Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2017 - 3 StR 368/17

bei uns veröffentlicht am18.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 368/17
vom
18. Oktober 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:181017B3STR368.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 3. April 2017 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (II. 1. und 2. der Urteilsgründe) aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts trat bei dem Beschuldigten im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung eine Wesensveränderung ein, die von sozialem Rückzug und Verfolgungsideen begleitet wurde. Spätestens Anfang 2016 entwickelte er eine Wahnstörung, wobei die Wahnideen sich auf Familienmitglieder, insbesondere aber auf den Nebenkläger bezogen, mit dem er sich in früheren Jahren der Imkerei gewidmet hatte. Er warf diesem unter anderem vor, seine Bienenvölker vergiftet zu haben. Am 24. August 2016 beobachtete er zwei Männer vor seinem Haus, von denen er annahm, dass der Nebenkläger sie geschickt habe, um ihn zu töten. Er bewaffnete sich deshalb mit einem Beil und machte sich - über Stunden hinweg - auf die Suche nach dem Nebenkläger. Als er schließlich auf diesen traf, holte er mit dem Beil aus, um ihn zu schlagen und zu verletzen, damit er ihn künftig in Ruhe lasse. Der Nebenkläger konnte jedoch die Hand des Beschuldigten, in der er das Beil hielt, herunterdrücken, ihm dieses entwinden und ihn zu Boden bringen. Gleichwohl gelang es dem Beschuldigten, mehrfach in das Gesicht des Nebenklägers zu schlagen, der dadurch ein Brillenhämatom und Hautabschürfungen davontrug. Schließlich würgte er den Nebenkläger, der inzwischen ebenfalls zu Boden gegangen war, und versuchte erneut, das Beil zu ergreifen. Der sich nun entwickelnde Kampf um das Beil endete, als eine Zeugin hinzutrat und einen Notruf absetzte. Der Beschuldigte, der erkannt hatte, dass er die Kontrolle über das Beil nicht wieder zurückerlangen würde, ließ vom Nebenkläger ab und ging davon.
3
Das Landgericht, das keinen Tötungsvorsatz des Beschuldigten hat feststellen können, hat die Tatbestände der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung als erfüllt angesehen. Es ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass der Beschuldigte die Tat im Zustand erheblich verminderter, möglicherweise sogar aufgehobener Steuerungsfähigkeit beging.
4
II. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen , wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 3 StR 211/16, R&P 2016, 268 f. mwN).
6
2. Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Feststellung einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit genügen die Urteilsgründe nicht. Insbesondere hat es das Landgericht versäumt darzulegen, weshalb es - anders als der Sachverständige - aus der Diagnose einer wahnhaften Störung auf eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit, wenn nicht gar auf deren Aufhebung, geschlossen hat. Im Einzelnen:
7
a) Nach der Beurteilung des psychiatrischen Sachverständigen leidet der Beschuldigte an einer Wahnstörung, aus der heraus er Gegebenheiten und Äußerungen fehlinterpretiert und sie in ein sogenanntes Wahngebäude einbaut. Im Zentrum dieses Wahnsystems stand im Tatzeitpunkt der Nebenkläger, von dem sich der Beschuldigte verfolgt und bedroht fühlte und dem er mit der Tat ein "Stoppsignal" setzen wollte. Damit sei krankheitsbedingt seine Fähigkeit, die eigene Entscheidungsfindung und das eigene Handeln "sinnhaft" zu hinterfragen , jedenfalls erheblich eingeschränkt, wenn nicht sogar aufgehoben gewesen. Hiermit gehe eine erhebliche Verminderung bzw. Aufhebung der Fähigkeit einher, das Unrecht der Tat einzusehen.
8
Mit diesen sachverständigen Ausführungen ist die von § 63 StGB geforderte sichere erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten nicht belegt.
9
Ist der Täter in seiner Einsichtsfähigkeit erheblich vermindert, so ist seine Schuld gleichwohl nicht gemindert und § 21 StGB nicht anwendbar, wenn er das Unrecht seines Tuns im Tatzeitpunkt dennoch einsah; das Tatgericht hat daher darüber zu befinden, ob die Einschränkung der Einsichtsfähigkeit auch tatsächlich zum Fehlen der Unrechtseinsicht führte und dem Täter dies vorzuwerfen ist; nur wenn beides zu bejahen ist, greift § 21 StGB ein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2005 - 2 StR 124/05, R&P 2006, 101; vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15, NStZ-RR 2015, 273 f.; vom 2. August 2016 - 2 StR 574/15, juris Rn. 6). Zu dem zweiten Gesichtspunkt verhalten sich die Ausführungen des Sachverständigen, wie sie sich aus den Urteilsgründen ergeben, jedoch nicht, so dass sie nicht Grundlage für die Annahme einer die Unterbringung rechtfertigenden sicheren erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit sein können.
10
b) Das Landgericht ist indes - aus anderen Gründen - dem Sachverständigen in der Frage der Einsichtsfähigkeit nicht gefolgt. Vielmehr hat es in Abweichung von dessen Gutachten einen Erhalt der Einsichtsfähigkeit angenommen , da der Beschuldigte gewusst habe, dass man einen Menschen nicht mit dem Beil angreifen und verletzen dürfe. Jedoch ist das Landgericht davon ausgegangen , dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei der Tat erheblich vermindert, wenn nicht sogar aufgehoben war: Aufgrund seines massiven Verfolgungs- und Bedrohungserlebens habe dieser keine andere Handlungsoption gesehen als diejenige, den Nebenkläger mit dem Beil anzugreifen.
11
An dieser Abweichung von dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen war das Landgericht nicht grundsätzlich gehindert. Denn ein solches Gutachten kann stets nur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein. Insbesondere können ihm die sachverständigen Ausführungen die erforderliche Sachkunde verschafft haben, um die zu klärende Beweisfrage eigenständig und auch im Gegensatz zum Sachverständigen zu beantworten. Will der Tatrichter jedoch eine Frage, für deren Beantwortung er sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten , muss er die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlaubt, ob er die Darlegungen des Sachverständigen zutreffend gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen , insbesondere zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - 3 StR 333/01, NStZ-RR 2002, 257, 259 bei Becker). Diese an das Urteil zu stellenden Darlegungsanforderungen gelten auch dann, wenn das Gericht sich - wie hier - in einer Frage, zu deren Beantwortung von Gesetzes wegen ein Sachverständiger zu hören ist (vgl. § 246a Abs. 1 StPO), zu der dieser sich aber nicht geäußert hat, eine Überzeugung verschafft hat. Dies lässt das angefochtene Urteil vermissen.
12
Den eher knappen Darlegungen kann zwar noch entnommen werden, warum die Strafkammer von einer fortbestehenden Einsicht des Beschuldigten in das Unrecht seines Tuns ausgegangen ist. Doch hat sie versäumt darzulegen , wie sie sich die Überzeugung verschafft hat, dass die vom Sachverständigen diagnostizierte und als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB gewertete Erkrankung sich auf die Fähigkeit des Angeklagten, entsprechend der erhaltenen Einsicht in das Unrecht seines Tuns zu handeln, ausgewirkt hat. Ausführungen des Sachverständigen hierzu sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Diese ergeben auch nicht, dass und wie das Landgericht sich aus dem erstatteten Gutachten die eigene Sachkunde zur Beurteilung der - vom Sachverständigen nicht bewerteten - Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten verschafft hat und welche Gründe es aufgrund dieser Sachkunde bewogen haben, aus den krankheitsbedingten Fehlvorstellungen des Beschuldigten auf die sichere erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, wenn nicht gar deren Aufhebung zu schließen. Hierzu reichen die allgemeinen Hinweise auf das sich aus dem Gutachten ergebende "massive Verfolgungs- und Bedrohungserleben" nicht aus. Dieses hat sich nämlich nach den Ausführungen des Sachverständigen bereits auf die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten ausgewirkt. Die Strafkammer hat indes nicht dargelegt, weshalb sie in Abweichung hiervon zu der Überzeugung gelangt ist, das paranoide Wahnerleben habe zwar nicht die Einsichts-, wohl aber die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten, der - bewaffnet mit einem Beil - den Nebenkläger über Stunden hinweg gesucht und schließlich angegriffen hatte, erheblich eingeschränkt.
13
Der Senat ist daher nicht in der Lage zu prüfen, ob das Landgericht die Maßregel nach § 63 StGB rechtsfehlerfrei angeordnet hat. Über die Unterbringung des Angeklagten muss neu entschieden werden. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind indes rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2017 - 3 StR 368/17

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Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


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Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 211/16
vom
26. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:260716B3STR211.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 25. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schlug der Angeklagte am 4. Juni 2013 der Geschädigten, seiner damaligen Lebensgefährtin, in der gemeinsamen Wohnung mit einer Kleiderstange gegen deren Arme, Beine und Hinterkopf. Im Anschluss hieran erwirkte die Geschädigte eine einstweilige Anordnung, nach der es dem Angeklagten untersagt war, sich der Geschädigten zu nähern oder sonst mit ihr in Kontakt zu treten. Trotz Kenntnis von diesen Verboten nahm der Angeklagte danach in der Zeit bis zum 26. September 2013 in insgesamt 23 Fällen Kontakt zu der Geschädigten auf. In einem dieser Fälle äußerte er am Telefon, er werde das Haus der Zeugin und ihres Vaters anzünden , wenn er die Kinder nicht sehen dürfe. In einem weiteren Fall trat oder schlug er, einen Schreckschussrevolver in der Hand haltend, gegen die Hauseingangstür und schrie: "Komm raus, sonst bring' ich Dich um!"
3
Die - sachverständig beratene - Strafkammer hat angenommen, der Angeklagte sei bei allen Taten wegen einer krankhaften seelischen Störung schuldunfähig gewesen. Er habe die wahnhafte Vorstellung entwickelt, der seinerzeit dreijährige Sohn der Geschädigten trage die Schuld an einer Fehlgeburt der Geschädigten und habe somit sein ungeborenes Kind getötet. Aufgrund der Art seiner Einlassung stehe fest, dass die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten während der Taten aufgehoben gewesen sei. Zudem wäre er nicht in der Lage gewesen, sein Handeln selbst bei vorhandener Unrechtseinsicht zu steuern.
4
1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn unter anderem zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne einer der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76; vom 21. Juni 2016 - 5 StR 214/16, juris Rn. 4).
6
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht; diese belegen einen für die festgestellten Straftaten ursächlichen Zustand im Sinne des § 63 StGB nicht.
7
Zur Begründung der Annahme, der Angeklagte sei von Anfang Juni bis Ende September 2013 aufgrund der jeweils aktuell ausgeprägten wahnhaften Störung schuldunfähig gewesen, hat das Landgericht maßgeblich auf den Eindruck abgestellt, den der Angeklagte in den vom Sachverständigen mit ihm geführten Explorationsgesprächen im September 2015 und Januar 2016 sowie in der Hauptverhandlung im Februar 2016 gemacht hat. Aus dem geschilderten Verhalten erschließt sich aber nicht der Zustand des Angeklagten während des etwa zwei bis zweieinhalb Jahre zurückliegenden Tatzeitraums. Hierzu hätte es näherer Ausführungen bedurft, welche die Urteilsgründe nicht enthalten. Betreffend den Zustand des Angeklagten im Tatzeitraum hat das Landgericht wesentlich nicht auf eine psychotische Erkrankung, sondern den damaligen Alkoholund Drogenkonsum des Angeklagten abgestellt. In diesem Zusammenhang hat es dem Sachverständigen folgend ausgeführt, beim Angeklagten liege ein Missbrauch und eine Abhängigkeit von Drogen und Alkohol vor. Das Verhältnis zwischen diesem Befund und der diagnostizierten Wahnerkrankung zur Tatzeit wird durch die Urteilsgründe jedoch nicht näher dargelegt. Daneben hat das Landgericht lediglich pauschal ausgeführt, die Taten des Angeklagten stünden in ursächlichem Zusammenhang mit der bei ihm festgestellten wahnhaften Störung und der darauf beruhenden fehlenden Einsichtsfähigkeit sowie der fehlenden Selbstkontrolle. Auch dies genügt hier nicht. Eine nähere Begründung wäre insoweit u.a. deshalb erforderlich gewesen, weil nach der Aussage der Ge- schädigten diese und der Angeklagte sich gegen Ende des Jahres 2013, mithin nach den hier festgestellten Anlasstaten, wieder versöhnten, und in der Folgezeit erneut zusammen wohnten. Somit liegt es nicht fern, dass jedenfalls die Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz möglicherweise nicht auf die Erkrankung des Angeklagten zurückzuführen, sondern maßgeblich von seiner Motivation getragen waren, die Beziehung mit der Geschädigten fortzusetzen. Mit diesem Gesichtspunkt hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen.
8
2. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben; denn durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I, S. 1327) wurde der frühere Rechtszustand dahin geändert, dass es gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO möglich ist, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen. Dies bedeutet, dass auf die Revision des Angeklagten in Fällen wie dem vorliegenden ein Freispruch aufgehoben werden kann. Die Aufhebung (auch) des Freispruchs entspricht im vorliegenden Fall dem Ziel des Gesetzgebers zu vermeiden, dass nach einer erfolgreichen Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB die Tat ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war. Das Gericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung einer isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 8; vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1).
9
3. Die Sache bedarf nach alldem neuer Verhandlung und Entscheidung, wobei es sich empfehlen dürfte, einen neuen Sachverständigen hinzuzuziehen. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG voraussetzt, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt (BGH, Beschluss vom 28. November 2013 - 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94). Das neue Tatgericht wird schließlich auch die Neufassung des § 63 StGB durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften (BGBl. I, S. 1610 f.) in den Blick zu nehmen haben, das am 1. August 2016 in Kraft treten wird.
Becker Schäfer Mayer
Spaniol Tiemann

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 8 1 / 1 5
vom
30. Juni 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Juni 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 25. Februar 2015 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den Taten Ziffer III. der Urteilsgründe aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Feststellungen des Landgerichts zu den Taten des Beschuldigten beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, da das Landgericht die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei entschieden hat.
4
a) Nach den Darlegungen des Landgerichts war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei den Taten III. 1. c) aa) und bb), III. 1 b) bb), III. 3. b) aa) der Urteilsgründe (Nr. 1 bis 4, 7 der Antragsschrift) aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie höchstwahrscheinlich ausgeschlossen, sicher aber erheblich beeinträchtigt, die Steuerungsfähigkeit hingegen vollständig erhalten geblieben.
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Damit ist die gesetzliche Voraussetzung (vgl. § 63 StGB), dass der Beschuldigte diese fünf Taten im Zustand sicher festgestellter zumindest eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat, nicht belegt. Nimmt der Tatrichter eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss er darüber befinden, ob diese sodann zum Fehlen der Unrechtseinsicht geführt oder ob der Täter gleichwohl das Unrecht der Tat eingesehen hat (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 13. November 1990 - 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3; vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, juris Rn. 7). Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Ist ihm das Fehlen nicht vorwerfbar, so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, lägen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 3 StR 261/14, juris Rn. 3).
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b) Gleiches gilt im Ergebnis für die übrigen drei Taten, bei denen das Landgericht neben der erheblichen Verminderung der Einsichtsfähigkeit auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten festgestellt hat. Die Anwendung des § 21 StGB kann nicht auf beide Alternativen - erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - zugleich gestützt werden. Wie dargelegt ist eine verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6 mwN). Ein Fall, in dem das Revisionsgericht ausnahmsweise aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sicher entnehmen kann, dass das Landgericht von erhalten gebliebener Einsicht des Beschuldigten in das Tatunrecht ausgegangen ist, liegt nicht vor.
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c) Über die psychische Befindlichkeit des Beschuldigten bei den Taten, deren Einfluss auf die Schuldfähigkeit und ggf. über die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung nach § 63 StGB muss deshalb erneut befunden werden.
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3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Bemerkungen :
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a) Sollte die erneute Überprüfung ergeben, dass eine verminderte Schuldfähigkeit bei einzelnen oder allen Taten nicht allein auf einer Schizophrenie des Beschuldigten beruht, sondern auf dessen Alkoholabhängigkeit und Polytoxikomanie, so wäre auf die in solchen Fällen geltenden besonderen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42) Bedacht zu nehmen. Den bisherigen Wertungen zur Schuldfähigkeit bei den Taten 5, 6 und 8 der Antragsschrift (UA S. 42 f.) lässt sich allerdings entnehmen , dass die Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit bereits allein auf die Psychose gestützt werden sollte und der Alkoholisierung lediglich noch eine verstärkende Wirkung zugemessen wurde.
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b) Die Taten III. 1. b) bb) sowie III. 2. a) aa) der Urteilsgründe (Nr. 3, 4 und 5 der Antragsschrift) scheiden entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil nicht deshalb als Anlasstaten für eine Unterbringung aus, weil der Beschuldigte krankheitsbedingt den subjektiven Tatbestand nicht erfüllt hat. Es berührt den natürlichen Tatvorsatz nicht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 222/08, NStZ-RR 2008, 334; Beschluss vom 18. Juni 2014 - 5 StR 189/14, juris mwN). Diese Taten können deshalb grundsätzlich zum Anlass für eine neuerliche Unterbringung gemacht werden (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB schon regelmäßig nicht offen bleiben, welche der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB gegeben ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zu den jeweiligen Tatzeitpunkten zu treffen (vgl. § 20 StGB). Deswegen darf auch nicht offen bleiben, ob die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit des Täters vermindert war (vgl. Senat, aaO, BGHSt 49, 347, 356 ff.). Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juli 2002 - 2 StR 198/02, NStZ-RR 2002, 328; BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6) während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15; NStZ-RR 2015, 273; Senat, Urteil vom 17. April 2014 - 2 StR 405/12, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 4 mwN). Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15; NStZ-RR 2015, 273, 274; Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6). Das hat das Landgericht versäumt.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.