Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2010 - 1 StR 509/10

bei uns veröffentlicht am30.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 509/10
vom
30. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 22. März 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen - gemeinschaftlich mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten P. begangenen - Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung sachlichen und förmlichen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Näher ist dies nur zu den geltend gemachten Verstößen gegen § 265 StPO (1.), § 244 StPO (2.) und § 338 Nr. 8 StPO (3.) auszuführen.
2
1. Während dem Angeklagten mit der Anklageschrift vorgeworfen worden war, sein Opfer heimtückisch und habgierig getötet zu haben, hat das Landgericht ihn wegen einer heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen begangenen Tat verurteilt. In der Hauptverhandlung hatte der Vorsitzende den Angeklagten darauf hingewiesen, dass u.a. auch „sonstige niedrige Beweggründe“ als Mordmerkmal in Betracht kommen. Die Revision meint, dieser Hinweis sei unzulänglich gewesen, weil der die rechtliche Bewertung tragende Sachverhalt hätte genau bezeichnet werden müssen. Diese Rüge geht fehl. Denn die ihr zugrunde liegende Annahme, ein Hinweis gemäß § 265 StPO müsse aus Rechtsgründen stets auf neuen tatsächlichen Erkenntnissen beruhen, ist unzutreffend. Freilich ist dies nach forensischer Erfahrung vielfach der Fall, jedoch ist ein Hinweis nach § 265 StPO auch dann geboten, wenn sich der Sachverhalt selbst nicht geändert hat, er aber nach Auffassung des Gerichts dennoch rechtlich anders als noch in der zugelassenen Anklage zu bewerten ist (vgl. KK/Engelhardt, StPO, 6. Aufl. § 265 Rn. 17). Ein Verfahrensverstoß ist daher allein mit der Behauptung, geänderte tatsächliche Grundlagen eines Hinweises gemäß § 265 StPO seien nicht mitgeteilt worden, nicht schlüssig dargetan.
3
Im Übrigen könnte eine auf die Behauptung unzulänglicher tatsächlicher Erläuterung eines Hinweises gemäß § 265 StPO gestützte Rüge schon im Ansatz nur dann Erfolg haben, wenn Urteil und zugelassene Anklage in tatsächlicher Hinsicht wesentlich voneinander abweichen würden. Derartige Differenzen vermag der Senat nicht zu erkennen; sie sind von der Revision auch nicht einmal abstrakt behauptet, erst recht nicht konkret ausgeführt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09 mwN).
4
2. In der Hauptverhandlung hatte die Verteidigung den Antrag gestellt, dem Angeklagten „auf Staatskosten die Zulassung zur freiwilligen Durchführung einer wissenschaftlichen polygraphischen Untersuchung … zu genehmigen“. Diesen Antrag hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, das bezeichnete Beweismittel sei i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 4. Var. StPO ungeeignet.
5
a) Allerdings handelt es sich entgegen der Ansicht der Revision bereits nicht um einen Beweisantrag, dessen Ablehnung den Maßstäben des § 244 StPO hätte entsprechen müssen. Denn mit ihm wurde (noch) nicht die Vernehmung eines Sachverständigen zu einer bestimmten Beweistatsache verlangt, sondern lediglich die - eventuell nur - vorgeschaltete Untersuchung des Angeklagten unter Einsatz eines Polygraphen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1999 - 3 StR 272/99, NStZ 1999, 578).
6
b) Das Landgericht hätte jedoch auch einen auf die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens zielenden Antrag mit der von ihm genannten Begründung ablehnen dürfen. Denn gegen einen auch nur geringfügigen indiziellen Beweiswert des Ergebnisses einer mittels eines Polygraphen vorgenommenen Untersuchung bestehen die im Urteil des Senats vom 17. Dezember 1998 (1 StR 156/98, BGHSt 44, 308, 323 ff.) dargelegten grundsätzlichen Einwände betreffend den hier allein in Rede stehenden sog. Kontrollfragentest uneingeschränkt weiter. Es wäre deshalb sogar ohne Belang, wenn die Ansicht der Revision richtig wäre, dass inzwischen „eine hinreichend breite Datenbasis“ einen Zusammenhang von mittels des Polygraphen gemessenen Körperreaktionen mit einem bestimmten Verhalten belegen würde. Dies ist aber nicht der Fall. Hierfür genügt die von der Revision angeführte Simulationsstudie mit lediglich 65 Versuchspersonen (vgl. H. Offe/S. Offe, MschrKrim 2004, 86) - bereits ungeachtet methodischer Einwände - nicht. Auch einem maßgeblichen Beitrag amerikanischer Wissenschaftler, die nach eigenem Bekunden einen Großteil ihrer bis zu 40jährigen Laufbahn der Forschung und Entwicklung polygraphischer Techniken gewidmet haben, lassen sich neuere Studien - noch dazu , wie die Revision vorträgt, „an realen Verdächtigen“ - nicht entnehmen (vgl. Honts/Raskin/Kircher in Faigman/Saks/Sanders/Cheng, Modern Scientific Evidence , The Law and Science of Expert Testimony, Volume 5 [2009], S. 297 ff.).
7
3. Die Hauptverhandlung wurde nach dem letzten Wort der Angeklagten am 15. März 2010 (Montag) unterbrochen; die Urteilsverkündung war für den 22. März 2010 vorgesehen. Am 18. März 2010 (Donnerstag) ging ein an den Vorsitzenden adressiertes Fax der Verteidigerin mit folgendem Wortlaut ein: „In oben bezeichneter Angelegenheit übersende ich … noch einen Hilfsbeweisantrag …, den ich am Montag … versehentlich vergessen hatte“. Dieser auf die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens hinsichtlich des Mitangeklagten gerichtete Antrag war beigefügt und mit Ausführungen zu dessen psychischem Zustand bei der Tat und zu dessen nicht konstantem Aussageverhalten näher begründet. Ohne Reaktion hierauf wurde am 22. März 2010 das Urteil verkündet.
8
Hinsichtlich des deshalb geltend gemachten Verstoßes gegen das faire Verfahren (§ 338 Nr. 8 StPO) kann offen bleiben, ob die Grundsätze für die Bescheidung eines noch vor der Hauptverhandlung angebrachten Beweisantrages (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2001 - 1 StR 557/00, NStZ-RR bei Becker 2002, 68) auf die hier vorliegende Konstellation übertragbar sind (vgl. jew. mwN BGH, Beschluss vom 14. Mai 1981 - 1 StR 160/81, NStZ 1981, 311; KK/Schoreit, StPO, 6. Aufl. § 258 Rn. 27). Denn jedenfalls beruht das Urteil nicht auf dem Übergehen eines Hilfsbeweisantrages, wenn die Urteilsgründe insgesamt erkennen lassen, warum dem Beweisbegehren der Sache nach ohne Rechtsfehler keine Folge geleistet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 3 StR 430/92, NStZ bei Kusch 1993, 229). So verhält es sich hier:
9
Das Landgericht hat ausführlich dargelegt, dass die Aussage P. s glaubhaft sei, „da sie durch die weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme durchgängig bestätigt worden ist“. Dies hat es mit Aussagen weiterer Zeugen und objektiven Spuren eingehend belegt. In seine Gesamtwürdigung hat es auch ausdrücklich einbezogen, dass die Angaben P. s in einigen - freilich nicht das Kerngeschehen betreffenden - Punkten nicht konstant waren. Unter diesen Umständen ist eine ohnehin nur ausnahmsweise anzunehmende Notwendigkeit zur Einholung des bezeichneten Gutachtens nicht erkennbar.
10
4. Im Übrigen verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 6. Oktober 2010.
Wahl Elf Graf Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2010 - 1 StR 509/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2010 - 1 StR 509/10

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid
Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2010 - 1 StR 509/10 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


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bei uns veröffentlicht am 31.07.2014

Gründe 1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensfehler gestützte Beschwerde des Beklagten (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO und § 67 Satz

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 587/09
vom
14. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 12. August 2009 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde im Rahmen einer Verfahrensabsprache wegen einer Reihe in der ersten Jahreshälfte 2008 begangener Verstöße gegen das BtMG unter Einbeziehung der Einzelstrafen eines Urteils des Amtsgerichts Ravensburg vom 24. November 2008, dessen Feststellungen im Einzelnen mitgeteilt sind, zu einer (nachträglichen) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt , wie dies auch die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend beantragt hatten.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen und förmlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.
3
Näher ist ausgeführt, wie dies auch schon wiederholt gegenüber der Strafkammer geltend gemacht worden war, dass im Blick auf den in dem einbezogenen Urteil abgeurteilten Sachverhalt ein Verfahrenshindernis wegen Strafklageverbrauchs bestehe. Sie macht weiter geltend, wegen unzulänglicher Hinweise gemäß § 265 StPO seien Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt worden, und ist nunmehr der Auffassung, die Strafkammer hätte die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anordnen müssen.
4
Die Revision bleibt erfolglos.
5
1. Gegenstand der hier abgeurteilten Taten waren insgesamt (jeweils mindestens ) 55 g Kokaingemisch, 1,2 kg Amphetamin und 1.200 Ecstasy-Tabletten. Das Rauschgift stammte - an einer Stelle der Urteilsgründe heißt es „überwiegend“ , an einer anderen Stelle, die sich allerdings nur auf Kokain und Amphetamin bezieht, ist diese Einschränkung nicht gemacht - von R. .
6
Hinsichtlich des Strafklageverbrauchs bezieht sich der Kern des Vorbringens auf die im Urteil des Amtsgerichts getroffene Feststellung, dass der Angeklagte in der Diskothek "D. " in Ra. am 11. Mai 2008 61 EcstasyTabletten und 1,7 g Amphetamin gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Während das Amtsgericht hinsichtlich sämtlicher sonstiger von ihm abgeurteilter Taten R. als (möglichen) Lieferanten nennt, ist dies hinsichtlich des am 11. Mai 2008 sichergestellten Rauschgifts nicht der Fall.
7
Die Strafkammer erörtert im Anschluss an die Prüfung der Konkurrenzverhältnisse auch die Frage, ob die hier abgeurteilten Taten mit den vom Amtsgericht abgeurteilten Taten eine Bewertungseinheit mit der Folge des Strafklageverbrauchs (vgl. hierzu zusammenfassend Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 887 m.w.N.) bilden könnten. Die Strafkammer verneint dies. Der Angeklagte sei in vollem Umfang geständig, habe jedoch keine Angaben zur Herkunft des am 11. Mai 2008 im "D. " bei ihm sichergestellten Rauschgifts gemacht. Der Angeklagte habe nach seiner eigenen Einlassung im Tatzeitraum Rauschgift nicht allein von R. bezogen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung habe er sogar noch ausgesagt, er habe sein Rauschgift meist nicht direkt von R. , sondern von irgendwelchen anderen Leuten bekommen. Abschließend führt die Strafkammer aus und belegt, dass auch der Zweifelssatz nicht gebiete, ohne hinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür, dass mehrere Fälle des unerlaubten Er- werbs, Besitzes und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dieselbe Rauschgiftmenge betreffen, eine Bewertungseinheit anzunehmen.
8
Die Revision meint, die Strafkammer habe die polizeiliche Aussage des Angeklagten falsch ausgelegt. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass das Rauschgift, das Gegenstand der vom Amtsgericht abgeurteilten Tat gewesen sei, direkt von R. stamme, in anderen Fällen habe er nicht direkt von R. bezogen, sondern von Dritten, die als Boten bzw. Überbringer für R. tätig geworden seien. Auch im Übrigen sei die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe nicht sein ganzes Rauschgift von R. bezogen, wie die Revision im Einzelnen darlegt, rechtsfehlerhaft. Daher hätte die Strafkammer von einer Bewertungseinheit ausgehen müssen.
9
Dies ist nicht der Fall.
10
Bei wiederholtem Rauschgifterwerb sind die Handlungen des Käufers selbst dann nicht als eine Tat im Sinne einer Bewertungseinheit anzusehen, wenn das gesamte eingekaufte Rauschgift aus demselben Vorrat stammt (vgl. BGH NStZ 1997, 243; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 43 jew. m.w.N.). Mehrere Rauschgiftgeschäfte sind dann im Sinne von Tateinheit in einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie in ein und demselben Güterumsatz in einem Handlungsteil, etwa beim Erwerb, bei der Lieferung oder bei der Bezahlung des Kaufpreises in einer Gesamtmenge oder in einem Geldbetrag zusammentreffen (Körner aaO Rdn. 846 f. m.w.N.). Selbst wenn, etwa im Blick auf einen einheitlichen Vorgang des Erwerbs durch den Verkäufer zum Zwecke gewinnbringenden Weiterverkaufs, die von diesem aus dem Vorrat vorgenommenen späteren Verkaufshandlungen in Bewertungseinheit verbunden sind, führte dies nicht dazu, dass diese Vorgänge auch auf Seiten des - immer identischen - Käufers als in Bewertungseinheit verbunden anzusehen wären.
11
Ein (jedenfalls teilweiser) Strafklageverbrauch hinsichtlich des Angeklagten käme allenfalls in Betracht, wenn davon auszugehen wäre, dass er im Rahmen desselben Erwerbsvorgangs - eine nach und nach erfolgte Aufstockung eines Vorrats würde nicht ausreichen ("Silotheorie"; vgl. hierzu Körner aaO Rdn. 857 m.w.N.) - sowohl die am 11. Mai 2008 sichergestellten und dem entsprechend vom Amtsgericht abgeurteilten Mengen als auch eine hier abgeurteilte Menge erworben hätte.
12
Der Senat hat dies nicht im Wege des Freibeweises zu überprüfen, also etwa durch Rekonstruktion des Ergebnisses der Beweisaufnahme und (oder) durch Abgleich der Urteilsgründe mit dem Akteninhalt, sondern nach revisionsrechtlichen Grundsätzen (vgl. BGHSt 46, 349, 352, 353; BGH, Beschl. vom 16. November 2000 - 3 StR 457/00; in vergleichbarem Sinne BGHSt 22, 307, 309; BGH NStZ 2000, 388). Insoweit sind hier nur die Urteilsgründe maßgebend, da eine zulässige Verfahrensrüge in diesem Zusammenhang nicht erhoben ist.
13
Es ist nicht ersichtlich, dass der Strafkammer ein Rechtsfehler unterlaufen wäre.
14
Aus den dargelegten Gründen kommt es schon nicht darauf an, ob der Angeklagte sein Rauschgift ausschließlich von R. bezogen hat (hiergegen können die in den Urteilsgründen dokumentierten Angaben des Angeklagten sprechen) oder gar aus einem einheitlichen Vorrat von R. (hiervon ist bei einer Mehrzahl festgestellter Einzelverkäufe nicht ohne Weiteres auszugehen, vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 12). Jedenfalls sind keine konkreten Anhaltspunkte für die dargelegte Möglichkeit eines einheitlichen Kaufs des am 11. Mai 2008 sichergestellten Rauschgifts und hier verfahrensgegenständlichen Rauschgifts ersichtlich. Der Angeklagte hat offenbar häufig Rauschgift bezogen, wobei ihm dies von unterschiedlichen Personen ausgehändigt wurde. Unter die- sen Umständen könnte, wenn überhaupt, allenfalls der Zweifelssatz zu der Annahme führen, dass mehrere unterschiedliche Mengen Teile einer einheitlichen Gesamtmenge waren. Wie auch die Strafkammer jedoch zutreffend dargelegt hat, ist der Zweifelssatz aber keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Bewertungseinheit (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Körner aaO Rdn. 855 m.w.N.).
15
2. Die Strafkammer gab im Laufe der Hauptverhandlung zwei rechtliche Hinweise gemäß § 265 StPO. Soweit hier von Interesse, lautete der erste Hinweis :
16
"Es wird darauf hingewiesen, dass bei den Taten 1, 13 u. 14 auch unerlaubter Besitz von Btm in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vors. unerlaubtem Handeltreiben mit Btm in Betracht kommt (§§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG, 52 StGB)".
17
Es folgen in demselben Hinweis Ausführungen zu weiteren Taten. Diesem Teil des Hinweises braucht der Senat nicht weiter nachzugehen, weil er von der Revision nicht angegriffen ist.
18
Der zweite Hinweis lautete:
19
"Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Tat Ziff. 1 auch unerl. Besitz von Btm in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerl. Handeltreiben von Btm in nicht geringer Menge in Betracht kommt".
20
Die Revision führt aus, dass "dieser Hinweis" in zweifacher Hinsicht fehlerhaft sei, wobei sie zur Begründung sowohl auf Elemente des ersten Hinweises als auch auf Elemente des zweiten Hinweises verweist. Der erste Hinweis verdeutliche nicht, welche neuen Tatsachen der veränderten rechtlichen Würdigung zu Grunde lägen. Darüber hinaus lasse der zweite Hinweis im Gegensatz zum ersten Hinweis die Schuldform des Handeltreibens "nach der nunmehr veränderten Sachlage" offen. Während zunächst noch von "vorsätzlichem" Handeltreiben die Rede gewesen sei, sei dies in dem zweiten Hinweis nicht mehr der Fall gewesen. Auch fehlte in dem zweiten Hinweis die Angabe der einschlägigen Paragraphen , sodass auch insoweit nicht zu erkennen gewesen wäre, ob die Strafkammer von vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeltreiben ausgegangen sei.
21
a) Die Rüge, es werde die veränderte Tatsachengrundlage des Hinweises nicht deutlich, geht schon im Ansatz fehl. Die Annahme, ein Hinweis gemäß § 265 StPO müsse aus Rechtsgründen stets auf neuen tatsächlichen Erkenntnissen beruhen, trifft so nicht zu. Freilich ist dies nach forensischer Erfahrung vielfach der Fall, jedoch ist ein Hinweis gemäß § 265 StPO auch dann geboten, wenn sich der Sachverhalt zwar nicht geändert hat, er aber nach Auffassung des Gerichts dennoch rechtlich anders als noch in der zugelassenen Anklage zu bewerten ist (vgl. Engelhardt in KK 6. Aufl. § 265 Rdn. 17). Allein mit der Behauptung , die geänderten tatsächlichen Grundlagen eines Hinweises gemäß § 265 StPO seien nicht mitgeteilt, ist daher ein Verfahrensverstoß nicht schlüssig dargetan.
22
Im Übrigen könnte eine auf unzulängliche tatsächliche Erläuterung eines Hinweises gemäß § 265 StPO gestützte Rüge schon im Ansatz nur dann Erfolg haben, wenn Urteil und zugelassene Anklage in tatsächlicher Hinsicht wesentlich voneinander abweichen würden. Derartige Differenzen sind von der Revision nicht einmal abstrakt behauptet (zur Maßgeblichkeit der "Angriffsrichtung" einer Verfahrensrüge vgl. BGH NStZ 2008, 229, 230; Sander/Cirener JR 2006, 300 jew. m.w.N.), erst recht nicht konkret ausgeführt (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 265 Rdn. 47 m.w.N.).
23
b) Dem Angeklagten lag im Fall 1 der Urteilsgründe vorsätzliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last, und er wurde wegen vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Die für Fahrlässigkeit maßgebliche Bestimmung, § 29 Abs. 4 BtMG, ist weder in der Anklage oder in den Hinweisen noch im Urteil genannt.
24
Auch wenn es im Übrigen grundsätzlich untunlich ist, identisches Geschehen in unterschiedlichen formalen Prozessvorgängen unterschiedlich (im ersten Hinweis als vorsätzliches Handeltreiben, im zweiten Hinweis als Handeltreiben) zu bezeichnen (vgl. BGH, Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06), kommt schon deshalb ein Verstoß gegen § 265 StPO nicht in Betracht.
25
Das Vorbringen der Revision, das Unterbleiben des von ihr vermissten Hinweises habe (auch) deshalb besonders Gewicht, weil die Strafkammer von einer geänderten Sachlage ausgegangen sei, kann, wie dargelegt, schon im Ansatz der Prüfung des Revisionsvorbringens nicht zu Grunde gelegt werden.
26
Im Übrigen liegt es nahe, mehrere rechtliche Hinweise, die sich auf die nämliche Tat beziehen, nicht isoliert, sondern in einer Gesamtschau zu bewerten ; selbst die Revision spricht (teilweise) nur von einem Hinweis. Dann aber wird im Abgleich der beiden Teile dieses Hinweises mit noch hinlänglicher Klarheit deutlich, dass mit dem zweiten Hinweis lediglich die Unzulänglichkeit des ersten Hinweises insoweit beseitigt werden sollte, als dort hinsichtlich des Besitzes nicht auf die geringe Menge hingewiesen war, im Übrigen dessen Inhalt aber fortgelten sollte.
27
c) Ohne dass es darauf ankäme, dass hier eine Verfahrensabsprache vorliegt , könnte der Senat aber auch keine, nicht einmal eine entfernte, Möglichkeit erkennen, dass das gesamte in Rede stehende Verfahrensgeschehen irgend einen nachteiligen Einfluss auf Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten ge- habt haben könnte. Auch die Revision legt in ihren Ausführungen zum Beruhen des Urteils auf den geltend gemachten Mängeln nur - zutreffend, aber nur abstrakt - dar, dass eine andere Verteidigungsmöglichkeit nicht notwendigerweise nahe liegen muss.
28
In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat: Von hier nicht einschlägigen Besonderheiten abgesehen, braucht eine Revisionsbegründung den ursächlichen Zusammenhang zwischen (behauptetem) Rechtsfehler und dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich darzulegen. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Revisionsgerichts, die Beruhensfrage von sich aus zu prüfen. Dies sollte jedoch gerade in Fällen, in denen die Möglichkeit eines Beruhens nicht leicht zu erkennen ist, den Beschwerdeführer nicht davon abhalten, konkret darzulegen, warum aus seiner Sicht hier ein Beruhen möglich erscheinen kann (vgl. zusammenfassend Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 65 m.w.N.). Andernfalls ist nicht auszuschließen, dass das Revisionsgericht trotz seiner umfassenden Überprüfung der Beruhensfrage eine in diesem Zusammenhang (doch) in Betracht zu ziehende Möglichkeit nicht erkennt und daher auch nicht in seine Erwägungen einbezieht (BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof gerade auch im Zusammenhang mit Rügen der Verletzung von § 265 StPO wiederholt darauf hingewiesen, dass auch dem Revisionsvorbringen nichts zu entnehmen ist, was das (negative) Ergebnis seiner Beruhensprüfung in Frage stellen könne (vgl. z.B. BGHR StPO § 265 Abs.1 Hinweispflicht 9, 12; BGH, Beschl. vom 19. Oktober 1994 - 2 StR 336/94; Beschl. vom 13. Juni 2007 - 2 StR 127/07).
29
3. Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat, auch über die im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Verfahrenshindernis vorgenommene Überprüfung hinaus, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ebenso wenig stellt es den Bestand des Urteils in Frage, dass die Strafkammer davon abgesehen hat, den Angeklagten gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschwert es den Angeklagten grundsätzlich nicht, wenn keine Maßregel gemäß § 64 StGB gegen ihn verhängt wird (vgl. BGH NStZ 2009, 261 m.w.N.). Eine Fallgestaltung, bei der trotz fehlender Beschwer des Angeklagten auf seine Revision eine Aufhebung des Urteils wegen einer zu Unrecht unterlassenen Unterbringung gemäß § 64 StGB in Betracht kommen kann (BGHSt 37, 5, 9 f.), liegt nicht vor. Ebenso wie schon der hierzu gehörte Sachverständige hat auch die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung keine unzutreffenden Maßstäbe zu Grunde gelegt , wie dies auch der Generalbundesanwalt im Einzelnen näher ausgeführt hat, ohne dass dies von der Erwiderung der Revision entkräftet wäre. Nack Wahl Graf Jäger Sander

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 557/00
vom
17. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2001 beschlossen
:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 17. August 2000 mit Ausnahme der Feststellungen
zur rechtswidrigen Tat aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Obwohl gegen sie dort Hausverbot bestand, weigerte sich die stark angetrunkene Angeklagte am 16. Juli 1998 der Aufforderung einer Angestellten zum Verlassen eines Supermarkts nachzukommen. Als die Angestellte die Angeklagte deshalb in das Büro verbringen wollte, wurde sie von ihr durch Schläge und Tritte nicht unerheblich verletzt. Außerdem beschimpfte die Angeklagte sie und eine hinzu gekommene Kundin mit Ausdrücken wie "Nazischlampe" und "Kinderficker". Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Die Revision der Angeklagten hat überwiegend Erfolg.
1. Vergeblich macht die Revision allerdings geltend, die Angeklagte sei, ebenso wie bei einem früheren Hauptverhandlungstermin, der nach ärztlichem Hinweis schon vor Beginn wegen Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten abgesetzt worden war, bei der Hauptverhandlung verhandlungsunfähig gewesen. Die Angeklagte war in der Hauptverhandlung ausweislich der Urteilsgründe "in einem körperlich äußerst desolaten Zustand". Sie war fünf Tage zuvor von ihrem Mann körperlich mißhandelt worden und hatte sich seitdem "in Kneipen und beschützenden Einrichtungen" aufgehalten. Unmittelbar vor der Hauptverhandlung, zu der sie erst verspätet erschien, hatte die in hohem Maße alkoholgewohnte Angeklagte drei Halbe Bier getrunken. Gleichwohl hat sie sich, wie der Generalbundesanwalt im einzelnen zutreffend ausgeführt hat, an der Hauptverhandlung, bei der ein ärztlicher Sachverständiger anwesend war, intensiv beteiligt und dabei eine Reihe von schlüssigen Erklärungen zur Person und zur Sache abgegeben. Unter diesen Umständen hat der Senat, ebenso wie die Strafkammer, an der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (vgl. BGHSt 41, 16, 18 m.w.N.) keine Zweifel (vgl. BGH NStZ 1984, 181 m.w.N.). 2. Nach sachverständiger Beratung ist die Strafkammer zu dem Ergebnis gekommen, daß die Schuldunfähigkeit der alkoholkranken (wegen Vollrauschs sechs Mal vorbestraften) Angeklagten auf einer endogenen schizo-affektiven Psychose mit (nicht näher ausgeführten) Verfolgungsideen aus dem zyklotymen Kreis in Form eines phasenartig verlaufenden hypomanischen Zustands beruhe. In manischen Phasen würden gehäuft deliktische Zuspitzungen und Alkoholexzesse mit Aggressionstendenzen auftreten. Mit weiteren gleichartigen Taten sei zu rechnen. Die Beurteilung der Angeklagten durch den Sachverständigen beruht auf einer von ihm vorgenommenen ambulanten Untersuchung
der Angeklagten am 5. Oktober 1998 im Bezirkskrankenhaus T. , ihrer dortigen (ebenfalls nicht näher ausgeführten) Krankengeschichte sowie der Kenntnis der Verfahrensakte und der Hauptverhandlung. 3. Die Angeklagte hatte wenige Tage vor der Hauptverhandlung mit einem von ihr selbst verfaßten, an die Strafkammer gerichteten Schreiben vom 10. August 2000 die Vernehmung der Fachärzte für Psychiatrie Dr. K. und Dr. G. als sachverständige Zeugen beantragt und zugleich Atteste dieser Ä rzte vorgelegt. Wie die Revision zutreffend vorträgt, heißt es in dem Attest von Dr. K. vom 30. Mai 2000 ausdrücklich: "Zeichen einer schizo-affektiven Psychose konnte ich bei der mir seit 1992 bekannten Patientin nicht feststellen". Ausweislich des Attestes von Dr. G. v om 8. Mai 2000 liegen bei der Angeklagten "Rezidivierende manische Episoden" sowie Alkoholabhängigkeit und eine "nivellierte Persönlichkeit" vor. 4. Die Revision rügt mit Recht, daß die Strafkammer diesen Anträgen nicht nachgegangen ist. Das Übergehen eines außerhalb der Hauptverhandlung gestellten, dort aber nicht wiederholten und daher nicht nach Maßgabe von § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu verbescheidenden Beweisantrags (vgl. § 219 StPO) kann je nach den Umständen des Einzelfalls eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) darstellen (BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1; vgl. auch Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 49). So verhält es sich hier. Die (offenbar einmalige) Untersuchung der Angeklagten durch den gerichtlichen Sachverständigen lag zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung fast zwei Jahre zurück. Nach der verfahrensgegenständlichen Tat liegende Vorfälle , die - etwa im Hinblick auf aufgetretene Wahnideen - das Vorliegen einer
schizo-affektiven Psychose bestätigen könnten, sind nicht festgestellt. Allerdings ergeben die Urteilsgründe, daß die Angeklagte schon 1995 wegen insgesamt drei, mit der vorliegenden vergleichbaren Tat, die sie 1993, 1994 und 1995 in jeweils betrunkenem Zustand begangen hatte, gemäß § 63 StGB untergebracht wurde, wobei die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zu den Gründen dieses Urteils ist jedoch nichts mitgeteilt. Ebensowenig ist ersichtlich , wann, wie lange, aus welchen Gründen und mit welchem Ergebnis die Angeklagte in einem Bezirkskrankenhaus (oder anderswo) psychiatrisch behandelt worden ist. Unter diesen Umständen kann der Senat nicht ausschließen , daß die Strafkammer nach Anhörung der genannten Ä rzte zu einem anderen Ergebnis, etwa einer Unterbringung gemäß § 64 StGB, gekommen wäre, insbesondere, nachdem vor allem Dr. K. nach offenbar jahrelanger Behandlung der Angeklagten dem vom gerichtlichen Sachverständigen gefundenen Ergebnis ausdrücklich widersprochen hat (vgl. auch BGH NStZ-RR 1996, 258). Dies führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO).
5. Von alledem unberührt bleiben die Feststellungen zum Tatgeschehen vom 16. Juli 1998. Da sie, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, rechtsfehlerfrei getroffen sind, können sie bestehen bleiben (§ 349 Abs. 2 StPO). Schäfer Wahl Schluckebier Hebenstreit Schaal