Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2014 - 1 StR 314/14

bei uns veröffentlicht am04.09.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR314/14
vom
4. September 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 16. Oktober 2013 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: Den Angeklagten A. wegen Betruges in sechs tatmehrheitlichen Fällen sowie versuchten Betruges in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten M. wegen versuchten Betruges sowie zweier Fälle der Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Hiergegen wenden sich die jeweils mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts organisierte der Angeklagte A. unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes verschiedene „An- rufwellen“ durch Call-Center, wobei eine erhebliche Anzahl der Angerufenen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu gebracht wurde, gegen Nachnahmezahlungen zwischen 75 und 97 Euro ein „Widerrufsschreiben“ zu erwerben , das der Abwehr von Ansprüchen ihrerseits betrügerisch agierender Gewinnspieleintragungsdienste und der Rückforderung bereits an diese gezahlter Geldbeträge dienen sollte. Zudem sorgte der Angeklagte A. dafür, dass an viele der durch die Anrufe zum telefonischen Vertragsschluss gebrachten Geschädigten weitere Schreiben gesandt wurden, in denen diese unter Vortäuschung offener Forderungen aus dem angeblich weiter bestehenden Vertragsverhältnis („2. Rechnung“, „Letzte Zahlungsaufforderung“ etc.) zur Zahlung von Beträgen in Höhe zwischen 59,95 und 91,80 Euro aufgefordert wurden. Zahlreiche der angeschriebenen Personen überwiesen die jeweils geforderten Beträge. Sämtliche Geldbeträge gingen auf Konten ein, über die der Angeklagte A. unmittelbar oder über Mittelsmänner verfügen konnte. Der Angeklagte M. beteiligte sich an zweien dieser Projekte (Beihilfefälle) und organisierte in einem Fall ohne den Angeklagten A. selbst eine Anrufaktion.
3
Im Einzelnen kam es auf die beschriebene Art und Weise zu folgenden Taten:
4
a) Im Rahmen des „Projekts Verbraucherangriff“ zahlten nach telefoni- scher Anwerbung für ein „Widerrufsschreiben“ 1.036 Personen per Nachnahme insgesamt 79.756 Euro. An 853 Personen wurde anschließend ein inhaltlich unzutreffendes Schreiben „2. Rechnung“ gesandt, woraufhin 152 Personen insgesamt 12.075 Euro zahlten. Auf ein weiteres Schreiben „Letzte Zahlungsaufforderung“ , das an 719 Personen verschickt wurde, zahlten 119 der Angeschriebenen insgesamt 10.924,20 Euro. An 671 Personen wurde im Rahmen dieses „Projekts“ noch eine unzutreffende „Rechnung 1.7.2011 – 31.12.2011“ versandt, woraufhin 62 Personen insgesamt 5.170 Euro überwiesen.
5
b) Bei dem „Projekt Deutsche Verbraucherberatung“ kam es 2010 nach der durchgeführten Anrufaktion zur Zahlung von insgesamt 12.192 Euro durch 140 telefonisch kontaktierte Personen für ein „Widerrufsschreiben“ per Nach- nahme. Im Jahr 2011 zahlten nach einer vom Angeklagten M. durchgeführten Telefonaktion 461 Personen insgesamt 41.029 Euro.
6
c) Im Rahmen des „Projekts Kundenschutz24“ erhielten 6.380 Personen, deren Daten sich der Angeklagte A. zuvor von dritter Seite beschafft hatte, ein inhaltlich unzutreffendes Schreiben „2. Rechnung“, woraufhin 1.147 Personen insgesamt 68.762,65 Euro überwiesen. Unter der Überschrift „Kundenschutz24 , Rechnung 1.7.2011 – 31.12.2011“ wurden zudem 10.062 Personen angeschrieben und zur Zahlung aufgefordert, woraufhin 648 Personen insgesamt 38.847,60 Euro zahlten.
7
2. Die Feststellungen zum Tatgeschehen hat das Landgericht insbesondere auf ein Teilgeständnis der Angeklagten, die Angaben weiterer nichtrevidierender Mitangeklagter, die Angaben des als Zeugen gehörten Mittäters K. , zahlreiche E-Mails und andere Urkunden, die Inhalte von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation der Beteiligten, die Angaben von „Mitarbeitern“ aus den Callcentern sowie auf die zeugenschaftlichen Äußerungen von angerufenen Kunden gestützt.
8
Ohne insoweit einen Zeugen gehört zu haben, hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass bei den übersandten falschen Rechnungen jeweils mindestens ein Kunde den geforderten Betrag überwiesen habe, weil er aufgrund der Rechnung irrig davon ausgegangen sei, er sei zur Zahlung verpflichtet. Hierfür hat das Landgericht folgende Gründe genannt: Es bestehe nach aller Lebenserfahrung ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass eine Person , der gegenüber eine Rechnung gestellt wird und die diese bezahlt, dies grundsätzlich nicht täte, wenn sie davon ausginge, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein. Zwar sei es durchaus möglich, dass im Einzelfall eine Person eine Rechnung nur bezahle, „um ihre Ruhe zu haben“, auch wenn sie davon ausge- he, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Es sei aber ausgeschlossen, dass jeweils alle Kunden aus diesem Grund gezahlt hätten, zumal die Rechnungs-/ Mahnschreiben nicht in hoher Frequenz zugesandt worden seien. Weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass zumindest vereinzelt Kunden die Rechnung gezahlt hätten, obwohl sie davon ausgingen, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass alle Kunden irrtumsbedingt gezahlt hätten.
9
Auf den diesbezüglichen Vorsatz und die betrügerischen Absichten der Angeklagten hat das Landgericht aus dem äußeren Geschehensablauf, dem Auftreten unter Aliasnamen und aus dem Inhalt von überwachter Telekommunikation geschlossen.
10
3. Ausgehend hiervon hat das Landgericht die Organisation der „Anruf- wellen“ über Call-Center als drei Betrugsversuche des Angeklagten A. und einen Betrugsversuch des Angeklagten M. (in Form eines uneinheitlichen Organisationsdelikts) gewertet. Bezüglich der Versendung unzutreffender Rechnungen oder Mahnungen hat das Landgericht pro Aktion einen Fall des vollendeten Betruges angenommen, weil jeweils mindestens ein Kunde irrtumsbedingt gezahlt habe. Als Vollendungsschaden wurde in diesen Fällen nur ein geringer Betrag angesehen, im Rahmen der Strafzumessung indes negativ ge- wertet, dass sich der Vorsatz der Angeklagten auf hohe Schadensbeträge bezogen habe.

II.


11
Den Revisionen der Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.
12
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 25. Juni 2014 ohne Erfolg. Der weitergehenden Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
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a) Die Angeklagten beanstanden u.a. die Ablehnung mehrerer Beweisanträge als rechtsfehlerhaft, mit denen insbesondere beantragt worden war, sämt- liche Zeugen, „deren Namen und ladungsfähige Anschriften sich aus den Akten Sonderband Mail Boxes 0023 Band I Blatt 257 – 287 ergeben“ bzw. „deren Namen und ladungsfähige Anschriften sich aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Würzburg – Liste nach Seite 18 ergeben“ zu laden und in der Hauptverhandlung als Zeugen zu hören. Beweisthema war der Inhalt der jeweiligen Telefonate. Aus den Aussagen der Zeugen sollte sich ergeben, dass diese am Telefon wahrheitsgemäß informiert worden seien. Das Landgericht hat diese Anträge abgelehnt, indem Beweistatsachen teils als wahr unterstellt, teils als bedeutungslos angesehen wurden, teils wurde dem Antrag die Qualität als Be- weisantrag abgesprochen, weil der Beweisantrag „aufs Geratewohl“ gestellt worden sei oder es an der notwendigen Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel fehle. Ein weiterer, ergänzter Beweisantrag ähnlichen Inhalts wurde zudem wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt.
14
b) Die genannten Rügen entsprechen schon nicht den Formerfordernissen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind deshalb unzulässig. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen bei Verfahrensrügen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Dies hat so vollständig und genau zu geschehen , dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären. Dabei genügt es nicht, Fundstellen in den Akten in Bezug zu nehmen , auch wenn es – wie hier – im Wortlaut eines Antrags geschieht. Vielmehr müssen solche Stellen, wenn sie für die Beurteilung der Rüge von Bedeutung sein können, in ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Rechtfertigungsschrift wiedergegeben werden (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 5). Da für die Prüfung des Revisionsgerichts , ob ein formgerechter Beweisantrag vorliegt, die in den Anträgen in Bezug genommenen Aktenstellen entscheidend sind, in denen die Zeugen nach dem Beweisantrag mit Namen und ladungsfähiger Anschrift genannt sind, muss deren Inhalt im Rahmen der Beweisantragsrüge umfassend vorgetragen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 – 5 StR 191/09, NStZ 2009, 649, 650; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Mai 2003 – 5 StR 120/03, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40).
15
c) Der Senat kann deshalb offenlassen, ob den Anträgen schon die Qualität als Beweisantrag fehlt, weil die Beweismittel durch einen Verweis auf andere Aktenstellen nicht hinreichend bezeichnet sein könnten. Grundsätzlich bedarf es bei Zeugen der Benennung von Name und ladungsfähiger Anschrift, wenn der Antragsteller – wie hier – dazu in der Lage ist (vgl. Becker in LöweRosenberg , 26. Aufl., § 244 Rn. 105; Dallmeyer in Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 106 ff., jeweils mwN). Indes hat die Rechtsprechung von diesem Grundsatz eine Ausnahme zugelassen, wenn alle Individua- lisierungsfaktoren dem Tatgericht eindeutig bekannt sind, etwa aus der Anklageschrift (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 – 5 StR 191/09, NStZ 2009, 649 f.). In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für das Tatgericht kein Zweifel über die Identität der benannten Beweismittel bestand, könnte es als bloße „Förmelei“ erscheinen, wenn man von dem Antragsteller über die konkre- te Benennung der Aktenstelle, aus der sich die Namen einer Vielzahl von Zeugen mit ladungsfähiger Anschrift eindeutig ergibt, das Kopieren zahlreicher Seiten und das Einfügen dieser Kopien in den Beweisantrag fordern würde.
16
2. Auch die jeweils erhobenen Sachrügen decken keine die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes :
17
a) Die Beweiswürdigung ist – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat – entgegen der Auffassung der Revisionsführer rechtsfehlerfrei. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellungen, die das Landgericht zu Irrtum und irrtumsbedingter Vermögensverfügung der angeschriebenen Geschädigten in den Fällen des vollendeten Betruges getroffen hat.
18
aa) Der Bundesgerichtshof hat sich in den letzten Jahren in einer Reihe von Fällen mit der Frage beschäftigt, wie in (Massen-)Betrugsverfahren in tragfähiger Weise Feststellungen zum inneren Vorstellungsbild der getäuschten Personen getroffen werden können (vgl. aus sachlich-rechtlicher Perspektive BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198; Urteil vom 9. Juni 2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 697; Beschluss vom 22. Januar 2012 – 3 StR 285/11, wistra 2012, 315; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215; Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595; Urteil vom 27. März 2014 – 3 StR 342/13, NJW 2014, 2054; Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459; Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13; vgl. aus verfahrensrechtlicher Perspektive BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434 [insoweit in BGHSt 54, 44 nicht ab- gedruckt]; Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 3 StR 154/13, NStZ 2014, 111 m. Anm. Allgayer; vgl. zur Beschränkung gemäß § 154a StPO auf den Vorwurf des nur versuchten Betruges in vergleichbaren Fällen BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, 122; Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459).
19
Für die Beweiswürdigung in derartigen Fällen gilt: Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist. In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvor- stellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen, wobei er dies im Urteil darzulegen hat (BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, 460 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215 f.).
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bb) Dies hat das Landgericht im vorliegenden Fall getan. Es hat aus einer Reihe von Indizien den Schluss gezogen, dass mindestens einer der je- weils Angeschriebenen auf die inhaltlich unzutreffenden, als „Rechnung“ oder „Zahlungsaufforderung“ bezeichneten Schreiben in der irrigen Vorstellung ge- zahlt hat, er sei zur Zahlung des geforderten Geldbetrages aufgrund des (konkludent ) vorgespiegelten Vertragsinhalts verpflichtet. Vor dem Hintergrund, dass die Forderungen eine nicht unerhebliche Summe (deutlich über der Geringwertigkeitsgrenze von 25 Euro, vgl. Fischer, 61. Aufl., § 243 Rn. 25 mwN) betrafen und bei derartigen Beträgen jedenfalls grundsätzlich davon auszugehen ist, dass niemand eine so hohe angebliche Forderung bezahlt, von der er weiß, dass sie zu Unrecht erhoben wird, konnte die Strafkammer aus den erfolgten Zahlungen insgesamt den Schluss ziehen, dass mindestens eine von über 50 Personen irrtumsbedingt gezahlt hat. Die Schlussfolgerung des Landgerichts , dass jedenfalls nicht alle Geschädigten nur deshalb gezahlt haben, „um ihre Ruhe zu haben“, ist lebensnah und nachvollziehbarund deshalb vom Revisionsgericht nicht zu beanstanden. Die Erwägung eines solchen Zahlungsmotivs gewinnt bei unberechtigt übersandten Rechnungen und Mahnschreiben zwar an Gewicht, je niedriger der angeforderte Zahlbetrag und je stärker die Mahnfrequenz und Mahnintensität – und damit die nötigungsnahe Lästigkeit – ist. Bei Fällen wie dem vorliegenden (Zahlbetrag deutlich über 25 Euro, jeweils über 50 Geschädigte, keine hohe Aufforderungsfrequenz und -intensität) lässt die Annahme, mindestens eine dieser Personen habe irrtumsbedingt und nicht lästigkeitsbedingt verfügt, Rechtsfehler nicht erkennen.
21
cc) Ein Rechtsfehler liegt auch nicht darin, dass sich das Gericht zur Feststellung dieses Irrtums nicht auf die Aussage eines oder mehrerer Zeugen, sondern auf äußere Umstände und allgemeine Erfahrungssätze gestützt hat.
22
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Gericht in der Regel – vor allen Dingen bei einem normativ geprägten Vorstellungsbild der Geschädigten – auch lediglich aus Indizien auf einen Irrtum schließen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 mwN). Die Feststellung des Vorstellungsbildes geschädigter Personen beim Betrug folgt dabei keinen anderen Regeln als die Feststellung sonstiger innerer Tatsachen wie etwa des Vorsatzes beim Angeklagten. Auch dort ist der Schluss von äußeren Umständen auf eine innere Einstellung regelmäßig möglich und teilweise auch geboten (vgl. nur zum Tötungsvorsatz bei objektiv äußerst gefährlichen Gewalthandlungen BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Feste Beweisregeln für die Feststellung innerer Sachverhalte kennt das Gesetz weder hinsichtlich des Angeklagten noch hinsichtlich möglicher Geschädigter. Es gilt vielmehr – unabhängig vom Tatbestand – der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO).
23
Soweit in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs anklingt, Feststellungen zum Irrtum seien beim Betrug in aller Regel nur möglich, wenn die irrende Person oder bei Massenbetrugsfällen jedenfalls einige der Geschädigten ermittelt und als Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645; BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459 f.), könnte der Senat dem nicht ohne weiteres folgen. Denn gerade bei einem normativ geprägten Vorstellungsbild wird der Schluss auf einen Irrtum des Verfügenden häufig allein auf tragfähige Indizien gestützt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216). Grundlage eines solchen Indizschlusses können auch äußere Umstände sein, die der Angeklagte glaubhaft gestanden hat, weshalb es keinen Rechtssatz des Inhalts gibt, Feststellungen zu einem Irrtum beim Betrug könnten nicht auf der Grundlage eines Geständnisses des Angeklagten getroffen werden (in diese Richtung aber wohl BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645; vgl. zu dieser Problematik auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, 460).
24
dd) In Massenbetrugsverfahren kann sich das Gericht seine Überzeugung von einem Irrtum vieler Geschädigter auch dadurch verschaffen, dass es einige der Geschädigten als Zeugen vernimmt (oder deren Aussagen auf andere Art und Weise in die Hauptverhandlung einführt) und aus deren Angaben zum Vorliegen eines Irrtums indiziell auf einen Irrtum bei anderen Geschädigten schließt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215; Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595; Urteil vom 27. März 2014 – 3 StR 342/13, NJW 2014, 2054; Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459).
25
b) Soweit es danach nahe gelegen hätte, die Angeklagten auch in den Fällen der Organisation einer „Anrufwelle“ jeweils wegen vollendeten Betruges zu verurteilen, sind sie durch die wenig nachvollziehbare Annahme bloßen Versuchs nicht beschwert.
26
c) Die Strafzumessung des Landgerichts ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es hat in den Vollendungsfällen jeweils zu Gunsten der Angeklagten gewürdigt , dass der Vollendungsschaden nur sehr gering war, zu ihren Lasten aber die Höhe des erstrebten unrechtmäßigen Vermögensvorteils. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 179). Weil in derartigen Fällen regelmäßig ein gegenüber dem Erfolgsunrecht besonders gesteigertes Handlungsunrecht vorliegt, ist es für die Strafzumessung nicht immer von entscheidender Bedeutung, ob es bei (einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kommt oder mangels Irrtums des Getäuschten oder wegen fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim Versuch bleibt. Wenn die Taten eine derartige Nähe zur Tatvollendung aufweisen, dass es vom bloßen Zu- fall abhängt, ob die Tatvollendung letztlich doch noch am fehlenden Irrtum des Tatopfers scheitert, kann das Tatgericht unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tatumstände des konkreten Einzelfalls zum Ergebnis gelangen, dass jedenfalls die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist (Senat, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 424).
Raum Rothfuß Graf
Radtke Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2014 - 1 StR 314/14

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2014 - 1 StR 314/14 zitiert 7 §§.

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 658/13 vom 17. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen Betrugs u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13

bei uns veröffentlicht am 22.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 430/13 vom 22. Mai 2014 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja _______________________________ StGB § 263 Abs. 1; StPO § 267 Abs. 1, § 261 Zu den Anforderungen a

Bundesgerichtshof Urteil, 05. März 2014 - 2 StR 616/12

bei uns veröffentlicht am 05.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 616/12 vom 5. März 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Betrugs Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom 5. Februar 2014 in der Verhandlung am 5. März
12 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2014 - 1 StR 314/14.

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2019 - 5 StR 479/18

bei uns veröffentlicht am 23.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 479/18 vom 23. Januar 2019 in der Strafsache gegen wegen Geldwäsche u.a. ECLI:DE:BGH:2019:230119U5STR479.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Januar 2019, a

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2018 - 5 StR 348/18

bei uns veröffentlicht am 16.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 348/18 vom 16. August 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges ECLI:DE:BGH:2018:160818B5STR348.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörun

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2017 - 5 StR 268/17

bei uns veröffentlicht am 06.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 268/17 vom 6. September 2017 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060917U5STR268.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September 2017,

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2017 - 2 StR 169/15

bei uns veröffentlicht am 16.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 169/15 vom 16. Mai 2017 in der Strafsache gegen wegen Betrugs u.a. ECLI:DE:BGH:2017:160517B2STR169.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführ

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

5 StR 191/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen veruntreuender Unterschlagung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Mai 2009

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2008 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 26. Februar 2007 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen eines im Dezember 2006 begangenen Vergehens der veruntreuenden Unterschlagung in Tateinheit mit Betrug und mit Vortäuschen einer Straftat eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt und unter Einbeziehung der beiden Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 26. Februar 2007 – dessen Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten aufgelöst wurde – eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gebildet. Wegen sieben weiterer nach der amtsgerichtlichen Verurteilung begangener Vergehen hat das Landgericht den Angeklagten zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt lediglich mit der Sachrüge zur Aufhebung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Soweit der Beschwerdeführer die unterbliebene Bescheidung eines Beweisantrags beanstandet, ist dem Revisionsvortrag nicht zu entnehmen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), dass er einen formgerechten Beweisantrag gestellt hat. Der in der Hauptverhandlung gestellte, in der Revisionsbegründung mitgeteilte Antrag bezeichnet – neben einer Beweisbehauptung – den Zeugen, dessen Anhörung begehrt wird, lediglich mit Vor- und Nachnamen. Dies ist für die Individualisierung des Zeugen als Beweismittel grundsätzlich nicht ausreichend; es bedarf vielmehr der Angabe der genauen ladungsfähigen Anschrift des Zeugen (vgl. BGHSt 40, 3, 7). Inwieweit und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch andere Arten der Individualisierung des Zeugen zur formgerechten Beweismittelbezeichnung ausreichen können (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 11, 34), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung (vgl. dazu BGHSt 40, 3, 5 ff.; Basdorf in Festschrift für Widmaier 2008 S. 51, 60 f.); es fehlt hier an jedem weiteren Individualisierungsansatz. Alle Individualisierungsfakten zur Beweismittelbezeichnung sind grundsätzlich in dem in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag zu bezeichnen. Dies mag im Einzelfall entbehrlich sein, wenn sie dem Tatgericht eindeutig bekannt sind, beispielsweise wenn der benannte Zeuge mit ladungsfähiger Anschrift in der Anklageschrift bezeichnet ist, wenn das Gericht ihn in dem Verfahren zuvor bereits geladen hat oder wenn es sich um eine Person handelt, die sich, wie prozessbekannt ist, unter derselben Adresse eines Prozessbeteiligten oder eines bereits vernommenen bzw. geladenen Zeugen aufhält. Dazu, dass es sich so verhalten hat, muss dann aber gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bei einer Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts zum Beleg, dass überhaupt ein formgerechter Beweisantrag gestellt worden ist, gegenüber dem Revisionsgericht vollständig vorgetragen werden (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40). Auch daran fehlt es hier völlig.
3
Dass der Generalbundesanwalt in seinem Antrag die Verfahrensrüge aus einem anderen, wegen einer Namensverwechselung nicht zutreffenden Grund (erfolgte Vernehmung des benannten Zeugen in der Hauptver- handlung) für nicht durchgreifend erachtet hat, hindert den Senat nicht an der sofortigen negativen Entscheidung über die Rüge in Anwendung des § 349 Abs. 2 StPO. Der Beschwerdeführer konnte den versäumten Revisionsvortrag nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht nachholen.
4
Ob die auf Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO gestützte Rüge wegen der Nichtbescheidung des Antrags auch von vornherein daran scheitern müsste, dass die Verteidigung in der Hauptverhandlung der Feststellung des Strafkammervorsitzenden, sämtliche Beweisanträge seien „beschieden bzw. anderweitig erledigt worden“, nicht entgegengetreten ist (vgl. Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft vom 6. April 2009), bedarf bei der gegebenen Sachlage keiner abschließenden Entscheidung; dies liegt aber vor dem Hintergrund der Stellung einer Vielzahl von Beweisanträgen durch die Verteidigung nicht fern (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 42).
5
2. Die erste Gesamtfreiheitsstrafe hat, wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, keinen Bestand, weil sie entgegen § 55 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB die Summe der Einzelstrafen erreicht. Mit Rücksicht auf eine anzunehmende fortdauernde Wirkkraft der vom Amtsgericht rechtskräftig verhängten früheren Gesamtstrafe darf das neue Tatgericht die Summe aus dieser jetzt aufzulösenden Gesamtfreiheitsstrafe und der hier einzubeziehenden Einzelfreiheitsstrafe (zwei Jahre und drei Monate) nicht überschreiten (vgl. BGHSt 15, 164, 166; BGH NStZ 2005, 210; Fischer, StGB 56. Aufl. § 55 Rdn. 18; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 55 Rdn. 31).
Basdorf Schaal Schneider Dölp König
5 StR 120/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 8. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2003

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. Juli 2002 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Soweit die Revisionen als Verstoß gegen das Beweisantragsrecht die Ablehnung der Anträge auf Vernehmung von Mitarbeitern der Firma A AG beanstanden, scheitern die Rügen bereits an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Im Revisionsvorbringen wird die Angabe konkret bezeichneter Beweismittel in den Anträgen nicht belegt (vgl. BGHSt 40, 3, 5 ff.). Die erforderliche Angabe ladungsfähiger Anschriften der Zeugen oder auch nur deren unmittelbarer Auffindbarkeit durch das Gericht wird durch eine nicht weiter belegte Bezugnahme auf angebliche Gerichtskundigkeit nicht ersetzt. Als Aufklärungsrügen müßten die Beanstandungen unter demselben Gesichtspunkt unvollständigen Rügevorbringens scheitern (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge

9).


Zu den nachgereichten Schriftsätzen des Angeklagten S vom 14. und 27. April 2003 ist lediglich anzumerken, daß das Revisionsgericht im Rahmen der Sachprüfung auf den Inhalt des Urteils beschränkt ist und weder die Urteilsgründe mit dem Akteninhalt abgleicht noch Gang und Ergebnis der Hauptverhandlung rekonstruiert (vgl. nur BGHSt 35, 238, 241).
Der Senat schließt aus, daß eine Erörterung der Herkunft der Kopien von Personalpapieren zu einem anderen Beweisergebnis geführt hätte. Das Landgericht hat sie nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe als von der Maklerfirma stammend betrachtet. Nachdem es aber deren Mitarbeiter als verdächtig ansah, zur Erlangung von Provisionen ihres Unternehmens an der Täuschung der Versicherung mitgewirkt zu haben (UA S. 36 – 38; 42), ergäbe sich für die Bewertung des hier vorliegenden auch fremdnützigen Betruges (vgl. BGH, Urt. vom 10. Oktober 1996 – 5 StR 634/95) nichts für die Angeklagten Günstiges.
Die Annahme von Tatmehrheit ist nach den tatsächlichen Feststellungen mindestens vertretbar. Im übrigen könnte eine Umstellung auf Tateinheit am Schuldumfang und am Sanktionsergebnis nichts ändern.
Harms Häger Basdorf Raum Brause

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 191/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen veruntreuender Unterschlagung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Mai 2009

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2008 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 26. Februar 2007 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen eines im Dezember 2006 begangenen Vergehens der veruntreuenden Unterschlagung in Tateinheit mit Betrug und mit Vortäuschen einer Straftat eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt und unter Einbeziehung der beiden Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 26. Februar 2007 – dessen Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten aufgelöst wurde – eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gebildet. Wegen sieben weiterer nach der amtsgerichtlichen Verurteilung begangener Vergehen hat das Landgericht den Angeklagten zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt lediglich mit der Sachrüge zur Aufhebung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Soweit der Beschwerdeführer die unterbliebene Bescheidung eines Beweisantrags beanstandet, ist dem Revisionsvortrag nicht zu entnehmen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), dass er einen formgerechten Beweisantrag gestellt hat. Der in der Hauptverhandlung gestellte, in der Revisionsbegründung mitgeteilte Antrag bezeichnet – neben einer Beweisbehauptung – den Zeugen, dessen Anhörung begehrt wird, lediglich mit Vor- und Nachnamen. Dies ist für die Individualisierung des Zeugen als Beweismittel grundsätzlich nicht ausreichend; es bedarf vielmehr der Angabe der genauen ladungsfähigen Anschrift des Zeugen (vgl. BGHSt 40, 3, 7). Inwieweit und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch andere Arten der Individualisierung des Zeugen zur formgerechten Beweismittelbezeichnung ausreichen können (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 11, 34), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung (vgl. dazu BGHSt 40, 3, 5 ff.; Basdorf in Festschrift für Widmaier 2008 S. 51, 60 f.); es fehlt hier an jedem weiteren Individualisierungsansatz. Alle Individualisierungsfakten zur Beweismittelbezeichnung sind grundsätzlich in dem in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag zu bezeichnen. Dies mag im Einzelfall entbehrlich sein, wenn sie dem Tatgericht eindeutig bekannt sind, beispielsweise wenn der benannte Zeuge mit ladungsfähiger Anschrift in der Anklageschrift bezeichnet ist, wenn das Gericht ihn in dem Verfahren zuvor bereits geladen hat oder wenn es sich um eine Person handelt, die sich, wie prozessbekannt ist, unter derselben Adresse eines Prozessbeteiligten oder eines bereits vernommenen bzw. geladenen Zeugen aufhält. Dazu, dass es sich so verhalten hat, muss dann aber gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bei einer Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts zum Beleg, dass überhaupt ein formgerechter Beweisantrag gestellt worden ist, gegenüber dem Revisionsgericht vollständig vorgetragen werden (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40). Auch daran fehlt es hier völlig.
3
Dass der Generalbundesanwalt in seinem Antrag die Verfahrensrüge aus einem anderen, wegen einer Namensverwechselung nicht zutreffenden Grund (erfolgte Vernehmung des benannten Zeugen in der Hauptver- handlung) für nicht durchgreifend erachtet hat, hindert den Senat nicht an der sofortigen negativen Entscheidung über die Rüge in Anwendung des § 349 Abs. 2 StPO. Der Beschwerdeführer konnte den versäumten Revisionsvortrag nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht nachholen.
4
Ob die auf Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO gestützte Rüge wegen der Nichtbescheidung des Antrags auch von vornherein daran scheitern müsste, dass die Verteidigung in der Hauptverhandlung der Feststellung des Strafkammervorsitzenden, sämtliche Beweisanträge seien „beschieden bzw. anderweitig erledigt worden“, nicht entgegengetreten ist (vgl. Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft vom 6. April 2009), bedarf bei der gegebenen Sachlage keiner abschließenden Entscheidung; dies liegt aber vor dem Hintergrund der Stellung einer Vielzahl von Beweisanträgen durch die Verteidigung nicht fern (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 42).
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2. Die erste Gesamtfreiheitsstrafe hat, wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, keinen Bestand, weil sie entgegen § 55 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB die Summe der Einzelstrafen erreicht. Mit Rücksicht auf eine anzunehmende fortdauernde Wirkkraft der vom Amtsgericht rechtskräftig verhängten früheren Gesamtstrafe darf das neue Tatgericht die Summe aus dieser jetzt aufzulösenden Gesamtfreiheitsstrafe und der hier einzubeziehenden Einzelfreiheitsstrafe (zwei Jahre und drei Monate) nicht überschreiten (vgl. BGHSt 15, 164, 166; BGH NStZ 2005, 210; Fischer, StGB 56. Aufl. § 55 Rdn. 18; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 55 Rdn. 31).
Basdorf Schaal Schneider Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 263/12
vom
6. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 21. Februar 2012 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines Betruges in jeweils tateinheitlich begangenen fünfzehn vollendeten und 53.479 versuchten Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
3
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer und „spiritus rector“ mit zwei weiteren nicht revidierenden Mit- angeklagten von Januar 2006 bis Ende des Jahres 2009 die Kreditvermittlungsgesellschaft D. GmbH. Das Geschäftsmodell zielte darauf ab, unter dem Deckmantel einer seriösen Kreditvermittlung von den sich regelmäßig in einer finanziellen Notlage befindenden Kunden einen Auslagenersatzbetrag für Porto-, Telefon- und Auskunftskosten in Höhe von je 47,80 Euro (bzw. vor September 2006 bis 48 Euro) einzutreiben, indem den Kunden wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, dass der Gesellschaft bei der Kreditvermittlung er- forderliche Auslagen i.S.d. § 655d Satz 2 BGB in der geltend gemachten Höhe tatsächlich entstanden seien.
4
Die Kunden wurden mit dem Versprechen geworben, ihnen könnten auf- grund eines „Sofortkredit-Vermittlungsvertrages“ Kredite vermittelt werden, oh- ne dass durch die Kreditanfrage Kosten entstünden. Tatsächlich wollten die Angeklagten allen Kunden, die den „Sofortkredit-Vermittlungsvertrag“ unterschrieben , einen bestimmten Betrag unter 48 Euro - ggf. zuzüglich Mahn- und Inkassokosten - für angeblich "erforderliche Auslagen" in Rechnung stellen (UA S. 13), obwohl bei der Kreditvermittlung Auslagen nur zu einem Bruchteil dieses Betrages entstanden, die letztlich pro Kunde 3,20 Euro nicht überschritten (UA S. 20). Obwohl dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. bekannt war, dass sie gesetzlich lediglich berechtigt waren, tatsächlich im Einzelfall entstandene erforderliche Auslagen, nicht jedoch die allgemeinen Geschäftsunkosten auf die Kunden umzulegen, wollten sie durch die Gestaltung des Rechnungstextes bei den Kunden die Fehlvorstellung hervorrufen, die Auslagen seien in der geltend gemachten Höhe entstanden und die Kunden seien auch zur Bezahlung des Rechnungsbetrages verpflichtet (UA S. 19 f).
5
Dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. war aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen im Kreditvermittlungsgeschäft bekannt, dass wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage der angesprochenen Klientel nur in den wenigsten Fällen eine erfolgreiche Kreditvermittlung in Betracht kam. Ihnen ging es jedoch nicht darum, Kredite zu vermitteln. Vielmehr war das System von Anfang an darauf angelegt, unter dem Anschein einer seriösen Kreditvermittlung sich gezielt an den in der Regel nahezu mittellosen Kunden zu bereichern und diese dadurch zu schädigen. Dabei rechneten die Angeklagten damit, dass sich die wenigsten Kunden gegen den vergleichsweise geringen Rechnungsbetrag wehren würden. Allerdings gingen sie aufgrund ihrer Erfahrungen davon aus, dass nur etwa 40 Prozent den Rechnungsbetrag begleichen würden (UA S. 14).
6
Zwischen Januar 2006 und Dezember 2009 wurden auf die dargestellte Weise 140.000 Kunden falsche Rechnungen über Auslagenersatz gestellt, auf die - womit die Angeklagten rechneten - nur etwa 40 Prozent der Kunden bezahlten.
7
Aufgrund einer auf die Einvernahme von fünfzehn Kunden beschränkten Beweisaufnahme hat das Landgericht festgestellt, dass lediglich diese Kunden in der irrigen Annahme, der D. GmbH seien tatsächlich Kosten in der geltend gemachten Höhe entstanden, gezahlt hatten (UA S. 902). In den übrigen 53.479 Fällen über Rechnungsbeträge von insgesamt mehr als 2,8 Mio. Euro ging das Landgericht mangels festgestellter Irrtumserregung lediglich von versuchter Täuschung der Kunden aus. Unter Abzug von zehn Prozent höchstens tatsächlich erforderlicher Auslagen nahm es dabei eine erstrebte Bereicherung von etwa 2,5 Mio. Euro an (UA S. 903).
8
2. Das Landgericht ist wegen Vorliegens eines sog. uneigentlichen Organisationsdelikts von Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen allen Betrugstaten (§ 263 StGB) ausgegangen (UA S. 915). Hierbei hat es nur in 15 Fällen Vollendung und im Übrigen - entsprechend einem rechtlichen Hinweis in der Hauptverhandlung - lediglich versuchten Betrug angenommen. In den weiteren 53.479 Fällen habe es „nicht vollkommen ausschließen“ können, „dass Rech- nungsempfänger die Unrichtigkeit der Rechnungsstellung erkannten und aus- schließlich leisteten, um ihre Ruhe zu haben“. Nach Auffassung des Landge- richts hätte eine umfassende Aufklärung die Vernehmung sämtlicher Kunden erfordert, um die Motivation bei der Überweisung des Rechnungsbetrages zu ergründen. Dies sei bei über 50.000 Kunden „aus prozessökonomischen Grün- den“ nicht möglich gewesen (UA S. 914).
9
3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; die von der Revision des Angeklagten erhobenen formellen und materiellen Beanstandungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
10
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Vorgehensweise des Landgerichts , nur fünfzehn Geschädigte zu vernehmen und im Übrigen hinsichtlich der weit überwiegenden Zahl der tateinheitlich begangenen Taten „aus verfahrensökonomischen Gründen“ lediglich Tatversuch anzunehmen (UA S. 914, 917). Das Landgericht sah sich ersichtlich nur auf diesem Wege in der Lage, die Hauptverhandlung, die bereits nahezu fünf Monate gedauert hatte, in angemessener Zeit zu beenden.
11
a) Die vom Landgericht mit dem Begriff der „Prozessökonomie“ be- schriebene Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege zu erhalten (vgl. dazu auch Landau, Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, NStZ 2007, 121), besteht. Jedoch muss ein Tatgericht im Rahmen der Beweisaufnahme die in der Strafprozessordnung dafür bereit gehaltenen Wege beschreiten. Ein solcher Weg ist etwa die Beschränkung des Verfahrensstoffes gemäß den §§ 154, 154a StPO, die allerdings die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft voraussetzen. Eine einseitige Beschränkung der Strafverfolgung auf bloßen Tatversuch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wie sie das Landgericht hier - freilich im Rahmen gleichartiger Tateinheit mit vollendeten Delikten - vorgenommen hat, sieht die Strafprozessordnung jedoch nicht vor.
12
b) Es trifft allerdings zu, dass in Fällen eines hohen Gesamtschadens, der sich aus einer sehr großen Anzahl von Kleinschäden zusammensetzt, die Möglichkeiten einer sinnvollen Verfahrensbeschränkung eingeschränkt sind. Denn dann sind keine Taten mit höheren Einzelschäden vorhanden, auf die das Verfahren sinnvoll beschränkt werden könnte.
13
Dies bedeutet aber nicht, dass es einem Gericht deshalb - um überhaupt in angemessener Zeit zu einem Verfahrensabschluss gelangen zu können - ohne weiteres erlaubt wäre, die Beweiserhebung über den Taterfolg zu unterlassen und lediglich wegen Versuches zu verurteilen. Vielmehr hat das Tatgericht die von der Anklage umfasste prozessuale Tat (§ 264 StPO) im Rahmen seiner gerichtlichen Kognitionspflicht nach den für die Beweisaufnahme geltenden Regeln der Strafprozessordnung (vgl. § 244 StPO) aufzuklären. Die richterliche Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet dabei, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
14
c) Für das Tatbestandsmerkmal des Irrtums bei Betrug (§ 263 StGB) bedeutet dies:
15
aa) Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Die Überzeugung des Gerichts, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist, wird dabei - von einfach gelagerten Fällen (z.B. bei standardisierten, auf massenhafte Erledigung ausgerichteten Abrechnungsverfahren ) abgesehen - in der Regel dessen Vernehmung erfordern (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314).
16
bb) Allerdings stößt die praktische Feststellung des Irrtums im Strafverfahren als Tatfrage nicht selten auf Schwierigkeiten. Diese können jedoch in vielen Fällen dadurch überwunden werden, dass das Tatgericht seine Überzeugung auf Indizien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - 4 StR 347/93, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9) wie das wirtschaftliche oder sonstige Interesse des Opfers an der Vermeidung einer Schädigung seines eigenen Vermögens (vgl. Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 87) stützen kann. In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes kann es daher insgesamt ausreichen , nur einige Zeugen einzuvernehmen, wenn sich dabei das Ergebnis bestätigt findet. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof etwa die Vernehmung der 170.000 Empfänger einer falsch berechneten Straßenreinigungsgebührenrechnung für entbehrlich gehalten (BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434; vgl. dazu auch Hebenstreit in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011, § 47 Rn. 37).
17
cc) Ist die Beweisaufnahme auf eine Vielzahl Geschädigter zu erstrecken , besteht zudem die Möglichkeit, bereits im Ermittlungsverfahren durch Fragebögen zu ermitteln, aus welchen Gründen die Leistenden die ihr Vermögen schädigende Verfügung vorgenommen haben. Das Ergebnis dieser Erhebung kann dann - etwa nach Maßgabe des § 251 StPO - in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Hierauf kann dann auch die Überzeugung des Gerichts gestützt werden, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen die Leistenden eine Vermögensverfügung irrtumsbedingt vorgenommen haben.
18
Ob es in derartigen Fällen dann noch einer persönlichen Vernehmung von Geschädigten bedarf, entscheidet sich nach den Erfordernissen des Amtsaufklärungsgrundsatzes (§ 244 Abs. 2 StPO) und des Beweisantragsrechts (insb. § 244 Abs. 3 StPO). In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbil- des kommt dabei die Ablehnung des Antrags auf die Vernehmung einer größeren Zahl von Geschädigten als Zeugen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434).
19
dd) Demgegenüber dürfte in Fällen mit individueller Motivation zur Leis- tung eines jeden Verfügenden die „Schätzung einer Irrtumsquote“ als Methode der Überzeugungsbildung nach § 261 StPO ausscheiden. Hat ein Tatgericht in solchen Fällen Zweifel, dass ein Verfügender, ohne sich über seine Zahlungspflicht geirrt zu haben, allein deshalb geleistet hat, „um seine Ruhe zu haben“, muss es nach dem Zweifelssatz („in dubio pro reo“) zu Gunsten des Täters ent- scheiden, sofern nicht aussagekräftige Indizien für das Vorliegen eines Irrtums vorliegen, die die Zweifel wieder zerstreuen.
20
d) Für die Strafzumessung hat die Frage, ob bei einzelnen Betrugstaten Vollendung gegeben oder nur Versuch eingetreten ist, in der Regel bestimmende Bedeutung.
21
Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen es für die Strafzumessung im Ergebnis nicht bestimmend ist, ob es bei (einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kam oder mangels Irrtums des Getäuschten oder wegen fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim Versuch blieb. Solches kommt etwa in Betracht, wenn Taten eine derartige Nähe zur Tatvollendung aufwiesen, dass es - insbesondere aus Sicht des Täters - vom bloßen Zufall abhing, ob die Tatvollendung letztlich doch noch am fehlenden Irrtum des Tatopfers scheitern konnte. Denn dann kann das Tatgericht unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tatumstände des konkreten Einzelfalls zum Ergebnis gelangen, dass jedenfalls die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 261/10, wistra 2011, 18 mwN). Eine solche Wertung hat das Tatgericht in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht ebenso nachprüfbar darzulegen wie die Würdigung, dass und aus welchen Gründen (etwa Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie) der Umstand, dass die getroffene Vermögensverfügung letztlich trotz eines entsprechenden Vorsatzes des Täters nicht auf einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung beruhte, auch für die konkrete Strafzumessung im Rahmen des eröffneten Strafrahmens nicht von Bedeutung war.
22
e) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob hier ein normativ geprägter Irrtum vorliegen könnte, mit der Folge, dass die Anwendung des Zweifelssatzes durch das Landgericht sachlich-rechtlich fehlerhaft gewesen sein könn- te. Denn jedenfalls ist der Angeklagte durch die vom Landgericht „aus prozessökonomischen Gründen“ gewählte Verfahrensweise nicht beschwert. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn es hinsichtlich weiterer tateinheitlich begangener Taten statt von Versuch von Tatvollendung ausgegangen wäre.
Richter am BGH Dr. Wahl ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
Nack Nack Jäger Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 162/13
vom
22. November 2013
Nachschlagewerk: ja - nur zu B. I. der Gründe
BGHSt: ja - nur zu B. I. der Gründe
Veröffentlichung: ja - nur zu B. I. der Gründe
___________________________________
Bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages ist für die Entbindung des Hauptschöffen
von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag,
nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich.
BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
22. August 2013 in der Sitzung am 22. November 2013, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung am 22. August 2013
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Dezember 2012 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen II. 9, 12 bis 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 36, 39 und 43 der Urteilsgründe im Schuld- und Strafausspruch,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe, soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 43 Fällen, davon in 28 Fällen in Tateinheit mit "gewerbsmäßigem" Betrug sowie in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug , und wegen versuchten Inverkehrbringens von Falschgeld in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, dass der Angeklagte in den 15 Fällen des vollendeten Inverkehrbringens tateinheitlich lediglich wegen versuchten und nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt worden ist. Zudem rügt sie, dass eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO unterblieben ist. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erhielt von einem Schuldner einen erheblichen Bargeldbetrag , unter dem sich neben echtem Geld auch Falschgeld mit einer sehr hohen Fälschungsqualität im Nennwert von 20.000 € befand. Nachdem der Angeklagte dies erkannt hatte, wollte er den Schaden nicht hinnehmen und entschloss sich daher, das Falschgeld unter anderem bei Reisen nach Deutschland sukzessive in Verkehr zu bringen. Dies tat er sodann in der Zeit vom 20. November 2008 bis zum 25. April 2012 in Berlin, Köln und Hannover, indem er bei Bareinkäufen insgesamt 45 gefälschte 200-Euro-Scheine zur Bezahlung von Waren hingab, um dadurch diese und das Wechselgeld zu erhalten, was ihm in all diesen Fällen auch gelang. In einem weiteren Fall versuchte er dies.
4
A. Revision der Staatsanwaltschaft
5
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Schuldsprüche , die die Verurteilung wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug betreffen, die Gesamtstrafe und die unterbliebene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe beschränkt. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Revisionsantrag. Allerdings folgt aus der Revisionsbegründung , dass die Revisionsführerin das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der genannten Punkte für rechtsfehlerhaft hält (vgl. zur entsprechenden Auslegung der Revision BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - 1 StR 476/12, NStZ-RR 2013, 279, 280 mwN).
6
II. Die Verurteilung des Angeklagten wegen - tateinheitlich mit vollendetem Inverkehrbringen von Falschgeld begangenen - versuchten ("gewerbsmäßigen" ) Betruges in 15 Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit beruht die Annahme des Landgerichts, die vom Angeklagten tateinheitlich begangenen Betrugstaten seien lediglich versucht, auf einer unzureichenden rechtlichen Prüfung und Würdigung der Feststellungen.
7
Das Landgericht hat seine Annahme, in diesen 15 Fällen sei hinsichtlich des Betruges Vollendung nicht eingetreten, in zwei Fällen (Fälle II. 12 und 36 der Urteilsgründe) darauf gestützt, dass sich die Kassierer keine bewussten Gedanken über die Echtheit des 200-Euro-Scheines gemacht hätten und deshalb "kein Irrtum eingetreten" sei. In den übrigen 13 Fällen (Fälle II. 9, 13, 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 39 und 43) hat es diese Annahme damit begründet, dass die beteiligten Kassierer nicht oder überhaupt keine Zeugen dieser Taten ermittelt werden konnten und deshalb das Vorliegen eines - von dem Angeklagten durch Täuschung erregten - tatbestandlichen Irrtums im Sinne von § 263 StGB nicht nachzuweisen sei. Diese Annahmen zeigen auf, dass die Strafkammer einen zu strengen Maßstab an das Vorliegen des Tatbestandmerkmals "Irrtum" angelegt und die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung überspannt hat; sie sind mithin zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
8
1. Ein - durch die Täuschungshandlung erregter oder unterhaltener - Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung (des Getäuschten) und der Wirklichkeit (vgl. LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 77 ff. mwN). Das gänzliche Fehlen einer Vorstellung begründet für sich allein keinen Irrtum. Allerdings kann ein solcher auch in den Fällen gegeben sein, in denen die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in der Abweichung eines "sachgedanklichen Mitbewusstseins" von den tatsächlichen Umständen besteht. Danach ist insbesondere der Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte von als selbstverständlich angesehenen Erwartungen geprägt, die zwar nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden, jedoch der vermögensrelevanten Handlung als hinreichend konkretisierte Tatsachenvorstellung zugrunde liegen (vgl. LK/Tiedemann, aaO Rn. 79). Diese Grundsätze hätte das Landgericht in den vorbezeichneten Fällen in seine Prüfung eines tatbestandlichen Irrtums der kassierenden Personen einbeziehen müssen.
9
2. In den Einzelfällen, in denen die Kassierer oder Tatzeugen nicht ermittelt werden konnten, kommt hinzu, dass das Landgericht die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt hat. Zwar ist in den Urteilsgründen grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.); danach wird es regelmäßig erforderlich sein, die irrende Person zu ermitteln und in der Haupt- verhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Vielmehr kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen ) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden. In der Regel kann das Gericht auch aus Indizien auf einen Irrtum schließen. In diesem Zusammenhang kann etwa eine Rolle spielen , ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im Interesse eines anderen verpflichtet war, sich von der Wahrheit der Behauptungen des Täters zu überzeugen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434). Wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verfügende kollusiv mit dem täuschenden Täter zusammengearbeitet oder aus einem sonstigen Grund Kenntnis von der Täuschung erlangt hatte und der durch die Täuschung erregte Irrtum deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte, können sogar nähere Feststellungen dazu, wer verfügt hat, entbehrlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885).
10
So verhält es sich hier. Da an einer Kasse beschäftigte Mitarbeiter eines Unternehmens schon aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung den Antrag eines Kunden auf Abschluss eines Kaufvertrages zurückweisen müssen, wenn der Kunde seiner Zahlungspflicht nicht sofort oder nicht vollständig nachkommt , es sich vorliegend um sehr gut gefälschte 200-Euro-Scheine handelte und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine bewusste Entgegennahme von Falschgeld durch die Kassierenden gegeben sind, liegt auch in diesen Fällen - selbst wenn die Verfügenden keine konkrete Erinnerung an den jeweiligen Vorgang mehr hatten oder diese sowie andere Tatzeugen nicht ermittelt wer- den konnten - das Vorliegen eines Irrtums nahe. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
11
3. Die Einheitlichkeit der Tat steht in den vorbezeichneten Fällen der Aufrechterhaltung der - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld entgegen (vgl. Meyer -Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 7a), so dass die Sache insoweit insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf.
12
III. Das angefochtene Urteil kann weiterhin nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht es unterlassen hat, in den Fällen II. 1 bis 31 und 33 bis 44 über eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Frage, inwieweit die Beanstandung der Nichtanwendung des § 111i Abs. 2 StPO einer Verfahrensrüge bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 5 StR 306/12, NJW 2013, 950, 951), nicht an, da jedenfalls der Revisionsbegründung eine solche Rüge, welche die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllen würde, entnommen werden kann.
13
Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte in 43 Fällen aus seinen Taten Waren und Wechselgeld erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Da der Anordnung des Verfalls nach den Feststellungen die Ansprüche der jeweils Geschädigten entgegenstehen, hätte das Landgericht in Ausübung seines ihm insoweit zustehenden pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden müssen , ob es die für das weitere Verfahren erforderlichen Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO trifft. Hierzu verhält sich das Urteil jedoch weder ausdrücklich noch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung geprüft und von dem ihm zustehenden Ermessen in der Art und Weise Gebrauch gemacht hat, dass es eine entsprechende Anordnung nicht treffen wollte. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem das Gericht von einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO absehen durfte oder musste, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. BT-Drucks. 16/700 S. 16; BGH, Urteil vom 17. Juni 2009 - 2 StR 195/09, juris Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN).
14
B. Revision des Angeklagten
15
I. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte - im Ergebnis erfolglos -, dass die Strafkammer hinsichtlich eines Schöffen nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO).
16
1. Der Rüge liegt im Wesentlichen der folgende Verfahrensgang zugrunde :
17
Der Vorsitzende bestimmte mit Verfügung vom 24. September 2012 Termin zur Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 4. Oktober 2012 und verfügte , dass "die Schöffen des 05.10.12" zu laden seien. Der für den ordentlichen Sitzungstag am Freitag, den 5. Oktober 2012 heranzuziehende Hauptschöffe , der Schöffe Q. , hatte bereits im Dezember 2011 schriftlich mitgeteilt , dass er drei vorgesehene Termine als Schöffe nicht wahrnehmen könne, da er sich an diesen im Urlaub befinden werde; zu diesen Terminen gehörte auch der 5. Oktober 2012. Auf eine Mitteilung seiner Serviceeinheit entschied der Vorsitzende daraufhin, dass der Schöffe von der Dienstleistung gem. § 54 GVG befreit werde. Darauf wurde der von der Schöffengeschäftsstelle als nächstbereiter Hilfsschöffe festgestellte Schöffe B. geladen. Diesen befreite der Vorsitzende ebenfalls von der Dienstleistung, da der Hilfsschöffe mitgeteilt hatte, dass er sich vom 2. bis 6. Oktober 2012 im Krankenhaus befinden werde. Der danach geladene nächstbereite Hilfsschöffe, der Schöffe M. , nahm schließlich an der Hauptverhandlung - neben der weiteren, regulär für den ordentlichen Sitzungstag vom 5. Oktober 2012 heranzuziehende (Haupt-) Schöffin - teil.
18
In der Hauptverhandlung rügte der Verteidiger noch vor Vernehmung des Angeklagten zur Sache die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen M. und trug vor, dass die Entbindung des Hauptschöffen Q. sich als objektiv willkürliche Richterentziehung darstelle, weil dieser am 4. Oktober 2012 gar nicht verhindert gewesen sei. Diesen Besetzungseinwand wies die Strafkammer als unbegründet zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass für den 4. Oktober 2012 die Schöffen zu laden gewesen seien, die "hätten geladen werden müssen, wenn der 5.10.2012 - wie ursprünglich geplant - der erste ordentliche Sitzungstag gewesen wäre". Wegen der Verhinderung des Schöffen Q. (und des Hilfsschöffen B. ) am 5. Oktober 2012 sei der Hilfsschöffe M. zu laden gewesen. Dessen Bestellung sowie die Entbindung des Hauptschöffen Q. von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden seien mit Blick auf den Vermerk der Geschäftsstelle über die Verhinderung des Hauptschöffen Q. im Übrigen jedenfalls nicht willkürlich erfolgt.
19
2. Die Verfahrensbeanstandung bleibt ohne Erfolg. Das erkennende Gericht war nicht vorschriftswidrig im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO besetzt; denn der mitwirkende Hilfsschöffe M. war aufgrund der vorangegangenen Entbindung des Hauptschöffen sowie der - nicht beanstandeten - Entbindung des zunächst heranzuziehenden weiteren Hilfsschöffen der zur Mitwirkung berufene Richter. Die auf § 54 GVG gestützte Entscheidung des Vorsitzenden, den Hauptschöffen Q. von der Dienstleistung am 4. Oktober 2012 zu entbinden , beruhte zwar auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab, war indes jedenfalls nicht willkürlich.
20
Im Einzelnen:
21
a) Die - bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte - Frage, ob bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die Verhinderung des Hauptschöffen an diesem oder an dem - infolge der Verlegung an einem anderen Tag stattfindenden - tatsächlichen Sitzungstag für seine Entbindung von der Dienstleistung maßgebend ist, ist dahin zu entscheiden, dass für die Entbindung des ("Haupt-") Schöffen von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag, nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
22
Die Verlegung des Beginns einer ordentlichen, gemäß § 45 Abs. 1 GVG bestimmten Sitzung auf einen anderen Tag führt dazu, dass die gemäß § 77 GVG im Voraus für den verlegten ordentliche Sitzungstag bestimmten Hauptschöffen heranzuziehen sind; anders als bei der unzulässigen Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung, zu der gemäß §§ 47, 77 Abs. 1 GVG die zur Mitwirkung berufenen Schöffen aus der Hilfsschöffenliste herangezogen werden , wird hierdurch der Angeklagte nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1957 - 1 StR 254/57, BGHSt 11, 54 ff.). Demnach gebührt allgemein der Mitwirkung der Hauptschöffen der Vorrang vor der Heranziehung von Hilfsschöffen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1995 - 5 StR 532/94, BGHSt 41, 175, 177). Dieser Grundsatz spricht bereits dafür, den Hauptschöffen, der lediglich an dem ursprünglich festgestellten ordentlichen Sitzungstag, nicht aber an dem tatsächlich bestimmten, vom ordentlichen Sitzungstermin abweichenden Tag verhindert ist, zu der Sitzung heranzuziehen. Zudem ist der Schöffe an dem durch die Verlegung des Sitzungstages bestimmten, die Stelle des ordentlichen Sitzungstages einnehmenden ("neuen") Sitzungstag gerade nicht an der Dienstleistung gehindert im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 GVG. Schließlich wäre bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die (zusätzliche) Berücksichtigung der Verhinderung eines Schöffen an diesem Tag nicht praxisgerecht: Zum einen müsste zur Feststellung des gesetzlichen Richters regelmäßig geprüft werden, ob der Schöffe (auch) an dem ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, und zwar auch dann, wenn an diesem Tag tatsächlich gar keine Sitzung stattfindet; zum anderen wäre der Schöffe im Sinne des § 54 Abs. 1 GVG verhindert, wenn er am ordentlichen Sitzungstag, an dem tatsächlich keine Sitzung stattfindet, nicht aber am tatsächlichen Sitzungstag an der Dienstleistung gehindert ist. Die Verhinderung am ordentlichen Sitzungstag als maßgebend anzusehen, hätte bei strikter Beachtung schließlich zur Folge, dass der Schöffe, der zwar am verlegten neuen Sitzungstag, nicht aber am ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, zur Mitwirkung berufen und heranzuziehen wäre. Da dieser Schöffe indes seine Dienstleistung wegen Verhinderung tatsächlich nicht erbringen könnte, wäre eine dem Grundsatz des gesetzlichen Richters genügende, vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung jedenfalls an dem neuen Sitzungstag nicht möglich.
23
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass von den vorstehenden Maßstäben , nach denen für die Gerichtsbesetzung die Verhinderung eines Schöffen am tatsächlichen und nicht (auch) am ordentlichen Sitzungstag maßgeblich ist, die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung bei einer (vorherigen ) Entbindung eines am Sitzungstag tatsächlich nicht (mehr) verhinderten Schöffen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11) nicht berührt wird.
24
b) Soweit die Entbindungsentscheidung demgegenüber auf der Verhinderung des Schöffen nicht am tatsächlichen, sondern am ursprünglichen Sitzungstag beruht, hat dies gleichwohl in der hier gegebenen Konstellation keine ordnungswidrige Besetzung der Kammer zur Folge; denn der Schöffe, der wirk- sam von seiner Dienstleistung entbunden ist (§ 54 Abs. 1, § 77 Abs. 1 GVG), ist infolge seiner Entbindung nicht mehr der gesetzliche Richter. An seine Stelle tritt gemäß §§ 49, 77 Abs. 1 GVG derjenige Hilfsschöffe, der an bereitester Stelle auf der Schöffenliste steht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 54 Rn. 18). Die Entbindungsentscheidung selbst ist gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1, § 77 Abs. 1 GVG unanfechtbar und unterliegt daher nicht der Prüfung des Revisionsgerichts (§ 336 Satz 2 Alt. 1 StPO). Die auf der Entbindungsentscheidung beruhende Gerichtsbesetzung kann somit grundsätzlich nicht nach § 338 Nr. 1 StPO mit der Revision gerügt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich und der verfassungsrechtliche Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG verletzt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1982 - 2 StR 32/82, BGHSt 31, 3, 5; vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476; vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 222; s. auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 2000 - 3 StR 378/00, BGHSt 46, 238, 241; BT-Drucks. 8/976, S. 66; LR/Gittermann, StPO, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 19 f.).
25
Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG, § 336 Satz 2 Alt. 1 StPO kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich. So wird das Bundesverfassungsgericht durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu einem Kontrollorgan , das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet die fehlerhafte Auslegung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar sind (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690). Etwas anderes gilt lediglich in dem - hier nicht gegebenen - Fall, dass nicht die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel, sondern die Verfassungsmäßigkeit der der Rechtsanwendung zugrunde liegenden Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans ) selbst zu prüfen ist (BVerfG aaO; BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a., NJW 2012, 2334, 2335 mwN).
26
c) Daran gemessen hält die Entbindung des Hauptschöffen Q. der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, der am ordentlichen Sitzungstag verhinderte Hauptschöffe sei (auch) am vorverlegten Sitzungstag, dem 4. Oktober 2012, an der Dienstleistung gehindert, stellt keine nicht mehr vertretbare , objektiv willkürliche Rechtsauslegung dar. Dies ergibt sich bereits daraus , dass die hier zugrundeliegende Rechtsfrage vor der Entscheidung des Senats noch nicht geklärt war und in der Sache unterschiedliche Ansichten nicht unvertretbar waren. So ist etwa auch der Generalbundesanwalt davon ausgegangen, dass für die Frage der Verhinderung auf den ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag abzustellen sei, da bei einem Sitzungsbeginn an diesem Tag die Kammer mit dem Hilfsschöffen ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre und bei einer Vorverlegung nichts anderes gelten könne.
27
Auf die Frage, ob die Entscheidung des Vorsitzenden auch deshalb nicht willkürlich war, weil er den Schöffen aufgrund des Vermerks der Geschäftsstelle entbunden hat, kommt es danach nicht mehr an.
28
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
29
Entgegen der Auffassung der Revision sind insbesondere die konkurrenzrechtlichen Bewertungen des Urteils nicht zu beanstanden. Tateinheit zwischen Inverkehrbringen von Falschgeld und Betrug ist angesichts der - von der Revision selbst erkannten - unterschiedlichen Schutzrichtung der beiden Tatbestände möglich (vgl. auch BGH, Urteile vom 27. September 1977 - 1 StR 374/77, juris Rn. 44 mwN; vom 10. Mai 1983 - 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380 ff.) und vorliegend durch die Feststellungen auch belegt.
30
Dass der Angeklagte das Falschgeld in einem Akt erhalten hat und sich dazu entschloss, es sukzessive in Verkehr zu bringen, führt nicht zu einer einzigen Tat. Ein einheitlicher Gesetzesverstoß setzt in der hier gegebenen Konstellation voraus, dass der Täter sich das Geld in der Absicht verschafft, es später abzusetzen, und er diese Absicht später verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2011 - 3 StR 51/11, NStZ 2011, 516 f. mwN). Da der Angeklagte bei Erhalt des Falschgeldes ohne Vorsatz handelte, lag zu diesem Zeitpunkt noch keine tatbestandliche Handlung vor, welche die späteren Absatzhandlungen zu einer einzigen Tat verbinden könnte. Auch eine natürliche Handlungseinheit ist nicht gegeben, da es an einem dafür erforderlichen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den sich über mehr als drei Jahre hinziehenden einzelnen Handlungen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2012 - 3 StR 422/11, StV 2013, 382, 383 mwN).
31
Schließlich begegnet die Annahme einer - indes als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges nicht in die Urteilsformel aufzunehmenden - gewerbsmäßigen Begehungsweise gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB keinen Bedenken; denn der Angeklagte wollte sich nach den Feststellungen ersichtlich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Anders als in Fällen des § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB, in denen es bei einem einheitlichen Verschaffungsvorgang an der Absicht wiederholter Tatbegehung fehlen kann (s. dazu etwa BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 601/08, NJW 2009, 3798), liegt das deliktische Handeln hier allein in der Wei- tergabe, nicht in dem einheitlichen Verschaffen des Falschgeldes. Daher ist nicht auf die einheitliche Besitzerlangung, sondern auf die beabsichtigte mehrfache Abgabe an gutgläubige Dritte abzustellen. Schäfer Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 616/12
vom
5. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom
5. Februar 2014 in der Verhandlung am 5. März 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott
und der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (in der Verhandlung am
5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Verhandlung
am 5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Verhandlung
am 5. Februar 2014 und bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Verteidiger,
Justizangestellte (in der Verhandlung am 5. Februar 2014),
Justizangestellte (bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2012 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund überlanger Verfahrensdauer hat es angeordnet, dass vier Monate der verhängten Strafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A.


2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
1. Der Angeklagte war Geschäftsführer der Firma N. Ltd. Das von dieser betriebene Unternehmen unterhielt von August 2006 bis zum 31. August 2007 verschiedene kostenpflichtige Internetseiten, unter anderem die Seite „www.routenplaner-server.com“, auf der ein Online-Routenplaner angeboten wurde.
4
Diese Internetseite, für deren Gestaltung der Angeklagte verantwortlich war, war dergestalt aufgebaut, dass bei ihrem Aufruf zunächst eine Startseite erschien, auf der von dem Nutzer verschiedene Angaben zum Stand- und Zielort zu machen waren. Auf der Startseite befand sich in Fettdruck auch ein Hinweis auf ein Gewinnspiel. Eine Information darüber, dass für die Nutzung des Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war, enthielt die Startseite nicht.
5
Nach Betätigung der Schaltfläche „Route berechnen!“ erschien eine neue Seite, über der sich eine Grafik befand, in der wiederum auf das Gewinnspiel hingewiesen wurde. Auf derselben Seite gab es auch eine so genannte Anmeldemaske , in welche der Nutzer seinen Vor- und Zunamen nebst Anschrift, E-Mail-Adresse und Geburtsdatum einzutragen hatte. Die Anmeldemaske war in kursiver Schrift mit den Worten überschrieben: „Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus!“ Im unteren Bereich der Seite war von dem Nutzer die Schaltfläche „ROUTE PLANEN“ anzuklicken. Unterhalb dieser Schaltfläche befand sich ein Fußnotentext, auf den mit einem Sternchenhinweis verwiesen wurde. Am Ende dieses mehrzeiligen Fußnotentextes war der Preis für einen dreimonatigen Zugang zu dem Routenplaner in Höhe von 59,95 € in Fettdruck ausgewiesen. In Abhängigkeit von der Größe des Monitors und der verwendeten Bildschirmauflösung endete der sichtbare Teil der Internetseite unmittelbar nach der Schaltfläche „ROUTE PLANEN“,so dass der Hinweis auf das zu zahlende Entgelt auf den ersten Blick nicht wahrzunehmen war. Das zu zahlende Entgelt in Höhe von 59,95 € war auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf- geführt, die über den Link „AGB und Verbraucherinformation“ aufrufbarwaren und von dem Nutzer akzeptiert werden mussten. Die Allgemeinen Geschäfts- bedingungen enthielten darüber hinaus eine Bestimmung, wonach dem Nutzer über den Betrag in Höhe von 59,95 € eine Rechnung zugesandt und der Rechnungsbetrag vorbehaltlich des Widerrufsrechts unmittelbar nach Vertragsschluss fällig werde.
6
Zur Prüfung einer möglichen Strafbarkeit durch das Betreiben der Internetseite hatte sich der Angeklagte bereits im Jahr 2006 an seinen Verteidiger, Rechtsanwalt P. , gewandt, der ihn an seinen Sozietätskollegen, Rechtsanwalt G. , weiterverwies. Dieser gab dem Angeklagten ein im August 2006 für einen Dritten erstattetes Gutachten über die strafrechtliche Beurteilung eines auf einer vergleichbaren Internetseite angebotenen kostenpflichtigen Intelligenztests zur Kenntnis. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit wegen Betrugs schon deswegen nicht in Betracht komme, weil keine Täuschungshandlung vorliege.
7
Aufgrund der Klage eines Verbraucherschutzverbandes wurde der Angeklagte am 27. Juni 2007 vom Landgericht Frankfurt am Main verurteilt, es zu unterlassen, Internetseiten (mit ähnlichem Erscheinungsbild) zu betreiben, ohne die Preise für die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen deutlich zu machen. Das Urteil wurde ihm am 2. Juli 2007 zugestellt. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung nahm der Angeklagte aufgrund eines Hinweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 6. Mai 2008 zurück. Weitere gleichgelagerte Entscheidungen durch das Landgericht Frankfurt am Main vom 5. September 2007 folgten, sie wurden vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 4. Dezember 2008 und in einem Fall vom Bundesgerichtshof mit Entscheidung vom 25. März 2010 bestätigt (UA S. 31 f.).
8
2. Spätestens zum 1. September 2007 führte die O. Ltd. die zuvor von der N. Ltd. betriebenen Internetseiten in unveränderter Form weiter. Die O. Ltd. hatte in der Zeit vom 1. März 2007 bis zum 31. Oktober 2007 ihren Sitz zunächst in W. ; zum 1. November 2007 wurde der Firmensitz zum Schein nach Ob. verlegt. Geschäftsführerin der O. Ltd. war die ursprüngliche Mitangeklagte D. , die im Jahr 2005 ohne Deutschkenntnisse als „Au Pair-Mädchen“ aus der Slowakei nach Deutschland gekommen und zum Zeitpunkt ihrer Eintragung als Geschäftsführerin 21 Jahre alt war. Tatsächlich wurden die Geschäfte der O. Ltd. von dem Angeklagten geführt, der nach außen hin als Prokurist auftrat.
9
Insgesamt 261 Nutzer, die den Kostenhinweis auf der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ nicht zur Kenntnis genommen hatten, erstatte- ten Strafanzeige, nachdem sie nach Ablauf der Widerrufsfrist per E-Mail oder per Post eine Zahlungsaufforderung erhalten hatten. Zehn Anzeigeerstatter zahlten das Entgelt in Höhe von 59,95 €. An diejenigen, die nicht gezahlt hatten , wurden Zahlungserinnerungen versandt; einige erhielten zudem Schreiben von Rechtsanwälten, in denen ihnen für den Fall, dass sie nicht zahlten, mit einem Eintrag bei der „Schufa“ gedroht wurde.
10
II. Das Landgericht hat in der verantwortlichen Gestaltung der Internetseiten durch den Angeklagten einen versuchten Betrug gesehen. Der Angeklagte habe die Absicht gehabt, durch die äußere Form der Internetseite über deren Kostenpflichtigkeit zu täuschen und den Nutzern jeweils einen Vermögensschaden in Höhe von 59,95 € zuzufügen. Der Schaden habe darin liegen sollen, dass die Internetnutzer, die nach Eingabe ihrer Daten die Schaltfläche „ROUTE PLANEN“ betätigt hatten, dadurch einen – wenn auch zivilrechtlich anfechtba- ren – Vertrag geschlossen hätten, der sie zur Zahlung von 59,95 € verpflichtet habe, obwohl die Leistung auch umsonst erhältlich gewesen sei (UA S. 73). Darüber hinaus sei der Vertrag nicht auf eine einmalige Leistung, sondern auf ein Abonnement gerichtet gewesen, was den Internetnutzern, die den Kostenhinweis nicht wahrgenommen hätten, gar nicht bekannt gewesen sei. Daher habe zum einen keine Möglichkeit zur Nutzung bestanden, zum anderen sei diese Nutzungsmöglichkeit wirtschaftlich sinnlos gewesen, wenn die Nutzer anlassbezogen eine einzelne Route planen wollten (UA S. 75). Einen vollendeten Betrug hat das Landgericht, das lediglich drei der Anzeigeerstatter als Zeugen vernommen hat, mit der Begründung verneint, es sei nicht nachzuweisen, dass tatsächlich Nutzer der Seite getäuscht worden seien. Aufgrund des dem Angeklagten bekannten Gutachtens vom 2. August 2006, auf das er vertraut habe, habe ihm zunächst die Einsicht gefehlt, Unrecht zu tun. Nachdem ihm am 2. Juli 2007 das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zugestellt worden sei, habe er aber mit bedingtem Unrechtsbewusstsein gehandelt; ihm sei spätestens ab diesem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass er durch die Gestaltung der Internetseiten gegen zivilrechtliche Normen verstoße (UA S. 79). Angesichts von Verschleierungshandlungen im Sommer/Herbst 2007 (Einschaltung von Scheingeschäftsführern , Umfirmierungen und Sitzverlegungen) sei die Strafkammer überzeugt, dass dem Angeklagten tatsächlich bewusst gewesen sei, durch seine Seitengestaltung gegen geltendes Recht zu verstoßen.

B.


11
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
12
I. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
13
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Schuld- und Strafausspruch begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
1. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale des Betrugs gegeben ist.
15
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Vorsatz ge- habt, die Nutzer der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ über die Kos- tenpflichtigkeit der angebotenen Leistung zu täuschen, wird von den Feststellungen getragen.
16
aa) Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täuschung nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3).
17
Auf eine solche Täuschungshandlung richtete sich der Vorsatz des Angeklagten. Der Internetseite und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war zwar bei genauer Lektüre zu entnehmen, dass die Inanspruchnahme des Rou- tenplaners zum Abschluss eines Abonnementvertrages führte und zur Zahlung eines Entgelts in Höhe von 59,95 € verpflichtete. Die Strafkammer hat den Vorsatz aber ohne Rechtsfehler daraus abgeleitet, dass der Angeklagte durch den gewählten Aufbau der Internetseite die Kostenpflichtigkeit der angebotenen Leistung verschleiert hat, indem er den Hinweis auf das anfallende Nutzungsentgelt an einer Stelle platziert hat, an der mit einem solchen Hinweis nicht zu rechnen war. Der Hinweis war nicht – wie insbesondere bei Leistungen zu erwarten ist, die im Internet problemlos kostenfrei in Anspruch genommen werden können – im örtlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben angebracht , die sich auf die angebotene Leistung beziehen. Er war vielmehr in einem Fußnotentext enthalten, dessen Inhalt der Nutzer nur dann zur Kenntnis nehmen konnte, wenn er dem neben der Überschrift zur Anmeldemaske befindlichen Verweis in Form eines Sternchens folgte. Diese Gestaltung spricht dafür, dass der Angeklagte tatsächlich eine Kenntnisnahme der Kostenpflichtigkeit durch die Nutzer verhindern wollte. Hierfür spricht auch, dass der Fußnotentext bei der im Tatzeitraum statistisch am häufigsten verwendeten Bildschirmgröße und -auflösung erst nach vorherigem „Scrollen“ wahrgenommen werden konnte (so auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 400 f.). Auch die wiederholte Hervorhebung der Gewinnspielteilnahme zielte erkennbar darauf ab, die Aufmerksamkeit des Nutzers darauf zu lenken und so durch die Gesamtgestaltung der Internetseite darüber hinwegzutäuschen, dass für die Inanspruchnahme des Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war.
18
Zudem liegt in der Gestaltung der Internetseite ein Verstoß gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV). Diesem Umstand kommt in Fällen, in denen – wie hier – ein Kostenhinweis lediglich an versteckter Stelle enthalten ist, für die Beurteilung einer Täuschungshandlung und eines darauf gerichteten Vorsatzes indizielle Bedeutung zu (vgl. Fischer, 61. Aufl., § 263 Rn. 28a; Eisele, NStZ 2010, 193, 196; Brammsen/Apel, WRP 2011, 1254, 1255; Hatz, JA 2012, 186, 187). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat derjenige, der Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Endpreise). Diese Angaben müssen der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV). Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV sind die Angaben dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen und leicht erkennbar sowie deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen. Soweit auf der Internetseite des Angeklagten lediglich ein Sternchen auf eine Fußnote verwiesen hat, in der das zu zahlende Entgelt ausgewiesen war, genügt dies den beschriebenen Anforderungen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998 – I ZR 187/97, BGHZ 139, 368, 377; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2009, 265, 266) und trägt den landgerichtlichen Schluss, der Angeklagte sei bestrebt gewesen, die Kostenpflichtigkeit des Angebots täuschend zu verschleiern.
19
Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass die für die Nutzung anfallenden Kosten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgewiesen waren. Da bereits die Hauptseite keinen deutlichen und leicht erkennbaren Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit enthielt, konnten und mussten die Nutzer nicht damit rechnen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine solche für die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Leistung wesentliche Angabe beinhalteten (ebenso OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 402). Dass der Angeklagte trotz Mitteilung des anfallenden Entgelts auch insoweit beabsichtigte, potentielle Nutzer zu täuschen, wird zudem daraus ersichtlich, dass die entsprechende Preisklausel erstmals in einer drucktechnisch nicht hervorgehobenen Bestimmung auf der dritten Bildschirmseite enthalten und das konkret zu zahlende Entgelt in Höhe von 59,95 € erst einer weiteren Bestimmung auf der fünften Bildschirmseite zu entnehmen war (UA S. 19 f.).
20
bb) Der Annahme von Täuschungsabsicht steht nicht entgegen, dass der Hinweis auf die Entgeltlichkeit bei sorgfältiger, vollständiger und kritischer Prüfung erkennbar war. Es ist zwar nicht Aufgabe des Strafrechts (und des Betrugstatbestands), allzu sorglose Menschen vor den Folgen ihres eigenen unbedachten Tuns zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 103; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 4). Doch lassen Leichtgläubigkeit des Opfers oder Erkennbarkeit einer auf die Herbeiführung eines Irrtums gerichteten Täuschungshandlung weder aus Rechtsgründen die Täuschungsabsicht entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 f.; Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314; Urteil vom 4. Dezember 2003 – 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111) noch schließen sie eine irrtumsbedingte Fehlvorstellung aus.
21
An dieser Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ; ABl. 2005 L149 S. 22) festzuhalten.
22
Gemäß Art. 6 (1) d) der Richtlinie 2005/29/EG gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation , selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf den Preis täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in je- dem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Der Richtlinie liegt daher im Grundsatz das Leitbild eines durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbrauchers zugrunde (vgl. auch den Erwägungsgrund 18).
23
Soweit unter Verweis auf dieses Leitbild in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des Betrugstatbestands liege eine strafrechtlich relevante Täuschung nur dann vor, wenn die im Geschäftsverkehr getätigte Aussage geeignet ist, eine informierte, aufmerksame und verständige Person zu täuschen (Soyka, wistra 2007, 127, 132; SSW/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 113 f.; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., 2012, § 10 Rn. 17, 21; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht , 6. Aufl., 2013, § 9 Rn. 104 f.; Ruhs in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 567, 579 ff.; vgl. auch Dannecker, ZStW 2005, 697, 711 f.), folgt der Senat dieser Ansicht nicht.
24
Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung wird überwiegend aus Art. 4 Abs. 3 EUV (früher: Art. 10 EGV) und aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (früher : Art. 249 Abs. 3 EGV) abgeleitet (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 52; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 6 ff.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 37). Richtlinienkonform auszulegen sind dabei zunächst diejenigen Vorschriften, die unmittelbar der Umsetzung einer EU-Richtlinie dienen (Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 63; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10); darüber hinaus ist aber auch das sonstige nationale Recht im Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts auszulegen, selbst wenn es sich um Vorschriften handelt, die vor oder unabhängig von dem Erlass der Richtlinie ergangen sind (EuGH, Urteil vom 13. November 1990 – C-106/89; Urteil vom 14. Juli 1994 – C-91/92, NJW 1994, 2473, 2474; Urteil vom 16. Juli 1998 – C-355/96, NJW 1998, 3185, 3187).
25
Infolgedessen besteht die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung auch im Bereich des Strafrechts (Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 560; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 104; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10 ff.). Sie kann dazu führen, dass unter mehreren vertretbaren Auslegungsvarianten einer Strafnorm diejenige zugrunde zu legen ist, die dem Unionsrecht am besten gerecht wird (s. Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 46; Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 55; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 93; Hecker, Europäisches Strafrecht , 4. Aufl., § 10 Rn. 15; LK-Weigend, StGB, 12. Aufl., Einleitung Rn. 87; Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB, 29. Aufl., Vorbemerkungen vor § 1 Rn. 28).
26
Im Hinblick darauf, dass das Landgericht das Betreiben der von dem Angeklagten gestalteten Internetseite seit dem 2. Juli 2007 als Täuschungshandlung gewertet hat und die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung spätestens mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie besteht (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 – C-212/04, NJW 2006, 2465, 2468), war die gemäß Art. 19 bis zum 12. Juni 2007 umzusetzende Richtlinie 2005/29/EG im Tatzeitraum zwar anwendbar ; sie erfordert indes keine strafbarkeitseinschränkende Auslegung des Betrugstatbestands.
27
(1) Auch wenn sich die innerstaatliche Rechtsanwendung an den gesamten Wertungsvorgaben des Unionsrechts zu orientieren hat (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 51), unterliegt die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung Grenzen. Sie setzt grundsätzlich erst dann ein, wenn der Inhalt der Richtlinie insgesamt oder im angewendeten Bereich eindeutig ist (BGH, Beschluss vom 3. Juni 1993 – I ZB 9/91, GRUR 1993, 825, 826; Urteil vom 5. Februar 1998 – I ZR 211/95, BGHZ 138, 55, 61). Dies gilt auch für den Bereich des Strafrechts. Ein absoluter Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung im Bereich des materiellen Strafrechts liefe Gefahr, in Konflikt mit der eingeschränkten Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union auf dem Gebiet des Strafrechts und dem Grundsatz der möglichst weitgehenden Schonung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu geraten (vgl. Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 520, 550 f., 563; Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht, 2002, S. 434, 452 f.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., 2011, § 11 Rn. 51). Richtlinienvorgaben können aus diesem Grund nicht in jedem Fall vorbehaltlos in das Strafrecht übertragen werden, zumal der Richtliniengeber die Auswirkungen einer andere Lebensbereiche betreffenden Richtlinie auf das Strafrecht eines jeden Mitgliedsstaates mitunter nicht im Blick hat bzw. haben kann (vgl. Schröder, aaO, S. 444, 450). Es bedarf daher der Prüfung, ob der Regelungsinhalt der Richtlinie nach deren Sinn und Zweck auf die Strafnorm durchschlägt (Schröder, aaO, 2002, S. 452 f.; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht, 2009, S. 119; Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 564). Dabei ist zu beachten, dass der normative Gehalt einer nationalen Vorschrift im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht grundlegend neu bestimmt werden darf (vgl. Jarass, EuR 1991, 211, 218; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 533).
28
Nach diesen Maßstäben scheidet eine einschränkende Auslegung des Betrugstatbestands aufgrund der Richtlinie 2005/29/EG aus. Das Leitbild des durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbrauchers hat – dem Zweck des Lauterkeitsrechts entsprechend – primär den Schutz der Dispositionsfreiheit des Verbrauchers im Blick und zielt darauf ab, ihn generalpräventiv vor unlauteren Beeinflussungen vor, bei oder nach Vertragsschluss zu schützen und damit seine (rechtsgeschäftliche) Entscheidungsfreiheit und mittelbar den Schutz der Mitbewerber sowie einen unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 1 Rn. 17; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 1 Rn. 20 f.; Fezer, WRP 1995, 671, 675; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 129 f.). Gemäß Art. 1 bezweckt auch die Richtlinie 2005/29/EG, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über unlautere Geschäftspraktiken zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es keiner Einschränkung des strafrechtlichen Vermögensschutzes. Die Richtlinie verfolgt nicht den Zweck, Geschäftspraktiken straffrei zu stellen, die zu einer Verletzung von Rechtsgütern der Verbraucher führen, und Verhaltensweisen zu privilegieren , die auf die Täuschung unterdurchschnittlich aufmerksamer und verständiger Verbraucher gerichtet sind (Vergho, wistra 2010, 86, 90 f.). Irreführende Geschäftspraktiken, die dazu dienen, den Verbraucher durch gezielte Täuschung an seinem Vermögen zu schädigen, werden von dem Schutzzweck der Richtlinie daher nicht erfasst (vgl. Erb, ZIS 2011, 368, 376; Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 566).
29
Es kommt hinzu, dass eine Begrenzung der Betrugsstrafbarkeit auf solche Täuschungshandlungen, die geeignet sind, einen durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbraucher zu täuschen, dem durch § 263 StGB intendierten Rechtsgüterschutz widerspräche. Eine richtlinienkonforme Auslegung des Betrugstatbestands darf nicht so weit gehen, dass dessen Schutzbe- reich gegenüber Personen eingeschränkt wird, die intellektuell oder situativ nicht zu einem normativ „durchschnittlichen“ Maß an Selbstschutz inder Lage sind (Fischer, aaO Rn. 55a). Denn dadurch würde der strafrechtliche Rechtsgüterschutz gerade solchen Verbrauchern versagt, die in besonderem Maße schutzwürdig sind (Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 298 f.). Zu bedenken ist überdies, dass es keinerlei Hinweis dafür gibt, dass der Europäische Richtliniengeber, der den Verbraucherschutz mit seinen Regelungen stärken wollte, diesen Personenkreis zum Zwecke der Harmonisierung dem strafrechtlichen Schutz einzelner Mitgliedsländer entziehen wollte.
30
Eine Beschränkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes auf durchschnittlich verständige Verbraucher führte überdies zu einer die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung überschreitenden Normativierung des Täuschungs - und Irrtumsbegriffs. Anders als der Begriff des durchschnittlich informierten , aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der normativ geprägt (vgl. Fezer, WRP 1995, 671, 676; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 94, 96; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5, Rn. 1.49 mwN) und deshalb hinsichtlich seiner Reichweite von den Gerichten selbständig zu bestimmen ist (vgl. den Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG sowie EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 – C-428/11, GRUR 2012, 1269, 1272), setzt der Betrugstatbestand nach seinem Wortlaut die Erregung eines durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums voraus. Der Irrtum ist als Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit eine psychologische Tatsache (vgl. Fischer, aaO Rn. 54; NK-Kindhäuser, 4. Aufl., § 263 Rn. 170), sein Vorliegen ist Tatfrage (Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 33). Es kommt daher nicht darauf an, was der Getäuschte hätte verstehen müssen, sondern was er tatsächlich verstanden hat (vgl. Vergho, wistra 2010, 86, 89; Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 32a). Mit diesen Grundsätzen wäre eine Auslegung des Betrugstatbestands nicht in Einklang zu bringen, die – ungeachtet eines bestehenden Täuschungsvorsatzes – Fehlvorstellungen von Verbrauchern, die dem Leitbild des durchschnittlichen Verbrauchers nicht entsprechen, dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz entzieht.
31
(2) Selbst wenn man den vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen nicht folgte, käme jedenfalls in der hier vorliegenden Fallgestaltung eine Einschränkung des Betrugstatbestands aufgrund einer die Vorgaben und Wertungen der Richtlinie 2005/29/EG berücksichtigenden Auslegung nicht in Betracht. Auch dem der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entnommenen Leitbild des Durchschnittsverbrauchers (grundlegend EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 – C-210/96, WRP 1998, 848, 851) liegt kein besonders aufmerksamer und gründlicher Idealtypus zugrunde (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 Rn. 1.48). Vielmehr ist die Sicht eines situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers maßgeblich. Die an den Grad der Aufmerksamkeit zu stellenden Anforderungen bestimmen sich dabei nach dem angesprochenen Personenkreis (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 – I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552; Urteil vom 20. Dezember 2001 – I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716) und der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen, so dass die Aufmerksamkeit insbesondere dort eher gering, d.h. flüchtig ist, wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs geht (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – I ZR 167/97, NJW-RR 2000, 1490, 1491; Urteil vom 19. April 2001 – I ZR 46/99, NJW 2001, 3193, 3195; Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01, GRUR 2004, 244, 245). Die Anforderungen an einen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, der willens und in der Lage ist, Informationen zur Kenntnis zu nehmen, dürfen deshalb gerade im auf schnelle Bot- schaften und schnelle Abschlüsse gerichteten Verkehr nicht überspannt werden (Hefendehl in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 50).
32
Auch nach Art. 5 (2) b) und Art. 5 (3) der Richtlinie 2005/29/EG ist bei der Beurteilung, ob eine Geschäftspraktik unlauter ist, die Sicht eines leichtgläubigen Verbrauchers immer dann maßgeblich, wenn gerade ein solcher Verbraucher für eine Geschäftspraxis oder das ihr zugrunde liegende Produkt besonders anfällig ist; in diesem Fall muss der Verbraucherschutz dadurch sichergestellt werden, dass die Praxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Verbrauchergruppe beurteilt wird (vgl. auch den Erwägungsgrund 19). Wird daher – wie hier – die Entgeltlichkeit einer angebotenen Leistung bewusst verschleiert , um die Unaufmerksamkeit oder Leichtgläubigkeit bestimmter Verkehrskreise auszunutzen, ist kein Raum für eine einschränkende Auslegung des Betrugstatbestands. Dies wird auch durch die im Anhang I der Richtlinie aufgeführten Geschäftspraktiken bestätigt, „die unter allen Umständen als unlauter gelten“. Dieser Anhang enthält unter der Nummer 21 als irreführende Ge- schäftspraxis die Fallkonstellation, dass Werbematerialien eine Rechnung oder ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beigefügt wird, die dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, er habe das beworbene Produkt bereits bestellt, obwohl dies nicht der Fall ist. Auch hier ist für den Verbraucher bei sorgfältiger Prüfung erkennbar, dass es sich bei der Zahlungsaufforderung nicht um die Geltendmachung einer bestehenden Forderung handelt. Ein hiermit weitgehend vergleichbarer Sachverhalt lag bereits der Entscheidung BGHSt 47, 1 zugrunde. Die ausdrückliche Aufnahme dieser Fallkonstellation in den Anhang der Richtlinie 2005/29/EG, die durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2949) als Ziffer 22 in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG übernommen worden ist, stützt die schon in der vorgenannten Entscheidung des Bundesge- richtshofs (Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 6 f.) vertretene Rechtsansicht, wonach weder die Leichtgläubigkeit des Opfers noch die Erkennbarkeit der Täuschung eine Strafbarkeit wegen Betrugs ausschließen (vgl. auch Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 316).
33
(3) Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Die dargelegte Auslegung der Richtlinie ist offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, NJW 1983, 1257; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 16).
34
b) Infolge der Täuschung sollte bei den Nutzern ein Irrtum erregt werden. Das Verhalten des Angeklagten zielte darauf ab, den Besuchern der Internetseite eine kostenfreie Nutzung des Routenplanerangebots vorzuspiegeln, um sie damit zunächst zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages und nach Rechnungsstellung zu einer Zahlung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung für ein Routenplanerabonnement zu veranlassen.
35
c) Der Vorsatz des Angeklagten war auch auf die Herbeiführung eines Vermögensschadens gerichtet. Unabhängig davon, ob – wovon das Landgericht ausgegangen ist – bereits das Eingehen der (vermeintlichen) Verbindlichkeit einen Vermögensschaden begründet hätte, war der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet, unter Umgehung eines möglichen Widerrufsrechts die täuschungsbedingt eingegangene Verpflichtung durchzusetzen und den im Be- stellvorgang eines „praktisch wertlosen“ Routenplaners angelegten Schaden zu realisieren (vgl. UA S. 73). Infolge der Zahlung des Abonnementpreises wäre nicht nur eine Vermögensgefährdung, sondern bereits ein Erfüllungsschaden eingetreten (ausdrücklich zur Abofalle im Internet Fischer, aaO Rn. 178).
36
Der Angeklagte nahm auch zumindest billigend in Kauf, dass die Gegenleistung in Form des dreimonatigen Abonnements den Vermögensverlust nicht kompensieren würde. Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung tritt aufgrund der Verfügung ein Schaden ein, soweit die Vermögensminderung nicht durch den wirtschaftlichen Wert des Erlangten ausgeglichen wird (BGH, Urteil vom 7. März 2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15).
37
Für das Landgericht war es nicht entscheidend, ob die vom Angeklagten versprochene Leistung – das dreimonatige „Abonnement“ – „möglicherweise objektiv ihren Preis wert war“ (UA S. 74). Es hat angenommen, dass selbst in diesem Fall jedenfalls ein Schaden im Sinne eines „persönlichen Schadenseinschlags“ eingetreten sei (UA S. 73/75), weil „die Leistung im Internet auch umsonst erhältlich“ war (UA S. 73) und die Nutzer an der Inanspruchnahme eines kostenpflichtigen Routenplaners keinerlei Interesse hatten (UA S. 8). Diese Erwägungen lassen im Ergebnis keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen.
38
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die Annahme eines Vermögensschadens auch bei objektiv gleichwertigen Leistungen unter anderem dann in Betracht, wenn der Erwerber, der sich zum Abschluss eines Vertrags entschlossen hat, die versprochene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann (grundlegend Beschluss vom 16. August 1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; Beschluss vom 9. März 1999 – 1 StR 50/99, NStZ 1999, 555; Urteil vom 7. März 2006 – 1 StR 385/05, NStZ-RR 2006, 206, 207). Dasselbe gilt auch für Fälle der so genannten Unterschriftserschleichung , in denen der Getäuschte gar nicht weiß, dass er einen Vertrag abgeschlossen hat und vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist (BGHSt 22, 88, 89; ebenso OLG Hamm, NJW 1969, 624, 625; 1778; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2002, 47, 49). Wer durch Täuschung zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages veranlasst wird, erleidet einen Vermögensschaden jedenfalls dann, wenn – wie hier – die vertragliche Gegenleistung unter Beachtung der persönlichen Bedürfnisse für ihn praktisch und damit auch wirtschaftlich wertlos ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 304; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 8; Urteil vom 19. Juli 2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387; Senatsbeschluss vom 24. August 2011 – 2 StR 109/11, ZWH 2012, 191, 192).
39
Wird ein Verbraucher, der einmalig einen kostenlosen Routenplaner- Service in Anspruch nehmen will, durch Täuschung zu einem „Abonnement“ über drei Monate in der Absicht verleitet, hierdurch ein Entgelt zu erlangen, liegt daher hierin ein auf einen Vermögensschaden gerichteter Betrugsversuch (vgl. auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 403), ohne dass es darauf ankäme , ob das Abonnement (mit seinen Zusatzleistungen) möglicherweise nach objektiven Maßstäben seinen Preis wert war. Denn für die hier betroffenen und vom Angeklagten gezielt über den Abschluss eines Vertrags getäuschten Nutzer war diese Gegenleistung subjektiv sinnlos und daher wertlos, da im Internet jederzeit zahlreiche kostenlose Routenplaner verfügbar sind. Dies war dem Angeklagten auch bewusst; ebenso der Umstand, dass der Vermögensverlust für die Nutzer nicht dadurch kompensiert wurde, dass das erworbene „Abonnement“ ohne Weiteres und in zumutbarer Weise in Geld umzusetzen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 5 StR 510/13). Einen Markt für die Veräußerung und den Erwerb kostenpflichtiger Routenplanerabonnements gibt es nicht. Der Vorsatz des Angeklagten war damit auf die Verursachung eines Vermögensschadens bei den getäuschten Nutzern gerichtet.
40
2. Kein Zweifel besteht daran, dass der Angeklagte zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB), indem er das Angebot für ein kostenpflichtiges Routenplanerabonnement auf der von ihm verantwortlich gestalteten Internetseite eingestellt hat, ohne die Kostenpflichtigkeit hinreichend kenntlich zu machen. Dass sich das Landgericht, das lediglich drei der insgesamt 261 Nutzer als Zeugen vernommen hat, nicht die Überzeugung vom tatsächlichen Vorliegen einer Täuschung bzw. eines Irrtums von Internetnutzern verschaffen konnte und deshalb – obwohl zehn Anzeigeerstatter Zahlungen erbracht hatten – nicht von einem vollendeten Betrug ausgegangen ist, lässt auch erkennen, dass sich das Landgericht der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingeräumten Möglichkeiten zur Feststellung von Täuschung bzw. Irrtum bei gleichförmigen und massenhaften Geschäften nicht bewusst war (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434 [insoweit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt]; aus jüngerer Zeit: BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, wistra 2014, 97, 98). Die Verurteilung lediglich wegen versuchten Betrugs beschwert den Angeklagten indes nicht.
41
3. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit Kenntnis der gegen ihn bzw. gegen die von ihm geführten Unternehmen ergangenen zivilrechtlichen Entscheidungen im Sommer 2007 die Einsicht gehabt, Unrecht zu tun, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
42
Aufgrund dieser Entscheidungen war dem Angeklagten bekannt, dass die von ihm gewählte Gestaltung der Internetseiten gegen zivilrechtliche Normen , unter anderem gegen die Preisangabenverordnung, verstieß. Damit war die Grundlage für das bis dahin aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme angenommene Fehlen des Unrechtsbewusstseins entfallen. Soweit er in der Folgezeit (weiter) womöglich meinte, aus seiner Sicht bestehende Strafbarkeitslücken auszunutzen, schließt dies jedenfalls – worauf das Landgericht unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Rechtsprechung zutreffend hinweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02) – dann, wenn – wie auch hier – zum Tatzeitpunkt höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorliegen , die Vorstellung der Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen, und legt zumindest die Annahme einer bedingten Unrechtseinsicht nahe. Die Strafkammer hat ungeachtet dessen im Sommer 2007 Verschleierungshandlungen des Angeklagten, etwa die Einschaltung von Scheingeschäftsführern, Umfirmierungen und Sitzverlegungen, festgestellt , für die er nachvollziehbare Gründe nicht anzugeben vermochte. Soweit sie daraus schließt, diese Maßnahmen hätten dazu gedient, seine eigene Verantwortlichkeit zu verdecken und eine (persönliche) Inanspruchnahme zu erschweren , belegt dies nachhaltig, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt das erforderliche Unrechtsbewusstsein tatsächlich besessen hat.
43
4. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls stand.
44
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sowohl gewerbsmäßig als auch in der Absicht gehandelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, und dadurch die Regelbeispiele des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB erfüllt, ist nicht zu beanstanden. Wie das Landgericht festgestellt hat, betrieb der Angeklagte neben der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ weitere Internetseiten, die „ein nahezu identisches Layout“ aufwiesen (UA S. 8). Damit hatdas Landgericht die Absicht des Angeklagten, durch mehrere Straftaten eine große Anzahl von Internetnutzern zu täuschen und an ihrem Vermögen zu schädigen und sich dadurch eine fortwährende Einnahmequelle zu verschaffen, hinreichend belegt.
45
Die konkurrenzrechtliche Einordnung der abgeurteilten Handlungen als eine Tat schließt ein gewerbsmäßiges Handeln im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht aus, wenn sich die Absicht des Angeklagten – wie hier – auf die fortgesetzte Begehung von Betrugstaten richtete (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 – 2 StR 342/13). Gleiches gilt für das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, das auch den Fall des Massenbetrugs mit jeweils geringen Schadenssummen erfasst. Liegt die erforderliche Absicht der Begehung von wenigstens zwei für den Täter rechtlich selbständigen Betrugstaten vor (vgl. Fischer, aaO Rn. 219; Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 188d), begründet bereits die einmalige Tatbegehung einen besonders schweren Fall des Betrugs (BGH, Beschluss vom 9. November 2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319, 320).
46
Allerdings hat das Landgericht, das den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB gemäß § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, nicht erörtert , ob der vertypte Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB – gegebenenfalls zusammen mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen – geeignet war, von der Annahme eines besonders schweren Falls abzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2012 – 2 StR 41/12, NStZ-RR 2012, 207). Aufgrund des Tatbildes und des Umstandes, dass der Angeklagte zwei Regelbei- spiele des § 263 Abs. 3 StGB erfüllt hat, schließt der Senat jedoch aus, dass das Landgericht bei entsprechender Prüfung einen für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde gelegt hätte.
47
5. Die Entscheidung des Landgerichts, infolge einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen Vollstreckungsabschlag von vier Monaten auf die verhängte Strafe zu gewähren, lässt unter Berücksichtigung des im Rahmen der Sachrüge eröffneten Prüfungsumfangs (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 – 2 StR 392/13) einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht erkennen.
Fischer Appl Krehl
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 3 4 2 / 1 3
vom
27. März 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Strafbarkeit wegen Betrugs durch sog. Ping-Anrufe.
BGH, Urteil vom 27. März 2014 - 3 StR 342/13 - LG Osnabrück
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: Betruges
zu 3.: Beihilfe zum Betrug
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
6. Februar 2014 in der Sitzung am 27. März 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten O.
- in der Verhandlung - ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten R.
- in der Verhandlung - ,
Justizamtsinspektor - in der Verhandlung - ,
Justizobersekretärin - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 6. März 2013 werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten T. und O. wegen Betruges zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und gegen die Angeklagte R. wegen Beihilfe zum Betrug eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15 € verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte O. macht zudem ein Verfahrenshindernis geltend und erhebt eine Verfahrensbeanstandung. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet als sachlich-rechtlichen Mangel des angefochtenen Urteils, dass die Strafkammer hinsichtlich der Angeklagten nicht jeweils von einem besonders schweren Fall des Betruges bzw. der Beihilfe dazu ausgegangen ist. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.
A. Revisionen der Angeklagten
2
I. Das von dem Angeklagten O. geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. September 2013 - 2 StR 365/12, NJW 2014, 325). Ebenfalls zutreffend sind die Ausführungen, mit denen der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift die Gründe dargelegt hat, aus denen der Verfahrensbeanstandung des Angeklagten O. der Erfolg zu versagen ist.
3
II. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die von allen Angeklagten jeweils erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben.
4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte T. gemeinsam mit den Angeklagten O. und R. sowie anderen Personen Ende des Jahre 2006 die Idee, computergestützt eine große Vielzahl von Mobiltelefonnummern anrufen und es dabei nur einmal klingeln zu lassen sowie in der Anrufliste der Telefone nicht die Rufnummer des Festnetzanschlusses, von dem der Anruf kam, sondern mittels einer speziellen Computerfunktion, über die die von dem Angeklagten O. für die massenhaften Anrufe genutzten Server verfügten, die Rufnummer eines Mehrwertdienstes zu hinterlassen (sog. Ping-Anrufe). Die Besitzer der Mobiltelefonanschlüsse sollten dadurch zu einem Rückruf bei dieser Mehrwertdienstnummer veranlasst werden, der indes lediglich zur Ansage eines für die Anrufer nutzlosen Textes führt ("Ihre Stimme wurde gezählt."). Die Ping-Anrufe sollten in der Weihnachtszeit getätigt werden, weil dem Angeklagten T. aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Telekommunikationsgeschäft bekannt war, dass Besitzer von Mobiltelefonen zu dieser Zeit mit Weihnachts- und/oder Neujahrsgrüßen von Verwandten oder Bekannten rechneten und deshalb ihre Bereitschaft, eine hinterlassene Rufnummer zurückzurufen, erhöht war. Die Erlöse aus den so generierten Telefongebühren für den Mehrwertdienst - 98 Cent pro Anruf - wollten die Angeklagten und weitere beteiligte Personen - abzüglich des vertraglich dem Vermieter der Mehrwertdienstenummer zustehenden Anteils - nach einem nicht feststellbaren Verteilungsschlüssel untereinander aufteilen.
5
Dem Angeklagten O. kam nach dem vom Angeklagten T. entwickelten Tatplan neben der technischen Umsetzung auch die Beschaffung der Mehrwertdienstenummern zu. Er wandte sich dazu an die Angeklagte R. , die in Kenntnis der geplanten Ping-Anrufe den Kontakt zu einem ihr bekannten Vermieter von Mehrwertdienstenummern herstellte. Die Nummern wurden anschließend von der im Libanon ansässigen Gesellschaft eines dem Angeklagten T. bekannten libanesischen Geschäftsmanns angemietet; durch die Einschaltung dieses Unternehmens sollten die zu erwartenden Vergütungen ins Ausland geschafft und deutschen Behörden der Zugriff darauf erschwert oder unmöglich gemacht werden. Die Angeklagten O. und T. entschieden sich für Mehrwertdienstenummern mit der Vorwahl "0137", weil sie aufgrund der Ähnlichkeit zu einer Vorwahl des Mobilfunknetzbetreibers Vodafone/D2 ("0173") erwarteten, dass zahlreiche Anrufer die tatsächlich im Anrufspeicher hinterlassene Rufnummer nicht als Mehrwertdienstenummer erkennen würden. Diese erhoffte Fehlvorstellung suchten sie vereinbarungsgemäß durch das gewählte Format der Mehrwertdienstenummer zu verstärken: Indem sie zur Verschleierung der Vorwahl "0137" die Länderkennung für Deutschland voranstellten , so dass die im Telefonspeicher angezeigte Rufnummer mit den Zeichen "+49137" begann, sollte der Eindruck entstehen, es handele sich um den (entgangenen ) Anruf von einer herkömmlichen Mobilfunknummer aus dem Vodafone-Netz.
6
Zur Tatzeit waren solche Ping-Anrufe nach einem Verhaltenskodex, den sich die deutschen Telekommunikationsdienstleister selbst gegeben hatten, unzulässig. Dieser Kodex war auch Bestandteil der abgeschlossenen Verträge zur Anmietung der Mehrwertdienstenummern. Da die Angeklagten T. und O. deshalb befürchteten, die Nummern könnten infolge von Beschwerden von Angerufenen abgeschaltet werden, beschlossen sie, ihr Vorgehen als eine nach dem Verhaltenskodex zulässige Abstimmung zu tarnen. Sie wählten als Thema die zum 1. Januar 2007 anstehende Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes und ließen unter der Adresse www. .net eine Internetseite einrichten, auf der - täglich wechselnd - die von ihnen für die Ping-Anrufe verwendeten Mehrwertdienstenummern angegeben wurden.
7
Dem Tatplan entsprechend wurden die 20 angemieteten Mehrwertdienstenummern kurz vor Weihnachten freigeschaltet. Über die von dem Angeklagten O. kontrollierten Server rief er ab dem Abend des 22. Dezember 2006 bis zum 28. Dezember 2006 unter Zuhilfenahme einer Datenbank, in der über 10 Millionen Mobilfunknummern gespeichert waren, eine - im Einzelnen nicht mehr feststellbare - Vielzahl dieser Nummern an. Etwa 785.000 Inhaber eines angerufenen Mobilfunkanschlusses riefen zurück, wobei es wegen Leitungsüberlastung nur in 660.000 Fällen zu einer ausreichenden Verbindung mit Auslösung des Mehrwertdienstes kam. Etwa 60.000 dieser Anrufer nutzten einen Festnetzanschluss, nachdem sie die Nummer vom Display ihres Mobiltelefons abgelesen hatten. Ab dem 28. Dezember 2006 wurden die Mehrwertdienstenummern infolge massenhafter Beschwerden sukzessive gesperrt; die Bundesnetzagentur verhängte ein Rechnungslegungs- und Inkassoverbot, so dass keine Geldbeträge an die Angeklagten bzw. die von ihnen eingesetzte libanesische Gesellschaft ausgekehrt wurden. Gleichwohl vereinnahmten die Mobilfunknetzbetreiber die Gebühren im Wege des Forderungseinzugs von ihren Kunden und erstatteten sie nur in den wenigen Fällen zurück, in denen es zu konkreten Beschwerden kam.
8
2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der näheren Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
9
a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Tatbestandsmerkmale der Täuschung und - dadurch hervorgerufen - des Irrtums im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB erfüllt sind.
10
Die Strafkammer hat - dem Eröffnungsbeschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg (Beschluss vom 20. August 2010 - 1 Ws 371/10, wistra 2010, 453 mit Anmerkungen von Jahn, JuS 2010, 1119 und Eiden, Jura 2011, 863) in dieser Sache folgend - die Täuschung in Folgendem gesehen: Ein eingehender Anruf stelle einen Vorgang dar, der die konkludente Erklärung erhalte, der Anrufer strebe über das Herstellen der Telefonverbindung hinaus eine inhaltlich ernstgemeinte zwischenmenschliche Kommunikation mit dem Angerufenen an. Über diese innere Tatsache werde getäuscht, wenn - wie hier - der Anrufer tatsächlich gar nicht kommunizieren wolle. Hinzu komme die Täuschung - und der entsprechende Irrtum - darüber, woher der Anruf "technisch" gekommen sei, da durch das Format der übertragenen Rufnummer habe verschleiert werden sollen , dass es sich um eine teure Mehrwertdienste- und nicht um eine herkömmliche Mobilfunkrufnummer gehandelt habe. Zudem hätten die Angerufenen in der Weihnachtszeit im besonderen Maße mit Anrufen von Verwandten und Bekannten gerechnet.
11
aa) Das Tatbestandsmerkmal der Täuschung liegt vor.
12
(1) Das Landgericht hat in dem eingehenden Anruf die schlüssige Übermittlung eines Kommunikationswunsches gesehen. Dieses Abstellen auf einen stillschweigenden Erklärungsinhalt ist zunächst im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden : Beim Betrug kann auch konkludent getäuscht werden, namentlich durch ein irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 mwN).
13
Rechtlich beanstandungsfrei ist das Landgericht aber auch davon ausgegangen , dass mit einem Anruf, bei dem die Rufnummer hinterlassen wird, nach der objektiv zu bestimmenden Verkehrsanschauung (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 f.) zugleich die Erklärung übermittelt wird, der Anrufer habe mit dem Angerufenen kommunizieren wollen. Diese Auffassung, der sich der Senat anschließt, entspricht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (OLG Oldenburg aaO, wistra 2010, 453, 454; LG Hildesheim, Urteil vom 10. Februar 2004 - 26 KLs 16 Js 26785/02, MMR 2005, 130, 131; Ellbogen/Erfurth, CR 2008, 635; Eiden, Jura 2011, 863, 865 f.; Kölbel, JuS 2013, 193, 195 f.; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 11 f.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 28c; Park/Zieschang, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., § 263 Rn. 36 Fn. 40 ; Geppert/Schütz, BeckTKG-Komm/Ditscheid/Rudloff, 4. Aufl., Vorbemerkung vor § 66a Rn. 40; so wohl auch Brand/Reschke, NStZ 2011, 379, 381; im Ergebnis auch BeckOK- v. Heintschel-Heinegg/Beukelmann, StGB, § 263 Rn. 17.2 [Stand: 8. März 2013]). Da die Angeklagten tatsächlich keine Kommunikation mit den Geschädigten anstrebten, war diese Erklärung unwahr.
14
Soweit einige Autoren die Auffassung vertreten, das Hinterlassen der Rufnummer in der Anrufliste eines Mobiltelefons erlaube insbesondere mit Blick darauf, dass ein Anruf in Abwesenheit automatisch in der Anrufliste gespeichert werde, keine Rückschlüsse auf den Willen des Anrufers, der Erklärungswert erschöpfe sich vielmehr darin, dass ein Anruf mit Rufnummernübermittlung eingegangen sei (Erb, ZIS 2011, 368, 369, der im Folgenden allerdings den von ihm angenommenen, durch Suggestion erregten Irrtum der Angerufenen ebenfalls unter § 263 StGB subsumiert; MüKoStGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 119; Lux/Schumann, ZWH 2013, 10, 13 f.; im Ergebnis ebenso Ladiges, JuS 2012, 50, 54 f.; kritisch auch Jahn, JuS 2010, 1119, 1120; NK-StGBKindhäuser , 4. Aufl., § 263 Rn. 109 mit Fn. 3; Becker, JuS 2014, 307, 311 f.), kann dem nicht gefolgt werden: Ein Telefon stellt nach allgemeiner Auffassung ein Kommunikationsmittel dar, so dass die damit vorgenommene Anwahl eines anderen Telefons - wenn zwischen den Teilnehmern nichts anderes vereinbart ist (vgl. insoweit Eiden, Jura 2011, 863, 866) - von dem durchschnittlichen Nutzer eines Mobiltelefons als Angerufenem zu Recht so verstanden werden darf, dass auch der Anrufer sein Telefon als Kommunikationsmittel nutzen wollte (Eiden, Jura 2011, 863, 866; Kölbel, JuS 2013, 193, 196). Der Umstand der automatischen Erstellung der Anrufliste ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, zumal durch den Anrufer in jedem Fall eingestellt werden kann, ob die Rufnummer übermittelt werden soll (insoweit zustimmend Lux/Schumann, ZWH 2013, 10, 13); die automatisch erstellte Mitteilung, von welcher Rufnummer aus der Kommunikationswunsch kommuniziert wurde, ist dem Anrufer mithin objektiv zurechenbar. Dass manche Personen Mobiltelefone auch zu anderen - in aller Regel missbräuchlichen - Zwecken anrufen (Klingelstreiche, sog. Telefonterror oder eben die hier getätigten Ping-Anrufe), wohnt der mit dem Anruf schlüssig übermittelten Nachricht über ein Kommunikationsanliegen als einschränkende Möglichkeit inne, stellt diese nach der Verkehrsanschauung in dem Anruf enthaltene Botschaft indes nicht grundsätzlich in Frage (Kölbel aaO).
15
(2) Eine weitere den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfüllende Täuschung liegt in der den Angerufenen zugleich konkludent vorgespiegelten Möglichkeit , einen Rückruf bei der in ihrem Mobiltelefon hinterlassenen Nummer zu dem jeweils mit ihrem Netzbetreiber vereinbarten Tarif ohne darüber hinausgehende Kosten durchführen zu können (Kölbel, JuS 2013, 193, 196; MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 119). Hierzu gilt:
16
Tatsächlich wurden die Mobiltelefone von Festnetzanschlüssen aus angewählt , an denen der Angeklagte O. die von ihm genutzten Telefon-Server betrieb, nicht aber von der Mehrwertdienstenummer, die im Anrufspeicher der Mobiltelefone hinterlegt wurde. Letzteres war auch gar nicht möglich, da von Mehrwertdienstenummern tatsächlich keine ausgehenden Anrufe getätigt werden können (vgl. Ellbogen/Erfurth, CR 2008, 635). Die hinterlegte Rufnummer war mithin falsch, worauf auch die Strafkammer maßgeblich mit ihrer Würdigung abgestellt hat, die Angerufenen seien darüber getäuscht worden, woher der Anruf technisch kam. Allein darin liegt indes eine betrugsrelevante Täuschung noch nicht, weil die rein technische Herkunft des Anrufs für die Angerufenen ohne Bedeutung war.
17
Darin erschöpft sich der Erklärungsinhalt der übermittelten Telefonnummer allerdings nicht. Kommt eine konkludente Täuschung in Betracht, so sind bei der Ermittlung des Inhalts einer stillschweigenden Erklärung anhand der Verkehrsanschauung auch solche Konstellationen zu berücksichtigen, in denen einer (schlüssigen) Erklärung aufgrund Gesetzes oder Vereinbarung ein bestimmter Gehalt zugewiesen wird; will der Handelnde eine Erklärung dieses normativ vorstrukturierten Erklärungsgehalts indes tatsächlich nicht abgeben, täuscht er zumindest konkludent (MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 105).
18
Danach ergibt sich der schlüssige Erklärungsinhalt, ein Rückruf sei mit keinen erhöhten Kosten verbunden, daraus, dass nur solche Nummern im Rufnummernspeicher eines angerufenen Mobiltelefons hinterlassen werden durften , für die dies zutraf. Das Hinterlassen einer Mehrwertdienstenummer im Rufnummernspeicher war und ist hingegen unzulässig. Nach heutiger Rechtslage ergibt sich die gesetzliche Unzulässigkeit aus § 66k TKG. Das Verbot der Übermittlung von Mehrwertdienstenummern als Rufnummer des Anrufers trat mit § 66j TKG aF zwar erst mit Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften (BGBl. I 2007, S. 106) zum 1. September 2007 in Kraft und sollte gerade auch sog. Ping-Anrufe unterbinden (BT-Drucks. 16/2581, S. 32 f.; 16/3635, S. 32, 46). Für die Tatzeit ergibt sich die Unzulässigkeit dieses Vorgehens aber aus der von der Strafkammer festgestellten Selbstverpflichtung der deutschen Telekommunikationsunternehmen, die Bestandteil der Verträge zur Anmietung der Mehrwertdienstenummern geworden und nach der das "Anpingen" unzulässig war. Angesichts dieser Umstände wird der täuschende Erklärungswert der - falschen - übermittelten Rufnummer nicht dadurch aufgehoben, dass der Angerufene - jedenfalls bei gehöriger Überprüfung - die hinterlassene Rufnummer als eine solche erkennen konnte, die eine besondere Kostenpflicht auslösen (MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 119), zumal dies von den Angeklagten durch die mit der Voranstellung der Länderkennziffer verbundene "Rufnummerntarnung" bewusst erschwert wurde (vgl. dazu Kölbel, JuS 2013, 193, 196).
19
bb) Die Angerufenen, die bei der hinterlassenen Rufnummer zurückriefen , befanden sich im Irrtum über den tatsächlich nicht bestehenden Kommunikationswunsch sowie - jedenfalls in Form eines sachgedanklichen Mitbewusstseins (vgl. dazu BGH, Urteile vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 884) - über die Kostenpflichtigkeit des von ihnen getätigten Rückrufs. Dass dieser Irrtum vermeidbar gewesen sein mag - was insbesondere in den etwa 60.000 Fällen , in denen die Angerufenen die Mehrwertdienstenummer zuvor von ihrem Mobiltelefon auf ihr Festnetztelefon übertrugen, nicht fernliegend erscheint -, steht der Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals nicht entgegen (BGH, Urteile vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5, und vom 22. Oktober 1986 - 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201; kritisch Jahn, JuS 2010, 1119, 1120 mwN; gegen den Ansatz der "Viktimodogmatik" in Fällen wie dem vorliegenden überzeugend Erb, ZIS 2011, 368, 372 ff.). Dass die Angeklagten diesen Irrtum auch hervorrufen wollten, zeigt das die Mehrwertdienstenummer verschleiernde Format, mit dem diese auf den angerufenen Mobiltelefonen hinterlassen wurde. Nur in diesem Kontext ist auch das von der Strafkammer schon im Zusammenhang mit der Täuschung angeführte, von den Angeklagten bewusst gewählte Zeitfenster der Ping-Anrufe in der Weihnachtszeit von Bedeutung , da die von ihnen erwartete und bei den Angerufenen tatsächlich vorhandene Erwartungshaltung, einen Weihnachtsgruß verpasst zu haben, deren Sorgfalt, mit der sie die zurückzurufende Nummer überprüften, nachteilig beeinflusst haben mag.
20
b) In subjektiver Hinsicht ist das Landgericht - entgegen der Auffassung der Revision - zutreffend auch vom Vorliegen der Absicht einer stoffgleichen Bereicherung ausgegangen.
21
Insoweit wird in der Literatur zwar das Merkmal der Stoffgleichheit verneint , wenn - wie es bei Mehrwertdienstenummern mit der auch hier verwendeten Vorwahl "0137" üblich sein soll - im sogenannten Online-Billing-Verfahren abgerechnet wird (vgl. Brand/Reschke, NStZ 2011, 379, 380 ff.; diesen folgend LK/Tiedemann aaO, § 263 Rn. 258; MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 791; aA Kölbel, JuS 2013, 193, 198). Denn bei diesem Abrechnungsverfahren würden die Mehrwertdiensteforderungen von den Teilnehmernetzbetreibern - also den Mobilfunkanbietern der Angerufenen - regelmäßig vorab erworben, die neben einem Teil der Transportleistung auch die Fakturierung und das Inkasso im Rahmen einer Delkrederevereinbarung übernähmen und den Teilnehmern gegenüber als Forderungsinhaber aufträten (vgl. Ditscheid/Rudloff in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 66a ff. TKG, Rn. 2). In diesen Fällen stamme der von den Tätern angestrebte Vorteil nicht aus dem Vermögen der Angerufenen, sondern aus demjenigen der Mobilfunkanbieter (Brand/Reschke, NStZ 2011, 379, 382).
22
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts wurden die Mehrwertdienste hier aber nicht auf diese Art und Weise abgerechnet , vielmehr zogen die Mobilfunkanbieter die durch die Ping-Anrufe generierten Forderungen lediglich ein und waren verpflichtet, die Erlöse an ihren Vertragspartner - nach Abzug des eigenen Anteils - auszuzahlen. Auf diesem Weg über die Abrechnungskette hätten auch die Angeklagten von ihrem Vertragspartner die Ausschüttung der Mehrwertdiensterlöse erhalten sollen. Damit entstammte der angestrebte Vorteil dem Vermögen der Angerufenen, weil die Angeklagten nach dem vereinbarten Abrechnungsmodell erst befriedigt werden sollten, wenn die Mobilfunkanbieter die Forderungen einziehen konnten.
23
3. Vor dem Hintergrund der unter 2. a) dargestellten Rechtslage werden die getroffenen Feststellungen von einer sachlich-rechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung getragen. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die Strafkammer nur neun der potentiell Geschädigten, also der Angerufenen, in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen hat. Auch angesichts der großen Zahl von Geschädigten - nach den Schätzungen des Landgerichts, bei der es bereits Sicherheitsabschläge vorgenommen hat, riefen von den 660.000 Personen, die durch ihren Rückruf den Mehrwertdienst ausgelöst hatten, mindestens 80%, mithin 528.000 Personen irrtumsbedingt bei der hinterlassenen Rufnummer an und erhielten auch das erhöhte Entgelt für den Mehrwertdienst berechnet - ist es jedenfalls materiell-rechtlich unbedenklich, dass die Strafkammer mit Blick auf die eindeutige Interessenlage und das - jedenfalls in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins - normativ vorgeprägte Vorstellungsbild der Geschädigten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423) nicht mehr Zeugen vernommen hat: Es liegt auf der Hand, dass die Geschädigten den Rückruf bei einer Mehrwertdienstenummer zum Preis von mindestens 98 Cent pro Anruf, für den sie keine sinnvolle Gegenleistung erhielten, unterlassen hätten, wenn sie die Nummer erkannt und alsdann den zutreffenden Schluss gezogen hätten, dass ein Kommunikationswunsch dieses Anrufers nicht bestand. Hinzu kommt, dass sie aufgrund der Unzulässigkeit der Ping-Anrufe auch davon ausgehen konnten, dass ihnen für den Rückruf keine erhöhten Gebühren in Rechnung gestellt wurden.
24
Spricht mithin alles dafür, dass jedenfalls die erfolgreichen Rückrufe bei der aufgesetzten Mehrwertdienstenummer täuschungsbedingt durchgeführt wurden, beschwert es die Angeklagten nicht, dass die Strafkammer trotz des Umstandes, dass alle acht Zeugen, die einen Rückruf unternommen hatten, sich auf einen Irrtum berufen haben, der neunte Zeuge - ein Softwareentwickler - hingegen bekundet hat, er habe nicht angerufen, weil er die hinterlassene Rufnummer als Mehrwertdienstenummer identifiziert hatte, gleichwohl von den 660.000 erfolgreichen Anrufen für die Schadensberechnung einen Abschlag von 20% vorgenommen hat.
25
4. Auch die Rechtsfolgenentscheidungen zeigen keinen Rechtsfehler zu Ungunsten der Angeklagten auf.

B. Revision der Staatsanwaltschaft
26
Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft erweist sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Erwägungen als unbegründet.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 430/13
vom
22. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_______________________________
Zu den Anforderungen an die Feststellung und Darlegung des Irrtums beim Betrug
im Zusammenhang mit routinemäßigen Massengeschäften (hier: Missbrauch
des Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13 - LG Bielefeld
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. April 2014 in der Sitzung vom 22. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung am 24. April 2014,
bei der Verkündung am 22. Mai 2014
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten M. W. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten T S. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin der Angeklagten D. S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. September 2012 wird
a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt ,
b) das Urteil in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. W. hat es zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten T. S. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und die Angeklagte D. S. zu einer solchen von vier Jahren verurteilt.
Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffen, die sich gegen die AG richtet.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Die von allen Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 338 Nr. 7 StPO, mit der sie beanstanden, der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer, Vorsitzender Richter am Landgericht H. , habe sich wegen seiner während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist in einem Parallelverfahren erfolgten Zeugenvernehmung zu Unrecht gehindert gesehen, das Urteil zu unterschreiben, weshalb es innerhalb dieser Frist nur unvollständig zu den Akten gelangt sei, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); ob sie in der Sache Erfolg haben könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
4
1. Zur Begründung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die bezeichneten Tatsachen erwiesen werden (SSW-StPO/Momsen, § 344 Rn. 36; LR-StPO/Franke, 26. Aufl. § 344 Rn. 78, jeweils m.N. zur st. Rspr.).
5
2. Gemessen daran vermag der Senat hier nicht zu prüfen, ob der Vorsitzende wegen seiner Vernehmung als Zeuge „in der Sache“ im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen war.
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet Gleichheit der Sache gemäß § 22 Nr. 5 StPO nicht notwendig Verfahrensidentität; Sachgleichheit kann auch bei Vernehmung des Richters als Zeuge zu demselben Tatgeschehen in einem anderen Verfahren in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 – 5 StR 530/06, BGHR StPO § 338 Nr. 2 Ausschluss 4, Tz. 6 mwN; vgl. auch LR-StPO/Siolek, 26. Aufl., § 22 Rn. 25; SSWStPO /Kudlich/Noltensmeier, § 22 Rn. 19). Insoweit fehlt es im Revisionsvortrag der Angeklagten T. und D. S. schon an der Mitteilung des Beweisthemas, zu dem der Strafkammervorsitzende in dem Verfahren gegen A. u.a. geladen und vernommen wurde. Aber auch dem Vortrag des Angeklagten W. kann das betreffende Beweisthema allenfalls mittelbar entnommen werden, da er das Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Bielefeld vom 31. Oktober 2012 über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Vorsitzenden Richter vorgelegt hat. Danach hatte der Angeklagte A. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung beantragt, den Vorsitzenden Richter am Landgericht H. dazu zu vernehmen, dass sich seine (des A.) in einer polizeilichen Vernehmung getätigte Aussage in dem Verfahren gegen die hiesigen Angeklagten als wahr herausgestellt habe. Aber auch dieses Rügevorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht. Um dem Senat die Überprüfung der Sachgleichheit im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO zu ermöglichen , hätte zumindest noch vorgetragen werden müssen, welchen Inhalt diese polizeiliche Aussage hatte, inwiefern sie im vorliegenden Verfahren Gegenstand der Hauptverhandlung war, was der als Zeuge benannte Vorsitzende Richter am Landgericht H. im dortigen Verfahren dazu bekundet hat und ferner, welchen Zusammenhang und welche Bedeutung dies für die gegen die Ange- klagten des vorliegenden Verfahrens erhobenen Tatvorwürfe hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 – 4 StR 507/07, StV 2008, 283, Tz. 5 f. m. Anm. Leu StV 2009, 507 zu den Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO in derartigen Fällen). Das ist hier jedoch nicht geschehen; auch aus den auf die Sachrüge heranzuziehenden Urteilsgründen ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.

II.


7
Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in den Strafaussprüchen. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrügen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
8
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
9
a) Die Angeklagten schlossen sich Anfang 2008 aufgrund einer zumindest stillschweigend getroffenen Vereinbarung zusammen, um spätestens ab Juli 2008 von einer Vielzahl von Personen unter Vorspiegelung eines tatsächlich nicht bestehenden Vertragsverhältnisses im Wege des Lastschriftverfahrens Geldbeträge einzuziehen. Das von den Angeklagten im arbeitsteiligen Zusammenwirken im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell bestand in einer Variante darin, eine möglichst große Zahl von Personen durch entsprechend angeleitete Callcenter-Mitarbeiter anzurufen und bei diesen den Eindruck eines – tatsächlich nicht bestehenden – Vertragsverhältnisses über die Teilnahme an Gewinnspielen hervorzurufen. Auf diese Weise wollten die Angeklag- ten an die Kontodaten der Angerufenen gelangen und von diesen Konten Lastschriften vornehmen, wobei sie davon ausgingen, dass die Angerufenen infolge der Annahme, es bestehe tatsächlich ein Vertragsverhältnis und die Lastschrift sei daher rechtmäßig erfolgt, den Lastschrifteinzügen nicht widersprechen würden. Bei einer weiteren Tatvariante, bei der die Kontodaten bereits bekannt und Telefonanrufe daher entbehrlich waren, sollte den Betroffenen allein durch die durchgeführte Lastschrift ein bestehendes Vertragsverhältnis vorgespiegelt werden, um diese von einem Widerspruch abzuhalten. Dabei nahmen die Angeklagten einerseits billigend in Kauf, dass die Kontoinhaber von den Lastschriftabbuchungen durch Lektüre ihrer Kontoauszüge Kenntnis erhalten, sich den Zugriff auf ihr Konto aber nicht anders erklären würden, als dass der jeweiligen Abbuchung ein wirksamer Vertrag zu Grunde lag, sei es auch nur in der Form, dass sie sich insoweit unsicher waren und/oder die Sache wegen des relativ geringen Betrages auf sich beruhen ließen. Andererseits handelten die Angeklagten auch in der Erwartung, die Betroffenen würden in zahlreichen Fällen mangels ausreichend sorgfältiger Kontrolle ihrer Kontoauszüge die Abbuchungen nicht bemerken oder einfach übersehen.
10
Zur Verwirklichung des Tatplans bedienten sich die Angeklagten insbesondere der in der S. ansässigen AG, die vom Angeklagten W. vertreten wurde. Dieser schloss für die AG zahlreiche Verträge unter anderem mit Callcentern, Zahlungsdienstleistern sowie mit Banken ab, über die die Lastschrifteneinzüge erfolgen sollten und später auch tatsächlich erfolgten. Auch mit dem von der AngeklagteD. S. betriebenen Callcenter GmbH & Co KG, bei dem der Angeklagte T. S. angestellt war, schloss der Angeklagte W. sog. Vertriebspartnerverträge ab. Insgesamt waren für die Angeklagten im Tatzeitraum mindestens 66 Callcenter mit etwa 400 bis 600 Mitarbeitern in der sog. Gewinn- spielvermittlung tätig. Die Callcenter erhielten für jeden Fall, in dem sie die Kontodaten erlangten, einen Betrag in Höhe von 45 bis 60 Euro.
11
Die zur Erschwerung von Nachforschungen meist unter falschen Namen handelnden Mitarbeiter der Callcenter gaben bei ihren Anrufen (1. Tatvariante) entsprechend den Vorgaben eines ihnen auf Veranlassung der Angeklagten ausgehändigten sog. Negativleitfadens für die Gesprächsführung vor, sie hätten die Möglichkeit, einen vermeintlich bestehenden Gewinnspielvertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu beenden , wobei für die letzten drei Monate, sollten Gewinne ausbleiben, eine „Geld-zurück-Garantie“ bestehe. Tatsächlich war die Übernahme einer solchen Garantie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt; in keinem Fall wurden zuvor abgebuchte Geldbeträge zurückerstattet. Der durch den Leitfaden im Einzelnen vorgegebene Erstanruf diente dazu, die Angerufenen jeweils zur Kündigung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Vertrages und – abwicklungshalber – zur Herausgabe ihrer Kontodaten zu veranlassen. Widersprachen die angerufenen Personen – wie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – der Behauptung an einem derartigen Gewinnspiel teilgenommen zu haben, bemühten sich die von den Angeklagten angewiesenen Callcenter-Mitarbeiter dies – wahrheitswidrig – zu widerlegen und behaupteten beispielsweise, auf die Kontodaten aus Datenschutzgründen keinen Zugriff zu haben, sie aber nun zu benötigen, etwa um den Betroffenen aus dem Vertrag „herauszuhelfen“.
12
Im Anschluss an den Erstanruf erfolgte sodann ein Zweitanruf (sog. Quality Call), der zum Teil elektronisch aufgezeichnet wurde und dazu diente, mittels geschickter Gesprächsführung von den Betroffenen eine telefonisch erteilte Einzugsermächtigung zu erhalten, um die Betroffenen selbst, aber auch die beteiligten Banken oder im Fall von Nachforschungen die Strafverfolgungsbehörden über den auf diesem Weg dokumentierten angeblichen Vertragsschluss zu täuschen. Im Anschluss daran erhielten die Angerufenen – auch diejenigen, die den vermeintlichen Vertrag gekündigt hatten – von der GmbH, die von der AG mit der „technischen Abwicklung“ beauftragt worden war, sog. Begrüßungsschreiben , in denen behauptet wurde, die Empfänger hätten „die Chance, bei 200 Internet-Gewinnspielen monatlich eingetragen zu werden“; diese Leistung sei „ebenfalls in Ihrem Servicebetrag … enthalten, den wir wie besprochen jeden Monat im voraus automatisch von Ihrem Konto… abbuchen“. Tatsächlich war ab dem Jahr 2008 - wie die Angeklagten wussten – eine Eintragung in 200 Gewinnspiele monatlich je Kunde nicht mehr möglich, sondern erfolgte „in einem deutlich geringeren Umfang“.
13
Der Einzug der vermeintlichen Forderungsbeträge in Höhe von jeweils zwischen 55 und 79,80 Euro erfolgte im Tatzeitraum vom 9. März 2009 bis zum 22. Januar 2010 mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren. Die auf dem jeweiligen Kontoauszug der Betroffenen wiedergegebene Belastungsbuchung enthielt den Namen des Zahlungsdienstleisters, den Namen des „Produkts“, den abgebuchten Betrag sowie eine zwölfstellige ID-Nummer. Es wurden bei insgesamt 136.890 Betroffenen (teilweise mehrfach) Beträge im Lastschriftverfahren eingezogen, die im angefochtenen Urteil auf 4.885 Seiten im Einzelnen in Tabellenform aufgeführt sind. In 198.070 Fällen wurde die Lastschrift nicht zurückgegeben, so dass das Geld bei den Angeklagten verblieb. Dagegen erfolgte in 129.708 Fällen eine Rückgabe der Lastschriften. Die Angeklagten erzielten durch ihr Vorgehen einen Gewinn „im deutlich siebenstelligen Bereich“.
14
b) Zur Beweiswürdigung hat das Landgericht lediglich mitgeteilt, dass die Angeklagten im Rahmen einer nach § 257c StPO durchgeführten Verständigung den Anklagevorwurf gestanden und weitere Fragen der Kammer glaubhaft , ausführlich und nachvollziehbar beantwortet hätten. Von der Richtigkeit der geständigen Einlassungen sei die Strafkammer überzeugt, da sie „mit dem Ermittlungsergebnis sowie auch mit dem übrigen Ergebnis der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten umfassenden Beweisauf- nahme im Einklang“ stünden. Weitere Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht.
15
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil offen bleibt, auf welche Weise sich die Strafkammer auch unter Berücksichtigung der umfassenden Geständnisse der Angeklagten die Überzeugung verschafft hat, die Betroffenen hätten die Lastschriften in den 198.070 festgestellten Fällen hingenommen, weil sie sich über das Bestehen einer Zahlungspflicht im Irrtum befanden.
16
a) In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Zwar sind, wenn sich die Angeklagten – wie hier – auf der Grundlage einer Absprache geständig einlassen, an die Überprüfung dieser Einlassungen und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1063, Tz. 71; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13); es gibt auch keine forensische Erfahrung dahin, dass bei einem Geständnis im Rahmen einer Verständigung regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12, NStZ 2012, 584). Aber auch in einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 1992 – 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11; Beschluss vom 15. September 1999 – 2 StR 373/99, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 34; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653, Tz. 4, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 361; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 261 Rn. 2a).
17
Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f; vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8; zu den Darle- gungsanforderungen bei einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“ vgl.BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 aaO, Tz. 6; Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 15; Be- schluss vom 2. November 2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, Tz. 5). In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger , massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvorstellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen,wobei er dies im Urteil darzulegen hat. Ist das Vorstellungsbild des Verfügenden normativ geprägt, kann bei einem Tatvorwurf, dem zahlreiche Einzelfälle zu Grunde liegen, die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, 1546; Beschluss vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, Tz. 15, inso- weit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt). In komplexeren Fällen wird es regelmäßig erforderlich sein, die betreffenden Personen über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild als Zeugen zu vernehmen sowie deren Bekundungen im Urteil mitzuteilen und zu würdigen (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 15, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8 f.).
18
b) Gemessen daran vermögen – jedenfalls im vorliegenden Fall – weder der Hinweis auf das „Ermittlungsergebnis“ noch die ebenfalls nicht näher beleg- te Bezugnahme auf die „umfassende Beweisaufnahme“ und die „umfassende geständige Einlassung der Angeklagten“ eine Irrtumserregung bei den von den Lastschrifteinzügen betroffenen Bankkunden zu belegen.
19
aa) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer Geschädigte als Zeugen vernommen hat oder dass deren Angaben auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
20
bb) Die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums und einer dadurch kausal hervorgerufenen Vermögensverfügung versteht sich hier auch nicht von selbst. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer wurde bei den Betroffenen im Rahmen der Telefonanrufe durch die Callcenter-Mitarbeiter der Eindruck erweckt, sie hätten die Möglichkeit, einen bestehenden Vertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu been- den. In der „weit überwiegenden Anzahl“ der Fällehatten die Betroffenen jedoch der Behauptung widersprochen, sie hätten einen derartigen Vertrag abgeschlossen. Danach liegt es – auch soweit dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht ausdrücklich widersprochen wurde – nicht auf der Hand, dass die Betroffenen die Rückforderung der abgebuchten Beträge gerade aufgrund der irrtümlichen Annahme unterließen, sie seien aufgrund eines bestehenden Ver- tragsverhältnisses verpflichtet, die Abbuchung dieser Beträge (dauerhaft) als rechtmäßig zu dulden.
21
Was die Fälle betrifft, in denen die Täter bereits über die Bankdaten verfügten und Anrufe bei den jeweiligen Kontoinhabern daher entbehrlich waren, vermögen die Urteilsgründe ebenfalls nicht hinreichend zu vermitteln, auf welcher Grundlage sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, die Bankkunden hätten sich gegen die Lastschriften nicht zur Wehr gesetzt, weil ihnen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung vorgespiegelt wurde. Diese Annahme ist schon mit der von der Strafkammer festgestellten, ausweislich der Urteilsgründe aber nicht näher überprüften Erwartung der Angeklagten unvereinbar, die Kontoinhaber würden die Lastschriften gar nicht bemerken, möglicherweise also noch nicht einmal einer täuschungsbedingten Fehlvorstellung im Sinne eines sog. sachgedanklichen Mitbewusstseins unterliegen.
22
3. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die aus der Urteilsformel ersichtliche Beschränkung vor.
23
a) Die Feststellungen und die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung belegen für beide Tatvarianten insbesondere, dass die Angeklagten nach ihrer Vorstellung als Mittäter im Wege eines uneigentlichen Organisationsdelikts Betrugshandlungen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Kontoinhaber begehen wollten und hierzu auch unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB).
24
aa) In den sog. Anruffällen ging es den Angeklagten darum, bei den Telefonanrufen und durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben den Empfängern das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung zu verzichten. Hierin liegt ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12, Tz. 17).
25
bb) Aber auch in den Fällen, in denen die Lastschrifteinzüge ohne vorherige telefonische Kontaktaufnahme erfolgten und die Übersendung von Begrüßungsschreiben unterblieb, ein direkter Kundenkontakt also nicht stattfand, war der Tatplan der Angeklagten auf die Begehung eines Betruges gerichtet.
26
(1) Den Angeklagten war bewusst, dass die betroffenen Kunden von ihrer jeweiligen Bank einen Kontoauszug erhalten würden, in dem die von ihnen veranlasste Abbuchung ausgewiesen war. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die jeweilige Kontoinformation auf dem Auszug nicht nur den Namen des Zahlungsdienstleisters, den abgebuchten Betrag und eine sog. IDNummer , sondern auch einen Produktnamen. Dabei entsprach es der Vorstellung der Angeklagten, dass den betroffenen Bankkunden unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Empfängerhorizonts im Hinblick auf die Mitteilung einer derartigen Produktbezeichnung ein wirksames Kausalgeschäft vorgespiegelt werden sollte.
27
(2) Der Ablauf des im Wesentlichen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens (vgl. Nr. 9 AGBBanken i.d. bis zum 30. Oktober 2009 gültigen Fassung sowie die Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr im Einzugsermächtigungsverfahren i.d.F. v. Oktober 2009 und die Bedingungen für den Lastschrifteinzug vom November 2009), dessen sich die Angeklagten hier zur Tatausführung bedienten, bestätigt diese rechtliche Beurteilung. Dieses Verfahren wird durch die Übermittlung eines vom Zahlungsempfänger – hier also von den Angeklagten – mit den erforderlichen Informationen versehenen Lastschriftdatensatzes – regelmäßig in elektronischer Form – über dessen Bank an das Geldinstitut des Schuldners ohne dessen Einschaltung in Gang gesetzt. Dessen Institut belastet seinerseits ohne eigene Sachprüfung das Konto des Kunden mit dem genannten Betrag (vgl. Nr. 2.1.2 sowie 2.3.1 der Sonderbedingungen; vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 – II ZR 277/84, BGHZ 95, 103, 106). Der zahlungspflichtige Bankkunde erhält sodann von seiner Zahlstelle entsprechend dem vom Zahlungsempfänger an dessen Bank übermittelten Lastschriftdatensatz eine Mitteilung über die erfolgte Belastung auf seinem Kontoauszug (Lastschriftabkommen Abschnitt 1 Nr. 7 Abs. 1). Da dieses Verfahren den Zahlungsempfänger in die Lage versetzt, von sich aus ohne Mitwirkung des Zahlungspflichtigen den Zeitpunkt des Zahlungsflusses zu bestimmen (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241, Tz. 15), und der Schuldner auf die (nachträgliche) Verweigerung der Genehmigung verwiesen wird (Nr. 2.4 der Sonderbedingungen ), muss der Zahlungsempfänger, um Forderungen einzuziehen, gegenüber seiner Bank versichern, dass ihm eine schriftliche Ermächtigung des Zahlungspflichtigen vorliegt (vgl. dazu Lastschriftabkommen Abschnitt I Nr. 3; Einzelheiten bei Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 58 Rn. 11). Auch diese Erklärung über das Vorliegen einer Einzugsermächtigung gibt die Gläubigerbank über die Schuldnerbank als Boten an den vermeintlichen Schuldner weiter.
28
(3) Danach war der Tatplan der Angeklagten darauf gerichtet, die betroffenen Bankkunden sowohl über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses als auch über die Berechtigung zur Vornahme des Lastschrifteinzugs zu täuschen. Dies geschah mit dem Ziel, die Bankkunden bis zum endgültigen Eintritt der Genehmigungswirkung von der Geltendmachung von Einwendungen ge- genüber der kontoführenden Bank und damit von der Möglichkeit der Rückbuchung der vereinnahmten Geldbeträge abzuhalten.
29
(4) Die Angeklagten haben auch unmittelbar im Sinne des § 22 StGB zur Begehung dieser Tat angesetzt. Indem sie den Lastschrifteinzug bei ihrer Bank einreichten und damit das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren in Gang setzten, gaben sie das Geschehen aus der Hand (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; vgl. auch SSW-StGB/ Kudlich/Schuhr, 2. Aufl., § 22 Rn. 40).
30
b) Auch die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, Tz. 13, 51, m. abl. Anm. Heghmanns ZJS 2013, 423; i.E. ebenso schon BGH, Beschluss vom 12. September 1990 – 3 StR 277/90, HFR 1991, 496). Schon im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle und die Komplexität des Tatgeschehens würde die weitere Aufklärung mit dem Ziel der Feststellung eines vollendeten Delikts einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten.

III.


31
Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs für alle drei Angeklagten. § 265 StPO steht nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich die umfassend geständigen Angeklagten anders als geschehen verteidigt hätten.
32
Die Strafaussprüche können jedoch nicht bestehen bleiben, da die Möglichkeit besteht, dass die Strafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs dem gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen worden wären. Über diese Frage wird der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter nunmehr auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeiten und der Tatumstände unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere der Vollendungsnähe, zu entscheiden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 21).

IV.


33
Ob die vom Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffene Entscheidung in der Sache durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Angeklagten sind von dieser Entscheidung weder betroffen noch durch sie beschwert.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 658/13
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 29 Fällen (Fälle II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe), in sechs Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , und wegen Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte zog im September 2011 in die Wohnung von M. , die er kurz zuvor über eine Singleplattform im Internet kennen gelernt hatte. Ihr gegenüber gab er vor, für einen russischen Konzern im Ölgeschäft tätig und sehr wohlhabend zu sein. Tatsächlich hatte er jedoch – mangels eigener Einkünfte – von vornherein vor, nicht nur deren Wohnung als kostenlose Unterkunft für sich zu nutzen, sondern alle in der Folgezeit anfallenden Ausgaben und Lebenshaltungskosten durch Dritte, insbesondere durch M. finanzieren zu lassen.
4
Zu diesem Zweck „verschaffte er sich“ die Kreditkartendaten der Firmenkreditkarte der M. , benutzte diese Daten und ihren Namen und bestellte in insgesamt 29 im Einzelnen dargestellten Fällen jeweils ohne deren Wissen und Erlaubnis Waren bzw. Dienstleistungen, „die er sich mangels eigener Mittel selbst nicht hätte leisten können“ (UA S. 7). Insechs Fällen bestätigte der Angeklagte zusätzlich jeweils den Erhalt der Waren durch Unterzeichnung der Lieferbelege mit dem Namen der Zeugin M. .
5
In einem weiteren Fall abonnierte der Angeklagte unter dem Namen der Zeugin M. und den Kontodaten einer anderen Person bei der Firma N. - eine Musik-Flatrate zum Preis von 79,95 €. Mangels ausreichender Deckung des Kontos hat das Unternehmen N. diesen Betrag nicht einziehen können.
6
b) Nach der Wertung des Landgerichts täuschte der Angeklagte die mit der Bearbeitung seiner Bestellung jeweils betrauten Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen in allen Fällen über seine Zahlungsbereitschaft. „Soweit eine Bestellung im Internet ohne Tätigkeit einer Person automatisch verarbeitet wurde, beeinflusste der Angeklagte durch die unbefugte Verwendung der Personenund Zahlungsdaten den zur Ausführung der Bestellung veranlassten Datenver- arbeitungsvorgang“ (UA S. 7).
7
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt: „Soweit in den Fällen 1-29 entgegen der Annahme der Kammer in einzelnen Fällen die Bearbeitung der Bestellung nicht durch Zwischenschaltung eines Mitarbeiters, sondern vollautomatisch durch einen Datenverarbeitungsvorgang ausgeführt worden sein sollte, wozu die Kammer keine … Feststellungen hat treffen kön- nen, wäre insofern zwar nicht der Tatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB, sondern stattdessen der Tatbestand des Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1 StGB … erfüllt gewesen, den die Kammer jedoch … in gleicher Höhe bestraft hätte“ (UA S. 16).
8
2. Die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs in 29 Fällen begegnet durchgreifenden Bedenken.
9
a) Bereits die Beweiswürdigung, die der Annahme des Tatgerichts zugrunde liegt, in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe habe der Angeklagte jeweils eine natürliche Person getäuscht und nicht nur im Sinne des § 263a StGB auf einen Datenverarbeitungsvorgang eingewirkt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Tatgericht stellt insoweit allein darauf ab, dass der Angeklagte in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. über onlineBestellplattformen diverse Speisen bestellt hat, die entsprechend der übermittelten Daten jeweils „persönlich zubereitet“ werden mussten. Dieser Umstand stellt indes keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Schlussfolgerung dar, dass in den genannten Fällen und in den Fällen II. b) 1., 2., 17., 18. und 23. bis 29., denen unter anderem Bestellungen von Elektroartikeln und nicht mehr feststellbaren Waren oder Dienstleistungen zugrunde lagen, jeweils natürliche Personen getäuscht wurden.
10
b) Ungeachtet dessen wird eine Täuschung selbst nicht hinreichend belegt , denn aufgrund der (möglicherweise) bestehenden Garantiefunktion des Kreditkartenausstellers könnte es auch an einer Täuschungshandlung des Angeklagten gegenüber Mitarbeitern der Internet-Versandanbieter fehlen (vgl. dazu : Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 49 Rdn. 119).
11
c) Ebenso wenig hinreichend belegt wird, dass die Verfügenden einem Irrtum erlegen sind. Die Strafkammer hat insoweit die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt. Die jeweils irrenden Personen hat das Landgericht nicht ermittelt, weil es „als selbstverständlich anzusehen ist, dass die Mitarbeiter von Internet-Versandanbietern eine Bestellung … grundsätzlich im Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit des Bestellers und … im Vertrauen auf die Berechtigung zur Verwendung der Kreditkartendaten ausfüh- ren“ (UA S. 14).
12
Den Feststellungen zu den Fällen II. b) 18., 23. und 24. der Urteilsgründe lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt bei Internet -Versandanbietern bestellt hat, so dass die Argumentation des Landgerichts bereits aus diesem Grunde nicht verfängt.
13
In den Urteilsgründen ist zudem grundsätzlich festzustellen und darzulegen , welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 14, vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 und vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133 mwN); regelmäßig ist es deshalb erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Ausnahmsweise kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (vgl. auch BGH, Urteile vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Insbesondere vor dem Hintergrund , dass in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe jeweils (mehrfach) nur ein Internet-Versandanbieter betroffen war, hätte sich gerade hier die Vernehmung von (wenigen) Zeugen aufgedrängt, zumal Feststellungen zum Irrtum von Versandmitarbeitern auch nicht aufgrund des – im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgegebenen – Geständnisses des Angeklagten getroffen werden können.
14
d) Nicht nachvollziehbar dargelegt ist auch, bei wem und gegebenenfalls in welcher Höhe in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verfügung (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rdn. 111 mwN) ein betrugsrelevanter Schaden eingetreten ist. Nach den landgerichtlichen Feststellungen erlangte der Angeklagte Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 2.956,87 €. Das Kreditkartenkonto der Zeugin M. wurde in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe in Höhe von 1.218,78 € belastet. „Diese musste den Schaden aufgrund einer entsprechenden Versicherung jedoch nicht endgültig tragen“ (UA S. 12).
15
Damit ist weder dargetan, dass ein Vermögensschaden bei den (möglicherweise ) getäuschten Internet-Versandanbietern eingetreten ist, noch ob die vorgenommenen Verfügungen zulässigerweise (vgl. dazu Fischer, aaO, Rdn.
82 ff.) einem geschädigten Dritten zuzurechnen sind. Die bloße Feststellung einer Tathandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB und einer Vermögensschädigung bei – möglicherweise – verschiedenen Beteiligten genügt nicht. Tatbestandserfüllend sind vielmehr (nur) diejenigen Vermögensschädigungen, die für sich genommen unmittelbare Folge einer vermögensrelevanten Verfügung sind; diese Vermögensverfügung muss ihrerseits unmittelbar durch die Tathandlung beeinflusst sein.
16
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird in diesem Zusammenhang deshalb eingehender als bislang geschehen darzustellen haben, welche spezifische Form der Zahlung durch die Nutzung der Kreditkartendaten durch den (dazu nichtberechtigten) Angeklagten vorliegt (vgl. dazu Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, aaO, § 49 Rdn. 61, 109 ff., 119 ff.; Fischer, StGB, 61. Auf., § 263a Rdn. 12a, 15 f., jeweils mwN). Gegebenenfalls wird zu erwägen sein, ob sich der Angeklagte (tateinheitlich) gemäß §§ 269, 270 StGB strafbar gemacht hat.
17
e) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs in 29 Fällen, was auch die Aufhebung der – für sich genommen rechtsfehlerfreien – tateinheitlichen Verurteilungen wegen Urkundenfälschung in den Fällen II. b) 23. bis 28. der Urteilsgründe nach sich zieht (vgl. auch Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rdn. 12 mwN).
18
3. Der Schuldspruch wegen Computerbetrugs im Fall II. b) 30. der Urteilsgründe hält hingegen rechtlicher Nachprüfung Stand. Der Vorgang und die Abwicklung erfolgten ausweislich der Urteilsfeststellungen automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394, 1395; Tiedemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 263a Rdn. 58 mwN). Das Unternehmen N. hat dadurch auch einen Schaden erlitten.
19
4. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird die Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO zu beachten haben. Im Übrigen sind auch aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann erforderlich , wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11, StV 2011, 728 mwN). Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Den Leiter der Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen
Rechts kann eine Garantenpflicht treffen, betrügerische Abrechnungen
zu unterbinden.
BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08
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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Hauptverhandlung
vom 16. und 17. Juli 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
alsVerteidigerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 17. Juli 2009 für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten W. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2008 wird verworfen.
Der Angeklagte W. trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Beihilfe (durch Unterlassen) zum Betrug zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt und angeordnet, dass als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer 20 Tagessätze als vollstreckt gelten. Die umfassend eingelegte und mit formellen und materiellen Beanstandungen geführte Revision dieses Angeklagten bleibt erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Der Angeklagte war seit 1989 als Volljurist bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (im Folgenden: BSR) tätig und seit Anfang 1998 Leiter des Stabsbereichs Gremienbetreuung sowie Leiter der Rechtsabteilung. Zwischen 2000 und Ende 2002 war ihm zudem die Innenrevision unterstellt. Der BSR, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, oblag in ihrem hoheitlichen Be- reich die Straßenreinigung mit Anschluss- und Benutzungszwang für die Eigentümer der Anliegergrundstücke. Die Rechtsverhältnisse waren zwar privatrechtlich ausgestaltet; für die Bestimmung der Entgelte galten jedoch das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip als öffentlich-rechtliche Grundsätze der Gebührenbemessung.
4
Nach den Regelungen des Berliner Straßenreinigungsgesetzes hatten die Anlieger 75 % der angefallenen Kosten für die Straßenreinigung zu tragen ; 25 % der Kosten verblieben beim Land Berlin (§ 7 Abs. 1). Die Aufwendungen der Reinigung für Straßen ohne Anlieger musste das Land Berlin im vollen Umfang tragen (§ 7 Abs. 6). Die Entgelte, die sich nach der Häufigkeit der Reinigung in vier Tarifklassen unterteilten, wurden für den Tarifzeitraum auf der Grundlage einer Prognose der voraussichtlichen Aufwendungen festgesetzt. Die von Vorstand und Aufsichtsrat zu verabschiedende Tarifbestimmung wurde durch eine Projektgruppe „Tarifkalkulation“ vorbereitet, die der Angeklagte W. leitete. Infolge eines Versehens wurden bei der Berechnung der Entgelte der Tarifperiode 1999/2000 auch die Kosten für die Straßen zu 75 % einbezogen, für die es keine Anlieger gab; diese hätte das Land Berlin vollständig tragen müssen. Der Berechnungsfehler wurde in der Folgezeit bemerkt, aber nicht korrigiert.
5
Für die Tarifperiode 2001/2002, den Tatzeitraum, wurde vom Gesamtvorstand der BSR eine neue Projektgruppe eingesetzt. Dieser gehörte der Angeklagte W. nicht mehr an. Sie wurde von dem früheren Mitangeklagten H. geleitet, der im Stabsbereich tätig und dem Angeklagten W. unmittelbar unterstellt war. Der Angeklagte W. nahm selbst unregelmäßig an den Sitzungen der neuen Projektgruppe teil, die zunächst den Rechnungsfehler aus der vergangenen Tarifperiode beheben wollte. Auf Weisung des früheren Mitangeklagten G. wurde dies jedoch unterlassen. Der Tarif, in dessen Berechnungsgrundlage auch die anliegerfreien Straßen einbezogen worden waren, wurde vom Vorstand und Aufsichtsrat der BSR gebilligt, wobei jeweils die Tarife erläutert wurden, ohne jedoch die Entscheidungsträger auf die Einbeziehung der anliegerfreien Straßen hinzuweisen. Der Angeklagte W. , der um den Berechnungsfehler wusste, war bei der Sitzung des Gesamtvorstands nicht anwesend. Bei der Sitzung des Aufsichtsrats führte er zwar Protokoll; eine weitere Beteiligung seinerseits konnte das Landgericht jedoch nicht feststellen. Der Angeklagte W. unterrichtete auch in der Folgezeit weder seinen unmittelbaren Vorgesetzten , den Vorstandsvorsitzenden D. , noch ein Mitglied des Aufsichtsrats. Die Senatsverwaltung genehmigte den Tarif. Dabei verpflichtete sie die BSR allerdings im Wege einer Auflage zu einer Nachkalkulation. Auf der Grundlage des genehmigten Tarifs wurden von den Eigentümern der Anliegergrundstücke um insgesamt 23 Mio. Euro überhöhte Entgelte verlangt , die auch überwiegend bezahlt wurden.
6
2. Das Landgericht hat das Verhalten des vormaligen Mitangeklagten G. im Blick auf die gesamte Tarifperiode 2001/2002 als (einheitlichen) Betrug in mittelbarer Täterschaft gewertet. Der Angeklagte W. habe hierzu Beihilfe geleistet. Ein aktives Handeln des Angeklagten W. , dem die falsche Tarifberechnung bekannt gewesen sei, lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen. Er habe sich jedoch der Beihilfe durch Unterlassen schuldig gemacht. Eine Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB ergebe sich daraus , dass er als Leiter der Tarifkommission den Bewertungsfehler in der vorigen Periode zu vertreten habe und dessen Behebung in der folgenden Tarifperiode hätte veranlassen müssen. Zudem komme ihm als Leiter der Innenrevision eine Garantenstellung zu. In dieser Eigenschaft, zumal als Bediensteter einer Anstalt des öffentlichen Rechts, sei er nämlich verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen Regeln auch zum Schutz der Entgeltschuldner sicherzustellen. Da sich der Angeklagte W. dem Handeln des früheren Mitangeklagten G. untergeordnet habe, liege bei ihm lediglich ein Gehilfenvorsatz vor.

II.


7
Die Revision des Angeklagten W. ist unbegründet.
8
1. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.
9
a) Die Besetzungsrüge zeigt keinen Rechtsfehler auf. Wie der Senat im Beschluss vom 24. März 2009 (NStZ 2009, 342; hierzu Volkmer NStZ 2009, 371) seine eigene Besetzung betreffend ausgeführt hat, ist Verletzter im Sinne des § 22 Nr. 1 i.V.m. § 338 Nr. 2 StPO nicht bereits ein Mieter, auf den – abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen – die Reinigungsentgelte umgelegt werden können. Entgegen der Auffassung der Revision begründet auch der Umstand, dass der Vater des Richters We. an einem in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten Fonds beteiligt ist, keinen Ausschlussgrund. Dieser Fonds ist selbst nicht Eigentümer. Vielmehr wird das Eigentum treuhänderisch von einer GmbH gehalten. Eine über den Fonds und die Treuhand doppelt vermittelte und nur indirekte Berührung der wirtschaftlichen Interessen des Vaters des Richters We. ist – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – für einen Ausschluss nach § 22 Nr. 3 StPO nicht ausreichend.
10
b) Das Landgericht hat den Antrag auf Vernehmung des Zeugen R. rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die Verteidigung hat die Vernehmung dieses Zeugen, der Nachfolger des Angeklagten als Leiter der Innenrevision war, zum Beweis für die Verhältnisse bei der Innenrevision und deren Anbindung an den Vorstand beantragt. Das Landgericht hat die beantragte Beweiserhebung abgelehnt, weil die Frage, wie die Innenrevision personell strukturiert war und welche Prüfaufträge dort abgearbeitet werden, für die Garantenstellung ohne Bedeutung ist.
11
Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Für die Frage einer aus dieser Stellung folgenden Garantenpflicht ist es unerheblich, ob die In- nenrevision die Tarifbildung geprüft hat oder diese überhaupt aufgrund ihrer geringen personellen Ausstattung hätte prüfen können. Das Landgericht hat nämlich die Garantenstellung nicht aus einer konkret erfolgten Prüfung der Tarife hergeleitet, sondern sie vielmehr darauf gestützt, dass der Angeklagte als Leiter der Innenrevision eine besondere Pflichtenstellung innehatte, eine betrügerische Tarifbildung zu verhindern.
12
c) Ohne Erfolg rügt die Verteidigung, dass das Landgericht nicht sämtliche (ca. 170.000) Grundstückseigentümer als Zeugen über ihre jeweiligen Vorstellungen bei dem Erhalt der (rechtwidrig überhöhten) Abrechnungen der BSR gehört hat. Die Strafkammer hat diesen Antrag als bloßen Beweisermittlungsantrag angesehen.
13
aa) Diese Auffassung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Verteidigung hat das Landgericht diesen Antrag schon deshalb zu Recht nicht als einen nach § 244 Abs. 3 StPO zu bescheidenden Beweisantrag angesehen, weil die Zeugen nicht mit Namen und vollständiger Anschrift genannt wurden. Dies ist aber erforderlich (BGHSt 40, 3, 7; Beschluss vom 28. Mai 2009 – 5 StR 191/09 – zur Veröffentlichung bestimmt in BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag). Eine Ausnahme gilt allenfalls insoweit, als der Antragsteller außerstande ist, die vollständige Anschrift zu benennen. Dies ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass der Angeklagte selbst in der Lage gewesen wäre, eine Reihe von Grundstückseigentümern mit vollständiger Adresse allein aus seinem Wissen zu bezeichnen und schon dies nicht getan hat, ist nicht erkennbar, dass er diese Daten nicht über seine Arbeitgeberin hätte besorgen und dem Landgericht vorlegen können.
14
bb) Auch in der Sache hätte das Landgericht der beantragten Beweiserhebung nicht nachkommen müssen. Bei einer im Wesentlichen auf eine Zahlungsanforderung beschränkten Erklärung reichte es – wie der Senat in seinem Beschluss vom 9. Juni 2009 bezüglich des Mitangeklagten G.
in derselben Sache bereits ausgeführt hat – für einen Irrtum im Sinne des § 263 StGB aus, wenn sich die Empfänger in einer wenngleich allgemein gehaltenen Vorstellung befanden, dass die Tarifberechnung in Ordnung sei. Ein differenziertes Vorstellungsbild bei den einzelnen Empfängern der Rechnungen liegt hier fern. Insoweit weicht die Fallkonstellation im vorliegenden Fall von den von der Revision in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9, 11) ab, die von den Geschädigten individuell zu bearbeitende Rechnungen oder Überweisungen zum Gegenstand hatten. Diese Fälle unterscheiden sich von dem hier vorliegenden schon dadurch, dass die Entgeltforderung hier für den jeweiligen Grundstückseigentümer eine wirtschaftlich nicht sehr gewichtige und auch völlig unauffällige Erklärung darstellte. Bei dem einzelnen Empfänger konnte deshalb nur das von dem sachgedanklichen Mitbewusstsein umfasste Vorstellungsbild entstanden sein, dass die Abrechnung jedenfalls nicht betrügerisch sei.
15
cc) Dieses von ihm angenommene und im Wesentlichen normativ geprägte Vorstellungsbild der Empfänger hat das Landgericht zudem erhärtet, indem es mehrere Zeugen einvernommen hat und in deren Aussagen dieses Ergebnis bestätigt fand. Angesichts dieses Befunds – zumal mit Blick auf die abgeurteilte einheitliche Tat – bedurfte es keiner weiteren Aufklärung durch die zusätzliche Vernehmung weiterer Zeugen. Dass das Landgericht in den Urteilsgründen nur die Aussage von drei dieser Zeugen wiedergegeben hat, verstößt nicht gegen §§ 261, 267 Abs. 1 Satz 2 StPO. Das Tatgericht ist nicht gehalten, sämtliche Zeugenaussagen zu dokumentieren.
16
2. Die Revision des Angeklagten zeigt auch mit der Sachrüge keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
17
a) Soweit die Revision die strafrechtliche Würdigung der Haupttat als Betrug in mittelbarer Täterschaft angreift, verweist der Senat auf seine Entscheidung , die er am 9. Juni 2009 im Beschlusswege gegen den Mitange- klagten G. getroffen hat. Die Ausführungen der Verteidigung geben dem Senat keinen Anlass zu weiteren Ausführungen im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs oder zum Nichtvorliegen der speziellen Strafvorschriften der §§ 352, 353 StGB.
18
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist bei dem Angeklagten auch die Kenntnis von der Haupttat belegt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte nämlich durch den ihm direkt unterstellten H. darüber in Kenntnis gesetzt, dass G. den Fehler so „laufen lassen wolle“. Im Übrigen führte der Angeklagte bei der entscheidenden Sitzung des Aufsichtsrats Protokoll, in der die unrichtig berechneten Tarife von G. vorgestellt und vom Aufsichtsrat schließlich gebilligt wurden.
19
b) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht hat bei dem Angeklagten zu Recht eine Garantenstellung bejaht.
20
aa) Allerdings ergibt sich diese nicht schon daraus, dass der Angeklagte die Tarifkommission für die vorherige (nicht verfahrensgegenständliche ) Abrechnungsperiode geleitet hatte. Zwar unterlief dieser von ihm geführten Kommission bereits der Fehler, dass die anliegerfreien Grundstücke in den Tarif einbezogen wurden. Eine Garantenstellung folgt hieraus jedoch nicht.
21
In Betracht käme insoweit eine Garantenstellung aus der tatsächlichen Herbeiführung einer Gefahrenlage (Ingerenz). Ein (pflichtwidriges) Vorverhalten begründet aber nur dann eine Garantenstellung, wenn es die naheliegende Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten, tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht (BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 14; BGH NJW 1999, 69, 71, insoweit in BGHSt 44, 196 nicht abgedruckt; BGH NStZ 2000, 583). Eine solche nahe Gefahr bestand hier nicht. Der Umstand, dass die vorherige Tariffestsetzung fehlerbehaftet war, bedeutet nämlich nicht, dass sich dieser Fehler auch in die nächste Tarifperiode hinein fortsetzt. Dies gilt jedenfalls, sofern nicht – wofür hier nichts festgestellt ist – eine gesteigerte Gefahr bestand, dass die zunächst unerkannt fehlerhafte Berechnungsgrundlage ohne erneute sachliche Prüfung der neuen Festsetzung ohne weiteres zugrunde gelegt würde. Vielmehr wird in der nächsten Tarifperiode der Tarif uneingeschränkt neu bestimmt. Schon die ausschließliche Verantwortlichkeit der neuen Tarifkommission steht deshalb der Annahme einer Garantenstellung aus Ingerenz entgegen (vgl. Roxin, Strafrecht AT II 2003 S. 773). Zwar mag eine gewisse, eher psychologisch vermittelte Gefahr bestehen, zur Vertuschung des einmal gemachten Fehlers diesen zu wiederholen. Ein solcher motivatorischer Zusammenhang reicht jedoch nicht für die Begründung einer Garantenstellung aus. Der neue Tarif wird auf der Grundlage der hierfür maßgeblichen Rahmendaten selbständig festgesetzt. Seine Festsetzung erfolgt ohne Bindung an den Berechnungsmaßstab der Vorperioden, dessen Fehlerhaftigkeit nicht einmal zwangsläufig hätte aufgedeckt werden müssen. Auch ohne Eingreifen des Angeklagten wäre der Fehler nicht automatisch in die folgende Tarifperiode eingeflossen. Dies zeigt sich im Übrigen auch darin , dass die neue Tarifkommission bereits von sich aus diesen Fehler nicht wiederholen wollte, sondern hierzu erst durch die Einflussnahme des vormaligen Mitangeklagten G. veranlasst wurde.
22
bb) Dagegen hat das Landgericht zu Recht aus der Stellung des Angeklagten W. als Leiter der Rechtsabteilung und der Innenrevision eine Garantenstellung hergeleitet.
23
(1) Durch die Übernahme eines Pflichtenkreises kann eine rechtliche Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB begründet werden. Die Entstehung einer Garantenstellung hieraus folgt aus der Überlegung, dass denjenigen , dem Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelle übertragen sind (vgl. Roxin aaO S. 712 ff.), dann auch eine „Sonderverantwortlichkeit“ für die Integrität des von ihm übernommenen Verantwortungsbereichs trifft (vgl. Freund in MünchKomm StGB § 13 Rdn. 161). Es kann dahinstehen, ob der verbreiteten Unterscheidung von Schutz- und Überwachungspflichten in diesem Zusammenhang wesentliches Gewicht zukommen kann, weil die Überwachungspflicht gerade dem Schutz bestimmter Rechtsgüter dient und umgekehrt ein Schutz ohne entsprechende Überwachung des zu schützenden Objekts kaum denkbar erscheint (vgl. BGHSt 48, 77, 92). Maßgeblich ist die Bestimmung des Verantwortungsbereichs, den der Verpflichtete übernommen hat. Dabei kommt es nicht auf die Rechtsform der Übertragung an, sondern darauf, was unter Berücksichtigung des normativen Hintergrunds Inhalt der Pflichtenbindung ist (vgl. BGHSt 43, 82).
24
Die Rechtsprechung hat bislang in einer Reihe von Fällen Garantenstellungen anerkannt, die aus der Übernahme von bestimmten Funktionen abgeleitet wurden. Dies betraf nicht nur hohe staatliche oder kommunale Repräsentanten, denen der Schutz von Leib und Leben der ihnen anvertrauten Bürger obliegt (BGHSt 38, 325; 48, 77, 91), sondern auch Polizeibeamte (BGHSt 38, 388), Beamte der Ordnungsbehörde (BGH NJW 1987, 199) oder auch Bedienstete im Maßregelvollzug (BGH NJW 1983, 462). Eine Garantenpflicht wird weiterhin dadurch begründet, dass der Betreffende eine gesetzlich vorgesehene Funktion als Beauftragter übernimmt (vgl. OLG Frankfurt NJW 1987, 2753, 2757; Böse NStZ 2003, 636), etwa als Beauftragter für Gewässerschutz (§§ 21a ff. WHG), Immissionsschutz (§§ 53 ff. BImSchG) oder Strahlenschutz (§§ 31 ff. StrahlenschutzVO).
25
Die Übernahme entsprechender Überwachungs- und Schutzpflichten kann aber auch durch einen Dienstvertrag erfolgen. Dabei reicht freilich der bloße Vertragsschluss nicht aus. Maßgebend für die Begründung einer Garantenstellung ist vielmehr die tatsächliche Übernahme des Pflichtenkreises. Allerdings begründet nicht jede Übertragung von Pflichten auch eine Garantenstellung im strafrechtlichen Sinne. Hinzutreten muss regelmäßig ein besonderes Vertrauensverhältnis, das den Übertragenden gerade dazu veranlasst , dem Verpflichteten besondere Schutzpflichten zu überantworten (vgl. BGHSt 46, 196, 202 f.; 39, 392, 399). Ein bloßer Austauschvertrag genügt hier ebenso wenig wie ein Arbeitsverhältnis (Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn. 41). Im vorliegenden Fall kann nicht zweifelhaft sein, dass der Angeklagte aufgrund des übernommenen Aufgabenbereichs eine Garantenstellung innehatte. Entgegen der Auffassung der Verteidigung und des Generalbundesanwalts beschränkte sich seine Einstandspflicht jedoch nicht nur darauf , Vermögensbeeinträchtigungen des eigenen Unternehmens zu unterbinden , sondern sie kann auch die Verhinderung aus dem eigenen Unternehmen kommender Straftaten gegen dessen Vertragspartner umfassen.
26
(2) Der Inhalt und der Umfang der Garantenpflicht bestimmen sich aus dem konkreten Pflichtenkreis, den der Verantwortliche übernommen hat. Dabei ist auf die besonderen Verhältnisse des Unternehmens und den Zweck seiner Beauftragung abzustellen. Entscheidend kommt es auf die Zielrichtung der Beauftragung an, ob sich die Pflichtenstellung des Beauftragten allein darin erschöpft, die unternehmensinternen Prozesse zu optimieren und gegen das Unternehmen gerichtete Pflichtverstöße aufzudecken und zukünftig zu verhindern, oder ob der Beauftragte weitergehende Pflichten dergestalt hat, dass er auch vom Unternehmen ausgehende Rechtsverstöße zu beanstanden und zu unterbinden hat. Unter diesen Gesichtspunkten ist gegebenenfalls die Beschreibung des Dienstpostens zu bewerten.
27
Eine solche, neuerdings in Großunternehmen als „Compliance“ bezeichnete Ausrichtung, wird im Wirtschaftsleben mittlerweile dadurch umgesetzt , dass so genannte „Compliance Officers“ geschaffen werden (vgl. BGHSt 52, 323, 335; Hauschka, Corporate Compliance 2007 S. 2 ff.). Deren Aufgabengebiet ist die Verhinderung von Rechtsverstößen, insbesondere auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können (vgl. Bürkle in Hauschka aaO S. 128 ff.). Derartige Beauftragte wird regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu ver- hindern. Dies ist die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden (vgl. Kraft/Winkler CCZ 2009, 29, 32).
28
Eine derart weitgehende Beauftragung ist bei dem Angeklagten nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen war der Angeklagte als Jurist Leiter der Rechtsabteilung und zugleich Leiter der Innenrevision. Er war unmittelbar dem Vorstandsvorsitzenden unterstellt. Zwar gibt es zwischen dem Leiter der Innenrevision und dem so genannten „Compliance Officer“ regelmäßig erhebliche Überschneidungen im Aufgabengebiet (vgl. Bürkle aaO S. 139). Dennoch erscheint es zweifelhaft, dem Leiter der Innenrevision eines Unternehmens eine Garantenstellung auch insoweit zuzuweisen, als er im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB verpflichtet ist, Straftaten aus dem Unternehmen zu Lasten Dritter zu unterbinden.
29
Im vorliegenden Fall bestehen indes zwei Besonderheiten: Das hier tätige Unternehmen ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und die vom Angeklagten nicht unterbundene Tätigkeit bezog sich auf den hoheitlichen Bereich des Unternehmens, nämlich die durch den Anschluss- und Benutzungszwang geprägte Straßenreinigung, die gegenüber den Anliegern nach öffentlich-rechtlichen Gebührengrundsätzen abzurechnen ist. Dies hat für die Eingrenzung der dem Angeklagten obliegenden Überwachungspflichten Bedeutung. Als Anstalt des öffentlichen Rechts war die BSR den Anliegern gegenüber zu gesetzmäßigen Gebührenberechnungen verpflichtet. Anders als ein privates Unternehmen, das lediglich innerhalb eines rechtlichen Rahmens , den es zu beachten hat, maßgeblich zur Gewinnerzielung tätig wird, ist bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts der Gesetzesvollzug das eigentliche Kernstück ihrer Tätigkeit. Dies bedeutet auch, dass die Erfüllung dieser Aufgaben in gesetzmäßiger Form zentraler Bestandteil ihres „unternehmerischen“ Handelns ist. Damit entfällt im hoheitlichen Bereich die Trennung zwischen einerseits den Interessen des eigenen Unternehmens und andererseits den Interessen außenstehender Dritter. Dies wirkt sich auf die Ausle- gung der Überwachungspflicht aus, weil das, was zu überwachen ist, im privaten und im hoheitlichen Bereich unterschiedlich ausgestaltet ist.
30
Die Überwachungspflicht konzentriert sich auf die Einhaltung dessen, was Gegenstand der Tätigkeit des Dienstherrn ist, nämlich den gesetzmäßigen Vollzug der Straßenreinigung, der auch eine gesetzmäßige Abrechnung der angefallenen Kosten einschließt. Der konkrete Dienstposten des Angeklagten umfasste die Aufgabe, die Straßenanlieger vor betrügerisch überhöhten Gebühren zu schützen, und begründete so auch eine entsprechende Garantenpflicht. Der Zuschnitt der vom Angeklagten zu übernehmenden Aufgabe ist dabei – was das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – vor dem Hintergrund seiner bisherigen Funktionen für die BSR zu sehen. Dort galt er insbesondere als Tarifrechtsexperte und als das „juristische Gewissen“ der BSR (UA S. 7, 10, 46). Die zusätzliche Übertragung der Leitung der Innenrevision (UA S. 5, 22) war ersichtlich mit dieser Fähigkeit verbunden. Der dem Vorstandsvorsitzenden unmittelbar unterstellte Angeklagte sollte gerade als Leiter der Innenrevision verpflichtet sein, von ihm erkannte Rechtsverstöße bei der Tarifkalkulation zu beanstanden (UA S. 12), wobei die Beachtung der gesetzlichen Regelungen auch dem Schutz der Entgeltschuldner dienen sollte (UA S. 56). Auf dieser letztlich so ausreichenden Tatsachengrundlage durfte das Landgericht den Schluss ziehen, dass es zum wesentlichen Inhalt des Pflichtenkreises des Angeklagten gehören sollte (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 13 Rdn. 17), die Erhebung betrügerischer Reinigungsentgelte zu verhindern.
31
(3) Der Angeklagte war deshalb im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB verpflichtet , von ihm erkannte Fehler der Tarifberechnung zu beanstanden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich diese zu Lasten seines Dienstherrn oder zu Lasten Dritter ausgewirkt haben. Sein pflichtwidriges Unterlassen führt dazu, dass ihm der Erfolg, den er hätte verhindern sollen, strafrechtlich zugerechnet wird (vgl. BGH NJW 1987, 199). Insofern liegt – wie das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat – Beihilfe gemäß § 27 Abs.1 StGB vor, weil der Angeklagte lediglich mit Gehilfenvorsatz gehandelt und sich dem Haupttäter G. ersichtlich untergeordnet hat. Da der Angeklagte die betrügerische Handlung des Vorstands G. ohne weiteres durch die Unterrichtung des Vorstandsvorsitzenden oder des Aufsichtsratsvorsitzenden hätte unterbinden können und ihm dies auch zumutbar war, hat sich der Angeklagte einer Beihilfe zum Betrug durch Unterlassen strafbar gemacht. Da er alle Umstände kannte, ist hier auch die subjektive Tatseite zweifelsfrei gegeben (vgl. BGHSt 19, 295, 299). Dies hat das Landgericht in den Urteilsgründen zutreffend dargelegt.
32
c) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kommt bei dem Angeklagten keine Untreue gemäß § 266 StGB zu Lasten der BSR in Betracht. Zwar trifft den Angeklagten eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber seinem Dienstherrn. Es fehlt jedoch an einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB. Der BSR ist durch die betrügerische Tarifbildung ein Vorteil entstanden , weil so höhere Reinigungsentgelte vereinnahmt wurden, als ihr nach der gesetzlichen Regelung zustanden.
33
Der Generalbundesanwalt erwägt die Möglichkeit eines solchen Nachteils in den Ersatzansprüchen und Prozesskosten nach Aufdeckung des Betrugs. Ein solcher Schaden ist aber nicht unmittelbar (BGHSt 51, 29, 33; BGH NStZ 1986, 455, 456; Fischer aaO § 266 Rdn. 55). Er setzt nämlich mit der Aufdeckung der Tat einen Zwischenschritt voraus. Der für die Nachteilsfeststellung notwendige Gesamtvermögensvergleich hat aber auf der Grundlage des vom Täter verwirklichten Tatplans zu erfolgen.
34
d) Die Strafzumessung hält gleichfalls im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Schadensbewertung, die im Verfahren gegen den Angeklagten G. zu einer Aufhebung des Strafausspruchs in dem Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 geführt haben, bestehen hinsichtlich des Angeklagten W.
nicht. Ausweislich der Urteilsgründe hat das Landgericht bei diesem Angeklagten der Schadenshöhe ein geringeres Gewicht beigemessen.
35
Entgegen der Auffassung der Verteidigung hat das Landgericht sich mit der Motivlage des Angeklagten auseinandergesetzt. Es hat nämlich festgestellt , dass er sich aus falsch verstandener Loyalität dem Vorstand G. untergeordnet hat.
36
Ebenso wenig ist die für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angesetzte Kompensation von 20 Tagessätzen zu beanstanden. Bei der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Verfahrensverzögerung von zehn Monaten war dieser Abschlag ausreichend, jedenfalls nicht rechtsfehlerhaft.
37
Das Landgericht war aus Rechtsgründen auch nicht gehalten, dem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu gewähren. Die hierfür gegebene Begründung, dass er über Monate hinweg Gelegenheit gehabt hätte, den Kalkulationsfehler aufzudecken , ist tragfähig. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte in der Aufsichtsratssitzung anwesend war und das Protokoll führte , in der die unzutreffend berechneten Tarife vorgestellt wurden.
38
Die von der Revision vermisste Auseinandersetzung mit einer zusätzlichen fakultativen Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht erforderlich, weil sich der Angeklagte in keinem Verbotsirrtum befand. Es kommt nicht darauf an, dass der Angeklagte um die Strafbarkeit seines Verhaltens als Betrug wusste. Ein Verbotsirrtum ist bereits dann ausgeschlossen, wenn der Angeklagte die Rechtswidrigkeit seines Handelns (hier: seines Unterlassens) kennt (BGHSt 42, 123, 130; 52, 182, 190 f.; 52, 307, 313; BGHR StGB § 11 Amtsträger 14). Dem Angeklagten war nach den Urteilsgründen nämlich klar, dass die Berechnung der Tarife unter Verstoß gegen das Berliner Straßen- reinigungsgesetz erfolgte und er schon aufgrund seines Dienstverhältnisses verpflichtet war, seinen unmittelbaren Dienstvorgesetzten, den Vorstandsvorsitzenden , zu unterrichten.
39
Der vom Landgericht festgesetzte Tagessatz in Höhe von 75 Euro ist rechtsfehlerfrei bestimmt (vgl. dazu eingehend Häger in LK, 12. Aufl. § 40 Rdn. 54 ff.; ferner BGH wistra 2008, 19).
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 154/13
vom
15. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 13. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, denn das Landgericht hat einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen und dadurch gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen.
2
I. Nach den Feststellungen war der Angeklagte Geschäftsführer der Firmen A. und N. . Er hatte das alleinige Sagen, bestimmte den gesamten Geschäftsablauf. U.a. wies er die Mitarbeiter ein und sagte ihnen, was sie zu tun hatten. Den bei ihm beschäftigten Telefonisten legte er zu Beginn eines Arbeitstages eine Liste von Gewerbetreibenden vor, die sie abzutelefonieren hatten, und erteilte ihnen den Auftrag, die Angerufenen dazu zu bewegen, einen Anzeigenauftrag mit der Firma A. abzuschließen. Dabei sollte der unzutreffende Eindruck erweckt werden, dass es um eine regional geschaltete Werbung ging. In Wahrheit handelte es sich um Anzeigen in einer Broschüre, die bundesweit in Postfächer abgelegt wurde. Diese Art der "Werbung" war für die angerufenen Firmen wirtschaftlich wertlos. Im Einzelnen hat das Landgericht in dem Zeitraum zwischen Juni 2005 und November 2009 89 Einzelfälle festgestellt , in denen es auf die beschriebene Weise zu Vertragsabschlüssen zwischen der Firma A. und Gewerbetreibenden kam.
3
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe seine Mitarbeiter angewiesen, die Kunden der Firma A. während der Telefonate über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Gesichtspunkte ordnungs- und wahrheitsgemäß zu unterrichten. So sei auch in der Regel verfahren worden. Sofern seine Mitarbeiter in Einzelfällen von seinen Vorgaben abgewichen seien, habe es sich um deren eigenmächtiges Verhalten ohne sein Wissen und Wollen gehandelt.
4
Das Landgericht hat seine gegenteilige Überzeugung neben weiteren Indizien vor allem auf die Aussagen der Gewerbetreibenden gestützt, die es als Zeugen vernommen hat, nachdem diese sich im Ermittlungsverfahren auf eine entsprechende Anfrage der Polizeibehörden gemeldet und einen Fragebogen ausgefüllt hatten. Es hat den Tatbeitrag des Angeklagten - den zum sog. uneigentlichen Organisationsdelikt entwickelten Maßstäben entsprechend (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 197/11) - rechtlich als einheitlichen Betrug gewertet und ausgeführt, die einzelnen betrügerischen Vertragsabschlüsse stellten lediglich unselbstständige Teilakte der Betrugstat dar.
5
II. In diesem Zusammenhang hat der Angeklagte beantragt, insgesamt 166 Gewerbetreibende, die mit der Firma A. im Tatzeitraum einen Anzeigenvertrag abgeschlossen und sich im Ermittlungsverfahren nicht bei der Polizei gemeldet hatten, als Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, dass die Mitarbeiter des Angeklagten ihnen die Vertragsregelungen einschließlich des tatsächlichen Gesamtpreises im Einzelnen zutreffend erläutert hätten, sie insbesondere telefonisch auf einen neuen Vertragsschluss sowie darauf hingewiesen hätten, die Werbung erfolge überregional über Postfachkunden. Zur Begründung wird weiter ausgeführt, das Landgericht habe zuvor ausschließlich solche Zeugen vernommen, die nach den Ermittlungen mit der Leistung der Firma A. unzufrieden gewesen seien. Um zu beurteilen, ob der Angeklagte seinen Mitarbeitern tatsächlich eine allgemeine Instruktion dahin erteilt habe, die Kunden zu täuschen, sei es unumgänglich, auch zufriedene Kunden zu vernehmen, die am Telefon ordnungsgemäß informiert worden seien.
6
Das Landgericht hat diesen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, er sei bereits nicht hinreichend bestimmt. Im Übrigen seien "die Beweismittel" für die Entscheidung ohne Bedeutung. Für die Frage, ob sich der Angeklagte wegen Betruges strafbar gemacht habe, sei die Anzahl der zufriedenen Kunden nicht entscheidend. Auch wenn sich die Beweisbehauptungen bestätigten, würde der Anklagevorwurf nicht notwendigerweise entfallen. Die unter Beweis gestellten Gesprächsinhalte ließen keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände der Vertragsschlüsse in den von der Anklage umfassten Fällen zu.
7
1. Der gestellte Antrag genügt den inhaltlichen Voraussetzungen, die an einen Beweisantrag zu stellen sind. Er enthält, ohne dass dies einer besonderen Erläuterung bedarf, insbesondere ausreichend bestimmte Beweistatsachen und -mittel.
8
2. Die Begründung, mit der die Strafkammer die beantragte Beweiserhebung abgelehnt hat, hält auch im Übrigen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder weil sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 m. zahlr. w. N.).
10
b) Vor diesem Hintergrund greifen die Erwägungen des Landgerichts zu kurz. Aus der Begründung des Beweisantrags wird deutlich, dass es dem Antragsteller nicht darum ging, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der bereits ver- nommenen Zeugen über den Inhalt der mit diesen geführten Vertragsverhandlungen in Zweifel zu ziehen. Vielmehr stand mit Blick auf den gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf im Vordergrund, ob dieser ein auf Täuschung angelegtes allgemeines Geschäftssystem installiert hatte. Die Strafkammer hätte deshalb erwägen müssen, ob die Beweisbehauptungen im Falle ihres Erwiesenseins ihre Überzeugung beeinflussen könnten, der Angeklagte habe seine Mitarbeiter angewiesen, in den Telefongesprächen einen Irrtum der Kunden der Firma A. zu erregen. Sie hätte deshalb dazu Stellung nehmen müssen, welchen Einfluss der Umstand auf ihre diesbezügliche Überzeugungsbildung gehabt hätte, dass - entsprechend den Beweisbehauptungen - 166 Kunden der Firma A. ordnungsgemäß über den Vertragsinhalt informiert worden sind. Derartige Ausführungen enthält der Beschluss des Landgerichts nicht.
11
c) Hierauf beruht das Urteil.
12
III. Ergänzend bemerkt der Senat:
13
1. Es bedarf hier keines näheren Eingehens darauf, ob das Landgericht den fraglichen Beweisantrag in antizipierender Würdigung der aufgestellten Beweisbehauptungen vor dem Hintergrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnisses in vollem Umfang wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der vorgebrachten Beweistatsachen rechtsfehlerfrei mit der Begründung hätte ablehnen können, selbst wenn alle 166 benannten Zeugen den in ihr Wissen gestellten Sachverhalt bestätigen würden, hätte dies angesichts der Angaben der 89 vernommenen Zeugen sowie des sonstigen bisherigen Beweisertrags keinen Einfluss auf seine Überzeugung, der Angeklagte habe die bei ihm beschäftigten Telefonisten systematisch zu irreführenden Angaben gegenüber den von ihnen angerufenen Gewerbetreibenden veranlasst. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, wird der neue Tatrichter nicht unter allen Umständen sämtliche 166 benannten Zeugen vernehmen müssen. Sollte sich etwa durch Einvernahme einiger dieser Zeugen herausstellen, dass diese das Beweisvorbringen nicht bestätigen und der Umstand, dass sie auf die Fragebogenaktion der Polizei nicht reagierten, nicht darauf beruhte, dass durch die Firma des Angeklagten die versprochenen Werbeleistungen entsprechend den telefonischen Versprechungen zufriedenstellend erbracht worden sind, so würde - bei ansonsten identischem Beweisergebnis wie in der ersten Hauptverhandlung - jedenfalls hierdurch eine breitere und je nach den Umständen auch tragfähige Grundlage für eine antizipierende Würdigung der in das Wissen der restlichen der 166 benannten Zeugen geschaffen (vgl. zum Umfang der Beweisaufnahme in "Massenverfahren", der zur tatrichterlichen Klärung der Voraussetzung serienmäßigen Betruges erforderlich ist, auch BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422).
14
2. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der Vermögensschaden beim Betrug müsse, von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen, der Höhe nach beziffert und dies in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., NStZ 2012, 496, 503 ff.), könnte es Bedenken begegnen, im vorliegenden Fall den Betrugsschaden, soweit die Gewerbetreibenden die Forderungen der Firma A. aus der mit dieser getroffenen Vereinbarung nicht erfüllten, ohne Weiteres nach der Höhe dieser offenen Forderungen zu berechnen und als Gefährdungsschaden zu bezeichnen.
15
3. Vor dem Hintergrund des jeweiligen schriftlichen Vertragstextes erscheint es nicht ohne Weiteres selbstverständlich, eine Täuschung und einen darauf beruhenden Irrtum der Gewerbetreibenden auch in denjenigen Fällen anzunehmen, in denen das Landgericht keine Feststellungen zum näheren Inhalt der geführten Telefongespräche hat treffen können.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 416/12
vom
22. Januar 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zum Computerbetrug bei Abbuchungsauftragslastschrift.
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 416/12 - LG Heidelberg
in der Strafsache
gegen
wegen Computerbetruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2013 gemäß
:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Heidelberg vom 7. Mai 2012 wird

a) die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts
auf den Vorwurf des versuchten Computerbetrugs
zum Nachteil der Bankkunden in 18.031 tateinheitlichen
Fällen beschränkt,

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert,
dass der Angeklagte wegen versuchten Computerbetrugs in
18.031 tateinheitlichen Fällen verurteilt ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Computerbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zu seinem Nachteil wurden sein Laptop der Marke Apple Macbook Pro, Modell Nr. A 1260, und sein Mobiltelefon Apple iPhone eingezogen. Den nicht revidierenden Mitangeklagten N. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum Computerbetrug zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Diese Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Einen weiteren Mitangeklagten hat es freigesprochen und angeordnet , dass er für erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen ist.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt wird, führt zur teilweisen Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO und hat insoweit zum Schuldspruch den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Es liegen folgende Feststellungen und Wertungen des Landgerichts zugrunde :
4
1. Das Landgericht hat festgestellt:
5
Der bereits rechtskräftig verurteilte S. verfügte im Frühjahr 2011 über zwei Dateien, die persönliche Datensätze von 30.002 Personen enthielten. Diese Datensätze umfassten neben Namen und Anschrift der Personen auch eine Kontoverbindung (Bankleitzahl sowie die Kontonummer). Sie sollten - so der Plan des S. sowie mindestens eines weiteren Beteiligten namens „E. “ - dazu missbraucht werden, im Wege des Lastschriftverfahrens über ein von einem Strohmann zu errichtendes Bankkonto Geldbeträge in Höhe von unter 10 Euro von den in den Datensätzen enthaltenen Konten abzubuchen, dies ohne Zustimmung der jeweiligen Bankkunden. Zu diesem Zwecke hatte bereits der ebenfalls rechtskräftig verurteilte P. in Begleitung des Mitangeklagten N. mittels falscher Personaldokumente und einer frei erfundenen Firmenlegende bei der Raiffeisen Privatbank eG W. (im Folgenden: Raiffeisenbank) ein Geschäftskonto auf den Namen „M. “ errichtet und plangemäß die erforderliche Zulassung zum Lastschriftverfahren bewirkt. Nachdem erste Versuche zur Umsetzung des Tatplans gescheitert waren, kam S. mit dem Angeklagten dahingehend überein, dass er, der Angeklagte, am weiteren Geschehen mitwirken und die technische Abwicklung der geplanten Abbuchungen vornehmen sollte.
6
Der Angeklagte führte die geplanten Abbuchungen aufgrund einheitlich zuvor gefassten Entschlusses am 28. April 2011 zwischen 17.57 Uhr und 19.36 Uhr und am darauf folgenden Tag zwischen 11.50 Uhr und 14.37 Uhr aus. Dabei bediente er sich einer speziellen Software, mit der im OnlineBanking -Verfahren bis zu 500 Abbuchungen in einem Buchungsvorgang zusammengefasst werden konnten. In insgesamt 39 solcher Buchungsvorgänge übermittelte der Angeklagte 18.816 Lastschriftaufträge an ein Unternehmen namens F. , das seitens der Raiffeisenbank mit der technischen Abwicklung des Lastschriftverfahrens beauftragt worden war. Die Daten der angeblich zahlungspflichtigen Bankkunden entnahm er den genannten zwei Dateien S. s. Durch Eintrag der Ziffer 4 in dem dafür vorgesehenen Feld der Maske kennzeichnete er die Lastschriftaufträge als solche im Abbuchungsauftragsverfahren und erweckte damit den unzutreffenden Eindruck, die jeweiligen Kontoinhaber hätten einen entsprechenden Abbuchungsauftrag erteilt. Der einzuziehende Betrag belief sich jeweils auf 9,28 Euro, der Verwendungszweck enthielt die frei erfundene Angabe „Telefongebühren 0900300182414695 Firma G. GmbH 1020 Wien, Österreich“. Dass mittels der Lastschriftaufträge nicht reelle Forderungen eingezogen werden sollten und dementsprechend keiner der Kontoinhaber einen Abbuchungsauftrag erteilt hatte, war dem Angeklagten bekannt. Ihm ging es darum, gemeinsam mit den weiteren Tatbeteiligten über die im Lastschriftverfahren „eingezogenen Beträge verfügen zu können“.

7
Die F. leitete automatisiert die Lastschriftaufträge an die jeweilige kontoführende Bank (im Folgenden: Zahlstellen) der angeblich zahlungspflichtigen Bankkunden weiter. Dementsprechend wurden deren Konten belastet. Ebenso wurde jeweils ein Betrag gleicher Höhe auf dem Konto des „M. “ (insgesamt 174.612,48 Euro) vorläufig gutgeschrieben. Bis zur endgültigen Wertstellung (drei Werktage nach Eingang des Auftrages) war ein Zugriff auf die vorläufig gutgeschriebenen Geldbeträge nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Raiffeisenbank möglich.
8
Großteils „widersprachen“ die Zahlstellen der jeweiligen Lastschrift, ga- ben die Lastschriftaufträge an die Raiffeisenbank als sog. Rücklastschrift zurück und belasteten das Konto des „M. “ mit Rücklastschriftgebühren.
9
Angesichts der zahlreichen Rücklastschriften, die bereits am Morgen des 29. April 2011 bei der Raiffeisenbank eingegangen waren, sperrte ein Bankangestellter der Raiffeisenbank am späten Vormittag das Konto des „M. “, nachdem er bereits um 9.30 Uhr auf telefonische Nachfrage desS. zur Verfügbarkeit des gutgeschriebenen Geldes nur ausweichend geantwortet hatte. Ein gemeinsamer am Nachmittag in Auftrag von S. unternommener Versuch des P. und N. , bei der Raiffeisenbank 10.000 Euro abzuheben , scheiterte dementsprechend.
10
Aus nicht festgestellten Gründen sind von den verfahrensgegenständlichen 18.816 Lastschriftaufträgen insgesamt 785 Lastschriften von den Zahlstellen nicht als Rücklastschriften an die Raiffeisenbank zurückgegeben worden, obwohl auch in diesen Fällen keine Abbuchungsaufträge ihrer Kunden vorlagen. Dies führte dazu, dass es insoweit bei einer endgültigen Wertstellung auf dem Konto des „M. “ in Höhe von insgesamt 7.284,80 Euro verblieb. Dennoch wies das Konto des „M. “ wegen Rücklastschriftgebühren, die in den anderen Fällen entstanden waren, ein Minussaldo in Höhe von 34.701,39 Euro auf.
11
2. Das Landgericht hat das Geschehen mit Blick auf den von Anfang an erstrebten Taterfolg (UA S. 61) als e i n e Tat des vollendeten Computerbetruges (§ 263a StGB) in Form unbefugter Verwendung von Daten gewertet. Letztlich hat es, wie den Strafzumessungserwägungen (UA S. 66) entnommen werden kann, offen gelassen, ob „als Geschädigter der Tat die Raiffeisenbank (…) oder die bezogenen Kontoinhaber (bzw. deren Banken) anzusehen sind“. Die Tatvollendung verstehe sich hinsichtlich der 785 Lastschriften, in denen es trotz fehlenden Abbuchungsauftrags zu keinen Rücklastschriften kam, von selbst; im Übrigen liege ein Gefährdungsschaden zum Nachteil der Raiffeisenbank vor. Bereits mit der Abbuchung der eingezogenen Beträge vom Konto der vermeintlich Zahlungspflichtigen sei eine schädigende Vermögensminderung eingetreten (UA S. 60, 61).

II.

12
Den Verfahrensrügen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen der Erfolg versagt.

III.

13
Der Senat hat aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die aus der Beschlussformel ersichtliche Beschränkung vorgenommen, da ein weitergehender Schuldspruch im vorliegenden Fall nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Die Feststellung eines vollendeten Delikts würde einen erheblichen Ermitt- lungsaufwand erfordern. Die bisherigen Feststellungen tragen aber bereits jetzt sicher den Schuldspruch wegen eines versuchten Computerbetrugs (§ 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 2 StGB, §§ 22, 23 StGB) zum Nachteil der nur angeblich zahlungspflichtigen Bankkunden.
14
1. Ein vollendeter Computerbetrug ist nicht hinreichend festgestellt.
15
Das Landgericht geht insgesamt von einem vollendeten Computerbetrug mit einem Gesamtschaden in Höhe von 174.612,48 Euro aus, dies allerdings bei unterschiedlichen Geschädigten. Bezogen auf diejenigen 785 Lastschriften, bei denen es nicht zu Rücklastschriften kam, sondern die Lastschriftbeträge auf dem Konto des „M. “ endgültig wertgestellt wurden (insgesamt 7.284,80 Euro), hat das Landgericht ersichtlich eine Vermögensschädigung bei den Bankkunden angenommen, von deren Konten die jeweiligen Lastschrifteinzüge erfolgten. Soweit es im Übrigen weit überwiegend zu Rücklastschriften kam, hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass bereits zuvor ein Gefährdungsschaden in voller Höhe bei der Raiffeisenbank entstanden sei, indem diese auf dem Konto des „M. “ die Lastschriftbeträge vorläufig gutge- schrieben habe. Ergänzend stellt das Landgericht auch darauf ab, dass bereits bei der „Abbuchung“ der Lastschriftbeträge ebenfalls ein Vermögensschaden (gemeint ist wohl: bei den Bankkunden) in voller Höhe, mithin insgesamt 174.612,48 Euro, eingetreten sei. Auch hält es ersichtlich eine Vermögensschädigung bei den Zahlstellen für möglich.
16
Diese Wertungen halten schon im Ansatz rechtlicher Überprüfung nicht stand.

17
Indem das Landgericht im Kern davon ausgegangen ist, dass ein zunächst bei der Raiffeisenbank entstandener Gefährdungsschaden letztlich andernorts , hier namentlich bei 785 Bankkunden in einen endgültigen Schaden umgeschlagen ist, hat es die tatbestandlichen Voraussetzungen des Computerbetruges nicht hinreichend in den Blick genommen. Die bloße Feststellung einer Tathandlung im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB und einer Vermögensschädigung bei verschiedenen Beteiligten genügt nicht. Tatbestandserfüllend sind vielmehr (nur) diejenigen Vermögensschädigungen, die für sich genommen unmittelbare Folge eines vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorgangs sind, und dieser Datenverarbeitungsvorgang muss seinerseits unmittelbar durch die Tathandlung beeinflusst sein. Dies erfordert eine getrennte Betrachtung der einzelnen - hier freilich ineinander übergreifenden - Datenverarbeitungsvorgänge bei den beteiligten Banken.
18
Darüber hinaus sind die Feststellungen zum Schadenseintritt insgesamt unvollständig.
19
2. Das vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellte Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch die Merkmale des - versuchten - (Dreiecks-)Computerbetruges (§ 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 2 StGB, §§ 22, 23 StGB) zum Nachteil der Bankkunden, von deren Konten die Lastschriftbeträge von jeweils 9,28 Euro eingezogen werden sollten. Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte nach seinem Tatentschluss zur Verwirklichung des Computerbetruges unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB) und nicht strafbefreiend zurückgetreten ist (§ 24 StGB).

20
a) Diese rechtliche Bewertung folgt aus den banktechnischen Abläufen des Lastschriftverfahrens, die, soweit sich - wie hier - des Abbuchungsauftragsverfahrens bedient wird, Besonderheiten aufweisen.
21
Allgemein stellt das Lastschriftverfahren ein Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dar, das im Gegensatz zur Giroüberweisung nicht vom Zahlenden , sondern vom Zahlungsempfänger in Gang gesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2005 - 2 StR 30/05, BGHSt 50, 147, 151 ff. mwN). Neben dem Zahlungspflichtigen selbst und dem Zahlungsempfänger sind dabei die als "Ers- te Inkassostelle“ bezeichnete Bank des Zahlungsempfängers (hier die Raiffei- senbank) und die als "Zahlstelle" bezeichnete(n) Bank(en) des bzw. der Zahlungspflichtigen beteiligt.
22
Für die Ausführung von Zahlungen mittels Abbuchungsauftragslastschrift muss der Zahlungspflichtige - im Unterschied zur Einzugsermächtigungslastschrift (vgl. hierzu eingehend BGH aaO) - seine Bank unmittelbar anweisen, die Abbuchungsauftragslastschrift seinem Konto zu belasten und den Lastschriftbetrag an den Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers zu übermitteln (sog. Abbuchungsauftrag, vgl. Bunte, AGB Banken, 3. Aufl., SB Lastschrift Rn. 13).
23
Der Zahlungsempfänger setzt sodann den Zahlungsvorgang in Gang, indem er seiner Bank, also der Ersten Inkassostelle, mit der Lastschrift den Auftrag erteilt, den geschuldeten Betrag beim Zahlungspflichtigen einzuziehen. Die Erste Inkassobank leitet die Lastschrift an die Zahlstellen weiter. Gleichzeitig wird auf dem Konto des Zahlungsempfängers der Lastschriftbetrag unter Vorbehalt des Eingangs gutgeschrieben (E.v.-Gutschrift, vgl. Ellenberger in Schimansky /Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. § 56 Rn. 44). Über das Guthaben verfügen darf der Zahlungsempfänger zunächst nur im Einvernehmen mit dem Inkassoinstitut (vgl. Grundmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Band 2, Bank- und Börsenrecht Rn. II 133; Ellenberger aaO, § 58 Rn. 13); nach Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle entfällt der Vorbehalt (Grundmann aaO).
24
Die Zahlstelle belastet das Konto des Zahlungspflichtigen am Tag des Zugangs mit dem Lastschriftbetrag (sog. Belastungsbuchung). Ohne Abbuchungsauftrag ist die Zahlstelle jedoch nicht zur Einlösung berechtigt; die Kontobelastung erfolgt insoweit, ebenso wie im Falle fehlender Deckung, nicht oder wird spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht (vgl. Hopt in Baumbacht/Hopt, HGB, 35. Aufl., 2. Teil, Abschn. V, (7) Bankgeschäfte, Kap. 3 D/14). In diesen Fällen wird die Lastschrift als sog. Rücklastschrift (= eine Lastschrift, die nicht eingelöst wird, vgl. Ellenberger aaO, § 56 Rn. 23) an die Erste Inkassostelle zurückgegeben. Erfolgt trotz fehlenden Abbuchungsauftrags keine Rückgängigmachung, kann die Lastschrift zwar im Verhältnis zwischen der Zahlstelle und der Ersten Inkassostelle als eingelöst gelten (vgl. Ellenberger aaO, § 58 Rn. 34; Hopt aaO; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1980 - II ZR 53/80, BGHZ 79, 381, 388); der Kunde kann jedoch von seiner Bank, also der Zahlstelle, nach näherer Maßgabe insbesondere die Rückgängigmachung der Buchung auf seinem Konto verlangen (vgl. Bunte aaO Rn. 13; Hopt aaO D/13).
25
b) Auf dieser Grundlage liegt in Fällen wie hier bei vollautomatisierten Abläufen ein Computerbetrug in Form von Verwendung unrichtiger Daten (§ 263a Abs. 1, 2. Alt. StGB) vor.

26
(1) Computerbetrug in Form einer Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten umfasst Fälle sog. Inputmanipulationen. Unrichtig sind die Daten , wenn der durch sie vermittelte Informationsgehalt keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat, unvollständig sind sie, wenn sie den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt nicht ausreichend erkennen lassen (vgl. MüKo-StGB/ Wohlers, § 263a Rn. 27; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, § 263a, 28. Aufl., Rn. 6 mwN). Verwendet sind die Daten, wenn sie (wie ersichtlich hier) in ein Datenverarbeitungsgerät eingebracht werden (Cramer/Perron aaO mwN).
27
Zwar werden Fälle, in denen der Täter „lediglich“ seine Berechtigung zur Auslösung des vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorganges vorspiegelt (so z.B. Dieb einer ec-Karte, der diese zur Abhebung an einem Geldautomaten verwendet), von § 263a Abs. 1, 2. Alt. StGB nicht erfasst (vgl. Tiedemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 263a Rn. 35; Rossa, CR 1997, 219, 228; vgl. auch Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263a Rn. 7). In derartigen Fallkonstellationen ist vielmehr entscheidend, ob - bei betrugsnaher Auslegung - eine unbefugte Verwendung von Daten im Sinne des § 263a Abs. 1, 3. Alt. StGB stattfindet. Unbefugt ist sie dann, wenn sie gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte (zum Prüfungsmaßstab im Einzelnen vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 161 ff.).
28
Reicht daher der Täter vertragswidrig bei der Ersten Inkassostelle, also seiner Bank, im Wege des Online-Bankings mittels ihm überlassener PINs und TANs Lastschriften ein, so handelt er - bei betrugsnaher Auslegung - insoweit nicht unbefugt im Sinne des § 263a Abs. 1, 3. Alt. StGB. Denn ein Bankangestellter der Bank des Täters, der sich mit den Fragen befasste, die anstatt dessen der Computer prüft, würde lediglich etwa anhand der PINs und TANs des- sen Zugangsberechtigung, nicht aber die allgemeine Vertragswidrigkeit seines Verhaltens überprüfen (vgl. Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht , 5. Aufl., § 49 Rn. 42, 52, der sich allerdings mit der Tatbestandsvariante der 2. Alt. nicht befasst).
29
Indem der Täter fingierte Forderungen als Lastschriften im Wege des Abbuchungsauftragsverfahrens einreicht, obwohl demgemäß keine Abbuchungsaufträge erteilt wurden, verwendet er aber unrichtige Daten im Sinne des § 263a Abs. 1, 2. Alt. StGB. Dies ergibt sich daraus, dass er den Lastschriftauftrag als solchen im Abbuchungsverfahren kennzeichnet, denn damit bringt er jedenfalls regelmäßig - so nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 22) auch hier - zumindest schlüssig zum Ausdruck, der (angeblich) Zahlungspflichtige habe seiner Bank einen entsprechenden Abbuchungsauftrag erteilt. Im Übrigen liegt der Möglichkeit, als Einziehender zum Lastschriftverfahren zugelassen zu werden, eine Vorprüfung durch die Erste Inkassostelle zugrunde (vgl. Ellenberger aaO § 58 Rn. 3 sowie Hopt aaO D/42), so dass die Erste Inkassostelle allein mit der Übermittlung der Lastschriften an die Zahlstelle ihr den Eindruck vermittelt, es bestünden keine Bedenken gegen die Bonität des Einziehenden und dessen Vertragstreue (so zum Betrug auch OLG Hamm, NJW 1977, 1834, 1836). Diese Informationsgehalte gehen jedoch über die Frage des unberechtigten bzw. vertragswidrigen Verhaltens des Täters im dargelegten Sinne hinaus.
30
(2) Es kann offen bleiben, ob und inwieweit die Tatbestandsalternative des Verwendens unrichtiger oder unvollständiger Daten dann ausscheidet, soweit diese Daten programmgemäß irrelevant sind (diese sog. computerspezifische Auslegung befürwortend etwa Wohlers in MüKo StGB, § 263a Rn. 28; Tiedemann aaO, § 263a Rn. 35; im Einzelnen streitig): Die Zahlstelle bzw. de- ren EDV-Anlage prüft zwar nicht, ob einem Abbuchungsauftrag eine tatsächliche Zahlungsverpflichtung ihres Kunden zu Grunde liegt (vgl. Ellenberger, aaO § 58 Rn. 31); Gegenstand der - heutzutage üblicherweise automatisierten - Überprüfung ist es aber jedenfalls regelmäßig, ob der Zahlstelle ein die Lastschrift abdeckender Abbuchungsauftrag ihres Kunden vorliegt (vgl. Hadding/ Häuser in MüKo, HGB, 2. Aufl., Bd. 5 Anh. I C 64 sowie Ellenberger aaO, § 56 Rn. 80).
31
(3) Der Täter beeinflusst bei vollautomatisierten Vorgängen durch die Verwendung der unrichtigen Daten auch das Ergebnis eines unmittelbar vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorgangs (vgl. hierzu näher Cornelius in Kilian/Heussen, Computerrecht, 31. Lfg. 2012, Abschn. 1, Teil 10, Kap. 102, § 263a Rn. 74 ff.). Ein solcher liegt jedenfalls vor, wenn und soweit die EDVAnlage der Zahlstelle keine Rückgabe der Rücklastschrift auslöst, und sie mithin die Einlösung der Lastschrift bewirkt.
32
Zwar ist in Fällen wie den vorliegenden, in denen ein Abbuchungsauftrag nicht vorliegt, die Abbuchung im Verhältnis zwischen der Zahlstelle und ihrem Kunden unwirksam (vgl. Ellenberger aaO, § 58 Rn. 34), und der Kunde kann von der Bank nach näherer Maßgabe die Rückbuchung des Vorganges verlangen.
33
Unbeschadet dieser Möglichkeit entsteht dem Kunden aber ein mit der Einlösung der Lastschriften korrespondierender wirtschaftlicher Schaden im Sinne eines Gefährdungsschadens: Das Vermögen des Kontoinhabers mag sich zwar mit Blick auf die Unwirksamkeit der Abbuchung nicht in Höhe des Lastschriftbetrages materiell vermindern. Es tritt aber jedenfalls eine zumindest faktische Vermögensminderung ein (vgl. auch Trück aaO, § 49 Rn. 58 mwN zu Fallgestaltungen, in denen der Täter sich etwa durch sog. Phishing Zugangsdaten zu Bankkonten verschafft und mittels dieser Daten eine Bank zu Transaktionen , namentlich Überweisungen, veranlasst). Der Bankkunde trägt nunmehr nämlich das Risiko, die Abbuchung überhaupt zu bemerken, um eine Rückbuchung verlangen zu können. Bis dahin weist sein Konto einen um den Lastschriftbetrag verminderten Kontostand auf und er ist jedenfalls faktisch daran gehindert, über diesen Betrag zu disponieren.
34
Die Zahlstelle ist auch - analog zu den zum Dreiecksbetrug entwickelten Grundsätzen - dem Lager ihrer Kunden zuzurechnen. Das hierfür erforderliche Näheverhältnis ist gegeben (vgl. Trück aaO; vgl. auch OLG Hamm aaO, a.A., insoweit ohne nähere Begründung Soyka, NStZ 2004, 538, 541): Die Zahlstelle hat bereits aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zu ihren Kunden die Möglichkeit, - wie hier - Abbuchungen von deren Konten zu veranlassen.
35
c) Das festgestellte Verhalten des Angeklagten erfüllt die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des versuchten Computerbetrugs zum Nachteil der Bankkunden, von deren Konten die Lastschriften eingezogen werden sollten (hierzu nachfolgend unter (1)); die Tatvollendung ist hingegen im Hinblick auf einen Schadenseintritt nicht hinreichend belegt (hierzu nachfolgend unter

(2)).


36
(1) Dem Angeklagten war bekannt, dass den Lastschriften keine reellen Forderungen zu Grunde lagen und dementsprechend keiner der lediglich angeblich zahlungspflichtigen Bankkunden seiner Bank einen Abbuchungsauftrag erteilt hatte. Ihm ging es darum, gemeinsam mit den weiteren Tatbeteiligten über die im Lastschriftverfahren „eingezogenen Beträge verfügen zu können“ (UA S. 22). Er handelte somit im Bewusstsein der Schädigung der betreffenden Bankkunden und daher vorsätzlich. Zudem war seine Absicht, sich und Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, gegeben. Dass der Angeklagte eine rein automatisierte Bearbeitung der von ihm online übermittelten Lastschriftaufträge nicht in seinen Vorsatz aufgenommen haben könnte, liegt ohnehin fern.
37
Keiner weiteren Erörterung bedarf zudem, dass er durch die Übermittlung der Lastschriftaufträge die nach § 22 StGB maßgebliche Schwelle zum Versuch überschritten hatte. Ebenso scheidet ein freiwilliger Rücktritt des Angeklagten ersichtlich aus.
38
(2) Die bisherigen Feststellungen tragen die Wertung, es sei bei den angeblich zahlungspflichtigen Bankkunden bereits ein Vermögensschaden eingetreten , nicht.
39
(a) Dies gilt zunächst für die Würdigung des Landgerichts, bereits durch die „Abbuchung“ der Lastschriftbeträge sei ein Schaden (gemeint ist ersichtlich zum Nachteil aller Bankkunden und damit in einer Gesamthöhe von 174.612,48 Euro) eingetreten. Unmittelbare Folge der Übersendung der Lastschriftaufträge an die Zahlstellen war zwar, dass diese die Konten ihrer Kunden in Höhe von 9,28 Euro belasteten (sog. Belastungsbuchung). Diese Belastungsbuchungen waren jedoch zunächst nur vorläufiger Art und mit Blick auf die fehlenden Abbuchungsaufträge bis zum zweiten Bankarbeitstag von den Zahlstellen rückgängig zu machen, so wie dies hier auch ganz überwiegend erfolgt ist. Bis dahin mag das Vermögen der Bankkunden beeinträchtigt gewesen sein, wenn und soweit die Konten zunächst einen um den Lastschriftbetrag verminderten Kontostand auswiesen und die Bankkunden bis zur Rückgabe der Lastschriften insoweit in ihrer Dispositionsfreiheit jedenfalls eine Zeit lang eingeschränkt wa- ren. Hierzu ist jedoch bislang nichts festgestellt. Zudem ist - jedenfalls bei vollautomatisierten Überprüfungen - zumindest nicht fernliegend, dass eine fehlen- de Dispositionsmöglichkeit allenfalls auf eine „logische Sekunde“ begrenzt war und damit keine auch nur faktische Beeinträchtigung des Vermögens der Bankkunden zur Folge hatte.
40
(b) Soweit das Landgericht hinsichtlich der 785 Lastschriften, bei denen es zu keinen Rücklastschriften kam, eine Vermögensschädigung der insoweit betroffenen Bankkunden angenommen hat, liegt ein vollendeter Computerbetrug zu deren Nachteil zwar nach dem oben unter III. 2. b) (3) Erläuterten grundsätzlich nahe.
41
Jedoch blieben die Gründe für die Vorgänge bei den Zahlstellen insoweit ausdrücklich ungeklärt (vgl. UA S. 60). Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls nicht völlig auszuschließen, dass andere - vom Angeklagten nicht beeinflusste - Faktoren hierzu geführt haben.
42
Es kann den Feststellungen daher nur sicher das Vorliegen eines versuchten Computerbetruges zum Nachteil der Bankkunden entnommen werden.
43
Dass das Landgericht mit Blick (allein) auf den einheitlich gefassten Tatentschluss lediglich eine Tat angenommen hat, beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht.
44
3. Einen vollendeten Computerbetrug zum N a c h t e i l der R a i f f - e i s e n b a n k ergeben die bisherigen Feststellungen nicht. Es ist jedenfalls ein Gefährdungsschaden zu deren Nachteil bislang nicht hinreichend belegt.
45
Ob in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Täter (auch) bewirkt, dass die Erste Inkassostelle die Lastschriftbeträge auf seinem Konto vorläufig gutschreibt, ein Computerbetrug zu deren Nachteil bereits deswegen ausscheidet , weil die EDV-Anlage dieser Bank weder die zugrundeliegenden Forderungen (in diese Richtung wohl Trück aaO, § 49 Rn. 42, 52; anders Lenckner/ Winkelbauer CR 1986, 654, 656) noch das Vorliegen von Abbuchungsaufträgen überprüft, kann offenbleiben. Denn die bisherigen Feststellungen tragen jedenfalls den vom Landgericht angenommenen Gefährdungsschaden nicht:
46
Im Ansatzpunkt zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass auch die Erteilung einer Vorbehaltsgutschrift zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung führen kann, soweit der Kontoinhaber tatsächlich die Möglichkeit hat, auf den vorläufig gutgeschriebenen Betrag zuzugreifen (vgl. zum insoweit gleich zu behandelnden Fall der betrügerischen Scheckeinreichung BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 4 StR 669/11; Beschluss vom 24. April 2007 - 4 StR 558/06, NStZ-RR 2007, 236, 237; Trück aaO, § 49 Rn. 16) und die Erste Inkassostelle nach den konkreten Umständen des Einzelfalles durch das ihr zukommende Rückbelastungsrecht nicht hinreichend gegen eine Vermögenseinbuße gesichert ist.
47
Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts belegen jedenfalls angesichts des unmittelbar bei der Raiffeisenbank entstandenen Verdachts und der bereits am Morgen des 29. April 2011 erfolgten Sperrung des Kontos keine k o n k r e t e Möglichkeit, auf die vorläufig dem Konto des „M. “ gutgeschriebenen Beträge zugreifen zu können. Rein abstrakte Möglichkeiten reichen zur Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei der Raiffeisenbank jedoch nicht aus.
48
4. Die bisherigen Feststellungen würden im Übrigen mit Blick auf eine Schädigung der Raiffeisenbank noch nicht einmal einen Schuldspruch wegen v e r s u c h t e n Computerbetrugs zu deren Nachteil tragen. Die Feststellungen ergeben bislang nicht hinreichend, dass der Angeklagte davon ausgegangen sein könnte, es könne auf die auf dem Konto „M. “ vorläufig gutgeschriebenen Beträge sofort ohne Weiteres zugegriffen werden. Schon die telefonische Nachfrage von S. zur Verfügbarkeit der gutgeschriebenen Beträge spricht dagegen, dass S. , der wiederholt mit der Bank in telefonischem Kontakt gestanden hatte, davon ausging, die Bank sei zu diesem Zeitpunkt zur Auszahlung verpflichtet. Bestätigt wird dies durch den späteren Versuch , (nur) 10.000 Euro abzuheben. Die Beschränkung auf eine solche vergleichsweise geringe Teilsumme hätte aus der Sicht des Täterkreises keinen Sinn, wenn die Auffassung bestanden hätte, es bestünde ein sofortiger Auszahlungsanspruch hinsichtlich des gesamten Betrags.
49
5. Der Senat hat erwogen, ob, wie vom Landgericht zwar nicht festgestellt , im Rahmen der Strafzumessung aber angedeutet, ein Computerbetrug zum Nachteil der Zahlstellen vorliegen könnte. Möglicherweise könnte die Erwägung zu Grunde gelegen haben, dass den Zahlstellen, die trotz fehlender Abbuchungsaufträge keine Rücklastschriften erteilten, jedoch jederzeit damit rechnen mussten, von ihren Kunden zu einer Rückgängigmachung der Abbuchung oder zu Ersatzleistungen aufgefordert zu werden, ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist (so wohl Trück aaO, § 49 Rn. 57, 58 aE für Fälle missbräuchlicher Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren). Jedoch fehlen nähere Feststellungen zu derartigen Vorgängen bei den Zahlstellen.
50
6. Ein Schuldspruch wegen Kreditbetrugs (§ 265b StGB) gegenüber der Raiffeisenbank im Zusammenhang mit der Zulassung des Kontos des „M.
A. “ zum Lastschriftverfahren kommt schon mit Blick darauf, dass der Angeklagte erst hinzugezogen wurde, nachdem die Zulassung des Konto des „M. “ zum Lastschriftverfahren bereits abgeschlossen war, nicht in Be- tracht. Im Übrigen läge ein Kreditantrag im Sinne dieser Vorschrift (vgl. hierzu näher Tiedemann aaO, § 265b Rn. 51 mwN) zwar vor, wenn nach den getroffenen Vereinbarungen der vorläufig gutgeschriebene Betrag zur freien Verfügung gestellt werden sollte (vgl. Tiedemann aaO Rn. 36, 54 aE). Dass dies aber so gewesen sein könnte, ergeben die Feststellungen nicht.

IV.


51
Der Senat hat daher aus Gründen der Prozessökonomie mit Zustimmung des Generalbundesanwalts das Verfahren auf den Vorwurf des versuchten Computerbetrugs zum Nachteil der Bankkunden (zu dieser Möglichkeit vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 1990 - 3 StR 277/90, HFR 1991, 496) in 18.031 tateinheitlichen Fällen beschränkt. Denn aus den unter III. dargelegten Gründen tragen die bisherigen Feststellungen lediglich den Schuldspruch wegen (versuchten) Computerbetruges, und zwar zum Nachteil der angeblich zahlungspflichtigen Bankkunden. Angesichts der in objektiver Hinsicht bedeutenden Vielzahl der ansonsten maßgeblichen bankinternen Vorgänge und der Notwendigkeit, dem Angeklagten die entsprechende subjektive Tatseite nachzuweisen , würde die weitere Aufklärung einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten. Gleiches gilt, soweit es bei 785 Lastschriften aus ungeklärten Gründen nicht zu Rücklastschriften kam.
52
Dementsprechend wird insbesondere der Vorwurf des Computerbetrugs zum Nachteil der Raiffeisenbank sowie der Zahlstellen, des v o l l e n d e t e n Computerbetrugs zum Nachteil der angeblich Zahlungspflichtigen und der Ver- wirklichung weiterer 785 tateinheitlicher Fälle des Computerbetrugs zum Nachteil der Bankkunden von der Strafverfolgung ausgenommen.

V.


53
Infolge der Verfolgungsbeschränkung nach § 154a StPO war daher der Schuldspruch wie geschehen zu ändern und neu zu fassen. Die gleichartige Tateinheit wurde im Tenor zum Ausdruck gebracht, Gründe der Übersichtlichkeit (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. November 2010 - 1 StR 220/09 Rn. 69 mwN, insoweit in NStZ 2011, 37 ff. nicht abgedruckt) gebieten hier nichts anderes.
54
§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte sich anders als geschehen hätte verteidigen können, zumal schon die Anklage von einer Schädigung der Bankkunden ausgegangen ist und der Generalbundesanwalt seine Zustimmung zur Beschränkung (§ 154a Abs. 2 StPO) der Verteidigung mitgeteilt hat. Ohnehin lag auf der Hand, dass das Geld von den Konten der Bankkunden abgezogen werden sollte.

VI.


55
Der Strafausspruch kann trotz der Schuldspruchänderung bestehen bleiben.
56
Der Umstand, dass das Landgericht die verhängte Strafe aus dem Strafrahmen des § 263a Abs. 1 StGB bestimmt und die fakultative Strafmilderung wegen Versuchs nach § 23 Abs. 2 StGB, § 49 Abs. 1 StGB nicht geprüft hat, hat sich hier nicht zulasten des Angeklagten ausgewirkt. „Trotz Vollendung der Tat im rechtlichen Sinne“ hat das Landgericht bei der Strafzumessung das Tat- geschehen mit Blick auf die ganz überwiegende Rückabwicklung der Lastschrif- ten „weitgehend einem fehlgeschlagenen Versuch“ gleichgestellt (UA S. 65). So hat es (auch) im Rahmen der konkreten Strafzumessung ausdrücklich zu Grun- de gelegt, dass es bei einer „weitgehend fehlende(n) Realisierung des Betrugsschadens“ (UA S. 67) verblieb. Seine weiteren Erwägungen hat es daneben insbesondere darauf gestützt, dass die Tat einen einschlägigen Bewährungsbruch des Angeklagten darstellte. Das Landgericht hat sich ersichtlich nicht an der Strafrahmenobergrenze des § 263a Abs. 1 StGB orientiert. Angesichts dessen kann der Senat sicher ausschließen, dass die Schuldspruchänderung selbst bei Zugrundelegung eines veränderten Strafrahmens Einfluss auf die ohnehin maßvolle Strafe gehabt hätte.
57
Gleiches gilt, soweit diejenigen (tateinheitlich verwirklichten) 785 Fälle von der Strafverfolgung ausgenommen wurden, in denen keine Rücklastschriften ergingen, so dass es bei einer endgültigen Wertstellung auf dem Konto „M. “ in Höhe von insgesamt 7.284,80 Euro verblieb. Diese Summe stellt lediglich einen geringfügigen Bruchteil des jedenfalls verbleibenden intendierten Gesamtschadens in Höhe von 167.327,68 Euro dar.

VII.


58
Eine Erstreckung der Berichtigung des Schuldspruchs auch auf den früheren Mitangeklagten N. gemäß § 357 StPO kam nicht in Betracht, weil die Änderung des Schuldspruchs auf einer Verfahrensbeschränkung beruhte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 359/08 mwN, insoweit in NStZ-RR 2009, 17 f. nicht abgedruckt).

VIII.


59
Der allenfalls geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

IX.


60
Der Schriftsatz vom 21. Januar 2013 lag bei der Beratung vor. Nack Rothfuß RiBGH Prof. Dr. Sander und RiBGH Prof. Dr. Radtke sind infolge Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Nack Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 430/13
vom
22. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_______________________________
Zu den Anforderungen an die Feststellung und Darlegung des Irrtums beim Betrug
im Zusammenhang mit routinemäßigen Massengeschäften (hier: Missbrauch
des Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13 - LG Bielefeld
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. April 2014 in der Sitzung vom 22. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung am 24. April 2014,
bei der Verkündung am 22. Mai 2014
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten M. W. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten T S. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin der Angeklagten D. S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. September 2012 wird
a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt ,
b) das Urteil in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. W. hat es zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten T. S. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und die Angeklagte D. S. zu einer solchen von vier Jahren verurteilt.
Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffen, die sich gegen die AG richtet.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Die von allen Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 338 Nr. 7 StPO, mit der sie beanstanden, der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer, Vorsitzender Richter am Landgericht H. , habe sich wegen seiner während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist in einem Parallelverfahren erfolgten Zeugenvernehmung zu Unrecht gehindert gesehen, das Urteil zu unterschreiben, weshalb es innerhalb dieser Frist nur unvollständig zu den Akten gelangt sei, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); ob sie in der Sache Erfolg haben könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
4
1. Zur Begründung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die bezeichneten Tatsachen erwiesen werden (SSW-StPO/Momsen, § 344 Rn. 36; LR-StPO/Franke, 26. Aufl. § 344 Rn. 78, jeweils m.N. zur st. Rspr.).
5
2. Gemessen daran vermag der Senat hier nicht zu prüfen, ob der Vorsitzende wegen seiner Vernehmung als Zeuge „in der Sache“ im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen war.
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet Gleichheit der Sache gemäß § 22 Nr. 5 StPO nicht notwendig Verfahrensidentität; Sachgleichheit kann auch bei Vernehmung des Richters als Zeuge zu demselben Tatgeschehen in einem anderen Verfahren in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 – 5 StR 530/06, BGHR StPO § 338 Nr. 2 Ausschluss 4, Tz. 6 mwN; vgl. auch LR-StPO/Siolek, 26. Aufl., § 22 Rn. 25; SSWStPO /Kudlich/Noltensmeier, § 22 Rn. 19). Insoweit fehlt es im Revisionsvortrag der Angeklagten T. und D. S. schon an der Mitteilung des Beweisthemas, zu dem der Strafkammervorsitzende in dem Verfahren gegen A. u.a. geladen und vernommen wurde. Aber auch dem Vortrag des Angeklagten W. kann das betreffende Beweisthema allenfalls mittelbar entnommen werden, da er das Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Bielefeld vom 31. Oktober 2012 über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Vorsitzenden Richter vorgelegt hat. Danach hatte der Angeklagte A. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung beantragt, den Vorsitzenden Richter am Landgericht H. dazu zu vernehmen, dass sich seine (des A.) in einer polizeilichen Vernehmung getätigte Aussage in dem Verfahren gegen die hiesigen Angeklagten als wahr herausgestellt habe. Aber auch dieses Rügevorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht. Um dem Senat die Überprüfung der Sachgleichheit im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO zu ermöglichen , hätte zumindest noch vorgetragen werden müssen, welchen Inhalt diese polizeiliche Aussage hatte, inwiefern sie im vorliegenden Verfahren Gegenstand der Hauptverhandlung war, was der als Zeuge benannte Vorsitzende Richter am Landgericht H. im dortigen Verfahren dazu bekundet hat und ferner, welchen Zusammenhang und welche Bedeutung dies für die gegen die Ange- klagten des vorliegenden Verfahrens erhobenen Tatvorwürfe hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 – 4 StR 507/07, StV 2008, 283, Tz. 5 f. m. Anm. Leu StV 2009, 507 zu den Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO in derartigen Fällen). Das ist hier jedoch nicht geschehen; auch aus den auf die Sachrüge heranzuziehenden Urteilsgründen ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.

II.


7
Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in den Strafaussprüchen. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrügen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
8
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
9
a) Die Angeklagten schlossen sich Anfang 2008 aufgrund einer zumindest stillschweigend getroffenen Vereinbarung zusammen, um spätestens ab Juli 2008 von einer Vielzahl von Personen unter Vorspiegelung eines tatsächlich nicht bestehenden Vertragsverhältnisses im Wege des Lastschriftverfahrens Geldbeträge einzuziehen. Das von den Angeklagten im arbeitsteiligen Zusammenwirken im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell bestand in einer Variante darin, eine möglichst große Zahl von Personen durch entsprechend angeleitete Callcenter-Mitarbeiter anzurufen und bei diesen den Eindruck eines – tatsächlich nicht bestehenden – Vertragsverhältnisses über die Teilnahme an Gewinnspielen hervorzurufen. Auf diese Weise wollten die Angeklag- ten an die Kontodaten der Angerufenen gelangen und von diesen Konten Lastschriften vornehmen, wobei sie davon ausgingen, dass die Angerufenen infolge der Annahme, es bestehe tatsächlich ein Vertragsverhältnis und die Lastschrift sei daher rechtmäßig erfolgt, den Lastschrifteinzügen nicht widersprechen würden. Bei einer weiteren Tatvariante, bei der die Kontodaten bereits bekannt und Telefonanrufe daher entbehrlich waren, sollte den Betroffenen allein durch die durchgeführte Lastschrift ein bestehendes Vertragsverhältnis vorgespiegelt werden, um diese von einem Widerspruch abzuhalten. Dabei nahmen die Angeklagten einerseits billigend in Kauf, dass die Kontoinhaber von den Lastschriftabbuchungen durch Lektüre ihrer Kontoauszüge Kenntnis erhalten, sich den Zugriff auf ihr Konto aber nicht anders erklären würden, als dass der jeweiligen Abbuchung ein wirksamer Vertrag zu Grunde lag, sei es auch nur in der Form, dass sie sich insoweit unsicher waren und/oder die Sache wegen des relativ geringen Betrages auf sich beruhen ließen. Andererseits handelten die Angeklagten auch in der Erwartung, die Betroffenen würden in zahlreichen Fällen mangels ausreichend sorgfältiger Kontrolle ihrer Kontoauszüge die Abbuchungen nicht bemerken oder einfach übersehen.
10
Zur Verwirklichung des Tatplans bedienten sich die Angeklagten insbesondere der in der S. ansässigen AG, die vom Angeklagten W. vertreten wurde. Dieser schloss für die AG zahlreiche Verträge unter anderem mit Callcentern, Zahlungsdienstleistern sowie mit Banken ab, über die die Lastschrifteneinzüge erfolgen sollten und später auch tatsächlich erfolgten. Auch mit dem von der AngeklagteD. S. betriebenen Callcenter GmbH & Co KG, bei dem der Angeklagte T. S. angestellt war, schloss der Angeklagte W. sog. Vertriebspartnerverträge ab. Insgesamt waren für die Angeklagten im Tatzeitraum mindestens 66 Callcenter mit etwa 400 bis 600 Mitarbeitern in der sog. Gewinn- spielvermittlung tätig. Die Callcenter erhielten für jeden Fall, in dem sie die Kontodaten erlangten, einen Betrag in Höhe von 45 bis 60 Euro.
11
Die zur Erschwerung von Nachforschungen meist unter falschen Namen handelnden Mitarbeiter der Callcenter gaben bei ihren Anrufen (1. Tatvariante) entsprechend den Vorgaben eines ihnen auf Veranlassung der Angeklagten ausgehändigten sog. Negativleitfadens für die Gesprächsführung vor, sie hätten die Möglichkeit, einen vermeintlich bestehenden Gewinnspielvertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu beenden , wobei für die letzten drei Monate, sollten Gewinne ausbleiben, eine „Geld-zurück-Garantie“ bestehe. Tatsächlich war die Übernahme einer solchen Garantie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt; in keinem Fall wurden zuvor abgebuchte Geldbeträge zurückerstattet. Der durch den Leitfaden im Einzelnen vorgegebene Erstanruf diente dazu, die Angerufenen jeweils zur Kündigung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Vertrages und – abwicklungshalber – zur Herausgabe ihrer Kontodaten zu veranlassen. Widersprachen die angerufenen Personen – wie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – der Behauptung an einem derartigen Gewinnspiel teilgenommen zu haben, bemühten sich die von den Angeklagten angewiesenen Callcenter-Mitarbeiter dies – wahrheitswidrig – zu widerlegen und behaupteten beispielsweise, auf die Kontodaten aus Datenschutzgründen keinen Zugriff zu haben, sie aber nun zu benötigen, etwa um den Betroffenen aus dem Vertrag „herauszuhelfen“.
12
Im Anschluss an den Erstanruf erfolgte sodann ein Zweitanruf (sog. Quality Call), der zum Teil elektronisch aufgezeichnet wurde und dazu diente, mittels geschickter Gesprächsführung von den Betroffenen eine telefonisch erteilte Einzugsermächtigung zu erhalten, um die Betroffenen selbst, aber auch die beteiligten Banken oder im Fall von Nachforschungen die Strafverfolgungsbehörden über den auf diesem Weg dokumentierten angeblichen Vertragsschluss zu täuschen. Im Anschluss daran erhielten die Angerufenen – auch diejenigen, die den vermeintlichen Vertrag gekündigt hatten – von der GmbH, die von der AG mit der „technischen Abwicklung“ beauftragt worden war, sog. Begrüßungsschreiben , in denen behauptet wurde, die Empfänger hätten „die Chance, bei 200 Internet-Gewinnspielen monatlich eingetragen zu werden“; diese Leistung sei „ebenfalls in Ihrem Servicebetrag … enthalten, den wir wie besprochen jeden Monat im voraus automatisch von Ihrem Konto… abbuchen“. Tatsächlich war ab dem Jahr 2008 - wie die Angeklagten wussten – eine Eintragung in 200 Gewinnspiele monatlich je Kunde nicht mehr möglich, sondern erfolgte „in einem deutlich geringeren Umfang“.
13
Der Einzug der vermeintlichen Forderungsbeträge in Höhe von jeweils zwischen 55 und 79,80 Euro erfolgte im Tatzeitraum vom 9. März 2009 bis zum 22. Januar 2010 mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren. Die auf dem jeweiligen Kontoauszug der Betroffenen wiedergegebene Belastungsbuchung enthielt den Namen des Zahlungsdienstleisters, den Namen des „Produkts“, den abgebuchten Betrag sowie eine zwölfstellige ID-Nummer. Es wurden bei insgesamt 136.890 Betroffenen (teilweise mehrfach) Beträge im Lastschriftverfahren eingezogen, die im angefochtenen Urteil auf 4.885 Seiten im Einzelnen in Tabellenform aufgeführt sind. In 198.070 Fällen wurde die Lastschrift nicht zurückgegeben, so dass das Geld bei den Angeklagten verblieb. Dagegen erfolgte in 129.708 Fällen eine Rückgabe der Lastschriften. Die Angeklagten erzielten durch ihr Vorgehen einen Gewinn „im deutlich siebenstelligen Bereich“.
14
b) Zur Beweiswürdigung hat das Landgericht lediglich mitgeteilt, dass die Angeklagten im Rahmen einer nach § 257c StPO durchgeführten Verständigung den Anklagevorwurf gestanden und weitere Fragen der Kammer glaubhaft , ausführlich und nachvollziehbar beantwortet hätten. Von der Richtigkeit der geständigen Einlassungen sei die Strafkammer überzeugt, da sie „mit dem Ermittlungsergebnis sowie auch mit dem übrigen Ergebnis der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten umfassenden Beweisauf- nahme im Einklang“ stünden. Weitere Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht.
15
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil offen bleibt, auf welche Weise sich die Strafkammer auch unter Berücksichtigung der umfassenden Geständnisse der Angeklagten die Überzeugung verschafft hat, die Betroffenen hätten die Lastschriften in den 198.070 festgestellten Fällen hingenommen, weil sie sich über das Bestehen einer Zahlungspflicht im Irrtum befanden.
16
a) In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Zwar sind, wenn sich die Angeklagten – wie hier – auf der Grundlage einer Absprache geständig einlassen, an die Überprüfung dieser Einlassungen und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1063, Tz. 71; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13); es gibt auch keine forensische Erfahrung dahin, dass bei einem Geständnis im Rahmen einer Verständigung regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12, NStZ 2012, 584). Aber auch in einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 1992 – 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11; Beschluss vom 15. September 1999 – 2 StR 373/99, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 34; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653, Tz. 4, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 361; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 261 Rn. 2a).
17
Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f; vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8; zu den Darle- gungsanforderungen bei einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“ vgl.BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 aaO, Tz. 6; Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 15; Be- schluss vom 2. November 2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, Tz. 5). In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger , massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvorstellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen,wobei er dies im Urteil darzulegen hat. Ist das Vorstellungsbild des Verfügenden normativ geprägt, kann bei einem Tatvorwurf, dem zahlreiche Einzelfälle zu Grunde liegen, die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, 1546; Beschluss vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, Tz. 15, inso- weit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt). In komplexeren Fällen wird es regelmäßig erforderlich sein, die betreffenden Personen über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild als Zeugen zu vernehmen sowie deren Bekundungen im Urteil mitzuteilen und zu würdigen (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 15, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8 f.).
18
b) Gemessen daran vermögen – jedenfalls im vorliegenden Fall – weder der Hinweis auf das „Ermittlungsergebnis“ noch die ebenfalls nicht näher beleg- te Bezugnahme auf die „umfassende Beweisaufnahme“ und die „umfassende geständige Einlassung der Angeklagten“ eine Irrtumserregung bei den von den Lastschrifteinzügen betroffenen Bankkunden zu belegen.
19
aa) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer Geschädigte als Zeugen vernommen hat oder dass deren Angaben auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
20
bb) Die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums und einer dadurch kausal hervorgerufenen Vermögensverfügung versteht sich hier auch nicht von selbst. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer wurde bei den Betroffenen im Rahmen der Telefonanrufe durch die Callcenter-Mitarbeiter der Eindruck erweckt, sie hätten die Möglichkeit, einen bestehenden Vertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu been- den. In der „weit überwiegenden Anzahl“ der Fällehatten die Betroffenen jedoch der Behauptung widersprochen, sie hätten einen derartigen Vertrag abgeschlossen. Danach liegt es – auch soweit dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht ausdrücklich widersprochen wurde – nicht auf der Hand, dass die Betroffenen die Rückforderung der abgebuchten Beträge gerade aufgrund der irrtümlichen Annahme unterließen, sie seien aufgrund eines bestehenden Ver- tragsverhältnisses verpflichtet, die Abbuchung dieser Beträge (dauerhaft) als rechtmäßig zu dulden.
21
Was die Fälle betrifft, in denen die Täter bereits über die Bankdaten verfügten und Anrufe bei den jeweiligen Kontoinhabern daher entbehrlich waren, vermögen die Urteilsgründe ebenfalls nicht hinreichend zu vermitteln, auf welcher Grundlage sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, die Bankkunden hätten sich gegen die Lastschriften nicht zur Wehr gesetzt, weil ihnen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung vorgespiegelt wurde. Diese Annahme ist schon mit der von der Strafkammer festgestellten, ausweislich der Urteilsgründe aber nicht näher überprüften Erwartung der Angeklagten unvereinbar, die Kontoinhaber würden die Lastschriften gar nicht bemerken, möglicherweise also noch nicht einmal einer täuschungsbedingten Fehlvorstellung im Sinne eines sog. sachgedanklichen Mitbewusstseins unterliegen.
22
3. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die aus der Urteilsformel ersichtliche Beschränkung vor.
23
a) Die Feststellungen und die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung belegen für beide Tatvarianten insbesondere, dass die Angeklagten nach ihrer Vorstellung als Mittäter im Wege eines uneigentlichen Organisationsdelikts Betrugshandlungen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Kontoinhaber begehen wollten und hierzu auch unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB).
24
aa) In den sog. Anruffällen ging es den Angeklagten darum, bei den Telefonanrufen und durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben den Empfängern das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung zu verzichten. Hierin liegt ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12, Tz. 17).
25
bb) Aber auch in den Fällen, in denen die Lastschrifteinzüge ohne vorherige telefonische Kontaktaufnahme erfolgten und die Übersendung von Begrüßungsschreiben unterblieb, ein direkter Kundenkontakt also nicht stattfand, war der Tatplan der Angeklagten auf die Begehung eines Betruges gerichtet.
26
(1) Den Angeklagten war bewusst, dass die betroffenen Kunden von ihrer jeweiligen Bank einen Kontoauszug erhalten würden, in dem die von ihnen veranlasste Abbuchung ausgewiesen war. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die jeweilige Kontoinformation auf dem Auszug nicht nur den Namen des Zahlungsdienstleisters, den abgebuchten Betrag und eine sog. IDNummer , sondern auch einen Produktnamen. Dabei entsprach es der Vorstellung der Angeklagten, dass den betroffenen Bankkunden unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Empfängerhorizonts im Hinblick auf die Mitteilung einer derartigen Produktbezeichnung ein wirksames Kausalgeschäft vorgespiegelt werden sollte.
27
(2) Der Ablauf des im Wesentlichen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens (vgl. Nr. 9 AGBBanken i.d. bis zum 30. Oktober 2009 gültigen Fassung sowie die Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr im Einzugsermächtigungsverfahren i.d.F. v. Oktober 2009 und die Bedingungen für den Lastschrifteinzug vom November 2009), dessen sich die Angeklagten hier zur Tatausführung bedienten, bestätigt diese rechtliche Beurteilung. Dieses Verfahren wird durch die Übermittlung eines vom Zahlungsempfänger – hier also von den Angeklagten – mit den erforderlichen Informationen versehenen Lastschriftdatensatzes – regelmäßig in elektronischer Form – über dessen Bank an das Geldinstitut des Schuldners ohne dessen Einschaltung in Gang gesetzt. Dessen Institut belastet seinerseits ohne eigene Sachprüfung das Konto des Kunden mit dem genannten Betrag (vgl. Nr. 2.1.2 sowie 2.3.1 der Sonderbedingungen; vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 – II ZR 277/84, BGHZ 95, 103, 106). Der zahlungspflichtige Bankkunde erhält sodann von seiner Zahlstelle entsprechend dem vom Zahlungsempfänger an dessen Bank übermittelten Lastschriftdatensatz eine Mitteilung über die erfolgte Belastung auf seinem Kontoauszug (Lastschriftabkommen Abschnitt 1 Nr. 7 Abs. 1). Da dieses Verfahren den Zahlungsempfänger in die Lage versetzt, von sich aus ohne Mitwirkung des Zahlungspflichtigen den Zeitpunkt des Zahlungsflusses zu bestimmen (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241, Tz. 15), und der Schuldner auf die (nachträgliche) Verweigerung der Genehmigung verwiesen wird (Nr. 2.4 der Sonderbedingungen ), muss der Zahlungsempfänger, um Forderungen einzuziehen, gegenüber seiner Bank versichern, dass ihm eine schriftliche Ermächtigung des Zahlungspflichtigen vorliegt (vgl. dazu Lastschriftabkommen Abschnitt I Nr. 3; Einzelheiten bei Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 58 Rn. 11). Auch diese Erklärung über das Vorliegen einer Einzugsermächtigung gibt die Gläubigerbank über die Schuldnerbank als Boten an den vermeintlichen Schuldner weiter.
28
(3) Danach war der Tatplan der Angeklagten darauf gerichtet, die betroffenen Bankkunden sowohl über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses als auch über die Berechtigung zur Vornahme des Lastschrifteinzugs zu täuschen. Dies geschah mit dem Ziel, die Bankkunden bis zum endgültigen Eintritt der Genehmigungswirkung von der Geltendmachung von Einwendungen ge- genüber der kontoführenden Bank und damit von der Möglichkeit der Rückbuchung der vereinnahmten Geldbeträge abzuhalten.
29
(4) Die Angeklagten haben auch unmittelbar im Sinne des § 22 StGB zur Begehung dieser Tat angesetzt. Indem sie den Lastschrifteinzug bei ihrer Bank einreichten und damit das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren in Gang setzten, gaben sie das Geschehen aus der Hand (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; vgl. auch SSW-StGB/ Kudlich/Schuhr, 2. Aufl., § 22 Rn. 40).
30
b) Auch die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, Tz. 13, 51, m. abl. Anm. Heghmanns ZJS 2013, 423; i.E. ebenso schon BGH, Beschluss vom 12. September 1990 – 3 StR 277/90, HFR 1991, 496). Schon im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle und die Komplexität des Tatgeschehens würde die weitere Aufklärung mit dem Ziel der Feststellung eines vollendeten Delikts einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten.

III.


31
Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs für alle drei Angeklagten. § 265 StPO steht nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich die umfassend geständigen Angeklagten anders als geschehen verteidigt hätten.
32
Die Strafaussprüche können jedoch nicht bestehen bleiben, da die Möglichkeit besteht, dass die Strafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs dem gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen worden wären. Über diese Frage wird der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter nunmehr auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeiten und der Tatumstände unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere der Vollendungsnähe, zu entscheiden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 21).

IV.


33
Ob die vom Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffene Entscheidung in der Sache durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Angeklagten sind von dieser Entscheidung weder betroffen noch durch sie beschwert.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 162/13
vom
22. November 2013
Nachschlagewerk: ja - nur zu B. I. der Gründe
BGHSt: ja - nur zu B. I. der Gründe
Veröffentlichung: ja - nur zu B. I. der Gründe
___________________________________
Bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages ist für die Entbindung des Hauptschöffen
von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag,
nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich.
BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
22. August 2013 in der Sitzung am 22. November 2013, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung am 22. August 2013
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Dezember 2012 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen II. 9, 12 bis 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 36, 39 und 43 der Urteilsgründe im Schuld- und Strafausspruch,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe, soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 43 Fällen, davon in 28 Fällen in Tateinheit mit "gewerbsmäßigem" Betrug sowie in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug , und wegen versuchten Inverkehrbringens von Falschgeld in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, dass der Angeklagte in den 15 Fällen des vollendeten Inverkehrbringens tateinheitlich lediglich wegen versuchten und nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt worden ist. Zudem rügt sie, dass eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO unterblieben ist. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erhielt von einem Schuldner einen erheblichen Bargeldbetrag , unter dem sich neben echtem Geld auch Falschgeld mit einer sehr hohen Fälschungsqualität im Nennwert von 20.000 € befand. Nachdem der Angeklagte dies erkannt hatte, wollte er den Schaden nicht hinnehmen und entschloss sich daher, das Falschgeld unter anderem bei Reisen nach Deutschland sukzessive in Verkehr zu bringen. Dies tat er sodann in der Zeit vom 20. November 2008 bis zum 25. April 2012 in Berlin, Köln und Hannover, indem er bei Bareinkäufen insgesamt 45 gefälschte 200-Euro-Scheine zur Bezahlung von Waren hingab, um dadurch diese und das Wechselgeld zu erhalten, was ihm in all diesen Fällen auch gelang. In einem weiteren Fall versuchte er dies.
4
A. Revision der Staatsanwaltschaft
5
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Schuldsprüche , die die Verurteilung wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug betreffen, die Gesamtstrafe und die unterbliebene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe beschränkt. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Revisionsantrag. Allerdings folgt aus der Revisionsbegründung , dass die Revisionsführerin das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der genannten Punkte für rechtsfehlerhaft hält (vgl. zur entsprechenden Auslegung der Revision BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - 1 StR 476/12, NStZ-RR 2013, 279, 280 mwN).
6
II. Die Verurteilung des Angeklagten wegen - tateinheitlich mit vollendetem Inverkehrbringen von Falschgeld begangenen - versuchten ("gewerbsmäßigen" ) Betruges in 15 Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit beruht die Annahme des Landgerichts, die vom Angeklagten tateinheitlich begangenen Betrugstaten seien lediglich versucht, auf einer unzureichenden rechtlichen Prüfung und Würdigung der Feststellungen.
7
Das Landgericht hat seine Annahme, in diesen 15 Fällen sei hinsichtlich des Betruges Vollendung nicht eingetreten, in zwei Fällen (Fälle II. 12 und 36 der Urteilsgründe) darauf gestützt, dass sich die Kassierer keine bewussten Gedanken über die Echtheit des 200-Euro-Scheines gemacht hätten und deshalb "kein Irrtum eingetreten" sei. In den übrigen 13 Fällen (Fälle II. 9, 13, 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 39 und 43) hat es diese Annahme damit begründet, dass die beteiligten Kassierer nicht oder überhaupt keine Zeugen dieser Taten ermittelt werden konnten und deshalb das Vorliegen eines - von dem Angeklagten durch Täuschung erregten - tatbestandlichen Irrtums im Sinne von § 263 StGB nicht nachzuweisen sei. Diese Annahmen zeigen auf, dass die Strafkammer einen zu strengen Maßstab an das Vorliegen des Tatbestandmerkmals "Irrtum" angelegt und die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung überspannt hat; sie sind mithin zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
8
1. Ein - durch die Täuschungshandlung erregter oder unterhaltener - Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung (des Getäuschten) und der Wirklichkeit (vgl. LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 77 ff. mwN). Das gänzliche Fehlen einer Vorstellung begründet für sich allein keinen Irrtum. Allerdings kann ein solcher auch in den Fällen gegeben sein, in denen die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in der Abweichung eines "sachgedanklichen Mitbewusstseins" von den tatsächlichen Umständen besteht. Danach ist insbesondere der Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte von als selbstverständlich angesehenen Erwartungen geprägt, die zwar nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden, jedoch der vermögensrelevanten Handlung als hinreichend konkretisierte Tatsachenvorstellung zugrunde liegen (vgl. LK/Tiedemann, aaO Rn. 79). Diese Grundsätze hätte das Landgericht in den vorbezeichneten Fällen in seine Prüfung eines tatbestandlichen Irrtums der kassierenden Personen einbeziehen müssen.
9
2. In den Einzelfällen, in denen die Kassierer oder Tatzeugen nicht ermittelt werden konnten, kommt hinzu, dass das Landgericht die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt hat. Zwar ist in den Urteilsgründen grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.); danach wird es regelmäßig erforderlich sein, die irrende Person zu ermitteln und in der Haupt- verhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Vielmehr kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen ) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden. In der Regel kann das Gericht auch aus Indizien auf einen Irrtum schließen. In diesem Zusammenhang kann etwa eine Rolle spielen , ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im Interesse eines anderen verpflichtet war, sich von der Wahrheit der Behauptungen des Täters zu überzeugen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434). Wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verfügende kollusiv mit dem täuschenden Täter zusammengearbeitet oder aus einem sonstigen Grund Kenntnis von der Täuschung erlangt hatte und der durch die Täuschung erregte Irrtum deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte, können sogar nähere Feststellungen dazu, wer verfügt hat, entbehrlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885).
10
So verhält es sich hier. Da an einer Kasse beschäftigte Mitarbeiter eines Unternehmens schon aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung den Antrag eines Kunden auf Abschluss eines Kaufvertrages zurückweisen müssen, wenn der Kunde seiner Zahlungspflicht nicht sofort oder nicht vollständig nachkommt , es sich vorliegend um sehr gut gefälschte 200-Euro-Scheine handelte und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine bewusste Entgegennahme von Falschgeld durch die Kassierenden gegeben sind, liegt auch in diesen Fällen - selbst wenn die Verfügenden keine konkrete Erinnerung an den jeweiligen Vorgang mehr hatten oder diese sowie andere Tatzeugen nicht ermittelt wer- den konnten - das Vorliegen eines Irrtums nahe. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
11
3. Die Einheitlichkeit der Tat steht in den vorbezeichneten Fällen der Aufrechterhaltung der - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld entgegen (vgl. Meyer -Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 7a), so dass die Sache insoweit insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf.
12
III. Das angefochtene Urteil kann weiterhin nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht es unterlassen hat, in den Fällen II. 1 bis 31 und 33 bis 44 über eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Frage, inwieweit die Beanstandung der Nichtanwendung des § 111i Abs. 2 StPO einer Verfahrensrüge bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 5 StR 306/12, NJW 2013, 950, 951), nicht an, da jedenfalls der Revisionsbegründung eine solche Rüge, welche die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllen würde, entnommen werden kann.
13
Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte in 43 Fällen aus seinen Taten Waren und Wechselgeld erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Da der Anordnung des Verfalls nach den Feststellungen die Ansprüche der jeweils Geschädigten entgegenstehen, hätte das Landgericht in Ausübung seines ihm insoweit zustehenden pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden müssen , ob es die für das weitere Verfahren erforderlichen Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO trifft. Hierzu verhält sich das Urteil jedoch weder ausdrücklich noch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung geprüft und von dem ihm zustehenden Ermessen in der Art und Weise Gebrauch gemacht hat, dass es eine entsprechende Anordnung nicht treffen wollte. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem das Gericht von einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO absehen durfte oder musste, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. BT-Drucks. 16/700 S. 16; BGH, Urteil vom 17. Juni 2009 - 2 StR 195/09, juris Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN).
14
B. Revision des Angeklagten
15
I. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte - im Ergebnis erfolglos -, dass die Strafkammer hinsichtlich eines Schöffen nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO).
16
1. Der Rüge liegt im Wesentlichen der folgende Verfahrensgang zugrunde :
17
Der Vorsitzende bestimmte mit Verfügung vom 24. September 2012 Termin zur Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 4. Oktober 2012 und verfügte , dass "die Schöffen des 05.10.12" zu laden seien. Der für den ordentlichen Sitzungstag am Freitag, den 5. Oktober 2012 heranzuziehende Hauptschöffe , der Schöffe Q. , hatte bereits im Dezember 2011 schriftlich mitgeteilt , dass er drei vorgesehene Termine als Schöffe nicht wahrnehmen könne, da er sich an diesen im Urlaub befinden werde; zu diesen Terminen gehörte auch der 5. Oktober 2012. Auf eine Mitteilung seiner Serviceeinheit entschied der Vorsitzende daraufhin, dass der Schöffe von der Dienstleistung gem. § 54 GVG befreit werde. Darauf wurde der von der Schöffengeschäftsstelle als nächstbereiter Hilfsschöffe festgestellte Schöffe B. geladen. Diesen befreite der Vorsitzende ebenfalls von der Dienstleistung, da der Hilfsschöffe mitgeteilt hatte, dass er sich vom 2. bis 6. Oktober 2012 im Krankenhaus befinden werde. Der danach geladene nächstbereite Hilfsschöffe, der Schöffe M. , nahm schließlich an der Hauptverhandlung - neben der weiteren, regulär für den ordentlichen Sitzungstag vom 5. Oktober 2012 heranzuziehende (Haupt-) Schöffin - teil.
18
In der Hauptverhandlung rügte der Verteidiger noch vor Vernehmung des Angeklagten zur Sache die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen M. und trug vor, dass die Entbindung des Hauptschöffen Q. sich als objektiv willkürliche Richterentziehung darstelle, weil dieser am 4. Oktober 2012 gar nicht verhindert gewesen sei. Diesen Besetzungseinwand wies die Strafkammer als unbegründet zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass für den 4. Oktober 2012 die Schöffen zu laden gewesen seien, die "hätten geladen werden müssen, wenn der 5.10.2012 - wie ursprünglich geplant - der erste ordentliche Sitzungstag gewesen wäre". Wegen der Verhinderung des Schöffen Q. (und des Hilfsschöffen B. ) am 5. Oktober 2012 sei der Hilfsschöffe M. zu laden gewesen. Dessen Bestellung sowie die Entbindung des Hauptschöffen Q. von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden seien mit Blick auf den Vermerk der Geschäftsstelle über die Verhinderung des Hauptschöffen Q. im Übrigen jedenfalls nicht willkürlich erfolgt.
19
2. Die Verfahrensbeanstandung bleibt ohne Erfolg. Das erkennende Gericht war nicht vorschriftswidrig im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO besetzt; denn der mitwirkende Hilfsschöffe M. war aufgrund der vorangegangenen Entbindung des Hauptschöffen sowie der - nicht beanstandeten - Entbindung des zunächst heranzuziehenden weiteren Hilfsschöffen der zur Mitwirkung berufene Richter. Die auf § 54 GVG gestützte Entscheidung des Vorsitzenden, den Hauptschöffen Q. von der Dienstleistung am 4. Oktober 2012 zu entbinden , beruhte zwar auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab, war indes jedenfalls nicht willkürlich.
20
Im Einzelnen:
21
a) Die - bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte - Frage, ob bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die Verhinderung des Hauptschöffen an diesem oder an dem - infolge der Verlegung an einem anderen Tag stattfindenden - tatsächlichen Sitzungstag für seine Entbindung von der Dienstleistung maßgebend ist, ist dahin zu entscheiden, dass für die Entbindung des ("Haupt-") Schöffen von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag, nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
22
Die Verlegung des Beginns einer ordentlichen, gemäß § 45 Abs. 1 GVG bestimmten Sitzung auf einen anderen Tag führt dazu, dass die gemäß § 77 GVG im Voraus für den verlegten ordentliche Sitzungstag bestimmten Hauptschöffen heranzuziehen sind; anders als bei der unzulässigen Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung, zu der gemäß §§ 47, 77 Abs. 1 GVG die zur Mitwirkung berufenen Schöffen aus der Hilfsschöffenliste herangezogen werden , wird hierdurch der Angeklagte nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1957 - 1 StR 254/57, BGHSt 11, 54 ff.). Demnach gebührt allgemein der Mitwirkung der Hauptschöffen der Vorrang vor der Heranziehung von Hilfsschöffen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1995 - 5 StR 532/94, BGHSt 41, 175, 177). Dieser Grundsatz spricht bereits dafür, den Hauptschöffen, der lediglich an dem ursprünglich festgestellten ordentlichen Sitzungstag, nicht aber an dem tatsächlich bestimmten, vom ordentlichen Sitzungstermin abweichenden Tag verhindert ist, zu der Sitzung heranzuziehen. Zudem ist der Schöffe an dem durch die Verlegung des Sitzungstages bestimmten, die Stelle des ordentlichen Sitzungstages einnehmenden ("neuen") Sitzungstag gerade nicht an der Dienstleistung gehindert im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 GVG. Schließlich wäre bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die (zusätzliche) Berücksichtigung der Verhinderung eines Schöffen an diesem Tag nicht praxisgerecht: Zum einen müsste zur Feststellung des gesetzlichen Richters regelmäßig geprüft werden, ob der Schöffe (auch) an dem ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, und zwar auch dann, wenn an diesem Tag tatsächlich gar keine Sitzung stattfindet; zum anderen wäre der Schöffe im Sinne des § 54 Abs. 1 GVG verhindert, wenn er am ordentlichen Sitzungstag, an dem tatsächlich keine Sitzung stattfindet, nicht aber am tatsächlichen Sitzungstag an der Dienstleistung gehindert ist. Die Verhinderung am ordentlichen Sitzungstag als maßgebend anzusehen, hätte bei strikter Beachtung schließlich zur Folge, dass der Schöffe, der zwar am verlegten neuen Sitzungstag, nicht aber am ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, zur Mitwirkung berufen und heranzuziehen wäre. Da dieser Schöffe indes seine Dienstleistung wegen Verhinderung tatsächlich nicht erbringen könnte, wäre eine dem Grundsatz des gesetzlichen Richters genügende, vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung jedenfalls an dem neuen Sitzungstag nicht möglich.
23
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass von den vorstehenden Maßstäben , nach denen für die Gerichtsbesetzung die Verhinderung eines Schöffen am tatsächlichen und nicht (auch) am ordentlichen Sitzungstag maßgeblich ist, die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung bei einer (vorherigen ) Entbindung eines am Sitzungstag tatsächlich nicht (mehr) verhinderten Schöffen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11) nicht berührt wird.
24
b) Soweit die Entbindungsentscheidung demgegenüber auf der Verhinderung des Schöffen nicht am tatsächlichen, sondern am ursprünglichen Sitzungstag beruht, hat dies gleichwohl in der hier gegebenen Konstellation keine ordnungswidrige Besetzung der Kammer zur Folge; denn der Schöffe, der wirk- sam von seiner Dienstleistung entbunden ist (§ 54 Abs. 1, § 77 Abs. 1 GVG), ist infolge seiner Entbindung nicht mehr der gesetzliche Richter. An seine Stelle tritt gemäß §§ 49, 77 Abs. 1 GVG derjenige Hilfsschöffe, der an bereitester Stelle auf der Schöffenliste steht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 54 Rn. 18). Die Entbindungsentscheidung selbst ist gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1, § 77 Abs. 1 GVG unanfechtbar und unterliegt daher nicht der Prüfung des Revisionsgerichts (§ 336 Satz 2 Alt. 1 StPO). Die auf der Entbindungsentscheidung beruhende Gerichtsbesetzung kann somit grundsätzlich nicht nach § 338 Nr. 1 StPO mit der Revision gerügt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich und der verfassungsrechtliche Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG verletzt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1982 - 2 StR 32/82, BGHSt 31, 3, 5; vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476; vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 222; s. auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 2000 - 3 StR 378/00, BGHSt 46, 238, 241; BT-Drucks. 8/976, S. 66; LR/Gittermann, StPO, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 19 f.).
25
Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG, § 336 Satz 2 Alt. 1 StPO kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich. So wird das Bundesverfassungsgericht durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu einem Kontrollorgan , das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet die fehlerhafte Auslegung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar sind (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690). Etwas anderes gilt lediglich in dem - hier nicht gegebenen - Fall, dass nicht die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel, sondern die Verfassungsmäßigkeit der der Rechtsanwendung zugrunde liegenden Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans ) selbst zu prüfen ist (BVerfG aaO; BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a., NJW 2012, 2334, 2335 mwN).
26
c) Daran gemessen hält die Entbindung des Hauptschöffen Q. der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, der am ordentlichen Sitzungstag verhinderte Hauptschöffe sei (auch) am vorverlegten Sitzungstag, dem 4. Oktober 2012, an der Dienstleistung gehindert, stellt keine nicht mehr vertretbare , objektiv willkürliche Rechtsauslegung dar. Dies ergibt sich bereits daraus , dass die hier zugrundeliegende Rechtsfrage vor der Entscheidung des Senats noch nicht geklärt war und in der Sache unterschiedliche Ansichten nicht unvertretbar waren. So ist etwa auch der Generalbundesanwalt davon ausgegangen, dass für die Frage der Verhinderung auf den ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag abzustellen sei, da bei einem Sitzungsbeginn an diesem Tag die Kammer mit dem Hilfsschöffen ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre und bei einer Vorverlegung nichts anderes gelten könne.
27
Auf die Frage, ob die Entscheidung des Vorsitzenden auch deshalb nicht willkürlich war, weil er den Schöffen aufgrund des Vermerks der Geschäftsstelle entbunden hat, kommt es danach nicht mehr an.
28
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
29
Entgegen der Auffassung der Revision sind insbesondere die konkurrenzrechtlichen Bewertungen des Urteils nicht zu beanstanden. Tateinheit zwischen Inverkehrbringen von Falschgeld und Betrug ist angesichts der - von der Revision selbst erkannten - unterschiedlichen Schutzrichtung der beiden Tatbestände möglich (vgl. auch BGH, Urteile vom 27. September 1977 - 1 StR 374/77, juris Rn. 44 mwN; vom 10. Mai 1983 - 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380 ff.) und vorliegend durch die Feststellungen auch belegt.
30
Dass der Angeklagte das Falschgeld in einem Akt erhalten hat und sich dazu entschloss, es sukzessive in Verkehr zu bringen, führt nicht zu einer einzigen Tat. Ein einheitlicher Gesetzesverstoß setzt in der hier gegebenen Konstellation voraus, dass der Täter sich das Geld in der Absicht verschafft, es später abzusetzen, und er diese Absicht später verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2011 - 3 StR 51/11, NStZ 2011, 516 f. mwN). Da der Angeklagte bei Erhalt des Falschgeldes ohne Vorsatz handelte, lag zu diesem Zeitpunkt noch keine tatbestandliche Handlung vor, welche die späteren Absatzhandlungen zu einer einzigen Tat verbinden könnte. Auch eine natürliche Handlungseinheit ist nicht gegeben, da es an einem dafür erforderlichen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den sich über mehr als drei Jahre hinziehenden einzelnen Handlungen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2012 - 3 StR 422/11, StV 2013, 382, 383 mwN).
31
Schließlich begegnet die Annahme einer - indes als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges nicht in die Urteilsformel aufzunehmenden - gewerbsmäßigen Begehungsweise gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB keinen Bedenken; denn der Angeklagte wollte sich nach den Feststellungen ersichtlich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Anders als in Fällen des § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB, in denen es bei einem einheitlichen Verschaffungsvorgang an der Absicht wiederholter Tatbegehung fehlen kann (s. dazu etwa BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 601/08, NJW 2009, 3798), liegt das deliktische Handeln hier allein in der Wei- tergabe, nicht in dem einheitlichen Verschaffen des Falschgeldes. Daher ist nicht auf die einheitliche Besitzerlangung, sondern auf die beabsichtigte mehrfache Abgabe an gutgläubige Dritte abzustellen. Schäfer Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 558/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur "Hemmschwellentheorie" bei Tötungsdelikten.
BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 - LG Saarbrücken
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe vor der Unterbringung.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) im gesamten Ausspruch über die verhängten Maßnahmen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Einzelausführungen zur Verneinung des Tötungsvorsatzes und zur Anordnung der Unterbringung in dem angefochtenen Urteil näher begründet; im danach verbleibenden Umfang hat ihre Revision Erfolg. Der Angeklagte erzielt mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
I. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten u.a. bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 8. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Erziehungsmaßregel und ein Zuchtmittel an. Der Angeklagte hatte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zweimal mit einem Schraubenzieher in den linken Mittelbauch des Geschädigten gestochen. Wegen einer etwa sechs Wochen nach dieser Ahndung begangenen (ersichtlich: vorsätzlichen) Körperverletzung verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2009 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Er hatte seine damalige Lebensgefährtin so lange gewürgt, bis diese Angst hatte zu ersticken; von ihr hatte er erst abgelassen, als sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sechs Tage vor dem hier abgeurteilten Angriff auf den Nebenkläger (nachfolgend zu Ziff. III.) stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein gegen den Angeklagten geführtes Ermittlungsverfahren mangels öffentlichen Interesses ein; der Angeklagte hatte einem Besucher der Saarbrücker Diskothek „ “ angedroht, er werde ihn „abstechen, wenn er herauskomme“.
4
Bei der konkreten Strafzumessung teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte sich darauf berufen habe, in sämtlichen Fällen von den Zeugen bewusst der Wahrheit zuwider belastet worden zu sein.
5
II. Am 12. Oktober 2010 befuhr der Angeklagte mit einem entliehenen und abredewidrig weiter genutzten Pkw Smart gegen 5.45 Uhr öffentliche Straßen in Saarbrücken, u.a. die Straße in Saarbrücken-St. Johann. Infolge seiner alkoholischen Beeinflussung – er wies bei der Tat einen Blutalko- holgehalt von mindestens 1,35 ‰ auf – verkannteer den Straßenverlauf und überfuhr ein Stopp-Schild. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V. , der die vorfahrtberechtigte straße befuhr. An der Kreuzung Straße/ straße stieß der Angeklagte an ei- nen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um; er kam mit dem von ihm gefahrenen, schwer beschädigten Fahrzeug erst auf einem angrenzenden Schulhof zum Stehen. Seine Fahrunsicherheit hätte er bei gewissenhafter Prüfung vor Antritt der Fahrt erkennen können.
6
III. In der Nacht zum 18. November 2010 beobachtete der Angeklagte in der Saarbrücker Diskothek „ “ einen Streit zwischen zwei ihm nicht näher bekannten Personen. Als der Nebenkläger diesen Streit schlichten wollte, mischte sich auch der Angeklagte in die Auseinandersetzung ein und geriet mit dem Nebenkläger in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beleidigungen; der Angeklagte schlug dem Nebenkläger ins Gesicht. Anschließend trennten die Türsteher die Streitenden. Etwa 20 Minuten später lebte die Auseinandersetzung vor der Diskothek erneut auf; nach weiteren wechselseitigen Beleidigungen schlug nunmehr der Nebenkläger dem Angeklagten ins Gesicht. Auch dieses Mal trennten die Türsteher die Streitenden. Nachdem man sich kurzzeitig in unterschiedliche Richtungen entfernt hatte, setzte der Nebenkläger dem Angeklagten nach und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht; im Rahmen der sich anschließenden Rangelei blieb der Angeklagte der körperlich Unterlegene. Ein drittes Mal trennten die herbeigeeilten Türsteher die Streitenden. Der Angeklagte entfernte sich. Der Nebenkläger begab sich in Begleitung eines Freundes zu einem Taxistand, an dem sich eine Gruppe von „Nachtschwärmern“ ver- sammelt hatte.
7
Nach etwa 15 Minuten kam der Angeklagte plötzlich hinter einer Ecke hervor. Er lief unmittelbar auf den Nebenkläger zu und stach seinem nichts ahnenden Opfer sofort von seitlich hinten kommend in den Rücken. Mit den Wor- ten „Verreck‘, du Hurensohn“ rammte er ihm ein 22 cm langesdoppelklingiges Messer mit einer Klingenlänge von 11 cm derart heftig in den Rücken, dass die achte Rippe des Opfers durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge eindrang. Der Nebenkläger sackte auf dem Boden zusammen. Es entwickelten sich tumultartige Zustände; der Begleiter des Nebenklägers brachte den Angeklagten zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug beim Angeklagten maximal 1,58 ‰.
8
Der Nebenkläger erlitt einen Hämatopneumothorax; es bestand akute Lebensgefahr. Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben. Er leidet nach wie vor unter erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen.

B.


9
Die Revision des Angeklagten
10
I. Der Angeklagte hat mit seinem Revisionsangriff Erfolg, soweit er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet.
11
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen die für die Annahme einer Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach all- gemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315 c StGB, und vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315 b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315 c Rn. 22 ff.).
12
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 1974, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315 c StGB Nr. 16; zur maßgeblichen Wertgrenze s. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus des V. an. Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen Feststellungen des Landgerichts den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr nicht. Einen Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen wäre - also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urteile vom 30. März 1995 und vom 4. September 1995, jew. aaO) -, hat das Schwurgericht nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Insbesondere ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass es dem Angeklagten und V. etwa nur auf Grund überdurchschnittlich guter Re- aktion sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einer sonst drohenden Kollision durch Ausweichen zu begegnen.
13
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs entzieht der hierwegen verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und den Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB die Grundlage.
14
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist „vollumfänglich“ der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, welche die negative Gefahrenprognose mit „seiner (des Angeklagten) offenkundigen sich steigernden Neigung zu körperlichen Übergriffen“ begründet hat.Im Rahmen der konkreten Strafzumessung teilt das Schwurgericht mit, dass es, nachdem der Angeklagte behauptet hatte, früherer Aggressionsdelikte bewusst wahrheitswidrig beschuldigt worden zu sein, „die Anträge der Verteidigung auf Sachverhaltsaufklärung aller vorheriger Verfahren zurückgewiesen“ und „lediglich die Warn- funktion der beiden Vorstrafen“ berücksichtigt hat. Danach findet die die Prog- nose tragende Erwägung in den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
15
II. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
16
III. 1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, näher aufzuklären haben. Auch wenn an die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 1995, aaO), wird sich der Tatrichter um nähere Ermittlung der von beiden Fahrzeugen im Vorfallszeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeiten, ihrer Entfernung zueinander, zur Beschaffenheit des Straßenverlaufs und der Kreuzung sowie der am Vorfallsort bestehenden Ausweichmöglichkeiten zu bemühen und das Ergebnis in einer Weise im Urteil darzulegen haben, die dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht, ob eine - wie beschrieben - konkrete Gefahr im Sinne eines "Beinahe -Unfalls" bereits vorlag.
17
2. Der neue Tatrichter wird auch die Einwendungen der revisionsführenden Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts gegen die Unterbringungsanordnung zu berücksichtigen haben.

C.


18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
20
I. Das Rechtsmittel ist zulässig.
21
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) keinen Revisionsantrag gestellt. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die bereits in ihrer Einlegungsschrift vorgebrachte allgemeine Sachrüge erhoben. Diese – auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV widersprechende – Verfahrensweise ist in dem hier gegebenen Einzelfall aber unschädlich. Freilich hat der Bundesgerichtshof wie- derholt Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Antragstellung lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet waren, für unzulässig gehalten. Dies betraf jedoch Strafverfahren, in denen einem (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker NStZ-RR 2004, 228) oder mehreren Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt oder in denen der Angeklagte teilweise freigesprochen worden war und die Angriffsrichtung des Rechtsmittels bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unklar blieb (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288). So verhält es sich hier nicht: Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Urteils sind lediglich zwei Taten; in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist daher die Erklärung der revisionsführenden Staatsanwaltschaft zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 344 Rn. 3 m.w.N.).
22
2. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 12. September 2011 einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihren Einzelausführungen hat sie sodann jedoch lediglich gerügt, dass das Landgericht in dem oben unter A. III. geschilderten Fall zu Unrecht den Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat; außerdem hat sie die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beanstandet. Dies ist als Teilrücknahme gemäß § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 und vom 6. Juli 2005 – 2 StR 131/05) und führt dazu, dass der Schuldspruch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, die dieserhalb verhängte Einzelstrafe und die Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB nicht (mehr) auf Revision der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sind.
23
II. In dem vorgenannten Umfang erweist sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
24
1. Nach Auffassung des Schwurgerichts sprechen zwar nicht unerhebliche Gesichtspunkte für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz, nämlich insbesondere die erhebliche Wucht des von dem Ausspruch „Verreck‘, du Hurensohn“ begleiteten Messerstichs. Dagegenstehe indes die Tatsache, dass der Angeklagte lediglich einen Stich ausgeführt habe und darüber hinaus auch nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sei. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie sieht die Kammer im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an.“
25
2. Diese Beweiserwägungen halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, m.w.N.) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Landgericht meinte, dem Angeklagten nicht wenigstens bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können, ist lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
27
b) Diese Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Seinen knappen Ausführungen kann der Senat schon nicht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände entnehmen. Es wird darüber hinaus nicht erkennbar, ob das Schwurgericht bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
28
aa) Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel des Landgerichts auch am Wissenselement sprechen. Abgesehen davon jedoch, dass eine maximale Alkoholkonzentration von 1,58 ‰ bei dem zur Tatzeit trinkgewohnten Angeklagten keinen Anhalt für solche Zweifel begründet, leidet das angefochtene Urteil an dieser Stelle – wie der Generalstaatsanwalt in Saarbrücken zu Recht geltend macht – an einem inneren Widerspruch: Während die Alkoholisierung bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes als „nicht unerheblich“ bezeichnet wird, geht das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 64 StGB – in Übereinstimmung mit der gehörten Sachverständigen – von einer „lediglich geringe(n) Beeinträchtigung durch Alkohol“ aus. Auch bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit gelangt das sachverständig beratene Landgericht „nicht zu der Annahme einer erheblichen Beeinflussung“ des Angeklagten. Es legt auch nicht dar, wieso die den Stich begleitende Bemerkung überhaupt Raum für Zweifel daran lässt, dass der Angeklagte, dem die Lebensgefährlichkeit des Messerstichs bewusst war (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs erkannt hat. Insgesamt ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer möglichen tödlichen Wirkung seines in den oberen Rückenbereich zielenden, in hohem Maße lebensgefährlichen Angriffs verstellt (vgl. zur Allgemeinkundigkeit dieses Umstands BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08 und zur Entbehrlichkeit medizinischen Detailwissens BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NStZ 2006, 444, 445).
29
bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).
30
Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der Lebensgefährlichkeit des Messerstichs ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertraut haben könnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1991 – 2 StR 333/90, NStE Nr. 27 zu § 212 StGB, und vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151). Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht insbesondere das Unterlassen weiterer Angriffe nicht gegen die Billigung des Todes. Nach dem Messerstich sackte der – nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konkret lebensbedrohlich verletzte – Nebenkläger zu Boden; es ist schon nicht festgestellt, ob der Angeklagte davon ausging, ihn bereits tödlich verletzt zu haben, so dass es aus seiner Sicht weiterer Stiche nicht bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Außerdem brachte der Begleiter des Nebenklägers den Angeklagten mit Gewalt zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest; auch brach infolge der Tat ein Tumult aus. Danach liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte überhaupt noch die Gelegenheit zu einem weiteren Messerstich auf sein am Boden liegendes Opfer hatte.
31
cc) Soweit das Landgericht sich ergänzend auf eine „Hemmschwellentheorie“ berufen hat, hat es deren Bedeutung für die Beweiswürdigung verkannt.
32
Es hat schon nicht mitgeteilt, was es darunter im Einzelnen versteht und in welchem Bezug eine solche „Theorie“ zu dem von ihm zu beurteilenden Fall stehen soll. Die bloße Erwähnung dieses Schlagworts wird vom Generalstaatsanwalt in Saarbrücken und vom Generalbundesanwalt daher mit Recht als „pauschal“ bzw. „formelhaft“ bezeichnet. Zwarhat auch der Bundesgerichtshof immer wieder auf die „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ hin- gewiesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; abl. z.B. Brammsen JZ 1989, 71, 78; Fahl NStZ 1997, 392; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 212 Rn. 15 f.; Geppert Jura 2001, 55, 59; SSW-StGB/Momsen § 212 Rn. 12; Paeffgen, FS für Puppe, 791, 797 Fn. 25, 798 Fn. 30; NKStGB /Puppe, 3. Aufl., § 212 Rn. 97 ff.; Rissing-van Saan, FS für Geppert, 497, 505 f., 510; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., § 12 Rn. 79 ff.; MünchKommStGB /Schneider § 212 Rn. 48 f.; SK-StGB/Sinn § 212 Rn. 35; Trück NStZ 2005, 233, 234 f.; Verrel NStZ 2004, 233 ff.; vgl. auch Altvater NStZ 2005, 22, 23), allerdings auch gemeint, in Fällen des Unterlassens bestünden „generell keine psychologisch vergleichbaren Hemmschwellen vor einem Tötungs- vorsatz“ (BGH,Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584; dazu Puppe NStZ 1992, 576, 577: „Anfang vom Ende der Hemm- schwellentheorie“).Für Fälle des positiven Tuns hat er an das Postulat einer Hemmschwelle anknüpfend weiter ausgeführt, dass selbst die offen zutage tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges Indiz, nicht aber einen zwingenden Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters bedeute, der Tatrichter vielmehr gehalten sei, in seine Beweiserwägungen alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 569/97, NStZ-RR 1998, 101, vom 8. Mai 2001 – 1 StR 137/01, NStZ 2001, 475, 476, und vom 2. Februar 2010 – 3 StR 558/09, NStZ 2010, 511, 512);sachlich vergleichbar fordern andere Entscheidungen vom Tatrichter, immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen , dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 – 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91, und vom 22. April 2009 – 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503; Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 594/09 m.w.N.). Wieder andere Entscheidungen verlangen „eine eingehende Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalles“ (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 477/00, StV 2001, 572; ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 27. November 1975 – 4 StR 637/75, VRS 50, 94, 95).
33
An den rechtlichen Anforderungen ändert sich indessen nichts, wenn die zur Annahme oder Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes führende Beweiswürdigung ohne Rückgriff auf das Postulat einer Hemmschwelle überprüft wird (BGH, Urteile vom 3. Juli 1986 – 4 StR 258/86, NStZ 1986, 549, 550, und vom 7. August 1986 – 4 StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3 [jeweils: sorgfältige Prüfung], sowie vom 11. Dezember 2001 – 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541, 542 [Ausführungen zu einer Hemmschwelle bei stark alkoholisiertem Täter ohne Motiv nicht geboten]; ebenso für Fälle affektiv erregter, alkoholisierter , ohne Motiv, spontan oder unüberlegt handelnder Täter BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 563/86, StV 1987, 92, vom 7. Juli 1999 – 2 StR 177/99, NStZ 1999, 507, 508,und vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51; Urteil vom 14. November 2001 – 3 StR 276/01; Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 4 StR 385/03, NStZ 2004, 329, 330; Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04; Beschluss vom 20. September2005 – 3StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 30. August 2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 43, 44 [zusätzlich gruppendynamischer Prozess], vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142, und vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 3 StR 398/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369).
34
Im Verständnis des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 615/83, StV 1984, 187, Beschluss vom 27. Juni 1986 – 2 StR 312/86, StV 1986, 421, Urteile vom 22. November 2001 – 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315, vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604, und vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211: jeweils sorgfältige Prüfung; vgl. weiter BGH, Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; Beschlüsse vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, NStZ 1994, 585, und vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339; Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10, NStZ 2011, 210, 211; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 48: „prozessuale Selbstver- ständlichkeit“).Der Bundesgerichtshof hat demgemäß immer wieder hervorgehoben , dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 – 3 StR 493/90) in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH, Urteile vom 24. März 1993 – 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, vom 12. Januar 1994 – 3 StR 636/93, NStE Nr. 33 zu § 212 StGB, vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51, und vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372), auch nicht bei Taten zum Nachteil des eigenen Kindes (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 305). Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements bedarf es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (BGH, Urteile vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04, vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04, NStZ 2006, 98, 99, vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640, und vom 16. Oktober 2008 aaO; Trück aaO S. 239 f.). Daran fehlt es hier (vgl. vorstehend unter bb).
35
Der Hinweis des Landgerichts auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts. Im Übrigen hätte das Schwurgericht sich – von seinem Standpunkt aus – damit auseinander setzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Auch ist eine erhebliche Alkoholisierung (oder ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses) nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, eine etwa vorhandene Hemmschwelle auch für äußerst gefährliche Gewalthandlungen herabzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ- RR 2010, 214, 215; NK-StGB/Puppe, 3. Aufl., § 15 Rn. 93; Rissing-van Saan, aaO, S. 515; Roxin, aaO, Rn. 81; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 50; Trück aaO S. 238; Verrel aaO S. 311).
36
dd) Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob die zusammenfassende Bemerkung des Landgerichts, es sehe „einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an“, nicht auf eine Überspannung der Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung hindeutet. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob hier nicht – etwa im Blick auf die den Messerstich begleitende Äußerung des Angeklagten – die Annahme direkten Tötungsvorsatzes näher liegt.
37
3. Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers. Nach den bisherigen Feststellungen liegt die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch nicht nahe (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209).
38
III. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung , weil ein versuchtes Tötungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 4 StR 211/00). Dies entzieht der hierwegen verhängten Einzelfreiheitsstrafe , der Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst teilweisem Vorwegvollzug der Gesamtstrafe die Grundlage.
39
IV. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zum Tötungsvorsatz ab. Er legt ihr vielmehr die sog. Hemmschwellentheorie in dem in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Verständnis zu Grunde (vgl. oben C. II. 2. b) cc).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 658/13
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 29 Fällen (Fälle II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe), in sechs Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , und wegen Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte zog im September 2011 in die Wohnung von M. , die er kurz zuvor über eine Singleplattform im Internet kennen gelernt hatte. Ihr gegenüber gab er vor, für einen russischen Konzern im Ölgeschäft tätig und sehr wohlhabend zu sein. Tatsächlich hatte er jedoch – mangels eigener Einkünfte – von vornherein vor, nicht nur deren Wohnung als kostenlose Unterkunft für sich zu nutzen, sondern alle in der Folgezeit anfallenden Ausgaben und Lebenshaltungskosten durch Dritte, insbesondere durch M. finanzieren zu lassen.
4
Zu diesem Zweck „verschaffte er sich“ die Kreditkartendaten der Firmenkreditkarte der M. , benutzte diese Daten und ihren Namen und bestellte in insgesamt 29 im Einzelnen dargestellten Fällen jeweils ohne deren Wissen und Erlaubnis Waren bzw. Dienstleistungen, „die er sich mangels eigener Mittel selbst nicht hätte leisten können“ (UA S. 7). Insechs Fällen bestätigte der Angeklagte zusätzlich jeweils den Erhalt der Waren durch Unterzeichnung der Lieferbelege mit dem Namen der Zeugin M. .
5
In einem weiteren Fall abonnierte der Angeklagte unter dem Namen der Zeugin M. und den Kontodaten einer anderen Person bei der Firma N. - eine Musik-Flatrate zum Preis von 79,95 €. Mangels ausreichender Deckung des Kontos hat das Unternehmen N. diesen Betrag nicht einziehen können.
6
b) Nach der Wertung des Landgerichts täuschte der Angeklagte die mit der Bearbeitung seiner Bestellung jeweils betrauten Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen in allen Fällen über seine Zahlungsbereitschaft. „Soweit eine Bestellung im Internet ohne Tätigkeit einer Person automatisch verarbeitet wurde, beeinflusste der Angeklagte durch die unbefugte Verwendung der Personenund Zahlungsdaten den zur Ausführung der Bestellung veranlassten Datenver- arbeitungsvorgang“ (UA S. 7).
7
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt: „Soweit in den Fällen 1-29 entgegen der Annahme der Kammer in einzelnen Fällen die Bearbeitung der Bestellung nicht durch Zwischenschaltung eines Mitarbeiters, sondern vollautomatisch durch einen Datenverarbeitungsvorgang ausgeführt worden sein sollte, wozu die Kammer keine … Feststellungen hat treffen kön- nen, wäre insofern zwar nicht der Tatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB, sondern stattdessen der Tatbestand des Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1 StGB … erfüllt gewesen, den die Kammer jedoch … in gleicher Höhe bestraft hätte“ (UA S. 16).
8
2. Die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs in 29 Fällen begegnet durchgreifenden Bedenken.
9
a) Bereits die Beweiswürdigung, die der Annahme des Tatgerichts zugrunde liegt, in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe habe der Angeklagte jeweils eine natürliche Person getäuscht und nicht nur im Sinne des § 263a StGB auf einen Datenverarbeitungsvorgang eingewirkt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Tatgericht stellt insoweit allein darauf ab, dass der Angeklagte in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. über onlineBestellplattformen diverse Speisen bestellt hat, die entsprechend der übermittelten Daten jeweils „persönlich zubereitet“ werden mussten. Dieser Umstand stellt indes keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Schlussfolgerung dar, dass in den genannten Fällen und in den Fällen II. b) 1., 2., 17., 18. und 23. bis 29., denen unter anderem Bestellungen von Elektroartikeln und nicht mehr feststellbaren Waren oder Dienstleistungen zugrunde lagen, jeweils natürliche Personen getäuscht wurden.
10
b) Ungeachtet dessen wird eine Täuschung selbst nicht hinreichend belegt , denn aufgrund der (möglicherweise) bestehenden Garantiefunktion des Kreditkartenausstellers könnte es auch an einer Täuschungshandlung des Angeklagten gegenüber Mitarbeitern der Internet-Versandanbieter fehlen (vgl. dazu : Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 49 Rdn. 119).
11
c) Ebenso wenig hinreichend belegt wird, dass die Verfügenden einem Irrtum erlegen sind. Die Strafkammer hat insoweit die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt. Die jeweils irrenden Personen hat das Landgericht nicht ermittelt, weil es „als selbstverständlich anzusehen ist, dass die Mitarbeiter von Internet-Versandanbietern eine Bestellung … grundsätzlich im Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit des Bestellers und … im Vertrauen auf die Berechtigung zur Verwendung der Kreditkartendaten ausfüh- ren“ (UA S. 14).
12
Den Feststellungen zu den Fällen II. b) 18., 23. und 24. der Urteilsgründe lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt bei Internet -Versandanbietern bestellt hat, so dass die Argumentation des Landgerichts bereits aus diesem Grunde nicht verfängt.
13
In den Urteilsgründen ist zudem grundsätzlich festzustellen und darzulegen , welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 14, vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 und vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133 mwN); regelmäßig ist es deshalb erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Ausnahmsweise kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (vgl. auch BGH, Urteile vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Insbesondere vor dem Hintergrund , dass in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe jeweils (mehrfach) nur ein Internet-Versandanbieter betroffen war, hätte sich gerade hier die Vernehmung von (wenigen) Zeugen aufgedrängt, zumal Feststellungen zum Irrtum von Versandmitarbeitern auch nicht aufgrund des – im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgegebenen – Geständnisses des Angeklagten getroffen werden können.
14
d) Nicht nachvollziehbar dargelegt ist auch, bei wem und gegebenenfalls in welcher Höhe in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verfügung (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rdn. 111 mwN) ein betrugsrelevanter Schaden eingetreten ist. Nach den landgerichtlichen Feststellungen erlangte der Angeklagte Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 2.956,87 €. Das Kreditkartenkonto der Zeugin M. wurde in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe in Höhe von 1.218,78 € belastet. „Diese musste den Schaden aufgrund einer entsprechenden Versicherung jedoch nicht endgültig tragen“ (UA S. 12).
15
Damit ist weder dargetan, dass ein Vermögensschaden bei den (möglicherweise ) getäuschten Internet-Versandanbietern eingetreten ist, noch ob die vorgenommenen Verfügungen zulässigerweise (vgl. dazu Fischer, aaO, Rdn.
82 ff.) einem geschädigten Dritten zuzurechnen sind. Die bloße Feststellung einer Tathandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB und einer Vermögensschädigung bei – möglicherweise – verschiedenen Beteiligten genügt nicht. Tatbestandserfüllend sind vielmehr (nur) diejenigen Vermögensschädigungen, die für sich genommen unmittelbare Folge einer vermögensrelevanten Verfügung sind; diese Vermögensverfügung muss ihrerseits unmittelbar durch die Tathandlung beeinflusst sein.
16
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird in diesem Zusammenhang deshalb eingehender als bislang geschehen darzustellen haben, welche spezifische Form der Zahlung durch die Nutzung der Kreditkartendaten durch den (dazu nichtberechtigten) Angeklagten vorliegt (vgl. dazu Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, aaO, § 49 Rdn. 61, 109 ff., 119 ff.; Fischer, StGB, 61. Auf., § 263a Rdn. 12a, 15 f., jeweils mwN). Gegebenenfalls wird zu erwägen sein, ob sich der Angeklagte (tateinheitlich) gemäß §§ 269, 270 StGB strafbar gemacht hat.
17
e) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs in 29 Fällen, was auch die Aufhebung der – für sich genommen rechtsfehlerfreien – tateinheitlichen Verurteilungen wegen Urkundenfälschung in den Fällen II. b) 23. bis 28. der Urteilsgründe nach sich zieht (vgl. auch Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rdn. 12 mwN).
18
3. Der Schuldspruch wegen Computerbetrugs im Fall II. b) 30. der Urteilsgründe hält hingegen rechtlicher Nachprüfung Stand. Der Vorgang und die Abwicklung erfolgten ausweislich der Urteilsfeststellungen automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394, 1395; Tiedemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 263a Rdn. 58 mwN). Das Unternehmen N. hat dadurch auch einen Schaden erlitten.
19
4. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird die Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO zu beachten haben. Im Übrigen sind auch aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann erforderlich , wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11, StV 2011, 728 mwN). Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 430/13
vom
22. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_______________________________
Zu den Anforderungen an die Feststellung und Darlegung des Irrtums beim Betrug
im Zusammenhang mit routinemäßigen Massengeschäften (hier: Missbrauch
des Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13 - LG Bielefeld
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. April 2014 in der Sitzung vom 22. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung am 24. April 2014,
bei der Verkündung am 22. Mai 2014
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten M. W. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten T S. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin der Angeklagten D. S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. September 2012 wird
a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt ,
b) das Urteil in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. W. hat es zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten T. S. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und die Angeklagte D. S. zu einer solchen von vier Jahren verurteilt.
Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffen, die sich gegen die AG richtet.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Die von allen Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 338 Nr. 7 StPO, mit der sie beanstanden, der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer, Vorsitzender Richter am Landgericht H. , habe sich wegen seiner während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist in einem Parallelverfahren erfolgten Zeugenvernehmung zu Unrecht gehindert gesehen, das Urteil zu unterschreiben, weshalb es innerhalb dieser Frist nur unvollständig zu den Akten gelangt sei, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); ob sie in der Sache Erfolg haben könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
4
1. Zur Begründung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die bezeichneten Tatsachen erwiesen werden (SSW-StPO/Momsen, § 344 Rn. 36; LR-StPO/Franke, 26. Aufl. § 344 Rn. 78, jeweils m.N. zur st. Rspr.).
5
2. Gemessen daran vermag der Senat hier nicht zu prüfen, ob der Vorsitzende wegen seiner Vernehmung als Zeuge „in der Sache“ im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen war.
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet Gleichheit der Sache gemäß § 22 Nr. 5 StPO nicht notwendig Verfahrensidentität; Sachgleichheit kann auch bei Vernehmung des Richters als Zeuge zu demselben Tatgeschehen in einem anderen Verfahren in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 – 5 StR 530/06, BGHR StPO § 338 Nr. 2 Ausschluss 4, Tz. 6 mwN; vgl. auch LR-StPO/Siolek, 26. Aufl., § 22 Rn. 25; SSWStPO /Kudlich/Noltensmeier, § 22 Rn. 19). Insoweit fehlt es im Revisionsvortrag der Angeklagten T. und D. S. schon an der Mitteilung des Beweisthemas, zu dem der Strafkammervorsitzende in dem Verfahren gegen A. u.a. geladen und vernommen wurde. Aber auch dem Vortrag des Angeklagten W. kann das betreffende Beweisthema allenfalls mittelbar entnommen werden, da er das Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Bielefeld vom 31. Oktober 2012 über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Vorsitzenden Richter vorgelegt hat. Danach hatte der Angeklagte A. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung beantragt, den Vorsitzenden Richter am Landgericht H. dazu zu vernehmen, dass sich seine (des A.) in einer polizeilichen Vernehmung getätigte Aussage in dem Verfahren gegen die hiesigen Angeklagten als wahr herausgestellt habe. Aber auch dieses Rügevorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht. Um dem Senat die Überprüfung der Sachgleichheit im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO zu ermöglichen , hätte zumindest noch vorgetragen werden müssen, welchen Inhalt diese polizeiliche Aussage hatte, inwiefern sie im vorliegenden Verfahren Gegenstand der Hauptverhandlung war, was der als Zeuge benannte Vorsitzende Richter am Landgericht H. im dortigen Verfahren dazu bekundet hat und ferner, welchen Zusammenhang und welche Bedeutung dies für die gegen die Ange- klagten des vorliegenden Verfahrens erhobenen Tatvorwürfe hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 – 4 StR 507/07, StV 2008, 283, Tz. 5 f. m. Anm. Leu StV 2009, 507 zu den Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO in derartigen Fällen). Das ist hier jedoch nicht geschehen; auch aus den auf die Sachrüge heranzuziehenden Urteilsgründen ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.

II.


7
Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in den Strafaussprüchen. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrügen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
8
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
9
a) Die Angeklagten schlossen sich Anfang 2008 aufgrund einer zumindest stillschweigend getroffenen Vereinbarung zusammen, um spätestens ab Juli 2008 von einer Vielzahl von Personen unter Vorspiegelung eines tatsächlich nicht bestehenden Vertragsverhältnisses im Wege des Lastschriftverfahrens Geldbeträge einzuziehen. Das von den Angeklagten im arbeitsteiligen Zusammenwirken im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell bestand in einer Variante darin, eine möglichst große Zahl von Personen durch entsprechend angeleitete Callcenter-Mitarbeiter anzurufen und bei diesen den Eindruck eines – tatsächlich nicht bestehenden – Vertragsverhältnisses über die Teilnahme an Gewinnspielen hervorzurufen. Auf diese Weise wollten die Angeklag- ten an die Kontodaten der Angerufenen gelangen und von diesen Konten Lastschriften vornehmen, wobei sie davon ausgingen, dass die Angerufenen infolge der Annahme, es bestehe tatsächlich ein Vertragsverhältnis und die Lastschrift sei daher rechtmäßig erfolgt, den Lastschrifteinzügen nicht widersprechen würden. Bei einer weiteren Tatvariante, bei der die Kontodaten bereits bekannt und Telefonanrufe daher entbehrlich waren, sollte den Betroffenen allein durch die durchgeführte Lastschrift ein bestehendes Vertragsverhältnis vorgespiegelt werden, um diese von einem Widerspruch abzuhalten. Dabei nahmen die Angeklagten einerseits billigend in Kauf, dass die Kontoinhaber von den Lastschriftabbuchungen durch Lektüre ihrer Kontoauszüge Kenntnis erhalten, sich den Zugriff auf ihr Konto aber nicht anders erklären würden, als dass der jeweiligen Abbuchung ein wirksamer Vertrag zu Grunde lag, sei es auch nur in der Form, dass sie sich insoweit unsicher waren und/oder die Sache wegen des relativ geringen Betrages auf sich beruhen ließen. Andererseits handelten die Angeklagten auch in der Erwartung, die Betroffenen würden in zahlreichen Fällen mangels ausreichend sorgfältiger Kontrolle ihrer Kontoauszüge die Abbuchungen nicht bemerken oder einfach übersehen.
10
Zur Verwirklichung des Tatplans bedienten sich die Angeklagten insbesondere der in der S. ansässigen AG, die vom Angeklagten W. vertreten wurde. Dieser schloss für die AG zahlreiche Verträge unter anderem mit Callcentern, Zahlungsdienstleistern sowie mit Banken ab, über die die Lastschrifteneinzüge erfolgen sollten und später auch tatsächlich erfolgten. Auch mit dem von der AngeklagteD. S. betriebenen Callcenter GmbH & Co KG, bei dem der Angeklagte T. S. angestellt war, schloss der Angeklagte W. sog. Vertriebspartnerverträge ab. Insgesamt waren für die Angeklagten im Tatzeitraum mindestens 66 Callcenter mit etwa 400 bis 600 Mitarbeitern in der sog. Gewinn- spielvermittlung tätig. Die Callcenter erhielten für jeden Fall, in dem sie die Kontodaten erlangten, einen Betrag in Höhe von 45 bis 60 Euro.
11
Die zur Erschwerung von Nachforschungen meist unter falschen Namen handelnden Mitarbeiter der Callcenter gaben bei ihren Anrufen (1. Tatvariante) entsprechend den Vorgaben eines ihnen auf Veranlassung der Angeklagten ausgehändigten sog. Negativleitfadens für die Gesprächsführung vor, sie hätten die Möglichkeit, einen vermeintlich bestehenden Gewinnspielvertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu beenden , wobei für die letzten drei Monate, sollten Gewinne ausbleiben, eine „Geld-zurück-Garantie“ bestehe. Tatsächlich war die Übernahme einer solchen Garantie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt; in keinem Fall wurden zuvor abgebuchte Geldbeträge zurückerstattet. Der durch den Leitfaden im Einzelnen vorgegebene Erstanruf diente dazu, die Angerufenen jeweils zur Kündigung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Vertrages und – abwicklungshalber – zur Herausgabe ihrer Kontodaten zu veranlassen. Widersprachen die angerufenen Personen – wie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – der Behauptung an einem derartigen Gewinnspiel teilgenommen zu haben, bemühten sich die von den Angeklagten angewiesenen Callcenter-Mitarbeiter dies – wahrheitswidrig – zu widerlegen und behaupteten beispielsweise, auf die Kontodaten aus Datenschutzgründen keinen Zugriff zu haben, sie aber nun zu benötigen, etwa um den Betroffenen aus dem Vertrag „herauszuhelfen“.
12
Im Anschluss an den Erstanruf erfolgte sodann ein Zweitanruf (sog. Quality Call), der zum Teil elektronisch aufgezeichnet wurde und dazu diente, mittels geschickter Gesprächsführung von den Betroffenen eine telefonisch erteilte Einzugsermächtigung zu erhalten, um die Betroffenen selbst, aber auch die beteiligten Banken oder im Fall von Nachforschungen die Strafverfolgungsbehörden über den auf diesem Weg dokumentierten angeblichen Vertragsschluss zu täuschen. Im Anschluss daran erhielten die Angerufenen – auch diejenigen, die den vermeintlichen Vertrag gekündigt hatten – von der GmbH, die von der AG mit der „technischen Abwicklung“ beauftragt worden war, sog. Begrüßungsschreiben , in denen behauptet wurde, die Empfänger hätten „die Chance, bei 200 Internet-Gewinnspielen monatlich eingetragen zu werden“; diese Leistung sei „ebenfalls in Ihrem Servicebetrag … enthalten, den wir wie besprochen jeden Monat im voraus automatisch von Ihrem Konto… abbuchen“. Tatsächlich war ab dem Jahr 2008 - wie die Angeklagten wussten – eine Eintragung in 200 Gewinnspiele monatlich je Kunde nicht mehr möglich, sondern erfolgte „in einem deutlich geringeren Umfang“.
13
Der Einzug der vermeintlichen Forderungsbeträge in Höhe von jeweils zwischen 55 und 79,80 Euro erfolgte im Tatzeitraum vom 9. März 2009 bis zum 22. Januar 2010 mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren. Die auf dem jeweiligen Kontoauszug der Betroffenen wiedergegebene Belastungsbuchung enthielt den Namen des Zahlungsdienstleisters, den Namen des „Produkts“, den abgebuchten Betrag sowie eine zwölfstellige ID-Nummer. Es wurden bei insgesamt 136.890 Betroffenen (teilweise mehrfach) Beträge im Lastschriftverfahren eingezogen, die im angefochtenen Urteil auf 4.885 Seiten im Einzelnen in Tabellenform aufgeführt sind. In 198.070 Fällen wurde die Lastschrift nicht zurückgegeben, so dass das Geld bei den Angeklagten verblieb. Dagegen erfolgte in 129.708 Fällen eine Rückgabe der Lastschriften. Die Angeklagten erzielten durch ihr Vorgehen einen Gewinn „im deutlich siebenstelligen Bereich“.
14
b) Zur Beweiswürdigung hat das Landgericht lediglich mitgeteilt, dass die Angeklagten im Rahmen einer nach § 257c StPO durchgeführten Verständigung den Anklagevorwurf gestanden und weitere Fragen der Kammer glaubhaft , ausführlich und nachvollziehbar beantwortet hätten. Von der Richtigkeit der geständigen Einlassungen sei die Strafkammer überzeugt, da sie „mit dem Ermittlungsergebnis sowie auch mit dem übrigen Ergebnis der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten umfassenden Beweisauf- nahme im Einklang“ stünden. Weitere Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht.
15
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil offen bleibt, auf welche Weise sich die Strafkammer auch unter Berücksichtigung der umfassenden Geständnisse der Angeklagten die Überzeugung verschafft hat, die Betroffenen hätten die Lastschriften in den 198.070 festgestellten Fällen hingenommen, weil sie sich über das Bestehen einer Zahlungspflicht im Irrtum befanden.
16
a) In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Zwar sind, wenn sich die Angeklagten – wie hier – auf der Grundlage einer Absprache geständig einlassen, an die Überprüfung dieser Einlassungen und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1063, Tz. 71; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13); es gibt auch keine forensische Erfahrung dahin, dass bei einem Geständnis im Rahmen einer Verständigung regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12, NStZ 2012, 584). Aber auch in einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 1992 – 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11; Beschluss vom 15. September 1999 – 2 StR 373/99, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 34; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653, Tz. 4, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 361; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 261 Rn. 2a).
17
Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f; vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8; zu den Darle- gungsanforderungen bei einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“ vgl.BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 aaO, Tz. 6; Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 15; Be- schluss vom 2. November 2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, Tz. 5). In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger , massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvorstellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen,wobei er dies im Urteil darzulegen hat. Ist das Vorstellungsbild des Verfügenden normativ geprägt, kann bei einem Tatvorwurf, dem zahlreiche Einzelfälle zu Grunde liegen, die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, 1546; Beschluss vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, Tz. 15, inso- weit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt). In komplexeren Fällen wird es regelmäßig erforderlich sein, die betreffenden Personen über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild als Zeugen zu vernehmen sowie deren Bekundungen im Urteil mitzuteilen und zu würdigen (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 15, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8 f.).
18
b) Gemessen daran vermögen – jedenfalls im vorliegenden Fall – weder der Hinweis auf das „Ermittlungsergebnis“ noch die ebenfalls nicht näher beleg- te Bezugnahme auf die „umfassende Beweisaufnahme“ und die „umfassende geständige Einlassung der Angeklagten“ eine Irrtumserregung bei den von den Lastschrifteinzügen betroffenen Bankkunden zu belegen.
19
aa) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer Geschädigte als Zeugen vernommen hat oder dass deren Angaben auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
20
bb) Die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums und einer dadurch kausal hervorgerufenen Vermögensverfügung versteht sich hier auch nicht von selbst. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer wurde bei den Betroffenen im Rahmen der Telefonanrufe durch die Callcenter-Mitarbeiter der Eindruck erweckt, sie hätten die Möglichkeit, einen bestehenden Vertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu been- den. In der „weit überwiegenden Anzahl“ der Fällehatten die Betroffenen jedoch der Behauptung widersprochen, sie hätten einen derartigen Vertrag abgeschlossen. Danach liegt es – auch soweit dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht ausdrücklich widersprochen wurde – nicht auf der Hand, dass die Betroffenen die Rückforderung der abgebuchten Beträge gerade aufgrund der irrtümlichen Annahme unterließen, sie seien aufgrund eines bestehenden Ver- tragsverhältnisses verpflichtet, die Abbuchung dieser Beträge (dauerhaft) als rechtmäßig zu dulden.
21
Was die Fälle betrifft, in denen die Täter bereits über die Bankdaten verfügten und Anrufe bei den jeweiligen Kontoinhabern daher entbehrlich waren, vermögen die Urteilsgründe ebenfalls nicht hinreichend zu vermitteln, auf welcher Grundlage sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, die Bankkunden hätten sich gegen die Lastschriften nicht zur Wehr gesetzt, weil ihnen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung vorgespiegelt wurde. Diese Annahme ist schon mit der von der Strafkammer festgestellten, ausweislich der Urteilsgründe aber nicht näher überprüften Erwartung der Angeklagten unvereinbar, die Kontoinhaber würden die Lastschriften gar nicht bemerken, möglicherweise also noch nicht einmal einer täuschungsbedingten Fehlvorstellung im Sinne eines sog. sachgedanklichen Mitbewusstseins unterliegen.
22
3. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die aus der Urteilsformel ersichtliche Beschränkung vor.
23
a) Die Feststellungen und die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung belegen für beide Tatvarianten insbesondere, dass die Angeklagten nach ihrer Vorstellung als Mittäter im Wege eines uneigentlichen Organisationsdelikts Betrugshandlungen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Kontoinhaber begehen wollten und hierzu auch unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB).
24
aa) In den sog. Anruffällen ging es den Angeklagten darum, bei den Telefonanrufen und durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben den Empfängern das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung zu verzichten. Hierin liegt ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12, Tz. 17).
25
bb) Aber auch in den Fällen, in denen die Lastschrifteinzüge ohne vorherige telefonische Kontaktaufnahme erfolgten und die Übersendung von Begrüßungsschreiben unterblieb, ein direkter Kundenkontakt also nicht stattfand, war der Tatplan der Angeklagten auf die Begehung eines Betruges gerichtet.
26
(1) Den Angeklagten war bewusst, dass die betroffenen Kunden von ihrer jeweiligen Bank einen Kontoauszug erhalten würden, in dem die von ihnen veranlasste Abbuchung ausgewiesen war. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die jeweilige Kontoinformation auf dem Auszug nicht nur den Namen des Zahlungsdienstleisters, den abgebuchten Betrag und eine sog. IDNummer , sondern auch einen Produktnamen. Dabei entsprach es der Vorstellung der Angeklagten, dass den betroffenen Bankkunden unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Empfängerhorizonts im Hinblick auf die Mitteilung einer derartigen Produktbezeichnung ein wirksames Kausalgeschäft vorgespiegelt werden sollte.
27
(2) Der Ablauf des im Wesentlichen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens (vgl. Nr. 9 AGBBanken i.d. bis zum 30. Oktober 2009 gültigen Fassung sowie die Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr im Einzugsermächtigungsverfahren i.d.F. v. Oktober 2009 und die Bedingungen für den Lastschrifteinzug vom November 2009), dessen sich die Angeklagten hier zur Tatausführung bedienten, bestätigt diese rechtliche Beurteilung. Dieses Verfahren wird durch die Übermittlung eines vom Zahlungsempfänger – hier also von den Angeklagten – mit den erforderlichen Informationen versehenen Lastschriftdatensatzes – regelmäßig in elektronischer Form – über dessen Bank an das Geldinstitut des Schuldners ohne dessen Einschaltung in Gang gesetzt. Dessen Institut belastet seinerseits ohne eigene Sachprüfung das Konto des Kunden mit dem genannten Betrag (vgl. Nr. 2.1.2 sowie 2.3.1 der Sonderbedingungen; vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 – II ZR 277/84, BGHZ 95, 103, 106). Der zahlungspflichtige Bankkunde erhält sodann von seiner Zahlstelle entsprechend dem vom Zahlungsempfänger an dessen Bank übermittelten Lastschriftdatensatz eine Mitteilung über die erfolgte Belastung auf seinem Kontoauszug (Lastschriftabkommen Abschnitt 1 Nr. 7 Abs. 1). Da dieses Verfahren den Zahlungsempfänger in die Lage versetzt, von sich aus ohne Mitwirkung des Zahlungspflichtigen den Zeitpunkt des Zahlungsflusses zu bestimmen (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241, Tz. 15), und der Schuldner auf die (nachträgliche) Verweigerung der Genehmigung verwiesen wird (Nr. 2.4 der Sonderbedingungen ), muss der Zahlungsempfänger, um Forderungen einzuziehen, gegenüber seiner Bank versichern, dass ihm eine schriftliche Ermächtigung des Zahlungspflichtigen vorliegt (vgl. dazu Lastschriftabkommen Abschnitt I Nr. 3; Einzelheiten bei Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 58 Rn. 11). Auch diese Erklärung über das Vorliegen einer Einzugsermächtigung gibt die Gläubigerbank über die Schuldnerbank als Boten an den vermeintlichen Schuldner weiter.
28
(3) Danach war der Tatplan der Angeklagten darauf gerichtet, die betroffenen Bankkunden sowohl über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses als auch über die Berechtigung zur Vornahme des Lastschrifteinzugs zu täuschen. Dies geschah mit dem Ziel, die Bankkunden bis zum endgültigen Eintritt der Genehmigungswirkung von der Geltendmachung von Einwendungen ge- genüber der kontoführenden Bank und damit von der Möglichkeit der Rückbuchung der vereinnahmten Geldbeträge abzuhalten.
29
(4) Die Angeklagten haben auch unmittelbar im Sinne des § 22 StGB zur Begehung dieser Tat angesetzt. Indem sie den Lastschrifteinzug bei ihrer Bank einreichten und damit das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren in Gang setzten, gaben sie das Geschehen aus der Hand (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; vgl. auch SSW-StGB/ Kudlich/Schuhr, 2. Aufl., § 22 Rn. 40).
30
b) Auch die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, Tz. 13, 51, m. abl. Anm. Heghmanns ZJS 2013, 423; i.E. ebenso schon BGH, Beschluss vom 12. September 1990 – 3 StR 277/90, HFR 1991, 496). Schon im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle und die Komplexität des Tatgeschehens würde die weitere Aufklärung mit dem Ziel der Feststellung eines vollendeten Delikts einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten.

III.


31
Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs für alle drei Angeklagten. § 265 StPO steht nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich die umfassend geständigen Angeklagten anders als geschehen verteidigt hätten.
32
Die Strafaussprüche können jedoch nicht bestehen bleiben, da die Möglichkeit besteht, dass die Strafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs dem gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen worden wären. Über diese Frage wird der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter nunmehr auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeiten und der Tatumstände unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere der Vollendungsnähe, zu entscheiden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 21).

IV.


33
Ob die vom Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffene Entscheidung in der Sache durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Angeklagten sind von dieser Entscheidung weder betroffen noch durch sie beschwert.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 162/13
vom
22. November 2013
Nachschlagewerk: ja - nur zu B. I. der Gründe
BGHSt: ja - nur zu B. I. der Gründe
Veröffentlichung: ja - nur zu B. I. der Gründe
___________________________________
Bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages ist für die Entbindung des Hauptschöffen
von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag,
nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich.
BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
22. August 2013 in der Sitzung am 22. November 2013, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung am 22. August 2013
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Dezember 2012 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen II. 9, 12 bis 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 36, 39 und 43 der Urteilsgründe im Schuld- und Strafausspruch,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe, soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 43 Fällen, davon in 28 Fällen in Tateinheit mit "gewerbsmäßigem" Betrug sowie in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug , und wegen versuchten Inverkehrbringens von Falschgeld in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, dass der Angeklagte in den 15 Fällen des vollendeten Inverkehrbringens tateinheitlich lediglich wegen versuchten und nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt worden ist. Zudem rügt sie, dass eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO unterblieben ist. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erhielt von einem Schuldner einen erheblichen Bargeldbetrag , unter dem sich neben echtem Geld auch Falschgeld mit einer sehr hohen Fälschungsqualität im Nennwert von 20.000 € befand. Nachdem der Angeklagte dies erkannt hatte, wollte er den Schaden nicht hinnehmen und entschloss sich daher, das Falschgeld unter anderem bei Reisen nach Deutschland sukzessive in Verkehr zu bringen. Dies tat er sodann in der Zeit vom 20. November 2008 bis zum 25. April 2012 in Berlin, Köln und Hannover, indem er bei Bareinkäufen insgesamt 45 gefälschte 200-Euro-Scheine zur Bezahlung von Waren hingab, um dadurch diese und das Wechselgeld zu erhalten, was ihm in all diesen Fällen auch gelang. In einem weiteren Fall versuchte er dies.
4
A. Revision der Staatsanwaltschaft
5
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Schuldsprüche , die die Verurteilung wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug betreffen, die Gesamtstrafe und die unterbliebene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe beschränkt. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Revisionsantrag. Allerdings folgt aus der Revisionsbegründung , dass die Revisionsführerin das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der genannten Punkte für rechtsfehlerhaft hält (vgl. zur entsprechenden Auslegung der Revision BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - 1 StR 476/12, NStZ-RR 2013, 279, 280 mwN).
6
II. Die Verurteilung des Angeklagten wegen - tateinheitlich mit vollendetem Inverkehrbringen von Falschgeld begangenen - versuchten ("gewerbsmäßigen" ) Betruges in 15 Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit beruht die Annahme des Landgerichts, die vom Angeklagten tateinheitlich begangenen Betrugstaten seien lediglich versucht, auf einer unzureichenden rechtlichen Prüfung und Würdigung der Feststellungen.
7
Das Landgericht hat seine Annahme, in diesen 15 Fällen sei hinsichtlich des Betruges Vollendung nicht eingetreten, in zwei Fällen (Fälle II. 12 und 36 der Urteilsgründe) darauf gestützt, dass sich die Kassierer keine bewussten Gedanken über die Echtheit des 200-Euro-Scheines gemacht hätten und deshalb "kein Irrtum eingetreten" sei. In den übrigen 13 Fällen (Fälle II. 9, 13, 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 39 und 43) hat es diese Annahme damit begründet, dass die beteiligten Kassierer nicht oder überhaupt keine Zeugen dieser Taten ermittelt werden konnten und deshalb das Vorliegen eines - von dem Angeklagten durch Täuschung erregten - tatbestandlichen Irrtums im Sinne von § 263 StGB nicht nachzuweisen sei. Diese Annahmen zeigen auf, dass die Strafkammer einen zu strengen Maßstab an das Vorliegen des Tatbestandmerkmals "Irrtum" angelegt und die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung überspannt hat; sie sind mithin zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
8
1. Ein - durch die Täuschungshandlung erregter oder unterhaltener - Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung (des Getäuschten) und der Wirklichkeit (vgl. LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 77 ff. mwN). Das gänzliche Fehlen einer Vorstellung begründet für sich allein keinen Irrtum. Allerdings kann ein solcher auch in den Fällen gegeben sein, in denen die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in der Abweichung eines "sachgedanklichen Mitbewusstseins" von den tatsächlichen Umständen besteht. Danach ist insbesondere der Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte von als selbstverständlich angesehenen Erwartungen geprägt, die zwar nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden, jedoch der vermögensrelevanten Handlung als hinreichend konkretisierte Tatsachenvorstellung zugrunde liegen (vgl. LK/Tiedemann, aaO Rn. 79). Diese Grundsätze hätte das Landgericht in den vorbezeichneten Fällen in seine Prüfung eines tatbestandlichen Irrtums der kassierenden Personen einbeziehen müssen.
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2. In den Einzelfällen, in denen die Kassierer oder Tatzeugen nicht ermittelt werden konnten, kommt hinzu, dass das Landgericht die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt hat. Zwar ist in den Urteilsgründen grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.); danach wird es regelmäßig erforderlich sein, die irrende Person zu ermitteln und in der Haupt- verhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Vielmehr kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen ) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden. In der Regel kann das Gericht auch aus Indizien auf einen Irrtum schließen. In diesem Zusammenhang kann etwa eine Rolle spielen , ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im Interesse eines anderen verpflichtet war, sich von der Wahrheit der Behauptungen des Täters zu überzeugen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434). Wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verfügende kollusiv mit dem täuschenden Täter zusammengearbeitet oder aus einem sonstigen Grund Kenntnis von der Täuschung erlangt hatte und der durch die Täuschung erregte Irrtum deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte, können sogar nähere Feststellungen dazu, wer verfügt hat, entbehrlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885).
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So verhält es sich hier. Da an einer Kasse beschäftigte Mitarbeiter eines Unternehmens schon aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung den Antrag eines Kunden auf Abschluss eines Kaufvertrages zurückweisen müssen, wenn der Kunde seiner Zahlungspflicht nicht sofort oder nicht vollständig nachkommt , es sich vorliegend um sehr gut gefälschte 200-Euro-Scheine handelte und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine bewusste Entgegennahme von Falschgeld durch die Kassierenden gegeben sind, liegt auch in diesen Fällen - selbst wenn die Verfügenden keine konkrete Erinnerung an den jeweiligen Vorgang mehr hatten oder diese sowie andere Tatzeugen nicht ermittelt wer- den konnten - das Vorliegen eines Irrtums nahe. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
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3. Die Einheitlichkeit der Tat steht in den vorbezeichneten Fällen der Aufrechterhaltung der - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld entgegen (vgl. Meyer -Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 7a), so dass die Sache insoweit insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf.
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III. Das angefochtene Urteil kann weiterhin nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht es unterlassen hat, in den Fällen II. 1 bis 31 und 33 bis 44 über eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Frage, inwieweit die Beanstandung der Nichtanwendung des § 111i Abs. 2 StPO einer Verfahrensrüge bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 5 StR 306/12, NJW 2013, 950, 951), nicht an, da jedenfalls der Revisionsbegründung eine solche Rüge, welche die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllen würde, entnommen werden kann.
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Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte in 43 Fällen aus seinen Taten Waren und Wechselgeld erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Da der Anordnung des Verfalls nach den Feststellungen die Ansprüche der jeweils Geschädigten entgegenstehen, hätte das Landgericht in Ausübung seines ihm insoweit zustehenden pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden müssen , ob es die für das weitere Verfahren erforderlichen Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO trifft. Hierzu verhält sich das Urteil jedoch weder ausdrücklich noch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung geprüft und von dem ihm zustehenden Ermessen in der Art und Weise Gebrauch gemacht hat, dass es eine entsprechende Anordnung nicht treffen wollte. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem das Gericht von einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO absehen durfte oder musste, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. BT-Drucks. 16/700 S. 16; BGH, Urteil vom 17. Juni 2009 - 2 StR 195/09, juris Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN).
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B. Revision des Angeklagten
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I. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte - im Ergebnis erfolglos -, dass die Strafkammer hinsichtlich eines Schöffen nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO).
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1. Der Rüge liegt im Wesentlichen der folgende Verfahrensgang zugrunde :
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Der Vorsitzende bestimmte mit Verfügung vom 24. September 2012 Termin zur Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 4. Oktober 2012 und verfügte , dass "die Schöffen des 05.10.12" zu laden seien. Der für den ordentlichen Sitzungstag am Freitag, den 5. Oktober 2012 heranzuziehende Hauptschöffe , der Schöffe Q. , hatte bereits im Dezember 2011 schriftlich mitgeteilt , dass er drei vorgesehene Termine als Schöffe nicht wahrnehmen könne, da er sich an diesen im Urlaub befinden werde; zu diesen Terminen gehörte auch der 5. Oktober 2012. Auf eine Mitteilung seiner Serviceeinheit entschied der Vorsitzende daraufhin, dass der Schöffe von der Dienstleistung gem. § 54 GVG befreit werde. Darauf wurde der von der Schöffengeschäftsstelle als nächstbereiter Hilfsschöffe festgestellte Schöffe B. geladen. Diesen befreite der Vorsitzende ebenfalls von der Dienstleistung, da der Hilfsschöffe mitgeteilt hatte, dass er sich vom 2. bis 6. Oktober 2012 im Krankenhaus befinden werde. Der danach geladene nächstbereite Hilfsschöffe, der Schöffe M. , nahm schließlich an der Hauptverhandlung - neben der weiteren, regulär für den ordentlichen Sitzungstag vom 5. Oktober 2012 heranzuziehende (Haupt-) Schöffin - teil.
18
In der Hauptverhandlung rügte der Verteidiger noch vor Vernehmung des Angeklagten zur Sache die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen M. und trug vor, dass die Entbindung des Hauptschöffen Q. sich als objektiv willkürliche Richterentziehung darstelle, weil dieser am 4. Oktober 2012 gar nicht verhindert gewesen sei. Diesen Besetzungseinwand wies die Strafkammer als unbegründet zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass für den 4. Oktober 2012 die Schöffen zu laden gewesen seien, die "hätten geladen werden müssen, wenn der 5.10.2012 - wie ursprünglich geplant - der erste ordentliche Sitzungstag gewesen wäre". Wegen der Verhinderung des Schöffen Q. (und des Hilfsschöffen B. ) am 5. Oktober 2012 sei der Hilfsschöffe M. zu laden gewesen. Dessen Bestellung sowie die Entbindung des Hauptschöffen Q. von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden seien mit Blick auf den Vermerk der Geschäftsstelle über die Verhinderung des Hauptschöffen Q. im Übrigen jedenfalls nicht willkürlich erfolgt.
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2. Die Verfahrensbeanstandung bleibt ohne Erfolg. Das erkennende Gericht war nicht vorschriftswidrig im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO besetzt; denn der mitwirkende Hilfsschöffe M. war aufgrund der vorangegangenen Entbindung des Hauptschöffen sowie der - nicht beanstandeten - Entbindung des zunächst heranzuziehenden weiteren Hilfsschöffen der zur Mitwirkung berufene Richter. Die auf § 54 GVG gestützte Entscheidung des Vorsitzenden, den Hauptschöffen Q. von der Dienstleistung am 4. Oktober 2012 zu entbinden , beruhte zwar auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab, war indes jedenfalls nicht willkürlich.
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Im Einzelnen:
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a) Die - bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte - Frage, ob bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die Verhinderung des Hauptschöffen an diesem oder an dem - infolge der Verlegung an einem anderen Tag stattfindenden - tatsächlichen Sitzungstag für seine Entbindung von der Dienstleistung maßgebend ist, ist dahin zu entscheiden, dass für die Entbindung des ("Haupt-") Schöffen von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag, nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
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Die Verlegung des Beginns einer ordentlichen, gemäß § 45 Abs. 1 GVG bestimmten Sitzung auf einen anderen Tag führt dazu, dass die gemäß § 77 GVG im Voraus für den verlegten ordentliche Sitzungstag bestimmten Hauptschöffen heranzuziehen sind; anders als bei der unzulässigen Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung, zu der gemäß §§ 47, 77 Abs. 1 GVG die zur Mitwirkung berufenen Schöffen aus der Hilfsschöffenliste herangezogen werden , wird hierdurch der Angeklagte nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1957 - 1 StR 254/57, BGHSt 11, 54 ff.). Demnach gebührt allgemein der Mitwirkung der Hauptschöffen der Vorrang vor der Heranziehung von Hilfsschöffen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1995 - 5 StR 532/94, BGHSt 41, 175, 177). Dieser Grundsatz spricht bereits dafür, den Hauptschöffen, der lediglich an dem ursprünglich festgestellten ordentlichen Sitzungstag, nicht aber an dem tatsächlich bestimmten, vom ordentlichen Sitzungstermin abweichenden Tag verhindert ist, zu der Sitzung heranzuziehen. Zudem ist der Schöffe an dem durch die Verlegung des Sitzungstages bestimmten, die Stelle des ordentlichen Sitzungstages einnehmenden ("neuen") Sitzungstag gerade nicht an der Dienstleistung gehindert im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 GVG. Schließlich wäre bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die (zusätzliche) Berücksichtigung der Verhinderung eines Schöffen an diesem Tag nicht praxisgerecht: Zum einen müsste zur Feststellung des gesetzlichen Richters regelmäßig geprüft werden, ob der Schöffe (auch) an dem ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, und zwar auch dann, wenn an diesem Tag tatsächlich gar keine Sitzung stattfindet; zum anderen wäre der Schöffe im Sinne des § 54 Abs. 1 GVG verhindert, wenn er am ordentlichen Sitzungstag, an dem tatsächlich keine Sitzung stattfindet, nicht aber am tatsächlichen Sitzungstag an der Dienstleistung gehindert ist. Die Verhinderung am ordentlichen Sitzungstag als maßgebend anzusehen, hätte bei strikter Beachtung schließlich zur Folge, dass der Schöffe, der zwar am verlegten neuen Sitzungstag, nicht aber am ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, zur Mitwirkung berufen und heranzuziehen wäre. Da dieser Schöffe indes seine Dienstleistung wegen Verhinderung tatsächlich nicht erbringen könnte, wäre eine dem Grundsatz des gesetzlichen Richters genügende, vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung jedenfalls an dem neuen Sitzungstag nicht möglich.
23
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass von den vorstehenden Maßstäben , nach denen für die Gerichtsbesetzung die Verhinderung eines Schöffen am tatsächlichen und nicht (auch) am ordentlichen Sitzungstag maßgeblich ist, die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung bei einer (vorherigen ) Entbindung eines am Sitzungstag tatsächlich nicht (mehr) verhinderten Schöffen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11) nicht berührt wird.
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b) Soweit die Entbindungsentscheidung demgegenüber auf der Verhinderung des Schöffen nicht am tatsächlichen, sondern am ursprünglichen Sitzungstag beruht, hat dies gleichwohl in der hier gegebenen Konstellation keine ordnungswidrige Besetzung der Kammer zur Folge; denn der Schöffe, der wirk- sam von seiner Dienstleistung entbunden ist (§ 54 Abs. 1, § 77 Abs. 1 GVG), ist infolge seiner Entbindung nicht mehr der gesetzliche Richter. An seine Stelle tritt gemäß §§ 49, 77 Abs. 1 GVG derjenige Hilfsschöffe, der an bereitester Stelle auf der Schöffenliste steht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 54 Rn. 18). Die Entbindungsentscheidung selbst ist gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1, § 77 Abs. 1 GVG unanfechtbar und unterliegt daher nicht der Prüfung des Revisionsgerichts (§ 336 Satz 2 Alt. 1 StPO). Die auf der Entbindungsentscheidung beruhende Gerichtsbesetzung kann somit grundsätzlich nicht nach § 338 Nr. 1 StPO mit der Revision gerügt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich und der verfassungsrechtliche Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG verletzt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1982 - 2 StR 32/82, BGHSt 31, 3, 5; vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476; vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 222; s. auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 2000 - 3 StR 378/00, BGHSt 46, 238, 241; BT-Drucks. 8/976, S. 66; LR/Gittermann, StPO, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 19 f.).
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Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG, § 336 Satz 2 Alt. 1 StPO kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich. So wird das Bundesverfassungsgericht durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu einem Kontrollorgan , das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet die fehlerhafte Auslegung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar sind (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690). Etwas anderes gilt lediglich in dem - hier nicht gegebenen - Fall, dass nicht die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel, sondern die Verfassungsmäßigkeit der der Rechtsanwendung zugrunde liegenden Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans ) selbst zu prüfen ist (BVerfG aaO; BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a., NJW 2012, 2334, 2335 mwN).
26
c) Daran gemessen hält die Entbindung des Hauptschöffen Q. der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, der am ordentlichen Sitzungstag verhinderte Hauptschöffe sei (auch) am vorverlegten Sitzungstag, dem 4. Oktober 2012, an der Dienstleistung gehindert, stellt keine nicht mehr vertretbare , objektiv willkürliche Rechtsauslegung dar. Dies ergibt sich bereits daraus , dass die hier zugrundeliegende Rechtsfrage vor der Entscheidung des Senats noch nicht geklärt war und in der Sache unterschiedliche Ansichten nicht unvertretbar waren. So ist etwa auch der Generalbundesanwalt davon ausgegangen, dass für die Frage der Verhinderung auf den ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag abzustellen sei, da bei einem Sitzungsbeginn an diesem Tag die Kammer mit dem Hilfsschöffen ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre und bei einer Vorverlegung nichts anderes gelten könne.
27
Auf die Frage, ob die Entscheidung des Vorsitzenden auch deshalb nicht willkürlich war, weil er den Schöffen aufgrund des Vermerks der Geschäftsstelle entbunden hat, kommt es danach nicht mehr an.
28
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
29
Entgegen der Auffassung der Revision sind insbesondere die konkurrenzrechtlichen Bewertungen des Urteils nicht zu beanstanden. Tateinheit zwischen Inverkehrbringen von Falschgeld und Betrug ist angesichts der - von der Revision selbst erkannten - unterschiedlichen Schutzrichtung der beiden Tatbestände möglich (vgl. auch BGH, Urteile vom 27. September 1977 - 1 StR 374/77, juris Rn. 44 mwN; vom 10. Mai 1983 - 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380 ff.) und vorliegend durch die Feststellungen auch belegt.
30
Dass der Angeklagte das Falschgeld in einem Akt erhalten hat und sich dazu entschloss, es sukzessive in Verkehr zu bringen, führt nicht zu einer einzigen Tat. Ein einheitlicher Gesetzesverstoß setzt in der hier gegebenen Konstellation voraus, dass der Täter sich das Geld in der Absicht verschafft, es später abzusetzen, und er diese Absicht später verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2011 - 3 StR 51/11, NStZ 2011, 516 f. mwN). Da der Angeklagte bei Erhalt des Falschgeldes ohne Vorsatz handelte, lag zu diesem Zeitpunkt noch keine tatbestandliche Handlung vor, welche die späteren Absatzhandlungen zu einer einzigen Tat verbinden könnte. Auch eine natürliche Handlungseinheit ist nicht gegeben, da es an einem dafür erforderlichen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den sich über mehr als drei Jahre hinziehenden einzelnen Handlungen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2012 - 3 StR 422/11, StV 2013, 382, 383 mwN).
31
Schließlich begegnet die Annahme einer - indes als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges nicht in die Urteilsformel aufzunehmenden - gewerbsmäßigen Begehungsweise gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB keinen Bedenken; denn der Angeklagte wollte sich nach den Feststellungen ersichtlich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Anders als in Fällen des § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB, in denen es bei einem einheitlichen Verschaffungsvorgang an der Absicht wiederholter Tatbegehung fehlen kann (s. dazu etwa BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 601/08, NJW 2009, 3798), liegt das deliktische Handeln hier allein in der Wei- tergabe, nicht in dem einheitlichen Verschaffen des Falschgeldes. Daher ist nicht auf die einheitliche Besitzerlangung, sondern auf die beabsichtigte mehrfache Abgabe an gutgläubige Dritte abzustellen. Schäfer Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 658/13
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 29 Fällen (Fälle II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe), in sechs Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , und wegen Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte zog im September 2011 in die Wohnung von M. , die er kurz zuvor über eine Singleplattform im Internet kennen gelernt hatte. Ihr gegenüber gab er vor, für einen russischen Konzern im Ölgeschäft tätig und sehr wohlhabend zu sein. Tatsächlich hatte er jedoch – mangels eigener Einkünfte – von vornherein vor, nicht nur deren Wohnung als kostenlose Unterkunft für sich zu nutzen, sondern alle in der Folgezeit anfallenden Ausgaben und Lebenshaltungskosten durch Dritte, insbesondere durch M. finanzieren zu lassen.
4
Zu diesem Zweck „verschaffte er sich“ die Kreditkartendaten der Firmenkreditkarte der M. , benutzte diese Daten und ihren Namen und bestellte in insgesamt 29 im Einzelnen dargestellten Fällen jeweils ohne deren Wissen und Erlaubnis Waren bzw. Dienstleistungen, „die er sich mangels eigener Mittel selbst nicht hätte leisten können“ (UA S. 7). Insechs Fällen bestätigte der Angeklagte zusätzlich jeweils den Erhalt der Waren durch Unterzeichnung der Lieferbelege mit dem Namen der Zeugin M. .
5
In einem weiteren Fall abonnierte der Angeklagte unter dem Namen der Zeugin M. und den Kontodaten einer anderen Person bei der Firma N. - eine Musik-Flatrate zum Preis von 79,95 €. Mangels ausreichender Deckung des Kontos hat das Unternehmen N. diesen Betrag nicht einziehen können.
6
b) Nach der Wertung des Landgerichts täuschte der Angeklagte die mit der Bearbeitung seiner Bestellung jeweils betrauten Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen in allen Fällen über seine Zahlungsbereitschaft. „Soweit eine Bestellung im Internet ohne Tätigkeit einer Person automatisch verarbeitet wurde, beeinflusste der Angeklagte durch die unbefugte Verwendung der Personenund Zahlungsdaten den zur Ausführung der Bestellung veranlassten Datenver- arbeitungsvorgang“ (UA S. 7).
7
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt: „Soweit in den Fällen 1-29 entgegen der Annahme der Kammer in einzelnen Fällen die Bearbeitung der Bestellung nicht durch Zwischenschaltung eines Mitarbeiters, sondern vollautomatisch durch einen Datenverarbeitungsvorgang ausgeführt worden sein sollte, wozu die Kammer keine … Feststellungen hat treffen kön- nen, wäre insofern zwar nicht der Tatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB, sondern stattdessen der Tatbestand des Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1 StGB … erfüllt gewesen, den die Kammer jedoch … in gleicher Höhe bestraft hätte“ (UA S. 16).
8
2. Die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs in 29 Fällen begegnet durchgreifenden Bedenken.
9
a) Bereits die Beweiswürdigung, die der Annahme des Tatgerichts zugrunde liegt, in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe habe der Angeklagte jeweils eine natürliche Person getäuscht und nicht nur im Sinne des § 263a StGB auf einen Datenverarbeitungsvorgang eingewirkt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Tatgericht stellt insoweit allein darauf ab, dass der Angeklagte in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. über onlineBestellplattformen diverse Speisen bestellt hat, die entsprechend der übermittelten Daten jeweils „persönlich zubereitet“ werden mussten. Dieser Umstand stellt indes keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Schlussfolgerung dar, dass in den genannten Fällen und in den Fällen II. b) 1., 2., 17., 18. und 23. bis 29., denen unter anderem Bestellungen von Elektroartikeln und nicht mehr feststellbaren Waren oder Dienstleistungen zugrunde lagen, jeweils natürliche Personen getäuscht wurden.
10
b) Ungeachtet dessen wird eine Täuschung selbst nicht hinreichend belegt , denn aufgrund der (möglicherweise) bestehenden Garantiefunktion des Kreditkartenausstellers könnte es auch an einer Täuschungshandlung des Angeklagten gegenüber Mitarbeitern der Internet-Versandanbieter fehlen (vgl. dazu : Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 49 Rdn. 119).
11
c) Ebenso wenig hinreichend belegt wird, dass die Verfügenden einem Irrtum erlegen sind. Die Strafkammer hat insoweit die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt. Die jeweils irrenden Personen hat das Landgericht nicht ermittelt, weil es „als selbstverständlich anzusehen ist, dass die Mitarbeiter von Internet-Versandanbietern eine Bestellung … grundsätzlich im Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit des Bestellers und … im Vertrauen auf die Berechtigung zur Verwendung der Kreditkartendaten ausfüh- ren“ (UA S. 14).
12
Den Feststellungen zu den Fällen II. b) 18., 23. und 24. der Urteilsgründe lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt bei Internet -Versandanbietern bestellt hat, so dass die Argumentation des Landgerichts bereits aus diesem Grunde nicht verfängt.
13
In den Urteilsgründen ist zudem grundsätzlich festzustellen und darzulegen , welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 14, vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 und vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133 mwN); regelmäßig ist es deshalb erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Ausnahmsweise kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (vgl. auch BGH, Urteile vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Insbesondere vor dem Hintergrund , dass in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe jeweils (mehrfach) nur ein Internet-Versandanbieter betroffen war, hätte sich gerade hier die Vernehmung von (wenigen) Zeugen aufgedrängt, zumal Feststellungen zum Irrtum von Versandmitarbeitern auch nicht aufgrund des – im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgegebenen – Geständnisses des Angeklagten getroffen werden können.
14
d) Nicht nachvollziehbar dargelegt ist auch, bei wem und gegebenenfalls in welcher Höhe in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verfügung (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rdn. 111 mwN) ein betrugsrelevanter Schaden eingetreten ist. Nach den landgerichtlichen Feststellungen erlangte der Angeklagte Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 2.956,87 €. Das Kreditkartenkonto der Zeugin M. wurde in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe in Höhe von 1.218,78 € belastet. „Diese musste den Schaden aufgrund einer entsprechenden Versicherung jedoch nicht endgültig tragen“ (UA S. 12).
15
Damit ist weder dargetan, dass ein Vermögensschaden bei den (möglicherweise ) getäuschten Internet-Versandanbietern eingetreten ist, noch ob die vorgenommenen Verfügungen zulässigerweise (vgl. dazu Fischer, aaO, Rdn.
82 ff.) einem geschädigten Dritten zuzurechnen sind. Die bloße Feststellung einer Tathandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB und einer Vermögensschädigung bei – möglicherweise – verschiedenen Beteiligten genügt nicht. Tatbestandserfüllend sind vielmehr (nur) diejenigen Vermögensschädigungen, die für sich genommen unmittelbare Folge einer vermögensrelevanten Verfügung sind; diese Vermögensverfügung muss ihrerseits unmittelbar durch die Tathandlung beeinflusst sein.
16
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird in diesem Zusammenhang deshalb eingehender als bislang geschehen darzustellen haben, welche spezifische Form der Zahlung durch die Nutzung der Kreditkartendaten durch den (dazu nichtberechtigten) Angeklagten vorliegt (vgl. dazu Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, aaO, § 49 Rdn. 61, 109 ff., 119 ff.; Fischer, StGB, 61. Auf., § 263a Rdn. 12a, 15 f., jeweils mwN). Gegebenenfalls wird zu erwägen sein, ob sich der Angeklagte (tateinheitlich) gemäß §§ 269, 270 StGB strafbar gemacht hat.
17
e) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs in 29 Fällen, was auch die Aufhebung der – für sich genommen rechtsfehlerfreien – tateinheitlichen Verurteilungen wegen Urkundenfälschung in den Fällen II. b) 23. bis 28. der Urteilsgründe nach sich zieht (vgl. auch Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rdn. 12 mwN).
18
3. Der Schuldspruch wegen Computerbetrugs im Fall II. b) 30. der Urteilsgründe hält hingegen rechtlicher Nachprüfung Stand. Der Vorgang und die Abwicklung erfolgten ausweislich der Urteilsfeststellungen automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394, 1395; Tiedemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 263a Rdn. 58 mwN). Das Unternehmen N. hat dadurch auch einen Schaden erlitten.
19
4. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird die Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO zu beachten haben. Im Übrigen sind auch aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann erforderlich , wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11, StV 2011, 728 mwN). Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 430/13
vom
22. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_______________________________
Zu den Anforderungen an die Feststellung und Darlegung des Irrtums beim Betrug
im Zusammenhang mit routinemäßigen Massengeschäften (hier: Missbrauch
des Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13 - LG Bielefeld
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. April 2014 in der Sitzung vom 22. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung am 24. April 2014,
bei der Verkündung am 22. Mai 2014
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten M. W. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten T S. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin der Angeklagten D. S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. September 2012 wird
a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt ,
b) das Urteil in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. W. hat es zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten T. S. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und die Angeklagte D. S. zu einer solchen von vier Jahren verurteilt.
Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffen, die sich gegen die AG richtet.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Die von allen Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 338 Nr. 7 StPO, mit der sie beanstanden, der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer, Vorsitzender Richter am Landgericht H. , habe sich wegen seiner während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist in einem Parallelverfahren erfolgten Zeugenvernehmung zu Unrecht gehindert gesehen, das Urteil zu unterschreiben, weshalb es innerhalb dieser Frist nur unvollständig zu den Akten gelangt sei, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); ob sie in der Sache Erfolg haben könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
4
1. Zur Begründung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die bezeichneten Tatsachen erwiesen werden (SSW-StPO/Momsen, § 344 Rn. 36; LR-StPO/Franke, 26. Aufl. § 344 Rn. 78, jeweils m.N. zur st. Rspr.).
5
2. Gemessen daran vermag der Senat hier nicht zu prüfen, ob der Vorsitzende wegen seiner Vernehmung als Zeuge „in der Sache“ im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen war.
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet Gleichheit der Sache gemäß § 22 Nr. 5 StPO nicht notwendig Verfahrensidentität; Sachgleichheit kann auch bei Vernehmung des Richters als Zeuge zu demselben Tatgeschehen in einem anderen Verfahren in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 – 5 StR 530/06, BGHR StPO § 338 Nr. 2 Ausschluss 4, Tz. 6 mwN; vgl. auch LR-StPO/Siolek, 26. Aufl., § 22 Rn. 25; SSWStPO /Kudlich/Noltensmeier, § 22 Rn. 19). Insoweit fehlt es im Revisionsvortrag der Angeklagten T. und D. S. schon an der Mitteilung des Beweisthemas, zu dem der Strafkammervorsitzende in dem Verfahren gegen A. u.a. geladen und vernommen wurde. Aber auch dem Vortrag des Angeklagten W. kann das betreffende Beweisthema allenfalls mittelbar entnommen werden, da er das Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Bielefeld vom 31. Oktober 2012 über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Vorsitzenden Richter vorgelegt hat. Danach hatte der Angeklagte A. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung beantragt, den Vorsitzenden Richter am Landgericht H. dazu zu vernehmen, dass sich seine (des A.) in einer polizeilichen Vernehmung getätigte Aussage in dem Verfahren gegen die hiesigen Angeklagten als wahr herausgestellt habe. Aber auch dieses Rügevorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht. Um dem Senat die Überprüfung der Sachgleichheit im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO zu ermöglichen , hätte zumindest noch vorgetragen werden müssen, welchen Inhalt diese polizeiliche Aussage hatte, inwiefern sie im vorliegenden Verfahren Gegenstand der Hauptverhandlung war, was der als Zeuge benannte Vorsitzende Richter am Landgericht H. im dortigen Verfahren dazu bekundet hat und ferner, welchen Zusammenhang und welche Bedeutung dies für die gegen die Ange- klagten des vorliegenden Verfahrens erhobenen Tatvorwürfe hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 – 4 StR 507/07, StV 2008, 283, Tz. 5 f. m. Anm. Leu StV 2009, 507 zu den Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO in derartigen Fällen). Das ist hier jedoch nicht geschehen; auch aus den auf die Sachrüge heranzuziehenden Urteilsgründen ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.

II.


7
Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in den Strafaussprüchen. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrügen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
8
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
9
a) Die Angeklagten schlossen sich Anfang 2008 aufgrund einer zumindest stillschweigend getroffenen Vereinbarung zusammen, um spätestens ab Juli 2008 von einer Vielzahl von Personen unter Vorspiegelung eines tatsächlich nicht bestehenden Vertragsverhältnisses im Wege des Lastschriftverfahrens Geldbeträge einzuziehen. Das von den Angeklagten im arbeitsteiligen Zusammenwirken im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell bestand in einer Variante darin, eine möglichst große Zahl von Personen durch entsprechend angeleitete Callcenter-Mitarbeiter anzurufen und bei diesen den Eindruck eines – tatsächlich nicht bestehenden – Vertragsverhältnisses über die Teilnahme an Gewinnspielen hervorzurufen. Auf diese Weise wollten die Angeklag- ten an die Kontodaten der Angerufenen gelangen und von diesen Konten Lastschriften vornehmen, wobei sie davon ausgingen, dass die Angerufenen infolge der Annahme, es bestehe tatsächlich ein Vertragsverhältnis und die Lastschrift sei daher rechtmäßig erfolgt, den Lastschrifteinzügen nicht widersprechen würden. Bei einer weiteren Tatvariante, bei der die Kontodaten bereits bekannt und Telefonanrufe daher entbehrlich waren, sollte den Betroffenen allein durch die durchgeführte Lastschrift ein bestehendes Vertragsverhältnis vorgespiegelt werden, um diese von einem Widerspruch abzuhalten. Dabei nahmen die Angeklagten einerseits billigend in Kauf, dass die Kontoinhaber von den Lastschriftabbuchungen durch Lektüre ihrer Kontoauszüge Kenntnis erhalten, sich den Zugriff auf ihr Konto aber nicht anders erklären würden, als dass der jeweiligen Abbuchung ein wirksamer Vertrag zu Grunde lag, sei es auch nur in der Form, dass sie sich insoweit unsicher waren und/oder die Sache wegen des relativ geringen Betrages auf sich beruhen ließen. Andererseits handelten die Angeklagten auch in der Erwartung, die Betroffenen würden in zahlreichen Fällen mangels ausreichend sorgfältiger Kontrolle ihrer Kontoauszüge die Abbuchungen nicht bemerken oder einfach übersehen.
10
Zur Verwirklichung des Tatplans bedienten sich die Angeklagten insbesondere der in der S. ansässigen AG, die vom Angeklagten W. vertreten wurde. Dieser schloss für die AG zahlreiche Verträge unter anderem mit Callcentern, Zahlungsdienstleistern sowie mit Banken ab, über die die Lastschrifteneinzüge erfolgen sollten und später auch tatsächlich erfolgten. Auch mit dem von der AngeklagteD. S. betriebenen Callcenter GmbH & Co KG, bei dem der Angeklagte T. S. angestellt war, schloss der Angeklagte W. sog. Vertriebspartnerverträge ab. Insgesamt waren für die Angeklagten im Tatzeitraum mindestens 66 Callcenter mit etwa 400 bis 600 Mitarbeitern in der sog. Gewinn- spielvermittlung tätig. Die Callcenter erhielten für jeden Fall, in dem sie die Kontodaten erlangten, einen Betrag in Höhe von 45 bis 60 Euro.
11
Die zur Erschwerung von Nachforschungen meist unter falschen Namen handelnden Mitarbeiter der Callcenter gaben bei ihren Anrufen (1. Tatvariante) entsprechend den Vorgaben eines ihnen auf Veranlassung der Angeklagten ausgehändigten sog. Negativleitfadens für die Gesprächsführung vor, sie hätten die Möglichkeit, einen vermeintlich bestehenden Gewinnspielvertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu beenden , wobei für die letzten drei Monate, sollten Gewinne ausbleiben, eine „Geld-zurück-Garantie“ bestehe. Tatsächlich war die Übernahme einer solchen Garantie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt; in keinem Fall wurden zuvor abgebuchte Geldbeträge zurückerstattet. Der durch den Leitfaden im Einzelnen vorgegebene Erstanruf diente dazu, die Angerufenen jeweils zur Kündigung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Vertrages und – abwicklungshalber – zur Herausgabe ihrer Kontodaten zu veranlassen. Widersprachen die angerufenen Personen – wie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – der Behauptung an einem derartigen Gewinnspiel teilgenommen zu haben, bemühten sich die von den Angeklagten angewiesenen Callcenter-Mitarbeiter dies – wahrheitswidrig – zu widerlegen und behaupteten beispielsweise, auf die Kontodaten aus Datenschutzgründen keinen Zugriff zu haben, sie aber nun zu benötigen, etwa um den Betroffenen aus dem Vertrag „herauszuhelfen“.
12
Im Anschluss an den Erstanruf erfolgte sodann ein Zweitanruf (sog. Quality Call), der zum Teil elektronisch aufgezeichnet wurde und dazu diente, mittels geschickter Gesprächsführung von den Betroffenen eine telefonisch erteilte Einzugsermächtigung zu erhalten, um die Betroffenen selbst, aber auch die beteiligten Banken oder im Fall von Nachforschungen die Strafverfolgungsbehörden über den auf diesem Weg dokumentierten angeblichen Vertragsschluss zu täuschen. Im Anschluss daran erhielten die Angerufenen – auch diejenigen, die den vermeintlichen Vertrag gekündigt hatten – von der GmbH, die von der AG mit der „technischen Abwicklung“ beauftragt worden war, sog. Begrüßungsschreiben , in denen behauptet wurde, die Empfänger hätten „die Chance, bei 200 Internet-Gewinnspielen monatlich eingetragen zu werden“; diese Leistung sei „ebenfalls in Ihrem Servicebetrag … enthalten, den wir wie besprochen jeden Monat im voraus automatisch von Ihrem Konto… abbuchen“. Tatsächlich war ab dem Jahr 2008 - wie die Angeklagten wussten – eine Eintragung in 200 Gewinnspiele monatlich je Kunde nicht mehr möglich, sondern erfolgte „in einem deutlich geringeren Umfang“.
13
Der Einzug der vermeintlichen Forderungsbeträge in Höhe von jeweils zwischen 55 und 79,80 Euro erfolgte im Tatzeitraum vom 9. März 2009 bis zum 22. Januar 2010 mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren. Die auf dem jeweiligen Kontoauszug der Betroffenen wiedergegebene Belastungsbuchung enthielt den Namen des Zahlungsdienstleisters, den Namen des „Produkts“, den abgebuchten Betrag sowie eine zwölfstellige ID-Nummer. Es wurden bei insgesamt 136.890 Betroffenen (teilweise mehrfach) Beträge im Lastschriftverfahren eingezogen, die im angefochtenen Urteil auf 4.885 Seiten im Einzelnen in Tabellenform aufgeführt sind. In 198.070 Fällen wurde die Lastschrift nicht zurückgegeben, so dass das Geld bei den Angeklagten verblieb. Dagegen erfolgte in 129.708 Fällen eine Rückgabe der Lastschriften. Die Angeklagten erzielten durch ihr Vorgehen einen Gewinn „im deutlich siebenstelligen Bereich“.
14
b) Zur Beweiswürdigung hat das Landgericht lediglich mitgeteilt, dass die Angeklagten im Rahmen einer nach § 257c StPO durchgeführten Verständigung den Anklagevorwurf gestanden und weitere Fragen der Kammer glaubhaft , ausführlich und nachvollziehbar beantwortet hätten. Von der Richtigkeit der geständigen Einlassungen sei die Strafkammer überzeugt, da sie „mit dem Ermittlungsergebnis sowie auch mit dem übrigen Ergebnis der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten umfassenden Beweisauf- nahme im Einklang“ stünden. Weitere Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht.
15
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil offen bleibt, auf welche Weise sich die Strafkammer auch unter Berücksichtigung der umfassenden Geständnisse der Angeklagten die Überzeugung verschafft hat, die Betroffenen hätten die Lastschriften in den 198.070 festgestellten Fällen hingenommen, weil sie sich über das Bestehen einer Zahlungspflicht im Irrtum befanden.
16
a) In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Zwar sind, wenn sich die Angeklagten – wie hier – auf der Grundlage einer Absprache geständig einlassen, an die Überprüfung dieser Einlassungen und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1063, Tz. 71; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13); es gibt auch keine forensische Erfahrung dahin, dass bei einem Geständnis im Rahmen einer Verständigung regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12, NStZ 2012, 584). Aber auch in einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 1992 – 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11; Beschluss vom 15. September 1999 – 2 StR 373/99, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 34; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653, Tz. 4, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 361; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 261 Rn. 2a).
17
Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f; vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8; zu den Darle- gungsanforderungen bei einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“ vgl.BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 aaO, Tz. 6; Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 15; Be- schluss vom 2. November 2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, Tz. 5). In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger , massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvorstellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen,wobei er dies im Urteil darzulegen hat. Ist das Vorstellungsbild des Verfügenden normativ geprägt, kann bei einem Tatvorwurf, dem zahlreiche Einzelfälle zu Grunde liegen, die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, 1546; Beschluss vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, Tz. 15, inso- weit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt). In komplexeren Fällen wird es regelmäßig erforderlich sein, die betreffenden Personen über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild als Zeugen zu vernehmen sowie deren Bekundungen im Urteil mitzuteilen und zu würdigen (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 15, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8 f.).
18
b) Gemessen daran vermögen – jedenfalls im vorliegenden Fall – weder der Hinweis auf das „Ermittlungsergebnis“ noch die ebenfalls nicht näher beleg- te Bezugnahme auf die „umfassende Beweisaufnahme“ und die „umfassende geständige Einlassung der Angeklagten“ eine Irrtumserregung bei den von den Lastschrifteinzügen betroffenen Bankkunden zu belegen.
19
aa) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer Geschädigte als Zeugen vernommen hat oder dass deren Angaben auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
20
bb) Die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums und einer dadurch kausal hervorgerufenen Vermögensverfügung versteht sich hier auch nicht von selbst. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer wurde bei den Betroffenen im Rahmen der Telefonanrufe durch die Callcenter-Mitarbeiter der Eindruck erweckt, sie hätten die Möglichkeit, einen bestehenden Vertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu been- den. In der „weit überwiegenden Anzahl“ der Fällehatten die Betroffenen jedoch der Behauptung widersprochen, sie hätten einen derartigen Vertrag abgeschlossen. Danach liegt es – auch soweit dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht ausdrücklich widersprochen wurde – nicht auf der Hand, dass die Betroffenen die Rückforderung der abgebuchten Beträge gerade aufgrund der irrtümlichen Annahme unterließen, sie seien aufgrund eines bestehenden Ver- tragsverhältnisses verpflichtet, die Abbuchung dieser Beträge (dauerhaft) als rechtmäßig zu dulden.
21
Was die Fälle betrifft, in denen die Täter bereits über die Bankdaten verfügten und Anrufe bei den jeweiligen Kontoinhabern daher entbehrlich waren, vermögen die Urteilsgründe ebenfalls nicht hinreichend zu vermitteln, auf welcher Grundlage sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, die Bankkunden hätten sich gegen die Lastschriften nicht zur Wehr gesetzt, weil ihnen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung vorgespiegelt wurde. Diese Annahme ist schon mit der von der Strafkammer festgestellten, ausweislich der Urteilsgründe aber nicht näher überprüften Erwartung der Angeklagten unvereinbar, die Kontoinhaber würden die Lastschriften gar nicht bemerken, möglicherweise also noch nicht einmal einer täuschungsbedingten Fehlvorstellung im Sinne eines sog. sachgedanklichen Mitbewusstseins unterliegen.
22
3. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die aus der Urteilsformel ersichtliche Beschränkung vor.
23
a) Die Feststellungen und die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung belegen für beide Tatvarianten insbesondere, dass die Angeklagten nach ihrer Vorstellung als Mittäter im Wege eines uneigentlichen Organisationsdelikts Betrugshandlungen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Kontoinhaber begehen wollten und hierzu auch unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB).
24
aa) In den sog. Anruffällen ging es den Angeklagten darum, bei den Telefonanrufen und durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben den Empfängern das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung zu verzichten. Hierin liegt ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12, Tz. 17).
25
bb) Aber auch in den Fällen, in denen die Lastschrifteinzüge ohne vorherige telefonische Kontaktaufnahme erfolgten und die Übersendung von Begrüßungsschreiben unterblieb, ein direkter Kundenkontakt also nicht stattfand, war der Tatplan der Angeklagten auf die Begehung eines Betruges gerichtet.
26
(1) Den Angeklagten war bewusst, dass die betroffenen Kunden von ihrer jeweiligen Bank einen Kontoauszug erhalten würden, in dem die von ihnen veranlasste Abbuchung ausgewiesen war. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die jeweilige Kontoinformation auf dem Auszug nicht nur den Namen des Zahlungsdienstleisters, den abgebuchten Betrag und eine sog. IDNummer , sondern auch einen Produktnamen. Dabei entsprach es der Vorstellung der Angeklagten, dass den betroffenen Bankkunden unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Empfängerhorizonts im Hinblick auf die Mitteilung einer derartigen Produktbezeichnung ein wirksames Kausalgeschäft vorgespiegelt werden sollte.
27
(2) Der Ablauf des im Wesentlichen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens (vgl. Nr. 9 AGBBanken i.d. bis zum 30. Oktober 2009 gültigen Fassung sowie die Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr im Einzugsermächtigungsverfahren i.d.F. v. Oktober 2009 und die Bedingungen für den Lastschrifteinzug vom November 2009), dessen sich die Angeklagten hier zur Tatausführung bedienten, bestätigt diese rechtliche Beurteilung. Dieses Verfahren wird durch die Übermittlung eines vom Zahlungsempfänger – hier also von den Angeklagten – mit den erforderlichen Informationen versehenen Lastschriftdatensatzes – regelmäßig in elektronischer Form – über dessen Bank an das Geldinstitut des Schuldners ohne dessen Einschaltung in Gang gesetzt. Dessen Institut belastet seinerseits ohne eigene Sachprüfung das Konto des Kunden mit dem genannten Betrag (vgl. Nr. 2.1.2 sowie 2.3.1 der Sonderbedingungen; vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 – II ZR 277/84, BGHZ 95, 103, 106). Der zahlungspflichtige Bankkunde erhält sodann von seiner Zahlstelle entsprechend dem vom Zahlungsempfänger an dessen Bank übermittelten Lastschriftdatensatz eine Mitteilung über die erfolgte Belastung auf seinem Kontoauszug (Lastschriftabkommen Abschnitt 1 Nr. 7 Abs. 1). Da dieses Verfahren den Zahlungsempfänger in die Lage versetzt, von sich aus ohne Mitwirkung des Zahlungspflichtigen den Zeitpunkt des Zahlungsflusses zu bestimmen (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241, Tz. 15), und der Schuldner auf die (nachträgliche) Verweigerung der Genehmigung verwiesen wird (Nr. 2.4 der Sonderbedingungen ), muss der Zahlungsempfänger, um Forderungen einzuziehen, gegenüber seiner Bank versichern, dass ihm eine schriftliche Ermächtigung des Zahlungspflichtigen vorliegt (vgl. dazu Lastschriftabkommen Abschnitt I Nr. 3; Einzelheiten bei Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 58 Rn. 11). Auch diese Erklärung über das Vorliegen einer Einzugsermächtigung gibt die Gläubigerbank über die Schuldnerbank als Boten an den vermeintlichen Schuldner weiter.
28
(3) Danach war der Tatplan der Angeklagten darauf gerichtet, die betroffenen Bankkunden sowohl über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses als auch über die Berechtigung zur Vornahme des Lastschrifteinzugs zu täuschen. Dies geschah mit dem Ziel, die Bankkunden bis zum endgültigen Eintritt der Genehmigungswirkung von der Geltendmachung von Einwendungen ge- genüber der kontoführenden Bank und damit von der Möglichkeit der Rückbuchung der vereinnahmten Geldbeträge abzuhalten.
29
(4) Die Angeklagten haben auch unmittelbar im Sinne des § 22 StGB zur Begehung dieser Tat angesetzt. Indem sie den Lastschrifteinzug bei ihrer Bank einreichten und damit das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren in Gang setzten, gaben sie das Geschehen aus der Hand (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; vgl. auch SSW-StGB/ Kudlich/Schuhr, 2. Aufl., § 22 Rn. 40).
30
b) Auch die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, Tz. 13, 51, m. abl. Anm. Heghmanns ZJS 2013, 423; i.E. ebenso schon BGH, Beschluss vom 12. September 1990 – 3 StR 277/90, HFR 1991, 496). Schon im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle und die Komplexität des Tatgeschehens würde die weitere Aufklärung mit dem Ziel der Feststellung eines vollendeten Delikts einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten.

III.


31
Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs für alle drei Angeklagten. § 265 StPO steht nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich die umfassend geständigen Angeklagten anders als geschehen verteidigt hätten.
32
Die Strafaussprüche können jedoch nicht bestehen bleiben, da die Möglichkeit besteht, dass die Strafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs dem gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen worden wären. Über diese Frage wird der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter nunmehr auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeiten und der Tatumstände unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere der Vollendungsnähe, zu entscheiden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 21).

IV.


33
Ob die vom Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffene Entscheidung in der Sache durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Angeklagten sind von dieser Entscheidung weder betroffen noch durch sie beschwert.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 263/12
vom
6. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 21. Februar 2012 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines Betruges in jeweils tateinheitlich begangenen fünfzehn vollendeten und 53.479 versuchten Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
3
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer und „spiritus rector“ mit zwei weiteren nicht revidierenden Mit- angeklagten von Januar 2006 bis Ende des Jahres 2009 die Kreditvermittlungsgesellschaft D. GmbH. Das Geschäftsmodell zielte darauf ab, unter dem Deckmantel einer seriösen Kreditvermittlung von den sich regelmäßig in einer finanziellen Notlage befindenden Kunden einen Auslagenersatzbetrag für Porto-, Telefon- und Auskunftskosten in Höhe von je 47,80 Euro (bzw. vor September 2006 bis 48 Euro) einzutreiben, indem den Kunden wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, dass der Gesellschaft bei der Kreditvermittlung er- forderliche Auslagen i.S.d. § 655d Satz 2 BGB in der geltend gemachten Höhe tatsächlich entstanden seien.
4
Die Kunden wurden mit dem Versprechen geworben, ihnen könnten auf- grund eines „Sofortkredit-Vermittlungsvertrages“ Kredite vermittelt werden, oh- ne dass durch die Kreditanfrage Kosten entstünden. Tatsächlich wollten die Angeklagten allen Kunden, die den „Sofortkredit-Vermittlungsvertrag“ unterschrieben , einen bestimmten Betrag unter 48 Euro - ggf. zuzüglich Mahn- und Inkassokosten - für angeblich "erforderliche Auslagen" in Rechnung stellen (UA S. 13), obwohl bei der Kreditvermittlung Auslagen nur zu einem Bruchteil dieses Betrages entstanden, die letztlich pro Kunde 3,20 Euro nicht überschritten (UA S. 20). Obwohl dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. bekannt war, dass sie gesetzlich lediglich berechtigt waren, tatsächlich im Einzelfall entstandene erforderliche Auslagen, nicht jedoch die allgemeinen Geschäftsunkosten auf die Kunden umzulegen, wollten sie durch die Gestaltung des Rechnungstextes bei den Kunden die Fehlvorstellung hervorrufen, die Auslagen seien in der geltend gemachten Höhe entstanden und die Kunden seien auch zur Bezahlung des Rechnungsbetrages verpflichtet (UA S. 19 f).
5
Dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. war aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen im Kreditvermittlungsgeschäft bekannt, dass wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage der angesprochenen Klientel nur in den wenigsten Fällen eine erfolgreiche Kreditvermittlung in Betracht kam. Ihnen ging es jedoch nicht darum, Kredite zu vermitteln. Vielmehr war das System von Anfang an darauf angelegt, unter dem Anschein einer seriösen Kreditvermittlung sich gezielt an den in der Regel nahezu mittellosen Kunden zu bereichern und diese dadurch zu schädigen. Dabei rechneten die Angeklagten damit, dass sich die wenigsten Kunden gegen den vergleichsweise geringen Rechnungsbetrag wehren würden. Allerdings gingen sie aufgrund ihrer Erfahrungen davon aus, dass nur etwa 40 Prozent den Rechnungsbetrag begleichen würden (UA S. 14).
6
Zwischen Januar 2006 und Dezember 2009 wurden auf die dargestellte Weise 140.000 Kunden falsche Rechnungen über Auslagenersatz gestellt, auf die - womit die Angeklagten rechneten - nur etwa 40 Prozent der Kunden bezahlten.
7
Aufgrund einer auf die Einvernahme von fünfzehn Kunden beschränkten Beweisaufnahme hat das Landgericht festgestellt, dass lediglich diese Kunden in der irrigen Annahme, der D. GmbH seien tatsächlich Kosten in der geltend gemachten Höhe entstanden, gezahlt hatten (UA S. 902). In den übrigen 53.479 Fällen über Rechnungsbeträge von insgesamt mehr als 2,8 Mio. Euro ging das Landgericht mangels festgestellter Irrtumserregung lediglich von versuchter Täuschung der Kunden aus. Unter Abzug von zehn Prozent höchstens tatsächlich erforderlicher Auslagen nahm es dabei eine erstrebte Bereicherung von etwa 2,5 Mio. Euro an (UA S. 903).
8
2. Das Landgericht ist wegen Vorliegens eines sog. uneigentlichen Organisationsdelikts von Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen allen Betrugstaten (§ 263 StGB) ausgegangen (UA S. 915). Hierbei hat es nur in 15 Fällen Vollendung und im Übrigen - entsprechend einem rechtlichen Hinweis in der Hauptverhandlung - lediglich versuchten Betrug angenommen. In den weiteren 53.479 Fällen habe es „nicht vollkommen ausschließen“ können, „dass Rech- nungsempfänger die Unrichtigkeit der Rechnungsstellung erkannten und aus- schließlich leisteten, um ihre Ruhe zu haben“. Nach Auffassung des Landge- richts hätte eine umfassende Aufklärung die Vernehmung sämtlicher Kunden erfordert, um die Motivation bei der Überweisung des Rechnungsbetrages zu ergründen. Dies sei bei über 50.000 Kunden „aus prozessökonomischen Grün- den“ nicht möglich gewesen (UA S. 914).
9
3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; die von der Revision des Angeklagten erhobenen formellen und materiellen Beanstandungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
10
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Vorgehensweise des Landgerichts , nur fünfzehn Geschädigte zu vernehmen und im Übrigen hinsichtlich der weit überwiegenden Zahl der tateinheitlich begangenen Taten „aus verfahrensökonomischen Gründen“ lediglich Tatversuch anzunehmen (UA S. 914, 917). Das Landgericht sah sich ersichtlich nur auf diesem Wege in der Lage, die Hauptverhandlung, die bereits nahezu fünf Monate gedauert hatte, in angemessener Zeit zu beenden.
11
a) Die vom Landgericht mit dem Begriff der „Prozessökonomie“ be- schriebene Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege zu erhalten (vgl. dazu auch Landau, Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, NStZ 2007, 121), besteht. Jedoch muss ein Tatgericht im Rahmen der Beweisaufnahme die in der Strafprozessordnung dafür bereit gehaltenen Wege beschreiten. Ein solcher Weg ist etwa die Beschränkung des Verfahrensstoffes gemäß den §§ 154, 154a StPO, die allerdings die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft voraussetzen. Eine einseitige Beschränkung der Strafverfolgung auf bloßen Tatversuch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wie sie das Landgericht hier - freilich im Rahmen gleichartiger Tateinheit mit vollendeten Delikten - vorgenommen hat, sieht die Strafprozessordnung jedoch nicht vor.
12
b) Es trifft allerdings zu, dass in Fällen eines hohen Gesamtschadens, der sich aus einer sehr großen Anzahl von Kleinschäden zusammensetzt, die Möglichkeiten einer sinnvollen Verfahrensbeschränkung eingeschränkt sind. Denn dann sind keine Taten mit höheren Einzelschäden vorhanden, auf die das Verfahren sinnvoll beschränkt werden könnte.
13
Dies bedeutet aber nicht, dass es einem Gericht deshalb - um überhaupt in angemessener Zeit zu einem Verfahrensabschluss gelangen zu können - ohne weiteres erlaubt wäre, die Beweiserhebung über den Taterfolg zu unterlassen und lediglich wegen Versuches zu verurteilen. Vielmehr hat das Tatgericht die von der Anklage umfasste prozessuale Tat (§ 264 StPO) im Rahmen seiner gerichtlichen Kognitionspflicht nach den für die Beweisaufnahme geltenden Regeln der Strafprozessordnung (vgl. § 244 StPO) aufzuklären. Die richterliche Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet dabei, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
14
c) Für das Tatbestandsmerkmal des Irrtums bei Betrug (§ 263 StGB) bedeutet dies:
15
aa) Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Die Überzeugung des Gerichts, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist, wird dabei - von einfach gelagerten Fällen (z.B. bei standardisierten, auf massenhafte Erledigung ausgerichteten Abrechnungsverfahren ) abgesehen - in der Regel dessen Vernehmung erfordern (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314).
16
bb) Allerdings stößt die praktische Feststellung des Irrtums im Strafverfahren als Tatfrage nicht selten auf Schwierigkeiten. Diese können jedoch in vielen Fällen dadurch überwunden werden, dass das Tatgericht seine Überzeugung auf Indizien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - 4 StR 347/93, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9) wie das wirtschaftliche oder sonstige Interesse des Opfers an der Vermeidung einer Schädigung seines eigenen Vermögens (vgl. Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 87) stützen kann. In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes kann es daher insgesamt ausreichen , nur einige Zeugen einzuvernehmen, wenn sich dabei das Ergebnis bestätigt findet. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof etwa die Vernehmung der 170.000 Empfänger einer falsch berechneten Straßenreinigungsgebührenrechnung für entbehrlich gehalten (BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434; vgl. dazu auch Hebenstreit in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011, § 47 Rn. 37).
17
cc) Ist die Beweisaufnahme auf eine Vielzahl Geschädigter zu erstrecken , besteht zudem die Möglichkeit, bereits im Ermittlungsverfahren durch Fragebögen zu ermitteln, aus welchen Gründen die Leistenden die ihr Vermögen schädigende Verfügung vorgenommen haben. Das Ergebnis dieser Erhebung kann dann - etwa nach Maßgabe des § 251 StPO - in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Hierauf kann dann auch die Überzeugung des Gerichts gestützt werden, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen die Leistenden eine Vermögensverfügung irrtumsbedingt vorgenommen haben.
18
Ob es in derartigen Fällen dann noch einer persönlichen Vernehmung von Geschädigten bedarf, entscheidet sich nach den Erfordernissen des Amtsaufklärungsgrundsatzes (§ 244 Abs. 2 StPO) und des Beweisantragsrechts (insb. § 244 Abs. 3 StPO). In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbil- des kommt dabei die Ablehnung des Antrags auf die Vernehmung einer größeren Zahl von Geschädigten als Zeugen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434).
19
dd) Demgegenüber dürfte in Fällen mit individueller Motivation zur Leis- tung eines jeden Verfügenden die „Schätzung einer Irrtumsquote“ als Methode der Überzeugungsbildung nach § 261 StPO ausscheiden. Hat ein Tatgericht in solchen Fällen Zweifel, dass ein Verfügender, ohne sich über seine Zahlungspflicht geirrt zu haben, allein deshalb geleistet hat, „um seine Ruhe zu haben“, muss es nach dem Zweifelssatz („in dubio pro reo“) zu Gunsten des Täters ent- scheiden, sofern nicht aussagekräftige Indizien für das Vorliegen eines Irrtums vorliegen, die die Zweifel wieder zerstreuen.
20
d) Für die Strafzumessung hat die Frage, ob bei einzelnen Betrugstaten Vollendung gegeben oder nur Versuch eingetreten ist, in der Regel bestimmende Bedeutung.
21
Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen es für die Strafzumessung im Ergebnis nicht bestimmend ist, ob es bei (einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kam oder mangels Irrtums des Getäuschten oder wegen fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim Versuch blieb. Solches kommt etwa in Betracht, wenn Taten eine derartige Nähe zur Tatvollendung aufwiesen, dass es - insbesondere aus Sicht des Täters - vom bloßen Zufall abhing, ob die Tatvollendung letztlich doch noch am fehlenden Irrtum des Tatopfers scheitern konnte. Denn dann kann das Tatgericht unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tatumstände des konkreten Einzelfalls zum Ergebnis gelangen, dass jedenfalls die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 261/10, wistra 2011, 18 mwN). Eine solche Wertung hat das Tatgericht in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht ebenso nachprüfbar darzulegen wie die Würdigung, dass und aus welchen Gründen (etwa Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie) der Umstand, dass die getroffene Vermögensverfügung letztlich trotz eines entsprechenden Vorsatzes des Täters nicht auf einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung beruhte, auch für die konkrete Strafzumessung im Rahmen des eröffneten Strafrahmens nicht von Bedeutung war.
22
e) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob hier ein normativ geprägter Irrtum vorliegen könnte, mit der Folge, dass die Anwendung des Zweifelssatzes durch das Landgericht sachlich-rechtlich fehlerhaft gewesen sein könn- te. Denn jedenfalls ist der Angeklagte durch die vom Landgericht „aus prozessökonomischen Gründen“ gewählte Verfahrensweise nicht beschwert. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn es hinsichtlich weiterer tateinheitlich begangener Taten statt von Versuch von Tatvollendung ausgegangen wäre.
Richter am BGH Dr. Wahl ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
Nack Nack Jäger Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 162/13
vom
22. November 2013
Nachschlagewerk: ja - nur zu B. I. der Gründe
BGHSt: ja - nur zu B. I. der Gründe
Veröffentlichung: ja - nur zu B. I. der Gründe
___________________________________
Bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages ist für die Entbindung des Hauptschöffen
von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag,
nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich.
BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
22. August 2013 in der Sitzung am 22. November 2013, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung am 22. August 2013
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Dezember 2012 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen II. 9, 12 bis 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 36, 39 und 43 der Urteilsgründe im Schuld- und Strafausspruch,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe, soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 43 Fällen, davon in 28 Fällen in Tateinheit mit "gewerbsmäßigem" Betrug sowie in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug , und wegen versuchten Inverkehrbringens von Falschgeld in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, dass der Angeklagte in den 15 Fällen des vollendeten Inverkehrbringens tateinheitlich lediglich wegen versuchten und nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt worden ist. Zudem rügt sie, dass eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO unterblieben ist. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erhielt von einem Schuldner einen erheblichen Bargeldbetrag , unter dem sich neben echtem Geld auch Falschgeld mit einer sehr hohen Fälschungsqualität im Nennwert von 20.000 € befand. Nachdem der Angeklagte dies erkannt hatte, wollte er den Schaden nicht hinnehmen und entschloss sich daher, das Falschgeld unter anderem bei Reisen nach Deutschland sukzessive in Verkehr zu bringen. Dies tat er sodann in der Zeit vom 20. November 2008 bis zum 25. April 2012 in Berlin, Köln und Hannover, indem er bei Bareinkäufen insgesamt 45 gefälschte 200-Euro-Scheine zur Bezahlung von Waren hingab, um dadurch diese und das Wechselgeld zu erhalten, was ihm in all diesen Fällen auch gelang. In einem weiteren Fall versuchte er dies.
4
A. Revision der Staatsanwaltschaft
5
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Schuldsprüche , die die Verurteilung wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug betreffen, die Gesamtstrafe und die unterbliebene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe beschränkt. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Revisionsantrag. Allerdings folgt aus der Revisionsbegründung , dass die Revisionsführerin das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der genannten Punkte für rechtsfehlerhaft hält (vgl. zur entsprechenden Auslegung der Revision BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - 1 StR 476/12, NStZ-RR 2013, 279, 280 mwN).
6
II. Die Verurteilung des Angeklagten wegen - tateinheitlich mit vollendetem Inverkehrbringen von Falschgeld begangenen - versuchten ("gewerbsmäßigen" ) Betruges in 15 Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit beruht die Annahme des Landgerichts, die vom Angeklagten tateinheitlich begangenen Betrugstaten seien lediglich versucht, auf einer unzureichenden rechtlichen Prüfung und Würdigung der Feststellungen.
7
Das Landgericht hat seine Annahme, in diesen 15 Fällen sei hinsichtlich des Betruges Vollendung nicht eingetreten, in zwei Fällen (Fälle II. 12 und 36 der Urteilsgründe) darauf gestützt, dass sich die Kassierer keine bewussten Gedanken über die Echtheit des 200-Euro-Scheines gemacht hätten und deshalb "kein Irrtum eingetreten" sei. In den übrigen 13 Fällen (Fälle II. 9, 13, 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 39 und 43) hat es diese Annahme damit begründet, dass die beteiligten Kassierer nicht oder überhaupt keine Zeugen dieser Taten ermittelt werden konnten und deshalb das Vorliegen eines - von dem Angeklagten durch Täuschung erregten - tatbestandlichen Irrtums im Sinne von § 263 StGB nicht nachzuweisen sei. Diese Annahmen zeigen auf, dass die Strafkammer einen zu strengen Maßstab an das Vorliegen des Tatbestandmerkmals "Irrtum" angelegt und die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung überspannt hat; sie sind mithin zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
8
1. Ein - durch die Täuschungshandlung erregter oder unterhaltener - Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung (des Getäuschten) und der Wirklichkeit (vgl. LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 77 ff. mwN). Das gänzliche Fehlen einer Vorstellung begründet für sich allein keinen Irrtum. Allerdings kann ein solcher auch in den Fällen gegeben sein, in denen die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in der Abweichung eines "sachgedanklichen Mitbewusstseins" von den tatsächlichen Umständen besteht. Danach ist insbesondere der Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte von als selbstverständlich angesehenen Erwartungen geprägt, die zwar nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden, jedoch der vermögensrelevanten Handlung als hinreichend konkretisierte Tatsachenvorstellung zugrunde liegen (vgl. LK/Tiedemann, aaO Rn. 79). Diese Grundsätze hätte das Landgericht in den vorbezeichneten Fällen in seine Prüfung eines tatbestandlichen Irrtums der kassierenden Personen einbeziehen müssen.
9
2. In den Einzelfällen, in denen die Kassierer oder Tatzeugen nicht ermittelt werden konnten, kommt hinzu, dass das Landgericht die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt hat. Zwar ist in den Urteilsgründen grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.); danach wird es regelmäßig erforderlich sein, die irrende Person zu ermitteln und in der Haupt- verhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Vielmehr kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen ) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden. In der Regel kann das Gericht auch aus Indizien auf einen Irrtum schließen. In diesem Zusammenhang kann etwa eine Rolle spielen , ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im Interesse eines anderen verpflichtet war, sich von der Wahrheit der Behauptungen des Täters zu überzeugen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434). Wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verfügende kollusiv mit dem täuschenden Täter zusammengearbeitet oder aus einem sonstigen Grund Kenntnis von der Täuschung erlangt hatte und der durch die Täuschung erregte Irrtum deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte, können sogar nähere Feststellungen dazu, wer verfügt hat, entbehrlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885).
10
So verhält es sich hier. Da an einer Kasse beschäftigte Mitarbeiter eines Unternehmens schon aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung den Antrag eines Kunden auf Abschluss eines Kaufvertrages zurückweisen müssen, wenn der Kunde seiner Zahlungspflicht nicht sofort oder nicht vollständig nachkommt , es sich vorliegend um sehr gut gefälschte 200-Euro-Scheine handelte und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine bewusste Entgegennahme von Falschgeld durch die Kassierenden gegeben sind, liegt auch in diesen Fällen - selbst wenn die Verfügenden keine konkrete Erinnerung an den jeweiligen Vorgang mehr hatten oder diese sowie andere Tatzeugen nicht ermittelt wer- den konnten - das Vorliegen eines Irrtums nahe. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
11
3. Die Einheitlichkeit der Tat steht in den vorbezeichneten Fällen der Aufrechterhaltung der - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld entgegen (vgl. Meyer -Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 7a), so dass die Sache insoweit insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf.
12
III. Das angefochtene Urteil kann weiterhin nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht es unterlassen hat, in den Fällen II. 1 bis 31 und 33 bis 44 über eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Frage, inwieweit die Beanstandung der Nichtanwendung des § 111i Abs. 2 StPO einer Verfahrensrüge bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 5 StR 306/12, NJW 2013, 950, 951), nicht an, da jedenfalls der Revisionsbegründung eine solche Rüge, welche die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllen würde, entnommen werden kann.
13
Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte in 43 Fällen aus seinen Taten Waren und Wechselgeld erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Da der Anordnung des Verfalls nach den Feststellungen die Ansprüche der jeweils Geschädigten entgegenstehen, hätte das Landgericht in Ausübung seines ihm insoweit zustehenden pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden müssen , ob es die für das weitere Verfahren erforderlichen Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO trifft. Hierzu verhält sich das Urteil jedoch weder ausdrücklich noch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung geprüft und von dem ihm zustehenden Ermessen in der Art und Weise Gebrauch gemacht hat, dass es eine entsprechende Anordnung nicht treffen wollte. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem das Gericht von einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO absehen durfte oder musste, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. BT-Drucks. 16/700 S. 16; BGH, Urteil vom 17. Juni 2009 - 2 StR 195/09, juris Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN).
14
B. Revision des Angeklagten
15
I. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte - im Ergebnis erfolglos -, dass die Strafkammer hinsichtlich eines Schöffen nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO).
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1. Der Rüge liegt im Wesentlichen der folgende Verfahrensgang zugrunde :
17
Der Vorsitzende bestimmte mit Verfügung vom 24. September 2012 Termin zur Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 4. Oktober 2012 und verfügte , dass "die Schöffen des 05.10.12" zu laden seien. Der für den ordentlichen Sitzungstag am Freitag, den 5. Oktober 2012 heranzuziehende Hauptschöffe , der Schöffe Q. , hatte bereits im Dezember 2011 schriftlich mitgeteilt , dass er drei vorgesehene Termine als Schöffe nicht wahrnehmen könne, da er sich an diesen im Urlaub befinden werde; zu diesen Terminen gehörte auch der 5. Oktober 2012. Auf eine Mitteilung seiner Serviceeinheit entschied der Vorsitzende daraufhin, dass der Schöffe von der Dienstleistung gem. § 54 GVG befreit werde. Darauf wurde der von der Schöffengeschäftsstelle als nächstbereiter Hilfsschöffe festgestellte Schöffe B. geladen. Diesen befreite der Vorsitzende ebenfalls von der Dienstleistung, da der Hilfsschöffe mitgeteilt hatte, dass er sich vom 2. bis 6. Oktober 2012 im Krankenhaus befinden werde. Der danach geladene nächstbereite Hilfsschöffe, der Schöffe M. , nahm schließlich an der Hauptverhandlung - neben der weiteren, regulär für den ordentlichen Sitzungstag vom 5. Oktober 2012 heranzuziehende (Haupt-) Schöffin - teil.
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In der Hauptverhandlung rügte der Verteidiger noch vor Vernehmung des Angeklagten zur Sache die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen M. und trug vor, dass die Entbindung des Hauptschöffen Q. sich als objektiv willkürliche Richterentziehung darstelle, weil dieser am 4. Oktober 2012 gar nicht verhindert gewesen sei. Diesen Besetzungseinwand wies die Strafkammer als unbegründet zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass für den 4. Oktober 2012 die Schöffen zu laden gewesen seien, die "hätten geladen werden müssen, wenn der 5.10.2012 - wie ursprünglich geplant - der erste ordentliche Sitzungstag gewesen wäre". Wegen der Verhinderung des Schöffen Q. (und des Hilfsschöffen B. ) am 5. Oktober 2012 sei der Hilfsschöffe M. zu laden gewesen. Dessen Bestellung sowie die Entbindung des Hauptschöffen Q. von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden seien mit Blick auf den Vermerk der Geschäftsstelle über die Verhinderung des Hauptschöffen Q. im Übrigen jedenfalls nicht willkürlich erfolgt.
19
2. Die Verfahrensbeanstandung bleibt ohne Erfolg. Das erkennende Gericht war nicht vorschriftswidrig im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO besetzt; denn der mitwirkende Hilfsschöffe M. war aufgrund der vorangegangenen Entbindung des Hauptschöffen sowie der - nicht beanstandeten - Entbindung des zunächst heranzuziehenden weiteren Hilfsschöffen der zur Mitwirkung berufene Richter. Die auf § 54 GVG gestützte Entscheidung des Vorsitzenden, den Hauptschöffen Q. von der Dienstleistung am 4. Oktober 2012 zu entbinden , beruhte zwar auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab, war indes jedenfalls nicht willkürlich.
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Im Einzelnen:
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a) Die - bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte - Frage, ob bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die Verhinderung des Hauptschöffen an diesem oder an dem - infolge der Verlegung an einem anderen Tag stattfindenden - tatsächlichen Sitzungstag für seine Entbindung von der Dienstleistung maßgebend ist, ist dahin zu entscheiden, dass für die Entbindung des ("Haupt-") Schöffen von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag, nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
22
Die Verlegung des Beginns einer ordentlichen, gemäß § 45 Abs. 1 GVG bestimmten Sitzung auf einen anderen Tag führt dazu, dass die gemäß § 77 GVG im Voraus für den verlegten ordentliche Sitzungstag bestimmten Hauptschöffen heranzuziehen sind; anders als bei der unzulässigen Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung, zu der gemäß §§ 47, 77 Abs. 1 GVG die zur Mitwirkung berufenen Schöffen aus der Hilfsschöffenliste herangezogen werden , wird hierdurch der Angeklagte nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1957 - 1 StR 254/57, BGHSt 11, 54 ff.). Demnach gebührt allgemein der Mitwirkung der Hauptschöffen der Vorrang vor der Heranziehung von Hilfsschöffen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1995 - 5 StR 532/94, BGHSt 41, 175, 177). Dieser Grundsatz spricht bereits dafür, den Hauptschöffen, der lediglich an dem ursprünglich festgestellten ordentlichen Sitzungstag, nicht aber an dem tatsächlich bestimmten, vom ordentlichen Sitzungstermin abweichenden Tag verhindert ist, zu der Sitzung heranzuziehen. Zudem ist der Schöffe an dem durch die Verlegung des Sitzungstages bestimmten, die Stelle des ordentlichen Sitzungstages einnehmenden ("neuen") Sitzungstag gerade nicht an der Dienstleistung gehindert im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 GVG. Schließlich wäre bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die (zusätzliche) Berücksichtigung der Verhinderung eines Schöffen an diesem Tag nicht praxisgerecht: Zum einen müsste zur Feststellung des gesetzlichen Richters regelmäßig geprüft werden, ob der Schöffe (auch) an dem ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, und zwar auch dann, wenn an diesem Tag tatsächlich gar keine Sitzung stattfindet; zum anderen wäre der Schöffe im Sinne des § 54 Abs. 1 GVG verhindert, wenn er am ordentlichen Sitzungstag, an dem tatsächlich keine Sitzung stattfindet, nicht aber am tatsächlichen Sitzungstag an der Dienstleistung gehindert ist. Die Verhinderung am ordentlichen Sitzungstag als maßgebend anzusehen, hätte bei strikter Beachtung schließlich zur Folge, dass der Schöffe, der zwar am verlegten neuen Sitzungstag, nicht aber am ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, zur Mitwirkung berufen und heranzuziehen wäre. Da dieser Schöffe indes seine Dienstleistung wegen Verhinderung tatsächlich nicht erbringen könnte, wäre eine dem Grundsatz des gesetzlichen Richters genügende, vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung jedenfalls an dem neuen Sitzungstag nicht möglich.
23
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass von den vorstehenden Maßstäben , nach denen für die Gerichtsbesetzung die Verhinderung eines Schöffen am tatsächlichen und nicht (auch) am ordentlichen Sitzungstag maßgeblich ist, die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung bei einer (vorherigen ) Entbindung eines am Sitzungstag tatsächlich nicht (mehr) verhinderten Schöffen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11) nicht berührt wird.
24
b) Soweit die Entbindungsentscheidung demgegenüber auf der Verhinderung des Schöffen nicht am tatsächlichen, sondern am ursprünglichen Sitzungstag beruht, hat dies gleichwohl in der hier gegebenen Konstellation keine ordnungswidrige Besetzung der Kammer zur Folge; denn der Schöffe, der wirk- sam von seiner Dienstleistung entbunden ist (§ 54 Abs. 1, § 77 Abs. 1 GVG), ist infolge seiner Entbindung nicht mehr der gesetzliche Richter. An seine Stelle tritt gemäß §§ 49, 77 Abs. 1 GVG derjenige Hilfsschöffe, der an bereitester Stelle auf der Schöffenliste steht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 54 Rn. 18). Die Entbindungsentscheidung selbst ist gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1, § 77 Abs. 1 GVG unanfechtbar und unterliegt daher nicht der Prüfung des Revisionsgerichts (§ 336 Satz 2 Alt. 1 StPO). Die auf der Entbindungsentscheidung beruhende Gerichtsbesetzung kann somit grundsätzlich nicht nach § 338 Nr. 1 StPO mit der Revision gerügt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich und der verfassungsrechtliche Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG verletzt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1982 - 2 StR 32/82, BGHSt 31, 3, 5; vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476; vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 222; s. auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 2000 - 3 StR 378/00, BGHSt 46, 238, 241; BT-Drucks. 8/976, S. 66; LR/Gittermann, StPO, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 19 f.).
25
Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG, § 336 Satz 2 Alt. 1 StPO kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich. So wird das Bundesverfassungsgericht durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu einem Kontrollorgan , das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet die fehlerhafte Auslegung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar sind (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690). Etwas anderes gilt lediglich in dem - hier nicht gegebenen - Fall, dass nicht die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel, sondern die Verfassungsmäßigkeit der der Rechtsanwendung zugrunde liegenden Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans ) selbst zu prüfen ist (BVerfG aaO; BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a., NJW 2012, 2334, 2335 mwN).
26
c) Daran gemessen hält die Entbindung des Hauptschöffen Q. der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, der am ordentlichen Sitzungstag verhinderte Hauptschöffe sei (auch) am vorverlegten Sitzungstag, dem 4. Oktober 2012, an der Dienstleistung gehindert, stellt keine nicht mehr vertretbare , objektiv willkürliche Rechtsauslegung dar. Dies ergibt sich bereits daraus , dass die hier zugrundeliegende Rechtsfrage vor der Entscheidung des Senats noch nicht geklärt war und in der Sache unterschiedliche Ansichten nicht unvertretbar waren. So ist etwa auch der Generalbundesanwalt davon ausgegangen, dass für die Frage der Verhinderung auf den ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag abzustellen sei, da bei einem Sitzungsbeginn an diesem Tag die Kammer mit dem Hilfsschöffen ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre und bei einer Vorverlegung nichts anderes gelten könne.
27
Auf die Frage, ob die Entscheidung des Vorsitzenden auch deshalb nicht willkürlich war, weil er den Schöffen aufgrund des Vermerks der Geschäftsstelle entbunden hat, kommt es danach nicht mehr an.
28
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
29
Entgegen der Auffassung der Revision sind insbesondere die konkurrenzrechtlichen Bewertungen des Urteils nicht zu beanstanden. Tateinheit zwischen Inverkehrbringen von Falschgeld und Betrug ist angesichts der - von der Revision selbst erkannten - unterschiedlichen Schutzrichtung der beiden Tatbestände möglich (vgl. auch BGH, Urteile vom 27. September 1977 - 1 StR 374/77, juris Rn. 44 mwN; vom 10. Mai 1983 - 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380 ff.) und vorliegend durch die Feststellungen auch belegt.
30
Dass der Angeklagte das Falschgeld in einem Akt erhalten hat und sich dazu entschloss, es sukzessive in Verkehr zu bringen, führt nicht zu einer einzigen Tat. Ein einheitlicher Gesetzesverstoß setzt in der hier gegebenen Konstellation voraus, dass der Täter sich das Geld in der Absicht verschafft, es später abzusetzen, und er diese Absicht später verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2011 - 3 StR 51/11, NStZ 2011, 516 f. mwN). Da der Angeklagte bei Erhalt des Falschgeldes ohne Vorsatz handelte, lag zu diesem Zeitpunkt noch keine tatbestandliche Handlung vor, welche die späteren Absatzhandlungen zu einer einzigen Tat verbinden könnte. Auch eine natürliche Handlungseinheit ist nicht gegeben, da es an einem dafür erforderlichen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den sich über mehr als drei Jahre hinziehenden einzelnen Handlungen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2012 - 3 StR 422/11, StV 2013, 382, 383 mwN).
31
Schließlich begegnet die Annahme einer - indes als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges nicht in die Urteilsformel aufzunehmenden - gewerbsmäßigen Begehungsweise gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB keinen Bedenken; denn der Angeklagte wollte sich nach den Feststellungen ersichtlich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Anders als in Fällen des § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB, in denen es bei einem einheitlichen Verschaffungsvorgang an der Absicht wiederholter Tatbegehung fehlen kann (s. dazu etwa BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 601/08, NJW 2009, 3798), liegt das deliktische Handeln hier allein in der Wei- tergabe, nicht in dem einheitlichen Verschaffen des Falschgeldes. Daher ist nicht auf die einheitliche Besitzerlangung, sondern auf die beabsichtigte mehrfache Abgabe an gutgläubige Dritte abzustellen. Schäfer Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 616/12
vom
5. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom
5. Februar 2014 in der Verhandlung am 5. März 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott
und der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (in der Verhandlung am
5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Verhandlung
am 5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Verhandlung
am 5. Februar 2014 und bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Verteidiger,
Justizangestellte (in der Verhandlung am 5. Februar 2014),
Justizangestellte (bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2012 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund überlanger Verfahrensdauer hat es angeordnet, dass vier Monate der verhängten Strafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A.


2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
1. Der Angeklagte war Geschäftsführer der Firma N. Ltd. Das von dieser betriebene Unternehmen unterhielt von August 2006 bis zum 31. August 2007 verschiedene kostenpflichtige Internetseiten, unter anderem die Seite „www.routenplaner-server.com“, auf der ein Online-Routenplaner angeboten wurde.
4
Diese Internetseite, für deren Gestaltung der Angeklagte verantwortlich war, war dergestalt aufgebaut, dass bei ihrem Aufruf zunächst eine Startseite erschien, auf der von dem Nutzer verschiedene Angaben zum Stand- und Zielort zu machen waren. Auf der Startseite befand sich in Fettdruck auch ein Hinweis auf ein Gewinnspiel. Eine Information darüber, dass für die Nutzung des Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war, enthielt die Startseite nicht.
5
Nach Betätigung der Schaltfläche „Route berechnen!“ erschien eine neue Seite, über der sich eine Grafik befand, in der wiederum auf das Gewinnspiel hingewiesen wurde. Auf derselben Seite gab es auch eine so genannte Anmeldemaske , in welche der Nutzer seinen Vor- und Zunamen nebst Anschrift, E-Mail-Adresse und Geburtsdatum einzutragen hatte. Die Anmeldemaske war in kursiver Schrift mit den Worten überschrieben: „Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus!“ Im unteren Bereich der Seite war von dem Nutzer die Schaltfläche „ROUTE PLANEN“ anzuklicken. Unterhalb dieser Schaltfläche befand sich ein Fußnotentext, auf den mit einem Sternchenhinweis verwiesen wurde. Am Ende dieses mehrzeiligen Fußnotentextes war der Preis für einen dreimonatigen Zugang zu dem Routenplaner in Höhe von 59,95 € in Fettdruck ausgewiesen. In Abhängigkeit von der Größe des Monitors und der verwendeten Bildschirmauflösung endete der sichtbare Teil der Internetseite unmittelbar nach der Schaltfläche „ROUTE PLANEN“,so dass der Hinweis auf das zu zahlende Entgelt auf den ersten Blick nicht wahrzunehmen war. Das zu zahlende Entgelt in Höhe von 59,95 € war auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf- geführt, die über den Link „AGB und Verbraucherinformation“ aufrufbarwaren und von dem Nutzer akzeptiert werden mussten. Die Allgemeinen Geschäfts- bedingungen enthielten darüber hinaus eine Bestimmung, wonach dem Nutzer über den Betrag in Höhe von 59,95 € eine Rechnung zugesandt und der Rechnungsbetrag vorbehaltlich des Widerrufsrechts unmittelbar nach Vertragsschluss fällig werde.
6
Zur Prüfung einer möglichen Strafbarkeit durch das Betreiben der Internetseite hatte sich der Angeklagte bereits im Jahr 2006 an seinen Verteidiger, Rechtsanwalt P. , gewandt, der ihn an seinen Sozietätskollegen, Rechtsanwalt G. , weiterverwies. Dieser gab dem Angeklagten ein im August 2006 für einen Dritten erstattetes Gutachten über die strafrechtliche Beurteilung eines auf einer vergleichbaren Internetseite angebotenen kostenpflichtigen Intelligenztests zur Kenntnis. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit wegen Betrugs schon deswegen nicht in Betracht komme, weil keine Täuschungshandlung vorliege.
7
Aufgrund der Klage eines Verbraucherschutzverbandes wurde der Angeklagte am 27. Juni 2007 vom Landgericht Frankfurt am Main verurteilt, es zu unterlassen, Internetseiten (mit ähnlichem Erscheinungsbild) zu betreiben, ohne die Preise für die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen deutlich zu machen. Das Urteil wurde ihm am 2. Juli 2007 zugestellt. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung nahm der Angeklagte aufgrund eines Hinweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 6. Mai 2008 zurück. Weitere gleichgelagerte Entscheidungen durch das Landgericht Frankfurt am Main vom 5. September 2007 folgten, sie wurden vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 4. Dezember 2008 und in einem Fall vom Bundesgerichtshof mit Entscheidung vom 25. März 2010 bestätigt (UA S. 31 f.).
8
2. Spätestens zum 1. September 2007 führte die O. Ltd. die zuvor von der N. Ltd. betriebenen Internetseiten in unveränderter Form weiter. Die O. Ltd. hatte in der Zeit vom 1. März 2007 bis zum 31. Oktober 2007 ihren Sitz zunächst in W. ; zum 1. November 2007 wurde der Firmensitz zum Schein nach Ob. verlegt. Geschäftsführerin der O. Ltd. war die ursprüngliche Mitangeklagte D. , die im Jahr 2005 ohne Deutschkenntnisse als „Au Pair-Mädchen“ aus der Slowakei nach Deutschland gekommen und zum Zeitpunkt ihrer Eintragung als Geschäftsführerin 21 Jahre alt war. Tatsächlich wurden die Geschäfte der O. Ltd. von dem Angeklagten geführt, der nach außen hin als Prokurist auftrat.
9
Insgesamt 261 Nutzer, die den Kostenhinweis auf der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ nicht zur Kenntnis genommen hatten, erstatte- ten Strafanzeige, nachdem sie nach Ablauf der Widerrufsfrist per E-Mail oder per Post eine Zahlungsaufforderung erhalten hatten. Zehn Anzeigeerstatter zahlten das Entgelt in Höhe von 59,95 €. An diejenigen, die nicht gezahlt hatten , wurden Zahlungserinnerungen versandt; einige erhielten zudem Schreiben von Rechtsanwälten, in denen ihnen für den Fall, dass sie nicht zahlten, mit einem Eintrag bei der „Schufa“ gedroht wurde.
10
II. Das Landgericht hat in der verantwortlichen Gestaltung der Internetseiten durch den Angeklagten einen versuchten Betrug gesehen. Der Angeklagte habe die Absicht gehabt, durch die äußere Form der Internetseite über deren Kostenpflichtigkeit zu täuschen und den Nutzern jeweils einen Vermögensschaden in Höhe von 59,95 € zuzufügen. Der Schaden habe darin liegen sollen, dass die Internetnutzer, die nach Eingabe ihrer Daten die Schaltfläche „ROUTE PLANEN“ betätigt hatten, dadurch einen – wenn auch zivilrechtlich anfechtba- ren – Vertrag geschlossen hätten, der sie zur Zahlung von 59,95 € verpflichtet habe, obwohl die Leistung auch umsonst erhältlich gewesen sei (UA S. 73). Darüber hinaus sei der Vertrag nicht auf eine einmalige Leistung, sondern auf ein Abonnement gerichtet gewesen, was den Internetnutzern, die den Kostenhinweis nicht wahrgenommen hätten, gar nicht bekannt gewesen sei. Daher habe zum einen keine Möglichkeit zur Nutzung bestanden, zum anderen sei diese Nutzungsmöglichkeit wirtschaftlich sinnlos gewesen, wenn die Nutzer anlassbezogen eine einzelne Route planen wollten (UA S. 75). Einen vollendeten Betrug hat das Landgericht, das lediglich drei der Anzeigeerstatter als Zeugen vernommen hat, mit der Begründung verneint, es sei nicht nachzuweisen, dass tatsächlich Nutzer der Seite getäuscht worden seien. Aufgrund des dem Angeklagten bekannten Gutachtens vom 2. August 2006, auf das er vertraut habe, habe ihm zunächst die Einsicht gefehlt, Unrecht zu tun. Nachdem ihm am 2. Juli 2007 das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zugestellt worden sei, habe er aber mit bedingtem Unrechtsbewusstsein gehandelt; ihm sei spätestens ab diesem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass er durch die Gestaltung der Internetseiten gegen zivilrechtliche Normen verstoße (UA S. 79). Angesichts von Verschleierungshandlungen im Sommer/Herbst 2007 (Einschaltung von Scheingeschäftsführern , Umfirmierungen und Sitzverlegungen) sei die Strafkammer überzeugt, dass dem Angeklagten tatsächlich bewusst gewesen sei, durch seine Seitengestaltung gegen geltendes Recht zu verstoßen.

B.


11
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
12
I. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
13
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Schuld- und Strafausspruch begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
1. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale des Betrugs gegeben ist.
15
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Vorsatz ge- habt, die Nutzer der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ über die Kos- tenpflichtigkeit der angebotenen Leistung zu täuschen, wird von den Feststellungen getragen.
16
aa) Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täuschung nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3).
17
Auf eine solche Täuschungshandlung richtete sich der Vorsatz des Angeklagten. Der Internetseite und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war zwar bei genauer Lektüre zu entnehmen, dass die Inanspruchnahme des Rou- tenplaners zum Abschluss eines Abonnementvertrages führte und zur Zahlung eines Entgelts in Höhe von 59,95 € verpflichtete. Die Strafkammer hat den Vorsatz aber ohne Rechtsfehler daraus abgeleitet, dass der Angeklagte durch den gewählten Aufbau der Internetseite die Kostenpflichtigkeit der angebotenen Leistung verschleiert hat, indem er den Hinweis auf das anfallende Nutzungsentgelt an einer Stelle platziert hat, an der mit einem solchen Hinweis nicht zu rechnen war. Der Hinweis war nicht – wie insbesondere bei Leistungen zu erwarten ist, die im Internet problemlos kostenfrei in Anspruch genommen werden können – im örtlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben angebracht , die sich auf die angebotene Leistung beziehen. Er war vielmehr in einem Fußnotentext enthalten, dessen Inhalt der Nutzer nur dann zur Kenntnis nehmen konnte, wenn er dem neben der Überschrift zur Anmeldemaske befindlichen Verweis in Form eines Sternchens folgte. Diese Gestaltung spricht dafür, dass der Angeklagte tatsächlich eine Kenntnisnahme der Kostenpflichtigkeit durch die Nutzer verhindern wollte. Hierfür spricht auch, dass der Fußnotentext bei der im Tatzeitraum statistisch am häufigsten verwendeten Bildschirmgröße und -auflösung erst nach vorherigem „Scrollen“ wahrgenommen werden konnte (so auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 400 f.). Auch die wiederholte Hervorhebung der Gewinnspielteilnahme zielte erkennbar darauf ab, die Aufmerksamkeit des Nutzers darauf zu lenken und so durch die Gesamtgestaltung der Internetseite darüber hinwegzutäuschen, dass für die Inanspruchnahme des Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war.
18
Zudem liegt in der Gestaltung der Internetseite ein Verstoß gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV). Diesem Umstand kommt in Fällen, in denen – wie hier – ein Kostenhinweis lediglich an versteckter Stelle enthalten ist, für die Beurteilung einer Täuschungshandlung und eines darauf gerichteten Vorsatzes indizielle Bedeutung zu (vgl. Fischer, 61. Aufl., § 263 Rn. 28a; Eisele, NStZ 2010, 193, 196; Brammsen/Apel, WRP 2011, 1254, 1255; Hatz, JA 2012, 186, 187). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat derjenige, der Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Endpreise). Diese Angaben müssen der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV). Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV sind die Angaben dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen und leicht erkennbar sowie deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen. Soweit auf der Internetseite des Angeklagten lediglich ein Sternchen auf eine Fußnote verwiesen hat, in der das zu zahlende Entgelt ausgewiesen war, genügt dies den beschriebenen Anforderungen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998 – I ZR 187/97, BGHZ 139, 368, 377; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2009, 265, 266) und trägt den landgerichtlichen Schluss, der Angeklagte sei bestrebt gewesen, die Kostenpflichtigkeit des Angebots täuschend zu verschleiern.
19
Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass die für die Nutzung anfallenden Kosten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgewiesen waren. Da bereits die Hauptseite keinen deutlichen und leicht erkennbaren Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit enthielt, konnten und mussten die Nutzer nicht damit rechnen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine solche für die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Leistung wesentliche Angabe beinhalteten (ebenso OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 402). Dass der Angeklagte trotz Mitteilung des anfallenden Entgelts auch insoweit beabsichtigte, potentielle Nutzer zu täuschen, wird zudem daraus ersichtlich, dass die entsprechende Preisklausel erstmals in einer drucktechnisch nicht hervorgehobenen Bestimmung auf der dritten Bildschirmseite enthalten und das konkret zu zahlende Entgelt in Höhe von 59,95 € erst einer weiteren Bestimmung auf der fünften Bildschirmseite zu entnehmen war (UA S. 19 f.).
20
bb) Der Annahme von Täuschungsabsicht steht nicht entgegen, dass der Hinweis auf die Entgeltlichkeit bei sorgfältiger, vollständiger und kritischer Prüfung erkennbar war. Es ist zwar nicht Aufgabe des Strafrechts (und des Betrugstatbestands), allzu sorglose Menschen vor den Folgen ihres eigenen unbedachten Tuns zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 103; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 4). Doch lassen Leichtgläubigkeit des Opfers oder Erkennbarkeit einer auf die Herbeiführung eines Irrtums gerichteten Täuschungshandlung weder aus Rechtsgründen die Täuschungsabsicht entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 f.; Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314; Urteil vom 4. Dezember 2003 – 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111) noch schließen sie eine irrtumsbedingte Fehlvorstellung aus.
21
An dieser Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ; ABl. 2005 L149 S. 22) festzuhalten.
22
Gemäß Art. 6 (1) d) der Richtlinie 2005/29/EG gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation , selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf den Preis täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in je- dem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Der Richtlinie liegt daher im Grundsatz das Leitbild eines durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbrauchers zugrunde (vgl. auch den Erwägungsgrund 18).
23
Soweit unter Verweis auf dieses Leitbild in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des Betrugstatbestands liege eine strafrechtlich relevante Täuschung nur dann vor, wenn die im Geschäftsverkehr getätigte Aussage geeignet ist, eine informierte, aufmerksame und verständige Person zu täuschen (Soyka, wistra 2007, 127, 132; SSW/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 113 f.; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., 2012, § 10 Rn. 17, 21; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht , 6. Aufl., 2013, § 9 Rn. 104 f.; Ruhs in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 567, 579 ff.; vgl. auch Dannecker, ZStW 2005, 697, 711 f.), folgt der Senat dieser Ansicht nicht.
24
Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung wird überwiegend aus Art. 4 Abs. 3 EUV (früher: Art. 10 EGV) und aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (früher : Art. 249 Abs. 3 EGV) abgeleitet (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 52; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 6 ff.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 37). Richtlinienkonform auszulegen sind dabei zunächst diejenigen Vorschriften, die unmittelbar der Umsetzung einer EU-Richtlinie dienen (Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 63; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10); darüber hinaus ist aber auch das sonstige nationale Recht im Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts auszulegen, selbst wenn es sich um Vorschriften handelt, die vor oder unabhängig von dem Erlass der Richtlinie ergangen sind (EuGH, Urteil vom 13. November 1990 – C-106/89; Urteil vom 14. Juli 1994 – C-91/92, NJW 1994, 2473, 2474; Urteil vom 16. Juli 1998 – C-355/96, NJW 1998, 3185, 3187).
25
Infolgedessen besteht die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung auch im Bereich des Strafrechts (Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 560; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 104; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10 ff.). Sie kann dazu führen, dass unter mehreren vertretbaren Auslegungsvarianten einer Strafnorm diejenige zugrunde zu legen ist, die dem Unionsrecht am besten gerecht wird (s. Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 46; Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 55; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 93; Hecker, Europäisches Strafrecht , 4. Aufl., § 10 Rn. 15; LK-Weigend, StGB, 12. Aufl., Einleitung Rn. 87; Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB, 29. Aufl., Vorbemerkungen vor § 1 Rn. 28).
26
Im Hinblick darauf, dass das Landgericht das Betreiben der von dem Angeklagten gestalteten Internetseite seit dem 2. Juli 2007 als Täuschungshandlung gewertet hat und die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung spätestens mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie besteht (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 – C-212/04, NJW 2006, 2465, 2468), war die gemäß Art. 19 bis zum 12. Juni 2007 umzusetzende Richtlinie 2005/29/EG im Tatzeitraum zwar anwendbar ; sie erfordert indes keine strafbarkeitseinschränkende Auslegung des Betrugstatbestands.
27
(1) Auch wenn sich die innerstaatliche Rechtsanwendung an den gesamten Wertungsvorgaben des Unionsrechts zu orientieren hat (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 51), unterliegt die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung Grenzen. Sie setzt grundsätzlich erst dann ein, wenn der Inhalt der Richtlinie insgesamt oder im angewendeten Bereich eindeutig ist (BGH, Beschluss vom 3. Juni 1993 – I ZB 9/91, GRUR 1993, 825, 826; Urteil vom 5. Februar 1998 – I ZR 211/95, BGHZ 138, 55, 61). Dies gilt auch für den Bereich des Strafrechts. Ein absoluter Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung im Bereich des materiellen Strafrechts liefe Gefahr, in Konflikt mit der eingeschränkten Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union auf dem Gebiet des Strafrechts und dem Grundsatz der möglichst weitgehenden Schonung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu geraten (vgl. Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 520, 550 f., 563; Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht, 2002, S. 434, 452 f.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., 2011, § 11 Rn. 51). Richtlinienvorgaben können aus diesem Grund nicht in jedem Fall vorbehaltlos in das Strafrecht übertragen werden, zumal der Richtliniengeber die Auswirkungen einer andere Lebensbereiche betreffenden Richtlinie auf das Strafrecht eines jeden Mitgliedsstaates mitunter nicht im Blick hat bzw. haben kann (vgl. Schröder, aaO, S. 444, 450). Es bedarf daher der Prüfung, ob der Regelungsinhalt der Richtlinie nach deren Sinn und Zweck auf die Strafnorm durchschlägt (Schröder, aaO, 2002, S. 452 f.; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht, 2009, S. 119; Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 564). Dabei ist zu beachten, dass der normative Gehalt einer nationalen Vorschrift im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht grundlegend neu bestimmt werden darf (vgl. Jarass, EuR 1991, 211, 218; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 533).
28
Nach diesen Maßstäben scheidet eine einschränkende Auslegung des Betrugstatbestands aufgrund der Richtlinie 2005/29/EG aus. Das Leitbild des durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbrauchers hat – dem Zweck des Lauterkeitsrechts entsprechend – primär den Schutz der Dispositionsfreiheit des Verbrauchers im Blick und zielt darauf ab, ihn generalpräventiv vor unlauteren Beeinflussungen vor, bei oder nach Vertragsschluss zu schützen und damit seine (rechtsgeschäftliche) Entscheidungsfreiheit und mittelbar den Schutz der Mitbewerber sowie einen unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 1 Rn. 17; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 1 Rn. 20 f.; Fezer, WRP 1995, 671, 675; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 129 f.). Gemäß Art. 1 bezweckt auch die Richtlinie 2005/29/EG, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über unlautere Geschäftspraktiken zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es keiner Einschränkung des strafrechtlichen Vermögensschutzes. Die Richtlinie verfolgt nicht den Zweck, Geschäftspraktiken straffrei zu stellen, die zu einer Verletzung von Rechtsgütern der Verbraucher führen, und Verhaltensweisen zu privilegieren , die auf die Täuschung unterdurchschnittlich aufmerksamer und verständiger Verbraucher gerichtet sind (Vergho, wistra 2010, 86, 90 f.). Irreführende Geschäftspraktiken, die dazu dienen, den Verbraucher durch gezielte Täuschung an seinem Vermögen zu schädigen, werden von dem Schutzzweck der Richtlinie daher nicht erfasst (vgl. Erb, ZIS 2011, 368, 376; Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 566).
29
Es kommt hinzu, dass eine Begrenzung der Betrugsstrafbarkeit auf solche Täuschungshandlungen, die geeignet sind, einen durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbraucher zu täuschen, dem durch § 263 StGB intendierten Rechtsgüterschutz widerspräche. Eine richtlinienkonforme Auslegung des Betrugstatbestands darf nicht so weit gehen, dass dessen Schutzbe- reich gegenüber Personen eingeschränkt wird, die intellektuell oder situativ nicht zu einem normativ „durchschnittlichen“ Maß an Selbstschutz inder Lage sind (Fischer, aaO Rn. 55a). Denn dadurch würde der strafrechtliche Rechtsgüterschutz gerade solchen Verbrauchern versagt, die in besonderem Maße schutzwürdig sind (Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 298 f.). Zu bedenken ist überdies, dass es keinerlei Hinweis dafür gibt, dass der Europäische Richtliniengeber, der den Verbraucherschutz mit seinen Regelungen stärken wollte, diesen Personenkreis zum Zwecke der Harmonisierung dem strafrechtlichen Schutz einzelner Mitgliedsländer entziehen wollte.
30
Eine Beschränkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes auf durchschnittlich verständige Verbraucher führte überdies zu einer die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung überschreitenden Normativierung des Täuschungs - und Irrtumsbegriffs. Anders als der Begriff des durchschnittlich informierten , aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der normativ geprägt (vgl. Fezer, WRP 1995, 671, 676; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 94, 96; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5, Rn. 1.49 mwN) und deshalb hinsichtlich seiner Reichweite von den Gerichten selbständig zu bestimmen ist (vgl. den Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG sowie EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 – C-428/11, GRUR 2012, 1269, 1272), setzt der Betrugstatbestand nach seinem Wortlaut die Erregung eines durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums voraus. Der Irrtum ist als Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit eine psychologische Tatsache (vgl. Fischer, aaO Rn. 54; NK-Kindhäuser, 4. Aufl., § 263 Rn. 170), sein Vorliegen ist Tatfrage (Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 33). Es kommt daher nicht darauf an, was der Getäuschte hätte verstehen müssen, sondern was er tatsächlich verstanden hat (vgl. Vergho, wistra 2010, 86, 89; Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 32a). Mit diesen Grundsätzen wäre eine Auslegung des Betrugstatbestands nicht in Einklang zu bringen, die – ungeachtet eines bestehenden Täuschungsvorsatzes – Fehlvorstellungen von Verbrauchern, die dem Leitbild des durchschnittlichen Verbrauchers nicht entsprechen, dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz entzieht.
31
(2) Selbst wenn man den vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen nicht folgte, käme jedenfalls in der hier vorliegenden Fallgestaltung eine Einschränkung des Betrugstatbestands aufgrund einer die Vorgaben und Wertungen der Richtlinie 2005/29/EG berücksichtigenden Auslegung nicht in Betracht. Auch dem der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entnommenen Leitbild des Durchschnittsverbrauchers (grundlegend EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 – C-210/96, WRP 1998, 848, 851) liegt kein besonders aufmerksamer und gründlicher Idealtypus zugrunde (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 Rn. 1.48). Vielmehr ist die Sicht eines situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers maßgeblich. Die an den Grad der Aufmerksamkeit zu stellenden Anforderungen bestimmen sich dabei nach dem angesprochenen Personenkreis (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 – I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552; Urteil vom 20. Dezember 2001 – I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716) und der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen, so dass die Aufmerksamkeit insbesondere dort eher gering, d.h. flüchtig ist, wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs geht (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – I ZR 167/97, NJW-RR 2000, 1490, 1491; Urteil vom 19. April 2001 – I ZR 46/99, NJW 2001, 3193, 3195; Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01, GRUR 2004, 244, 245). Die Anforderungen an einen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, der willens und in der Lage ist, Informationen zur Kenntnis zu nehmen, dürfen deshalb gerade im auf schnelle Bot- schaften und schnelle Abschlüsse gerichteten Verkehr nicht überspannt werden (Hefendehl in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 50).
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Auch nach Art. 5 (2) b) und Art. 5 (3) der Richtlinie 2005/29/EG ist bei der Beurteilung, ob eine Geschäftspraktik unlauter ist, die Sicht eines leichtgläubigen Verbrauchers immer dann maßgeblich, wenn gerade ein solcher Verbraucher für eine Geschäftspraxis oder das ihr zugrunde liegende Produkt besonders anfällig ist; in diesem Fall muss der Verbraucherschutz dadurch sichergestellt werden, dass die Praxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Verbrauchergruppe beurteilt wird (vgl. auch den Erwägungsgrund 19). Wird daher – wie hier – die Entgeltlichkeit einer angebotenen Leistung bewusst verschleiert , um die Unaufmerksamkeit oder Leichtgläubigkeit bestimmter Verkehrskreise auszunutzen, ist kein Raum für eine einschränkende Auslegung des Betrugstatbestands. Dies wird auch durch die im Anhang I der Richtlinie aufgeführten Geschäftspraktiken bestätigt, „die unter allen Umständen als unlauter gelten“. Dieser Anhang enthält unter der Nummer 21 als irreführende Ge- schäftspraxis die Fallkonstellation, dass Werbematerialien eine Rechnung oder ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beigefügt wird, die dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, er habe das beworbene Produkt bereits bestellt, obwohl dies nicht der Fall ist. Auch hier ist für den Verbraucher bei sorgfältiger Prüfung erkennbar, dass es sich bei der Zahlungsaufforderung nicht um die Geltendmachung einer bestehenden Forderung handelt. Ein hiermit weitgehend vergleichbarer Sachverhalt lag bereits der Entscheidung BGHSt 47, 1 zugrunde. Die ausdrückliche Aufnahme dieser Fallkonstellation in den Anhang der Richtlinie 2005/29/EG, die durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2949) als Ziffer 22 in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG übernommen worden ist, stützt die schon in der vorgenannten Entscheidung des Bundesge- richtshofs (Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 6 f.) vertretene Rechtsansicht, wonach weder die Leichtgläubigkeit des Opfers noch die Erkennbarkeit der Täuschung eine Strafbarkeit wegen Betrugs ausschließen (vgl. auch Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 316).
33
(3) Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Die dargelegte Auslegung der Richtlinie ist offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, NJW 1983, 1257; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 16).
34
b) Infolge der Täuschung sollte bei den Nutzern ein Irrtum erregt werden. Das Verhalten des Angeklagten zielte darauf ab, den Besuchern der Internetseite eine kostenfreie Nutzung des Routenplanerangebots vorzuspiegeln, um sie damit zunächst zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages und nach Rechnungsstellung zu einer Zahlung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung für ein Routenplanerabonnement zu veranlassen.
35
c) Der Vorsatz des Angeklagten war auch auf die Herbeiführung eines Vermögensschadens gerichtet. Unabhängig davon, ob – wovon das Landgericht ausgegangen ist – bereits das Eingehen der (vermeintlichen) Verbindlichkeit einen Vermögensschaden begründet hätte, war der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet, unter Umgehung eines möglichen Widerrufsrechts die täuschungsbedingt eingegangene Verpflichtung durchzusetzen und den im Be- stellvorgang eines „praktisch wertlosen“ Routenplaners angelegten Schaden zu realisieren (vgl. UA S. 73). Infolge der Zahlung des Abonnementpreises wäre nicht nur eine Vermögensgefährdung, sondern bereits ein Erfüllungsschaden eingetreten (ausdrücklich zur Abofalle im Internet Fischer, aaO Rn. 178).
36
Der Angeklagte nahm auch zumindest billigend in Kauf, dass die Gegenleistung in Form des dreimonatigen Abonnements den Vermögensverlust nicht kompensieren würde. Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung tritt aufgrund der Verfügung ein Schaden ein, soweit die Vermögensminderung nicht durch den wirtschaftlichen Wert des Erlangten ausgeglichen wird (BGH, Urteil vom 7. März 2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15).
37
Für das Landgericht war es nicht entscheidend, ob die vom Angeklagten versprochene Leistung – das dreimonatige „Abonnement“ – „möglicherweise objektiv ihren Preis wert war“ (UA S. 74). Es hat angenommen, dass selbst in diesem Fall jedenfalls ein Schaden im Sinne eines „persönlichen Schadenseinschlags“ eingetreten sei (UA S. 73/75), weil „die Leistung im Internet auch umsonst erhältlich“ war (UA S. 73) und die Nutzer an der Inanspruchnahme eines kostenpflichtigen Routenplaners keinerlei Interesse hatten (UA S. 8). Diese Erwägungen lassen im Ergebnis keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen.
38
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die Annahme eines Vermögensschadens auch bei objektiv gleichwertigen Leistungen unter anderem dann in Betracht, wenn der Erwerber, der sich zum Abschluss eines Vertrags entschlossen hat, die versprochene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann (grundlegend Beschluss vom 16. August 1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; Beschluss vom 9. März 1999 – 1 StR 50/99, NStZ 1999, 555; Urteil vom 7. März 2006 – 1 StR 385/05, NStZ-RR 2006, 206, 207). Dasselbe gilt auch für Fälle der so genannten Unterschriftserschleichung , in denen der Getäuschte gar nicht weiß, dass er einen Vertrag abgeschlossen hat und vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist (BGHSt 22, 88, 89; ebenso OLG Hamm, NJW 1969, 624, 625; 1778; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2002, 47, 49). Wer durch Täuschung zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages veranlasst wird, erleidet einen Vermögensschaden jedenfalls dann, wenn – wie hier – die vertragliche Gegenleistung unter Beachtung der persönlichen Bedürfnisse für ihn praktisch und damit auch wirtschaftlich wertlos ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 304; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 8; Urteil vom 19. Juli 2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387; Senatsbeschluss vom 24. August 2011 – 2 StR 109/11, ZWH 2012, 191, 192).
39
Wird ein Verbraucher, der einmalig einen kostenlosen Routenplaner- Service in Anspruch nehmen will, durch Täuschung zu einem „Abonnement“ über drei Monate in der Absicht verleitet, hierdurch ein Entgelt zu erlangen, liegt daher hierin ein auf einen Vermögensschaden gerichteter Betrugsversuch (vgl. auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 403), ohne dass es darauf ankäme , ob das Abonnement (mit seinen Zusatzleistungen) möglicherweise nach objektiven Maßstäben seinen Preis wert war. Denn für die hier betroffenen und vom Angeklagten gezielt über den Abschluss eines Vertrags getäuschten Nutzer war diese Gegenleistung subjektiv sinnlos und daher wertlos, da im Internet jederzeit zahlreiche kostenlose Routenplaner verfügbar sind. Dies war dem Angeklagten auch bewusst; ebenso der Umstand, dass der Vermögensverlust für die Nutzer nicht dadurch kompensiert wurde, dass das erworbene „Abonnement“ ohne Weiteres und in zumutbarer Weise in Geld umzusetzen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 5 StR 510/13). Einen Markt für die Veräußerung und den Erwerb kostenpflichtiger Routenplanerabonnements gibt es nicht. Der Vorsatz des Angeklagten war damit auf die Verursachung eines Vermögensschadens bei den getäuschten Nutzern gerichtet.
40
2. Kein Zweifel besteht daran, dass der Angeklagte zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB), indem er das Angebot für ein kostenpflichtiges Routenplanerabonnement auf der von ihm verantwortlich gestalteten Internetseite eingestellt hat, ohne die Kostenpflichtigkeit hinreichend kenntlich zu machen. Dass sich das Landgericht, das lediglich drei der insgesamt 261 Nutzer als Zeugen vernommen hat, nicht die Überzeugung vom tatsächlichen Vorliegen einer Täuschung bzw. eines Irrtums von Internetnutzern verschaffen konnte und deshalb – obwohl zehn Anzeigeerstatter Zahlungen erbracht hatten – nicht von einem vollendeten Betrug ausgegangen ist, lässt auch erkennen, dass sich das Landgericht der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingeräumten Möglichkeiten zur Feststellung von Täuschung bzw. Irrtum bei gleichförmigen und massenhaften Geschäften nicht bewusst war (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434 [insoweit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt]; aus jüngerer Zeit: BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, wistra 2014, 97, 98). Die Verurteilung lediglich wegen versuchten Betrugs beschwert den Angeklagten indes nicht.
41
3. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit Kenntnis der gegen ihn bzw. gegen die von ihm geführten Unternehmen ergangenen zivilrechtlichen Entscheidungen im Sommer 2007 die Einsicht gehabt, Unrecht zu tun, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
42
Aufgrund dieser Entscheidungen war dem Angeklagten bekannt, dass die von ihm gewählte Gestaltung der Internetseiten gegen zivilrechtliche Normen , unter anderem gegen die Preisangabenverordnung, verstieß. Damit war die Grundlage für das bis dahin aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme angenommene Fehlen des Unrechtsbewusstseins entfallen. Soweit er in der Folgezeit (weiter) womöglich meinte, aus seiner Sicht bestehende Strafbarkeitslücken auszunutzen, schließt dies jedenfalls – worauf das Landgericht unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Rechtsprechung zutreffend hinweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02) – dann, wenn – wie auch hier – zum Tatzeitpunkt höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorliegen , die Vorstellung der Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen, und legt zumindest die Annahme einer bedingten Unrechtseinsicht nahe. Die Strafkammer hat ungeachtet dessen im Sommer 2007 Verschleierungshandlungen des Angeklagten, etwa die Einschaltung von Scheingeschäftsführern, Umfirmierungen und Sitzverlegungen, festgestellt , für die er nachvollziehbare Gründe nicht anzugeben vermochte. Soweit sie daraus schließt, diese Maßnahmen hätten dazu gedient, seine eigene Verantwortlichkeit zu verdecken und eine (persönliche) Inanspruchnahme zu erschweren , belegt dies nachhaltig, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt das erforderliche Unrechtsbewusstsein tatsächlich besessen hat.
43
4. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls stand.
44
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sowohl gewerbsmäßig als auch in der Absicht gehandelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, und dadurch die Regelbeispiele des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB erfüllt, ist nicht zu beanstanden. Wie das Landgericht festgestellt hat, betrieb der Angeklagte neben der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ weitere Internetseiten, die „ein nahezu identisches Layout“ aufwiesen (UA S. 8). Damit hatdas Landgericht die Absicht des Angeklagten, durch mehrere Straftaten eine große Anzahl von Internetnutzern zu täuschen und an ihrem Vermögen zu schädigen und sich dadurch eine fortwährende Einnahmequelle zu verschaffen, hinreichend belegt.
45
Die konkurrenzrechtliche Einordnung der abgeurteilten Handlungen als eine Tat schließt ein gewerbsmäßiges Handeln im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht aus, wenn sich die Absicht des Angeklagten – wie hier – auf die fortgesetzte Begehung von Betrugstaten richtete (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 – 2 StR 342/13). Gleiches gilt für das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, das auch den Fall des Massenbetrugs mit jeweils geringen Schadenssummen erfasst. Liegt die erforderliche Absicht der Begehung von wenigstens zwei für den Täter rechtlich selbständigen Betrugstaten vor (vgl. Fischer, aaO Rn. 219; Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 188d), begründet bereits die einmalige Tatbegehung einen besonders schweren Fall des Betrugs (BGH, Beschluss vom 9. November 2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319, 320).
46
Allerdings hat das Landgericht, das den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB gemäß § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, nicht erörtert , ob der vertypte Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB – gegebenenfalls zusammen mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen – geeignet war, von der Annahme eines besonders schweren Falls abzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2012 – 2 StR 41/12, NStZ-RR 2012, 207). Aufgrund des Tatbildes und des Umstandes, dass der Angeklagte zwei Regelbei- spiele des § 263 Abs. 3 StGB erfüllt hat, schließt der Senat jedoch aus, dass das Landgericht bei entsprechender Prüfung einen für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde gelegt hätte.
47
5. Die Entscheidung des Landgerichts, infolge einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen Vollstreckungsabschlag von vier Monaten auf die verhängte Strafe zu gewähren, lässt unter Berücksichtigung des im Rahmen der Sachrüge eröffneten Prüfungsumfangs (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 – 2 StR 392/13) einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht erkennen.
Fischer Appl Krehl
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 3 4 2 / 1 3
vom
27. März 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Strafbarkeit wegen Betrugs durch sog. Ping-Anrufe.
BGH, Urteil vom 27. März 2014 - 3 StR 342/13 - LG Osnabrück
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: Betruges
zu 3.: Beihilfe zum Betrug
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
6. Februar 2014 in der Sitzung am 27. März 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten O.
- in der Verhandlung - ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten R.
- in der Verhandlung - ,
Justizamtsinspektor - in der Verhandlung - ,
Justizobersekretärin - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 6. März 2013 werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten T. und O. wegen Betruges zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und gegen die Angeklagte R. wegen Beihilfe zum Betrug eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15 € verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte O. macht zudem ein Verfahrenshindernis geltend und erhebt eine Verfahrensbeanstandung. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet als sachlich-rechtlichen Mangel des angefochtenen Urteils, dass die Strafkammer hinsichtlich der Angeklagten nicht jeweils von einem besonders schweren Fall des Betruges bzw. der Beihilfe dazu ausgegangen ist. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.
A. Revisionen der Angeklagten
2
I. Das von dem Angeklagten O. geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. September 2013 - 2 StR 365/12, NJW 2014, 325). Ebenfalls zutreffend sind die Ausführungen, mit denen der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift die Gründe dargelegt hat, aus denen der Verfahrensbeanstandung des Angeklagten O. der Erfolg zu versagen ist.
3
II. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die von allen Angeklagten jeweils erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben.
4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte T. gemeinsam mit den Angeklagten O. und R. sowie anderen Personen Ende des Jahre 2006 die Idee, computergestützt eine große Vielzahl von Mobiltelefonnummern anrufen und es dabei nur einmal klingeln zu lassen sowie in der Anrufliste der Telefone nicht die Rufnummer des Festnetzanschlusses, von dem der Anruf kam, sondern mittels einer speziellen Computerfunktion, über die die von dem Angeklagten O. für die massenhaften Anrufe genutzten Server verfügten, die Rufnummer eines Mehrwertdienstes zu hinterlassen (sog. Ping-Anrufe). Die Besitzer der Mobiltelefonanschlüsse sollten dadurch zu einem Rückruf bei dieser Mehrwertdienstnummer veranlasst werden, der indes lediglich zur Ansage eines für die Anrufer nutzlosen Textes führt ("Ihre Stimme wurde gezählt."). Die Ping-Anrufe sollten in der Weihnachtszeit getätigt werden, weil dem Angeklagten T. aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Telekommunikationsgeschäft bekannt war, dass Besitzer von Mobiltelefonen zu dieser Zeit mit Weihnachts- und/oder Neujahrsgrüßen von Verwandten oder Bekannten rechneten und deshalb ihre Bereitschaft, eine hinterlassene Rufnummer zurückzurufen, erhöht war. Die Erlöse aus den so generierten Telefongebühren für den Mehrwertdienst - 98 Cent pro Anruf - wollten die Angeklagten und weitere beteiligte Personen - abzüglich des vertraglich dem Vermieter der Mehrwertdienstenummer zustehenden Anteils - nach einem nicht feststellbaren Verteilungsschlüssel untereinander aufteilen.
5
Dem Angeklagten O. kam nach dem vom Angeklagten T. entwickelten Tatplan neben der technischen Umsetzung auch die Beschaffung der Mehrwertdienstenummern zu. Er wandte sich dazu an die Angeklagte R. , die in Kenntnis der geplanten Ping-Anrufe den Kontakt zu einem ihr bekannten Vermieter von Mehrwertdienstenummern herstellte. Die Nummern wurden anschließend von der im Libanon ansässigen Gesellschaft eines dem Angeklagten T. bekannten libanesischen Geschäftsmanns angemietet; durch die Einschaltung dieses Unternehmens sollten die zu erwartenden Vergütungen ins Ausland geschafft und deutschen Behörden der Zugriff darauf erschwert oder unmöglich gemacht werden. Die Angeklagten O. und T. entschieden sich für Mehrwertdienstenummern mit der Vorwahl "0137", weil sie aufgrund der Ähnlichkeit zu einer Vorwahl des Mobilfunknetzbetreibers Vodafone/D2 ("0173") erwarteten, dass zahlreiche Anrufer die tatsächlich im Anrufspeicher hinterlassene Rufnummer nicht als Mehrwertdienstenummer erkennen würden. Diese erhoffte Fehlvorstellung suchten sie vereinbarungsgemäß durch das gewählte Format der Mehrwertdienstenummer zu verstärken: Indem sie zur Verschleierung der Vorwahl "0137" die Länderkennung für Deutschland voranstellten , so dass die im Telefonspeicher angezeigte Rufnummer mit den Zeichen "+49137" begann, sollte der Eindruck entstehen, es handele sich um den (entgangenen ) Anruf von einer herkömmlichen Mobilfunknummer aus dem Vodafone-Netz.
6
Zur Tatzeit waren solche Ping-Anrufe nach einem Verhaltenskodex, den sich die deutschen Telekommunikationsdienstleister selbst gegeben hatten, unzulässig. Dieser Kodex war auch Bestandteil der abgeschlossenen Verträge zur Anmietung der Mehrwertdienstenummern. Da die Angeklagten T. und O. deshalb befürchteten, die Nummern könnten infolge von Beschwerden von Angerufenen abgeschaltet werden, beschlossen sie, ihr Vorgehen als eine nach dem Verhaltenskodex zulässige Abstimmung zu tarnen. Sie wählten als Thema die zum 1. Januar 2007 anstehende Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes und ließen unter der Adresse www. .net eine Internetseite einrichten, auf der - täglich wechselnd - die von ihnen für die Ping-Anrufe verwendeten Mehrwertdienstenummern angegeben wurden.
7
Dem Tatplan entsprechend wurden die 20 angemieteten Mehrwertdienstenummern kurz vor Weihnachten freigeschaltet. Über die von dem Angeklagten O. kontrollierten Server rief er ab dem Abend des 22. Dezember 2006 bis zum 28. Dezember 2006 unter Zuhilfenahme einer Datenbank, in der über 10 Millionen Mobilfunknummern gespeichert waren, eine - im Einzelnen nicht mehr feststellbare - Vielzahl dieser Nummern an. Etwa 785.000 Inhaber eines angerufenen Mobilfunkanschlusses riefen zurück, wobei es wegen Leitungsüberlastung nur in 660.000 Fällen zu einer ausreichenden Verbindung mit Auslösung des Mehrwertdienstes kam. Etwa 60.000 dieser Anrufer nutzten einen Festnetzanschluss, nachdem sie die Nummer vom Display ihres Mobiltelefons abgelesen hatten. Ab dem 28. Dezember 2006 wurden die Mehrwertdienstenummern infolge massenhafter Beschwerden sukzessive gesperrt; die Bundesnetzagentur verhängte ein Rechnungslegungs- und Inkassoverbot, so dass keine Geldbeträge an die Angeklagten bzw. die von ihnen eingesetzte libanesische Gesellschaft ausgekehrt wurden. Gleichwohl vereinnahmten die Mobilfunknetzbetreiber die Gebühren im Wege des Forderungseinzugs von ihren Kunden und erstatteten sie nur in den wenigen Fällen zurück, in denen es zu konkreten Beschwerden kam.
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2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der näheren Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
9
a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Tatbestandsmerkmale der Täuschung und - dadurch hervorgerufen - des Irrtums im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB erfüllt sind.
10
Die Strafkammer hat - dem Eröffnungsbeschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg (Beschluss vom 20. August 2010 - 1 Ws 371/10, wistra 2010, 453 mit Anmerkungen von Jahn, JuS 2010, 1119 und Eiden, Jura 2011, 863) in dieser Sache folgend - die Täuschung in Folgendem gesehen: Ein eingehender Anruf stelle einen Vorgang dar, der die konkludente Erklärung erhalte, der Anrufer strebe über das Herstellen der Telefonverbindung hinaus eine inhaltlich ernstgemeinte zwischenmenschliche Kommunikation mit dem Angerufenen an. Über diese innere Tatsache werde getäuscht, wenn - wie hier - der Anrufer tatsächlich gar nicht kommunizieren wolle. Hinzu komme die Täuschung - und der entsprechende Irrtum - darüber, woher der Anruf "technisch" gekommen sei, da durch das Format der übertragenen Rufnummer habe verschleiert werden sollen , dass es sich um eine teure Mehrwertdienste- und nicht um eine herkömmliche Mobilfunkrufnummer gehandelt habe. Zudem hätten die Angerufenen in der Weihnachtszeit im besonderen Maße mit Anrufen von Verwandten und Bekannten gerechnet.
11
aa) Das Tatbestandsmerkmal der Täuschung liegt vor.
12
(1) Das Landgericht hat in dem eingehenden Anruf die schlüssige Übermittlung eines Kommunikationswunsches gesehen. Dieses Abstellen auf einen stillschweigenden Erklärungsinhalt ist zunächst im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden : Beim Betrug kann auch konkludent getäuscht werden, namentlich durch ein irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 mwN).
13
Rechtlich beanstandungsfrei ist das Landgericht aber auch davon ausgegangen , dass mit einem Anruf, bei dem die Rufnummer hinterlassen wird, nach der objektiv zu bestimmenden Verkehrsanschauung (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 f.) zugleich die Erklärung übermittelt wird, der Anrufer habe mit dem Angerufenen kommunizieren wollen. Diese Auffassung, der sich der Senat anschließt, entspricht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (OLG Oldenburg aaO, wistra 2010, 453, 454; LG Hildesheim, Urteil vom 10. Februar 2004 - 26 KLs 16 Js 26785/02, MMR 2005, 130, 131; Ellbogen/Erfurth, CR 2008, 635; Eiden, Jura 2011, 863, 865 f.; Kölbel, JuS 2013, 193, 195 f.; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 11 f.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 28c; Park/Zieschang, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., § 263 Rn. 36 Fn. 40 ; Geppert/Schütz, BeckTKG-Komm/Ditscheid/Rudloff, 4. Aufl., Vorbemerkung vor § 66a Rn. 40; so wohl auch Brand/Reschke, NStZ 2011, 379, 381; im Ergebnis auch BeckOK- v. Heintschel-Heinegg/Beukelmann, StGB, § 263 Rn. 17.2 [Stand: 8. März 2013]). Da die Angeklagten tatsächlich keine Kommunikation mit den Geschädigten anstrebten, war diese Erklärung unwahr.
14
Soweit einige Autoren die Auffassung vertreten, das Hinterlassen der Rufnummer in der Anrufliste eines Mobiltelefons erlaube insbesondere mit Blick darauf, dass ein Anruf in Abwesenheit automatisch in der Anrufliste gespeichert werde, keine Rückschlüsse auf den Willen des Anrufers, der Erklärungswert erschöpfe sich vielmehr darin, dass ein Anruf mit Rufnummernübermittlung eingegangen sei (Erb, ZIS 2011, 368, 369, der im Folgenden allerdings den von ihm angenommenen, durch Suggestion erregten Irrtum der Angerufenen ebenfalls unter § 263 StGB subsumiert; MüKoStGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 119; Lux/Schumann, ZWH 2013, 10, 13 f.; im Ergebnis ebenso Ladiges, JuS 2012, 50, 54 f.; kritisch auch Jahn, JuS 2010, 1119, 1120; NK-StGBKindhäuser , 4. Aufl., § 263 Rn. 109 mit Fn. 3; Becker, JuS 2014, 307, 311 f.), kann dem nicht gefolgt werden: Ein Telefon stellt nach allgemeiner Auffassung ein Kommunikationsmittel dar, so dass die damit vorgenommene Anwahl eines anderen Telefons - wenn zwischen den Teilnehmern nichts anderes vereinbart ist (vgl. insoweit Eiden, Jura 2011, 863, 866) - von dem durchschnittlichen Nutzer eines Mobiltelefons als Angerufenem zu Recht so verstanden werden darf, dass auch der Anrufer sein Telefon als Kommunikationsmittel nutzen wollte (Eiden, Jura 2011, 863, 866; Kölbel, JuS 2013, 193, 196). Der Umstand der automatischen Erstellung der Anrufliste ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, zumal durch den Anrufer in jedem Fall eingestellt werden kann, ob die Rufnummer übermittelt werden soll (insoweit zustimmend Lux/Schumann, ZWH 2013, 10, 13); die automatisch erstellte Mitteilung, von welcher Rufnummer aus der Kommunikationswunsch kommuniziert wurde, ist dem Anrufer mithin objektiv zurechenbar. Dass manche Personen Mobiltelefone auch zu anderen - in aller Regel missbräuchlichen - Zwecken anrufen (Klingelstreiche, sog. Telefonterror oder eben die hier getätigten Ping-Anrufe), wohnt der mit dem Anruf schlüssig übermittelten Nachricht über ein Kommunikationsanliegen als einschränkende Möglichkeit inne, stellt diese nach der Verkehrsanschauung in dem Anruf enthaltene Botschaft indes nicht grundsätzlich in Frage (Kölbel aaO).
15
(2) Eine weitere den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfüllende Täuschung liegt in der den Angerufenen zugleich konkludent vorgespiegelten Möglichkeit , einen Rückruf bei der in ihrem Mobiltelefon hinterlassenen Nummer zu dem jeweils mit ihrem Netzbetreiber vereinbarten Tarif ohne darüber hinausgehende Kosten durchführen zu können (Kölbel, JuS 2013, 193, 196; MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 119). Hierzu gilt:
16
Tatsächlich wurden die Mobiltelefone von Festnetzanschlüssen aus angewählt , an denen der Angeklagte O. die von ihm genutzten Telefon-Server betrieb, nicht aber von der Mehrwertdienstenummer, die im Anrufspeicher der Mobiltelefone hinterlegt wurde. Letzteres war auch gar nicht möglich, da von Mehrwertdienstenummern tatsächlich keine ausgehenden Anrufe getätigt werden können (vgl. Ellbogen/Erfurth, CR 2008, 635). Die hinterlegte Rufnummer war mithin falsch, worauf auch die Strafkammer maßgeblich mit ihrer Würdigung abgestellt hat, die Angerufenen seien darüber getäuscht worden, woher der Anruf technisch kam. Allein darin liegt indes eine betrugsrelevante Täuschung noch nicht, weil die rein technische Herkunft des Anrufs für die Angerufenen ohne Bedeutung war.
17
Darin erschöpft sich der Erklärungsinhalt der übermittelten Telefonnummer allerdings nicht. Kommt eine konkludente Täuschung in Betracht, so sind bei der Ermittlung des Inhalts einer stillschweigenden Erklärung anhand der Verkehrsanschauung auch solche Konstellationen zu berücksichtigen, in denen einer (schlüssigen) Erklärung aufgrund Gesetzes oder Vereinbarung ein bestimmter Gehalt zugewiesen wird; will der Handelnde eine Erklärung dieses normativ vorstrukturierten Erklärungsgehalts indes tatsächlich nicht abgeben, täuscht er zumindest konkludent (MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 105).
18
Danach ergibt sich der schlüssige Erklärungsinhalt, ein Rückruf sei mit keinen erhöhten Kosten verbunden, daraus, dass nur solche Nummern im Rufnummernspeicher eines angerufenen Mobiltelefons hinterlassen werden durften , für die dies zutraf. Das Hinterlassen einer Mehrwertdienstenummer im Rufnummernspeicher war und ist hingegen unzulässig. Nach heutiger Rechtslage ergibt sich die gesetzliche Unzulässigkeit aus § 66k TKG. Das Verbot der Übermittlung von Mehrwertdienstenummern als Rufnummer des Anrufers trat mit § 66j TKG aF zwar erst mit Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften (BGBl. I 2007, S. 106) zum 1. September 2007 in Kraft und sollte gerade auch sog. Ping-Anrufe unterbinden (BT-Drucks. 16/2581, S. 32 f.; 16/3635, S. 32, 46). Für die Tatzeit ergibt sich die Unzulässigkeit dieses Vorgehens aber aus der von der Strafkammer festgestellten Selbstverpflichtung der deutschen Telekommunikationsunternehmen, die Bestandteil der Verträge zur Anmietung der Mehrwertdienstenummern geworden und nach der das "Anpingen" unzulässig war. Angesichts dieser Umstände wird der täuschende Erklärungswert der - falschen - übermittelten Rufnummer nicht dadurch aufgehoben, dass der Angerufene - jedenfalls bei gehöriger Überprüfung - die hinterlassene Rufnummer als eine solche erkennen konnte, die eine besondere Kostenpflicht auslösen (MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 119), zumal dies von den Angeklagten durch die mit der Voranstellung der Länderkennziffer verbundene "Rufnummerntarnung" bewusst erschwert wurde (vgl. dazu Kölbel, JuS 2013, 193, 196).
19
bb) Die Angerufenen, die bei der hinterlassenen Rufnummer zurückriefen , befanden sich im Irrtum über den tatsächlich nicht bestehenden Kommunikationswunsch sowie - jedenfalls in Form eines sachgedanklichen Mitbewusstseins (vgl. dazu BGH, Urteile vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 884) - über die Kostenpflichtigkeit des von ihnen getätigten Rückrufs. Dass dieser Irrtum vermeidbar gewesen sein mag - was insbesondere in den etwa 60.000 Fällen , in denen die Angerufenen die Mehrwertdienstenummer zuvor von ihrem Mobiltelefon auf ihr Festnetztelefon übertrugen, nicht fernliegend erscheint -, steht der Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals nicht entgegen (BGH, Urteile vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5, und vom 22. Oktober 1986 - 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201; kritisch Jahn, JuS 2010, 1119, 1120 mwN; gegen den Ansatz der "Viktimodogmatik" in Fällen wie dem vorliegenden überzeugend Erb, ZIS 2011, 368, 372 ff.). Dass die Angeklagten diesen Irrtum auch hervorrufen wollten, zeigt das die Mehrwertdienstenummer verschleiernde Format, mit dem diese auf den angerufenen Mobiltelefonen hinterlassen wurde. Nur in diesem Kontext ist auch das von der Strafkammer schon im Zusammenhang mit der Täuschung angeführte, von den Angeklagten bewusst gewählte Zeitfenster der Ping-Anrufe in der Weihnachtszeit von Bedeutung , da die von ihnen erwartete und bei den Angerufenen tatsächlich vorhandene Erwartungshaltung, einen Weihnachtsgruß verpasst zu haben, deren Sorgfalt, mit der sie die zurückzurufende Nummer überprüften, nachteilig beeinflusst haben mag.
20
b) In subjektiver Hinsicht ist das Landgericht - entgegen der Auffassung der Revision - zutreffend auch vom Vorliegen der Absicht einer stoffgleichen Bereicherung ausgegangen.
21
Insoweit wird in der Literatur zwar das Merkmal der Stoffgleichheit verneint , wenn - wie es bei Mehrwertdienstenummern mit der auch hier verwendeten Vorwahl "0137" üblich sein soll - im sogenannten Online-Billing-Verfahren abgerechnet wird (vgl. Brand/Reschke, NStZ 2011, 379, 380 ff.; diesen folgend LK/Tiedemann aaO, § 263 Rn. 258; MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 791; aA Kölbel, JuS 2013, 193, 198). Denn bei diesem Abrechnungsverfahren würden die Mehrwertdiensteforderungen von den Teilnehmernetzbetreibern - also den Mobilfunkanbietern der Angerufenen - regelmäßig vorab erworben, die neben einem Teil der Transportleistung auch die Fakturierung und das Inkasso im Rahmen einer Delkrederevereinbarung übernähmen und den Teilnehmern gegenüber als Forderungsinhaber aufträten (vgl. Ditscheid/Rudloff in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 66a ff. TKG, Rn. 2). In diesen Fällen stamme der von den Tätern angestrebte Vorteil nicht aus dem Vermögen der Angerufenen, sondern aus demjenigen der Mobilfunkanbieter (Brand/Reschke, NStZ 2011, 379, 382).
22
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts wurden die Mehrwertdienste hier aber nicht auf diese Art und Weise abgerechnet , vielmehr zogen die Mobilfunkanbieter die durch die Ping-Anrufe generierten Forderungen lediglich ein und waren verpflichtet, die Erlöse an ihren Vertragspartner - nach Abzug des eigenen Anteils - auszuzahlen. Auf diesem Weg über die Abrechnungskette hätten auch die Angeklagten von ihrem Vertragspartner die Ausschüttung der Mehrwertdiensterlöse erhalten sollen. Damit entstammte der angestrebte Vorteil dem Vermögen der Angerufenen, weil die Angeklagten nach dem vereinbarten Abrechnungsmodell erst befriedigt werden sollten, wenn die Mobilfunkanbieter die Forderungen einziehen konnten.
23
3. Vor dem Hintergrund der unter 2. a) dargestellten Rechtslage werden die getroffenen Feststellungen von einer sachlich-rechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung getragen. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die Strafkammer nur neun der potentiell Geschädigten, also der Angerufenen, in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen hat. Auch angesichts der großen Zahl von Geschädigten - nach den Schätzungen des Landgerichts, bei der es bereits Sicherheitsabschläge vorgenommen hat, riefen von den 660.000 Personen, die durch ihren Rückruf den Mehrwertdienst ausgelöst hatten, mindestens 80%, mithin 528.000 Personen irrtumsbedingt bei der hinterlassenen Rufnummer an und erhielten auch das erhöhte Entgelt für den Mehrwertdienst berechnet - ist es jedenfalls materiell-rechtlich unbedenklich, dass die Strafkammer mit Blick auf die eindeutige Interessenlage und das - jedenfalls in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins - normativ vorgeprägte Vorstellungsbild der Geschädigten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423) nicht mehr Zeugen vernommen hat: Es liegt auf der Hand, dass die Geschädigten den Rückruf bei einer Mehrwertdienstenummer zum Preis von mindestens 98 Cent pro Anruf, für den sie keine sinnvolle Gegenleistung erhielten, unterlassen hätten, wenn sie die Nummer erkannt und alsdann den zutreffenden Schluss gezogen hätten, dass ein Kommunikationswunsch dieses Anrufers nicht bestand. Hinzu kommt, dass sie aufgrund der Unzulässigkeit der Ping-Anrufe auch davon ausgehen konnten, dass ihnen für den Rückruf keine erhöhten Gebühren in Rechnung gestellt wurden.
24
Spricht mithin alles dafür, dass jedenfalls die erfolgreichen Rückrufe bei der aufgesetzten Mehrwertdienstenummer täuschungsbedingt durchgeführt wurden, beschwert es die Angeklagten nicht, dass die Strafkammer trotz des Umstandes, dass alle acht Zeugen, die einen Rückruf unternommen hatten, sich auf einen Irrtum berufen haben, der neunte Zeuge - ein Softwareentwickler - hingegen bekundet hat, er habe nicht angerufen, weil er die hinterlassene Rufnummer als Mehrwertdienstenummer identifiziert hatte, gleichwohl von den 660.000 erfolgreichen Anrufen für die Schadensberechnung einen Abschlag von 20% vorgenommen hat.
25
4. Auch die Rechtsfolgenentscheidungen zeigen keinen Rechtsfehler zu Ungunsten der Angeklagten auf.

B. Revision der Staatsanwaltschaft
26
Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft erweist sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Erwägungen als unbegründet.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 430/13
vom
22. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_______________________________
Zu den Anforderungen an die Feststellung und Darlegung des Irrtums beim Betrug
im Zusammenhang mit routinemäßigen Massengeschäften (hier: Missbrauch
des Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13 - LG Bielefeld
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. April 2014 in der Sitzung vom 22. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung am 24. April 2014,
bei der Verkündung am 22. Mai 2014
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten M. W. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten T S. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin der Angeklagten D. S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. September 2012 wird
a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt ,
b) das Urteil in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. W. hat es zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten T. S. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und die Angeklagte D. S. zu einer solchen von vier Jahren verurteilt.
Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffen, die sich gegen die AG richtet.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Die von allen Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 338 Nr. 7 StPO, mit der sie beanstanden, der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer, Vorsitzender Richter am Landgericht H. , habe sich wegen seiner während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist in einem Parallelverfahren erfolgten Zeugenvernehmung zu Unrecht gehindert gesehen, das Urteil zu unterschreiben, weshalb es innerhalb dieser Frist nur unvollständig zu den Akten gelangt sei, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); ob sie in der Sache Erfolg haben könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
4
1. Zur Begründung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die bezeichneten Tatsachen erwiesen werden (SSW-StPO/Momsen, § 344 Rn. 36; LR-StPO/Franke, 26. Aufl. § 344 Rn. 78, jeweils m.N. zur st. Rspr.).
5
2. Gemessen daran vermag der Senat hier nicht zu prüfen, ob der Vorsitzende wegen seiner Vernehmung als Zeuge „in der Sache“ im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen war.
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet Gleichheit der Sache gemäß § 22 Nr. 5 StPO nicht notwendig Verfahrensidentität; Sachgleichheit kann auch bei Vernehmung des Richters als Zeuge zu demselben Tatgeschehen in einem anderen Verfahren in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 – 5 StR 530/06, BGHR StPO § 338 Nr. 2 Ausschluss 4, Tz. 6 mwN; vgl. auch LR-StPO/Siolek, 26. Aufl., § 22 Rn. 25; SSWStPO /Kudlich/Noltensmeier, § 22 Rn. 19). Insoweit fehlt es im Revisionsvortrag der Angeklagten T. und D. S. schon an der Mitteilung des Beweisthemas, zu dem der Strafkammervorsitzende in dem Verfahren gegen A. u.a. geladen und vernommen wurde. Aber auch dem Vortrag des Angeklagten W. kann das betreffende Beweisthema allenfalls mittelbar entnommen werden, da er das Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Bielefeld vom 31. Oktober 2012 über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Vorsitzenden Richter vorgelegt hat. Danach hatte der Angeklagte A. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung beantragt, den Vorsitzenden Richter am Landgericht H. dazu zu vernehmen, dass sich seine (des A.) in einer polizeilichen Vernehmung getätigte Aussage in dem Verfahren gegen die hiesigen Angeklagten als wahr herausgestellt habe. Aber auch dieses Rügevorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht. Um dem Senat die Überprüfung der Sachgleichheit im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO zu ermöglichen , hätte zumindest noch vorgetragen werden müssen, welchen Inhalt diese polizeiliche Aussage hatte, inwiefern sie im vorliegenden Verfahren Gegenstand der Hauptverhandlung war, was der als Zeuge benannte Vorsitzende Richter am Landgericht H. im dortigen Verfahren dazu bekundet hat und ferner, welchen Zusammenhang und welche Bedeutung dies für die gegen die Ange- klagten des vorliegenden Verfahrens erhobenen Tatvorwürfe hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 – 4 StR 507/07, StV 2008, 283, Tz. 5 f. m. Anm. Leu StV 2009, 507 zu den Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO in derartigen Fällen). Das ist hier jedoch nicht geschehen; auch aus den auf die Sachrüge heranzuziehenden Urteilsgründen ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.

II.


7
Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in den Strafaussprüchen. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrügen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
8
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
9
a) Die Angeklagten schlossen sich Anfang 2008 aufgrund einer zumindest stillschweigend getroffenen Vereinbarung zusammen, um spätestens ab Juli 2008 von einer Vielzahl von Personen unter Vorspiegelung eines tatsächlich nicht bestehenden Vertragsverhältnisses im Wege des Lastschriftverfahrens Geldbeträge einzuziehen. Das von den Angeklagten im arbeitsteiligen Zusammenwirken im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell bestand in einer Variante darin, eine möglichst große Zahl von Personen durch entsprechend angeleitete Callcenter-Mitarbeiter anzurufen und bei diesen den Eindruck eines – tatsächlich nicht bestehenden – Vertragsverhältnisses über die Teilnahme an Gewinnspielen hervorzurufen. Auf diese Weise wollten die Angeklag- ten an die Kontodaten der Angerufenen gelangen und von diesen Konten Lastschriften vornehmen, wobei sie davon ausgingen, dass die Angerufenen infolge der Annahme, es bestehe tatsächlich ein Vertragsverhältnis und die Lastschrift sei daher rechtmäßig erfolgt, den Lastschrifteinzügen nicht widersprechen würden. Bei einer weiteren Tatvariante, bei der die Kontodaten bereits bekannt und Telefonanrufe daher entbehrlich waren, sollte den Betroffenen allein durch die durchgeführte Lastschrift ein bestehendes Vertragsverhältnis vorgespiegelt werden, um diese von einem Widerspruch abzuhalten. Dabei nahmen die Angeklagten einerseits billigend in Kauf, dass die Kontoinhaber von den Lastschriftabbuchungen durch Lektüre ihrer Kontoauszüge Kenntnis erhalten, sich den Zugriff auf ihr Konto aber nicht anders erklären würden, als dass der jeweiligen Abbuchung ein wirksamer Vertrag zu Grunde lag, sei es auch nur in der Form, dass sie sich insoweit unsicher waren und/oder die Sache wegen des relativ geringen Betrages auf sich beruhen ließen. Andererseits handelten die Angeklagten auch in der Erwartung, die Betroffenen würden in zahlreichen Fällen mangels ausreichend sorgfältiger Kontrolle ihrer Kontoauszüge die Abbuchungen nicht bemerken oder einfach übersehen.
10
Zur Verwirklichung des Tatplans bedienten sich die Angeklagten insbesondere der in der S. ansässigen AG, die vom Angeklagten W. vertreten wurde. Dieser schloss für die AG zahlreiche Verträge unter anderem mit Callcentern, Zahlungsdienstleistern sowie mit Banken ab, über die die Lastschrifteneinzüge erfolgen sollten und später auch tatsächlich erfolgten. Auch mit dem von der AngeklagteD. S. betriebenen Callcenter GmbH & Co KG, bei dem der Angeklagte T. S. angestellt war, schloss der Angeklagte W. sog. Vertriebspartnerverträge ab. Insgesamt waren für die Angeklagten im Tatzeitraum mindestens 66 Callcenter mit etwa 400 bis 600 Mitarbeitern in der sog. Gewinn- spielvermittlung tätig. Die Callcenter erhielten für jeden Fall, in dem sie die Kontodaten erlangten, einen Betrag in Höhe von 45 bis 60 Euro.
11
Die zur Erschwerung von Nachforschungen meist unter falschen Namen handelnden Mitarbeiter der Callcenter gaben bei ihren Anrufen (1. Tatvariante) entsprechend den Vorgaben eines ihnen auf Veranlassung der Angeklagten ausgehändigten sog. Negativleitfadens für die Gesprächsführung vor, sie hätten die Möglichkeit, einen vermeintlich bestehenden Gewinnspielvertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu beenden , wobei für die letzten drei Monate, sollten Gewinne ausbleiben, eine „Geld-zurück-Garantie“ bestehe. Tatsächlich war die Übernahme einer solchen Garantie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt; in keinem Fall wurden zuvor abgebuchte Geldbeträge zurückerstattet. Der durch den Leitfaden im Einzelnen vorgegebene Erstanruf diente dazu, die Angerufenen jeweils zur Kündigung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Vertrages und – abwicklungshalber – zur Herausgabe ihrer Kontodaten zu veranlassen. Widersprachen die angerufenen Personen – wie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – der Behauptung an einem derartigen Gewinnspiel teilgenommen zu haben, bemühten sich die von den Angeklagten angewiesenen Callcenter-Mitarbeiter dies – wahrheitswidrig – zu widerlegen und behaupteten beispielsweise, auf die Kontodaten aus Datenschutzgründen keinen Zugriff zu haben, sie aber nun zu benötigen, etwa um den Betroffenen aus dem Vertrag „herauszuhelfen“.
12
Im Anschluss an den Erstanruf erfolgte sodann ein Zweitanruf (sog. Quality Call), der zum Teil elektronisch aufgezeichnet wurde und dazu diente, mittels geschickter Gesprächsführung von den Betroffenen eine telefonisch erteilte Einzugsermächtigung zu erhalten, um die Betroffenen selbst, aber auch die beteiligten Banken oder im Fall von Nachforschungen die Strafverfolgungsbehörden über den auf diesem Weg dokumentierten angeblichen Vertragsschluss zu täuschen. Im Anschluss daran erhielten die Angerufenen – auch diejenigen, die den vermeintlichen Vertrag gekündigt hatten – von der GmbH, die von der AG mit der „technischen Abwicklung“ beauftragt worden war, sog. Begrüßungsschreiben , in denen behauptet wurde, die Empfänger hätten „die Chance, bei 200 Internet-Gewinnspielen monatlich eingetragen zu werden“; diese Leistung sei „ebenfalls in Ihrem Servicebetrag … enthalten, den wir wie besprochen jeden Monat im voraus automatisch von Ihrem Konto… abbuchen“. Tatsächlich war ab dem Jahr 2008 - wie die Angeklagten wussten – eine Eintragung in 200 Gewinnspiele monatlich je Kunde nicht mehr möglich, sondern erfolgte „in einem deutlich geringeren Umfang“.
13
Der Einzug der vermeintlichen Forderungsbeträge in Höhe von jeweils zwischen 55 und 79,80 Euro erfolgte im Tatzeitraum vom 9. März 2009 bis zum 22. Januar 2010 mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren. Die auf dem jeweiligen Kontoauszug der Betroffenen wiedergegebene Belastungsbuchung enthielt den Namen des Zahlungsdienstleisters, den Namen des „Produkts“, den abgebuchten Betrag sowie eine zwölfstellige ID-Nummer. Es wurden bei insgesamt 136.890 Betroffenen (teilweise mehrfach) Beträge im Lastschriftverfahren eingezogen, die im angefochtenen Urteil auf 4.885 Seiten im Einzelnen in Tabellenform aufgeführt sind. In 198.070 Fällen wurde die Lastschrift nicht zurückgegeben, so dass das Geld bei den Angeklagten verblieb. Dagegen erfolgte in 129.708 Fällen eine Rückgabe der Lastschriften. Die Angeklagten erzielten durch ihr Vorgehen einen Gewinn „im deutlich siebenstelligen Bereich“.
14
b) Zur Beweiswürdigung hat das Landgericht lediglich mitgeteilt, dass die Angeklagten im Rahmen einer nach § 257c StPO durchgeführten Verständigung den Anklagevorwurf gestanden und weitere Fragen der Kammer glaubhaft , ausführlich und nachvollziehbar beantwortet hätten. Von der Richtigkeit der geständigen Einlassungen sei die Strafkammer überzeugt, da sie „mit dem Ermittlungsergebnis sowie auch mit dem übrigen Ergebnis der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten umfassenden Beweisauf- nahme im Einklang“ stünden. Weitere Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht.
15
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil offen bleibt, auf welche Weise sich die Strafkammer auch unter Berücksichtigung der umfassenden Geständnisse der Angeklagten die Überzeugung verschafft hat, die Betroffenen hätten die Lastschriften in den 198.070 festgestellten Fällen hingenommen, weil sie sich über das Bestehen einer Zahlungspflicht im Irrtum befanden.
16
a) In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Zwar sind, wenn sich die Angeklagten – wie hier – auf der Grundlage einer Absprache geständig einlassen, an die Überprüfung dieser Einlassungen und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1063, Tz. 71; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13); es gibt auch keine forensische Erfahrung dahin, dass bei einem Geständnis im Rahmen einer Verständigung regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12, NStZ 2012, 584). Aber auch in einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 1992 – 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11; Beschluss vom 15. September 1999 – 2 StR 373/99, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 34; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653, Tz. 4, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 361; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 261 Rn. 2a).
17
Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f; vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8; zu den Darle- gungsanforderungen bei einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“ vgl.BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 aaO, Tz. 6; Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 15; Be- schluss vom 2. November 2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, Tz. 5). In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger , massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvorstellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen,wobei er dies im Urteil darzulegen hat. Ist das Vorstellungsbild des Verfügenden normativ geprägt, kann bei einem Tatvorwurf, dem zahlreiche Einzelfälle zu Grunde liegen, die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, 1546; Beschluss vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, Tz. 15, inso- weit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt). In komplexeren Fällen wird es regelmäßig erforderlich sein, die betreffenden Personen über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild als Zeugen zu vernehmen sowie deren Bekundungen im Urteil mitzuteilen und zu würdigen (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 15, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8 f.).
18
b) Gemessen daran vermögen – jedenfalls im vorliegenden Fall – weder der Hinweis auf das „Ermittlungsergebnis“ noch die ebenfalls nicht näher beleg- te Bezugnahme auf die „umfassende Beweisaufnahme“ und die „umfassende geständige Einlassung der Angeklagten“ eine Irrtumserregung bei den von den Lastschrifteinzügen betroffenen Bankkunden zu belegen.
19
aa) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer Geschädigte als Zeugen vernommen hat oder dass deren Angaben auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
20
bb) Die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums und einer dadurch kausal hervorgerufenen Vermögensverfügung versteht sich hier auch nicht von selbst. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer wurde bei den Betroffenen im Rahmen der Telefonanrufe durch die Callcenter-Mitarbeiter der Eindruck erweckt, sie hätten die Möglichkeit, einen bestehenden Vertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu been- den. In der „weit überwiegenden Anzahl“ der Fällehatten die Betroffenen jedoch der Behauptung widersprochen, sie hätten einen derartigen Vertrag abgeschlossen. Danach liegt es – auch soweit dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht ausdrücklich widersprochen wurde – nicht auf der Hand, dass die Betroffenen die Rückforderung der abgebuchten Beträge gerade aufgrund der irrtümlichen Annahme unterließen, sie seien aufgrund eines bestehenden Ver- tragsverhältnisses verpflichtet, die Abbuchung dieser Beträge (dauerhaft) als rechtmäßig zu dulden.
21
Was die Fälle betrifft, in denen die Täter bereits über die Bankdaten verfügten und Anrufe bei den jeweiligen Kontoinhabern daher entbehrlich waren, vermögen die Urteilsgründe ebenfalls nicht hinreichend zu vermitteln, auf welcher Grundlage sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, die Bankkunden hätten sich gegen die Lastschriften nicht zur Wehr gesetzt, weil ihnen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung vorgespiegelt wurde. Diese Annahme ist schon mit der von der Strafkammer festgestellten, ausweislich der Urteilsgründe aber nicht näher überprüften Erwartung der Angeklagten unvereinbar, die Kontoinhaber würden die Lastschriften gar nicht bemerken, möglicherweise also noch nicht einmal einer täuschungsbedingten Fehlvorstellung im Sinne eines sog. sachgedanklichen Mitbewusstseins unterliegen.
22
3. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die aus der Urteilsformel ersichtliche Beschränkung vor.
23
a) Die Feststellungen und die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung belegen für beide Tatvarianten insbesondere, dass die Angeklagten nach ihrer Vorstellung als Mittäter im Wege eines uneigentlichen Organisationsdelikts Betrugshandlungen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Kontoinhaber begehen wollten und hierzu auch unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB).
24
aa) In den sog. Anruffällen ging es den Angeklagten darum, bei den Telefonanrufen und durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben den Empfängern das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung zu verzichten. Hierin liegt ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12, Tz. 17).
25
bb) Aber auch in den Fällen, in denen die Lastschrifteinzüge ohne vorherige telefonische Kontaktaufnahme erfolgten und die Übersendung von Begrüßungsschreiben unterblieb, ein direkter Kundenkontakt also nicht stattfand, war der Tatplan der Angeklagten auf die Begehung eines Betruges gerichtet.
26
(1) Den Angeklagten war bewusst, dass die betroffenen Kunden von ihrer jeweiligen Bank einen Kontoauszug erhalten würden, in dem die von ihnen veranlasste Abbuchung ausgewiesen war. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die jeweilige Kontoinformation auf dem Auszug nicht nur den Namen des Zahlungsdienstleisters, den abgebuchten Betrag und eine sog. IDNummer , sondern auch einen Produktnamen. Dabei entsprach es der Vorstellung der Angeklagten, dass den betroffenen Bankkunden unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Empfängerhorizonts im Hinblick auf die Mitteilung einer derartigen Produktbezeichnung ein wirksames Kausalgeschäft vorgespiegelt werden sollte.
27
(2) Der Ablauf des im Wesentlichen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens (vgl. Nr. 9 AGBBanken i.d. bis zum 30. Oktober 2009 gültigen Fassung sowie die Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr im Einzugsermächtigungsverfahren i.d.F. v. Oktober 2009 und die Bedingungen für den Lastschrifteinzug vom November 2009), dessen sich die Angeklagten hier zur Tatausführung bedienten, bestätigt diese rechtliche Beurteilung. Dieses Verfahren wird durch die Übermittlung eines vom Zahlungsempfänger – hier also von den Angeklagten – mit den erforderlichen Informationen versehenen Lastschriftdatensatzes – regelmäßig in elektronischer Form – über dessen Bank an das Geldinstitut des Schuldners ohne dessen Einschaltung in Gang gesetzt. Dessen Institut belastet seinerseits ohne eigene Sachprüfung das Konto des Kunden mit dem genannten Betrag (vgl. Nr. 2.1.2 sowie 2.3.1 der Sonderbedingungen; vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 – II ZR 277/84, BGHZ 95, 103, 106). Der zahlungspflichtige Bankkunde erhält sodann von seiner Zahlstelle entsprechend dem vom Zahlungsempfänger an dessen Bank übermittelten Lastschriftdatensatz eine Mitteilung über die erfolgte Belastung auf seinem Kontoauszug (Lastschriftabkommen Abschnitt 1 Nr. 7 Abs. 1). Da dieses Verfahren den Zahlungsempfänger in die Lage versetzt, von sich aus ohne Mitwirkung des Zahlungspflichtigen den Zeitpunkt des Zahlungsflusses zu bestimmen (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241, Tz. 15), und der Schuldner auf die (nachträgliche) Verweigerung der Genehmigung verwiesen wird (Nr. 2.4 der Sonderbedingungen ), muss der Zahlungsempfänger, um Forderungen einzuziehen, gegenüber seiner Bank versichern, dass ihm eine schriftliche Ermächtigung des Zahlungspflichtigen vorliegt (vgl. dazu Lastschriftabkommen Abschnitt I Nr. 3; Einzelheiten bei Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 58 Rn. 11). Auch diese Erklärung über das Vorliegen einer Einzugsermächtigung gibt die Gläubigerbank über die Schuldnerbank als Boten an den vermeintlichen Schuldner weiter.
28
(3) Danach war der Tatplan der Angeklagten darauf gerichtet, die betroffenen Bankkunden sowohl über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses als auch über die Berechtigung zur Vornahme des Lastschrifteinzugs zu täuschen. Dies geschah mit dem Ziel, die Bankkunden bis zum endgültigen Eintritt der Genehmigungswirkung von der Geltendmachung von Einwendungen ge- genüber der kontoführenden Bank und damit von der Möglichkeit der Rückbuchung der vereinnahmten Geldbeträge abzuhalten.
29
(4) Die Angeklagten haben auch unmittelbar im Sinne des § 22 StGB zur Begehung dieser Tat angesetzt. Indem sie den Lastschrifteinzug bei ihrer Bank einreichten und damit das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren in Gang setzten, gaben sie das Geschehen aus der Hand (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; vgl. auch SSW-StGB/ Kudlich/Schuhr, 2. Aufl., § 22 Rn. 40).
30
b) Auch die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, Tz. 13, 51, m. abl. Anm. Heghmanns ZJS 2013, 423; i.E. ebenso schon BGH, Beschluss vom 12. September 1990 – 3 StR 277/90, HFR 1991, 496). Schon im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle und die Komplexität des Tatgeschehens würde die weitere Aufklärung mit dem Ziel der Feststellung eines vollendeten Delikts einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten.

III.


31
Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs für alle drei Angeklagten. § 265 StPO steht nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich die umfassend geständigen Angeklagten anders als geschehen verteidigt hätten.
32
Die Strafaussprüche können jedoch nicht bestehen bleiben, da die Möglichkeit besteht, dass die Strafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs dem gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen worden wären. Über diese Frage wird der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter nunmehr auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeiten und der Tatumstände unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere der Vollendungsnähe, zu entscheiden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 21).

IV.


33
Ob die vom Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffene Entscheidung in der Sache durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Angeklagten sind von dieser Entscheidung weder betroffen noch durch sie beschwert.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 263/12
vom
6. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 21. Februar 2012 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines Betruges in jeweils tateinheitlich begangenen fünfzehn vollendeten und 53.479 versuchten Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
3
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer und „spiritus rector“ mit zwei weiteren nicht revidierenden Mit- angeklagten von Januar 2006 bis Ende des Jahres 2009 die Kreditvermittlungsgesellschaft D. GmbH. Das Geschäftsmodell zielte darauf ab, unter dem Deckmantel einer seriösen Kreditvermittlung von den sich regelmäßig in einer finanziellen Notlage befindenden Kunden einen Auslagenersatzbetrag für Porto-, Telefon- und Auskunftskosten in Höhe von je 47,80 Euro (bzw. vor September 2006 bis 48 Euro) einzutreiben, indem den Kunden wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, dass der Gesellschaft bei der Kreditvermittlung er- forderliche Auslagen i.S.d. § 655d Satz 2 BGB in der geltend gemachten Höhe tatsächlich entstanden seien.
4
Die Kunden wurden mit dem Versprechen geworben, ihnen könnten auf- grund eines „Sofortkredit-Vermittlungsvertrages“ Kredite vermittelt werden, oh- ne dass durch die Kreditanfrage Kosten entstünden. Tatsächlich wollten die Angeklagten allen Kunden, die den „Sofortkredit-Vermittlungsvertrag“ unterschrieben , einen bestimmten Betrag unter 48 Euro - ggf. zuzüglich Mahn- und Inkassokosten - für angeblich "erforderliche Auslagen" in Rechnung stellen (UA S. 13), obwohl bei der Kreditvermittlung Auslagen nur zu einem Bruchteil dieses Betrages entstanden, die letztlich pro Kunde 3,20 Euro nicht überschritten (UA S. 20). Obwohl dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. bekannt war, dass sie gesetzlich lediglich berechtigt waren, tatsächlich im Einzelfall entstandene erforderliche Auslagen, nicht jedoch die allgemeinen Geschäftsunkosten auf die Kunden umzulegen, wollten sie durch die Gestaltung des Rechnungstextes bei den Kunden die Fehlvorstellung hervorrufen, die Auslagen seien in der geltend gemachten Höhe entstanden und die Kunden seien auch zur Bezahlung des Rechnungsbetrages verpflichtet (UA S. 19 f).
5
Dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. war aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen im Kreditvermittlungsgeschäft bekannt, dass wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage der angesprochenen Klientel nur in den wenigsten Fällen eine erfolgreiche Kreditvermittlung in Betracht kam. Ihnen ging es jedoch nicht darum, Kredite zu vermitteln. Vielmehr war das System von Anfang an darauf angelegt, unter dem Anschein einer seriösen Kreditvermittlung sich gezielt an den in der Regel nahezu mittellosen Kunden zu bereichern und diese dadurch zu schädigen. Dabei rechneten die Angeklagten damit, dass sich die wenigsten Kunden gegen den vergleichsweise geringen Rechnungsbetrag wehren würden. Allerdings gingen sie aufgrund ihrer Erfahrungen davon aus, dass nur etwa 40 Prozent den Rechnungsbetrag begleichen würden (UA S. 14).
6
Zwischen Januar 2006 und Dezember 2009 wurden auf die dargestellte Weise 140.000 Kunden falsche Rechnungen über Auslagenersatz gestellt, auf die - womit die Angeklagten rechneten - nur etwa 40 Prozent der Kunden bezahlten.
7
Aufgrund einer auf die Einvernahme von fünfzehn Kunden beschränkten Beweisaufnahme hat das Landgericht festgestellt, dass lediglich diese Kunden in der irrigen Annahme, der D. GmbH seien tatsächlich Kosten in der geltend gemachten Höhe entstanden, gezahlt hatten (UA S. 902). In den übrigen 53.479 Fällen über Rechnungsbeträge von insgesamt mehr als 2,8 Mio. Euro ging das Landgericht mangels festgestellter Irrtumserregung lediglich von versuchter Täuschung der Kunden aus. Unter Abzug von zehn Prozent höchstens tatsächlich erforderlicher Auslagen nahm es dabei eine erstrebte Bereicherung von etwa 2,5 Mio. Euro an (UA S. 903).
8
2. Das Landgericht ist wegen Vorliegens eines sog. uneigentlichen Organisationsdelikts von Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen allen Betrugstaten (§ 263 StGB) ausgegangen (UA S. 915). Hierbei hat es nur in 15 Fällen Vollendung und im Übrigen - entsprechend einem rechtlichen Hinweis in der Hauptverhandlung - lediglich versuchten Betrug angenommen. In den weiteren 53.479 Fällen habe es „nicht vollkommen ausschließen“ können, „dass Rech- nungsempfänger die Unrichtigkeit der Rechnungsstellung erkannten und aus- schließlich leisteten, um ihre Ruhe zu haben“. Nach Auffassung des Landge- richts hätte eine umfassende Aufklärung die Vernehmung sämtlicher Kunden erfordert, um die Motivation bei der Überweisung des Rechnungsbetrages zu ergründen. Dies sei bei über 50.000 Kunden „aus prozessökonomischen Grün- den“ nicht möglich gewesen (UA S. 914).
9
3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; die von der Revision des Angeklagten erhobenen formellen und materiellen Beanstandungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
10
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Vorgehensweise des Landgerichts , nur fünfzehn Geschädigte zu vernehmen und im Übrigen hinsichtlich der weit überwiegenden Zahl der tateinheitlich begangenen Taten „aus verfahrensökonomischen Gründen“ lediglich Tatversuch anzunehmen (UA S. 914, 917). Das Landgericht sah sich ersichtlich nur auf diesem Wege in der Lage, die Hauptverhandlung, die bereits nahezu fünf Monate gedauert hatte, in angemessener Zeit zu beenden.
11
a) Die vom Landgericht mit dem Begriff der „Prozessökonomie“ be- schriebene Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege zu erhalten (vgl. dazu auch Landau, Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, NStZ 2007, 121), besteht. Jedoch muss ein Tatgericht im Rahmen der Beweisaufnahme die in der Strafprozessordnung dafür bereit gehaltenen Wege beschreiten. Ein solcher Weg ist etwa die Beschränkung des Verfahrensstoffes gemäß den §§ 154, 154a StPO, die allerdings die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft voraussetzen. Eine einseitige Beschränkung der Strafverfolgung auf bloßen Tatversuch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wie sie das Landgericht hier - freilich im Rahmen gleichartiger Tateinheit mit vollendeten Delikten - vorgenommen hat, sieht die Strafprozessordnung jedoch nicht vor.
12
b) Es trifft allerdings zu, dass in Fällen eines hohen Gesamtschadens, der sich aus einer sehr großen Anzahl von Kleinschäden zusammensetzt, die Möglichkeiten einer sinnvollen Verfahrensbeschränkung eingeschränkt sind. Denn dann sind keine Taten mit höheren Einzelschäden vorhanden, auf die das Verfahren sinnvoll beschränkt werden könnte.
13
Dies bedeutet aber nicht, dass es einem Gericht deshalb - um überhaupt in angemessener Zeit zu einem Verfahrensabschluss gelangen zu können - ohne weiteres erlaubt wäre, die Beweiserhebung über den Taterfolg zu unterlassen und lediglich wegen Versuches zu verurteilen. Vielmehr hat das Tatgericht die von der Anklage umfasste prozessuale Tat (§ 264 StPO) im Rahmen seiner gerichtlichen Kognitionspflicht nach den für die Beweisaufnahme geltenden Regeln der Strafprozessordnung (vgl. § 244 StPO) aufzuklären. Die richterliche Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet dabei, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
14
c) Für das Tatbestandsmerkmal des Irrtums bei Betrug (§ 263 StGB) bedeutet dies:
15
aa) Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Die Überzeugung des Gerichts, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist, wird dabei - von einfach gelagerten Fällen (z.B. bei standardisierten, auf massenhafte Erledigung ausgerichteten Abrechnungsverfahren ) abgesehen - in der Regel dessen Vernehmung erfordern (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314).
16
bb) Allerdings stößt die praktische Feststellung des Irrtums im Strafverfahren als Tatfrage nicht selten auf Schwierigkeiten. Diese können jedoch in vielen Fällen dadurch überwunden werden, dass das Tatgericht seine Überzeugung auf Indizien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - 4 StR 347/93, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9) wie das wirtschaftliche oder sonstige Interesse des Opfers an der Vermeidung einer Schädigung seines eigenen Vermögens (vgl. Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 87) stützen kann. In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes kann es daher insgesamt ausreichen , nur einige Zeugen einzuvernehmen, wenn sich dabei das Ergebnis bestätigt findet. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof etwa die Vernehmung der 170.000 Empfänger einer falsch berechneten Straßenreinigungsgebührenrechnung für entbehrlich gehalten (BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434; vgl. dazu auch Hebenstreit in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011, § 47 Rn. 37).
17
cc) Ist die Beweisaufnahme auf eine Vielzahl Geschädigter zu erstrecken , besteht zudem die Möglichkeit, bereits im Ermittlungsverfahren durch Fragebögen zu ermitteln, aus welchen Gründen die Leistenden die ihr Vermögen schädigende Verfügung vorgenommen haben. Das Ergebnis dieser Erhebung kann dann - etwa nach Maßgabe des § 251 StPO - in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Hierauf kann dann auch die Überzeugung des Gerichts gestützt werden, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen die Leistenden eine Vermögensverfügung irrtumsbedingt vorgenommen haben.
18
Ob es in derartigen Fällen dann noch einer persönlichen Vernehmung von Geschädigten bedarf, entscheidet sich nach den Erfordernissen des Amtsaufklärungsgrundsatzes (§ 244 Abs. 2 StPO) und des Beweisantragsrechts (insb. § 244 Abs. 3 StPO). In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbil- des kommt dabei die Ablehnung des Antrags auf die Vernehmung einer größeren Zahl von Geschädigten als Zeugen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434).
19
dd) Demgegenüber dürfte in Fällen mit individueller Motivation zur Leis- tung eines jeden Verfügenden die „Schätzung einer Irrtumsquote“ als Methode der Überzeugungsbildung nach § 261 StPO ausscheiden. Hat ein Tatgericht in solchen Fällen Zweifel, dass ein Verfügender, ohne sich über seine Zahlungspflicht geirrt zu haben, allein deshalb geleistet hat, „um seine Ruhe zu haben“, muss es nach dem Zweifelssatz („in dubio pro reo“) zu Gunsten des Täters ent- scheiden, sofern nicht aussagekräftige Indizien für das Vorliegen eines Irrtums vorliegen, die die Zweifel wieder zerstreuen.
20
d) Für die Strafzumessung hat die Frage, ob bei einzelnen Betrugstaten Vollendung gegeben oder nur Versuch eingetreten ist, in der Regel bestimmende Bedeutung.
21
Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen es für die Strafzumessung im Ergebnis nicht bestimmend ist, ob es bei (einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kam oder mangels Irrtums des Getäuschten oder wegen fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim Versuch blieb. Solches kommt etwa in Betracht, wenn Taten eine derartige Nähe zur Tatvollendung aufwiesen, dass es - insbesondere aus Sicht des Täters - vom bloßen Zufall abhing, ob die Tatvollendung letztlich doch noch am fehlenden Irrtum des Tatopfers scheitern konnte. Denn dann kann das Tatgericht unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tatumstände des konkreten Einzelfalls zum Ergebnis gelangen, dass jedenfalls die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 261/10, wistra 2011, 18 mwN). Eine solche Wertung hat das Tatgericht in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht ebenso nachprüfbar darzulegen wie die Würdigung, dass und aus welchen Gründen (etwa Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie) der Umstand, dass die getroffene Vermögensverfügung letztlich trotz eines entsprechenden Vorsatzes des Täters nicht auf einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung beruhte, auch für die konkrete Strafzumessung im Rahmen des eröffneten Strafrahmens nicht von Bedeutung war.
22
e) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob hier ein normativ geprägter Irrtum vorliegen könnte, mit der Folge, dass die Anwendung des Zweifelssatzes durch das Landgericht sachlich-rechtlich fehlerhaft gewesen sein könn- te. Denn jedenfalls ist der Angeklagte durch die vom Landgericht „aus prozessökonomischen Gründen“ gewählte Verfahrensweise nicht beschwert. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn es hinsichtlich weiterer tateinheitlich begangener Taten statt von Versuch von Tatvollendung ausgegangen wäre.
Richter am BGH Dr. Wahl ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
Nack Nack Jäger Cirener Radtke