Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - 4 StR 334/15

bei uns veröffentlicht am09.09.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR334/15
vom
9. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. September 2015
gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 30. März 2015 wird als unbegründet verworfen. 2. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von zwei rechtskräftigen Urteilen zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine auf die Unterbringungsanordnung beschränkte Revision hat keinen Erfolg.
2
1. Die Beschränkung der Revision auf die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ist wirksam (§ 344 Abs. 1 StPO).
3
a) Eine Beschränkung der Revision ist zulässig, wenn die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden können. Gewährleistet sein muss, dass die Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 93/14, Rn. 58 zitiert nach juris; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/73, BGHSt 2, 252; Franke in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 15 mwN). Eine neben Strafe angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist grundsätzlich selbstständig anfechtbar (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1969 – 1 StR 90/69, NJW 1969, 1578; Urteil vom 10. Januar 1961 – 1 StR 517/60, BGHSt 15, 279, 285; Urteil vom 11. Februar 1954 – 4 StR 755/53, BGHSt 5, 312, 313; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 24; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 63 Rn. 26; Kaspar in: SSWStGB , 2. Aufl., § 63 Rn. 50; krit. Franke in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 53), sofern sich nicht aus besonderen Gründen Trennbarkeitshindernisse ergeben.
4
b) Solche Gründe liegen hier nicht vor. Auch § 5 Abs. 3 JGG steht in der vorliegenden Fallkonstellation der Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf den Maßregelausspruch nicht entgegen. Denn ein Wegfall der von dem Rechtsmittelführer in Zweifel gezogenen Maßregel könnte sich nach dieser Vorschrift nicht zu seinen Gunsten auf die – unter Berücksichtigung des § 5 Abs. 3 JGG – verhängte und von ihm unbeanstandet gelassene Jugendstrafe auswirken. Soweit in der Rechtsprechung eine Trennbarkeit von Unterbringungsanordnung und Jugendstrafausspruch mit Rücksicht auf § 5 Abs. 3 JGG verneint worden ist, betraf dies Fälle, in denen eine Unterbringung nach § 63 oder § 64 StGB unterblieben ist und deren Anordnung im zweiten Rechtsgang in Betracht kam (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2012 – 3 StR 42/12, Rn. 2 zitiert nach juris; Beschluss vom 5. Mai 2009 – 4 StR 99/09, NStZ-RR 2009, 277; Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, Rn. 11 zitiert nach juris; Beschluss vom 27. Juni 2007 – 2 StR 135/07, Rn. 7 zitiert nach juris; Beschluss vom 2. Dezember 1997 – 4 StR 581/97, NStZ-RR 1998, 188, 189 [jeweils Mitaufhebung der Jugendstrafe bei fehlerhafter Nichtanordnung der Unterbringung nach § 63 oder § 64 StGB]; BayObLG, Urteil vom 15. März 1989 – RReg 3 St 38/89, BayObLGSt 1989, 48 [keine isolierte Anfechtung der Nicht- anordnung einer Unterbringung neben verhängter Jugendstrafe]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 3). Würde in einer solchen Konstellation die Jugendstrafe infolge einer entsprechenden Rechtsmittelbeschränkung nach § 343 Abs. 1 StPO in Rechtskraft erwachsen, wäre es dem neuen Tatrichter verwehrt, im Anschluss an die – im Fall des § 63 StGB zwingende – Anordnung einer Maßregel die nun nach § 5 Abs. 3 JGG gebotene Entscheidung über die Entbehrlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe noch zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1997 – 4 StR 581/97, NStZ-RR 1998, 188, 189).
5
2. Die Überprüfung des Urteils im Umfang der Anfechtung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - 4 StR 334/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - 4 StR 334/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - 4 StR 334/15 zitiert 9 §§.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 5 Die Folgen der Jugendstraftat


(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. (2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. (3) Von Zuchtmitteln un

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(1) Durch rechtzeitige Einlegung der Revision wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt. (2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach Einlegung der Revision zuzustellen

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

58
I. Die Revisionsbeschränkung der Staatsanwaltschaft auf den Strafausspruch ist wirksam. In Fällen, in denen die Revision des Angeklagten vollen Erfolg hat, ist im Rahmen der Staatsanwaltsrevision nicht auf § 301 StPO zurückzugreifen, um daraus eine Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung herzuleiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Beschwerdepunkte losgelöst vom nicht angefochtenen Teil des Urteils geprüft werden können und im weiteren Verfahren auch keine Widersprüche zwischen den von der Staatsanwaltschaft nicht angefochtenen Teilen des Urteils und der Entscheidung des Senats auftreten können.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

2
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift u.a. ausgeführt: "Bedenken gegen den Strafausspruch bestehen aber, weil das Urteil nicht erkennen lässt, dass das Landgericht geprüft hat, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 64 StGB vorliegen. Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts - Einweisung in eine Suchtklinik von 2008 bis 2009, regelmäßiger Cannabiskonsum seit Jahren, vermehrter Alkoholkonsum seit einem halben Jahr, nicht unerhebliche Alkoholisierung einen Tag vor der Tat und während der Tat, Geldbeschaffung für Alkohol als Motiv der Tat, Diebstahl von Alkohol am 21. September 2011 - hätte sich die Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB aufgedrängt. Dementsprechend fehlt auch eine Prüfung, ob gemäß § 5 Abs. 3 JGG von Jugendstrafe abzusehen ist, weil deren Verhängung im Hinblick auf die gleichzeitig erfolgte Unterbringungsanordnung entbehrlich ist. Wegen des durch § 5 Abs. 3 JGG vorgegebenen sachlichen Zusammenhangs zwischen Strafe und Unterbringung (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 1 für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; Brunner/Dölling aaO [JGG, 12. Aufl.], § 5 Rdn. 2a) wäre auch eine (unterstellte) Beschränkung der Revision auf das Strafmaß unzulässig und ist auch der Strafausspruch aufzuheben."

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 99/09
vom
5. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Übrigen nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 5. Mai 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 18. November 2008, soweit es den Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und der schweren räuberischen Erpressung für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht mit nicht tragfähiger Begründung von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom und einem Abhängigkeitssyndrom von Cannabinoiden. Er konsumiert seit seinem 15. Lebensjahr Alkohol und Cannabis, seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig Cannabis und an den Wochenenden zusätzlich Ecstasy und Speed. Seit seinem 18. Lebensjahr trinkt der Angeklagte regelmäßig Alkohol (UA S. 4). Vor den beiden festgestellten Taten trank der Angeklagte jeweils nicht unerhebliche Mengen Alkohol, rauchte Cannabis und konsumierte Speed (UA S. 11 und 12). Bei beiden Taten hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund des Zusammenwirkens des konsumierten Alkohols mit den verschiedenen Drogen im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert steuerungsfähig war.
Das Landgericht, das davon ausging, dass beide Taten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Suchterkrankung des Angeklagten stehen (UA S. 19), hat von der Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB abgesehen, da infolge der fehlenden Krankheitseinsicht und ernsthaften Therapiemotivation des Angeklagten keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB bestehe.
Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Zwar kann die fehlende Therapiemotivation bei Abwägung aller Umstände ein Indiz für die mangelnden Erfolgsaussichten einer Therapie sein (BGH NStZ 1996, 274). Geprüft werden muss aber, ob die konkrete Aussicht besteht, dass eine Therapiebereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung geweckt werden kann (BGH NStZ-RR 2007, 171, 172; Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rn. 20; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 64
Rn. 11). Auf die Frage, ob nicht mit therapeutischen Bemühungen eine positive Beeinflussung des Angeklagten zu erreichen wäre (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 7), ist das Landgericht jedoch nicht eingegangen. Hierfür bestand aber schon deshalb Anlass, weil die Suchterkrankung des Angeklagten bislang nicht behandelt wurde (UA S. 19).
Die Frage einer Unterbringung nach § 64 StGB bedarf demnach der erneuten Verhandlung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass trotz der Ausgestaltung des § 64 StGB n.F. als Ermessensvorschrift ein Absehen von der Unterbringung nach dem Willen des Gesetzgebers nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen soll (vgl. Senat NStZ-RR 2008, 8).
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert gemäß § 358 Abs. 2 StPO die Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht (vgl. BGHSt 37, 5). Die Entscheidung über die Maßregelanordnung hat der Angeklagte ausdrücklich nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362)".
4
Dem schließt sich der Senat an. Der zu § 64 StGB aufgezeigte Rechtsfehler nötigt mit Blick auf die Regelung des § 5 Abs. 3 JGG auch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zwar liegt nach den bisherigen Feststellungen die Annahme , dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Ahndung seiner Taten durch die Verhängung einer Jugendstrafe entbehrlich machen könnte, eher fern. Der Senat kann aber gleichwohl nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, Jugendstrafe zu verhängen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2003 - 4 StR 119/03 - und vom 4. März 2008 - 3 StR 30/08; Eisenberg JGG 13. Aufl. § 5 Rdn. 28).
5
Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben. Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf es dabei erneut der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 318/07
vom
6. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. September 2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 16. März 2007, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Die Nachprüfung zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat, hält das Urteil rechtlicher Überprüfung jedoch nicht stand.
3
1. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte seit seinem 13. Lebensjahr regelmäßig in erheblichen Mengen Alkohol. Seit dem 15. Lebensjahr nimmt er Drogen zu sich, anfangs nahm er täglich Cannabis und bis zu 13 LSD-Trips, später bis zu 20 Ecstasy-Tabletten. Nach seiner Haftentlassung im März 2003 begann er, zwei bis drei Gramm "Crystal", ein Methamphetamin, täglich zu konsumieren. Auch vor der Tat am 16. August 2006, die er gemeinsam mit Anderen zum Nachteil seines Drogenlieferanten beging, hatte er Cannabis und erhebliche Mengen Alkohol zu sich genommen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen leidet der vielfach u.a. einschlägig vorbestrafte Angeklagte an einer Polytoxikomanie.
4
Entgegen der Auffassung des Sachverständigen hat das Landgericht gleichwohl einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Drogen, im Übermaß zu sich zu nehmen, mit der Begründung verneint, der Alkohol- und Drogenmissbrauch habe beim Angeklagten noch nicht zu einer Persönlichkeitsdepravation geführt.
5
Diese Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist. Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH NStZ 2005, 210). Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass hierdurch seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 103; 2003, 106), oder bei Vorliegen von Beschaffungskriminalität (vgl. BGH NStZ 2005, 210). Für die Annahme eines Hanges ist indes nicht erforderlich, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist. Zwar hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in vereinzelten Entscheidungen, denen das Landgericht ersichtlich gefolgt ist, diese Auffassung vertreten (vgl. etwa BGH NStZ 2005, 626; 2004, 494). Jedoch ist der 1. Strafsenat nunmehr in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2007 - 1 StR 332/07 - von dieser Rechtsprechung abgerückt und hat klargestellt, dass ein Hang im Sinne des § 64 StGB eine Depravation nicht voraussetzt, vielmehr dem Fehlen wie dem Vorliegen einer Persönlichkeitsdepravation lediglich indizielle Bedeutung für einen Hang zukommen kann (so auch Senatsbeschluss vom 11. Januar 2007 - 4 StR 516/06).
6
Danach liegt hier die Annahme eines Hanges schon in Anbetracht der festgestellten Menge und Häufigkeit des Alkohol- und Rauschmittelkonsums nahe, zumal beim Angeklagten bereits suchtbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen eingetreten sind und nach den bisherigen Feststellungen die von der Strafkammer angenommene Strukturierung des Tagesablaufs des Angeklagten, der noch nie einer geregelten Beschäftigung nachging, allenfalls im Ansatz zu erkennen ist.
7
2. Die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB bedarf deshalb auf der Grundlage der §§ 64, 67 StGB n.F. neuer Prüfung und Entscheidung. Dem steht nicht entgegen, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO n.F.).
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible
7
c) Aus § 5 Abs. 3 JGG folgt, dass über die Verhängung von Jugendstrafe und die Anordnung der freiheitsentziehenden Maßregel nur aufgrund einheitli- cher Betrachtung entschieden werden kann. Der Rechtsfolgenausspruch war daher insgesamt aufzuheben. Bode Otten Ernemann Fischer Ri'inBGH Roggenbuck ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Bode

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 494/12
vom
19. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 24. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe wegen Raubes verurteilt worden ist,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Raub (Fall II. 6 der Urteilsgründe), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Diebstahl (Fall II. 1 der Urteilsgründe), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 2 der Urteilsgründe), wegen Raubes in drei Fällen (Fälle II. 3, 4 und 7 der Urteils- gründe) und wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen (Fälle II. 5 und 8 der Urteilsgründe) schuldig gesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Von der Verhängung einer Jugendstrafe hat es nach § 5 Abs. 3 JGG abgesehen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen hatte der bei den jeweiligen Taten 17 Jahre alte Angeklagte den Wunsch, sich Designerkleidung kaufen zu können, um nicht hinter seinen Freunden zurückstehen zu müssen. Da er nicht über die hierfür erforderlichen Geldmittel verfügte, entschloss er sich, Frauen, die in den späten Nachmittags- oder Abendstunden allein unterwegs waren, bis zu ihren Wohnungen zu verfolgen und dort zu überfallen, um Bargeld oder sonstige Wertgegenstände an sich zu bringen. Von einem Überfall der Frauen in ihren Wohnungen versprach er sich größere Beute, weil er dort über die in den Handtaschen mitgeführten Bargeldbeträge und Wertsachen hinaus weiteres Bargeld und weitere Wertgegenstände vermutete. In Ausführung dieses Entschlusses verfolgte und überfiel der Angeklagte in der Zeit vom 25. September 2011 bis zum 28. Dezember 2011 acht Frauen. Im ersten Fall versuchte der Angeklagte aufgrund eines spontan gefassten Entschlusses die 39 Jahre alte P. G. , der er zuvor bis in ihre Wohnung gefolgt war, gewaltsam zurDuldung des vaginalen Geschlechtsverkehrs zu zwingen. Nachdem er mit seinem Vorhaben gescheitert war, ejakulierte er auf ihren nackten Körper und entwendete 100 Euro (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Im zweiten Fall griff der Angeklagte die Verlagskauffrau S. B. im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses an und nahm sie in einen Würgegriff. Dabei betastete er sein Opfer über der Kleidung an den Brüsten und im Schambereich. Durch den Angriff erlitt S. B. eine blutende Wunde im Nasenbereich (Fall II. 2 der Urteilsgründe). Im dritten Fall versuchte der Angeklagte die zuvor von ihm verfolgte 59 Jahre alte Kunstlehrerin B. K. in ihre Wohnung zu drücken, als sie deren Tür aufschließen wollte. Bei dem anschließenden Gerangel im Treppenhaus entriss der Angeklagte B. K. „mit Gewalt“ deren Tasche, in der er Bargeld vermutete und flüchtete. In der Tasche befanden sich eine Blockflöte, BallerinaSchuhe , ein Ringbuch, Textmarker und eine Schachtel mit Aufklebern. Vier Tage nach diesem Vorfall entriss der Angeklagte der 73 Jahre alten Rentnerin I. Ka. deren Einkaufstasche, nachdem er sie bis in das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses verfolgt hatte. In der Tasche befanden sich Bargeld, ein Handy und diverse Ausweise (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Weitere vier Tage später verschaffte sich der Angeklagte unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung der 84 Jahre alten Pensionärin M. U. . Aufgrund eines spontanen Entschlusses riss er M. U. die Kleidung vom Körper und warf sie auf ihr Bett. Anschließend setzte er sich mit erigiertem Penis rittlings auf sie und versuchte mit ihr gewaltsam den vaginalen Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Nachdem ihm dies nicht gelungen war, weil M. U. zwei künstliche Hüftgelenke hatte und deshalb ihre Beine nicht spreizen konnte, verlangte der Angeklagte erfolglos die Ausübung des Handverkehrs. Schließlich entwendete er aus der Wohnung 75 Euro, wobei er die Angst seines Opfers vor weiteren Gewalttätigkeiten für sich ausnutzte (Fall II. 6 der Urteilsgründe). Nachdem der Angeklagte am 4. Dezember 2012 bei der Verfolgung einer älteren Frau von Polizeibeamten gestellt, erkennungsdienstlich behandelt und als Beschuldigter vernommen worden war, stieß er am 20. Dezember 2012 die zuvor von ihm verfolgte 68 Jahre alte Rentnerin M.
Sch. in den Flur ihrer Wohnung, als sie deren Tür öffnete. Anschließend entriss er ihr die Handtasche, in der sich 290 Euro, eine Kreditkarte und ein Mobiltelefon befanden (Fall II. 7 der Urteilsgründe). In zwei weiteren Fällen scheiterte der Angeklagte bei dem Versuch, gewaltsam in die Wohnungen zuvor verfolgter Frauen einzudringen (Fälle II. 5 und 8 der Urteilsgründe).

II.


3
Die Verurteilung wegen vollendeten Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) im Fall II. 3 der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen.
4
Ein vollendeter Raub gemäß § 249 Abs. 1 StGB läge nur dann vor, wenn sich der Angeklagte die seinem Opfer entrissene Tasche und die darin befindlichen Sachen zueignen wollte. Nimmt der Täter – wie hier der Angeklagte – ein Behältnis nur deshalb an sich, weil er darin Bargeld vermutet, das er für sich behalten will, eignet er sich das Behältnis nicht zu (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 – 3 StR 425/09, NStZ-RR 2010, 75; Beschluss vom 8. September 2009 – 4 StR 354/09, NStZ-RR 2010, 48; Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 65/06, NStZ 2006, 686, 687; Beschluss vom 31. Oktober 1986 – 3 StR 470/86, StV 1987, 245). Befinden sich in dem Behältnis anstatt des erwarteten Bargeldes andere Gegenstände, die der Täter aufgrund eines neuen Entschlusses für sich behält, liegt darin lediglich eine Unterschlagung (§ 246 StGB), die neben den auch weiterhin nur versuchten Raub tritt (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 41b). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch weitere zur Annahme eines vollendeten Raubes oder einer Unterschlagung führende Feststellungen getroffen werden können, hat der Senat den Schuldspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht auf versuchten Raub abgeändert , sondern insgesamt aufgehoben.

III.


5
Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargelegt hat. Dadurch verliert auch die auf § 5 Abs. 3 JGG gestützte Entscheidung zum Absehen von der Verhängung einer Jugendstrafe ihre Grundlage.
6
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Tz. 6; Beschluss vom 25. September 2003 – 4 StR 316/03, NStZ-RR 2004, 38; Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232). Davon ist das Landgericht zwar ausgegangen. Seine Erwägungen zum Vorliegen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB und einer daraus resultierenden erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) weisen jedoch durchgreifende Rechtsfehler auf.
7
a) Der vom Landgericht angehörte psychiatrische Sachverständige hat ausgeführt, bei dem durchschnittlich intelligenten und nicht an einer krankhaften seelischen Störung leidenden Angeklagten liege eine schizoide Persönlich- keitsstörung mit Krankheitswert (ICD-10 F 60.1) vor. Diese Störung äußere sich bei den Betroffenen in massiven Auffälligkeiten in der Emotionalität und im zwischenmenschlichen Kontakt. Der Angeklagte erfülle wesentliche Kriterien die- ses Krankheitsbildes, weil er „Anteile“ von Distanziertheit, emotionaler Kühle und flacher Affektivität aufweise und nur über geringe empathische Fähigkeiten verfüge. Bei ihm bestehe ein Mangel, warme oder zärtliche Gefühle, aber auch Ärger gegenüber anderen zu zeigen, wenn er sich nicht unter einen entsprechenden emotionalen Druck gesetzt fühle (UA 25). Auch könne es zu „raptus- artigen“ Impulsdurchbrüchen kommen, wie sich insbesondere bei den Taten zum Nachteil der Geschädigten G. und U. (Fälle II. 1 und 6 der Urteilsgründe ) gezeigt habe. Bei dem Angeklagten handele es sich um einen distanzierten und in sich gekehrten Menschen, dem diese Seite seiner Persönlichkeit krankheitsbedingt nicht bewusst sei (UA 26). Bei ihm müsse deshalb von einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB ausgegangen werden, die in den jeweiligen Tatsituationen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei gleichzeitig vorhandener Einsichtsfähigkeit geführt habe (§ 21 StGB). Dem hat sich das Landgericht angeschlossen (UA 28).
8
b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht mit dem Sachverständigen rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass die Diagnose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert gemäß ICD-10 F 60.1 ohne weitere wertende Erwägungen zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß § 20 StGB führt. Zudem fehlt es an der erforderlichen tatbezogenen Beurteilung der durch die festgestellte Störung hervorgerufenen Verminderung der Steuerungsfähigkeit.
9
aa) Die in den gebräuchlichen Klassifikationssystemen DSM-IV und ICD-10 zusammengefassten diagnostischen Kategorien sind keine psychiatrischen Äquivalente zu den Eingangsmerkmalen des § 20 StGB. Sie erfassen lediglich die klinischen Attribute des Zustandsbildes des Betroffenen und sind eine Richtlinie zur Unterstützung des daran anknüpfenden – dem Sachverständigen obliegenden – klinischen Urteils (Saß/Wittichen/Zaudich/Houben, Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – Textrevision – DSM-IV-TR, 2003, S. 980 ff.). Auch wenn sich die gelisteten Kategorien bestimmten gesetzlichen Merkmalen zuordnen lassen (vgl. Rasch, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 52 ff.), sagt daher die Vergabe einer entsprechenden Diagnose durch den psychiatrischen Sachverständigen noch nichts über die forensische Bewertung des psychischen Zustands des Betroffenen aus (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2005 – 4 StR 532/04, NStZ-RR 2005, 137, 138; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52; Beschluss vom 14. Juli 1999 – 3 StR 160/99, BGHR StGB § 63 Zustand 34; Nedopil, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 127; Maatz, FPPK 2007, 147, 149; Winkler/Förster, NStZ 1999, 126, 127; Kröber/Dannhorn, NStZ 1998, 80, 81; Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit , S. 13). Ihr kann lediglich entnommen werden, dass es sich um eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung handelt, mit der sich der Tatrichter bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung im Hinblick auf ihren Schweregrad und ihre Tatrelevanz auseinandersetzen muss (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 54; Beschluss vom 19. März 1992 – 4 StR 43/92, NStZ 1992, 380; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57, 58).
10
Ob eine von dem Sachverständigen diagnostizierte schizoide Persönlichkeitsstörung gemäß ICD-10 F 60.1 und DSM-IV 301.20 die Voraussetzun- gen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfüllt, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter wertend zu entscheiden hat (BGH, Urteil vom 14. April 1999 – 3 StR 45/99, NStZ 1999, 395). Dabei kommt es maßgebend auf den Ausprägungsgrad der Störung und ihren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Betroffenen an. Hierfür ist die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten Verhaltensmuster zu untersuchen und mit den Folgen von psychotischen oder ähnlichen pathologischen Zuständen zu vergleichen, die als krankhafte seelische Störung anerkannt sind (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; vgl. Beschluss vom 18. Januar 2005 – 4 StR 532/04, NStZ-RR 2005, 137, 138; Beschluss vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Beschluss vom 26. Juli 2000 – 2 StR 278/00, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 35; Beschluss vom 14. Juli 1999 – 3 StR 160/99, BGHR StGB § 63 Zustand 34; Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, S. 44). In diesem Zusammenhang ist es von wesentlicher Bedeutung, ob es infolge der die Persönlichkeitsstörung begründenden Verhaltens- und Erlebnisbesonderheiten auch im Alltag außerhalb der angeklagten Delikte zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist. Erst wenn sich das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als „schwere andere seelische Abartigkeit“ angesehen werden (BGH,Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.).
11
Eine diesen Vorgaben entsprechende Bewertung der „Schwere“ der an- genommenen schizoiden Persönlichkeitsstörung hat das Landgericht nicht erkennbar vorgenommen. Die von dem Sachverständigen übernommene und auf eine Äquivalenz mit krankhaften seelischen Störungen hindeutende formelhafte Wendung „mit Krankheitswert“ ist ohne Aussagekraft (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 38), weil die zugrunde liegenden Wertungen nicht offengelegt werden. Sie kann die an dieser Stelle erforderliche umfassende Darlegung daher nicht ersetzen. Soweit davon die Rede ist, dass die Persönlichkeit des Angeklagten „Anteile“ von Distanziertheit, emotionaler Kühle und flacher Affektivität aufweise und er nur über geringe empathische Fähigkeiten verfüge, fehlt es an der gebotenen Darstellung der hiermit verbundenen Auswirkungen auf das alltägliche Leben und den Werdegang des Angeklagten. Gleiches gilt für die pauschale Beschreibung des Angeklagten als distanzierten und in sich gekehrten Menschen. Ob es infolge der festgestellten Auffälligkeiten bei dem Angeklagten zu zeitlich stabilen und gewichtigen Beeinträchtigungen der sozialen Kompetenz gekommen ist, kann den Urteilsgründen auch im Übrigen nicht entnommen werden. Die getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten (Schulbesuch, gute Einbindung in eine große Familie mit übernommener Vorbildfunktion für jüngere Geschwister, eine geringfügige Vorahndung wegen Diebstahls, intensiver Mannschaftssport, Freundeskreis etc.) geben keine Hinweise auf eine gravierende Einschränkung der sozialen Anpassungsfähigkeit.
12
bb) Auch die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit bei der Tat infolge der festgestellten „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, hat der Tatrichter ohne Bindung an die Äußerungen des Sachverständigen wertend zu beantworten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 2 StR 383/09, NStZ-RR 2010, 73, 74; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53; Urteil vom 26. April 1955 – 5 StR 86/55, BGHSt 8, 113, 124; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 21 Rn. 7 mwN) und in den Urteilsgründen darzulegen. Wird die Annahme einer anderen schweren seelischen Abartigkeit aus dem Vorliegen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung hergeleitet, bedarf es dabei einer erkennbaren Abgrenzung gegenüber Verhaltensweisen, die sich noch innerhalb der Bandbreite menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein können, ohne dass sie die Schuldfähigkeit „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB berühren (BGH, Beschluss vom 25. September 2003 – 4 StR 316/03, NStZ-RR 2004, 38, 39). Auch insoweit fehlt es an ausreichenden Darlegungen. Nach den Feststellungen beging der Angeklagte sämtliche Taten, um sich Geld für den Kauf von Designerbekleidung zu verschaffen. Warum sich in dieser Tatmotivation die geschilderten Auffälligkeiten widerspiegeln, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
13
2. Die Aufhebung des Maßregelausspruchs hat aufgrund des bestehenden inneren Zusammenhangs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1997 – 4 StR 581/97, StV 1998, 342, 343) auch die Aufhebung der Entscheidung nach § 5 Abs. 3 JGG zur Folge.
14
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB allein auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben, hindert das Schlechterstellungsverbot den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dies gilt nach § 2 Abs. 2 JGG auch im Jugendverfahren (Diemer/Schatz/Sonnen,JGG, 6. Aufl., § 55 Rn. 50). Hat der erste Tatrichter wegen der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 5 Abs. 3 JGG von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen, ist dem neuen Tatrichter die Verhängung einer an die Stelle der Unterbringungsanordnung tretenden Jugendstrafe aber nur dann möglich, wenn auf die Revision des Angeklagten mit dem rechtsfehlerhaften Maßregelausspruch auch die Entscheidung nach § 5 Abs. 3 JGG in Wegfall kommt. Die Rechtslage unterscheidet sich hier nicht durchgreifend von den bereits mehrfach entschiedenen Fällen, in denen auf die erfolgreiche Revision eines wegen Schuldunfähigkeit freigesprochenen, aber nach § 63 StGB untergebrachten Angeklagten auch der Freispruch aufzuheben ist, um dem neuen Tatrichter die durch § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO eröffnete Möglichkeit einer Bestrafung zu erhalten, wenn sich nunmehr die Schuldfähigkeit des Angeklagten herausstellen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Tz. 13; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Tz. 11; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 3 StR 369/09, Tz. 9). Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nur die letztgenannte Fallkonstellation vor Augen hatte (vgl. BT-Drs. 16/1344, S. 17; Schneider, NStZ 2008, 68, 73), stellt eine Anwendung dieser Vorschrift nicht in Frage. Erklärtes Ziel der Regelung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es, die nicht hinnehmbare Konsequenz zu vermeiden, dass eine Straftat nur deshalb ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, weil nach dem durch eine erfolgreiche Revision des Angeklagten bewirkten Wegfall der alleinigen Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Art der Rechtsfolgen aufgrund des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 1 Satz 1 StPO) nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten verändert werden darf (vgl. BT-Drs. 16/1344, S. 17). Dem entspricht auch der hier zu entscheidende Fall.
RiBGH Dr. Mutzbauer ist Roggenbuck Franke urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Roggenbuck
Quentin Reiter

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

(1) Durch rechtzeitige Einlegung der Revision wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt.

(2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach Einlegung der Revision zuzustellen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.