Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2010 - II ZR 13/09

bei uns veröffentlicht am01.03.2010
vorgehend
Landgericht Aachen, 43 O 10/07, 13.07.2007
Oberlandesgericht Köln, 18 U 138/07, 11.12.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 13/09
vom
1. März 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG (i.d.F. vor 1. November 2008) §§ 30, 31
Darlehen, die ein Gesellschafter aufgrund eines Versprechens im Gesellschaftsvertrag
neben der Einlage gewährt hat ("gesplittete Einlage"), sind in der Überschuldungsbilanz
zu passivieren, soweit nicht ausdrücklich ein - bis zum Inkrafttreten des
MoMiG sog. qualifizierter - Rangrücktritt erklärt ist.
BGH, Beschluss vom 1. März 2010 - II ZR 13/09 - OLG Köln
LG Aachen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. März 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn,
Dr. Reichart, Dr. Drescher und Bender
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers durch Beschluss gemäß § 552 a ZPO zurückzuweisen.

Gründe:

1
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und sie hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552 a ZPO).

I.

2
Ein Zulassungsgrund besteht nicht.
3
1. Soweit das Berufungsgericht (ZIP 2009, 315) die Revision im Hinblick auf die Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln für Darlehensrückzahlungen vor Inkrafttreten des MoMiG zugelassen hat, ist der Zulassungsgrund entfallen. Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils bereits mehrfach entschieden, dass die Rechtsprechungsregeln jedenfalls dann weiterhin gelten, wenn das Insolvenzverfahren vor dem 1. November 2008 eröffnet wurde (BGHZ 179, 249 Tz. 15 ff. "Gut Buschow"; BGHZ 179, 285 Tz. 8; Urt. v. 6. April 2009 - II ZR 277/07, ZIP 2009, 1273; v. 20. Juli 2009 - II ZR 36/08, ZIP 2009, 1806). Ob ein Zulassungsgrund besteht, ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts, nicht dem Erlass des Berufungsurteils zu beurteilen (BGH, Urt. v. 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650).
4
2. Auch zur Frage, ob im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Darlehen der Gesellschafter ("gesplittete Einlage") zu passivieren sind, besteht kein Zulassungsgrund.
5
Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, wobei insbesondere erforderlich ist, dass die betreffende Rechtsfrage in einem gewissen Umfang umstritten ist (st. Rspr. siehe nur BGHZ 154, 288, 291).
6
Eine solche klärungsbedürftige Rechtsfrage stellt sich nicht. Der Senat hat bereits entschieden, dass auf das erfüllte Finanzplankreditversprechen die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts angewandt werden und der Finanzplankredit keine eigenständige Kategorie des Eigenkapitalersatzrechts ist, vielmehr für die Qualifizierung von Darlehen, die auf Grund einer Vereinbarung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden, die allgemeinen Grundsätze über eigenkapitalersetzende Leistungen gelten (BGHZ 142, 116, 122). Für eigenkapitalersetzende Darlehen ist geklärt, dass sie in der Überschuldungsbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren sind, außer es liegt ein sog. qualifizierter Rangrücktritt vor (BGHZ 146, 264, 271). Dementsprechend sind auch dann, wenn eine so genannte gesplittete Einlage vereinbart ist, die Darlehensrückzahlungsansprüche zu passivieren, soweit nicht ausnahmsweise ein solcher qualifizierter Rang- rücktritt erklärt ist (Roth/Altmeppen, GmbHG 6. Aufl. § 32a a. F. Rdn. 79; Altmeppen, FS Sigle, S. 211, 216; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 101; Habersack in Ulmer/Winter, GmbHG §§ 32 a, b Rdn. 249 unter Aufgabe von ZHR 161 [1997], 457, 490; Michalski/ Heidinger, GmbHG §§ 32 a, 32 b Rdn. 393; Sieger/Aleth, GmbHR 2000, 462, 470; a.A. Ekkenga, WM 2006, 1986, 1989).

II.

7
Die Revision hat auch keinen Erfolg.
8
1. Das Berufungsgericht ist zur Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsprechungsregeln noch anwendbar sind, wenn - wie hier - das Insolvenzverfahren vor dem 1. November 2008 eröffnet wurde.
9
2. Der Kläger kann entsprechend § 31 GmbHG a.F. Erstattung der auf das Darlehen des Erblassers in den Jahren 2002 bis 2004 zurückbezahlten 122.367,20 € verlangen. Das Darlehen war eigenkapitalersetzend. Die Gesellschaft war überschuldet, weil die mit den Mitgesellschaftern bereits im Gesellschaftsvertrag vereinbarten, valutierten Darlehen zu passivieren waren.
10
a) Die im Rahmen einer so genannten gesplitteten Einlage gewährten Darlehen der Gesellschafter waren als Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu passivieren. Auch wenn eine Kündigung durch den Gesellschafter ausgeschlossen ist, ist rechtlich ein Darlehen vereinbart, für das eine Rückzahlungspflicht besteht und das als Verbindlichkeit im Überschuldungsstatus zu passivieren ist, sofern nicht ein - hier nur in Gestalt einer "qualifizierten" Erklärung in Betracht kommender - Rangrücktritt erklärt ist.
Der im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Ausschluss des Kündigungsrechts des Gesellschafters kann grundsätzlich wieder aufgehoben und das Darlehen damit fällig gestellt werden. Dass die Darlehen nur zusammen mit der Gesellschafterstellung gekündigt werden können, schließt eine Rückzahlung ebenfalls nicht aus. So kommt eine Kündigung bei Ausscheiden aus der Gesellschaft in Frage, etwa durch die jedenfalls ab 31. Dezember 2010 mögliche Kündigung der Gesellschafterstellung, bei Ausschluss oder bei Einziehung. Schließlich darf die Gesellschaft das Darlehen unter Umständen ihrerseits kündigen oder kann es auch ohne vorherige Kündigung zurückzahlen.
11
b) Ein qualifizierter Rangrücktritt ist nicht erklärt. Eine ausdrückliche Rangrücktrittserklärung fehlt. Dass das Darlehen bereits im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist und nicht ohne die Gesellschafterstellung gekündigt werden kann, bedeutet noch keinen qualifizierten Rangrücktritt und ersetzt die ausdrückliche Rangrücktrittserklärung nicht.
12
Damit, dass der Gesellschafter ein solches Darlehen auch ohne Krise der Gesellschaft belassen muss, ist der Rang seiner Rückzahlungsforderung in der Insolvenz noch nicht bestimmt, insbesondere ist kein Nachrang vereinbart. Aber selbst wenn der Ausschluss der Kündigung bis zur Insolvenzeröffnung nicht aufgehoben wird und darin eine konkludente Nachrangvereinbarung zu sehen wäre, wäre eine Rückzahlung noch vor dem Liquiditationserlös im Rang jedenfalls des § 39 Abs. 2 InsO a.F. geschuldet (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 95). Ein Rücktritt in den Rang von § 39 Abs. 2 InsO a.F. genügt jedoch den Anforderungen an einen qualifizierten Rangrücktritt solange nicht, wie der Gesellschafter in dieser Klasse nicht an die letzte Stelle tritt (vgl. Sen.Urt. v. 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Tz. 10). Dass die Darlehen der Mitgesellschafter bei ihrem Ausscheiden nach § 14 Nr. 6 des Gesellschaftsvertrags in drei Jahresraten zurückzuzahlen waren, führt entgegen der Revision schon materiell nicht zu einem Nachrang, da mit der Insolvenzeröffnung die Gesamtforderung als fällig gilt (§ 41 InsO).
13
Die rechtliche Einordnung als nachrangige Forderung reicht ebenfalls nicht aus, um die Passivierung in der Überschuldungsbilanz zu vermeiden. Auch bei materiellem Nachrang ist eine ausdrückliche Rangrücktrittserklärung notwendig, um den Rangrücktritt außer Streit zu stellen und dem Geschäftsführer eine zweifelsfreie und rechtssichere Berurteilungsgrundlage zu geben (BGHZ 146, 264, 273). Das gilt auch für die gesplittete Einlage (Habersack in Ulmer/Winter, GmbHG §§ 32 a, b Rdn. 249).

14
3. Zusätzlich kann der Kläger von der Beklagten nach §§ 30, 31 GmbHG a.F. die Rückzahlung der während einer Unterbilanz durch den Erblasser entnommenen 17.500,00 € verlangen.
Goette Strohn Reichart Drescher Bender

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:

LG Aachen, Entscheidung vom 13.07.2007 - 43 O 10/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 11.12.2008 - 18 U 138/07 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 30 Kapitalerhaltung


(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktie

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 31 Erstattung verbotener Rückzahlungen


(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. (2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschafts
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Insolvenzordnung - InsO | § 39 Nachrangige Insolvenzgläubiger


(1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: 1. die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge au

Insolvenzordnung - InsO | § 41 Nicht fällige Forderungen


(1) Nicht fällige Forderungen gelten als fällig. (2) Sind sie unverzinslich, so sind sie mit dem gesetzlichen Zinssatz abzuzinsen. Sie vermindern sich dadurch auf den Betrag, der bei Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Eröf

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 32 Rückzahlung von Gewinn


Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 277/07
Verkündet am:
6. April 2009
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG § 32 a i.d.F. bis 31. Oktober 2008

a) Allein aus der ehelichen Verbundenheit zwischen dem Kreditgeber einer GmbH und
deren Gesellschafterin ergibt sich kein Indiz dafür, dass sie bloße Treuhandgesellschafterin
und deshalb der Kredit als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren ist.

b) Die Grundsätze des Eigenkapitalersatzes gelten auch im Stadium der Vor-GmbH
und werden durch die Verlustdeckungshaftung der Gründungsgesellschafter (vgl.
BGHZ 134, 333) nicht ausgeschlossen.

c) Der Tatrichter darf einen Indizienbeweis nicht ohne Erhebung eines vom Prozessgegner
angetretenen Gegenbeweises als geführt ansehen.
BGH, Urt. v. 6. April 2009 - II ZR 277/07 - OLG Rostock
LG Rostock
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 12. November 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten Darlehensforderungen (39.600,00 € und 45.500,00 €) nebst hierauf entfallender Zinsen und Anwaltskosten abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens , an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger war Geschäftsführer der M. GmbH (nachfolgend M. GmbH), deren Alleingesellschafterin seine Ehefrau war. Durch Unternehmensvertrag vom 29. Januar 2002 verkaufte die M. GmbH, welche einen Kfz- Reifenhandel in drei Niederlassungen betrieb, ihre Niederlassung R. an die kurz zuvor am 27. Januar 2002 gegründete Re. GmbH (nachfolgend Schuldnerin). Als Kaufpreis wurden 58.000,00 € für das Anlagevermögen, 58.000,00 € für den Unternehmenswert und 69.600,00 € für den Warenbestand (jeweils einschließlich USt.) vereinbart. Paritätische Gesellschafter der Käuferin (Schuldnerin) waren der ehemalige Leiter der M. -Niederlassung R. , F. F. (nachfolgend F.F.), und seine Ehefrau F., welche ihren hälftigen Geschäftsanteil treuhänderisch für die Ehefrau des Klägers hielt. Da die Schuldnerin von Anfang an für außenstehende Dritte nicht kreditwürdig war, gewährte ihr der Kläger aufgrund eines Darlehensvertrages vom 28. Februar 2002 zwei zweckgebundene Privatdarlehen zur Finanzierung des Kaufs des Anlagevermögens und des Warenbestandes in Höhe von 58.000,00 € und 69.600,00 €. Den Gesamtbetrag von 127.600,00 € ließ sich der Kläger von der Kreissparkasse K. kreditieren und auf das Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse R. überweisen. Auf das Teildarlehen in Höhe von 69.600,00 € (Warenbestand) zahlte die Schuldnerin sechs vereinbarte Raten in Höhe von insgesamt 30.000,00 € zurück; der Restbetrag von 39.600,00 € nebst Zinsen ist seit 1. März 2002 offen. Keinerlei Zahlungen leistete die Schuldnerin auf das Darlehen zur Finanzierung des Anlagevermögens in Höhe von 58.000,00 €. Auf den laut Rechnung vom 29. Januar 2002 "vereinbarungsgemäß abgetretenen" Betrag rechnete der Kläger den Betrag der Stammeinlage seiner Ehefrau bei der Schuldnerin in Höhe von 12.500,00 € an, so dass ein Restbetrag von 45.500,00 € offen ist.
2
Die Kaufpreisforderung der M. GmbH für den Firmenwert der Niederlassung in Höhe von 58.000,00 € ließ sich der Kläger unter dem 29. Januar 2002 abtreten, wobei er zugleich als deren Geschäftsführer handelte. Auch auf diese (verzinsliche) Forderung leistete die Schuldnerin keinerlei Zahlungen.
3
Im April 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2004 meldete der Kläger seine offenen Darlehensforderungen in Höhe von 39.600,00 € und 45.500,00 € sowie den an ihn abgetretenen Kaufpreisanspruch von 58.000,00 € nebst 19.518,18 € Zinsen und 1.151,00 € Anwaltsgebühren, insgesamt eine Forderung von 163.732,48 € zur Insolvenztabelle der Schuldnerin an. Die Forderungen wurden von dem Beklagten bestritten.
4
Mit seiner Klage hat der Kläger - nach deren Teilrücknahme in Höhe eines Zinsbetrages von 8.862,38 € - die Feststellung der o.g. Forderungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 154.870,10 € zur Insolvenztabelle der Schuldnerin gemäß §§ 38, 180 Abs. 1 InsO begehrt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Gesamtbetrages von 143.100,00 € entsprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen richtete sich die - von dem Berufungsgericht zugelassene - Revision des Klägers, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nach Erörterung der Rechtslage hinsichtlich der Kaufpreisforderung aus abgetretenem Recht der M. GmbH (58.000,00 €) nebst hierauf entfallender Zinsen und Anwaltskosten zurückgenommen hat.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision führt, soweit sie nicht zurückgenommen ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
6
I. Das Berufungsgericht meint, die streitigen Forderungen fielen nicht unter § 38 InsO, sondern unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, weil sowohl die beiden Darlehen des Klägers als auch die Abtretung eines Teils der Kaufpreisforderung der M. GmbH an den Kläger "Maßnahmen" seien, welche eigenkapitalersetzenden Darlehen eines Gesellschafters i.S. von §§ 32 a GmbHG a.F., 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichstünden. Es lägen in Verbindung mit dem ehelichen Näheverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau genügend (im Einzelnen ausgeführte ) "Indizien" dafür vor, dass die beiden angeblichen Privatdarlehen des Klägers an die Schuldnerin wirtschaftlich von seiner Ehefrau stammten und diese wiederum nur "Strohfrau" des Klägers als "eigentlichem" Gesellschafter sowohl der M. GmbH als auch der Schuldnerin sei.
7
II. Das Berufungsurteil kann, soweit es angefochten ist, schon deshalb keinen Bestand haben, weil es die Feststellung der beiden Darlehensforderungen des Klägers zur Insolvenztabelle der Schuldnerin im Rang des § 38 InsO aufgrund angenommener "Indizien" für eine "Strohmanneigenschaft" der Ehefrau des Klägers ablehnt, obwohl der Kläger Gegenbeweis mit dem Zeugnis seiner Ehefrau angetreten hat. Darin liegt, wie die Revision zu Recht rügt, ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, der schon für sich genommen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem genannten Umfang nötigt, ohne dass es darauf ankommt, dass auch die Tragfähigkeit einer Reihe der von dem Berufungsgericht für seine Auffassung angeführten Indizien Zweifeln begegnet.
8
1. Zwar führt das Berufungsgericht im Ausgangspunkt noch - verbal - zutreffend aus, dass allein das Eheverhältnis zwischen dem Kläger als Darlehensgeber und seiner Ehefrau als mittelbarer Gesellschafterin der Schuldnerin nicht ausreicht, um den Kläger einem Gesellschafter der Schuldnerin im Sinne der Eigenkapitalersatzvorschrift des § 32 a GmbHG a.F. gleichzustellen. Diese - durch Gesetz vom 23. Oktober 2008 (MoMiG, BGBl. I, 2026) aufgehobene - Vorschrift ist gemäß Art. 103 d Satz 1 EGInsO auf - wie hier - vor diesem Zeitpunkt eröffnete Insolvenzverfahren weiterhin anzuwenden (vgl. Sen.Urt. v. 26. Januar 2009 - II ZR 213/07, ZIP 2009, 471 Tz. 9 sowie zur Fortgeltung der sog. Rechtsprechungsregeln gemäß §§ 30, 31 GmbHG a.F. analog Sen.Urt. v. 26. Januar 2009 - II ZR 260/07, ZIP 2009, 615 Tz. 14 ff. "Gut Buschow").
9
a) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet ein Ehe- oder Verwandtschaftsverhältnis zwischen Darlehensgeber und Gesellschafter für sich allein nicht einmal eine Beweiserleichterung zugunsten des für die Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzes darlegungs- und beweispflichtigen Insolvenzverwalters der Gesellschaft (vgl. Sen.Urt. v. 18. Februar 1991 - II ZR 259/89, ZIP 1991, 366 f.). Das gilt selbst dann, wenn der Darlehensgeber Geschäftsführer und seine Ehefrau Alleingesellschafterin der kreditnehmenden Gesellschaft ist (vgl. Sen.Urt. v. 8. Februar 1999 - II ZR 261/97, NJW 1999, 2123, 2125 = DStR 1999, 810). Eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn es konkrete Hinweise darauf gibt, dass entweder die Mittel vom Gesellschafter stammen oder dass umgekehrt dieser den Gesellschaftsanteil treuhänderisch für den Darlehensgeber hält (vgl. Sen.Urt. v. 18. Februar 1991 aaO).
10
b) Soweit das Berufungsgericht diese alternativen Voraussetzungen hier kumulativ für gegeben hält und ausreichende Anhaltspunkte dafür sieht, dass die Darlehen des Klägers wirtschaftlich von seiner Ehefrau stammten u n d diese wiederum nur "Strohfrau" des Klägers gewesen sei, ist das schon in sich widersprüchlich, weil ein "Strohmann" im Rechtssinne Treuhänder ist und für Rechnung seines Auftraggebers mit von diesem zur Verfügung gestellten Mitteln handelt (vgl. §§ 669, 670 BGB). Davon abgesehen war und ist nach den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils ohnehin "unstreitig", dass die von dem Kläger der Schuldnerin überlassenen Darlehensmittel aus dessen Privatvermögen und nicht aus dem der Gesellschafterin stammten, was entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts natürlich nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass es sich bei den Darlehensmitteln "nicht um angespartes oder erwirtschaftetes Vermögen des Klägers", sondern um Gelder handelte, welche ihm von der KSK K. darlehenshalber "zur Verfügung gestellt" worden waren. Das ändert an einem Handeln des Klägers auf seine eigene Rechnung im Verhältnis zu der Schuldnerin nichts. Auch gemäß den vorgelegten Überweisungsbelegen vom 28. Februar 2002 wurde die Darlehenssumme (insgesamt 127.600,00 €) von dem Konto des Klägers bei der KSK K. und nicht etwa von einem Konto seiner Ehefrau (oder der M. GmbH) auf das Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse R. überwiesen.
11
2. Ebenso wenig tragen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts , wie die Revision zu Recht rügt, die Annahme, dass der Kläger gemäß § 32 a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. deshalb einem Gesellschafter der Schuldnerin gleichzustellen ist, weil er seine Ehefrau als "Strohfrau" eingesetzt hat und diese ihre (mittelbare) Beteiligung an der Schuldnerin treuhänderisch für den Hilfe leistenden Kläger hielt (vgl. dazu BGHZ 31, 258; 118, 107, 110 ff.; Sen.Urt. v. 21. November 2005 - II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 Tz. 20):
12
a) Der Umstand, dass der Kläger den Verkauf der M. -Niederlassung R. an die Schuldnerin "gemanagt" hat, entsprach seiner Geschäftsführerfunktion in der M. GmbH.
13
b) Was es damit auf sich hat, dass der Kläger den Betrag der Stammeinlage seiner Ehefrau bei der Schuldnerin in Höhe von 12.500,00 € auf seine Darlehensforderung angerechnet hat, wird von dem Berufungsgericht nicht näher ausgeführt. Die von dem Berufungsgericht daraus gefolgerte "wirtschaftliche Verknüpfung" zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau ist jedenfalls noch kein Beweis für deren Strohmanneigenschaft. Eine wirtschaftliche Verknüpfung besteht zwischen Eheleuten regelmäßig. Die von dem Berufungsgericht darüber hinaus angeführte gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen dem Kläger als Geschäftsführer und seiner Ehefrau als Alleingesellschafterin der M. GmbH betrifft zum einen nicht die Schuldnerin und würde zum anderen nicht einmal ausreichen, den Kläger einem Gesellschafter der M. GmbH, geschweige denn einem Gesellschafter der Schuldnerin gleichzustellen (vgl. Sen.Urt. v. 8. Februar 1999 aaO).
14
c) Ebenso wenig lässt sich eine mittelbare Gesellschafterstellung des Klägers bei der Schuldnerin daraus folgern, dass er sich die Teilforderung der M. GmbH für den Verkauf ihrer Niederlassung R. in Höhe von 58.000,00 € ohne Gegenleistung hat abtreten lassen. Das Fehlen einer Gegenleistung ist zwar entgegen der Behauptung der Revision an der von ihr angegebenen Aktenstelle nicht bestritten, lässt aber die Möglichkeit einer (treuhänderischen ) Forderungsabtretung an den Kläger mit Einverständnis seiner Ehefrau als Alleingesellschafterin der M. GmbH offen. Eine Interessenkoordination zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau, die auch in dem nach dem Vortrag des Klägers ursprünglich beabsichtigten Gesamtverkauf der M. GmbH ihren Ausdruck gefunden haben kann, würde den Kläger noch nicht zum mittelbaren Gesellschafter der Schuldnerin machen. Selbst wenn aus der genannten Abtretung zu folgern wäre, dass der Kläger der "eigentliche" Gesellschafter der M. GmbH war, müsste für ihn im Verhältnis zu der Schuldnerin nicht zwangsläufig dasselbe gelten.
15
d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist auch in den Begleitumständen der Darlehensgewährung des Klägers an die Schuldnerin jedenfalls kein "Beleg" dafür zu sehen, dass der Kläger mittelbarer Gesellschafter der Schuldnerin war. Soweit die Überweisung der Darlehensvaluta auf das Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse R. gemäß Schreiben der KSK K. vom 28. Februar 2002 mit der Auflage verknüpft war, dass über den Überweisungsbetrag von insgesamt 127.600,00 € nur verfügt werden durfte, wenn "im Gegenzug" derselbe Betrag auf das Konto der M. GmbH bei der KSK K. überwiesen würde, sollte damit offenbar die Verwendung der Darlehensmittel zur Zahlung des Kaufpreises an die M. GmbH sichergestellt werden. Anhaltspunkte für einen von dem Berufungsgericht angenommenen "Geldkreislauf" mit Rückfluss auf das Konto des Klägers ergeben sich daraus nicht, zumal der Kläger einen solchen Rückfluss ausdrücklich bestritten hat, wie die Revision zu Recht rügt. Gegenteiliges folgt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht daraus, dass es in der Kaufpreisrechnung der M. GmbH vom 29. Januar 2002 heißt, der Rechnungsbetrag sei "vereinbarungsgemäß abgetreten" , weil daraus der Abtretungsempfänger nicht ersichtlich ist. Soweit das Berufungsgericht eine Abtretung an die KSK K. zum Ausgleich ihrer Darlehensforderung gegenüber dem Kläger vermutet und dies als Beleg für "die wirtschaftliche Verknüpfung des Klägers mit der M. GmbH" ansieht, erschließt sich daraus eine mittelbare Gesellschafterstellung des Klägers bei der Schuldnerin, auf die es hier ankommt, nicht.
16
e) Schließlich lässt sich eine mittelbare Gesellschafterstellung des Klägers bei der Schuldnerin auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, daraus ableiten, dass er persönlich Lizenzinhaber und Franchisegeber des Warenzeichens "M. Der preiswerte REIFEN- & FELGENMARKT" war und er mit dem geschäftsführenden Gesellschafter F.F. der Schuldnerin persönlich einen Franchisevertrag abgeschlossen hat, durch den die Geschäftstätigkeit der Schuldnerin weitgehend reglementiert wurde. Eine nicht gesellschaftsrechtlich fundierte, sondern nur wirtschaftliche oder durch schuldrechtliche Verträge (mit Ausnahme von Treuhandverträgen) vermittelte Machtposition, wie sie z.B. auch der Hausbank einer GmbH zukommen kann, genügt nicht, um den Inhaber dieser Machtposition einem Gesellschafter gleichzustellen (vgl. z.B. Großkomm.z.GmbHG /Habersack §§ 32 a/b Rdn. 153 m.Nachw.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl. §§ 32 a, b Rdn. 154).
17
3. a) Reichen sonach die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht aus, um den Kläger als mittelbaren Gesellschafter der Schuldnerin (und seine Ehefrau als dessen "Strohfrau"), mithin die von ihm gewährten Darlehen als eigenkapitalersetzend i.S. des § 32 a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. zu qualifizieren , ist die Sache insoweit gleichwohl nicht zugunsten des Klägers entscheidungsreif , sondern bedarf erneuter tatrichterlicher Würdigung unter Einbeziehung einer sekundären Darlegungslast des Klägers zu einzelnen unklaren Punkten, zu denen der Beklagte keine Angaben machen kann (vgl. Senat, BGHZ 140, 156, 158 f. m.w.Nachw.; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 29. Aufl. § 284 Rdn. 18). Das gilt insbesondere hinsichtlich der Frage nach dem Grund für die von dem Kläger vorgenommene Anrechnung des Betrages der Stammeinlage seiner Ehefrau auf die Darlehensforderung gegenüber der Schuldnerin (vgl. oben b). Dieser von dem Berufungsgericht zwar angesprochene, aber nicht weiter aufgeklärte Gesichtspunkt, zu dem auch die Revision sich ausschweigt , könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Stammeinlage der Ehefrau des Klägers aus dessen Mitteln aufgebracht werden und die Ehefrau ihre mittelbare Beteiligung an der Schuldnerin treuhänderisch für den Kläger halten sollte. Im Zusammenhang damit könnten auch weitere von dem Berufungsgericht angeführte Indizien Bedeutung gewinnen, die allerdings aus der ehelichen Verbundenheit zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau allein nicht abgeleitet werden können.
18
b) Die Anwendung des § 32 a GmbH a.F. (hier i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) scheitert auch nicht schon daran, dass die Schuldnerin sich zur Zeit der Darlehensgewährung noch im Stadium der Vorgesellschaft befand. Die Grundsätze des Eigenkapitalersatzes gelten auch für eine Vor-GmbH (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 19) und werden durch die Vorbelastungshaftung der Gründungsgesellschafter (vgl. BGHZ 134, 333) nicht verdrängt (a.A. Großkomm.z.GmbHG/Habersack §§ 32 a/b Rdn. 14), weil § 32 a Abs. 1 GmbHG a.F. andersartige Rechtsfolgen zeitigt und kein Grund besteht, den unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafter einer Vor-GmbH von diesen Rechtsfolgen zu dispensieren.
19
c) Andererseits hat aber der Kläger, wie schon erwähnt und von der Revision zu Recht gerügt, mit dem Zeugnis seiner Ehefrau Gegenbeweis dafür angetreten, dass ein Treuhandverhältnis zwischen beiden nicht bestanden habe , seine Ehefrau vielmehr Eigentümerin mehrerer Immobilien sowie Inhaberin verschiedener Gesellschaftsbeteiligungen sei und bei deren Erwerb unter Einschluss des Geschäftsanteils an der Schuldnerin jeweils für eigene Rechnung gehandelt habe. Ohne die Erhebung dieses Gegenbeweises durfte und darf die Klage auf Feststellung der Darlehensforderungen des Klägers zur Insolvenztabelle der Schuldnerin nicht abgewiesen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 19. März 2002 - XI ZR 183/01, NJW-RR 2002, 1073 zum Gegenbeweis bei Indiztatsachen ).
20
Die Zurückverweisung der Sache, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht, gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , die noch erforderlichen Feststellungen, ggf. nach ergänzendem Parteivortrag oder auch nach Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO, zu treffen.
Goette Kurzwelly Kraemer Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 19.12.2006 - 10 O 126/06 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 12.11.2007 - 3 U 16/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
UND TEILVERSÄUMNISURTEIL
II ZR 36/08 Verkündet am:
20. Juli 2009
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG a.F. §§ 30, 31

a) Ein Gesellschafter, der für ein Bankdarlehen eine eigenkapitalersetzende Bürgschaft
gestellt hat, ist verpflichtet, die Gesellschaft von der Rückzahlungsverbindlichkeit
bei deren Fälligkeit freizustellen. Soweit stattdessen eine von der Gesellschaft
gestellte Sicherheit verwertet und der Gesellschafter durch die Anrechnung
des Verwertungserlöses von seiner Bürgschaftsschuld frei wird, steht dies einer
Auszahlung an den Gesellschafter gleich, auch wenn der Gesellschafter selbst
oder eine von ihm beherrschte Gesellschaft die Gesellschaftssicherheit erwirbt.

b) Die Höhe des Erstattungsanspruchs der Gesellschaft richtet sich allein nach der
durch die Verwertung der Gesellschaftssicherheit erlangten Befreiung von der
Bürgschaftsschuld und nicht nach dem Wert des Sicherungsguts.
BGH, Urteil und Teilversäumnisurteil vom 20. Juli 2009 - II ZR 36/08 - OLG Köln
LG Bonn
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Strohn, Caliebe, Dr. Reichart und Dr. Drescher

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Januar 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als seine Berufung gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 2. November 2006 hinsichtlich der Klageanträge zu 1, 3 und 5 zurückgewiesen wurde, sowie das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 2. November 2006 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 147.416,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 132.915,25 € seit dem 21. Februar 2006 und aus weiteren 14.501,00 € seit dem 13. Februar 2007 zu zahlen. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger weitere 4.936,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21. Februar 2006 zu zahlen. Ihm wird vorbehalten, nach Zahlung an die Masse seine Rechte gegen den Kläger wegen des Betrages, den die T. GmbH ohne die rückgängig zu machende Zahlung als Insolvenzgläubigerin erhalten hätte, zu verfolgen.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner dem Kläger Auskunft zu erteilen über die zukünftig gezahlten Kaufpreisraten gemäß dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 12./13. November 2002 zwischen der B. Bank eG und der A. GmbH & Co. KG. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an den Kläger weitere Zahlungen in Höhe der zukünftig noch erfolgenden Kaufpreiszahlung an die B. Bank eG aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 12./13. November 2002 zu leisten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die durch die Streithilfe verursachten Kosten trägt der Streithelfer, im Übrigen tragen die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. M. T. GmbH (Schuldnerin), die durch Gesellschaftsvertrag vom 20. März 2001 mit einem Stammkapital von 25.000,00 € gegründet wurde. Gesellschafter sind D. K. (33,4 %) und die Beklagte zu 2 (66,6 %), Geschäftsführer war der Beklagte zu 1, der auch Geschäftsführer der Beklagten zu 2 ist, an der er unmittelbar 50 % der Geschäftsanteile hält sowie weitere 50 % über die Fa. T. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er ist.
2
Die Schuldnerin nahm bei der B. Bank eG im April und Mai 2001 drei Darlehen über insgesamt 1.005.166,00 DM zur Finanzierung des Erwerbs einer sog. Calling-Card-Plattform auf, die sie der Bank zur Sicherheit übereignete. Der Beklagte zu 1 hatte sich bereits am 19. Februar 2001 selbstschuldnerisch für alle bestehenden und zukünftigen Forderungen der Bank gegen die Schuldnerin "i.Gr." verbürgt.
3
Der im Juli 2002 fertig gestellte Jahresabschluss zum 31. Dezember 2001 ergab einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 170.254,44 DM. Am 11. November 2002 kündigte die B. Bank die der Schuldnerin gewährten Darlehen aus wichtigem Grund. Mit einem "Kauf- und Abtretungsvertrag" vom 12./13. November 2002 veräußerte die B. Bank die Calling-Card-Plattform an die A. GmbH & Co. KG (im folgenden: A. ), an der der Beklagte zu 1 alle Kapitalanteile hält, zum Preis von netto 541.472,37 €, der der Höhe ihrer Forderung gegen die Schuldnerin entspricht. Der Kaufpreis war in Raten bis März 2011 zu zahlen. Zahlungen auf den Kaufpreis sollten zur Tilgung der Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der B. Bank aus den Darlehen verwendet werden. Am 14. November 2002 stellte der Beklagte zu 1 für die Schuldnerin einen Insolvenzantrag. Das Verfahren wurde am 20. Dezember 2002 eröffnet.
4
Am 29. November 2002 schlossen der Beklagte zu 1, die A. und die B. Bank eine Teilzahlungsvereinbarung, in der festgehalten ist, dass sich neben dem Beklagten zu 1 und dem Minderheitsgesellschafter auch die A. für das Darlehen der B. Bank verbürgt hatte, der Kaufund Abtretungsvertrag vom 13. November 2002 im Rahmen der Inanspruch- nahme der eingegangenen Bürgschaft geschlossen wurde und mit dem Kaufund Abtretungsvertrag kein unbedingter Eigentumsübergang stattgefunden hat, sondern das Eigentum erst mit Zahlung der letzten Rate übergehen sollte. Die Ratenzahlung wurde bis März 2012 gestreckt, die Raten sollten von der A. "im Rahmen der Inanspruchnahme als selbstschuldnerischer Bürge" geleistet werden, aber auch in Erfüllung des Kauf- und Abtretungsvertrags. In mehreren Teilbeträgen zwischen 28. März 2003 und Februar 2006 wurden 147.416,25 € gezahlt.
5
Der Kläger hat mit der am 30. Januar 2006 eingereichten Klage von den Beklagten - neben der Verurteilung des Beklagten zu 1 zur Zahlung von 4.936,66 € für Mietzahlungen nach Insolvenzreife der Schuldnerin - die Erstattung des zwischenzeitlich an die B. Bank aufgrund des Kaufvertrags gezahlten Kaufpreises, Auskunft über weitere Zahlungen und ggf. Erstattung auch dieser Beträge sowie Feststellung der zukünftigen Ersatzpflicht bei weiteren Zahlungen verlangt. Die Beklagten haben u.a. Verjährung eingewandt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu 1 zur Zahlung von 4.936,66 € nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

6
I. Da die Beklagte zu 2 im Verhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist über die Revision insoweit durch Teilversäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 81). Die Revision des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg und führt zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 147.416,25 €, zur Verurteilung zur Auskunftserteilung und zur Feststellung der Erstattungspflicht für weitere, sich aus der Auskunft ergebende Zahlungen.
7
II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, zwar lägen die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 32 b GmbHG a.F. wegen kapitalersetzender Besicherung der Darlehen der B. Bank grundsätzlich vor. Nach dem Regelungskonzept des Gesetzes solle die Gesellschaft aber bei Besicherung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens durch den Gesellschafter so gestellt werden , wie sie stünde, wenn der Gesellschafter pflichtgemäß die Gesellschaft von den Forderungen des Darlehensgebers freigestellt hätte. Hätte der Beklagte zu 1 den Freistellungsanspruch der Schuldnerin erfüllt und das Darlehen getilgt, wäre das Eigentum an der sicherungsübereigneten Calling-Card-Plattform an die Schuldnerin zurückgefallen, so dass der Schuldnerin nur ihr Wert entzogen worden sei. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als wirtschaftlich betrachtet der bürgende Gesellschafter über eine ihm zuzuordnende Gesellschaft den sicherungsübereigneten Gegenstand zu einem Preis erworben habe, der allein an der Darlehensschuld und nicht an dem deutlich niedrigeren Wert der Anlage ausgerichtet gewesen sei. Von dem Wertersatzanspruch bezüglich der Calling-Card-Plattform habe sich der Beklagte zu 1 in entsprechender Anwendung des § 32 b Satz 3 GmbHG a.F. dadurch befreien können, dass er dem Kläger die Anlage vergeblich zur Verwertung angeboten habe.
8
III. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im wesentlichen nicht stand. Die Beklagten sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gem. §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG a.F. analog (Rechtsprechungsregeln) zur Zahlung von weiteren 147.416,25 € als Gesamtschuldner verpflichtet und schulden Auskunft über die gemäß dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 12./13. November 2002 zukünftig gezahlten Kaufpreisraten, in deren Höhe sie zu weiteren Zahlungen an den Kläger verpflichtet sind. Zurückweisen ist die Revision allein hinsichtlich des Klageantrags zu 4.
9
1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der bisher auf den Kaufpreis gezahlten Raten in Höhe von 147.416,25 € gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG a.F. analog (Rechtsprechungsregeln ) zu. Der Beklagte zu 1 ist in Höhe der geleisteten Zahlungen von der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft auf Kosten der Schuldnerin befreit worden.
10
a) Das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Novellenregeln (§§ 32 b, 32 a Abs. 2, 3 GmbHG a.F.) und der Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG a.F. analog) ist in Altfällen, in denen das Insolvenzverfahren vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 1. November 2008 eröffnet wurde, der Gesellschafter von seiner eigenkapitalersetzenden Bürgschaft aufgrund der Tilgung der Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Drittgläubiger befreit und damit der Erstattungsanspruch der Gesellschaft sowohl nach Novellen- wie auch nach Rechtsprechungsregeln entstanden ist, weiter anwendbar (Sen.Urt. v. 26. Januar 2009 - II ZR 260/07, z.V.b. in BGHZ 179, 249 Tz. 15 ff. "Gut Buschow" ).
11
b) Der Beklagte zu 1 hat sich - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin wirksam verbürgt. Dem steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin, deren Gesellschaftsvertrag am 20. März 2001 beurkundet wurde, bei Abgabe der Bürgschaftserklärung am 19. Februar 2001 noch nicht gegründet war. Die Erklärung bezog sich auf die Verbindlichkeiten der späteren Vor-GmbH, die mit der eingetragenen GmbH identisch ist (vgl. Senat, BGHZ 91, 148, 151). Das folgt schon aus dem Wortlaut der Erklärung, sich "für künftige Forderungen der Bank gegen den Hauptschuldner M. GmbH i.Gr." zu verbürgen. Zudem hat der Beklagte zu 1 in der Teilzahlungsvereinbarung vom 29. November 2002 bestätigt, dass er sich für die Kredite der Schuldnerin verbürgt hat.
12
Die Bürgschaft ist nicht nach § 9 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 BGB) unwirksam. Die formularmäßige Erweiterung der Bürgenhaftung für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten einer Gesellschaft überrascht regelmäßig den Bürgen nicht, der als Geschäftsführer, Allein- oder Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin Art und Höhe ihrer Verbindlichkeiten bestimmen kann (vgl. BGHZ 130, 19, 30). Der Beklagte zu 1 konnte als Geschäftsführer und mittelbar an der Schuldnerin beteiligter Gesellschafter die Art und Höhe der Verbindlichkeiten der Schuldnerin mitbestimmen.
13
c) Die Bürgschaft des Beklagten zu 1 für die Darlehen der B. Bank von April/Mai 2001 war eigenkapitalersetzend. Da es aus der Sicht der Gesellschaft und ihrer Gläubiger keinen Unterschied macht, ob der Gesellschafter ihr in der Krise dadurch hilft, dass er ihr Darlehensmittel zuführt, oder ob er lediglich die Sicherheit zur Verfügung stellt, ohne welche ein außenstehender Dritter der GmbH kein Darlehen gewähren würde, ist die ein solches Darlehen sichernde Bürgschaft wie eine Einlagenleistung zu behandeln (vgl. Senat, BGHZ 67, 171, 182).
14
Die Bürgschaft war jedenfalls seit Juli 2001 eigenkapitalersetzend. Die Schuldnerin war seit diesem Zeitpunkt überschuldet. Das Berufungsgericht hat die Überschuldung im Zusammenhang mit der Verurteilung zur Erstattung der Mietzahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. rechtsfehlerfrei festgestellt.
15
d) Durch die Anrechnung der Kaufpreiszahlung für den Erwerb der Calling -Card-Plattform auf den Darlehensrückzahlungsanspruch der B.
Bank eG ist der Beklagte zu 1 in Höhe der geleisteten Zahlungen zu einem Zeitpunkt, als das Gesellschaftsvermögen die Stammkapitalziffer unterschritten hat, von der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft auf Kosten der Schuldnerin befreit worden. Das steht einer Auszahlung aus dem Vermögen der Schuldnerin gleich, so dass der Beklagte zu 1 entsprechend § 31 GmbHG a.F. zur Rückzahlung verpflichtet ist. Bei Insolvenzeröffnung bestand eine Unterbilanz in einer die geleisteten Zahlungen weit übersteigenden Höhe. Die Kaufpreisraten, die zur Befreiung von der Bürgschaftsverpflichtung in dieser Höhe geführt haben, sind erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt worden, nämlich in der Zeit zwischen März 2003 und Februar 2006.
16
Wegen der eigenkapitalersetzenden Funktion der Bürgschaft hätte der Beklagte zu 1 die Schuldnerin in der Krise vor der Inanspruchnahme durch die darlehensgewährende Volksbank bewahren und selbst die Mittel zur Rückführung des Kredits bereitstellen müssen (vgl. Sen.Urt. v. 9. Dezember 1991 - II ZR 43/91, ZIP 1992, 108, 109; v. 14. März 2005 - II ZR 129/03, ZIP 2005, 659, 660). Mit der Verwertung der Calling-Card-Plattform hat die Schuldnerin statt dessen, wirtschaftlich betrachtet, eine Zahlung aus ihrem Vermögen vorgenommen (vgl. Sen.Urt. v. 14. Oktober 1985 - II ZR 280/84, ZIP 1986, 30, 31; v. 9. Dezember 1991 aaO ZIP 1992, 108, 109). Dass nicht ein Dritter, sondern der Beklagte zu 1 - über die ihm zu 100% gehörende A. - die CallingCard -Plattform erworben hat, macht die Kaufpreiszahlungen nicht zu Leistungen auf seine Freistellungsverpflichtung gegenüber der Schuldnerin. Der Beklagte zu 1 erhält als Gegenleistung für den Kaufpreis das Eigentum an der Calling -Card-Plattform. Könnte der Beklagte zu 1 durch den Erwerb der Plattform die wie Eigenkapital zu behandelnde Bürgschaft ohne Ausgleichspflicht zum Erlöschen bringen, finanzierte er letztlich den Erwerb auf Kosten der Schuldnerin. Die Beteiligten konnten auch mit der Umwidmung der Zahlungen als Leistung auch auf die Bürgschaft der A. durch die Teilzahlungsvereinbarung vom 29. November 2002 nicht erreichen, dass die Kaufpreisraten als Leistung des Beklagten zu 1 auf seine Bürgschaft anzusehen sind und nicht dem Erwerb des Sicherungsgegenstandes dienen.
17
Der Ersatzanspruch ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht auf den Wert der Calling-Card-Plattform begrenzt. Entscheidend für die Höhe der Rückerstattung ist der Umfang der Befreiung von der eigenkapitalersetzenden Bürgschaft, die der Beklagte zu 1 erlangt hat. Diese richtet sich allein danach, in welcher Höhe die durch die Bürgschaft besicherte Darlehensforderung zurückgeführt worden und damit erloschen ist (vgl. Sen. Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 129/03, ZIP 2005, 659). Auf den Wert der neben der Bürgschaft des Beklagten zu 1 von der Schuldnerin selbst gestellten Sicherheit kommt es nicht an. Zwar ist der Anspruch aus § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 GmbHG a.F. analog vorrangig auf die Rückgabe des verbotswidrig weggegebenen Gegenstandes gerichtet (vgl. zuletzt BGHZ 176, 62 Tz. 9 m.w.Nachw.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist aber nicht die Calling-Card-Plattform der weggegebene Gegenstand. Aufgegeben hat die Schuldnerin vielmehr den gegen die Beklagten bestehenden Freistellungsanspruch. Für eine vergleichende schadensrechtliche Betrachtung, wie das Berufungsgericht sie angestellt hat, ist kein Raum.
18
Da als Verwertungserlös allein der gezahlte Veräußerungspreis maßgebend ist, ist es ohne Bedeutung, ob der Kaufpreis überhöht war. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Vertrages etwa wegen Sittenwidrigkeit bestehen im Übrigen nicht.
19
e) Die Beklagten können auch nicht in entsprechender Anwendung von § 32 b Satz 3 GmbHG a.F. den Zahlungsanspruch durch Übergabe und Übereignung der Calling-Card-Plattform abwenden. Danach kann der Gesellschaf- ter, wenn die Gesellschaft ein Darlehen zurückführt, für das er eine Sicherheit bestellt hatte, der Gesellschaft die Sicherheit zur Verfügung stellen. Die Beklagten haben die Calling-Card-Plattform nicht als Sicherheit gestellt. Die eigenkapitalersetzende Sicherheit war nicht die Calling-Card-Plattform, da diese aus dem Vermögen der Schuldnerin stammte, sondern die Bürgschaft des Beklagten zu 1, die dieser nicht zur Verwertung zur Verfügung stellen kann.
20
f) Beide Beklagten haften als Gesamtschuldner. Grundsätzlich unterliegen zwar nur Gesellschafter den Eigenkapitalersatzregeln. Lediglich die Beklagte zu 2 war Gesellschafterin der Schuldnerin. Der Beklagte zu 1 steht aber als mittelbarer Gesellschafter einem Gesellschafter gleich. Der GesellschafterGesellschafter ist einem Gesellschafter gleichzustellen, wenn er einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin, vornehmlich auf Grund einer qualifizierten Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte, ausüben kann (Sen.Urt. v. 21. November 2005 - II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 Tz. 20 m.w.Nachw., insoweit in BGHZ 165, 106 nicht abgedruckt). Der Beklagte zu 1 ist mittelbar zu 66,6 % an der Schuldnerin beteiligt, weil er an der Beklagten zu 2 unmittelbar zu 50 % und zu weiteren 50 % über die in seinem alleinigen Besitz stehende Fa. GmbH mittelbar beteiligt ist.
21
Seine eigenkapitalersetzende Sicherheit ist der Beklagten zu 2 zuzurechnen. Neben dem Dritten, der mit dem Gesellschafter eine wirtschaftliche Einheit bildet, ist auch der nominelle Gesellschafter für die von dem Dritten erbrachten eigenkapitalersetzenden Leistungen verantwortlich (vgl. BGHZ 105, 168, 176).
22
g) Der Anspruch ist nicht verjährt. Bei Klageerhebung 2006 war die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 5 Satz 1 GmbHG a.F., Art. 229 § 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB) noch nicht abgelaufen. Die fünfjährige Ver- jährungsfrist beginnt frühestens mit der Verwertung der Sicherheit als dem Zeitpunkt der Auszahlung (Senat, BGHZ 173, 1 Tz. 27), die hier aufgrund der Teilzahlungsvereinbarung zeitlich gestreckt ist.
23
2. Der Kläger kann außerdem Auskunft über die darüber hinaus zukünftig gezahlten Kaufpreisraten verlangen (Klageantrag zu 3). Der Anspruch ist nicht auf eine künftige Leistung gerichtet (§ 259 ZPO), da der Auskunftsanspruch bereits mit der Veräußerung der Calling-Card-Plattform im November 2002 entstanden ist und die Zahlungen ihn nur im Sinne einer Fälligkeitsvoraussetzung aktualisieren (vgl. BGHZ 159, 66, 73; BGHZ 117, 264, 278f).
24
3. Der Klageantrag zu 4, gerichtet auf Zahlung des nach Auskunftserteilung zu beziffernden Betrags, ist unzulässig. Soweit der Kläger Auskunft für in der Vergangenheit bezahlte Kaufpreisraten erhalten hat, hat er den Klageantrag auf Zahlung entsprechend angepasst und den Anspruch beziffert. Eine auf die Erstattung zukünftiger Zahlungen gerichtete Leistungsklage ist unzulässig (§ 259 ZPO). Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sich die Beklagten einer rechtzeitigen Leistung entziehen werden.
25
4. Der Klageantrag zu 5, mit dem der Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Zahlungen bis zur Höhe des Kaufpreises begehrt, ist dagegen begründet.
26
Das frühere Eigenkapitalersatzrecht ist auch auf die Erstattung für Kaufpreiszahlungen nach dem Inkrafttreten des MoMiG am 1. November 2008 anwendbar. Da das Insolvenzverfahren vor diesem Zeitpunkt eröffnet wurde (Art. 103 d Satz 1 EGInsO), sind weiter die bisherigen Vorschriften anzuwenden , auch soweit ein Erstattungsanspruch erst noch nach der Zahlung von weiteren Kaufpreisraten fällig wird. Der Erstattungsanspruch ist dem Grunde nach bereits fällig wird mit dem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 12./13. November 2002 entstanden, mit dem die Sicherheit der Schuldnerin verwertet und die Verrechnung des Kaufpreises auf die Darlehen der B. Bank eG vereinbart wurde. Der Tatbestand der verbotenen Auszahlung wurde bereits mit dieser Verrechnungsvereinbarung erfüllt. Mit der Teilzahlungsabrede für die Kaufpreiszahlung wurde lediglich seine Vollendung im Sinn einer späteren Fälligkeit hinausgeschoben.
27
Bei Insolvenzantragstellung überstieg die Unterbilanz der Schuldnerin, deren Höhe den Anspruch aus §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG a.F. analog begrenzt (vgl. BGHZ 67, 171, 179; 76, 326, 332; 81, 311, 319), den Kaufpreis und damit die Bürgschaftsverpflichtung in Höhe von 541.472,30 €. Verbindlichkeiten in einer Gesamthöhe von 839.406,58 € stand praktisch kein Vermögen der Schuldnerin gegenüber. Im Fall weiterer Kaufpreiszahlungen werden die Beklagten aufgrund der vereinbarten Anrechnung auf die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der B. Bank eG von der Bürgschaftsverpflichtung frei, und damit entsteht ein Erstattungsanspruch in entsprechender Höhe.
Goette Strohn Caliebe Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 02.11.2006 - 12 O 10/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 10.01.2008 - 18 U 203/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 255/02
vom
20. Januar 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
SIM-Lock II
Für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung
der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts
maßgeblich.
BGH, Beschl. v. 20. Januar 2005 - I ZR 255/02 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Pokrant, Dr. Büscher,
Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

beschlossen:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. August 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 150.000 € festgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin, die Inhaberin der für "Geräte und Anlagen für den Mobilfunk" eingetragenen Marke "S. " ist, stellt Mobiltelefone her, die mit einem sog. SIM-Lock versehen sind. Dieser bewirkt, daß die Mobiltelefone nur im Netz eines bestimmten Netzbetreibers verwendet werden können.
Der Beklagte hat von der Klägerin hergestellte und mit ihrer Marke versehene Mobiltelefone, bei denen die Sperre entfernt worden war, vertrieben und selbst Entsperrungen vorgenommen.
Die Klägerin hat den Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - wegen Verletzung ihrer Markenrechte auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Auskunftserteilung verurteilt und seine Verpflichtung festgestellt, Schadensersatz zu leisten. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2002, 327). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
II. Die Revision wird zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht mehr vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die sich dem Berufungsgericht im vorliegenden Fall stellte, hat der Senat inzwischen im Urteil vom 9. Juni 2004 - I ZR 13/02 (WRP 2005, 106 - SIM-Lock) entschieden. Eine die Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausschließende Produktveränderung i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG liegt danach vor, wenn Mobiltelefone, mit denen aufgrund einer Sperre (sog. SIM-Lock) nur in einem bestimmten Mobilfunknetz telefoniert werden kann, nach dem Inverkehrbringen durch den Markeninhaber ohne dessen Zustimmung von einem Dritten entsperrt werden.
Danach lagen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zwar im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts vor. Sie sind jedoch aufgrund der "SIM-Lock"-Entscheidung des Senats zwischenzeitlich entfallen. Die-
ser Fall wird vom Regelungsbereich des § 552a ZPO erfaßt. Denn maßgeblich für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. Begründung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/3482, S. 19; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 552a Rdn. 3; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 552a Rdn. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Anh. § 552a).
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Sinne der Entscheidung "SIM-Lock" erkannt.

a) Der Beklagte ist zur Auskunft nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG, § 242 BGB und zum Schadensersatz nach § 14 Abs. 6 MarkenG verpflichtet.
Der Beklagte hat mit der Marke "S. " gekennzeichnete Mobiltelefone ohne Zustimmung der Klägerin vertrieben (§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 MarkenG). Der markenrechtliche Schutz war nicht aufgrund Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausgeschlossen, weil die Klägerin sich dem weiteren Vertrieb der Mobiltelefone aus berechtigten Gründen i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen konnte. Die Aufhebung der Sperre (SIM-Lock) der Mobiltelefone stellte eine Produktveränderung dar, die die Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausschloß (vgl. BGH WRP 2005, 106, 108 - SIM-Lock). Die Markenrechtsverletzung hat der Beklagte, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, jedenfalls fahrlässig begangen.

b) Entgegen der Ansicht der Revision erfassen der Auskunfts- und der Feststellungsantrag nicht auch Fälle, in denen die Klägerin der Aufhebung der Sperre zugestimmt hat. Aus den Gründen des Berufungsurteils, die zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind, ergibt sich, daß eine Markenverlet-
zung nur dann vorliegt, wenn die Aufhebung der Sperre ohne Zustimmung der Klägerin erfolgt ist.

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine rechtsmißbräuchliche Geltendmachung des Markenrechts durch die Klägerin verneint. Diese braucht einen Weitervertrieb der mit ihrer Marke gekennzeichneten Waren nicht hinzunehmen , wenn der Originalzustand der von ihr produzierten und vertriebenen Mobiltelefone von dem Beklagten oder durch Dritte verändert worden ist.
Auch soweit sich die Revision auf eine irreführende Werbung eines Netzbetreibers gegenüber Endkunden, einen Verdrängungswettbewerb gegenüber dem Handel und einem Verkauf unter Einstandspreis beruft, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Klägerin hieran beteiligt ist. Durchgreifende Verfahrensrügen dagegen hat die Revision nicht erhoben.
Die Entfernung des "SIM-Lock" stellt sich entgegen der Meinung der Revision auch nicht als Fehlerberichtigung i.S. von § 69d UrhG dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.

(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden.

(2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.

(3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt.

(4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden.

(5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung.

(1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt:

1.
die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;
2.
die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;
3.
Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
4.
Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;
5.
nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
Satz 1 Nummer 5 ist nicht anzuwenden, wenn eine staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen einem Unternehmen, an dem die staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen beteiligt ist, ein Darlehen gewährt oder eine andere einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorgenommen hat.

(2) Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt.

(3) Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger.

(4) Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

(5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 4 Satz 1, der mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 48/06 Verkündet am:
14. Mai 2007
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AktG §§ 92 Abs. 2, Abs. 3; 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6;

a) Ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozialoder
steuerrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung
oder Lohnsteuer abführt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht nach § 92 Abs. 3 AktG oder § 64
Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig (- insoweit - Aufgabe
von BGH, Urt. v. 8. Januar 2002 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264; Urt. v.
18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026).

b) Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzantragspflicht
nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des
Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich
qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung
erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle
der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung
eines Insolvenzantrags absieht.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Dezember 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte war Vorstand der e. AG (Schuldnerin), die am 10. April 2000 ins Handelsregister eingetragen worden ist. Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin war insbesondere die Entwicklung einer Digitalsignatursoftware und deren Vertrieb (sog. Start-UpUnternehmen ). Das Grundkapital der Gesellschaft betrug zuletzt 205.700,00 €. Aktionäre der Schuldnerin waren mit Aktien im Nennwert von jeweils 80.000,00 € der Beklagte und sein (inzwischen verstorbener) Mitvorstand M. und mit 45.700,00 € die I. -Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: I. ). Diese war außerdem stille Gesellschafterin der Schuldnerin mit einer Einlage von 988.916,00 €. Weitere stille Gesellschafterin war seit dem 17. Januar 2001 die t. -Beteiligungs-Gesellschaft mbH der D. bank mit einer Einlage in Höhe von 1,1 Mio. €.
2
Der Beteiligungsvertrag der I. enthält in § 10 folgende "Rangrücktrittsklausel" : "Der BG (I. ) wird seinen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben in einem gerichtlichen Insolvenz- oder Vergleichsverfahren des BN (Schuldner) im Range nach den übrigen Insolvenz - oder Vergleichsgläubigern geltend machen, jedoch vor den Forderungen der anderen Gesellschafter sowie verbundenen Unternehmen des BN, und soweit es sich um natürliche Personen handelt, deren Angehörigen."
3
Ausweislich der im August 2001 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 2000 war die Schuldnerin mit einem Betrag von 327.847,70 DM bilanziell überschuldet. Am 17. August 2001 prüfte ein Wirtschaftsprüfer im Auftrag des Beklagten , der hierzu vom Aufsichtsrat angehalten worden war, den Jahresabschluss und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin zum Abschlussstichtag bilanziell, nicht jedoch "rechtlich überschuldet" gewesen sei, da die Forderung der I. nicht zu passivieren sei. Zahlungsunfähigkeit bestand ausweislich des Gutachtens ebenfalls nicht.
4
In der Zeit vom 7. August bis zum 19. Oktober 2001 veranlasste der Beklagte Lohnsteuerzahlungen sowie Zahlungen der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 82.884,80 €. Am 12. November 2001 beantragte der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, nachdem die stillen Gesellschafter im Oktober 2001 die Kündigung ihrer Beteiligungen erklärt und die jeweils letzten fälligen Raten auf ihre Beteiligungen nicht mehr gezahlt hatten, was - unstreitig - zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin führte.
5
Mit der Klage macht der Insolvenzverwalter den Betrag der oben genannten Zahlungen gemäß §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG gegen den Beklagten geltend mit der Begründung, die Schuldnerin sei bereits zum 31. Dezember 2000 nicht nur bilanziell, sondern auch rechnerisch überschuldet gewesen; diese Überschuldungssituation habe auch noch zur Zeit der streitigen Zahlungen angedauert. Der Beklagte hat sich mit der Behauptung verteidigt, eine rechnerische Überschuldung habe im Hinblick auf den von der I. erklärten Rangrücktritt nicht vorgelegen. Zudem seien die von ihm geleisteten Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar gewesen. Darüber hinaus habe er auch nicht schuldhaft gegen die Insolvenzantragspflicht verstoßen, da er fachmännischen Rat eingeholt habe, aufgrund dessen er davon habe ausgehen dürfen, dass bei - unstreitiger - Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn vorgelegen habe.
6
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision ist unbegründet.
8
I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Schuldnerin sei im Zeitpunkt der Zahlungen an die Sozial- und Finanzkassen nicht überschuldet gewesen, da der von der I. erklärte Rangrücktritt ausreichend sei, um ihre Forderung im Überschuldungsstatus der Schuldnerin nicht passivieren zu müssen.
9
II. Gegen die - im Ergebnis - zutreffende Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.
10
Ob die Erklärung der I. , wie das Berufungsgericht gemeint und die Revision mit beachtlichen Gründen in Zweifel gezogen hat, den Anforderungen entspricht, die der Senat im Urteil vom 8. Januar 2001 (BGHZ 146, 264, 271) an einen sogenannten "qualifizierten Rangrücktritt" gestellt hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Beklagte haftet nämlich jedenfalls deshalb nicht wegen Verletzung der Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG, weil die von ihm geleisteten Zahlungen - selbst wenn die Schuldnerin im Zahlungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet gewesen wäre - nicht pflichtwidrig, sondern mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar waren (1). Darüber hinaus hätte der Beklagte gegen eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verstoßen (2).
11
1. a) Zu Lasten des Vorstandes einer AG, der in der in § 92 AktG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird - ebenso wie zu Lasten des Geschäftsführers einer GmbH in dieser Situation - vermutet, dass er dabei nicht mit der von einem Vertretungsorgan zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 274 jew.m.w.Nachw.). Nach § 92 Abs. 3 Satz 2 AktG (ebenso wie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen , dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar war. Dabei hat der Senat wiederholt (s. zuletzt Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026, 1029) erwogen, das Bestreben des Vertretungsorgans, durch Zahlungen von Sozialleistungen und Steuern sich einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB, aus §§ 34, 69 AO oder der Bestrafung nach § 266 a StGB zu entziehen, sei kein im Rahmen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müsse in einem Fall einer durch die unterschiedlichen Normbefehle ausgelösten Pflichten- kollision das deliktische Verschulden verneint (bzw. i.S. des strafrechtlichen Normbefehls das Verhalten als gerechtfertigt angesehen) werden, wenn sich das Vertretungsorgan - gemessen am Maßstab der den Interessen der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialnormen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält. Dies hat der Senat damit begründet , dass der Maßstab für ein pflichtgemäßes Verhalten des Vertretungsorgans sich nicht allein nach dessen allgemeinen Verhaltenspflichten bestimme, bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren; der Maßstab sei vielmehr an dem besonderen Zweck der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbH auszurichten , die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 146 aaO 274 f. m.w.Nachw.). Die Befriedigung der Gläubiger soll dem später eingesetzten Insolvenzverwalter überlassen bleiben, der im eröffneten Verfahren für eine gleichmäßige und rangrichtige Bedienung der offenen Forderungen zu sorgen hat. Aus dieser Sicht des mit §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG verfolgten Zwecks erschien es dem Senat näher liegend, die in diesen Vorschriften niedergelegten Pflichten als allgemeinem Interesse dienend im Rahmen der Pflichtenkollision des Vertretungsorgans - trotz der fehlenden Strafbewehrung - vorrangig anzusehen, zumal nach der Abschaffung des Vorrangs der Forderungen der Sozial- und Finanzkassen durch die Einführung der Insolvenzordnung keine Rechtfertigung mehr dafür bestehe, der Pflicht zur Erfüllung der dort bestehenden Forderungen deswegen durchschlagende Bedeutung beizumessen, weil sie sich hinsichtlich der Sozialversicherungsforderungen auf die Strafvorschrift des § 266 a StGB zurückführen ließe (vgl. Sen.Urt. v. 18. April 2005 aaO).
12
b) Hieran hält der Senat nach erneuter Überprüfung im Hinblick auf die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichts- hofes (Beschl. v. 21. September 2005 - 5 StR 263/05, ZIP 2005, 1678 ff.), nach der der vom Senat erwogene Vorrang der im Interesse aller Gläubiger angeordneten Massesicherungspflicht angesichts der Strafandrohung einer Nichtabführung von Sozialabgaben nicht anerkannt werden kann, nicht fest. Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung kann es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzt. Sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.
13
Danach haftet der Beklagte für die den Gegenstand der Klageforderung bildenden, an die Sozial- und Finanzkassen geleisteten Zahlungen nicht.
14
2. Eine Haftung des Beklagten scheidet auch deshalb aus, weil er eine - möglicherweise bestehende - Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat. Er hat zu der Frage, ob sich die Schuldnerin in einer Situation befand, in der er zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet war, unabhängigen, fachlich qualifizierten Rat eingeholt mit dem Ergebnis, dass eine derartige Pflicht für ihn nicht bestand. Auf diesen Rat durfte er sich verlassen.
15
a) Die Haftung des Vorstands wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach §§ 92, 93 AktG setzt eben so wie die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG eine schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht voraus (MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler 2. Aufl. § 92 Rdn. 29; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 93 Rdn. 14; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 64 Rdn. 32 ff. jew.m.w.Nachw.). Für die Haftung des Vertretungsorgans reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus; das Verschulden des Vorstands/Geschäftsführers wird vermutet (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 277 jew.m.w.Nachw.). Den Vorstand/Geschäftsführer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat.
16
b) Diesen Anforderungen, d.h. dem Nachweis seines mangelnden Verschuldens als Organmitglied, hat der Beklagte genügt. Von dem organschaftlichen Vertreter wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit. Er handelt daher fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse verschafft (Schmidt-Leithoff aaO Rdn. 19). Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl /Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. § 93 Rdn. 99; Hopt in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. § 73 Rdn. 255 m.w.Nachw.; Wiesner in MünchHdb.d.GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rdn. 7 m.w.Nachw.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen , für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.
17
Einen diesen Anforderungen genügenden Rat hat der Beklagte hier in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat der Schuldnerin eingeholt. Bei einem Start-Up-Unternehmen wie der Schuldnerin, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert und - wie hier - von Förderdarlehen abhängig ist, ist eine ständige, intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in besonderem Maße erforderlich. Dem genügend hat der Beklagte nach Aufstellung des Jahresabschlusses im August 2001 und Aufdeckung einer bilanziellen Überschuldung im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat unverzüglich einem Wirtschaftsprüfer den Auftrag erteilt, den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 daraufhin zu überprüfen, ob die Gesellschaft nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif war und ein Insolvenzantrag gestellt werden musste. Die Sachkompetenz und Fachkunde eines Wirtschaftsprüfers für eine solche Prüfung steht außer Frage. Dass es sich bei dem Gutachten um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt worden.
18
Führt - wie hier - die derart in Auftrag gegebene Prüfung, ob eine Insolvenzsituation vorliegt, zu der fachkundigen und für den organschaftlichen Vertreter bei der gebotenen Plausibilitätskontrolle nachvollziehbaren Feststellung, dass die Gesellschaft weder im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses noch im Prüfungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet und sogar die Zahlungsfähigkeit jedenfalls bis zum Jahresende - selbst ohne Zuführung neuen Fremdkapitals - gesichert war, musste der Beklagte - gemessen an der von ihm geforderten Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters - keinen Insolvenzantrag stellen. Es wäre nicht zu rechtfertigen, einem organschaftlichen Vertreter abzuverlangen, unabhängigen, fachkundigen Rat zur Klärung des Bestehens einer Insolvenzlage einzuholen und es ihm gleichwohl als schuldhaften Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten anzulasten, wenn er sich - trotz fehlender eigener ausreichender Sachkunde - dem fachkundigen Rat entsprechend verhält (vgl. Hopt aaO Fn. 873). Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.07.2004 - 14 O 198/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2005 - 23 U 160/04 -

(1) Nicht fällige Forderungen gelten als fällig.

(2) Sind sie unverzinslich, so sind sie mit dem gesetzlichen Zinssatz abzuzinsen. Sie vermindern sich dadurch auf den Betrag, der bei Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Fälligkeit dem vollen Betrag der Forderung entspricht.

Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.

(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

(2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß nach § 12 bekanntgemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen.

(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden.

(2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.

(3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt.

(4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden.

(5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung.