Bundesfinanzhof Beschluss, 08. März 2017 - VII R 13/15

ECLI:ECLI:DE:BFH:2017:B.080317.VIIR13.15.0
bei uns veröffentlicht am08.03.2017

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 29. April 2015  1 K 1080/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) fest, dass gegen die Erstattungsansprüche des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus der geänderten Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2007 und 2008 gemäß Bescheiden vom 11. Mai 2011 in Höhe von 5.700,73 € bzw. 12.671,17 € mit Einkommensteuerrückständen aus den Jahren 1993 und 2000 zu Recht aufgerechnet worden sei. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2013 zurück, woraufhin der Kläger Klage erhob. Mit Bescheid vom 5. Juni 2014 änderte das FA den Abrechnungsbescheid dahin, dass hinsichtlich der Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 2007 in Höhe eines Teilbetrags von 168 € und der Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 2008 in Höhe eines Teilbetrags von 339 € die Aufrechnung wegen des Aufrechnungsverbots gemäß § 96 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht zulässig gewesen sei. Das FA bezog sich dabei auf ein englisches Insolvenzverfahren (bankruptcy), das am 5. Oktober 2010 beim High Court of Justice in London eingereicht und am 5. Oktober 2011 unter Erteilung der discharge beendet worden war.

2

Weiterhin teilte das FA dem Kläger mit Schreiben vom 12. März 2012 mit, das Steuerkonto weise derzeit keinen Rückstand auf.

3

Das Finanzgericht (FG) ging bei seiner Entscheidung zwar davon aus, dass der Kläger tatsächlich mit Eröffnung am 5. Oktober 2010 ein Insolvenzverfahren in England durchgeführt und das FA als Insolvenzgläubiger benannt habe. Es urteilte allerdings, das englische Insolvenzverfahren und die nach einem Jahr eingetretene discharge hätten nicht dazu geführt, dass die vom FA erklärte Aufrechnung gegen Erstattungsansprüche im Zuge der Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2007 und 2008 mit Rückständen aus den Jahren 1993 und 2000 unwirksam sei. Das Schreiben vom 12. März 2012 sei kein Abrechnungsbescheid mit dem Inhalt, die strittigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis seien erloschen. Weiterhin seien der Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 und die durch das FA erklärte Aufrechnung rechtmäßig. Die Erstattungsforderungen 2007 und 2008 seien bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und erfüllbar gewesen. Insofern komme es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf an, ob im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der Rechtsgrund für den Anspruch im insolvenzrechtlichen Sinne gelegt gewesen sei, und nicht auf den feststellenden Bescheid. Es sei davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung auch unter Berücksichtigung des englischen Verfahrensrechts eine Aufrechnungslage bestanden habe. Dem Einwand des Klägers, die Forderung des FA habe durch die am 5. Oktober 2011 eingetretene discharge nicht mehr bestanden, sei nicht zu folgen.

4

Seine Revision begründet der Kläger dahin, bei dem Schreiben vom 12. März 2012 handele es sich um einen Verwaltungsakt. Wenn ein Steuerpflichtiger ein solches Schreiben erhalte, müsse er von der Anerkennung der Restschuldbefreiung ausgehen können. Da nach diesem Schreiben für lange Zeit nichts in der Akte vorhanden sei, was die plötzliche Meinungsänderung des FA hin zu einer Ablehnung der discharge belege, müsse die Akte unvollständig sein. Abgesehen davon habe er seine Steuerschulden im Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens angegeben. Mit dem Eröffnungsbeschluss des High Court of Justice sei ausschließlich englisches Insolvenzrecht angewendet worden. Die "lex fori concursus" entscheide sowohl über die materielle Wirksamkeit als auch über die insolvenzrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung. Die Einkommensteuererstattungen seien abgesehen davon unter Anwendung des englischen Rechts erst mit den Feststellungsbescheiden für die Einkommensteuer 2007 und 2008 vom 11. Mai 2011 entstanden. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seien die Erstattungsansprüche daher weder fällig noch entstanden oder dem Grund und der Höhe nach bestimmbar gewesen. Die Aufrechnungslage sei frühestens am 11. Mai 2011 entstanden. Mit der Restschuldbefreiung am 5. Oktober 2011 seien die Forderungen des FA endgültig untergegangen.

5

Das FA entgegnet, der Auffassung des Klägers, sämtliche Voraussetzungen für eine Aufrechnung seien ausschließlich nach dem Insolvenzrecht des Verfahrensstaates zu beurteilen, könne nicht gefolgt werden. Denn nach ausländischem Recht bestimme sich nur, ob eine Berücksichtigung im ausländischen Insolvenzverfahren in Betracht komme, nicht jedoch, ob der Erstattungsanspruch entstanden und fällig sei. Dem stehe auch die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 160/1) nicht entgegen, weil die Voraussetzungen der Aufrechnung und die Auswirkungen auf das Entstehen und die Fälligkeit der Forderungen bzw. Vermögenswerte in deren Art. 4 Abs. 2 nicht genannt seien. Der Gesetzgeber habe für Aufrechnungen eine von der "lex fori concursus" abweichende Sonderanknüpfung vorgesehen. Um dieses Ziel zu erreichen, bestimme Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 1346/2000, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Befugnisse eines Gläubigers, mit seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen, nicht berühre. Im Übrigen schließt es sich den Ausführungen des FG an.

Entscheidungsgründe

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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

7

Das FA hat zu Recht mit Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 festgestellt, gegen die Erstattungsansprüche des Klägers aus der geänderten Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2007 und 2008 in Höhe von 5.700,73 € bzw. 12.671,17 € sei mit Einkommensteuerrückständen aus den Jahren 1993 und 2000 aufgerechnet worden. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die Forderungen des FA vor der Erklärung der Aufrechnung am 24. November 2011 bereits aufgrund des englischen Insolvenzverfahrens erloschen waren.

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1. Nach den Feststellungen der Vorinstanz standen den Erstattungsansprüchen des Klägers aus den geänderten Bescheiden vom 11. Mai 2011 über Einkommensteuer für die Jahre 2007 und 2008 in Höhe von 5.700,73 € bzw. 12.671,17 € Einkommensteuerrückstände aus den Jahren 1993 und 2000 gegenüber.

9

Die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO-- i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) lagen somit im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA am 24. November 2011 vor. Die Forderungen des FA gegen den Kläger aus Einkommensteuer 1993 und 2000 (Gegenforderungen) waren am 17. Oktober 2001 bzw. am 17. Juni 2006 fällig. Die Erstattungsansprüche des Klägers gegen das FA (Hauptforderung) aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 waren auch vor Festsetzung der Steuererstattungen erfüllbar, denn gemäß § 271 Abs. 2 BGB ist der Schuldner berechtigt, die ihm obliegende Leistung schon vor Fälligkeit zu erfüllen. Auf die Festsetzung des Anspruchs durch einen Steuerbescheid kommt es für die Erfüllbarkeit nicht an (Senatsurteil vom 6. Februar 1990 VII R 86/88, BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523; BFH-Urteil vom 10. November 1953 I 108/52 S, BFHE 58, 294, BStBl III 1954, 26). Die Erfüllbarkeit war damit mit Ablauf der Veranlagungszeiträume 2007 bzw. 2008 gegeben.

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2. Der Aufrechnung standen weder insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegen noch sind die Ansprüche des FA aufgrund des englischen Insolvenzverfahrens zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung erloschen gewesen.

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In Deutschland ist unstreitig kein Insolvenzverfahren durchgeführt worden, weshalb die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote von § 95 Abs. 1 Satz 3 und § 96 InsO nicht zum Tragen kommen. Das englische Insolvenzverfahren war im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung bereits beendet.

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Soweit der Kläger geltend macht, sämtliche Steuerschulden, insbesondere auch die aus den Jahren 1993 und 2000, seien aufgrund des in Großbritannien durchgeführten bankruptcy-Verfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung weggefallen, ist sein Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren zu wenig substantiiert und überdies in sich widersprüchlich gewesen.

13

Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO bezieht, haben die Beteiligten diesen Sachverhalt gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen.

14

Im Streitfall hat der Kläger nicht dargelegt, dass er die streitigen Steuerschulden im Rahmen des englischen Insolvenzverfahrens ordnungsgemäß angegeben hat und dass diese überhaupt Gegenstand des dortigen Verfahrens gewesen sind. Dementsprechend ist nicht nachgewiesen worden, dass die Steuerforderungen des FA aus den Jahren 1993 und 2000 überhaupt von den Rechtswirkungen der dem Kläger erteilten Restschuldbefreiung erfasst worden sind.

15

Wie sich aus der Vorentscheidung ergibt, hat der Kläger dem FG lediglich zwei Seiten eines Formblatts vorgelegt, das das Finanzamt X mit einem geschuldeten Betrag von ca. 110.000 £ aus dem Jahr 2006 und das Finanzamt Y mit einem geschuldeten Betrag von ca. 25.000 £ aus dem Jahr 2001 auswies. Ein Zusammenhang zu den Steuerforderungen des FA aus den Jahren 1993 und 2000 ist daraus nicht erkennbar. Gleiches gilt für eine im Auftrag des Official Receiver gefertigte E-Mail vom 17. April 2014, in deren Anhang die genannte Forderung des Finanzamts X genannt wird. Auch aus dem vom FG angesprochenen "certificate of discharge" vom 19. September 2011 geht nicht hervor, welche Forderungen von der discharge erfasst sein sollen.

16

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Abgabenordnung - AO 1977 | § 90 Mitwirkungspflichten der Beteiligten


(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen un

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(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. (2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläu

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(1) Die Aufrechnung ist unzulässig, 1. wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,2. wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens vo

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126a


Der Bundesfinanzhof kann über die Revision in der Besetzung von fünf Richtern durch Beschluss entscheiden, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu höre

Abgabenordnung - AO 1977 | § 226 Aufrechnung


(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Mit Ansprüchen aus dem Steuer

Insolvenzordnung - InsO | § 95 Eintritt der Aufrechnungslage im Verfahren


(1) Sind zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet, so kann die Aufrechnung ers

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Finanzgericht München Urteil, 29. Apr. 2015 - 1 K 1080/13

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt zu Recht Guthaben aus den

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt zu Recht Guthaben aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 mit Einkommensteuerrückständen des Klägers aus den Jahren 1993 und 2000 verrechnet hat.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 erfolgte im Rahmen der Änderungsvorschrift des § 164 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - die Festsetzung der Einkommensteuer 2007 in Höhe von 44.571 €. In Anbetracht der durch Steuerabzug vom Lohn geleisteten Zahlungen ergaben sich Überzahlungen von 4.835 € auf die Einkommensteuer, 600 € auf Zinsen und 265,73 € auf den Solidaritätszuschlag. Im Bescheid wurde angekündigt, dass über die Verwendung der Guthaben eine besondere Mitteilung erfolgen werde.

Ebenfalls mit Bescheid vom 11. Mai 2011 wurde die Einkommensteuer 2008 festgesetzt. Auch hier ergaben sich Überzahlungen in Höhe von 11.314 € auf die Einkommensteuer, 735 € auf Zinsen und 622,17 € auf den Solidaritätszuschlag. Auch hier wurde darauf hingewiesen, dass über die Verwendung des Guthabens eine besondere Mitteilung ergehen werde.

Das Finanzamt trägt vor, es habe im Wege einer Umbuchungsmitteilung vom 18. Mai 2011 Aufrechnung gegen die Erstattungsansprüche des Klägers erklärt. In den Akten ist eine derartige Umbuchungsmitteilung nicht enthalten. Der Kläger wendet ein, er habe eine derartige Umbuchungsmitteilung nicht bekommen.

Auf Anfrage des Prozessvertreters mit Schreiben vom 2. November 2011 teilte die Finanzkasse mit Schreiben 24. November 2011 mit, dass die Guthaben mit Einkommensteuerrückständen und Steuerrückständen aus den Jahren 1993 und 2000 verrechnet worden seien  und dem Kläger die entsprechenden Umbuchungsmitteilungen zugegangen sein sollten.

Hiergegen legte der Kläger am 12. Dezember 2011 Einspruch ein. Er wandte ein, sämtliche Steuerschulden, insbesondere auch solche aus den Jahren 1993 und 2000 seien aufgrund eines in Großbritannien durchgeführten Privatinsolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung weggefallen.

Als Belege für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens in A/England legte der Kläger im Verlauf des Abrechnungs-, Rechtsbehelfs und Klageverfahrens folgende Unterlagen vor:

  • ·Kopie einer „Bankruptcy order on a debtors petition“ (Verfügung auf einen Insolvenzantrag des Schuldners) mit der „No. 6100 of 2010“ vom 5. Oktober 2010 vorgelegt,  mit welcher festgestellt wurde, dass der Kläger insolvent sei.

  • ·Des Weiteren wurde die Kopie eines „Certificate of discharge“ datiert auf den 19. September 2014 vorgelegt, mit welcher bescheinigt wurde, dass der Kläger auf seine Insolvenz zum 5. Oktober 2011 „discharged“ sei. Das Dokument ist mit einem Stempel des High Court of Justice, Bankruptcy Court mit dem Datum 19. November 2011 versehen. Ebenfalls vorgelegt wurde eine Beglaubigung (Apostille) vom 17. November 2011. Worauf sich die Apostille bezieht ist der Kopie nicht zu entnehmen.

Das Finanzamt hat über die Durchführung eines Insolvenzverfahrens des Klägers in England keine Mitteilung erhalten.

Unter dem Datum 7. Februar 2012 erteilte das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid, mit welchem es an der Verrechnung der Guthaben aus der Einkommensteuerveranlagung 2007 von 4.835 € auf die Einkommensteuer, 600 € auf Zinsen und 265,73 € auf den Solidaritätszuschlag und 2008 in Höhe von 11.314 € auf die Einkommensteuer, 735 € auf Zinsen und 622,17 € auf den Solidaritätszuschlag mit Rückständen aus den Jahren 1993 und 2000 festhielt.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 20. Februar 2012.

Da keine Begründung des Einspruchs erfolgte, wurde der Kläger mit Schreiben des Finanzamts vom 7. März 2012 aufgefordert, seinen Einspruch zu begründen oder diesen zurückzunehmen.

Mit Schreiben vom 12. März 2012 teilte das Finanzamt dem Prozessvertreter, bezugnehmend auf ein Schreiben vom 24. Februar 2012 mit, dass das Steuerkonto derzeit keinen Rückstand aufweise. Mit besagtem Schreiben vom 24. Februar 2012 hatte der Klägervertreter angefragt, inwieweit die bisherigen Steuerschulden von der „discharge“ erfasst seien.

Mit Schreiben vom 2. April 2012 wurde die Abgabe des Einspruchsverfahrens an die Rechtsbehelfsstelle mitgeteilt.

Zur Begründung des Einspruchs trug der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2012 vor, nach deutschem Recht fehle es an einer Aufrechnungserklärung und nach englischem Recht an einer konkretisierten und fälligen Gegenforderung.

Dies ergebe sich zum einen daraus, dass keine konkrete Mitteilung über die Aufrechnung erfolgt sei. Die Aufrechnungserklärung sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie habe den Kläger als Empfänger aber nicht erreicht.

Zum anderen seien die Erstattungsansprüche aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 5. Oktober 2010 betragsmäßig noch nicht konkretisiert gewesen. Mangels Bestimmtheit der Gegenforderung könne nicht von einer Aufrechnungslage ausgegangen werden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass wegen des in England durchgeführten Insolvenzverfahrens englisches Recht maßgeblich sei. Dieses stelle in Rule 4.90 der Insolvency Rules 1986 darauf ab, dass nur betragsmäßig genau bezifferte und auch fällige Forderungen Gegenstand einer Aufrechnung sein könnten. Die Erstattungsansprüche des Klägers seien aber der Höhe nach nicht konkretisiert und insoweit nicht fällig gewesen. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d EUInsVO schreibe vor, dass für die Wirkungen der Aufrechnung das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung gelte. Dies sei im Streitfall englisches Recht. Section 323 (1) Insolvency Act 1986 sehe vor, dass die Aufrechenbarkeit vor Beginn des Insolvenzverfahrens gegeben sein müsse, was im Streitfall nicht gegeben sei.

Der Kläger legt des Weiteren die Kopie eines Formularblattes „Statement of Affairs“ vor, in welchem der Name des Klägers eingetragen ist und das Datum 8. September 2010. Es folgen zwei Seiten eines Formblatts einer Tabelle, dessen Eintragungen, abgesehen von 2 Zeilen geschwärzt sind. Dort ist einmal genannt „Finanzamt…“ mit einem geschuldeten Betrag in englischen Pfund von „ca. 110.000 £“ als Zeitpunkt der Entstehung („date incurred“) ist genannt 2006 und zum anderen „Finanzamt…“ mit einem geschuldeten Betrag in englischen Pfund von „ca. 25.000 £“; als Zeitpunkt der Entstehung („date incurred“) ist genannt 2001; als Schuldgrund bezeichnet ist in beiden Fällen Steuerschulden („tax liabilities“).

Im Rahmen einer Sachaufsichtsbeschwerde beim Landesamt für Finanzen hatte der Kläger weiter vorgelegt:

  • ·Rechnung X

  • ·Mietvertrag vom 17. Mai 2010

  • ·Checkout Report vom 1. Dezember 2010

Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 hatte sich das Finanzamt unter Bezugnahme auf das Bankruptcy Verfahren 6100 aus 2010 an B, den Official Receiver (OR), gewandt. Dort wurden Bedenken geäußert, ob eine Wohnsitzverlegung nur zum Schein erfolgte, sowie um Nachricht gebeten, ob die Rückstände des Finanzamts sowie zu gewärtigende Erstattungsansprüche im Insolvenzverfahren mitgeteilt worden seien. Eine  Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 (S. 64 FaA) forderte das Finanzamt die vollständige Vorlage eines „statement of affairs“ nach § 272 Abs. 2 Insolvency Act 1986 sowie eine Bestätigung des „official receivers“ an, aus der hervorgehe, auf welche Forderung sich die Schuldbefreiung beziehe.

Der Kläger wandte sich daraufhin an die vorgesetzte Behörde mit einer Sachaufsichtsbeschwerde.

Im Weiteren legte der Kläger, neben den bereits genannten, noch folgende weitere Dokumente vor:

  • ·Abrechnungen der British Gas

  • ·Abrechnungen der Southern Electric

  • ·div. Weitere Abrechnungen

  • ·Zuweisung einer „National Insurance Number“

  • ·Schreiben vom 5. Mai 2010 über die Eröffnung einer Bankverbindung

  • ·Kontoauszüge der X- Bank

  • ·Employer Annual Return für ein Jahr

Auch in verschiedenen gerichtlichen Eilverfahren wurden, neben den bereits genannten Dokumenten, noch folgende weitere vorgelegt:

  • ·Anschreiben des Assistent Official Receiver

  • ·Unterlagen zum Mietverhältnis

  • ·Arbeitsvertrag mit Y

  • ·Kopie einer Ablichtung des Reisepasses des Klägers

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2013 wurde der Einspruch zurückgewiesen.

Nach deren Ergehen bemühte sich das Finanzamt weiterhin um Klärung, ob die Steuerforderungen Gegenstand eines englischen Insolvenzverfahrens, wie vom Kläger angegeben, gewesen seien. Zu diesem Zweck richtete es am 7. Januar 2014 ein Auskunftsersuchen nach der Beitreibungsrichtlinie 2010/24 EU über das Bundeszentralamt für Steuern an das „mard team“ des „centenary court“ und erhielt am 1. März 2014 sinngemäß die Antwort, die deutschen Steuerbehörden seien nicht als Gläubiger der Konkursmasse aufgelistet worden, das Ersuchen müsse aber nach sec. 40 (2) Freedom of Information Act zurückgewiesen werden.

Der Kläger bemühte sich im Anschluss mit E-Mail vom 26. März 2014 um eine Bestätigung des Official Receiver, dass er die deutschen Steuerbehörden korrekt als ungesicherten Gläubiger genannt habe. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2014 legte der Kläger eine E-Mail vom 17. April 2014, gefertigt im Auftrag des OR vor, die eine „List of Creditors“ mitführte, welche das Finanzamt mit einer berücksichtigten Forderungen von 110.000 £ nennt.

Der Kläger meint zur Begründung seiner Klage, mit dem Schreiben vom 12. März 2012 habe das Finanzamt einen Verwaltungsakt erlassen, welcher als Abrechnungsbescheid zu qualifizieren sei. Dieser sei, weil keine Rechtsmittel eingelegt worden seien, bestandskräftig geworden. In dem Schreiben des Finanzamts seien die Feststellungen enthalten „Mit Urteil vom 19.9.2011 wurde ihrem Mandanten Restschuldbefreiung erteilt“ und „das Steuerkonto weist derzeit keine Rückstände auf“. Damit sei auf das Schreiben des Klägervertreters vom 24. Februar 2012, welches sich als impliziter Antrag auf Abrechnung nach § 218 Abs. 2 AO qualifiziere, konkret geantwortet worden. Die Bezeichnung „Abrechnungsbescheid“ in diesem Zusammenhang sei nicht von Nöten. Die Auslegung ergebe, dass es sich um einen Abrechnungsbescheid handeln müsse, etwas anderes sei nicht vorstellbar.

Abweichend vom Schreiben vom 12. März 2012 habe das Finanzamt am 5. November 2012  mit einer Kassenmitteilung Steuern und steuerliche Nebenleistungen im Gesamtbetrag von 202.443,32 € aufgelistet und am 25. September 2012 einen weiteren  Abrechnungsbescheid erteilt, gegen den Rechtsmittel eingelegt worden sei.

Was den streitgegenständlichen Bescheid anbelange, sei die erklärte Aufrechnung wegen § 301 Abs. 1 InsO (Wirkung der Restschuldbefreiung) unzulässig gewesen. Infolge des am 5. Oktober 2010 eröffneten englischen Insolvenzverfahrens seien die Vorschriften der InsO über § 338 InsO ergänzend heranzuziehen. Durch das „Certificate of Discharge“ vom 19. September 2011 sei Restschuldbefreiung mit Wirkung zum 5. Oktober 2011 ausgesprochen worden. Ab diesem Zeitpunkt seien die Steuerverbindlichkeiten nicht mehr vorhanden gewesen, so dass auch nicht gegen sie habe aufgerechnet werden können. Der Schuldner werde nach sec. 210 (1) und sec 282 (1) Insolvency Act 1986 nach englischem Recht grundsätzlich von allen Forderungen befreit, denen er zum Zeitpunkt des Insolvenzeröffnungsbeschlusses ausgesetzt gewesen sei. Dies gelte für alle Schulden, die bis zu diesem Zeitpunkt rechtlich entstanden gewesen seien. Die Verrechnung der Steuerguthaben sei erst mit Schreiben vom 24. November 2011 und damit nach der Restschuldbefreiung erfolgt.

Nach dem Urteil des Hessischen Finanzgerichts in der Streitsache 6 K 1110/10 komme es nicht darauf an, ob das Finanzamt Kenntnis von dem Insolvenzverfahren gehabt habe, ebenso nicht darauf, ob dessen Forderungen fällig gewesen oder angemeldet worden seien.

Der Kläger meint aus Art. 4 Abs. 2 Satz 2 b) und Art. 6 EGV 1346/2000 (EUInsVO) ergebe sich, dass hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung deutsches Recht anwendbar sei. Dabei differenziere Art. 6 EUInsVO hinsichtlich der prozessualen Zulässigkeit. Nur wenn nach englischem Recht die Aufrechnung als unzulässig betrachtet werde, könne sich der Gläubiger auf das weitergehende Insolvenzrecht des Aufrechnungsstaates und damit auf deutsches Recht berufen. Da aber sec. 323 Insolcency Act 1986 eine Aufrechnung vorsehe, verbliebe es beim englischen Insolvenzrecht. Durch den Verlauf des englischen Insolvenzverfahrens sei die insolvenzrechtliche Situation grundlegend verändert worden. Nach sec. 281 (1) Insolvency Act 1986 seien alle vor Insolvenzeröffnung entstandenen Schulden untergegangen. Mit der „Discharge“ gehe das Klagerecht des Gläubigers unter. Abweichend von der deutschen Rechtslage, bei der nach der Restschuldbefreiung eine unvollkommene Forderung vorliege, gehe eine Forderung durch die „Discharge“ vollständig unter, so dass die Aufrechnungserklärung vom 24. November 2011 keine Aufrechnungswirkung habe auslösen können. Mangels Gegenforderung sei daher die Aufrechnung auch nach deutschem Recht unzulässig.

Würde die deutsche Aufrechnung das englische Recht überlagern, käme es zu einer unterschiedlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so dass ein Vorabentscheidungsverfahren des EuGH zur unterschiedlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beantragt werde.

Das Finanzamt änderte den Abrechnungsbescheid am 5. Juni 2014 in Entsprechung des Einspruchs des Klägers, indem es Teilbeträge von 168 € und 339 €, welche auf Zinsen beruhten, die erst nach Eröffnung des „Bankruptcy“-Verfahrens in England entstanden waren, mit Steuerforderungen, die nach Beendigung des „Bankruptcy“-Verfahrens entstanden waren, verrechnete

Der Kläger beantragt, den Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2013, geändert am 5. Juni 2014 dahingehend zu ändern, dass ein erstattungsfähiges Guthaben aus 2007 in Höhe von 5.532,73 € (5.700,73 € minus 168 €) und aus 2008 in Höhe von 12.332,71 € (12.671,71 € minus 339 €) ausgewiesen wird.

Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt, die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, die Aufrechnung sei zulässig, solange nicht feststehe, dass die Restschuldbefreiung durch den High Court of Justice auch die Steuerforderungen gegen den Kläger erfasse. Anhand des Certificate of Discharge sei zu prüfen, ob wegen der Erteilung der Restschuldbefreiung eine Forderung nicht mehr durchsetzbar sei, weil es sich um eine Insolvenzforderung handle.

Nach sec. 286 Abs. 6 Insolvency Act 1986 greife die Restschuldbefreiung nicht, wenn ein Insolvenzschuldner falsche Angaben in seiner Vermögensübersicht mache und einem Gläubiger infolgedessen ein Schaden entstehe.

Es bestünden Zweifel, dass der Kläger die Insolvenzforderungen im Vermögensverzeichnis angegeben habe, da der englische Insolvenzverwalter andernfalls Kontakt zum Finanzamt aufgenommen hätte.

Einen Nachweis dafür, dass die Restschuldbefreiung sich auf die Steuerschulden beziehe, sei der Kläger bislang schuldig geblieben. Auch Anfragen des Finanzamts seien unbeantwortet geblieben.

Der spätere Wegfall der Durchsetzbarkeit der Gegenforderung durch die Restschuldbefreiung stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Das Finanzamt schließe sich der Auffassung des FG Schleswig-Holstein an (4 K 186/11), wonach die Vorschrift des § 94 InsO dahin zu verstehen sei, dass ein rechtskräftiger Beschluss über die Restschuldbefreiung gem. § 301 InsO ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung unberührt lasse.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO - sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 29. April 2015 verwiesen.

Gründe

II. Die Klage ist nicht begründet.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung angesichts der mittlerweile vorliegenden Dokumente davon aus, dass der Kläger tatsächlich mit Eröffnung am 5. Oktober 2010 ein Insolvenzverfahren in England durchgeführt und dass er das Finanzamt als Insolvenzgläubiger benannt hat. Insoweit sind sich die Beteiligten, wie in der mündlichen Verhandlung erklärt wurde, auch einig.

Das englische Insolvenzverfahren und dessen, nach englischem Recht, nach einem Jahr eingetretene „Discharge“ haben jedoch nicht dazu geführt, dass die vom Finanzamt erklärte Aufrechnung von Erstattungsansprüchen im Zuge der Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2007 und 2008 mit Rückständen aus den Jahren 1993 und 2000 als unrechtmäßig und nicht berücksichtigungsfähig zu qualifizieren wäre.

1. Der Senat vermag die Auffassung der Klägerin nicht zu teilen, dass mit dem Schreiben des Finanzamts vom 12. März 2012 ein Verwaltungsakt mit dem Inhalt einer Abrechnung erteilt worden sei, wonach die strittigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen seien.

a) Ob eine bestimmte Äußerung des Finanzamts als ein Abrechnungsbescheid anzusehen ist, ist eine Frage der Auslegung. Bei dieser kommt es darauf an, ob die Äußerung des Finanzamt als eine Entscheidung über eine Streitigkeit i.S. des § 218 Abs. 2 AO anzusehen ist, ob das Finanzamt also in ihr nach dem für den Adressaten objektiv erkennbaren Erklärungswert mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen zwischen den Beteiligten rechtsfeststellend diese Streitigkeit entschieden hat (vgl. auch § 118 S. 1 AO). Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist ein Abrechnungsbescheid auch dann gegeben, wenn das Finanzamt die Äußerung nicht ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezeichnet hat (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 7. August 1990 VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Schreiben des Finanzamts vom 12. März 2012 nicht als Abrechnungsbescheid über die streitgegenständlichen Ansprüche zu werten.

Diesem Schreiben vorausgegangen ist ein ausdrücklich als Abrechnungsbescheid bezeichnetes Schreiben vom 7. Februar 2012, mit welchem das Finanzamt, offensichtlich und unmissverständlich, eine Regelung zu der zwischen den Beteiligten strittigen Frage getroffen hat, ob Erstattungsansprüche aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 durch Aufrechnung erloschen seien. Hiergegen hatte sich der Kläger mit Einspruch vom 20. Februar 2012 gewandt. Dies voraussetzend konnte der Kläger das Schreiben nicht als Abrechnung über die streitgegenständlichen Ansprüche auffassen, da über diese bereits durch Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 ausdrücklich entschieden worden war.

Das Schreiben vom 12. März 2012 verfügt über keinerlei Inhalte, welche den Kläger zu der Annahme veranlassen hätten können, der Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 sei aufgehoben, widerrufen oder geändert worden oder das Schreiben beinhalte eine stattgebende Entscheidung zu seinem Einspruch vom 20. Februar 2012. Dass er ein derartiges Verständnis (zutreffender Weise) auch nicht hatte, erschließt sich aus der erfolgten Begründung des Einspruchs vom 13. April 2012, die vorbehaltslos erfolgte, also nicht nur für den Fall, dass nicht bereits durch das Schreiben vom 12. März 2012 über die streitgegenständlichen Steueransprüche anderweitig entschieden worden sei oder etwa mit dem Einwand, es sei am 12. März 2012 anderweitig bereits über den Einspruch entschieden worden.

c) Ganz offensichtlich hat auch der Abrechnungsbescheid vom 25. September 2012 nicht den streitgegenständlichen Bescheid geändert. Entschieden ist dort über Ansprüche wegen Steuererstattungsansprüchen aus der Einkommensteuerfestsetzung 2009. Zu den im Streitfall gegenständlichen Erstattungsansprüchen 2007 und 2008 sind dort keine (abweichenden) Regelungen getroffen.

d) Hinzukommt, dass es dem Schreiben vom 12. März 2012 an der von einem Verwaltungsakt geforderten Bestimmtheit gem. § 119 Abs. 1 AO fehlt, um Regelungsqualität annehmen zu können.

Die in dem Schreiben getroffene Aussage „Das Steuerkonto weist derzeit keinen Rückstand auf“, lässt keinen eindeutigen Rückschluss darauf zu, ob es an einem Ausweis von Rückständen fehlt, weil solche aus materiellen Gründen nicht existieren oder weil aus technischen Gründen gerade kein Ausweis von Rückständen stattfindet. Eine eindeutige Zuordnung zu einer materiellen Ursache lässt sich nicht vornehmen, da ein ursächlicher Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Feststellung „es sei Restschuldbefreiung erteilt worden“ gerade nicht hergestellt ist („weil“, „deshalb“, „aufgrund“, „in der Folge“ o.ä.). Dass und, wenn ja, welche Forderung des Klägers oder des Finanzamts aus welchem Grund besteht oder nicht besteht oder nicht mehr besteht, lässt sich dem Schreiben in keiner Weise entnehmen. Insbesondere lässt sich nicht einmal eine konkrete Antwort auf die mit Schreiben vom 24. Februar 2012 gestellte Frage entnehmen, welche Steueransprüche durch die „Discharge“ erloschen seien, da es an der Benennung relevanter Steueransprüche fehlt.

2. Der Abrechnungsbescheid erweist sich auch nicht als unrechtmäßig, weil die gesichert am 24. November 2011 durch das Finanzamt erklärte Aufrechnung aus materiellen Gründen ins Leere gegangen wäre.

        

a) Nach § 335 InsO unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Dies ist im Streitfall englisches Recht.

        

b) Nach § 338 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn er nach dem für die Forderung des Schuldners maßgebenden Recht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist.

Diese Regelung des deutschen Insolvenzrechts bleibt auch unter Berücksichtigung der  EUInsVO erhalten insoweit, als auch dort Artikel 6 Abs. (1) EUInsVO vorsieht, dass die Befugnis eines Gläubigers, mit seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt wird, wenn diese Aufrechnung nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht zulässig ist.

c)  Vorstehendes berücksichtigend, erweist sich die erfolgte Aufrechnung als rechtmäßig.

Nach deutschem (materiellem) Recht gilt, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 47 AO - unter anderem - durch Aufrechnung (§ 226 AO) erlöschen.

Gemäß § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sinngemäß, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

Nach § 387 BGB kann aufgerechnet werden, wenn eine Aufrechnungslage besteht. Diese liegt vor, wenn die zur Aufrechnung einander gegenüberstehenden Forderungen gegenseitig geschuldet werden und gleichartig sind. Die Gegenforderung muss fällig, die Hauptforderung muss erfüllbar sein. Der Aufrechnung dürfen keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen und die Aufrechnungsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegeben sein (vgl. Bundesgerichtshof -BGH- vom 8. November 2011, Az. XI ZR 341/10, NJW 2012, 445). Diese Voraussetzungen liegen für den Streitfall vor.

Nach § 389 BGB hat die zulässige Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, rückwirkend und damit vor Insolvenzeröffnung als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (vgl. BFH, Urteil vom 12. Juli 2001 VII R 19, 20/00, VII R 19/00, VII R 20/00, unter II. 2. BStBl. II 2002, 67; Beschluss vom 4. Juli 2005, VII B 300/04, BFH BFH/NV 2005, 1753).

aa) Bei den in Streit stehenden Forderungen handelt es sich um solche, die gleichartig sind (Geldforderungen) und die gegenseitig von Seiten des Klägers und dem Finanzamt geschuldet werden.

bb) Besondere materielle Aufrechnungsverbote, welche im Hinblick auf das in England ins Werk gesetzte Insolvenzverfahren gem. §§ 94 bis 96 InsO zu beachten sind, standen der Aufrechnung nicht entgegen.

aaa) Bei den Hauptforderungen des Klägers (die Erstattungsansprüche ESt 2007, 2008) handelt es sich um solche, die unter Berücksichtigung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu, als vor Insolvenzeröffnung am 5. Oktober 2010 fällig gelten, so dass § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO einer Aufrechnung durch das Finanzamt nicht entgegen stand.

Ihrem Kern nach waren die Erstattungsforderungen 2007 und 2008 bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und damit erfüllbar.

Ob ein Steueranspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH, die der erkennende Senat nicht in Zweifel zieht, nicht danach, ob der Anspruch im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern danach, ob im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der Rechtsgrund für den Anspruch im insolvenzrechtlichen Sinne gelegt war (BFH, Urteile vom 5. Oktober 2004, VII R 69/03, BStBl. II 2005, 195; vom 16. November 2004 VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193; BFH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2005, VII B 309/04 und vom 7. Juni 2006 VII B 329/05, BStBl. II 2006, 641). Der Anspruch auf eine Steuer ist im insolvenzrechtlichen Sinne dann vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand, der zur Entstehung der Steuer führt, bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist (BFH in BStBl. II 2005, 195; in BStBl. II 2006, 193; in BFH/NV 2006, 369; BFH, Beschluss vom 20. April 2007 VII B 252/06, BFH/NV 2007, 1395, m.w.N.). Das gilt auch für Steuererstattungsansprüche. Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen - im Streitfall die Lohnsteuerzahlung als Vorauszahlung auf die Einkommensteuer - entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraumes die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (BFH, Urteil vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791; in BStBl. II 2006, 641; Beschluss des BGH vom 12. Januar 2006 IX ZB 239/04, NJW 2006, 1127, dort für einen Fall des Lohnsteuerabzuges). Auf die Festsetzung des Erstattungsanspruches in einem Erstattungsbescheid kommt es nicht an (BFH in BFH/NV 1991, 791), da das Finanzamt nach einer Insolvenz-Verfahrenseröffnung einstweilen nicht einmal einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO erlassen kann, weil es bis zum Bestreiten seiner Forderung durch einen dazu Berechtigten an der Erforderlichkeit eines solchen Bescheides fehlt (vgl. BFH, Entscheidungen vom 17. Mai 1984 V R 80/77, BFHE 141, 7, BStBl II 1984, 545, und vom 18. November 1999 V B 73/99, BFH/NV 2000, 548).  § 220 Abs. 2 Satz 2 AO greift deshalb nicht ein.

Da es für das Bestehen der Erstattungsforderung nicht darauf ankommt, dass und wann ein insoweit feststellender Bescheid ergangen ist, kann für den Streitfall dahin gestellt bleiben, ob der Erlass der die Erstattung konkretisierenden Festsetzungsbescheide am 11. Mai 2011, zwar in Unkenntnis, aber doch während des Insolvenzverfahrens, rechtmäßig war, da es darauf letztlich nicht ankommt.

bbb) Auch war die Aufrechnung des Finanzamts nicht gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO ausgeschlossen, weil dessen Gegenforderungen (die Rückstände aus den Jahren 1993 und 2000) bereits seit 17. Oktober 2001 respektive 17. Juni 2006 und damit vor der Erstattungsforderung des Klägers fällig geworden waren.

cc) Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung war, auch unter Berücksichtigung des englischen Verfahrensrechts, noch von einer zu berücksichtigenden Aufrechnungslage auszugehen.

Dem Einwand des Klägers, die Aufrechnung sei deshalb rechtswidrig gewesen, weil zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 24. November 2011 die Aufrechnungslage nicht mehr vorgelegen habe, weil die Forderung des Finanzamts durch die am 5. Oktober 2011 eingetretene „Discharge“ nicht mehr bestanden habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Soweit sich der Kläger zu den Voraussetzungen einer Aufrechnung im englischen Verfahrensrecht auf Rule 4.90 der Insolvenzy Rules 1986 (IR) beruft, ist diese nicht einschlägig. Rule 4.90 IR betrifft den Fall der Insolvenz einer Firma („Part 4 Companies Winding Up“), was auf den Streitfall offensichtlich nicht zutrifft. Vielmehr handelt es sich im Streitfall um ein Verfahren nach Teil 6 IR („Part 6 Bankruptcy“). Dort ist gerade keine Regelung zum Zeitpunkt der Anmeldung einer Gegenforderung näher ausgeführt, vielmehr sieht sec. 281 Abs. (1) 2. Halbsatz Insolvency Act 1986 hinsichtlich der Wirkung einer „Discharge“ einschränkend vor, dass

 „..discharge does not affect the right of any creditor of the bankrupt to prove in the bankruptcy for any debt from which the bankrupt is released.”

…eine Restschuldbefreiung beeinträchtigt nicht das Recht eines Gläubigers des Insolvenzschuldners in der Insolvenz eine Schuld geltend zu machen, von welcher der Insolvenzschuldner befreit ist

Dies bedeutet, dass es einem Gläubiger auch nach Erteilung der „discharge“ unbenommen bleibt, sich auf eine Schuld zu berufen, die von der „discharge“ erfasst sein soll.

Damit bleibt dem Gläubiger auch nach Ausspruch der „discharge“ nicht nur der Einwand erhalten, dass er eine Insolvenzschuld hat, sondern auch der Einwand (maior ad minus), in welcher Höhe tatsächlich eine Insolvenzschuld vorliegt, welche die „discharge“ erfasst. Nach 6.96 (1) IR ist ein derartiger Einwand an keinerlei besonderen Formalitäten gebunden, so dass bereits das Schreiben des Finanzamts vom 30. Juni 2012 an den Official Receiver als Reklamieren des entsprechenden Einwands ausgelegt werden kann, dass bei den „bankruptcy dept“, soweit das Finanzamts betroffen ist, auch Gegenansprüche zu berücksichtigen sind.

In sec. 281 Insolvency Act 1986 (Effect of discharge) ist geregelt: E+W

(1)     

Subject as follows, where a bankrupt is discharged, the discharge releases him from all the bankruptcy debts, but has no effect—

        

Damit wird eine Gläubigerforderung von der „discharge“ dann aber gleichzeitig nur dann erfasst, wenn es sich um eine Insolvenzschuld („bankruptcy dept“) handelt.

Für die Bestimmung, was eine Insolvenzschuld ist, wenn sich gegenseitige Forderungen von Insolvenzschuldner und Insolvenzgläubiger gegenüberstehen, hält sec. 323 Insolvency Act 1986 eine eigene Regelung bereit. Dort heißt es:

Mutual credit and set-off.

(1)     

This section applies where before the commencement of the bankruptcy there have been mutual credits, mutual debts or other mutual dealings between the bankruptcy and any creditor of the bankrupt proving or claiming to prove for a bankruptcy debt.

        

Dieser Abschnitt findet dort Verwendung, wo vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beidseitige Darlehen, beidseitige Schulden oder andere gegenseitige Beziehungen zwischen dem Insolvenzschuldner und einem Insolvenzgläubiger, zu gewärtigen sind, welche bewiesene oder zum Beweis angemeldete Insolvenzschulden betreffen.

        

        

(2)     

An account shall be taken of what is due from each party to the other in respect of the mutual dealings and the sums due from one party shall be set off against the sums due from the other.

        

Eine Verrechnung soll vorgenommen werden, für das, was jede Partei der anderen schuldet mit Rücksicht auf gegenseitige Beziehungen und die Summen, die die eine Partei der anderen schuldet und die Summen sollen gegengerechnet werden, was eine Partei der anderen schuldet

(3)     

….    

(4)     

Only the balance (if any) of the account taken under subsection (2) is provable as a bankruptcy debt or, as the case may be, to be paid to the trustee as part of the bankrupt’s estate.

        

Nur der Saldo der Aufrechnungen ist eine nachweisbare Insolvenzforderung oder je nachdem, an den Insolvenzverwalter zu zahlen als Vermögen des Insolvenzschuldners.

Nach sec. 323 Abs. (4) Insolvency Act 1986 sieht das englische Recht damit vor, dass als Insolvenzschuld nur der Saldo aus Forderungen und Gegenforderungen, die zu Beginn des Insolvenzverfahrens vorlagen als Insolvenzschuld zu berücksichtigen ist.

Da nur der Saldo derartiger gegenseitiger Beziehungen als Insolvenzschuld von der „Discharge“ verfahrensrechtlich erfasst wird, konnte die „Discharge“ den Kläger nur insoweit von Forderungen des Finanzamts befreien, als sie einem Saldo aus Forderungen und Gegenforderungen entsprechen, welcher sich aus den gegenseitigen Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt.

Da die Frage, ob Aufrechenbarkeit zu Beginn des Insolvenzverfahrens vorlag, eine des materiellen Rechts ist, ist eine Aufrechnung nach Art. 6 EUInsVO unabhängig von den englischen Bestimmungen dann möglich, wenn eine Aufrechenbarkeit nach deutschem Recht zu bejahen ist. Wie bereits dargelegt (II. 2 c. bb) aaa) der Gründe) ist hiernach von einer Aufrechenbarkeit zu Beginn des Verfahrens auszugehen.

Wie ebenfalls bereits dargelegt räumt sec. 281 Insolvency Act 1986 am Ende dem Gläubiger ein, sich auf die tatsächliche Insolvenzschuld zu berufen.

Das Finanzamt war entsprechend an einer Aufrechnung gegen bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens entstandener Steuererstattungsansprüchen mit zu Beginn des Insolvenzverfahrens bestehenden Steuerrückständen durch englisches Verfahrensrecht nicht gehindert, da sich hierdurch lediglich der Saldo konkretisierte der von der „discharge“ als „Bankruptcy Dept“ erfasst wird und dem Gläubiger eine Berufung auf einen entsprechend niedrigeren Saldo auch nach Eintritt der „discharge“ unbenommen ist.

dd) Der Senat schließt sich im Übrigen der Auffassung des FG Schleswig-Holstein an (Urteil vom 23. Oktober 2013, 4 K 186/11, EFG 2014, 1028 nach Einstellung des Revisionsverfahrens rechtskräftig), wonach die Vorschrift des § 94 InsO dahin zu verstehen ist, dass ein rechtskräftiger Beschluss über die Restschuldbefreiung gem. § 301 InsO ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahren bestehendes Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung unberührt lässt, so dass auch nach deutschem Recht eine Aufrechnungserklärung am 24. November 2011 noch möglich war (vgl. zur Rechtsentwicklung BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 IX ZR 222/08, NJW-RR 2011, 1142).

ee) Zu bedenken gilt es letztlich auch, dass es in der Hand des Klägers lag durch zeitnahe Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen die Konkretisierung der Erstattungsansprüche schon vor Beginn des „bankruptcy“ Verfahrens zu ermöglichen. Es widerspricht den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie einem „fair trial“, wenn es ins Belieben des Schuldners gestellt wäre, einerseits die Forderungen eines Insolvenzgläubigers ins Insolvenzverfahren und eine Restschuldbefreiung zu verlagern, demgegenüber die Forderungen gegenüber diesem, auch wenn deren Wurzeln in einen Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen, nach Gutdünken in eine Zeit nach Abschluss des Insolvenzverfahrens zu verlagern und diese, ungeachtet einer  grundsätzlich vor Insolvenz bestehenden Aufrechnungslage, zu Lasten des Gläubigers einseitig durchzusetzen.

ff) Selbst wenn man die Auffassung des Senats nicht teilen möchte, dass bereits die entsprechende Anwendung englischen und deutschen Rechts zu dem gefundenen Ergebnis der möglichen Aufrechnung führt, wäre weitergehend für den Streitfall zu  prüfen, ob angesichts der fehlenden Beteiligung des Finanzamts am gerichtlichen „Bankruptcy“-Verfahren und der damit einhergehenden Verletzung eines grundrechtsgleichen Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) als Betroffener eines Gerichtsverfahrens, eine Berücksichtigung des „Bankruptcy“-Verfahrens nach Art. 26 EUInsVO insgesamt oder mit dem eingeschränkten Ergebnis einer gleichwohl möglichen Aufrechnung in Betracht zu ziehen wäre.

Bei dem durch den Senat gefunden Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an.

3. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH hält der Senat nicht für veranlasst, da konkrete Zweifelsfragen zur Auslegung europäischen Rechts, die eine Vorabentscheidung erforderten, sich nicht ergeben. Hinzukommt, dass das Finanzgericht als erstinstanzliches Gericht, selbst wenn eine derartige Frage zu formulieren wäre, gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nur berechtigt, nicht aber verpflichtet ist , eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (BFH, Beschluss vom 9. Juni 2009, VII B 182/08, BFH/NV 2009, 1681; vom 11. August 1999 VII B 162/99, BFH/NV 2000,77; vom 25. Juni 1991 VII B 33/91,BFH/NV 1992, 286). Letztlich hält der erkennende Senat die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts - im Streitfall des Art. 6 EUInsO - für derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel an dessen Auslegung, was den Streitfall anbelangt, kein Raum besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 6.10.1982 283/81 „Cilfit u.a.“ Celex-Nr. 61981CJ0283, juris).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 FGO.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Der Bundesfinanzhof kann über die Revision in der Besetzung von fünf Richtern durch Beschluss entscheiden, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Der Beschluss soll eine kurze Begründung enthalten; dabei sind die Voraussetzungen dieses Verfahrens festzustellen. § 126 Abs. 6 gilt entsprechend.

(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.

(2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann.

(1) Sind zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet, so kann die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Die §§ 41, 45 sind nicht anzuwenden. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann.

(2) Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Forderungen auf unterschiedliche Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, wenn diese Währungen oder Rechnungseinheiten am Zahlungsort der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, frei getauscht werden können. Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswert, der für diesen Ort zur Zeit des Zugangs der Aufrechnungserklärung maßgeblich ist.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.

(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.

(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.