Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14

bei uns veröffentlicht am17.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR71/14
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Herstellens von Schusswaffen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. November 2013 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Herstellens von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Schusswaffen und unerlaubtem Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen in zwei tateinheitlichen Fällen, unerlaubten Herstellens von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Schusswaffen und unerlaubtem Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen in vier tateinheitlichen Fällen, unerlaubten Herstellens von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Schusswaffen und unerlaubtem Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen in acht Fällen sowie unerlaubten Besitzes von halbautomatischen Kurzwaffen verurteilt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit halbautomatischen Kurzwaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Herstellen und Besitz halbautomatischer Kurzwaffen“ in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zu einer Änderung des Schuldspruchs ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme von Tatmehrheit hält in den Fällen 2a) und b) sowie 2c), e), f) und g) der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Der waffenkundige Angeklagte machte auf Bestellung dauerhaft unbrauchbar gemachte halbautomatische Pistolen (Dekorationswaffen i.S.v. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.4 zu § 1 Abs. 4 WaffG) wieder vollständig funktionsfähig und verkaufte sie anschließend gewerbsmäßig an seine Kunden weiter. Das Landgericht hat darin zutreffend jeweils ein unerlaubtes Herstellen von Schusswaffen (zum Begriff des Herstellens vgl. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 8.1 zu § 1 Abs. 4 WaffG, MüKoStGB/Heinrich, 2. Aufl., § 1 WaffG Rn. 190 mwN) und ein unerlaubtes Handeltreiben mit Schusswaffen gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG gesehen. Da sich der Angeklagte vom Abschluss des Herstellungsprozesses bis zur Weitergabe der Pistolen tateinheitlich auch des Besitzes an einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG schuldig gemacht hat, stehen – wie das Landgericht ebenfalls nicht verkannt hat – Herstellen, Besitz und Handeltreiben zueinander in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 4 StR 273/95, BGHR WaffG § 53 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Bei der Beurteilung der Konkurrenzen zwischen den einzelnen Taten hat das Landgericht jedoch übersehen, dass durch die gleichzeitige Ausübung der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen alle in Bezug auf diese Waffen in der Besitzphase begangenen Verstöße gegen das Waffengesetz zu Tateinheit verbunden werden (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2013 – 4 StR 258/12, NStZ-RR 2013, 321, 322; Beschluss vom 30. November 2010 – 1 StR 574/10, StraFo 2011, 61 mwN). Dies hat hier zur Folge, dass die in den Fällen 2a) und b) und die in den Fällen 2c), e), f) und g) begangenen waffenrechtlichen Verstöße nicht in Tatmehrheit, sondern jeweils in Tateinheit zueinander stehen.
4
b) Nach den Feststellungen wurden die halbautomatischen Pistolen der Fälle 2c), e), f) und g) aus Dekorationswaffen hergestellt, die der Angeklagte am 23. Januar 2013 bei verschiedenen Händlern bestellt hatte. Da die Strafkammer selbst mitteilt, dass der Angeklagte die Waffen (zunächst) umbaute und (anschließend) veräußerte (UA S. 11), waren alle Herstellungsvorgänge vor der ersten Veräußerung abgeschlossen und der Angeklagte hatte diese Pistolen in der Phase zwischen der letzten Umbaumaßnahme bis zum ersten Verkauf gleichzeitig in Besitz. Nichts anderes gilt für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der in den Fällen 2a) und b) der Urteilsgründe begangenen Waffendelikte. Die in diesen beiden Fällen verkauften halbautomatischen Pistolen wurden von dem Angeklagten aus am 16. Oktober 2009 bei seinem Lieferanten bestellten Dekorationswaffen hergestellt, sodass auch insoweit von einer Phase zeitgleichen Besitzes auszugehen ist.
5
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den abweichenden Tatvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung führt zum Wegfall von vier Einzelstrafen in Höhe von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Die Gesamtstrafe hat dennoch Bestand. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 StR 178/13, Rn. 8; Beschluss vom 5. Juni 2013 – 2 StR 537/12, Rn. 12; Be- schluss vom 7. Januar 2011 – 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von drei Mal zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe , sieben Mal zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und einer weiteren Einzelstrafe von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe die Gesamtstrafe milder als geschehen zugemessen hätte (§ 354 Abs. 1 StPO analog

).


Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Waffengesetz - WaffG 2002 | § 1 Gegenstand und Zweck des Gesetzes, Begriffsbestimmungen


(1) Dieses Gesetz regelt den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. (2) Waffen sind 1. Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und2. tragbare Gegenstände, a) die ihr

Waffengesetz - WaffG 2002 | § 52 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1. entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.1 oder 1.3.4 eine dort genannte Schusswaffe oder einen dort genannten Gegenstand erwirbt, besitzt, ü

Waffengesetz - WaffG 2002 | § 53 Bußgeldvorschriften


(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 2 Abs. 1 eine nicht erlaubnispflichtige Waffe oder nicht erlaubnispflichtige Munition erwirbt oder besitzt,2. (weggefallen)3. ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit A

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Dieses Gesetz regelt den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

(2) Waffen sind

1.
Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und
2.
tragbare Gegenstände,
a)
die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen;
b)
die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind.

(3) Umgang mit einer Waffe oder Munition hat, wer diese erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, damit schießt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt. Umgang mit einer Schusswaffe hat auch, wer diese unbrauchbar macht.

(4) Die Begriffe der Waffen und Munition sowie die Einstufung von Gegenständen nach Absatz 2 Nr. 2 Buchstabe b als Waffen, die Begriffe der Arten des Umgangs und sonstige waffenrechtliche Begriffe sind in der Anlage 1 (Begriffsbestimmungen) zu diesem Gesetz näher geregelt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.1 oder 1.3.4 eine dort genannte Schusswaffe oder einen dort genannten Gegenstand erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt,
2.
ohne Erlaubnis nach
a)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, eine Schusswaffe oder Munition erwirbt, um sie entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 einem Nichtberechtigten zu überlassen,
b)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 erwirbt, besitzt oder führt,
c)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 oder § 21a eine Schusswaffe oder Munition herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt,
d)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Absatz 1 Satz 1 oder § 32 Absatz 1 Satz 1 eine Schusswaffe oder Munition in den oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt oder mitnimmt,
3.
entgegen § 35 Abs. 3 Satz 1 eine Schusswaffe, Munition oder eine Hieb- oder Stoßwaffe im Reisegewerbe oder auf einer dort genannten Veranstaltung vertreibt oder anderen überlässt oder
4.
entgegen § 40 Abs. 1 zur Herstellung eines dort genannten Gegenstandes anleitet oder auffordert.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.2.2 bis 1.2.4.2, 1.2.5, 1.3.1 bis 1.3.3, 1.3.5 bis 1.3.8, 1.4.1 Satz 1, Nr. 1.4.2 bis 1.4.4 oder 1.5.3 bis 1.5.7 einen dort genannten Gegenstand erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt,
2.
ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1
a)
eine Schusswaffe erwirbt, besitzt, führt oder
b)
Munition erwirbt oder besitzt,
wenn die Tat nicht in Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a oder b mit Strafe bedroht ist,
3.
ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 1 eine Schusswaffe herstellt, bearbeitet oder instand setzt,
4.
ohne Erlaubnis nach § 2 Absatz 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit
a)
§ 29 Absatz 1 Satz 1 eine dort genannte Schusswaffe oder Munition aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes in einen anderen Mitgliedstaat verbringt oder
b)
§ 32 Absatz 1a Satz 1 eine dort genannte Schusswaffe oder Munition in einen anderen Mitgliedstaat mitnimmt,
5.
entgegen § 28 Abs. 2 Satz 1 eine Schusswaffe führt,
6.
entgegen § 28 Abs. 3 Satz 2 eine Schusswaffe oder Munition überlässt,
7.
entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 eine erlaubnispflichtige Schusswaffe oder erlaubnispflichtige Munition einem Nichtberechtigten überlässt,
7a.
entgegen § 36 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 36 Absatz 5 Satz 1 eine dort genannte Vorkehrung für eine Schusswaffe nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig trifft und dadurch die Gefahr verursacht, dass eine Schusswaffe oder Munition abhandenkommt oder darauf unbefugt zugegriffen wird,
8.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
9.
entgegen § 42 Abs. 1 eine Waffe führt oder
10
entgegen § 57 Abs. 5 Satz 1 den Besitz über eine Schusswaffe oder Munition ausübt.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 Buchstabe b, c oder d oder Nr. 3 oder des Absatzes 3 Nummer 1 bis 7, 8, 9 oder 10 fahrlässig, so ist die Strafe bei den bezeichneten Taten nach Absatz 1 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, bei Taten nach Absatz 3 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes handelt.

(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
entgegen § 2 Abs. 1 eine nicht erlaubnispflichtige Waffe oder nicht erlaubnispflichtige Munition erwirbt oder besitzt,
2.
(weggefallen)
3.
ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4, dieser in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, mit einer Schusswaffe schießt,
4.
einer vollziehbaren Auflage nach § 9 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 2 Satz 3, § 17 Abs. 2 Satz 2, § 18 Absatz 2 Satz 2 oder § 28a Absatz 1 Satz 3 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 9 Abs. 3, § 36 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 6, § 37c Absatz 2 Nummer 2, § 39 Abs. 3, § 40 Abs. 5 Satz 2 oder § 46 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3 Satz 1 zuwiderhandelt,
5.
(weggefallen)
6.
entgegen § 10 Absatz 2 Satz 4 oder § 37i eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht,
7.
entgegen § 13 Absatz 3 Satz 2 oder § 20 Absatz 1 die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte oder die Eintragung in eine Waffenbesitzkarte nicht oder nicht rechtzeitig beantragt,
8.
entgegen § 21 Absatz 6, § 24 Absatz 6, § 27 Absatz 1 Satz 6 oder Absatz 2 Satz 2, § 30 Satz 3, § 34 Absatz 4 oder 5 Satz 1, § 37 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, entgegen § 37a Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 3, entgegen § 37a Satz 2, § 37b Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 oder Absatz 3, § 37c Absatz 1, § 37d Absatz 1 oder 2, § 40 Absatz 5 Satz 1 oder § 58 Absatz 19 Satz 1 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erstattet,
9.
entgegen § 24 Abs. 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 25 Nummer 1 oder Nr. 2 Buchstabe a, oder § 24 Absatz 4 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 25 Nummer 1, eine Angabe, ein Zeichen oder die Bezeichnung der Munition auf der Schusswaffe nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig anbringt oder Munition nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig mit einem besonderen Kennzeichen versieht,
10.
entgegen § 24 Absatz 5 eine Schusswaffe oder Munition anderen gewerbsmäßig überlässt,
11.
ohne Erlaubnis nach § 27 Abs. 1 Satz 1 eine Schießstätte betreibt oder ihre Beschaffenheit oder die Art ihrer Benutzung wesentlich ändert,
12.
entgegen § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 einem Kind oder Jugendlichen das Schießen gestattet oder entgegen § 27 Abs. 6 Satz 2 nicht sicherstellt, dass die Aufsichtsperson nur einen Schützen bedient,
13.
entgegen § 27 Abs. 3 Satz 2 Unterlagen nicht aufbewahrt oder entgegen § 27 Abs. 3 Satz 3 diese nicht herausgibt,
14.
entgegen § 27 Abs. 5 Satz 2 eine Bescheinigung nicht mitführt,
15.
entgegen § 33 Abs. 1 Satz 1 eine Schusswaffe oder Munition nicht anmeldet oder nicht oder nicht rechtzeitig vorführt,
16.
entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 eine nicht erlaubnispflichtige Waffe oder nicht erlaubnispflichtige Munition einem Nichtberechtigten überlässt,
17.
entgegen § 35 Abs. 1 Satz 4 die Urkunden nicht aufbewahrt oder nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig Einsicht gewährt,
18.
entgegen § 35 Abs. 2 einen Hinweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gibt oder die Erfüllung einer dort genannten Pflicht nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig protokolliert,
19.
entgegen § 37g Absatz 1 ein dort genanntes Dokument nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt,
20.
entgegen § 38 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 ein dort genanntes Dokument nicht mit sich führt oder nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt,
21.
entgegen § 39 Abs. 1 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt,
21a.
entgegen § 42a Abs. 1 eine Anscheinswaffe, eine dort genannte Hieb- oder Stoßwaffe oder ein dort genanntes Messer führt,
22.
entgegen § 46 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, eine Ausfertigung der Erlaubnisurkunde nicht oder nicht rechtzeitig zurückgibt oder
23.
einer Rechtsverordnung nach § 15a Absatz 4, § 27 Absatz 7 Satz 2, § 36 Absatz 5, den §§ 39a, 39c Absatz 1 oder 2 Satz 1, § 42 Absatz 5 Satz 1 oder Absatz 6 Satz 1 oder § 47 oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.

(1a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Genehmigung nach Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 258/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Umsetzung des Artikels 10 des Protokolls der Vereinten Nationen gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, dazugehörigen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaubten Handel damit, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (VN-Feuerwaffenprotokoll) und zur Einführung von Ausfuhrgenehmigungen für Feuerwaffen, deren Teile, Komponenten und Munition sowie von Maßnahmen betreffend deren Einfuhr und Durchfuhr (ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 1) einen dort genannten Gegenstand ausführt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

(3) Verwaltungsbehörden im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind

1.
in den Fällen des Absatzes 1, soweit dieses Gesetz von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, dem Bundesverwaltungsamt oder dem Bundeskriminalamt ausgeführt wird, die für die Erteilung von Erlaubnissen nach § 21 Absatz 1 zuständigen Behörden,
2.
in den Fällen des Absatzes 1a die Hauptzollämter.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 258/12
vom
15. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen und Munition
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2013 nach § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 8. Februar 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des tateinheitlichen unerlaubten Handeltreibens mit - Schusswaffen in 524 tateinheitlichen Fällen, - Munition in 41 tateinheitlichen Fällen, - Schalldämpfern in elf tateinheitlichen Fällen und - Wechselsystemen in sechs tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen in 79 Fällen, mit Schusswaffen und Munition in zehn Fällen, mit Schusswaffen, Munition und Wechselsystemen, mit Schusswaffen und Schalldämpfern in fünf Fällen, mit Munition in sieben Fällen und mit Schalldämpfern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme 105 selbständiger, real konkurrierender Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen bzw. Munition, Schalldämpfern und Wechselsystemen hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte im Zeitraum zwischen Mai 2007 und dem 19. Oktober 2010 ohne die erforderliche Genehmigung aus seiner Wohnung heraus einen Waffenhandel. Zu diesem Zweck erwarb er über den Tatzeitraum verteilt bei verschiedenen Waffenhandelshäusern insgesamt 524 Schusswaffen sowie bei 41 Gelegenheiten Munition, außerdem elf Schalldämpfer und sechs Wechselsysteme, und verkaufte im Folgenden einen Großteil der Gegenstände an unbekannte Abnehmer weiter. Einige noch nicht veräußerte Waffen, darunter mehrere nach den Urteilsfeststellungen zu Beginn des Tatzeitraums bestellte Pistolen, behielt der Angeklagte zum Zwecke des Verkaufs durchgängig in seinem Besitz, bis sie bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 19. Oktober 2010 sichergestellt wurden.
4
Bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses hat das Landgericht auf die jeweiligen Bestellvorgänge abgestellt und hinsichtlich mehrerer am selben Tag bestellter Waffen (nebst Munition und Zubehör) eine einheitliche Tat, hinsichtlich an verschiedenen Tagen aufgegebener Bestellungen demgegenüber selbständige, real konkurrierende Taten angenommen.
5
b) Diese Bewertung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbindet das gleichzeitige Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen – das vorliegend als Vorrätighalten zum Verkauf bereitgestellter Waffen die Tathandlung des Handeltreibens in Form des Feilhaltens gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 WaffG darstellt (vgl. Pauckstadt-Maihold in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, WaffG § 1 Rn. 32; Steindorf, Waffenrecht, 9. Aufl., WaffG § 1 Rn. 63 mwN) – die verschiedenen waffenrechtlichen Verstöße zur Tateinheit (BGH, Beschluss vom 30. November 2010 – 1 StR 574/10, StraFo 2011, 61; Beschluss vom 28. März 2006 – 4 StR 596/05, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 16. Dezember 1998 – 2 StR 536/98, StV 1999, 645; Urteil vom 25. August 1986 – 3 StR 183/86, BGHR WaffG § 52a Abs. 1 Konkurrenzen 1). Der vorliegende Fall gibt dem Senat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Danach stehen, weil sich der Besitz an allen Schusswaffen sowie an Munition, Schalldämpfern und Wechselsystemen zeitlich jedenfalls mit dem Besitz an denjenigen Schusswaffen überschneidet , die der Angeklagte über den gesamten Tatzeitraum durchgängig zu Verkaufszwecken in seiner Wohnung lagerte, sämtliche Fälle des unerlaubten Handeltreibens im Verhältnis der Tateinheit zueinander.
6
2. Der Senat kann den Schuldspruch selbst ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
7
3. Durch die Änderung des Schuldspruchs ist den Einzelstrafen und der Gesamtstrafe die Grundlage entzogen. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind indes rechtsfehlerfrei und können aufrecht erhalten bleiben; ergänzende Feststellungen, die dazu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
8
4. Der Senat weist darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO der Verhängung einer die bisherige Einsatzstrafe übersteigenden Strafe – freilich unter Beachtung des Strafrahmens des § 52 Abs. 1 WaffG – nicht entgegensteht (vgl. KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 358 Rn. 30).
Roggenbuck Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 574/10
vom
30. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen unerlaubten Verbringens einer Schusswaffe in den
Geltungsbereich des WaffenG u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2010 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aschaffenburg vom 5. Juli 2010, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sechs tatmehrheitlich begangener Waffendelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); einer Erörterung der Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
2
Das angefochtene Urteil weist durchgreifende materiell-rechtliche Fehler auf, so dass es insgesamt keinen Bestand hat:
3
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen vorsätzlichen unerlaubten Überlassens einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe an einen Nichtberechtigten gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG verurteilt hat, hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte im Februar 2009 einen Revolver, den er im Oktober 2008 in Belgien erworben und nach Deutschland verbracht hatte (Fall II. 2.), an eine Vertrauensperson der Polizei. Entgegen der Annahme des Landgerichts erfüllt ein solches „Scheingeschäft“ nicht den Tatbestand des „Überlassens“ im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG, da das von dieser Vorschrift geschützte Rechtsgut, nämlich zu verhindern, dass Waffen unter Missachtung der waffenrechtlichen Vorschriften in Umlauf kommen bzw. bleiben, in einer solchen Fallgestaltung nicht gefährdet wird (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2009 - 1 StR 737/08, NStZ 2010, 456, 457). Insoweit fehlt es im vorliegenden Fall an einer Tatvollendung. Der Versuch ist nicht strafbar. Die Versuchsstrafbarkeit gemäß § 52 Abs. 2 WaffG bezieht sich, was sich aus der systematischen Stellung dieser Vorschrift ergibt, ausschließlich auf Delikte nach § 52 Abs. 1 WaffG, nicht aber auf solche des § 52 Abs. 3 WaffG (MüKo-Heinrich, WaffG, § 52 Rn. 116; vgl. auch BGH aaO).
5
b) Ob sich der Angeklagte aufgrund dieses Tatgeschehens wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG strafbar gemacht hat, vermag der Senat aufgrund der unzureichenden Feststellungen des Landgerichts nicht zu beurteilen.
6
Allein der Umstand, dass es sich bei dem Waffengeschäft um ein Scheingeschäft mit einer Vertrauensperson der Polizei gehandelt hat, steht hier einer Strafbarkeit des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen nicht entgegen. Handeltreiben stellt auch im Waffenrecht kein Erfolgsdelikt dar. Deshalb ist es für die Tatvollendung rechtlich unerheblich, ob der durch das Handeltreiben erstrebte Umsatz im Einzelfall überhaupt möglich oder - wie hier - undurchführbar war, weil die zum Schein als Käufer auftretende Vertrauensperson der Polizei diesen Umsatz durch ihren Einsatz gerade ver- hindern wollte (zur vergleichbaren Fallkonstellation im Betäubungsmittelstrafrecht vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1981 - 3 StR 61/81, NStZ 1981, 257 mwN).
7
Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt hier nicht in Betracht , da es - abgesehen von der Frage der Vereinbarkeit einer solchen Schuldspruchänderung mit § 265 StPO - hinsichtlich der für die Tatbestandsverwirklichung zusätzlich erforderlichen Gewerbsmäßigkeit (vgl. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 zu § 1 Abs. 4 WaffG) an entsprechenden eindeutigen Feststellungen fehlt. Auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe lässt sich eine Gewerbsmäßigkeit nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, auch wenn die Feststellungen insbesondere im Hinblick auf die Größe des Waffendepots sowie auf den Umstand, dass der Angeklagte wenige Wochen nach dem Revolver auch noch eine weitere Waffe, nämlich eine Maschinenpistole, an die Vertrauensperson verkauft hat (Fall II. 4.), eine solche Annahme nahe legen. Falls der Verkauf des Revolvers an die Vertrauensperson den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen würde, käme in diesem Fall zudem die Annahme einer Tateinheit mit dem Erwerb des Revolvers und dessen Verbringen nach Deutschland im Fall II. 2. der Urteilsgründe in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass der Angeklagte schon beim Erwerb des Revolvers den Entschluss gefasst hätte, diesen weiterzuverkaufen. Tateinheit wäre allenfalls dann ausgeschlossen , wenn sich der Angeklagte erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund eines neuen Tatentschlusses zum Verkauf des Revolvers entschieden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 153; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08; Steindorf/Heinrich/ Papsthart, Waffenrecht, 9. Aufl., WaffG § 52 Rn. 70d). Welche Vorstellungen sich der Angeklagte beim Erwerb des Revolvers gemacht hat, ob er ihn für sich behalten oder weiterverkaufen wollte, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
8
2. Auch die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Rechtsfehlerhaft ist die Verurteilung wegen zweier selbständiger Taten in den Fällen II. 5. und II. 7. der Urteilsgründe.
10
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden bei einer polizeilichen Durchsuchung am 9. Juli 2009 unter anderem mehrere Schusswaffen, darunter ein Revolver und ein Gewehr, eine halbautomatische Kurzwaffe, ein Griffstück einer Maschinenpistole, ein Schnellfeuergewehr AK-47 sowie Magazine und Munition sichergestellt. Ein Teil der Waffen (Revolver, Gewehr) und Munition wurden in der Wohnung des Angeklagten aufgefunden (Fall II. 5.), der Rest wurde in dem bereits erwähnten Waffendepot sichergestellt, das sich auf dem Gartengrundstück befand, das der Angeklagte gemeinsam mit dem gesondert verfolgten B. gepachtet hatte (Fall II. 7.). Der Angeklagte hatte nicht nur bei dem Ausheben des Depots geholfen, er hatte auch Kenntnis von den dort versteckten Waffen und einen ungehinderten Zugang zu diesen. Das Landgericht hat zwar diese einzelnen Verstöße gegen das Waffengesetz bzw. das Kriegswaffenkontrollgesetz rechtlich zutreffend gewertet. Seine Annahme, diese Zuwiderhandlungen stünden in Tatmehrheit zueinander, begegnet jedoch rechtlichen Bedenken. Es ist vielmehr von Tateinheit auszugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das gleichzeitige Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen, auch wenn diese nicht unter dieselben Strafbestimmungen fallen, zur Folge, dass die verschiedenartigen Verstöße gegen das Waffengesetz bzw. das Kriegswaffenkontrollgesetz tateinheitlich zusammentreffen (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 - 1 StR 457/02, NStZRR 2003, 124; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08 mwN; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 mwN). Dies gilt selbst dann, wenn diese Waffen - wie im vorliegenden Fall - an unterschiedlichen Or- ten aufbewahrt werden (BGH, Beschluss vom 28. März 1990 - 2 StR 22/90, BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 1; BGH, Beschluss vom 10. März 1993 - 2 StR 4/93, BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 2; Steindorf /Heinrich/Papsthart aaO Rn. 70c).
11
b) Weiter ist das Konkurrenzverhältnis zwischen den Zuwiderhandlungen im Fall II. 6. und den Verstößen hinsichtlich des Tatgeschehens in den Fällen II. 5. und II. 7. vom Landgericht rechtlich fehlerhaft als tatmehrheitlich bewertet worden.
12
Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte am 26. April 2009 auf einer Waffenmesse in Belgien einen weiteren Revolver, den er nach Deutschland verbrachte (Fall II. 6.) und in seiner Wohnung aufbewahrte, wo er am 9. Juli 2009 zusammen mit einem Gewehr und Munition von der Polizei sichergestellt wurde. Damit stehen das Verbringen des Revolvers nach Deutschland und das gleichzeitige Ausüben der tatsächlichen Gewalt über diesen sowie über die weiteren in seiner Wohnung und in dem Waffendepot auf dem Gartengrundstück gelagerten Waffen nebst Munition (Fälle II. 5. und 7., vgl. auch oben unter 2.) bis zu deren Sicherstellung durch die Polizei entgegen der Annahme des Landgerichts ebenfalls in Tateinheit zueinander (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1997 - 3 StR 383/97 mwN). In weiterer Tateinheit hierzu könnte auch ein unerlaubtes Handeltreiben mit Schusswaffen gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG stehen, wenn der Angeklagte schon beim Erwerb des Revolvers vorgehabt hätte, diesen im Wege gewerbsmäßigen Handelns in Deutschland zu verkaufen (vgl. oben unter 1. b). Ob der Angeklagte - was angesichts der beiden von der Strafkammer festgestellten vorangegangenen Verkaufsgeschäfte (Fall II. 3. und 4.) nahe liegt - mit einer entsprechenden Vorstellung gehandelt hat, ist aus den Urteilsgründen nicht hinreichend ersichtlich. http://www.juris.de/jportal/portal/t/pc0/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/pc0/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/pc0/## - 7 -
13
c) Das Landgericht hat schließlich rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob hier möglicherweise sämtliche Taten oder zumindest ein großer Teil von ihnen durch die andauernde Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Waffen im Wege der Verklammerung tateinheitlich verbunden sind. Hierfür könnte sprechen, dass der Angeklagte nach seiner im Urteil wiedergegebenen geständigen Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben hat, dass das auf dem Gartengrundstück befindliche Waffendepot bereits „im Jahr 2008 oder Anfang 2009“ eingerichtet worden sei. Bei der Einrichtung habe er, der Angeklagte, gesehen, welche „Gegenstände“ dort versteckt worden seien. Aufgrund der Einlassung des Angeklagten besteht daher die nahe liegende Möglichkeit, dass die Errichtung des Depots und dessen Bestückung mit Waffen zeitlich mit der ersten vom Landgericht abgeurteilten Tat des Angeklagten, dem Verbringen des Revolvers von Belgien nach Deutschland im Oktober 2008, zusammenfällt. In diesem Fall kann der Besitz und Erwerb sämtlicher vom Angeklagten seit der Errichtung und Bestückung des Waffendepots angesammelter Schusswaffen und Munition , losgelöst von deren waffenrechtlicher Einordnung, zu einer tateinheitlichen waffenrechtlichen Dauerstraftat verbunden sein, deren Bindeglied der zeitgleiche Besitz der vielen Waffen bildet (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 1 StR 800/96, NStZ 1997, 446 mwN; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98). Weder die kurze Dauer des Besitzes (Fall II. 4.) noch die Aufbewahrung der Waffen an unterschiedlichen Orten lässt dabei den sachlichrechtlichen Zusammenhang entfallen (vgl. oben 2.; BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 1 StR 800/96, NStZ 1997, 446 mwN; BGH, Beschluss vom 28. März 1990 - 2 StR 22/90, BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 1; BGH, Beschluss vom 10. März 1993 - 2 StR 4/93, BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 2). Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Errichtung des Waffendepots und den übrigen waffenrechtlichen Verstößen hätte sich das Landgericht mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte die Waffen, auf die sich die Taten bezogen, (zumindest teilweise) gleichzeitig in Besitz hatte.
14
d) Der Senat kann den Schuldspruch nicht entsprechend § 354 Abs. 1 StPO insgesamt auf Tateinheit umstellen. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil hinsichtlich der Tat II. 3. (i.V.m. der Tat II. 2.; vgl. oben unter 1. a) über den Schuldspruch neu zu befinden ist. Ungeachtet dessen setzt eine Schuldspruchänderung klare, erschöpfende und eindeutige Feststellungen voraus; sie ist dagegen nicht möglich, wenn eine neue Hauptverhandlung andere oder ergänzende Feststellungen erwarten lässt, oder wenn eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der Feststellungen erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10 mwN). Hier fehlt es an den entsprechenden Feststellungen. Aus den Urteilsgründen lässt sich schon nicht entnehmen, wann der Angeklagte bezüglich der in den Fällen II. 5. und 7. sichergestellten Waffen - mit Ausnahme des in Fall II. 6. erworbenen Revolvers - und Munition jeweils Besitz begründet hat. Aus dem Urteil ergibt sich auch nicht, zu welchem Zeitpunkt das Waffendepot tatsächlich eingerichtet worden ist. Da es insoweit an einer tragfähigen Grundlage für die Entscheidung fehlt, ob sämtliche Taten aufgrund des möglicherweise gleichzeitigen Waffenbesitzes in Tateinheit miteinander verbunden sind, kommt eine Schuldspruchänderung vorliegend auch deshalb nicht in Betracht. Das Urteil ist vielmehr mit den Feststellungen aufzuheben , soweit dieser Angeklagte verurteilt wurde. Der Mitangeklagte, der wegen einer anderen Tat verurteilt wurde, hat keine Revision eingelegt.
Wahl Rothfuß Hebenstreit Elf RiBGH Dr. Graf ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert.
Wahl

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

8
c) Damit entfällt eine der beiden Einzelstrafen von 60 Tagessätzen zu je 1 €. Der Gesamtstrafenausspruch hat dennoch Bestand.Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (BGH, Beschluss vom 30. März 2004 - 4 StR 529/03, wistra 2004, 417, 418). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten, fünf Mal acht Monaten und 60 Tagessätzen die Gesamtstrafe ohne die Verhängung einer weiteren Einzelstrafe von 60 Tagessätzen milder als geschehen zugemessen hätte (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 409/10
vom
7. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Den Gerichtsvollzieher trifft kraft seiner gesetzlichen Stellung als Vollstreckungsorgan
im Rahmen des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags eine Vermögensbetreuungspflicht
gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger.
BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 - 4 StR 409/10 - LG Frankenthal (Pfalz)
wegen Abgabenüberhebung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Januar 2011 gemäß
§ 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 22. April 2010 wird
a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt , soweit der Angeklagte in den Fällen II. 26, 29, 60 und 75 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Untreue in Tateinheit mit Gebührenüberhebung in 57 Fällen und der Abgabenüberhebung in sieben Fällen schuldig ist. Die Einzelstrafen für die Taten II. 13, 15, 18, 23, 26, 28, 29, 33, 39, 41, 44, 48, 50, 53, 55, 58, 60, 62, 65, 70, 73, 75, 77 und 81 der Urteilsgründe entfallen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Gebührenüberhebung in 81 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Untreue, und wegen Abgabenüberhebung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es dem Angeklagten die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, für die Dauer von zwei Jahren aberkannt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen und Wertungen erhob der Angeklagte als Gerichtsvollzieher in einer Vielzahl von Vollstreckungsverfahren zu hohe Gebühren. Nachdem der Angeklagte in den verschiedenen Vollstreckungsverfahren bereits früher tätig gewesen war und Teilzahlungen der Schuldner entgegen genommen hatte, erbrachten die Schuldner in den einzelnen Fällen jeweils weitere freiwillige Teilleistungen an den Angeklagten. Dieser hätte für die Entgegennahme dieser weiteren Teilzahlungen nach den Vorschriften des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher (Gerichtsvollzieherkostengesetz – GvKostG) vom 19. April 2001 (BGBl. I S. 623) maximal jeweils Gebühren in Höhe von 3,60 € ansetzen dürfen. Soweit der Vollstreckungsschuldner freiwillig an den Gerichtsvollzieher zahlt, fällt - nach § 10 Abs. 2 Satz 3 GvKostG für jede Zahlung - lediglich eine Hebegebühr nach Nr. 430 KV-GvKostG in Höhe von 3 € an (Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., 430 KVGv Rn. 3), die als Festgebühr die gesamte Tätigkeit des Gerichtsvollziehers abgilt. Hinzu kommt die Pauschale für sonstige bare Auslagen nach Nr. 713 KV-GvKostG in Höhe von 20 % des Betrages von 3 €. Tatsächlich berechnete der Angeklagte in den einzelnen Fällen Gebühren von 21,10 € und erhob damit um 17,50 € überhöhte Gebühren, die er jeweils von den vereinnahmten Teilzahlungen der Schuldner vor Weiterleitung an die Gläubiger in Abzug brachte.
3
2. Der Senat stellt das Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 26, 29, 60 und 75 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Den Urteilsgründen ist nämlich in den Fällen II. 29, 60 und 75 nicht hinreichend zu entnehmen, ob der Angeklagte überhöhte Gebühren anlässlich freiwilliger Teilzahlungen der Vollstreckungsschuldner erhoben hat. Im Fall II. 26 sind die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen zu den erhaltenen und weitergeleiteten Beträgen widersprüchlich.
4
3. In den verbleibenden Fällen tragen die Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Angeklagte allerdings jeweils Untreuetaten zum Nachteil der Gläubiger begangen. Durch die Berechnung überhöhter Gebühren und deren Einbehalt bei der Weiterleitung der vereinnahmten Teilzahlungen hat der Angeklagte die ihm als Gerichtsvollzieher gegenüber den Gläubigern obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und den Gläubigern einen Vermögensnachteil zugefügt.
5
a) Den Gerichtsvollzieher trifft kraft seiner gesetzlichen Stellung als Vollstreckungsorgan gemäß §§ 753 ff. ZPO im Rahmen des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gläubigern (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Oktober 1959 – 1 StR 466/59, BGHSt 13, 274; RGSt 71, 31). Zwar handelt der Gerichtsvollzieher hoheitlich und wird nicht als Vertreter des Gläubigers tätig (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 753 Rn. 4). Die Zwangsvollstreckung dient aber den Gläubigerinteressen. Sie erfordert als verfahrenseinleitende Prozesshandlung einen Antrag des Gläubigers. Damit bestimmt der Gläubiger Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs. Er hat die Herrschaft über seinen vollstreckbaren Anspruch und bleibt somit auch "Herr" seines Verfahrens (Zöller/Stöber aaO Vor § 704 Rn. 19). Zudem hat der Gerichtsvollzieher die Vorschriften der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) zu beachten (vgl. Zöller/Stöber aaO § 753 Rn. 4). Deren Einhaltung gehört nach § 1 Abs. 4 GVGA zu den Amtspflichten des Gerichtsvollziehers. Nach § 58 Nr. 1 GVGA handelt der Gerichtsvollzieher bei der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung selbständig. Er hat gemäß § 58 Nr. 2 GVGA die Weisungen des Gläubigers insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den Gesetzen oder der Geschäftsanweisung nicht in Widerspruch stehen. Insbesondere hat der Gerichtsvollzieher nach § 106 Nr. 6 GVGA die empfangene Leistung und nach § 138 Nr. 1 GVGA bzw. § 170 GVGA gepfändetes oder ihm gezahltes Geld nach Abzug der Vollstreckungskosten unverzüglich an den Gläubiger abzuliefern. Gegen diese Amtspflichten hat der Angeklagte verstoßen, indem er das von den Vollstreckungsschuldnern erhaltene Geld im Umfang der zuviel einbehaltenen Gebühren nicht an die Gläubiger weitergeleitet hat.
6
b) Die Forderung des jeweiligen Gläubigers ist zwar nicht bereits durch die Zahlung des jeweiligen Vollstreckungsschuldners an den Angeklagten als Gerichtsvollzieher im Sinne des § 362 BGB teilweise erfüllt worden. Die Erfüllungswirkung gemäß § 362 BGB tritt bei Zahlung erst ein, wenn der Gerichtsvollzieher das empfangene Geld an den Gläubiger weitergeleitet hat. Fehlt es hieran, ist die beizutreibende Forderung nicht durch Erfüllung erloschen (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 – III ZR 115/08, MDR 2009, 466; Zöller/ Stöber aaO § 754 Rn. 6). § 362 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 BGB ist nicht anwendbar, weil die Rechtsstellung des Gerichtvollziehers gemäß § 754 ZPO nicht auf einem bürgerlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zum Gläubiger, sondern auf seiner Stellung als auch im Bereich der Entgegennahme freiwilliger Zahlungen hoheitlich handelndes Organ der Zwangsvollstreckung beruht.
7
Auf freiwillige Zahlungen des Schuldners an den Gerichtsvollzieher ist aber § 815 Abs. 3 ZPO analog anwendbar (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 – III ZR 115/08, MDR 2009, 466, 467; Zöller/Stöber aaO § 754 Rn. 6; Musielak /Becker, ZPO, 7. Aufl., § 815 Rn. 5). Nach der überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur wird § 815 Abs. 3 ZPO nicht als Erfüllungsfiktion , sondern als eine von § 270 BGB abweichende Regelung über die Gefahrtragung verstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 – III ZR 115/08 aaO; Urteil vom 30. Januar 1987 – V ZR 220/85, ZZP 102, 366; Zöller/Stöber aaO § 815 Rn. 2; Musielak/Becker aaO § 815 Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 815 Rn. 14). Der Schuldner ist bei freiwilliger Leistung unter dem Druck drohender Pfändung ebenso schutzwürdig wie bei der Wegnahme (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 – III ZR 115/08 aaO; Musielak/Becker aaO § 815 Rn. 5). Dieser Schutz des Schuldners trägt dem Umstand Rechnung, dass er auf den weiteren Verfahrensablauf keinen Einfluss nehmen kann (MünchKommZPO /Gruber aaO § 815 Rn. 14). Verwendet der Gerichtsvollzieher das Geld nicht entsprechend den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, trägt der Gläubiger somit die Gefahr. Er kann den Schuldner nicht nochmals in Anspruch nehmen.
8
4. Die Annahme selbständiger, real konkurrierender Taten durch das Landgericht hält in den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. August 2010 genannten Fällen sowie in den Fällen II. 12 und 13 der Urteilsgründe der rechtlichen Überprüfung nicht stand. In diesen Fällen teilte der Angeklagte die von den Vollstreckungsschuldnern geleisteten Zahlungen auf und leitete die Gelder am selben Tag an zwei Gläubiger weiter, wobei er jeweils zu hohe Gebühren in Höhe von 17,50 € in Abzug brachte. Die jeweils am selben Tag vorgenommenen Überweisungen bzw. Ausbuchungen stehen in natürlicher Handlungseinheit. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (BGH, Beschlüsse vom 14. September 2010 – 4 StR 422/10; vom 3. August 2010 – 4 StR 157/10 und vom 18. Mai 2010 – 4 StR 182/10 m.w.N.). Angesichts des Umstandes, dass die am selben Tag vorgenommenen Überweisungen bzw. Ausbuchungen jeweils denselben Vollstreckungsschuldner betrafen , liegt es nahe, dass der Angeklagte die Verfügungen zusammen erledigte und nicht aufgrund eines neuen Tatentschlusses handelte.
9
Da jeweils zwei Gläubiger geschädigt wurden, ist gleichartige Idealkonkurrenz gegeben (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1985 – 1 StR 274/85, wistra 1986, 67; BGH, Beschlüsse vom 8. April 1998 – 1 StR 128/98, NStZ-RR 1998, 234 und vom 9. März 2010 – 4 StR 23/10; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 194 m.w.N.).
10
5. Einer Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe bedarf es nicht. Denn durch die Zusammenfassung mehrerer Taten zu jeweils einer einzigen Tat ändert sich deren Schuldgehalt nicht (BGH, Beschlüsse vom 3. August 2010 – 4 StR 157/10 und vom 9. März 2010 – 4 StR 592/09). Der Senat schließt im Hinblick auf die Anzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen - 57 Einzelfreiheitsstrafen von einem Monat und sieben Einzelfreiheitsstrafen von drei Monaten - aus, dass die verhängte Gesamtstrafe bei zutreffender Beurtei- lung des Konkurrenzverhältnisses und ohne die eingestellten Fälle niedriger ausgefallen wäre.
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6. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten nach § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den nach der Teileinstellung verbleibenden, durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.