaufzeichnungen bestehendes Beweisverwertungsverbot geht deshalb ins Leere.

38

Die Beteiligten stimmen darin überein, dass der Wechsel von der Islamic Society zu Salam als Empfangsstelle für die von dem Kläger geleisteten Unterstützungen durch die von der HAMAS angeordnete Berufung des führenden HAMAS-Mitglieds und Islamic Society-Funktionärs Issam Jouda zum Bürgermeister von Jabaliya im Dezember 2009 ausgelöst wurde. Dahinstehen kann, wann die Verantwortlichen des Klägers das Schreiben vom 23. Dezember 2009 (Anl. K 10), in dem Issam Jouda dem Kläger die Übernahme des politischen Spitzenamtes der Stadt Jabaliya mitteilte, zur Kenntnis genommen haben. Jedenfalls wurde sich der Kläger der Bedeutung des in dem Schreiben geschilderten Umstands für seine Fördertätigkeit bewusst, als sein Mitarbeiter Murat S. Anfang Februar 2010 von einer Reise nach Israel zurückkehrte, in deren Verlauf er von den israelischen Sicherheitskräften festgenommen und zu der Kooperation des Klägers mit der Islamic Society befragt worden war, wobei auch das Bürgermeisteramt von Issam Jouda zur Sprache gekommen war.

39

Nach der Überzeugung des Senats lag der Grund dafür, dass der Kläger die Zusammenarbeit mit der Islamic Society beendete, nicht in seiner behaupteten Selbstverpflichtung zu politischer Neutralität bei der Kooperation mit ausländischen Partnern, die er durch die Berufung von Issam Jouda zum Bürgermeister von Jabaliya gefährdet sah. Ebenso wenig vermag der Senat der Lesart des Klägers zu folgen, er habe seinen Anfang Februar 2010 gefassten Beschluss, die Zusammenarbeit mit der Islamic Society aufzugeben, den Verantwortlichen dieser Organisation zunächst nicht mitgeteilt und den Wechsel zu einem neuen, vollkommen unabhängigen Kooperationspartner hinter deren Rücken, allein mit seinem Ansprechpartner bei der Islamic Society, Yakoub Sulaiman, organisiert, dem nur an der Fürsorge für Waisenkinder gelegen gewesen sei und der für diesen als unpolitisch definierten Zweck den bereits zu Zeiten der Herrschaft der PLO im Gazastreifen gegründeten Al Quds Wohltätigkeitsverein zur Betreuung von Schwerbehinderten (im Folgenden: Al Quds) reaktiviert habe.

40

Aus den feststellbaren Indizien setzt sich vielmehr ein anderes Bild zusammen: Dadurch, dass Issam Jouda, der lange Zeit als hochrangiger HAMAS-Vertreter an herausgehobener Stelle der Islamic Society tätig gewesen war, von der HAMAS in das Amt des Bürgermeisters von Jabaliya berufen worden war, hatte die Verbindung der Islamic Society mit der HAMAS praktisch ein Gesicht bekommen, das von einer breiten Öffentlichkeit auch außerhalb der palästinensischen Gebiete wahrgenommen werden konnte. Der Kläger musste deshalb befürchten, wegen seiner Kooperation mit dem HAMAS-Sozialverein Islamic Society in Deutschland Probleme zu bekommen. Er suchte eine Möglichkeit, die es ihm erlauben sollte, diese Probleme zu vermeiden, jedoch zugleich seine Unterstützungstätigkeit in der Sache unverändert fortzuführen. Diese Möglichkeit schuf in dem Bestreben, die für die Akzeptanz der HAMAS bedeutsamen Unterstützungsleistungen des Klägers für deren Einflussbereich zu sichern, der der HAMAS zuzuordnende Yakoub Sulaiman (1), indem er den brach liegenden Verein Al Quds mit dem geänderten Namen Salam als neue Empfangsstelle für die Förderungen des Klägers in das HAMAS-Gesamtgefüge integrierte und die Angestellten, die bei der Islamic Society für die Betreuung des Klägers zuständig gewesen waren, in die Dienste von Salam überführte (2). Der Kläger, Yakoub Sulaiman und die Islamic Society betrieben den Wechsel von der Islamic Society zu Salam als Empfangsstelle für die Förderungen des Klägers mit dem gemeinsamen Ziel, die materielle Struktur der Unterstützungen aufrechtzuerhalten (3).

41

(1) Yakoub Sulaiman stellt nach übereinstimmender Einschätzung der Beteiligten die Schlüsselfigur des Funktions- und Aufgabenübergangs von der Islamic Society zu Salam dar. Er kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht als ein nur an humanitären Fragen interessierter Helfer angesehen werden, sondern ist als strategisch denkender, zuverlässiger Interessenwalter der HAMAS zu qualifizieren.

42

Yakoub Sulaiman war im Oktober 2004 Mitglied des Vorstands der Zweigstelle Jabaliya der Islamic Society geworden (vereinsrechtliche Eintragungsmitteilung vom 1. März 2005, Anl. B 122). Die Islamic Society war nach den Feststellungen des Senats in der Sache Al-Aqsa schon zeitlich früher in einem ansonsten noch wesentlich von der PLO dominierten Umfeld ein Bestandteil des Gefüges der HAMAS. Der Umstand, dass Yakoub Sulaiman bereits eine Führungsfunktion im sozialen Bereich der HAMAS ausfüllte, bevor diese im Jahr 2007 die alleinige Macht im Gazastreifen übernahm, verdeutlicht seine frühe Hinwendung zu dieser Organisation und seine über die Jahre gewachsene Zuverlässigkeit in deren Sinn. Im weiteren zeitlichen Verlauf hatte er überdies in der Zweigstelle Jabaliya der Islamic Society die wichtige Funktion des Schatzmeisters bzw. Kassenwarts inne und war ferner mit der Koordination der Zusammenarbeit mit dem Kläger betraut. Dementsprechend handelte Yakoub Sulaiman, als er den Wechsel der Empfangsstelle für die Hilfeleistungen des Klägers organisierte, nicht als Privatmann, sondern als führender HAMAS-Vertreter, dem es darum ging, einen in seinem Bestand bedrohten, bedeutsamen Teil der für die HAMAS wichtigen sozialen Hilfeleistungen erhalten zu können.

43

Eine Reduzierung der Bedeutung von Yakoub Sulaiman auf den Bereich des rein Humanitären verbietet sich schon deshalb, weil nach den Feststellungen des Senats in der Sache Al-Aqsa innerhalb der HAMAS der soziale Bereich generell nicht von dem politischen und dem militärisch-terroristischen Bereich getrennt werden kann. Zudem trug Yakoub Sulaiman durch seine Funktionen in dem HAMAS-Sozialverein Islamic Society besondere Verantwortung für das Funktionieren der sozialen Handlungsebene der HAMAS. Unabhängig davon wird seine allgemeine politische Weitsicht daran deutlich, dass er, wie er in einem Telefongespräch vom 20. März 2010 (Anl. B 218) dem Mitarbeiter des Klägers Murat S. berichtet, Issam Jouda von der Übernahme des Bürgermeisteramts der Stadt Jabaliya abgeraten hatte, weil dies zu einer "Störung in Europa" führen und der Islamic Society schaden würde.

44

Dieser Bewertung widerspricht es nicht, dass der von dem Senat als Zeuge vernommene Engin K., Mitglied des Kuratoriums des Klägers, bekundet hat, Yakoub Sulaiman habe sich im Rahmen eines viertägigen Treffens mit ihm, Engin K., und dem Mitarbeiter des Klägers Murat S. im August 2011 in Kairo als apolitischer Mensch bezeichnet, habe sich weder im Guten noch im Schlechten über die HAMAS geäußert, habe sich darüber hinaus auf Fragen nach seiner Einstellung zur HAMAS nicht eingelassen und sei auf Interna der Islamic Society nicht eingegangen. Denn aus diesen letztlich ausweichenden und nichts sagenden Äußerungen Yakoub Sulaimans ergibt sich vor dem Hintergrund der bisherigen Darlegungen lediglich dessen Fähigkeit zu einem an politischer Opportunität ausgerichteten Informationsverhalten. Diese Fähigkeit ist als Beleg für und nicht gegen die politische Kompetenz von Yakoub Sulaiman zu werten, wenn seine Äußerung, er sei ein apolitischer Mensch, nicht ohnehin nur bedeuten sollte, er habe eine Funktion lediglich im sozialen, nicht aber im politischen Flügel der HAMAS inne, strebe auch keine politische Funktion im engeren Sinne an, stelle also mit anderen Worten anders als Issam Youda für den Kläger keine Quelle potentieller Schwierigkeiten mit deutschen Behörden dar. Ebenso wenig wird die HAMAS-Zugehörigkeit von Yakoub Sulaiman durch die weitere Aussage des Zeugen in Frage gestellt, das PLO-Mitglied Naim Hamoodah habe ihm telefonisch berichtet, Yakoub Sulaiman sei ein guter Junge aus seinem Dorf und habe mit der HAMAS nichts zu tun. Denn diese Äußerung von dritter Seite ist deutlich durch einen rein persönlichen Kontext geprägt und dementsprechend auf diesen beschränkt.

45

(2) Nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des Klägers bestand das ursprüngliche Führungspersonal des im Jahr 2001 registrierten Vereins Al Quds aus der PLO angehörenden hochrangigen Funktionären der Palästinensischen Autonomiebehörde. Allerdings hatten sich bereits vor dem Jahr 2007, als die HAMAS die Macht im Gazastreifen ergriff, diejenigen Vorstandsmitglieder des Vereins, die den von der PLO kontrollierten Sicherheitskräften angehörten, aus ihren Funktionen zurückgezogen. Nennenswerte Aktivitäten hatte der Verein nicht entfaltet. Durch die Machtübernahme der HAMAS waren die leitenden Mitglieder des Vereins zusätzlich desillusioniert worden. In dieser Situation setzte Yakoub Sulaiman, der bereits dem Aufsichtsrat von Al Quds angehörte, die Aufnahme neuer Mitglieder durch, die er aus seinem persönlichen Umfeld kannte, und konnte so in der Mitgliederversammlung vom 30. März 2010 seine Wahl zum Vorsitzenden von Al Quds erreichen. In derselben Versammlung wurde eine Erweiterung des Vereinszwecks auf allgemeine soziale Hilfeleistungen und eine Umbenennung in Salam beschlossen. Die der PLO bzw. der Fatah angehörenden früheren Vorstandsmitglieder von Al Quds verloren infolge der personellen Erneuerung des Vereins diese Funktion, blieben aber zum Teil - wie Naim Hamoodah und Taysir Ebu l'dah - weiter einfache Mitglieder des Vereins Salam. Die neben Yakoub Sulaiman neu gewählten Vorstandsmitglieder von Salam hatten bisher keine politischen Tätigkeiten entfaltet. Yakoub Sulaiman legte seine Funktionen bei der Islamic Society im Zusammenhang mit seiner auf die Aktivierung von Al Quds gerichteten Aktivitäten nieder. Mit Yakoub Sulaiman wechselten die für die Zusammenarbeit mit dem Kläger zuständigen Angestellten der Islamic Society - Yusri Azzam, Omer Saad und Salah Hamdi - zum Verein Salam und nahmen dort entsprechende Aufgaben insbesondere bei der Waisenfürsorge wahr.

46

Entgegen der Ansicht des Klägers kann aus diesen Umständen nicht geschlossen werden, Yakoub Sulaiman habe die bislang über den HAMAS-Sozialverein Islamic Society abgewickelten Förderungen aus dem Bereich der HAMAS herausgelöst und in einen wenn nicht der PLO nahen, so doch von einem beherrschenden Einfluss der HAMAS freien Rahmen gestellt. Eine solche Schlussfolgerung lässt sich bereits nur schwer in Übereinstimmung mit der in der Presse verbreiteten Äußerung des Vorsitzenden des Klägers (taz vom 17. Juli 2010, Anl. B 197) und von ihm im gerichtlichen Verfahren aufgegriffenen Einschätzung bringen, dass an der HAMAS nicht vorbeikomme, wer in Gaza etwas auf die Beine stellen wolle. Zudem hat Yakoub Sulaiman nach Aussage des Zeugen Engin K. diesem gegenüber erklärt, als er und drei Mitarbeiter von der Islamic Society zu Salam gewechselt seien, habe man die Daten über die zu unterstützenden Waisen "mitgehen" lassen, ohne dass es zu Sanktionen seitens der Islamic Society oder der HAMAS gekommen sei. Auch dieser Aspekt ist in Anbetracht der für das Ansehen der HAMAS äußerst wichtigen Waisenfürsorge nur verständlich, wenn Salam in gleicher Weise in das Netzwerk der HAMAS eingebunden worden war wie die Islamic Society. Damit ohne weiteres vereinbar ist die Äußerung Yakoub Sulaimans gegenüber dem Zeugen Engin K., nach seinem - Sulaimans - Wechsel zu Salam habe die Islamic Society überall verbreitet, sie habe mit ihm - Sulaiman - nichts mehr zu tun. Dieser Eindruck musste erweckt werden, damit die Aktivierung des Vereins Salam als Kooperationspartner des Klägers nach außen als Bruch mit der Islamic Society wahrgenommen werden konnte, die gerade überwundenen Schwierigkeiten also nicht in anderem Gewand wieder auftauchten. In diese Richtung verweist auch das Angebot Yakoub Sulaimans gegenüber einem Mitarbeiter des Klägers, den Verein Salam zu verlassen (vgl. Telefonat vom 30. März 2010, Anl. B 220). Dieses Angebot belegt nur die politische Weitsicht Jakoub Sulaimans, der die Möglichkeit erkannte, dass aus der persönlichen Verklammerung zwischen der Islamic Society und dem umgegründeten Verein Salam auf eine gemeinsame Zugehörigkeit zur HAMAS geschlossen werden könnte.

47

Es drängt sich deshalb auf, den Vorgang dahingehend zu deuten, dass der Verein Al Quds als Organisation mit einer PLO-Vergangenheit von der HAMAS seit dem Jahr 2007 nur wegen seiner Inaktivität geduldet worden war und im Frühjahr des Jahres 2010 praktisch nur noch der rechtlichen Form nach bestand. Diese leere rechtliche Hülse wurde dann von dem seit langem in der Führung des HAMAS-Sozialvereins Islamic Society tätigen Yakoub Sulaiman und seinem Gefolge übernommen und als Salam in das HAMAS-Gesamtgefüge überführt. Dies geschah in einer Situation, als sich angesichts der Probleme, die dem Kläger durch die deutschen Behörden wegen seiner Unterstützung des sozialen Flügels der HAMAS drohten, und in Anbetracht des mit einem Wegfall dieser Unterstützungen verbundenen Ansehensverlustes für die HAMAS gerade der ehemalige Bezug des Vereins Al Quds zu der in Deutschland geschätzten PLO als vorteilhaft für eine Aufrechterhaltung der Förderungen des Klägers erweisen konnte. In diesem Sinne spricht es auch nicht gegen, sondern für eine im Interesse der HAMAS betriebene, auf eine Verschleierung der Förderungszusammenhänge gerichtete Übernahme von Al Quds bzw. Salam durch Yakoub Sulaiman, dass der um ihn herum gruppierte, neu gewählte Vereinsvorstand aus politisch bisher nicht in Erscheinung getretenen Personen bestand. Gleiches gilt für den Umstand, dass ein Teil der der PLO angehörenden ehemaligen Vorstandsmitglieder des inaktiven Vereins Al Quds als einfache Mitglieder in dem Verein Salam verbleiben durften. Nachdem die Überführung des Vereins Al Quds mit dem neuen Namen Salam in das Gesamtgefüge der HAMAS abgeschlossen war, konnte dieser in dem von der HAMAS beherrschten Gazastreifen ungehindert eine zuvor nicht gekannte Aktivität entfalten. Die von der Islamic Society zu Salam gewechselten Mitarbeiter konnten ohne Effektivitätseinbußen tätig werden.

48

(3) Der Kläger, der HAMAS-Vertreter Yakoub Sulaiman und der HAMAS-Sozialverein Islamic Society betrieben den Wechsel von der Islamic Society zu Salam als Empfangsstelle für die Förderungen des Klägers gemeinsam, um den Fortbestand der Unterstützungen in ihrer materiellen Struktur unter dem Einfluss der HAMAS zu verschleiern und dadurch zu sichern. Dies und nicht ein von Yakoub Sulaiman unterstütztes und vor der Islamic Society zunächst verheimlichtes Bestreben des Klägers zu einem vom politischen Einfluss der HAMAS freien Neubeginn der Fördertätigkeit wird durch eine beachtliche Zahl von Äußerungen in Telefonaten zwischen Mitarbeitern des Klägers und Vertretern der Islamic Society und des Vereins Salam belegt.

49

In einem Telefonat vom 6. März 2010 (Anl. B 216) erörtern Murat S., Mitarbeiter des Klägers, und Yakoub Sulaiman die Übernahme des Bürgermeisteramts von Jabaliya durch Issam Jouda. Das Problem bestehe nicht darin, so Murat S., dass Issam Jouda "in die Kommune gegangen" sei, sondern sei "im Grunde international". Man werde nach einer Lösung schauen. Von welcher Art das genannte internationale Problem nach Ansicht von Murat S. ist, wird deutlich an dessen Hinweis auf die Organisation Al-Aqsa, die in Deutschland "dichtgemacht" worden sei.

50

Am 20. März 2010 (Anl. B 218) weist Murat S. seinen Gesprächspartner Yakoub Sulaiman darauf hin, dass es dem Kläger nicht passe, wenn es in der mit ihm kooperierenden Organisation Politik gebe oder jemand von deren Leitung oder Verwaltung in einer kommunalen Gebietskörperschaft arbeite. Yakoub Sulaiman versteht diese Äußerung in ihrem wahren taktischen Sinn und verweist - wie bereits erwähnt - darauf, dass er die Störung bzw. das Problem in Europa im Zusammenhang mit der Berufung von Issam Jouda zum Bürgermeister von Jabaliya vorausgesehen habe. Er führt aus, dass er eine "fertige Organisation" mit einer Genehmigung von 2001 habe. Er fährt fort: "Wenn ihr mit dieser neuen Organisation zusammenarbeiten wollt, dann haben wir auch kein Problem." Murat S. entgegnet, es sei wichtig, dass der Verein nicht "zu Euch" gehören dürfe und unabhängig sein müsse.

51

Am 22. März 2010 telefoniert der neue Vorsitzende der Islamic Society, Abd Ar-Rahim Muhammad Schahab mit dem Mitarbeiter des Klägers Adem B. (Anl. B 219). In diesem Gespräch werden zunächst soziale Projekte - ein Gesundheitszentrum, eine Schule für Waisenkinder, eine Aquafarm - besprochen, für die Unterstützungen des Klägers in Frage kommen. Hieraus kann jedoch, anders als der Kläger meint, nicht geschlossen werden, dass diese Unterstützungen nur über die Islamic Society fließen sollten und deren Vorsitzender, da er sie anspricht, von dem Beschluss des Klägers, den Kooperationspartner zu wechseln, nichts weiß. Denn Adem B. führt nach Erörterung der Projekte aus: "Das Problem ist, dass ... Murat nach Jerusalem gereist ist und man ihn dort in die Mangel genommen hat. Der Name von Abu Ahmed (das heißt: Issam Jouda) war bei Ihnen aufgelistet und das könnte dazu führen, dass es für uns hier in Deutschland eng wird. Die fragen danach, mit welchen Vereinen wir zusammenarbeiten, islamistische Vereine. Ich habe mit Abu Mohamed Yakoub (das heißt: Yakoub Sulaiman) gesprochen. ... Aber zunächst müssen wir die Organisation wechseln, damit wir weiter arbeiten können." Hierauf entgegnet der Vorsitzende der Islamic Society: "Kein Problem, wir haben das Thema bereits abgeschlossen und sämtliche Vorkehrungen in der Organisation getroffen. ... Es ist alles in Ordnung. Abu Mohamed hat sich sehr bemüht."

52

Als sich am 5. April 2010 der damals noch bei der Islamic Society und später bei Salam tätige Yusri Azzam bei Adem B. nach dem Verbleib der Waisenunterstützung für den Monat März erkundigt (Anl. B 221), entgegnet Adem B.: "Wir haben mit den Brüdern vom Verein gesprochen. Wir müssen den Verein ändern, sie sind dabei, die nötigen Schritte einzuleiten, danach schicken wir es ..." Dass Yakoub Sulaiman diesen Vereinswechsel nicht an den Verantwortlichen der Islamic Society vorbei betrieben hatte und auch deren Angestellte jedenfalls in den Grundzügen informiert waren, belegen die weiteren Ausführungen von Yusri Azzam: "Die, die bei uns, werden den Verein bei uns ändern? ... Ach so, das heißt, Du hast mit Abu Mohamed gesprochen?" Adem B. antwortet: "Ja, sprich mit ihm, denn sie haben entschieden, alle Tätigkeiten hier im Verein einzustellen, danach werden wir, wenn Gott will, weiter machen."

53

Nach dem vollzogenen Wechsel besprechen Murat S. und Yakoub Sulaiman am 22. April 2010 (Anl. B 224) die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und - nunmehr - Salam. In diesem Gespräch wird deutlich, dass an die bisherige Kooperation des Klägers mit der Islamic Society und die dortigen Projekte angeknüpft werden soll. Murat S. stellt Yakoub Sulaiman einen Betrag zwischen 500 000 € und 1 000 000 € für den Wiederaufbau in Aussicht und erklärt: "Dann bauen wir das Waisenhaus oder die Schule. Ihr habt bestimmt seit langem Projekte! ... Und bezüglich der Waisen; die ganze Arbeit wird so bleiben, wie sie ist."

54

ccc) Entgegen der Ansicht des Klägers unterfallen auch diejenigen Hilfen für den Gazastreifen, die er auf Grund von Vereinbarungen mit der Islamic Society oder Salam projektgebunden geleistet hat, dem objektiven Tatbestand des Verbotsgrunds des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG.

55

Gerade im Rahmen der projektgebundenen Hilfe kam der Partnerorganisation des Klägers im Hinblick auf die Auswahl der Projekte und der Leistungsempfänger sowie bei der konkreten Zuwendung der Leistungen an die Begünstigten eine Eigenständigkeit zu, die in besonderer Weise geeignet war, die von dem Kläger aufgebrachten Hilfeleistungen für die palästinensische Bevölkerung als solche der Islamic Society bzw. des Vereins Salam und damit der HAMAS erscheinen zu lassen.

56

Dies galt insbesondere dann, wenn der Kooperationspartner des Klägers in hervorgehobener Weise nach außen hin in Erscheinung trat. Die hierfür geeigneten Handlungen werden in einer Beschreibung besonders betont, die Issam Jouda als Vorsitzender der Zweigstelle Jabaliya der Islamic Society über den Ablauf eines von dem Kläger finanzierten Lebensmittelprojekts verfasst hat (Beschreibung vom 25. Januar 2007, Anl. B 54). Auch die Gestaltung der von der Islamic Society zu Dokumentationszwecken verwandten Listen, in denen Hilfebegünstigte den Empfang von Leistungen mit ihrer Unterschrift bestätigten, wies in einer Vielzahl von Fällen in erster Linie auf die Islamic Society und lediglich am Rande - das heißt nur auf der ersten von mehreren Seiten - auf den Kläger als Spender hin (Waisenkinderprojekt vom April 2007, Anl. B 52; Projekt zur Betreuung und Obhut für arme Familien vom September 2009, Anl. K 9).

57

Aber auch dann, wenn im Rahmen der Verteilung von Hilfsgütern die Eigenschaft des Klägers als Spender mehr in den Vordergrund trat, etwa weil der Name und das Emblem des Klägers gut zu erkennen waren (Bilddokumentationen, Anl. B 50 und Anl. K 8), steht außer Frage, dass es in den Augen der Hilfeempfänger doch stets der mit dem Kläger kooperierende Sozialverein und damit die HAMAS waren, die es vermocht hatten, die Hilfen durch Mobilisierung von Unterstützung aus dem Ausland zu beschaffen.

58

gg) Der Kläger hat auch die subjektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG erfüllt. Ihm waren die Umstände bekannt, die wegen seiner finanziellen Zuwendungen an die Islamic Society und an Salam den Vorwurf einer Unterstützung der HAMAS begründen (aaa)). Er hat sich zudem mit der HAMAS einschließlich der von ihr ausgehenden Gewalttaten identifiziert (bbb)).

59

aaa) Der Kläger hat die objektiven Tatbestandsmerkmale des Verbotsgrunds in vorsätzlicher Weise verwirklicht. Seine leitenden Mitglieder, deren Kenntnis dem Kläger zuzurechnen ist (vgl. dazu allgemein: Urteil vom 1. September 2010 a.a.O. Rn. 16, 30), waren sich darüber im Klaren, dass eine Förderung der von dem Kläger sog. Islamic Society Jabaliya gleichbedeutend mit einer Unterstützung der im gesamten Gazastreifen operierenden Islamic Society war, weil die in Jabaliya ansässige Organisationseinheit nur eine Zweigstelle des Gesamtvereins ist ((1)). Sie kannten auch die Zugehörigkeit der Islamic Society - und hieran anschließend des Vereins Salam - zur HAMAS und waren sich deshalb bewusst, dass eine Unterstützung dieser Vereine eine Unterstützung der HAMAS ist ((2)). Ein Handeln in gutem Glauben vermag der Kläger nicht durch den Verweis auf Tätigkeiten staatlicher Stellen und internationaler Organisationen im Gazastreifen darzutun ((3)).

60

(1) Der Kläger kann nicht mit seinem Einwand durchdringen, er habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Partner, mit dem er bis Februar 2010 kooperiert hat, um die Islamic Society handelte, da er stets davon ausgegangen sei, mit der Islamic Society Jabaliya zusammenzuarbeiten, von deren Eigenschaft als bloße Zweigstelle der Islamic Society er erst im Rahmen seiner aus Anlass der Verbotsverfügung angestellten Recherchen erfahren habe. Denn es gibt hinreichende Indizien für die Kenntnis der leitenden Mitglieder des Klägers von dem Umstand, dass die Islamic Society als solche auch in Jabaliya tätig wird. Einen Teil dieser Indizien hat der Kläger selbst im Gerichtsverfahren beigebracht.

61

Bereits der Internetseite der Islamic Society, auf die sich der Kläger in seinem Vorbringen bezieht, war zu entnehmen, dass die Organisation ihre erste Filiale im Jahr 1979 in Jabaliya eröffnet hatte (Anl. B 46; vgl. auch die Übersetzungen in Anl. B 95 und Anl. K 3). Im Briefkopf von an den Kläger gerichteten Projektvorschlägen bezeichnet sich der Kooperationspartner des Klägers als "The Islamic Society, Palestine, Gaza Strip - Jabalia Nazla City" (Projektvorschlag aus dem Jahr 2009, Anl. K 4) und in Projektvereinbarungen als "The Islamic Society in Jabalia Alnazla" (Projektvereinbarungen aus den Jahren 2008 und 2009, Anl. K 2). Bei Überweisungen bzw. auf Kontoauszügen des Klägers war als Empfängerin oft die "Islamic Society" oder jedenfalls die "Islamic Society in Jabalia al Nazla" angegeben. Nur in Einzelfällen wurde die Abkürzung "ISJ" für Islamic Society Jabaliya (Überweisungsträger bzw. Kontoauszüge, Dok. V 24) benutzt. Spendenquittungen weisen als Hilfsempfänger "The Islamic Society - Jabalia Branch" (Spendenquittungen aus dem Jahr 2007, Anl. B 49) oder "The Islamic Society, Jabalia City - Palestine" (Spendenquittungen aus dem Jahr 2009, Anl. K 108) aus. Die bereits genannten Unterschriftenlisten von Hilfeempfängern verwiesen auf "The Islamic Society, Palestine - Gaza Strip" (Anl. B 53 und Anl. K 9) oder jedenfalls "The Islamic Society, Palestine, Gaza Strip - Jabalia Nazla City" (Anl. B 52 und Anl. K 112). In Entsprechung zu alledem führte der Kläger auf seiner Webseite als seine Partnerorganisation "The Islamic Society, Palästina" auf (Dok. V 23).

62

(2) Ebenso wenig kann sich der Kläger mit Erfolg darauf berufen, den Status der Islamic Society als Sozialverein der HAMAS nicht gekannt zu haben, der bewirkte, dass die Förderung der Islamic Society gleichbedeutend mit einer Unterstützung der HAMAS war. Vielmehr ergibt sich das Wissen des Klägers von diesen Zusammenhängen bereits daraus, dass er, wie bereits dargelegt, die Installation des Vereins Salam als neue Empfangsstelle für seine Förderungen zusammen mit der Islamic Society und deren Vorstandsmitglied Yakoub Sulaiman betrieben hat, weil er seine Unterstützungen der sozialen Handlungsebene der HAMAS erhalten und diese deshalb verschleiern wollte.

63

Unabhängig hiervon erlaubt eine gefestigte Grundlage von Hinweistatsachen die Feststellung, dass die leitenden Mitglieder des Klägers das Urteil des Senats vom 3. Dezember 2004 in der Sache Al-Aqsa kannten, in dessen Entscheidungsgründen die Zugehörigkeit der Islamic Society zur HAMAS - auch unter Verwendung des arabischen Namens des Sozialvereins und unter Verweis darauf, dass dieser mehrere Zweige habe - festgestellt wird.

64

Die Beklagte hat Dateien sichergestellt, die auf den Computern von leitenden Mitgliedern des Klägers gespeichert waren und sich mit dem Verbot des Vereins Al-Aqsa nach dem Erkenntnisstand zu unterschiedlichen Zeitpunkten der letzten zehn Jahre befassen. So fand sich auf dem Computer des Vorsitzenden des Klägers ein Pressespiegel vom August 2002, dem sich entnehmen lässt, dass dem Verein vorgeworfen wurde, Spendengelder an soziale und humanitäre Einrichtungen in den palästinensischen Gebieten überwiesen zu haben, die in die Organisationsstruktur der HAMAS oder ihr Umfeld eingebunden gewesen seien (Ausdruck der Datei "Pressespiegel 06.08.2002", Anl. B 111). Ferner war auf dem Computer des Vereinsvorsitzenden ein aus einem Internetmagazin vom Mai 2004 (Anl. B 113) übernommener Text gespeichert, der sich ebenfalls auf das Verbot des Vereins Al-Aqsa, die dagegen vor dem Bundesverwaltungsgericht eingelegte Klage und den Ausgang des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes bezieht (Ausdruck der Datei "Muslimbruderschaft", Anl. B 112). Schließlich wurde bei Ali B., einem Mitglied des Kuratoriums des Klägers, ein in eine Mappe mit der Aufschrift "IHH" eingeordnetes Dokument sichergestellt, das eine Chronologie der Verbote enthält, die in Europa und Amerika bis zum Jahr 2009 gegen islamische Hilfsorganisationen verhängt wurden. In dem Text wird ausgeführt, in Deutschland sei der Verein Al-Aqsa verboten worden, weil materielle Hilfeleistungen über Hilfseinrichtungen der HAMAS verteilt worden seien (Chronologie, Anl. B 161).

65

Unerheblich ist, dass bei den leitenden Mitgliedern des Klägers keine vollständige Fassung des Urteils des Senats in der Sache Al-Aqsa einschließlich der Passagen entdeckt worden ist, in denen unter anderem die Islamic Society namentlich erwähnt wird. Denn die aufgefundenen Dokumente zeigen, dass diese Mitglieder sich über Jahre hinweg mit den rechtlichen Problemen des Vereinsverbots in der Sache Al-Aqsa beschäftigt haben. Hieran ändert es nichts, wenn die bei dem Kuratoriumsmitglied Ali B. aufgefundene Chronologie tatsächlich erst, wie der Kläger vorträgt, von seinem Mitarbeiter Murat S. im Februar 2010 aufgestellt worden sein sollte. Auch dann baute der Text auf dem bereits zuvor vorhandenen Interesse leitender Mitglieder des Klägers an der Sache Al-Aqsa auf. Das derart dokumentierte Interesse der Leitungsebene des Klägers wird begleitet von dem Wissen, dass das Verbot des Vereins Al-Aqsa ausschlaggebend auf die Unterstützung von "unverdächtig erscheinenden Hilfseinrichtungen" der HAMAS gestützt war. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger, der einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Spendenaufkommens in Palästina und im Gazastreifen einsetzte, es bei diesem Wissen hat bewenden lassen, nicht aber sich darum gekümmert haben soll, um welche Hilfseinrichtungen es konkret ging und ob sich darunter gerade diejenigen befanden, mit denen er selbst zusammenarbeitete, es sei denn er habe dies nicht bereits ohnehin gewusst.

66

Der Vortrag, mit dem der Kläger eine Kenntnis seiner leitenden Mitglieder von der Entscheidung des Senats in der Sache Al-Aqsa mitsamt dem hier wesentlichen Teil ihrer Begründung bestreitet, kann auch deshalb insgesamt nur als unbeachtliche Schutzbehauptung gewertet werden, weil er in sich widersprüchlich und gesteigert ist. So hat der Kläger zunächst behauptet, seine Verantwortlichen hätten das Urteil des Senats in der Sache Al-Aqsa nicht gekannt, sondern von den in dem Urteil enthaltenen Feststellungen erst durch die angefochtene Verbotsverfügung erfahren. Er hat sodann vorgetragen, durch das von der Beklagten vorgelegte Material werde deutlich, dass sein Vorsitzender die Berichterstattung zum Verfahren Al-Aqsa über das Eilverfahren hinaus nicht weiter verfolgt habe; über das endgültige Verbot des Vereins Al-Aqsa scheine er keine Kenntnis erlangt zu haben. Im weiteren Verfahrensverlauf hat der Kläger eingeräumt, dass sein Vorstand das Urteil des Senats in der Sache Al-Aqsa gekannt habe, dies jedoch nur auf Grund der Berichterstattung in der allgemeinen Presse, nicht aber durch ein Studium der juristischen Fachpresse, in der allein die Gründe der Entscheidung vollständig veröffentlicht worden seien. Schließlich hat der Kläger darauf beharrt, es seien im Verfahren keine konkreten Hinweise geliefert worden, die belegen könnten, dass sein Vorsitzender oder die Mitglieder seines Kuratoriums die Begründung des in Rede stehenden Urteils des Senats und damit auch die Verbindung zwischen der Islamic Society und der HAMAS gekannt hätten.

67

(3) Den Vorwurf eines Unterstützungsvorsatzes kann der Kläger nicht durch den Einwand entkräften, er habe von der Zusammenarbeit mit einem Sozialverein, dem Bezüge zur HAMAS nachgesagt werden könnten, schon deshalb nicht absehen müssen, weil auch deutsche und europäische Stellen sowie internationale Organisationen mit von der HAMAS beherrschten Institutionen im Gazastreifen zusammenarbeiteten. Denn die Verwaltungsstellen im Gazastreifen, mit denen staatliche und internationale Stellen allenfalls kooperieren, sind wohl mit HAMAS-Mitgliedern besetzt, jedoch nicht Teil der HAMAS. Demgegenüber unterstützt der Kläger als ein keiner öffentlichen Kontrolle unterliegender privater Verein unmittelbar die HAMAS als terroristische Organisation.

68

bbb) Der Kläger hat sich auch mit der HAMAS und den von dieser Organisation verübten Gewalttaten identifiziert. Dies wird durch tragfähige Indizien belegt ((1) bis (3)).

69

(1) Anders als in der Sache Al-Aqsa mussten im Fall des Klägers die Zugehörigkeit der Islamic Society zur HAMAS nicht von ihren Anfängen her überprüft und die Maßstäbe, die bei einer Zuwendung von Hilfsgeldern zu humanitären Zwecken an diesen Sozialverein die Annahme einer Unterstützung der HAMAS rechtfertigen, nicht von Grund auf entwickelt werden. Vielmehr waren in der Entscheidung des Senats in der Sache Al-Aqsa gerade für die Islamic Society die Erkenntnis der tatsächlichen Situation vorstrukturiert und die Reichweite des Verbotsgrunds aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG geklärt worden. Dem Kläger war diese Entscheidung bekannt. Er hat sich über deren Maßstäbe sehenden Auges hinweggesetzt, die Islamic Society über lange Zeit mit beträchtlichen finanziellen Mitteln gefördert und sich dadurch über das für alle geltende Recht erhoben. Vor diesem Hintergrund kommt der Einwand des Klägers, er habe bei seiner Zusammenarbeit mit der Islamic Society nur aus humanitären Beweggründen gehandelt, ohne sich mit der HAMAS in ihrer Gesamtheit, also einschließlich der von dieser Organisation ausgehenden Gewalt zu identifizieren, einer unbeachtlichen Mentalreservation gleich.

70

(2) Hinzu kommt, dass der Kläger versucht hat, seine Unterstützung des sozialen Bereichs der HAMAS durch die Installation des Vereins Salam als neuer Empfangsstelle für seine Förderungen zu verschleiern, nachdem die Verbindung zwischen der Islamic Society und der HAMAS dadurch ein weithin wahrnehmbares Gesicht bekommen hatte, dass die HAMAS Issam Jouda, den langjährigen Vorsitzenden der Zweigstelle Jabaliya der Islamic Society, zum Bürgermeister von Jabaliya berufen hatte. Das Bestreben des Klägers, das von ihm befürchtete Einschreiten der Beklagten gegen seine Unterstützungstätigkeit zu verhindern oder jedenfalls zu verzögern, kann nicht anders als eine Identifikation mit sämtlichen Handlungsebenen der HAMAS verstanden werden.

71

(3) Schließlich wird die Identifikation des Klägers mit der HAMAS und dem von ihr ausgeübten Terror durch die Entwicklung verdeutlicht, die in der Zeit ab dem Jahr 2006 bis zum Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung vom 23. Juni 2010 die Unterstützung des Klägers für die Islamic Society und den Verein Salam im Gazastreifen im Vergleich zu der Förderung genommen hat, die der Kläger der Islamic Charitable Society Hebron im Westjordanland zuteilwerden ließ. Während die Zuwendungen des Klägers an die Sozialvereine im Gazastreifen stetig zunahmen, seit dort die HAMAS ihre Alleinherrschaft begründet hatte, verringerte sich seine Unterstützung für die Islamic Charitable Society Hebron im Westjordanland, nachdem der Einfluss der HAMAS auf diese Organisation gebrochen worden war.

72

Nach den von der Beklagten vorgelegten Zahlen (Anl. B 190) schüttete der Kläger im Jahr 2006 von dem ihm zur Verfügung stehenden Gesamtspendenbetrag von 948 568 € die Summe von 20 000 € (2,11 %) an die Islamic Society und diejenige von 64 308 € (6,78 %) an die Islamic Charitable Society Hebron aus. Im Jahr 2007 - dem Jahr der Machtergreifung der HAMAS im Gazastreifen - flossen von einem Gesamtspendenvolumen des Klägers von 758 979 € bereits Mittel in Höhe von 42 620 € (5,61 %) an die Islamic Society; die Islamic Charitable Society Hebron erhielt noch 53 695 € (7,07 %). Im Jahr 2008 - dem Jahr, als der Einfluss der HAMAS über die Islamic Charitable Society Hebron gebrochen wurde - bekam diese von dem Gesamtspendenaufkommen des Klägers von 4 525 738 € nichts, wogegen die Islamic Society 237 632 € (5,20 %) erhielt. Der vollständige Umschwung zu Gunsten der Islamic Society und damit der HAMAS fand im Jahr 2009 statt. In diesem Jahr belief sich das Gesamtspendenvolumen auf 6 519 372 €, wovon die Islamic Society 1 383 698 € (21,20 %) und die Islamic Charitable Society Hebron nur 151 094 € (2,30 %) erhielten. Im Jahr 2010 entfiel bis zur Vollstreckung der Verbotsverfügung im Juli von einer Gesamtspendensumme von 1 450 218 € ein Anteil von 723 422 € (49,88 %) auf die Islamic Society bzw. Salam. In diesen Beträgen sind überdies Leistungen von knapp 1 000 000 €, zu denen sich der Kläger in Projektvereinbarungen mit dem Verein Salam verpflichtet hatte, nicht enthalten. Die Islamic Charitable Society Hebron erhielt demgegenüber lediglich noch 48 039 € (3,31 %).

73

Der Kläger bestreitet das von der Beklagten vorgelegte Zahlenmaterial nicht hinsichtlich des absoluten Betrags der Förderungen, die er an die Sozialvereine in den palästinensischen Gebieten geleistet hat. Er geht lediglich von einem höheren Bezugsrahmen aus, den er vor allem dadurch gewinnt, dass er nicht ein Gesamtspendenvolumen, sondern Gesamtausgaben zu Grunde legt. Er gelangt dementsprechend zu geringeren relativen Förderungsanteilen für die genannten Vereine. Die Gegenläufigkeit in der Entwicklung der Zuwendungen des Klägers für die Islamic Society bzw. Salam einerseits und die Islamic Charitable Society Hebron andererseits bleibt hiervon unberührt.

74

Die aus den dargelegten Zahlen ablesbare Tendenz kann der Kläger nicht durch den Einwand entkräften, dass sich die bei ihm mit einer Zweckbindung für den Gazastreifen eingehenden Spenden im Zusammenhang mit der Operation "Gegossenes Blei", die die israelische Armee von Ende 2008 bis Anfang 2009 durchgeführt hat, signifikant erhöht hätten. Denn hierdurch wird die eigene Verantwortung des Klägers für den Spendeneinsatz nicht aufgehoben, zumal er im Jahr 2009 nachweislich um Spenden gerade für den Gazastreifen geworben hat (Werbeanzeige, Anl. B 185 und B 187). Außerdem begann die besagte Entwicklung bereits vor der genannten Zeit und setzte sich auch danach im Jahr 2010 fort.

75

hh) Für Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit auf der Rechtsfolgenseite des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG hatte die Beklagte keinen Raum. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 87) besteht die Funktion, die eine auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG ergehende Verbotsverfügung zu erfüllen hat, nicht darin, der Verbotsbehörde auf der Rechtsfolgenseite der Norm die Ausübung von Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Sie dient vielmehr jedenfalls in der Regel allein dazu, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass eine Vereinigung einen oder mehrere Verbotsgründe erfüllt, und durch die entsprechende Feststellung die gesetzlich vorgesehene Sperre für ein Vorgehen gegen den Verein aufzuheben. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb bereits auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen eines Verbotsgrunds vorliegen. Bei dem hier in Rede stehenden Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG bilden wie dargelegt die subjektiven Voraussetzungen des Verbotsgrunds den Ansatzpunkt für diese Prüfung.

76

Der Vorbehalt, den der Senat hinsichtlich einer Heranziehung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei den Rechtsfolgen eines verwirklichten Verbotstatbestands für Ausnahmefälle gemacht hat (Urteil vom 5. August 2009 a.a.O.) kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Insbesondere kann ein solcher Ausnahmefall nicht unter Verweis darauf angenommen werden, dass der Kläger - nach eigener Einschätzung allein zu humanitären Zwecken - Aktivitäten auch außerhalb der palästinensischen Gebiete in anderen Teilen der Welt entfaltet. Denn es spricht nichts dafür, dass einem Verein, der einen Verbotsgrund erfüllt, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Fortexistenz nur deshalb zu gewährleisten wäre, weil er neben seiner den Verbotsgrund verwirklichenden Tätigkeit noch andere, nicht verbotene Aktivitäten entfaltet. Dies käme im Ergebnis einer Einladung gleich, ein Vereinsverbot durch eine Diversifizierung der Vereinstätigkeiten zu umgehen.

77

2. Die in der Verfügung vom 23. Juni 2010 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

(2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
politische Parteien im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes,
2.
Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

(2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
politische Parteien im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes,
2.
Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein. Er ist Teil der "Hells Angels"-Bewegung. Durch Verfügung vom 18. Januar 2012 stellte das Innenministerium des beklagten Landes Schleswig-Holstein fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Kläger sei verboten und werde aufgelöst. Ferner wurde dem Kläger jede Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen untersagt. Die Verbreitung und Verwendung seiner Kennzeichen wurde verboten. Das Vermögen des Klägers sowie näher bezeichnete Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Verbotsverfügung vom 18. Januar 2012 aufgehoben, soweit in dieser festgestellt werde, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.

II

3

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

5

Der Kläger möchte die folgende Frage geklärt wissen:

"Kommt der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) folgenden Beweislast der Verbotsbehörden bezüglich der konkreten Geeignetheit eines Vereinsverbotes bzw. des Nichtvorliegens milderer, gleich effektiver Maßnahmen eine für die tatbestandliche Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit oder die Eröffnung eines behördlichen Rechtsfolgeermessens eigenständige Bedeutung unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Rezeption der EMRK im bundesdeutschen Verfassungsrecht zu?"

6

Der Kläger macht hierzu geltend, es sei bislang nicht ausreichend erörtert, inwieweit sich die auf Grundlage von Art. 11 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Voraussetzungen für ein Vereinsverbot mit den in der nationalen Rechtsprechung etablierten Grundsätzen zur Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG vertrügen. Während nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Verhältnismäßigkeitserwägungen allein auf der Tatbestandsseite der Verbotsvorschriften stattfänden, führe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verhältnismäßigkeitskontrolle auch auf der Rechtsfolgenseite durch. Dem komme Relevanz vor allem im Rahmen des von dem Gerichtshof (der Kläger erwähnt vor allem: EGMR, Urteil vom 11. Oktober 2001 - Nr. 48848/07, Rhino u.a./Schweiz - HUDOC Rn. 62 ff. und am Rande: EGMR, Urteil vom 29. April 1999 - Nr. 25088/94 u.a., Chassagnou u.a./ Frankreich - HUDOC Rn. 109 ff.) betonten Erfordernisses der Notwendigkeit des Eingriffs in einer demokratischen Gesellschaft gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK in Bezug auf die Geeignetheit des Verbots und das von der Verbotsbehörde zu beweisende Fehlen milderer Mittel zu. An einer Auseinandersetzung mit diesen Erfordernissen fehle es im vorliegenden Fall.

7

Die beschriebene Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist nicht klärungsbedürftig, weil sich die Antwort ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt und nicht erst in einem Revisionsverfahren gefunden werden muss.

8

Gemäß Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten. Mit dieser abschließenden Festlegung von Verbotsgründen beschränkt Art. 9 Abs. 2 GG das kollektive Recht auf Fortbestand der Vereinigung und setzt dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit von Verfassungs wegen eine eigenständige Grenze. Die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 9 GG ist mithin dahin auszulegen, dass Absatz 1 die Vereinigungsfreiheit lediglich mit der sich aus Absatz 2 ergebenden Einschränkung gewährleistet (BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87 - BVerfGE 80, 244 <253>). Hieraus folgt, dass im einzelnen Fall den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur bei der Prüfung Rechnung getragen werden kann, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Verbotsgrunds erfüllt sind, denn nach der Feststellung eines solchen Grunds ist nach der Regelungsstruktur des Art. 9 Abs. 2 GG für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung kein Raum mehr. Die Feststellung eines Verbotsgrunds und die an diese anknüpfende Auflösung des betreffenden Vereins setzen deshalb die Berücksichtigung sämtlicher Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus (stRspr; zuletzt Urteil vom 14. Mai 2014 - BVerwG 6 A 3.13 - juris Rn. 22, 70). Bei dem hier in Rede stehenden Verbotsgrund des Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG bildet das Erfordernis, dass ein unter dem Gesichtspunkt der Strafgesetzwidrigkeit relevantes und dem Verein zuzurechnendes Verhalten einzelner Personen dessen Charakter prägen muss, den Ansatzpunkt für die Berücksichtigung der aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableitbaren Gebote (Urteile vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 16, 42 und vom 19. Dezember 2012 - BVerwG 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 50 f.; Beschluss vom 19. November 2013 - BVerwG 6 B 25.13 - juris Rn. 23).

9

In Fallgestaltungen, in denen ein Vereinsverbot im Sinne der von dem Kläger bezeichneten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 11. Oktober 2011 a.a.O.) nicht geeignet oder nicht erforderlich ist, verbietet sich die Annahme einer strafgesetzwidrigen Prägung eines Vereins. Demgegenüber ist eine derartige Prägung gegeben, wenn von dem Verein als solchem eine Gefahr für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter ausgeht, der nur durch die Beendigung der Existenz des Vereins entgegengewirkt werden kann.

10

Der Sachverhalt, der dem genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Grunde lag und von dem Gerichtshof in die erstgenannte Fallgruppe eingeordnet worden ist, betraf die Einbindung eines Vereins in die rechtswidrige Besetzung von leerstehenden Häusern. Dieser Sachverhalt ist mit dem Fall des Klägers nicht vergleichbar. Dies ergibt sich zum einen aus den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts über die einzelnen strafbaren Handlungen von Mitgliedern des Klägers bzw. eines seiner Supporterclubs, gegen die der Kläger in der Begründung seiner Beschwerde keine Verfahrensrügen erhebt; es folgt zum anderen aus den rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz zur Zurechnung dieser Straftaten gegenüber dem Kläger, die dieser als solche nicht angreift (vgl. zu den tatsächlichen und rechtlichen Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts: UA S. 47 ff.). In Anbetracht der Schwere der in Rede stehenden Straftaten hat das Oberverwaltungsgericht den Fall des Klägers nach den Maßstäben der zweiten der oben genannten Fallgruppen entschieden. Grundsätzlicher rechtlicher Klärungen bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

11

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.