Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 444/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:261115B2STR144.15.0
bei uns veröffentlicht am24.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 444/15
vom
24. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
hier: Revision des Angeklagten H.
ECLI:DE:BGH:2015:241115B3STR444.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 24. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird - unter Aufrechterhaltung der Feststellungen - das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 8. April 2015 aufgehoben,
a) soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
b) soweit es den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 4. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten H. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. - unter Freispruch im Übrigen - wegen gefährlicher Körperverletzung, Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung sowie Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen den Mitangeklagten K. hat es wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen unter Einbeziehung von zwei Einzelstrafen aus einem früheren Urteil auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten erkannt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten H. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen - teilweise auch zugunsten des Mitangeklagten K. wirkenden - Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
I. Soweit für die Entscheidung von Bedeutung, hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
3
Mit dem Ziel der Rache machte sich am 17. Mai 2014 der Nebenkläger C. , dessen Cousin am Vortag von den Angeklagten durch Messerstiche verletzt worden war, mit Freunden auf die Suche nach diesen. Als beide Gruppen aufeinandertrafen, schlug der Nebenkläger mit einer Holzlatte in Richtung der Angeklagten, traf jedoch lediglich eine Hauswand, wodurch die Latte zerbrach und zu Boden fiel. Als die Angeklagten sowie der Nichtrevident F. ihre mitgeführten Messer zogen, ergriff die Gruppe um den Nebenkläger die Flucht; der Nebenkläger kam dabei zu Sturz. Nunmehr versetzte ihm der Angeklagte K. mit bedingtem Tötungsvorsatz einen Messerstich in den Unterbauch. Dabei fühlte er sich "durch die Anwesenheit der ebenfalls [...] bewaffneten Mitangeklagten [...] unterstützt, da er davon ausging, dass die Mitangeklagten jeder- zeit eingreifen und eine eventuelle Gegenwehr des Opfers unterbinden würden. Die Angeklagten F. und H. hatten sich ihrerseits bewusst in die Nähe des Geschehens begeben und billigten, dass der Angeklagte K. den Nebenkläger mit dem Messer traktierte und sich hierbei von ihnen bestärkt fühlte. Sie rechneten jedoch nicht damit, dass der Angeklagte K. dem Geschädigten nach dem Leben trachten würde und waren hiermit auch nicht einverstanden. Die genaue Stichführung konnten beide Mitangeklagten nicht sehen, da sie unmittelbar hinter dem Angeklagten K. standen und die Einzelheiten des Geschehens vom Körper des Angeklagten K. verdeckt wurden" (Fall II. 3. der Urteilsgründe).
4
Nachdem ein Freund dem Geschädigten zunächst zu Hilfe gekommen war und die Angeklagten vertrieben hatte, setzten diese dem Nebenkläger, der nach etwa 100 m aufgrund der erlittenen Stichverletzung erneut zusammengebrochen war, abermals nach. Während der Angeklagte K. und der Nichtrevident auf den Geschädigten einschlugen, stach der Revisionsführer mit einem Küchenmesser auf ihn ein. Dabei handelte er "in der Absicht, den Nebenkläger mit Hilfe des Messers zu verletzen, und nahm dabei billigend in Kauf, dass dem Nebenkläger durch dessen Abwehrbewegungen mit Armen und Beinen ebenfalls Schnittverletzungen zugefügt werden könnten". Tatsächlich erlitt der Geschädigte eine Schnittverletzung am linken Daumen sowie eine Stichverletzung am rechten Knie (Fall II. 4. der Urteilsgründe).
5
II. Diese - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 4. der Urteilsgründe) bzw. der Beihilfe hierzu (Fall II. 3. der Urteilsgründe) nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht.
6
In Fall II. 4. der Urteilsgründe ist bereits die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht belegt. Dieser verlangt, dass die Behandlung nach den Umständen des Einzelfalles generell dazu geeignet ist, das Leben des Verletzten zu gefährden (st. Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 38/13, NStZ-RR 2013, 342). Trotz der generell hohen Gefährlichkeit eines Messereinsatzes versteht sich dies nicht von selbst. Deshalb hätte das Landgericht mitteilen müssen, auf welche Körperregionen der Angeklagte H. zielte. Auch hinsichtlich der diesem zurechenbaren (§ 25 Abs. 2 StGB) Schläge des Angeklagten K. sowie des Nichtrevidenten verhält sich das Urteil nicht dazu, auf welche Körperstellen des Geschädigten diese mit welcher Intensität einwirkten. Eine abstrakte Lebensgefährlichkeit der Behandlung ist damit nicht dargetan.
7
Diese folgt in Fall II. 3. der Urteilsgründe zwar ohne weiteres aus der konkret dargestellten Stichführung durch den Angeklagten K. . Die Strafkammer setzt sich indes nicht damit auseinander, ob beim Angeklagten H. insoweit auch der erforderliche Gehilfenvorsatz gegeben war, der sich nicht nur auf die Unterstützungshandlung, sondern auch auf die Vollendung der Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen beziehen muss (BGH, Urteil vom 30. Juni 1982 - 1 StR 757/81, NJW 1982, 2453, 2454). Letzteres ist indes nicht selbstverständlich. Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer ausdrücklich festgestellt hat, dass der Angeklagte H. die Einzelheiten des Geschehens nicht sehen konnte.
8
III. Die aufgezeigten Fehler lassen zwar den Schuldspruch unberührt, da die Feststellungen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung bzw. der Beihilfe hierzu gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB tragen. Demgegenüber können die in beiden Fällen verhängten Einzelstrafen keinen Bestand haben , da das Landgericht die Verwirklichung von drei Alternativen des § 224 Abs. 1 StGB jeweils ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten H. straf- schärfend berücksichtigt hat. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
9
Dieselbe rechtsfehlerhafte Erwägung führt gemäß § 357 Satz 1 StPO zur Aufhebung der in Fall II. 4. der Urteilsgründe gegen den Angeklagten K. verhängten Einzelstrafe und damit auch der Gesamtstrafe. Demgegenüber kann der Senat hinsichtlich des Angeklagten F. ausschließen, dass die gegen diesen verhängte, vornehmlich an erzieherischen Aspekten orientierte Jugendstrafe auf dem Fehler beruht.
10
IV. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der neuen Verhandlung und Entscheidung. Nachdem sich das Verfahren nunmehr nurnoch gegen Erwachsene richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (§ 354 Abs. 3 StPO analog). Einer Aufhebung der ge- troffenen Feststellungen bedurfte es nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Weitergehende Feststellungen, die zu den bislang getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 444/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 444/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 444/15 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 444/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 444/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 31. Juli 2013 - 2 StR 38/13

bei uns veröffentlicht am 31.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 38/13 vom 31. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2013, an der teilgenommen haben: Vorsi
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 444/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Nov. 2017 - 4 StR 427/17

bei uns veröffentlicht am 23.11.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 427/17 vom 23. November 2017 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Tötung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:231117B4STR427.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und d

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2016 - 2 StR 177/16

bei uns veröffentlicht am 14.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 177/16 vom 14. Dezember 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:141216U2STR177.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2016 - 1 StR 254/16

bei uns veröffentlicht am 29.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 254/16 vom 29. Juni 2016 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2016:290616B1STR254.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Ge

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 38/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
der Angeklagte P. in Person,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 1. August 2012 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.

2
Der Angeklagte und sein Freund I. -L. fuhren am 15. Februar 2012 zu einem Garagengelände, wo sich der Angeklagte nach der Möglichkeit eines Ölwechsels für sein Fahrzeug erkundigte. Aus unbekannten Gründen kam es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und dem dort anwesenden H. . Hierauf begaben sich der Angeklagte und sein Freund zurück zum Fahrzeug, während H. ihnen folgte, auf den Angeklagten einredete und bei dessen Versuch, ins Auto einzusteigen, die Tür zudrückte, so dass ein Fuß des Angeklagten für kurze Zeit eingeklemmt war. Deshalb wurde der Angeklagte wütend. Er versetzte H. mit erheblicher Wucht einen kräftigen Faustschlag an die Schläfe. Anschließend trat der 1,85 m große Angeklagte den mit 1,65 m Körperlänge kleineren Geschädigten mit erheblicher Wucht gegen die rechte obere Brustseite, so dass der Geschädigte umfiel und mit dem Hinterkopf auf den Boden aufschlug, wo er bewusstlos liegen blieb.
3
Dem Angeklagten war bekannt und bewusst, dass ein solch massiver Schlag in das Gesicht und ein derart wuchtiger Fußtritt gegen den Oberkörper geeignet waren, das Leben des Geschädigten zu gefährden, zumal ihm seine besondere Trittkraft als Amateurfußballspieler bekannt war.
4
Aufgrund des Schlags erlitt der Geschädigte eine Felsenbein- und Kalottenfraktur , ferner Kontusionsblutungen und eine Blutung zwischen Schädeldach und harter Hirnhaut aufgrund der Zerreißung einer Schlagader. Die Verletzungen mussten chirurgisch versorgt werden. Der Geschädigte leidet auch danach unter erheblichen Konzentrations- und Sehstörungen sowie Kopfschmerzen und Schlafstörungen und einer Sprachfindungsstörung.

II.

5
Die Revision ist unbegründet.
6
1. Dies gilt zunächst für den Rechtsmittelangriff gegen den Schuldspruch.
7
Das Landgericht hat die rechtsfehlerfrei festgestellte Tat zu Recht als gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bewertet. Sowohl der heftige Faustschlag gegen die Schläfe des Opfers als auch der wuchtige Tritt gegen den Oberkörper, der den Geschädigten zu Fall brachte und mit dem Hinterkopf hart auf den Boden aufschlagen ließ, waren jeweils lebensgefährliche Handlungen, die in natürlicher Handlungseinheit zusammenge- troffen sind. Für eine Bewertung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell dazu geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 2 StR 520/12). Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2StR 60/12). Dabei ist aber die konkrete Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des jeweiligen Verletzten im Einzelfall zu berücksichtigen. Die Größenunterschiede zwischen Täter und Opfer, die Wucht des aus Wut ausgeführten Schlags und des Tritts, sowie die Zielrichtung begründen hier die Bewertung als lebensgefährliche Handlungen. Mit dem Faustschlag gegen den Kopf und mit dem Tritt, der mittelbar durch Sturz und Aufprall des Geschädigten mit dem Kopf auf den Boden jeweils gegen eine vitale Körperregion gewirkt haben, wurde eine zumindest potenzielle Lebensgefährdung verursacht.
8
Subjektiv muss der Täter einer Tat nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB die Umstände der Tat erkennen, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2001 – 3 StR 175/01). Da der Angeklagte wusste, dass er massive Gewalt gegen den Kopf des Opfers ausübte, was er auch wollte, hat er die Tat mit dem Vorsatz einer das Leben des Geschädigten gefährdenden Handlung begangen.
9
2. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts begegnet auch die Bemessung der Jugendstrafe keinen rechtlichen Bedenken.
10
a) Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Jugendstrafe so zuzumessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Dies bedeutet nicht, dass die Erziehungswirkung als einziger Gesichtspunkt heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben andere Strafzwecke zu beachten, insbesondere bei Gewaltdelikten mit erheblichen Folgen für das Opfer auch das Erfordernis gerechten Schuldausgleichs. Das Gewicht des Tatunrechts muss gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Verurteilten abgewogen werden. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei regelmäßig nicht im Widerspruch. Hier stehen sie miteinander im Einklang, weil die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, für das Erziehungsbedürfnis und für die Bewertung der Schuld gleichermaßen von Bedeutung sind.
11
b) Die Jugendkammer hat nach Aufzählung der Strafbemessungsgründe betont, sie habe unter "Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände und unter zentraler Berücksichtigung des Erziehungsgedankens" die verhängte Jugendstrafe "für angemessen und notwendig erachtet". Danach ist, anders als in Fällen, in denen das Tatgericht die Jugendstrafe in ihrer Höhe ausschließlich als "tat- und schuldangemessen" bezeichnet (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juni 2013 – 2 StR 498/12), nicht zu besorgen, das Tatgericht könne diesen Maßstab des Jugendstrafrechts übersehen haben.
12
Eine lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens in den Urteilsgründen würde zwar nicht den Anforderungen genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 – 3 StR 14/12, StraFo 2012, 241). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Bei der Erläuterung der Strafbemessungskriterien hat die Jugendkammer nicht nur Gesichtspunkte verwendet, die ausschließlich gemäß § 46 Abs. 1 StGB von Bedeutung wären. Sie hat vielmehr einer "positiven Entwicklung" des Angeklagten Rechnung getragen, der in der Untersuchungshaft über "seinen bisherigen persönlichen und schulischen Werdegang sowie insbesondere über die Tat reflektiert und sich damit auseinandergesetzt hat." Dies sind Aspekte, die für die Bewertung des erzieherischen Einwirkungsbedarfs von Bedeutung sind.
13
Wenn die Strafhöhe ferner mit den schweren Folgen der Tat für den Nebenkläger und den einschlägigen Vorbelastungen sowie der lediglich fünf Wochen vor der vorliegenden Tat erfolgten Verhängung eines einwöchigen Dauerarrests gegen den Angeklagten begründet wurde, lässt dies auch als Mitbewertung von Unrecht und Schuld nicht besorgen, dass das Landgericht den Erziehungsgedanken aus dem Blick verloren hat. Diese Aspekte, insbesondere die Erwägung, dass sich der Angeklagte durch den gegen ihn verhängten Dauerarrest nicht ausreichend hat beeindrucken lassen, enthalten auch Kriterien, die für die Einschätzung der notwendigen erzieherischen Einwirkung von Bedeutung sind.
14
c) Es stellt entgegen der Annahme der Revision ferner keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe den Rechtsgedanken des § 213 1. Alt. StGB nicht ausdrücklich erwähnt hat. Dabei kann offen bleiben, ob der Nebenkläger den Angeklagten durch Einklemmen eines Fußes in die Autotür im Sinne von § 213 1. Alt. StGB erheblich misshandelt und dies den Angeklagten auf der Stelle zur Tat hingerissen hat.
15
Der Rechtsgedanke des § 213 1. Alt. StGB in Verbindung mit § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB kann in Fällen einer gefährlichen Körperverletzung schon bei Anwendung von allgemeinem Strafrecht nur mittelbar Bedeutung erlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 206/12, NStZ-RR 2012, 308). Ein eigener gesetzlicher Strafrahmen wird dadurch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht nicht eröffnet. Das Landgericht hat aber bei der Bemessung der Jugendstrafe innerhalb des Strafrahmens aus den §§ 18 Abs. 1 Satz 1, 105 Abs. 3 Satz 1 JGG auch berücksichtigt, dass es sich "um eine Spontantat aus einer besonderen Situation heraus" gehandelt hat.
Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.