Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2016 - 3 StR 6/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:250216B3STR6.16.0
bei uns veröffentlicht am25.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 6/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:250216B3STR6.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Jugendkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 7. Oktober 2015 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist; diese entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, dem unter anderem gefährliche Körperverletzung und schwere Brandstiftung vorgeworfen worden waren, freigesprochen; zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug der Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2
Während die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, hält die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die sachverständig beratene Kammer rechtsfehlerfrei damit begründet, dass dieser an einer wahnhaften Psychose leide und beide ihm zur Last gelegten Taten im Zustand krankheitsbedingter Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen habe; tatauslösend seien jeweils akute wahnhafte Vorstellungen des Angeklagten gewesen, die möglicherweise schon seine Unrechtseinsichtsfähigkeit , in jedem Fall aber seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben hätten. Die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Kammer darauf gestützt, dass der Angeklagte zudem den Hang habe, berauschende Mittel, insbesondere Alkohol, Cannabis und Amphetamine, im Übermaß zu sich zu nehmen, und beide Taten im Rausch begangen habe. Das trägt die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht.
4
Hat der Täter den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, so kommt die Anordnung der Maßregel nach § 64 Satz 1 StGB nur in Betracht, wenn er eine rechtswidrige Tat im Rausch begangen hat oder sie auf seinen Hang zurückgeht. Dabei ist die erste Alternative nur ein Unterfall der zweiten, so dass diese den Oberbegriff darstellt. In beiden Fällen muss zwischen der Tat und dem Hang ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn die Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Sie muss also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Rauschmitteln haben, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert (BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 9. März 2006 - 4 StR 472/05, NStZ-RR 2006, 204). Daran fehlt es hier.
5
Nach den Feststellungen waren jeweils die akuten wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten tatauslösend, während weder seine Betäubungsmittelbzw. Alkoholabhängigkeit noch seine - mehr oder weniger tragfähig festgestellte - aktuelle Intoxikation zu den Tatzeiten als konstellativer Faktor für die Aufhebung seiner Schuldfähigkeit bedeutsam waren. Die Taten fanden ihre Wurzel jeweils in der Psychose des Angeklagten, die unabhängig vom Betäubungsmittel - und Alkoholmissbrauch besteht, sich vielmehr losgelöst vom Drogen- und Alkoholkonsum verselbständigt oder sogar bereits vor dem Beginn des Konsums vorgelegen und ihrerseits die Drogensucht zur Folge gehabt hat.
6
Auch die vom Landgericht angenommene hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen (§ 64 Satz 2 StGB), findet in den Feststellungen keine Grundlage. Der Sachverständige vermochte die konkreten Erfolgsaussichten einer Entziehungsbehandlung nicht einzuschätzen. Demgegenüber erschöpfen sich die Erwägungen, auf die das Landgericht seine positive Prognose gründet, darin, dass der marokkanische Angeklagte mehrfach seine Therapiebereitschaft geäußert habe und "bei optimalem Verlauf" binnen zwei Jahren in der Entziehungsanstalt verbesserte Kenntnisse der deutschen Sprache erlangen und stärker sozialisiert werden könne. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Therapieerfolg trotz der psychotischen Erkrankung des Angeklagten erreichbar sein könnte, lassen die Urteilsgründe in diesem Zusammenhang vermissen.
7
Letztlich geht die Strafkammer selbst nicht davon aus, dass sich die Gefährlichkeit des Angeklagten allein durch seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beseitigen lässt, sondern stützt die kumulative Anordnung der Maßregeln nach § 63 StGB und § 64 StGB auf die Erwägung, dass der Angeklagte dadurch weniger belastet werde als durch die alleinige Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB. Dabei verkennt sie indes, dass die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB neben derjenigen nach § 63 StGB eine zusätzliche Beschwer für den Angeklagten bedeutet.
8
Da nicht ersichtlich ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen möglich sind, die die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen könnten, lässt der Senat diese Anordnung entfallen (§ 354 Abs. 1 analog StPO). Die Alkohol- und Betäubungsmittelsucht des Angeklagten ist in der Unterbringung nach § 63 StGB mitzubehandeln.
9
Der verhältnismäßig geringe Teilerfolg des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels gebietet es nicht, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen auch nur teilweise von der Belastung mit Kosten und notwendigen Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Hubert Mayer Gericke Tiemann

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2016 - 3 StR 6/16

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der
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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 472/05
vom
9. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 9. März 2006 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 26. April 2005 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus drei rechtskräftigen Strafbefehlen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Wochen verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision der Angeklagten gegen dieses Urteil, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat nur im Hinblick auf die Maßregelanordnung Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift u.a. ausgeführt: "Auf durchgreifende Bedenken stößt jedoch die Maßregelanordnung. Es ist zu besorgen, dass die Strafkammer die rechtlichen Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Abs. 1 StGB, insbesondere die Notwendigkeit eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang der Angeklagten zum Drogenmissbrauch und ihrer Tat, verkannt hat (UA S. 9, 23).
Für beide Alternativen des § 64 Abs. 1 StGB gilt, dass zwischen dem Hang des Täters zum Drogenmissbrauch und seiner Tat ein symptomatischer Zusammenhang bestehen muss. Hat der Täter den Hang, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, so kommt die Anordnung einer Maßregel nach § 64 Abs. 1 StGB nur in Betracht, wenn es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, die er im Rausch begangen hat oder die auf seinen Hang zurückgeht. Dabei ist die erste Alternative nur ein Unterfall der zweiten, so dass diese den Oberbegriff darstellt. In beiden Fällen muss zwischen der Tat und dem Hang ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn die Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Die konkrete Tat muss also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Rauschmitteln haben, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2 m.w.N.).
Vorliegend fehlt es an dem symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang der Angeklagten zum Drogenmissbrauch und der von ihr begangenen Tat. Sie hat die Tat insbesondere nicht begangen, um sich Drogen zu verschaffen. Dies folgt auch nicht aus der von der Strafkammer zur Begründung der Maßregelanordnung herangezogenen besonderen Gestaltung der Beziehung der Angeklagten zu dem Zeugen A. , welcher ihr Liebhaber und Dealer zugleich sei, so dass sich ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis ergebe (UA S. 23 f.). Denn die Angeklagte handelte zwar mit Blick auf die von ihr durch die Zeugin als gefährdet angesehene Beziehung zum Zeugen A. , also aus Eifersucht. Dass dabei der Wunsch maßgeblich war, die Beziehung zu dem Zeugen A. aufrecht zu erhalten, um ihn als "Rauschgiftquelle" zu erhalten, lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Selbst wenn dies aber das tragende Tatmotiv der Angeklagten gewesen
sein sollte, so käme der so intendierten Eifersuchtstat gleichwohl kein Symptomwert im Sinne einer Hangtat zu, weil der Anlass für die Eifersucht der Angeklagten außerhalb ihres Suchtverhaltens, nämlich in der "notorischen Untreue" des Zeugen A. lag. Danach ist die Angeklagte nur insoweit als "gefährlich" anzusehen, als ihre Beziehung mit dem Zeugen A. fortbesteht und dieser sein bisheriges promiskes Verhalten fortsetzt. Dieser "Gefahrenzusammenhang" ist einer Drogenentziehungstherapie nicht zugänglich.
Auch ergeben die Feststellungen des Landgerichts nicht, dass sich die Angeklagte bei Ausführung der vorliegenden Tat etwa in einem Rausch befunden hätte. Sie hatte zwar Drogen und geringe Mengen Alkohol zu sich genommen. Dass diese jedoch Einfluss auf den Tatentschluss der Angeklagten hatten, kann den Feststellungen nicht entnommen werden.
Die Maßregelanordnung ist deshalb aufzuheben. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen. Die Sache ist daher insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen."
3
Dem stimmt der Senat zu. Er hebt auch die der Anordnung der Unterbringung zu Grunde liegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter zur Frage der Anordnung der Maßregel umfassende eigene Feststellungen zu ermöglichen. Nach dem Wegfall des die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründenden Tatvorwurfs des versuchten Totschlags verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH NJW 1994, 3304, 3305; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 354 Rdn. 42).
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.